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Full text of "Informationsdienst Sozialarbeit (1972 - 1980)"

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NFORMATIONSDIENST 
OZIALARBEIT 


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Ausserdem: 

Arbeitslose  Sozialarbeiter?  -Fragen  zur  Berufsprognostik 
-^  Treffen  der  Arbeitslosen-Selbsthilfeinitiativen   -^ 
Angriff  auf  die  Autonomic  der  Jugendverbande-^  Heim- 
erziehung   -^-     Materialien  und  Kleinanzeigen 


16 


Offenbach  im  Marz  1977 
Einfachnummer  -  Preis  DM  5,— 


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Kur 


Plakat  2 
te  "Info 


INFO  SOZIALARBEIT,   Heft  16 


INHALT 

Vorbemerkung  zu  dieser  Ausgabe 

AKS  Bielefeld 

Ausgewahlte  Aspekte  der  Entwicklung  der  DTV 

und  ihrer  Konkurrenzorganisationen 

Aufbau  und  Struktur  der  0TV 

Einschatzung  und  Kritik  der 
organisatorischen  Struktur  der  DTV 

AKS  Frankfurt 

Die  Entwicklung  der  Fachgruppe  "Sozialarbeit" 

in  der  DTV  Frankfurt 

Gewerkschaftsarbeit  in  der  Dienststelle 

Vertrauensleutearbeit  in  der  Sozialverwaltung  Frankfurt 

AKS  Bielefeld 

Vertrauensleutearbeit  bei  der  Stadtverwaltung  Bielefeld 

Ansatze  fur  eine  Gewerkschaftsarbeit  in  der  DTV 

Erhard  Wedekind,.  Kbln 

Gewerkschaftsarbeit  und  politische  Organisierung 

von  Sozialarbeitern 

Rolf  Landwehr,  Westberlin 
Wider  den  linken  Caritativismus 

Titnm  Kunstreich,   Hamburg 

Los  kiinftiger  Sozialarbeiter  =  Arbeitslos? 

-  Fragen  zur  Berufsprognostik  - 

Arbei  tsl  oseni  ni  ti  ati  ven-Tref f en 

Bund  Demokratischer  Jugend 

Angriff  auf  die  Autonomic  der  Jugendverbande 

Projektgruppe  Heimerziehung,  Frankfurt 

Die  "sauberen"  Methoden  des  International  en  Bundes 

fur  Sozialarbeit 

Koordinationsstelle  fiir  Wohngemeinschaften 

Sozialpolitisches  Aktions-  und  Informationszentrum 

Arbeitstagung  "Heimerziehung" 

Materi al  i en/Kl  ei  nanzei gen 


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Seite  83 

Seite  85 
Seite  89 
Seite  90 
Seite  91 
Seite  92 


Das  Blatt 
fur  die  Praxis. 


VORBEMERKUNG  ZU  DIESER  AUSGABE 


OberSOOO 
haben  uns  schon  abonniert! 


und  es  werden  sicherlich  noch  einige  Unser  Jahresabokostet38,-  DM,  fiir  Leute 

dazukommen!  Denn:  pad.  extra  sozialar-  die  gleichzeitig  pad.  extra  abonmeren, 

beit  ist  keine  Zeitschrift  fur  eine  anonyme  ganze  20  DM! 
Lesermasse,  sondernein aktuelles Blatt  aus  -JLr 


der  Praxis  fur  Praxis.  Lesbar  und  Aktuell. 

Wh  bringt  pld.«rtr«  soziafarbeft? 

Verstandliche  Beitrage  mit  Gebrauchswert 

fiir  die  tigliche  praktische  Arbeit 

_  aktuelle  Praxisberichte  und  -informa- 

tionen,  .  .  .         . 

-  Dokumentationsdienst   wicntiger    Ar- 

beitsmaterialien, 

-  Kommunikations-Markt  fur  Leser 

-  Archiv   mit   aktuellen   .Jtistonschen 
Tex  ten, 

-  Hinweise    und    Besprechungen   neuer 

Bucher, 

-  Daten  und  Fakten  als  Argumentattons- 

_  Praktisches  Lexikon  der  Sozialarbeil 

auf  Karteikarten. 
Das  game  zwolfmal  im  Jahr,  jeweils  mit 
40  Seiten. 


Und:  Wer  abonniert,  der  bekommt  aUe 
bisher  erschienen  Hefte  nachgeliefert. 
Hefte  mit  Beitragen  und    Themen  wie 

z.B. 

-  ^Gasf'arbeiterundSozialarbeit 

Ober  das  Spanische  Zentrum  in  Essen 

-  Repression  und  Widerstand  im  Sozial- 
bereich 

-  Jugendhilfe  und  Schule  -  oder  ist 
Schulsozialarbeit  ein  Ausweg  aus  der 
Misere? 

-  oder  iiber  Politische  Liedermacher, 
dem  neuen  alten  Strafvollzugsgesetz 
und  viele  andere  Beitrage 

Von  Autoren  wie  z.B.  Manfred  Rabatsch, 
Marianne  Kokigei,  Erhard  Wedekind 
Jiirgen  Roth,  Ursula  Krechel,  Peter  Paul 
Zahl,  Manfred  Liebel . .  . 


BESTELLUNGEN  AN: 

PAD' EXTRA  SOZIALARBEIT 
Postfach   11  9o  86  ,  6ooo  Frankfurt  2 


* 


Als  linker  Kollege  muB  man  in  die  Gewerkschaft  gehen.  In  einer  Zeit 
in  der  die  burger-lichen  Rechte  immer  mehr  eingeschrankt,  in  der  die 
Reste  von  KlassenbewuBtsein  aus  den  Gewerkschaften  herausgesaubert 
werden,  muB  der  linke  fortschri ttliche  Arbeiter  und  Anqestellte  erst 
recht  in  die  Gewerkschaft  gehen."  miBestei.ite  ersi 

So  Oder  ahnlich  lauten  die  Begrundungen,  fragt  man  aktive  Kollegen, 
warum  sie  in  der  OTV  organisiert  sind. 

Die  Situation  im  Sozialbereich  - 

SparmaBnahmen  fur  pa'dagogische  Programme.Planstellenstop  und  -kurzung- 
en,  zunehmende  Arbei tslosigkeit  fur  Erzieher  und  Sozialarbeiter.Ver- 
scha'rfung  des  Arbei tsdruckes  durch  Erhbhung  der  Gruppenstarken  bzw. 
der  Fallzahlen,  fehlende  Praktikantenstellen,  Rationalisierungsten- 
denzen,  Angriffe  auf  die  Ausbildungsinhalte  und  -formen  durch  die  Kom- 
munalen  Arbei tgeberverbande,  Aushbhlung  der  Jugend-  und  Sozialarbeit 
z.B.  durch  Einfuhrung  der  Jugendpolizei ,  verstarkte  Kontrolle  und  Dis- 
ziplinierung  fortschrittlicher  Arbei tsansatze  - 

macht  es  uberdeutl ich:  diesen  Angriffen  auf  die  Lebens-  und  Arbeits- 
bedingungen  von  "Klientel"  und  Sozial arbeiter  kann  nur  organisiert 
begegnet  werden.  Alleine  ist  man  dieser  Situation  ziemlich  ausgelie- 
fert  und  die  meisten  passen  sich  den  vera'nderten  Bedingungen  an  und 
gedenken  zu  uberwintern. 

"Oa  was  soil  ich  auch  in  der  OTV,  was  geschieht  uenn  dort  an  GegenmaB- 
nahmen?"  "Ich  besuche  lieber  die  Seminare  des  Berufsverbandes,  die 
sind  jetzt  auch  tariffahig,  mehr  interessiert  mich  nicht" 
Typische  Antworten  einer  Vielzahl  von  Kollegen. 

Betrachtet  man  die  offizielle  Gewerkschaftspoliti  k,  so  kann  man  nicht 
nur  feststellen,  daS  der  Politik  der  standischen  Organisationen  kaum 
etwas  entgegengesetzt  wird,  was  die  OTV  als  Interessenorganisation  fiir 
die  Kollegen  attraktiv  macht,  weitaus  schl immer: dort  wo  Kollegen  aktiv 
geworden  sind,  gemeinsam  begonnen  haben  ihre  Interessen  zu  vertreten 
und  es  mit  der  innergewerkschaftlichen  Demokratie  sehr  genau  nehmen, 
reagiert  der  Gewerkschaftsapparat  mit  Ausschlussen  und  Auflbsungen. 

GEWERKSCHAFTSAUSSCHLtTSSE 

Die  Gewerkschaftsausschlusse  stehen  in  direktem  Zusammenhang  mit  der 
vom  Staat  betriebenen  Kampagne  gegen  Sozialisten  und  Kommunisten  im 
Staatsdienst.  Parallel  zu  dem  RadikalenerlaB  im  Dffentlichen  Dienst 
haben  die  DGB-Gewerkschaften  die  Unvereinbarkei tsbeschlusse  formuliert, 
die  sich  nicht  nur  gegen  Kollegen  richten,  die  Mitglied  einer  Kommun- 
istischen  Organisation  sind,  sondern  auch  gegen  Kollegen,  die  das 
Prinzip  der  innergewerkschaftlichen  Demokratie  nicht  nur  im  Munde  fiih- 
ren,  sondern  in  der  Arbeit  anwenden  und  damit  in  Konflikt  mit  dem 

-  3  - 


Gewerkschaftsapparat  geraten.Herausragendes     Beispiel   ist  die  Kinder- 
qartnerin  Heidemarie  Bischoff-Pflanz  aus  Westberlin.  Sie  trat  1963  in 
die  DTV  ein,  engagierte  sich  stark  fur  den  sozialpadagogischen  Bereich, 
wurde  in  den  Personal  rat  gewahlt  und  1967  in  den  Vorstand  der  Abtei- 
lunq  Sozialarbeit.  Von  1971  bis  zu  ihrem  AusschluB  1975  war  sie  Vor- 
sitzende  der  Abteilung.   Ihr  "gewerkschaftsschadigendes  Verhalten    be- 
stand  darin,  daB  sie  ihrem  Amt  gemaB  zwei  Vollversammlungen  der  Ab- 
teilung  leitete,  auf  denen  per  Abstimmung (fast  einstimmig)  das  Gast- 
recht  fUr  Mitglieder.gegen  die  ein  Ausschl uBverfahren  lief,  durchge- 
setzt  wurde. 

Heidemarie  Bischoff-Pflanz  nahm  ihren  GewerkschaftsausschluB  nicht 
kamDflos  hin  und  trug  ihren  Fall  mit  UnterstUtzung  der  Kollegen  durch 
alle  gewerkschaftlichen  Instanzen  bis  zum  Gewerkschaftstag.  Sie  war 
eine  von  22  Fallen,  die  auf  dem  Gewerkschaftstag  vom  13.   -  18.6.1976 
in  Hamburg  zur  endgultigen  Entscheidung  anstanden.Diese  22  Falle  waren 
der  bescheidene  Rest  von  liber  4oo  AusschluBverfahren. 

•  In  mehr  als  4oo  Fallen  ist  vom  Hauptvorstand  der  0TV  ein  AusschluB- 
verfahren beschlossen  worden; 

I  Nur  noch  mit  12o  dieser  Falle  hatte  sich  der  GewerkschaftsausschuB 
zu  bescha'ftigen. 

•  Obriggeblieben  sind  davon  lediglich  22  Falle,  die  dann  dem  Gewerk- 
schaftstag zur  Entscheidung  vorgelegt  wurden 

Doch  auch  diese  22  Falle  waren  dem  Gewerkschaftstag  zu  viel.   Kurzer- 
hand  entmachtete  er  sich  selbst,  beschloB  eine  Satzungsanderung  und 
schuf  die  letzte  Beschwerdeinstanz  ab.  Das  Ganze  nennt  sich  dann 
i  nnergewerkschaf tl i  che  Demokrati  e. 


AUFLOSUNG  DER  FACHGRUPPEN 

Da  aber  nicht  alle  aktiven  Mitglieder  ausgeschlossen  werden  konnen, 
irgendwo  mussen  ja  noch  die  Beitrage  herkommen,  greift  man  zu  anderen 
Mitteln  urn  Ruhe  und  Ordnung  fur  die  sozialpartnerschaftliche  Pontile 
aufrechtzuerhalten:  die  Auflbsung  und  Verhinderung  der  Bildung  von 
Fachgruppen.   Beispiele: 


4  - 


•  Frankfurt  1974:  Auflbsung  der  Fachgruppe  nach  dem  Rlicktritt  des 

Fachgruppenvorstandes;  versch.   Initiativen  zur  Wie- 
der-einrichtung  blieben  bisher  erfolglos(siehe  S.27) 
■ 

•  Westberlin  1975:  Umstrukturierung  der  Arbeit:  vom  Mi tgliederversam- 

mlungsprinzip  zum  Betriebsgruppenprinzip  und  damit 
faktisch  zur  Auflbsung  der  Fachgruppe 

•  Kbln  Oktober  1976:  Mitgliederversammlungen  werden  verhindert 

t  Mlinster  November  1976:  obwohl   12o  aktive  Kollegen  eine  Mitglieder- 
versammlung  auf  Fachgruppenebene  forderten, 
wurde  ihnen  die  Anerkennung  als  Fachgruppe 
bisher  verweigert 

•  Flensburg  Dezember  1976:  CTv-Kreisvorstand  beschlieBt  in  einer  a.o. 

Sitzung  die  Auflbsung  der  Fachgruppe 

Eine  Analyse  der  verschiedenen  Beispiele  zeigt  das  gleiche  Strick- 
muster^ach  dem  auch  die  Fachgruppe  in  Frankfurt (deren  Entwicklung 
wir  als  exemplarisches  Beispiel   ausfiihrlich  dokumentiert  haben) 
liquidiert  worden  ist. 

Ist  die  Verankerung  der  im  Sozialbereich  arbeitenden  Kollegen  in  der 
DTV  und  umgekehrt  noch  relativ  gering,   la'Bt  man  den  aktiven  Gewerk- 
schaftsmitgliedern  viel   Spielraum,  der  sich  aber  zunehmend  verringert, 
je  starker  die  Fachgruppe  wird.je  eindringlicher  Interessen  artikuliert 
und  durchgesetzt  werden  wollen. 

Auseinandersetzungen  liber  verabschiedete  Resolutionen  und  deren  Ver- 
breitung,  Auseinandersetzungen  Liber  die  Handhabung  des  Prinzips  inner- 
gewerkschaftlicher  Willensbildung  kehren  immer  wieder  bzw.  werden  vom 
Apparat  anschlieBend  administrate  gelbst.   Die  Ruhe  scheint  bis  auf 
weiteres  wiederhergestellt.  Ob  die  Glaubwurdigkeit  der  Organisation 
darunter  leidet  Oder  der  Organisationsgrad  und  die  Motivation  der 
Kollegen  sich  aktiv  fur  ihre  Interessen  einzusetzen,  zuruckgeht,kiim- 
mert  kaum  einen  Funktionar. 

Trotz  aller  Kritik  an  und  alien  MiSstanden  in  den  Gewerkschaften  und 
obwohl  sich  eigentlich  der  personell  mehrheitlich  sozialdemokratisch 
besetzte  Apparat  oft  genug  "gewerkschaftsschadigend"  verhalt  und  in 
den  obigen  Fallen  die  "Wahrung  der  beruflichen  und  fachlichen  Inte- 
ressen" der  Mitglieder  verhindert,  mu3  flir  Sozialisten  klar  sein.daB 
sie  auch  unter  erschwerten  Bedingungen  eine  konsequente  an  den  ge- 
werkschaftlichen Interessen  orientierte  Arbeit  vorantreiben  mussen. 
D.h. 

1.  daB  wir  eintreten  flir  das  Prinzip  der  Einheitsgewerkschaft  und  alle 
weiteren  Schritte  zur  Richtungsgewerkschaft  bekampfen  werden; 

2.  daB  wir  dafiir  eintreten,die  Isolierung  und  Zersplitterung  der  im 
Sozialbereich  Beschaftigten  versuchen  auf  gewerkschaftlicher  Ebene 
aufzuheben; 

3.  daB  wir  Kontakt  und  die  Zusammenarbeit  mit  Kollegen  aus  anderen 
Bereichen  im  Dffentlichen  Dienst  starker  als  in  der  Vergangenheit 
anstreben. 

-  5  - 


Das  Blatt 
fur  die  Praxis. 


VORBEMERKUNG  ZU  DIESER  AUSGABE 


Ober 5000 
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.  .  .  und  cs  werden  sicherlich  noch  einige 
dazukommen!  Denn:  pad.  extra  sozialar- 
beit  ist  keine  Zeitschrift  fur  eine  anonyme 
Lesermasse,  sondernein aktuelles  Blatt  aus 
der  Praxis  fur  Praxis.  Lesbar  und  Aktuell. 

Ww  bring*  ptt.  extra  sazialartMsit? 

Verstandliche  Beitrage  mit  Gebrauchswert 
fur  die  tagliche  praktische  Arbeit 

-  aktuelle  Praxisberichte  und  -mforma- 

tionen,  . 

-  Dokumentationsdienst   wichtiger    Ar- 

beitsmaterialien, 

-  Kommunikations-Markt  fur  Leser, 

-  Archiv   mit   aktuelle  n   „historischen 
Texten, 

-  Hinweise    und    Besprechungen    neuer 

Biicher, 

-  Daten  und  Fakten  als  Argumentations- 
hilfen,  . 

-  Praktisches  Lexikon  der  Sozialarbeit 
auf  Karteikarten. 

Das  ganze  zwblfmal  im  Jahr.jeweils  mit 
40  Seiten. 


Unser  Jahresabokostet  38,  DM,  fur  Leute 
die  gleichzeiiig  pad.  extra  abonnieren, 
aanze  20  DM! 

• 

Und  Wer  abonniert,  der  bekommt  atie 
bisher  erschienen  Hefte  nachgeliefert. 
Hefte   mit   Beitragen  und    Themen  wie 

Gasf'arbeiter  und  Sozialarbeit 

fjber  das  Spanische  Zentrum  in  Essen 
_  Repression  und  Widersland  im  Sozial- 

bereich 

Jugendhilfe    und   Schule    -   Oder   ist 

Schulsozialarbeit  ein  Ausweg  aus  der 

Misere? 
_  oder    iiber    Politische   Liedermacher, 

dem   neuen  alten  Strafvollzugsgesetz 

und  viele  andere  Beitrage 

Von  Autoren  wie  z.B.  Manfred  Rabatsch, 
Marianne  Kokigei,  Erhard  Wedekind, 
Jiirgen  Roth,  Ursula  Krechel,  Peter  Paul 
ZaW,  Manfred  Liebel . . . 


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* 


Als  linker  Kollege  muB  man  in  die  Gewerkschaft  gehen.   In  einer  Zeit 
in  der  die  burger! ichen  Rechte  immer  mehr  eingeschrankt,   in  der  die 
Reste  von  KlassenbewuBtsein  aus  den  Gewerkschaften  herausgesa'ubert 
werden,  muB  der  linke  fortschri  ttl  iche  Arbeiter  und  Angestellte  erst 
recht  in  die  Gewerkschaft  gehen." 

So  Oder  ahnlich  lauten  die  Begrundungen,  fragt  man  aktive  Kollegen 
warum  sie  in  der  DTV  organisiert  sind. 

Die  Situation  im  Sozialbereich  - 

SparmaBnahmen  ftir  padagogische  Programme, Planstellenstop  und  -kurzung- 
en,      zunehmende  Arbei tslosigkeit  fl'r  Erzieher  und  Sozialarbei ter.Ver- 
scha'rfung  des  Arbei tsdruckes  durch  Erhbhung  der  Gruppenstarken  bzw. 
der  Fallzahlen,  fehlende  Praktikantenstel len,   Rationalisierungsten- 
denzen,  Angriffe  auf  die  Ausbildungsinhal te  und  -formen  durch  die  Kom- 
munalen  Arbeitgeberverbande,  Aushbhlung  der  Jugend-  und  Sozialarbeit 
z.B.  durch  Einfiihrung  der  Jugendpolizei ,  verstarkte  Kontrolle  und  Dis- 
ziplinierung  fortschrittlicher  Arbei tsansatze  - 

macht  es  uberdeutlich:   diesen  Angriffen  auf  die  Lebens-  und  Arbeits- 
bedingungen  von  "Klientel"  und  Sozialarbeiter  kann  nur  organisiert 
begegnet  werden.   Alleine  ist  man  dieser  Situation  ziemlich  ausgelie- 
fert  und  die  meisten  passen  sich  den  veranderten  Bedingungen  an  und 
gedenken  zu  uberwintern. 

"Ja  was  soil    ich  auch  in  der  DTV,  was  geschieht  aenn  dort  an  GegenmaB- 
nahmen?"   "Ich  besuche  lieber  die  Seminare  des  Berufsverbandes ,   die 
sind  jetzt  auch  tariffahig,  mehr  interessiert  mich  m'cht" 
Typische  Antworten  einer  Vielzahl    von  Kollegen. 

Betrachtet  man  die  offizielle  Gewerkschaftspolitik,  so  kann  nan  m'cht 
nur  feststellen,  daB  der  Politik  der  standi schen  Organisationen  kaum 
etwas  entgegengesetzt  wird,  was  die  OTV  als   Interessenorganisation  fur 
die  Kollegen  attraktiv  macht,  weitaus  schlimmer:dort  wo  Kollegen  aktiv 
geworden  sind,  gemeinsam  begonnen  haben  ihre  Interessen  zu  vertreten 
und  es  mit  der  innergewerkschaftl ichen  Demokratie  sehr  genau  nehmen, 
reagiert  der  Gewerkschaftsapparat     mit  Ausschliissen  und  Auflbsungen. 

GEWERKSCHAFTSAUSSCHLDSSE 

Die  GewerkschaftsausschlLisse  stehen  in  direktem  Zusammenhang  mit  der 
vom  Staat  betriebenen  Kampagne  gegen  Sozialisten  und  Kommunisten  im 
Staatsdienst.   Parallel   zu  dem  RadikalenerlaB  im  Dffentl ichen  Dienst 
haben  die  DGB-Gewerkschaften  die  Unvereinbarkeitsbeschlusse  formuliert, 
die  sich  nicht  nur  gegen  Kollegen  richten,  die  Mitglied  einer  Kommun- 
istischen  Organisation  sind,   sondern  auch  gegen  Kollegen,  die  das 
Prinzip  der  innergewerkschaftl  ichen  Demokratie  nicht  nur  im  Munde  fu'h- 
ren,     sondern  in  der  Arbeit  anwenden  und  damit  in  Konflikt  mit  dem 

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Gewerkschaftsapparat  geraten.Herausragendes     Beispiel   ist  die  Kinder- 
gartnerin  Heidemarie  Bischoff-Pflanz  aus  Westberlin.   Sie  trat  1963  in 
die  OTV  ein,  engagierte  sich  stark  fur  den  sozialpadagogischen  Bereich, 
wurde  in  den  Personal  rat  gewahlt  und  1967  in  den  Vorstand  der  Abtei- 
lung  Sozialarbeit.   Von  1971  bis  zu  ihrem  AusschluB  1975  war  sie  Vor- 
sitzende  der  Abteilung.    Ihr  "gewerkschaftsschadigendes  Verhalten'  be- 
stand  darin,  daB  sie  ihrem  Amt  geraa'B  zwei   Vollversammlungen  der  Ab- 
teilung leitete,  auf  denen  per  Abstimmung (fast  einstimmig)  das  Gast- 
recht  fur  Mitglieder, gegen  die  ein  AusschluBverfahren  lief,  durchge- 
setzt  wurde. 

Heidemarie  Bischoff-Pflanz  nahm  ihren  GewerkschaftsausschluB  nicht 
kampflos  hin  und  trug  ihren  Fall  mit  Unterstlitzung  der  Kollegen  durch 
alle  gewerkschaftlichen  Instanzen  bis  zum  Gewerkschaftstag.  Sie  war 
eine  von  22  Fallen,  die  auf  dem  Gewerkschaftstag  vora  13.   -  18.6.1976 
in  Hamburg  zur  endgultigen  Entscheidung  anstanden.Diese  22  Falle  waren 
der  bescheidene  Rest  von  Liber  4oo  AusschluBverfahren. 

•  In  mehr  als  4oo  Fallen  ist  vom  Hauptvorstand  der  OTV  ein  AusschluB- 
verfahren  beschlossen  worden; 

•  Nur  noch  mit  12o  dieser  Falle  hatte  sich  der  GewerkschaftsausschuB 
zu  beschaftigen. 

I  Obriggeblieben  sind  davon  lediglich  22  Falle,  die  dann  dem  Gewerk- 
schaftstag zur  Entscheidung  vorgelegt  wurden 


Kurzer- 


Doch  auch  diese  22  Falle  waren  dem  Gewerkschaftstag  zu  viel. 
hand  entmachtete  er  sich  selbst,  beschloB  eine  Satzungsa'nderung  und 
schuf  die  letzte  Beschwerdeinstanz  ab.   Das  Ganze  nennt  sich  dann 
innergewerkschaftliche  Demokratie. 


AUFLOSUNG  DER  FACHGRUPPEN 

Da  aber  nicht  alle  aktiven  Mitglieder  ausgeschlossen  werden  kbnnen, 
irgendwo  mu'ssen  ja  noch  die  Beitra'ge  herkommen,  greift  man  zu  anderen 
Mitteln.um  Ruhe  und  Ordnung  fiir  die  sozialpartnerschaftliche  Politnk 
aufrechtzuerhalten:   die  Auflbsung  und  Verhinderung  der  Bildung  von 
Fachgruppen.  Beispiele: 

-  4  - 


•  Frankfurt  1974:   Auflbsung  der  Fachgruppe  nach  dem  RLicktritt  des 

Fachgruppenvorstandes;  versch.    Initiativen  zur  wie- 
der-einrichtung  blieben  bisher  erfolglos(siehe  S.27) 

•  Westberlin  1975:  Umstrukturierung  der  Arbeit:  vom  Mi tgliederversam- 

mlungsprinzip  zum  Betriebsgruppenprinzip  und  damit 
faktisch  zur  Auflbsung  der  Fachgruppe 

I  KSln  Oktober  1976:  Mitgliederversammlungen  werden  verhindert 

•  Mlinster  November  1976:  obwohl   12o  aktive  Kollegen  eine  Mitglieder- 

versammlung  auf  Fachgruppenebene  forderten, 
wurde  ihnen  die  Anerkennung  als  Fachgruppe 
bisher  verweigert 

I  Flensburg  Dezember  1976:  OTV-Kreisvorstand  beschlieBt  in  einer  a.o. 

Sitzung  die  Auflbsung  der  Fachgruppe 

Eine  Analyse  der  verschiedenen  Beispiele  zeigt  das  gleiche  Strick- 
muste^nach  dem  auch  die  Fachgruppe  in  Frankfurt(deren  Entwicklung 
wir  als  exemplarisches  Beispiel   ausflihrlich  dokumentiert  haben) 
1 i qui diert  worden  ist. 

Ist  die  Verankerung  der  im  Sozialbereich  arbeitenden  Kollegen  in  der 
OTV  und  umgekehrt  noch  relativ  gering,   la'Bt  man  den  aktiven  Gewerk- 
schaftsmi tgliedern  viel   Spielraum,  der  sich  aber  zunehmend  verringert, 
je  starker  die  Fachgruppe  wird.je  eindringl icher  Interessen  artikuliert 
und  durchgesetzt  werden  wollen.. 

Auseinandersetzungen  liber  verabschiedete  Resolutionen  und  deren  Ver- 
breitung,  Auseinandersetzungen  Liber  die  Handhabung  des   Prinzips  inner- 
gewerkschaftl icher  Willensbildung  kehren  immer  wieder  bzw.  werden  vom 
Apparat  anschlieBend  administrativ  gelbst.   Die  Ruhe  scheint  bis  auf 
weiteres  wiederhergestell  t.   Ob  die  Glaubwlirdigkei  t  der  Organisation 
darunter  leidet  oder  der  Organisationsgrad  und  die  Motivation  der 
Kollegen  sich  aktiv  fur  ihre  Interessen  einzusetzen,  zurlickgeht.klini- 
mert  kaum  einen  Funktionar. 

Trotz  aller  Kritik  an  und  alien  MiBstanden  in  den  Gewerkschaften  und 
obwohl   sich  eigentlich  der  personell  mehrheitlich  sozialdemokratisch 
besetzte  Apparat  oft  genug   "gewerkschaftsscha'digend"  verhalt  und  in 
den  obigen  Fallen  die  "Wahrung  der  beruflichen  und  fachlichen  Inte- 
ressen" der  Mitglieder  verhindert,  muB  fiir  Sozialisten  klar  sein.daB 
sie  auch  unter  erschwerten  Bedingungen  eine  konsequente  an  den  ge- 
werkschaftlichen Interessen  orientierte  Arbeit  vorantreiben  mu'ssen. 
D.h. 

1.  daB  wir  eintreten  fur  das  Prinzip  der  Einheitsgewerkschaft  und  alle 
weiteren  Schritte  zur  Richtungsgewerkschaft  bekampfen  werden; 

2.  daB  wir  dafur  eintreten, die  Isolierung  und  Zersplitterung  der  im 
Sozialbereich  Beschaftigten  versuchen  auf  gewerkschaftl icher  Ebene 
aufzuheben; 

3.  daB  wir  Kontakt  und  die  Zusammenarbeit  mit  Kollegen  aus  anderen 
Bereichen  im  Offentlichen  Dienst  starker  als  in  der  Vergangenheit 
anstreben. 


Dieser  Zielsetzung  dient  u.a.   der  Info  mit  dem  Schwerpunktthema"Ge- 
werkschaftsarbeit  in  der  OTV". 

Wir  haben  versucht, die  historische  Entwicklung  und  die  Orgamsatnons- 
struktur  der  OTV  so  Ubersichtlich  wie  mbglich  darzustellen  und  einer 
Kritik  zu  unterziehen.  Erfahrungsberichte  aus  Bielefeld  und  Frankfurt 
thematisieren  Schwierigkeiten.Erfolge  und  Niederlagen  der  bisherigen 
Arbeit  in  Betrieb.Vertrauensleutekorper  und  Fachgruppe. 
Das  Verhaltnis  von  bkonomischer  Interessenvertretung,  padagogischen 
Zielen  und  politischem  Selbstverstandnis  naher  zu  bestimmen  und  die_ 
Gewerkschaftsarbeit  einzuordnen  in  die  Diskussion  poli tisch-padagogi- 
scher  Kriterien  ftir  eine  fortschrittliche  Berufspraxis  einerseits 
und  einer  sozialistischen  Gesamtstrategie  fiir  alle  gesellschaftlichen 
Bereiche  anderersei ts,  versucht  der  Beitrag  "Gewerkschaftsarbeit  und 
politische  Organisierung  von  Sozialarbeitern. 

Dabei   ergeben  sich  in  einem  wesentlichen  Punkt  unterschiedliche  Auf- 
fassungen  im  Redaktionskollektiv  und  zwar  dort.wo  versucht  wird.die 
andere  Qualita't  und  den  politischen  Gehalt  der  von  linken  Sozialarbei- 
tern  zu  leistenden  Sozialarbeit  aus  den  Besonderheiten  des  Arbeits- 
gegerstandes  zu  bestimmen.   "Wider  den  linken  Caritativismus"  bein- 
haltet  in  knapper  Form     die  auf  diesen  Punkt  zugeschnittene  Kritik. 
Es  handelt  sich  dabei   urn  eine  logische  Fortentwicklung  derim  Info 
Heft  13  "Sozialpadagogische  Arbeit  im  Jugendfreizeitheim"  beschne- 
benen  Position.   Siehe  dazu  auch  die  Auseinandersetzung  AKS  Westberlin 
/Udo  Maas   im  Info  Heft  15. 

Diese  Diskussion  ist  nicht  abgeschlossen  -  wir  fordern  alle  Leser  aut , 
sich  daran  zu  beteiligen  und  ihre  Erfahrungen  mit  einzubringen. 

Arbeitslosigkeit  ist  nicht  mehr  nur  ein  Phanomen.mit  dem  wir  uns  aus 
Berufsinteresse  auseinanderzusetzen  haben,  nein,  mittlerweile  sind 
viele  Sozialarbeiter  selbst  davon  betroffen  bzw. haben  Aussicht.sich 
in  das  Heer  der  arbeitslosen  Ougendlichen,  Frauen  und  Manner  einzu- 
reihen.   Hier  fiir  das  eigene  Berufsfeld  genauer  zu  untersuchen,  wie  die 
Entwicklung  in  den  verschiedenen  Tatigkeitsfeldern  aussieht  bzw. 
Fragen  an  eine  solche  Untersuchung  zu  formulieren,  versucht  der  Bei 
trag  zur  Berufsprognostik,  ohne  allerdings  schon  fertige  Ergebnisse 
und  Antworten  vorlegen  zu  kbnnen.  Eine  solche  Bestimmung  ist  aber 
nicht  unwesentlich  fur  die  gewerkschaftliche  Arbeit  und  eine  polit- 
ische Strategie. 

Wir  verstehen  diesen  Beitrag  als  Aufforderung  an  die  Gruppen  und 
Einzelkampfer.uns  liber  die  Entwicklungen  an  ihrem  Ort  und  in  ihrem 
Tatigkeitsbereich  zu  informieren  und  mitzuarbeiten  an  einer  genauen 
Untersuchung. 

Neben  dem  Schwerpunktthema  "Gewerkschaftsarbeit"  enthalt  der  Info 
folgende  Berichte:  Arbeitsloseninitiativen-Treffen  in  Nurnberg  - 
Aufruf  zum  PfingstkongreB  der  Im'tiativen  -  Angriff  auf  die  Autono- 
mic der  Jugendverba'nde  -  Heimerziehung  beim  International  en  Bund  fur 
Sozialarbeit  -  Aufruf  zum  Heimerzieherseminar  -  Jugendwohngemein- 
schaftskoordinierungsstelle  -  Sozialpoliti-sches  Informations-  und 
Aktionszentrum  -  Materialien  und  Kleinanzeigen. 


AKS  Bielefeld: 

AUSGEWAHLTE  ASPEKTE 

DER  ENTWICKLUNG  DER  OTV 

UND  IHRER  KONKURRENZORGANISATIONEN 


Die  Gewerkschaft  Offentliche  Dienste,  Transport  und  Verkehr  (OTV), 
aus   der  "Trizonalen  Arbei tsgemeinschaft  der  Gewerkschaften  der  b'f- 
fentlichen  Betriebe  und  Verwaltungen,  Transport  und  Verkehr"  entstan- 
den,  ist  in  vierfachem  Sinne  des  Begriffs  " Ei  nhei  tsgewerkschaf t"  und 
hat  deshalb  viele  Vorlaufer: 

1.  Sie  beansprucht,  die  parteipolitisch/konfessionelle  Spal  tung  der 
deutschen  Gewerkschaftsbewegung  vor  dem  Faschismus   in  die  drei    Blbk- 
ke  (sozialdemokratische)   "freie"  Gewerkschaften,  "christliche"  Ge- 
werkschaften und  "freiheitlich-nationale"  Gewerkschaften  iiberwunden 
zu  haben.   Wahrend  aber  die  DGB-Gewerkschaften  der  industriellen  und 
kommerziellen  Lohnarbeiter  tatsachlich  nur  eine  sehr  kleine  eindeutig 
rechts  stehende  Konkurrenz  haben:   die  von  den  CDU-Sozialausschussen 
ungeliebten  christlichen  Gewerkschaften,   des  CGB,   ist  das  bei  der 
DTV  und  den  librigen  Gewerkschaften  des  bffentlichen  Dienstes  im  DGB 
(Deutsche  Postgewerkschaft,  Gewerkschaft  der  Eisenbahner  Deutsch- 
lands,  Gewerkschaft  Erziehung  und  Wissenschaft)  anders:   Die  zahlrei- 
chen  Beamtenbunde  -  zusammengeschlossen  in  der  Dachorganisation 
"Deutscher  Beamtenbund"   (DBB)  -  sind  auf  CDU,  CSU  und  rechten  FDP- 
Fliigel   hin  orientierte  Richtungsorganisationen,  mit  Ausnahme  wohl 

nur  der  Deutschen  Steuergewerkschaft  (DStG),  die  fast  alle  Steuerbe- 
amten  organisiert,  also  eine  ahnliche  Mitgliederbasis  hat,  wie  die 
OTV  in  anderen  Bereichen  des  Staatsapparats.   Das  kommt  auch  in  der 
partei politischen  Zusammensetzung  der  Gremien  zum  Ausdruck:   SPD-Mit- 
glieder  haben  in  den  Beamtenbiinden  -  mit  Ausnahme  wohl    nur  der  DStG 
-  dieselbe  hoffnungslose  Minderheitsposition  wie  umgekehrt  CDU-Mit- 
glieder  in  der  OTV  und  in  anderen  DGB-Gewerkschaften.   Zwar  nicht  ju- 
ristisch,   aber  von  der  sozialen  Basis  her  gesehen,   ist  deshalb  auch 
der  DBB  der  Weimarer  Zeit  Vorlauferorganisation  der  OTV  und  anderer 
DGB-Gewerkschaften  des  bffentlichen  Dienstes:   Der  Weimarer  DBB  war 
eine  von  sozialdemokratischen  und  linksliberalen  Funktionaren  domi- 
nierte  Organisation     und  soil   zuletzt  mehr  Sozialdemokraten  und  Kom- 
munisten  in  seiner  Mitgliederschaft  gehabt  haben  als  der  rein  sozial- 
demokratische Richturft-Gewerkschaftsbund  "Allgemeiner  Deutscher  Beam- 
tenbund"  (ADB)  uberhaupt  Mitglieder  hatte. 

2.  Die  OTV  stellt  die  Einheit  der  verschiedenen  Schichten  staatlicher 
Lohnarbeiter  her:  Handarbeiter  (Arbeiter  im  sozialversicherungsrecht- 
lichen  Sinne  und  Beamte  des  einfachen  Dienstes)  Kopfarbeiter  und 
speziell   Intellektuelle  (z.B.   angestellte  und  beamtete  Sozialarbei- 
ter, Srzte  und  Juristen)  oder  wie  die  burgerliche  Jurisprudenz  und 
Statistik  sie  einteilt:  Arbeiter  sowie  einfache,  mittlere,  gehobene 
und  hbhere  Angestellte  und  Beamte  sind  in  einer  Organisation  verei- 
nigt.  Das  war  in  den  sozialdemokratischen  "freien",  "freiheitlich- 
nationalen"  und  "neutralen"   (DBB)  Verba'nden  formal   schon  immer  so. 

-  7  - 


Die  rechtsstehenden  hoheren  Beamten  hatten  sich  in  der  WeimarerZei t 
allerdings  im  Reichsbund  der  hoheren  Beamten  organisiert  und  seit 
dem  Kapp-Putsch  wegen  des  DBB-Aufrufs  zur  Verteidigung  der  verfas- 
sungsmaBigen  Regierung  die  Verbindung  zum  "linken"  DBB  abgebrochen. 
Befreit  vom  Ballast  der  hoheren  Beamten  setzte  sich  der  DBB  damals 
fur  eine  Nivellierung  der  Besoldung  zugunsten  der  unteren  und  mitt- 
leren  Beamten  ein  und  strich  nie  das   (allerdings  umstnttene)  btreik- 
recht  aus  seiner  Satzung.   Die  BeamtenbLinde  sind  heute  -  mit  Ausnah- 
me  der  DStG,  die  u.a.  auch  wegen  Arbeitskampffragen  in  dauerndem 
Konflikt  mit  ihrer  Dachorganisation  DBB  lebt  -  von  hoheren  und  geho- 
beTer.  Beamten  dominiert  (und  vielleicht  deshalb  CDU/CSU/FDP-Richtungs- 
gewerkschaften). 

In  der  OTV  dominieren  auf  Gewerkschaftstagen  und  in  anderen  Gremien 
zwar  auch  die  Mitglieder,  die  nach  gehobenen  und  hoheren  Lohn-,  Ge- 
halts-und  Besoldungsklassen  bezahlt  werden    wahrendinsgesamt  im  ot- 
fentlichen  Dienst  -  mit  Lehrern!   -  nur  28  %  dazugehoren,  im  OTV-Be- 
reich  noch  sehr  viel  weniger.  Aber  wie  die  Lohn-Nivellierungspol  ltik 
der  OTV  zeigt,  mu'ssen  auch  diese  Funktion'a're,  die  vorwiegend  untere 
und  mittlere  Mitgl iederbasis    mitberlicksichtigen  -  anders  als  die 
Beamtenbundler.   Die  Beamtenbundler  (auBer  Steuerbeamte)  verfolgen 
eine  eindeutig  auf  Bitten  an  den  Staat  beschrankte  Politik  (  Peti- 
tion! smus");  qelegentlich,  wenn  die  Mitglieder  merken,  daB  sie  da- 
rn t  nirht  weit  kommen,  so  zu  Beginn  der  60er  Oahre,  drohen  trotzige 
M  tg     e3er m  t  der  Forderung  nach  dem  Streikrecht,  nicht  unmittelbar 
mit  Streik     Die  DGB-Gewerkschaften,  auch  die  OTV,  haben  sich  dage- 
aen  in  der  Tradition  der  sozialdemokratischen  Gewerkschaften  auf 
Streiks  festqelegt.  Auch  fur  Beamte  wird  ein  (vielfach  eingeschrank- 
?pO  Streikrecht  seit  Ende  der  60er  Jahre  wieder  beansprucht,  nacn- 
dem  es  nach  dem  groBen  Eisenbahnerstreik  von  1922  durch  Ebertsche 
Notvlrordnung  sowie  biirgerliche  Rechtssprechung  mit  Dul dung  der  sich 
insofern  als  Ordnungsmacht  gebenden  sozialdemokratischen  Gewerkschat- 
ten  verlorengegangen  war.   Im  ubrigen  wird  "Dienst  nachuVorschntt 
als  Streikersatz  angewandt  (so  im  OTV-Bereich  im  Dezember  1967). 
Deshalb  kbnnen  auch  OTV-Funktioniire  der  gehobenen  und  hoheren  Lohn- 
qruppen  nicht  umhin,  auf  diejenigen  Schichten  mit  Lohnnivell  lerungs- 
fSrder  ngen  Rucksicht  zu  nehmen  (z.B.   1974/75  Einhei tsbetragsforde- 
runal     die  in  Arbeitskampfen  fur  die  anderen  "die  Kastamen  aus  dem 
Feuerholen"  mlissen,  und  das  sind  die  Kollegen  im  Arbeiterverhalt: 
nis  (bei  der  Stadtreinigung,  den  Versorgungs-  und  Nahverkehrsbetne- 
ben)  und  des  unteren  und  mittleren  Dienstes. 

Die  Einhei t  der  verschiedenen  Schichten  der  Lohnarbeiter  wird  in  der 
gewerkschaftlichen  Organisation  auf  verschiedenen  Jbenen  hergestel It: 
Die  Lehrer  und  andere  Erzieher  (gehobener  und  hbherer  Dienst)  der 
GEW  sind  erst  auf  der  Dachverbandsebene  mit  anderen  Schichten  der 
staatlichen  Lohnarbeiter  verbunden.   Die  GEW  ist  eine  schichtbeschrank- 
te  Gewerkschaft,   die  ihrerseits  in  ihren  Fachgruppen  die  Lehrer 
und  Erzieher  wieder  nach  Schichten  gliedert:  Grund-  und  Hauptschui- 
lehrer,  Realschul lehrer,  Gymnasia! lehrer,  Sozialarbeiter  und  -paaa- 
gogen.   Innerhalb  der  Lehrer  und  Erzieher  betrieb  die  GEW  in  ihrer 
Lohn-  und  Arbeitszeitpolitik  eine  Vereinheitlichung  nach  oben. 


Die  Soz 
ftrzte 


die 


zialarbeiter  und  -padagogen  in  der  OTV  bilden  ebenso  wie  di 
und  Apotheker,  Krankenschwestern  und  -pfleger  sowie  Pi loten 


eine  schichtbeschra'nkte  Fachgruppe  bzw.  Abteilung   (mit  geringer 
Autonomie),   stellen  also  immerhin  anders  als  ihre  Kollegen  in  der 
GEW  die  Einheit  der  Lohnarbeiter  bereits  in  der  Einzel gewerkschaft 
(hier:  OTV)   und  nicht  in  der  relativ  machtlosen  Dachorganisation 
(DGB)  her.   Die  Schichten  sind  bei   den  Sozialarbei tern/-padagogen 
auch  breiter  vertreten:   mittlerer,  gehobener  und  hdherer  Dienst  im 
Angestellten-  und  Beamtenverhaltnis.   Soweit  wir  sehen,  gibt  es  in 
der  Fachgruppe  Sozialarbeit/Sozialpadagogik  in  der  OTV  aber  keine 
Kollegen  aus  der  Verwaltung,  aus   dem  Schreibdienst,  Hausmeister  usw., 
sondern  nur  Angehbrige  sozialarbei terischer  und  sozialpadagogischer 
Berufe. 

3.   Damit  kommen  wir  zum  dritten  Einheitsprinzip,  dem  Industriever- 
bandprinzip:   "Ein  Betrieb  -  eine  Gewerkschaft".  Manche  Vorlauferor- 
ganisationen  der  OTV  -  z.B.    die  Gemeindearbeiterverbande  -  waren  die 
ersten  gewerkschaftlichen  Organisationen,  die  gegen  das  handwerkli- 
che  Berufsverbandsprinzip  und  in  standigen  Konflikten  mit  den  befreun- 
deten  nach  dem  Berufsverbandprinzip  organisierten  Gewerkschaften  je- 
nes  Einheitsprinzip  flir  den  bffentlichen  Dienst  durchsetzten.    Im  Or- 
ganisationsbereich  der  OTV  gab  es  urn  die  Jahrhundertwende  mehrere 
hundert  und  gibt  es  auch  jetzt  noch  eine  dreistellige  Zahl   von  ver- 
schiedenen Berufen,  und  nichts  lag  flir  Arbeiter  und  Angestellte  naher, 
als  sich  den  entsprechenden  Berufsgewerkschaften  anzuschlieBen.  Als 
Oberrest  des  Berufsverbandsprinzips  finden  wir  heute  noch  berufliche 
Fachgruppen   (z.B.   Sozialarbeiter,  Bademeister) ,  zum  Teil  auch  Abtei- 
lungen  in  der  OTV.   Immerhin  ist  die  Einheit  der  Berufe  auf  Einzelge- 
werkschaftsebene  hergestellt:    "Ein  Betrieb  -  eine  Gewerkschaft". 

Zur  Zeit  ist  die  GEW  die  einzige  Gewerkschaft  im  DGB,  die  nicht  ein- 
mal    dieses  Prinzip  beachtet:   Schul hausmeister  und  -sekretarinnen 
sind  in  der  OTV  organisiert.  Die  Deutsche  Angestell ten-Gewerkschaft 
(DAG),   die  gerne  dem  DGB  beitreten  wollte,  wurde  dagegen  mit  dem  Hin- 
weis  auf  das   Industrieverbandsprinzip  daran  gehindert.   Heute,  wo 
sich  durch  die  Tarifgemeinschaft  der  DAG  und  des  Marburger  (Arzte-) 
Bundes  mit  der  Gemeinschaft  von  Verbanden  und  Gewerkschaften  des  bf- 
fentlichen Dienstes    (GVGbD),   "Langnamverein",   der  auch  die  Gemein- 
schaft der  tariffahigen  Verbande   (GtV)   im  DBB  umfaBt,  ein  neues  Kar- 
tell  als  rechte  Alternative  zum  DGB  profilieren  will,  finden  wieder 
verstarkt  Gesprache  des  DGB  und  der  OTV  mit  der  Gewerkschaft  der  Po- 
lizei    (GdP)   statt:   Statt  die  GdP,  wie  immer  gefordert,  der  OTV  im 
Namen  des   Industrieverbandsprinzips  einzuverleiben,  will   man  jetzt, 
weil   die  GdP  sich  gegen  das  Verschlucken  wehrt,  neben  einer  besonde- 
ren  Lehrergewerkschaft  (GEW)  eine  neue  Ausnahme  schaffen:   die  beson- 
dere  Pol izistengewerkschaft  im  DGB. 

4.   Die  OTV  stellt  die  Einheit  der  Angestellten,  Arbeiter  und  Beamten 
in  einer  Gewerkschaft  her,  auch  wenn  sie  besondere  Arbeiter-,  Beamten- 
und  Angestell tenausschiisse  auf  alien  Ebenen  und  entsprechende  Sekre- 
tariate  im  Hauptvorstand  unterhalt.  Damit  steht  die  OTV  in  der  Tradi- 
tion der  sozialdemokratischen  Gewerkschaften,  wahrend  die  "christli- 
chen"  und  "freiheitlich-nationalen"  Organisationen  ihre  Beamten 
1926/8  in  den  Deutschen  Beamtenbund  als  besondere  Beamtenorganisa- 
tion  Liberfu'hrten.   Wahrend  die  sozialdemokratischen  OTV-Vorlauferor- 
ganisationen,  z.B.   der  (seit  1929  so  genannte)   "Gesamtverband  der 
Arbeitnehmer  der  bffentlichen  Betriebe  und  des  Personen-  und  Waren- 


E 


verkehrs"  zwar  wie  die  KPD  ein  sehr  progressives  Beamtenprogramm, 
aber  wenig  Beamte  als  Mitglieder  hatten  -  der  Allgemeine  Deutsche 
Beamtenbund  (ADB),  der  alle  Beamtenmi tglieder  sozialdemokratiscner 
Gewerkschaften  noch  einmal  zusammenfaBte,  hatte  1929  insgesamt  nur 
180  000  Mitglieder  gegeniiber  einer  Million  des  DGB  -  ist  das  neute 
anders:   OTV  und  die  anderen  DGB-Gewerkschaften  des  offentlichen  uien- 
stes  kbnnen  sich  mit  den  gegenerischen  Organisationen  des  DBB  mes- 
sen.   Schon  seit  den  60er  Jahren  ist  der  DGB  die  grbBte  Beamtencrga- 
nisation  der  BRD   (das  wurde  und  wird  nur  immer  verschleiert  durcn 
das  publikumswirksamere  Auftreten  des  DBB-Vorsitzenden  Alfred  Krause 
und  die  irrefuhrenden  Mitgliederangaben  des  DBB     der  zahl re  Che 
Witwen,  Waisen  aufgenommen  hat     und  andere  Mitglieder  doppelt  zanitj . 
Ebenfalls  in  der  Tradition  der  sozialdemokratischen  Gewerkschaften 
der  Weimarer  Zeit  stent  die  OTV  mit  der  (DGB-)Forderung  nach  einem 
einheitlichen  Dienstrecht,  das  ein  (auf  das  sogenannte  Folgerecni, 
insbesondere  Lohnfestsetzung  beschranktes)  Streikrecht  vorsieht, 
also  herkbnmiliche  beamtenrechtliche  Bahnen  verla'Bt  und  die  jewel  n- 
qen  Vorteile  des  Beamten-  und  des  Tarifbeschaftigtenstatus  weitge- 
hend  vereinigt.  Weil   die  realen  Angleichungstendenzen  zwischen  Beam 
ten  und  Tarifbeschaftigten  immer  starker  sichtbar  werden  und  auch 
der  Zusammenhang  zwischen  Lohntarifbewegung  und  Besoldungsbewegung 
immer  deutlicher  erscheint  -  die  Arbeiter  und  Angestellten  erkampten 
die  Besoldungserhbhungen  fur  die  Beamten  -  fiirchten  der  DBB  und  se 
ne  Mitgliedsverbande  zurecht  urn  ihr  Mitgliederreservoir.  Wahrend  aie 
DGB-Gewerkschaften  des  offentlichen  Dienstes   (auBer  der  GEW)  inreri 
Orqanisationsgrad   (Verhaltnis  von  beschaftigten  Mitgliedern  zu  alien 
Beschaftigten)  standig  erhbhen  konnten  (DPG  1974  74  %,  GdED  1975 
76  %     OTV  ca.   35  %  im  offentlichen  Dienst)   stagniert  der  DBB;  sogar 
bei   den  Beamten  hatte  der  DGB  inn  bereits  vor  ca.   10  Jahren  uberhoit. 
Schon  seit  langem  versuchen  die  Beamtenbunde,  sich  deshalb  auch  ais 
Gewerkschaften  nicht  nur  der  Beamten  darzustellen  und  nehmen  Ange- 
stellte  und  Arbeiter  auf  (1973  61   000  von  insgesamt  deklarierten 
567  000  Mitgliedern). 

Auch  die  Beamtenbunde  fordern  ein  einheitliches  Dienstrecht  -  da 
liegt  nicht  der  Unterschied.  Allerdings  fordern  sie  diese  Vereinheit- 
lichung  auf  herkbmmlicher  beamtenrechtlicher  Grundlage,  z.B.   ohne 
Streikrecht  und  mit  "Hingabe"-  und  "Treue"pf  1  ichten,  also  Jn*«^ 
spezifischer  Abhebung  des  einheitlichen  offentlichen  Dienstrechts  vom 
sonstigen  Arbeitsrecht.   Die  DGB-Gewerkschaften  wollen  (in  der  Tra- 
dition von  freien  Gewerkschaften,  SPD  und  KPD)  nur  hinsichtlich  des 
sozialen  Inhalts  des  Berufsbeamtentums:  vor  all  em  Wndigungsscnutz 
(Anstellung  auf  Lebenszeit),  eine  Besonderung  ^s  offentlichen  Dienst 
rechts,  aber  auch  das  nur  als  Besonderung  auf  Zeit  rr.it  Vorb     dcharak 
ter:  Arbeitsplatzsicherheit  ("Recht  auf  Arbeit")  soil   ™r  alle  er 
reicht  werden.   Dabei  wird  nicht  mehr  offentlich  gefragt,  Wie  noch  in 
der  Weimarer  Zeit,  ob  dieses  "Recht  auf  Arbeit"  nicht  die  Beseitigung 
des  Kapitalismus  notig  macht. 


^ 


lo 


STREIK  UND  ORGANISATION 


An  der  Entstehung  mehrerer  Vorlauferorganisationen  der  DTV  kann  man 
sehr  gut  beobachten,  was  auch  liberale  Juristen  negieren,  indem  sie 
das  Tarifvertragssystem  und  die  Gewerkschaft  dem  Streikrecht  vor- 
ordnen  und  Streikrecht  nur  fur  gewerkschaftliche  Streiks  urn  KoTTek- 
tivvereinbarungen  gewahren:   Historisch  wurde  der  Schutz  der  Lohnar- 
beiter  gegen  die  Despotie  des  Kapitals  und  des  kapitalistischen 
Staates  zuerst  in  spontanen  Zusammenschlussen  zum  Zwecke  der  Arbeits- 
niederlegung  institutionalisiert.   Erst  daraus  entstanden  Organisa- 
ti-onen;  daneben  gibt  es  allerdings  auch  Formen  des  Schutzes,  die 
sich  darin  auBern,  daB  professionelle  Organisationen,  die  ursprling- 
lich  gar  keine  Schutzorganisationen  waren  (z.B.  Lehrer-  und  manche 
anderen  Beamtenvereine) ,zu  Gewerkschaften  umfunktioniert  wurden. 
Wichtige  spontane  Arbeitskampf-ZusammenschTusse,  die  zur  Grlindung 
von  OTV-Vorlauferorganisationen  flihrten,  waren  der  groBe  Hamburger 
Hafenarbeiterstreik  und  die  Streiks  der  Berliner  und  Dresdener  Ge- 
meinde   (Gas-  und  Tiefbau-)arbeiter,  alle  1896. 

In  der  Weimarer  Zeit  gab  es  zwei  groBe  Streikbewegungen  im  Offent- 
lichen Dienst:   der  Berliner  Gemeindebescha'ftigtenstreik  im  Februar 
1922,  sich  uberschneidend  mit  dem  ersten  groBen  Beamtenstreik  (Eisen- 
bahner),  und  der  Berliner  Verkehrsstreik  1932,  besonders  von  KPD 
und  NSDAP  gefbrdert.  Auch  1924/5  hatte  der  Gemeindearbeiterverband 
noch  14  000  bzw.   15  000  Mitglieder  an  Streiks  beteiligt  (1912  nur 
232),  der  Transportarbeiterverband  39  000  bzw.  41  000  (1912  17  000). 
In  der  Zeit  von  1948  bis  1968  sind  im  offentlichen  Dienst  Westber- 
1  ins  und  der  BRD  mehr  als  13  Arbeitsniederlegungen  und  Arbeitsver- 
langsamungen  (Dienst  nach  Vorschrift  usw.)  gezahlt  worden,  1969  dann 
alleine  mindestens  28.  Auch  danach  blieb  die  Zahl   der  Arbeitskampfe 
ziemlich  hoch,  hbher  als  vor  dem  Einschritt  1968/9.   Die  groBe  Mehr- 
zahl   aller  dieser  Arbeitskampfe  war  "illegal"  im  Sinne  der  burger- 
lichen  Juristen  und  Politiker.   Die  OTV  war  als  Organisation  an  fol- 
genden  spektakularen  Aktionen  im  offentlichen  Dienst  beteiligt: 


1948 
1954 


1958 
1962 
1966 
1967 
1969 

1970 

1971 

1972 

1973 
1974 


Teilstreiks  und  Generalstreik  in  der  Bizone 
Streik  in  Versorgungs-  und  Verkehrsbetrieben  Hamburgs   (9  Tage); 
Drohung  mit  Massenstreik  (Diese  Vorgange  flihrten  zur  Verteufe- 
lung  des  OTV-Vorsi tzenden  KummernuB  -  so  wie  es  spa'ter  Klunker 
geschah  -  als  "machtigstem  Mann  der  BRD") 
Steik  von  ca.   200  000  OTV'lern  (1  Tag) 

Streik  der  Fluglotsen  (36  Stunden);  Drohung  mit  Massenstreik 
Urabstimmung  u'ber  Streik  terminiert 
Urabstimmung  liber  Streik  und  Dienst  nach  Vorschrift 
"Spontane"  September-Streiks  mit  OTV-Unterstutzung  in  mindestens 
15  Stadten  (1   Stunde  bis  1   Tag) 

Polizeiaktionen  der  OTV/GdP-Aktionsausschiisse  in  Hessen;  Urab- 
stimmung liber  Streik  terminiert 

Lufthansa-Streik;   "Deputat"-Streik  in  der  Frankfurter  Stadtver- 
waltung 

April-Streiks  gegen  Barzels  Kanzlersturzversuch  (Beteiligung  von 
OTV-Betriebsgruppen  zweifelhaft) 

"Spontane"  Januar-  und  September-Streiks  mit  OTV-Unterstlitzung 
"Spontane"  Februar-Streiks  mit  OTV-Unterstiitzung 


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1976  "Spontane"  April-Streiks  mit  OTV-Unterstiitzung 

1977  "Spontane"  Februar-Streiks  mit  OTV-Unterstutzung 

Im  Bereich  Sozialarbeit/-padagogi k  sind  folgende  grbBere  Aktionen 
uberregional  bekanntgeworden: 

1969  Streik  von  Kindergartnerinnen  und  Sozialarbeitern  in  Kassel  ; 
Streik  von  Kindergartnerinnen  in  Berlin-Kreuzberg 

1970  Streik  von  Kindergartnerinnen  und  Sozialarbeitern  in  rranic- 
furt  a. Main 

1973  Streik  der  Kita-Beschaftigten  in  Frankfurt  a.  Mann 
1976  Protestdemonstration  von  Sozialarbeitern  in  Hamburg 

Alle  drei   Aktionen  fanden  auBerhalb  der  Tarifrunden  statt,  waren 
sehr  kurz  und  hatten  sehr  verschiedenartige  Forderungen    zum  Inhalt, 
die"  wenn  Uberhaupt,  nur  zum  Teil   erfUllt  wurden    Bel  den  Kampf  en 
der  Kreuzberger  Kindergartnerinnen  im  September  1969  rief  der 
"Komba"   (Ira  Deutschen  Beamtenbund)  zum  Warnstreik  auf,  wahrend  die 
OTVdas  as  "illegal"  und  "antigewerkschaftlich"  brandraar  kte. 
Der  Kreuzberger  Kindergartnerinnenstreik  zeigt    daB  Gewerkschaften 
des  DGB  kein  Monopol   auf  Arbeitskampf  und  Militanz  haben,  ja,  aau 
Lohnarbeiter  gelegentlich  sich  mit  Arbeitskampfen  sogar  in  einen 
Geaensatz  zur  offiziellen  Arbeiterbewegung  stellen  kdnnen.  ts  giDX 
auch  noch  andere  Beispiele  mit  anderen  auBerhalb  der  Arbeiterbewe- 
qunq  stehenden,  von  ihr  als  standisch  bezeichneten  gewerkschart n 
chen  Organisationen:  Eisenbahnerstreik  1922  (Reichsgewerkschaft 
Deutscher  LokomotivfLihrer),Fluglotsen  -  Dienst  nach  Vorschrift  una 
sick-ins  1968,  1971   und  1973  (Verband  Deutscher  Flugleiter-  vurj, 
Finanzbeamte  -  Dienst  nach  Vorschrift  1971    (DStG).  Mindestens  eines 
dieser  Beispiele,  der  Eisenbahnerstreik  von  1922,  zeigt  »w  aucn 
die  schwerwiegenden  Folgen  von  Alleingangen,  die  von  den  groBen  Ar 
teitergewerkschaften  nicht  unterstutzt  werden:  "ie  Bawnten  verloren 
1922  infolge  des  Eisenbahnerstreiks  das  gerade  erkampfte  btreiKrecnu. 
Dadurch,  daB  die  Eisenbahner  isoliert  von  der  offiziellen  Arbeiter- 
gewerkschaftsbewegung  vorgingen,  wurde  es  der  Regierung  und  dem 
Reichsprasidenten  moglich,  per  Notverordnung  den  Beamten  das  itreiK 
recht  zu  nehmen. 

KOLLEKTIVE,  STANDESPOLITISCHE 

UND  PROFESSIONELLE  ORIENTIERUNGEN 

Die  Organisationen  des  DBB  und  auch  die  DAG  und  die  ^P  werden  von 
der  OTV  nicht  nur  als  gegnerische  °n>anisatpnen  bezeichnet     son 
dern  mit  dem  Kampfbegriff  "Standesorgamsationen1;  als  tegensatz  zu 
"Gewerkschaften"  belegt.  1st  demnach  der  allgemeine  Fortschntt  der 
Organisierung  von  staatlichen  Lohnarbeitern  rn  den  DGB-GewerkschaT 
ten  und  auch  in  der  OTV  (gemessen  am  Orgamsationsgrad)  und  das  btag 
nieren  von  DBB  und  DAG  als  verstarkte  gewerkschaftl.iche  Orientwung 
zu  interpretieren,  und  ist  die  fortschreitende  Organl sierung  der 

Steuerbeamten  in  der  DStG  und  der  Pollzist^.ln,der„^PiesernBerufs. 
fur  die  fortschreitende  standespolitische  Onentierung  dieser  BeruTs 

gruppen? 


12 


Alle  genannten  Organisationen  sind  Schutzorganisationen  von  Lohnar- 
beitern gegen  die  kostenorientierte  Lohn-,  Arbeitszeit-  und  Ratio- 
nal isierungspolitik  des   Kapitals  und  kapital  istischen  Staates,  sie 
dienen  der  Aufhebung  der  Konkurrenz  der  Lohnarbeiter  untereinander 
flir  diesen  Kampf  und  sind  in  diesem  (Marxschen)  Sinne  Gewerkschaften. 
Ein  Unterschied  zwischen  OTV  und  den  Beamtenblinden  besteht  darin, 
daB  die  Versuche,   die  Konkurrenz  der  Lohnarbeiter  aufzuheben,  bei 
diesen  beschrankt  sind:  auf  staatliche  Lohnarbeiter,  auf  Beamte  und 
bei  den  Einzelverbanden  auf  Beschaftigte  einzelner  Zweige  und  Berufe 
des  Staatsapparats.  Man  kann  in  diesem  Sinne  individuelle,  standes- 
politische  und  kollektive  Interessenorientierungen  von  Lohnarbeitern 
unterscheiden: 

1.  Individuelle  Interessenorientierung: 

Urientierung  auf  individuell en  Schutz   (z.B.   individuelles  Aus- 
handeln  von  Lohn-  und  Arbeitszei tbedingungen;  individueller  Auf- 
stieg)  in  Konkurrenz  mit  alien  anderen  Lohnarbeitern. 

2.  Standespolitische  Interessenorientierung: 

Beschrankung  der  Konkurrenz  durch  Orientierung  auf  Schutz  flir 
einzelne  Abteilungen,  Fraktionen,  Schichten  und  Berufe  der  Lohn- 
arbeiter. 

3.  Kollektive  Interessenorientierung: 

Mb'glichst  vol  1  standi ge  Aufhebung  der  Konkurrenz  unter  den  Lohn- 
arbeitern. 

Auch  die  Orqanisationsstruktur  des  DGB  mit  der  Duldung  einer  schicht- 
beschrankten  und  nach  dem  Berufsverbandsprinzip  aufgebauten  Organi- 
sation, der  GEW,   und  auch  die  Struktur  der  OTV  mit  ihren  Fachgrup- 
pen,  Abteilungen,  Hauptabteilungen  und  ihren   Personengruppen 
und  -sekretariaten  gibt  Raum  fiir  standespolitische  Interessenorien- 
tierungen. Allerdings  ist  es  schwer,   standespolitische  Orientierun- 
gen  von  kollektiven     zu  unterscheiden:  Entsteht  der  Kampf  von  Lehrern 
urn  Besoldung  nach  "A  13"   und  von  graduierten  Sozialarbeitern  urn 
"A  10"  aus  standespolitischem  BewuBtsein,   nur  weil    eine  beschrankte, 
keine  allgemeine  Forderung  aufgestellt  wird?  Ist  der  wunsch  mancher 
Kollegen  nach  prozentualen  Gehal tserhohungen  standespol itisch,  weil 
er  die    oberen  Schichten  der  Lohnarbeiter  begiinstigt? 

Manche  Forderungen  um  Lohn,  Arbeitszeit,  Mitbestimmung  und  vor  allem 
Arbeitsbedingungen  kbnnen  nur  bereichsspezif isch  entwickelt  werden, 
sind  aber  prinzipiell   verallgemeinerungsfahig.  Wir  Sozialarbeiter 
und  -padagogen  etwa  sind  einfach  uberfordert,  wenn  wir  von  vorneher- 
ein  alle  unsere  Forderungen  in  ihren  Impli kationen  und  Mb'gl  ichkeiten 
fiir  Kollegen  in  anderen  Bereichen  abschatzen  mliBten.   Die  Organisa- 
tionsstruktur der  OTV  gibt  allerdings  anders  als  die  von  "Standes- 
organisationen"  den  Kollegen  anderer  Bereiche  (auch  Lohnarbeitern 
des  Kapitals!)   die  MSglichkeit,     unsere  Forderungen  auf  standespoli- 
tischen  Gehal t  zu  priifen  und  notfalls  zu  korrigieren. 

Aber  auch  unabhangig  davon  kann  man  den  starkeren  Zustrom  staatli- 
cher  Lohnarbeiter  zu  dieser  Gewerkschaft  und  das   Stagnieren  vieler 
Beamtenbiinde  und  der  Abteilung  "bffentlicher  Dienst"  der  DAG  als 
Ausdruck  verstarkter  Entwicklung  kollektiver  Interessenorientierung 


13 


interpretieren.   Es  gibt  keinen  Anhaltspunkt  daflir,  daB  heute  die 
OTV  im  Vergleich  mit  der  Weimarer    Zeit  etwa  standespolitischer 
Orientierung  Konzessionen  macht  und  dadurch  fur  bestimmte  Lohnarbei- 
ter,  etwa  Beamte,  attraktiv  geworden  ist.   Die  OTV  hat  in  wichtigen 
Bereichen  ihrer  Politik,  Lohnnivellierungspolitik     und  Politik  des 
einheitlichen  Dienstrechts  mit  Streikbefugnis  den  Stand  ihrer  sozial- 
demokratischen  Vorgangerorganisationen  ("Gesamtverband  ...     und 
ADB)  nach  einer  Restaurationsphase  in  den  50er  und  beginnendenbOer 
Jahren  wieder  erreicht:   eine  eindeutige  Politik  kollektiver,  nicht 
standespolitisch  verengter  Interessenvertretung.   Ein  Unterschied  ist 
sichtbar:  ein  Schwinden  (nicht:  Verschwinden)  antikapitalistischen 
VokabularsAberwar  das  antikapitaTTstische  Vokabular  der  Weimarer  Ge- 
werkschaftsftihrer  und  -schriftsteller  und  ist  der  verbleibende  Oder 
heute  wieder  in  Mode  gekommene  Rest  je  mehr  als  eben  Rhetonk? 

DaB  der  Anteil   der  Polizisten  und  Finanzbeamten,  die  in  der  OTV  sich 
organisieren,  zuruckgeht  und  der  Anteil   in  GdP  und  DStG  wachst,  ist 
umgekehrt  nicht  so  zu  interpretieren.  daB  mehr  Kollegen  in  diesen  Be- 
reichen standespolitisches  BewuBtsein  entwickeln:  GdP  und  sogar  DStG 
betreiben  eine  Politik,  die  in  vielen  Bezbigen  der  Politik  der  ent- 
sprechenden  OTV-Abteilung  nahekommt.   Die  Lage  der  wenigen  OT.V-Mit- 
glieder  in  der  Polizei  und  Finanzverwaltung  ist  (wohl   aus  histon- 
schen  Zufallen  heraus)  in  vielen  Dienststellen  so  hoffnungslos  raino- 
rita'r,  daB  auch  klar  kollektiv  orientierte  Kollegen  im  Interesse  einer 
wirksamen  Interessenvertretung  in  ihrer  Dienststelle  und  ihrem  Be 
reich  sich  diesen  "Standesorganisationen"  anschlieBen. 

Von  den  beiden  Formen  gewerkschaftlicher  Interessenorientierung,  der 
kollektiven  und  der  standespolitischen,  ist  die  professionelle  Orien- 
tierung zu  unterscheiden.   Solche  auf  die  Inhalte  der  Arbeit  bezogene 
Interessenorientierung  entsteht  in  Intellektuellen-Berufen,  auch  in 
der  Sozialarbeit,   im  Zuge  einer  von  der  biirgerlichen  Soziologie  viel 
beschriebenen  "Professionalisierungsbewegung".   Z.T.   richten  sich 
die  aus  solchen  Orientierungen  entstehenden  Aktionen  auf  Verbesse- 
rung  der  Arbeitsbedingungen  im  Interesse  der  "Klienten"  oder  auf 
verbesserte  Aus-  und  Fortbildung.   Gerade  im  bffentlichen  9ien^  wer" 
den  viele  Konflikte  manifest  durch  eine  solche  in  der  unmi ttelbaren 
Produktion  selten  vorhandene     Orientierung  am  konkreten  Inhalt  der 
Arbeit.   Manche  Wissenschaftler,  auch  SB-Genossen,  sehen  in  dieser  be- 
sonderheit  des  bffentlichen  Dienstes  eine  spezifische  Chance  gerade 
staatlicher  Lohnarbeiter  zur  Desillusionierung  uber  die  kapitalisti- 
sche  Produktionsweise  und  damit  zur  Bildungvon  KlassenbewuBtsein. 

Das  zeigt,  daB  professionelle  Orientierung  durchaus  mit  kollektiver 
vereinbar  ist,  ebenso  mit  standespolitischer.  Organisatonscn  schiagt 
sich  die  professionelle  Organisierung  von  Sozialarbeitern  deshaiD 
sehr  verschieden  nieder: 

I  z.T.   in  den  DGB-Verbanden  GEW  und  OTV  (manche  Kollegen  fordern 
hier     z.B.   von  der  Gewerkschaft  fachliche  Fortbildungsaktivitaten) , 

•  z.T.   in  den  zustandigen  Gewerkschaften  des  DBB  (z.B.   Bund  Deut- 
scher  Kommunalbeamter  und  -Angestellten  -  Komba  -,  Verband  Bildung 

und  Erziehung  -  VBE)  und  u.^+n^han 

•  z.T.   in  besonderen  nur  professionellen,  nicht  gewerkschaft  ichen 
Berufsverbanden.  Der  Deutsche  Berufsverband  der  Sozialarbeiter  una 

-  14  - 


w 


VORANKUNDIGUNG  +  VORANKONDIGUNG 


Johann  Schneider 

INTERESSEN  UND  INTERESSENPOLITIK 

DER  BESCHAFTIGTEN  IM  OFFENTLICHEN  DIENST 

Johann  Schneider  versucht,  ausgehend  von  der  allgemeinen  Proble- 
matik  von  Interessen  und  ihrer  organisierten  Vertretung  in  einer 
kapitalistischen  Gesellschaft  die  besondere  Situation  des  offent- 
uchen  Dienstes  zu  untersuchen.  Wiihrend  iiber  die  Gewerkschaften 
im  privatwirtschaftlichen  Sektor  und  den  dortigen  Auseinander- 
setzungen  und  Klassenkonflikten  eine  Menge  Literatur  vorliegt, 
blieb  der  offentliche    Dienst  lange  ausgespart.  Er  wurde  haufig 
mit  dem  staatlichen  Herrschaftsapparat  identifiziert,  der  als  solcher 
allenfalls  im  Klassenkampf  von  oben  eine  aktive  Rolle  spielt  und 
in  dem  eine  vergleich sweise  geringere  Anzahl  von  Lohnarbeitern 
oder  potentiell  kritischen  Leuten  beschaftigt  ist.  Beide  Ansichten 
erweisen  sich  immer  mehr  als  falsch.  Dazu  kommt,  dafi  in  den  letz- 
ten  Jahren  eine  grofie  Anzahl  kritischer  Intellektueller  und  Genossen 
in  den  offentlichen  Dienst  gegangen  ist  und  damit  vor  neuen  Prob- 
lemen  stand,  die  nicht  einfach  mit  dem  Rekurs  auf  "Lohnarbeit  und 
Kapital"  gelost  werden  konnen. 

Es  wurde  zunehmend  notwendig,  sich  mit  den  spezifischen  Konflik- 

ten.Ideologien  und  Organisationen  des  offentlichen  Dienstes  ausein- 

anderzusetzen,  um  dort  politische  Arbeit  machen  zu  konnen.  Aus 

diesem  Grund  gibt  es  seit  einiger  Zeit  sowohl  Versuche,  den  Staats- 

apparat  und  seine  Angehorigen  theoretisch  abzuleiten  oder  eine  Theo- 

rie  des  offentlichen  Dienstes  zu  entwerfen,  als  auch  eine  Vielzahl  von 

Einzelberichte-n  iiber  Konflikte  und  Beitrage  zu  einer  Strategiediskus- 

sion  firr  einzelne  Gruppen,  z.B.Lehrer  oder  Sozialarbeiter. 

Die  Arbeit  versucht  -  aufbauend  auf  diese  unterschiedlichen  Beitrage- 

nicht  nur  einen  allgemeinen  Uberblick  iiber  die  Probleme  und  Tenden- 

zen  von  Interessenpolitik  zu  geben,  sondern  sie  in  einen  systematischen 

Zusammenbang  zu  stellen. 

Inhalt: 

I.  INTERESSEN  UND  INTERESSENORGANISATION 

Die  sozialstrukturell  bedinglen  Interessen  von  Lohnarbeit/Interessen  u. Organisation 

ii.  der  Offentliche  dienst 

Staat  und  Staatsapparat/  Modifikationen  der  Interessen  von  Lohnarbeit  durch  die 
besondere  Situation  im  offentlichen  Dienst/  Der  offentliche  Dienst  als  komplexe 
Organisation  von  Arbeitsplatzen  und  Personen  /  Die  Personalstruktur 
III.  INTERESSENPOLITIK  IM  OFFENTLICHEN  DIENST 

Allgemeine  Voraussetzungen/  Historischer  RiickbUck/Beamtenrecht  und  Struktur 
des  offentlichen  Dienstes/Problem  des  Beamtenstreiks/  Dienstrechtsreform/Quantitat 
und  Qualitat  der  staatlichen  Aufgaben  als  Ursache  und  Ziel  von  Interessenpolitik  / 
Funktionsbedingte  Probleme  und  Konflikte  der  Beschaftigten  im  offentlichen  Dienst 
Interne  Demokratisierung/  Besoldungs-  und  Tarifpolitik 

Umfang:  ca.  12oSeiten;  Preis  1*16-7;  erscheint  Ende  April/  Anfang  Mai  i. 

\^ERLAG2ooo  GmbH,  6o5  OFFENBACH  4,  POSTFACH  591  ^ 


-padagogen  (DBS)   1st  ein  vorwiegend  professionell  °>"ientierter 
Verband,  der  sich  aber  als  Schutzorganisation  (Gewerkschatt)  giDt, 
indem  er  mit  dem  DBB  kollaboriert  und  uber  den  "Langnamverein 
jetzt  auch  dem  neuen  gewerkschaftlichen  Anti-OTV-Rechtskartel  I 
(DAG,  Marburger  Bund,  GGVSD)  angeschlossen  ist.   Ober  die  E"™ick- 
lung  der  professionell en  Verbande,  des  DBS,  aber  auch  der  DBB- 
Orqanisationen  im  Bereich  der  Sozialarbeit  ist  wenig  bekannt.  nan- 
che  Kollegen  wissen  nicht  einraal,  daB  der  DBS  tariff ahig  und  damit 
fur  GEW  und  OTV  eine  qegnerische  Organisation  ist;  Doppelmitglied- 
schaft  in  GEW  oder  OTV  einerseits  und  DBS  andererseits  scheint 
nicht  sehr  selten  und  von  der  OTV  geduldet  zu  sein.   Fur  unswird 
es  aber  notwendig  sein,  Uber  Entwicklung  und  aktuelle  F>oln^1^  von 
DBS  und  DBB-Organisationen  mehr  in  Erfahrung  zu  bringen  und  den 
Kollegen  die  lohnarbeiterfeindliche  und  DGB/OTV/GEW-feindlicne 
Politik  dieser  Organisationen  deutlich  zu  machen. 


AUFBAU  UND  STRUKTUR  DER  OTV 


VERWENDETE  SCHRIFTEN: 


Die  Geschichte  einer  Gewerkschaft, 


1.   Franz  Josef  Furtwangler,  OTV 

3.  Aufl.   1962 
2     Johann  Schneider,  Funktionsbedingte  Konflikte  im  bffentlichen 

Dienst,  Gewerkschaften  und  Klassenkampf  =  Kritisches  Jahrbuch 

1975 
3,   Verschiedene  Arbeiten  (z.T.  wbrtlich  verwendet)  von  Klaus  Dammann: 

a)  Gewerkschaftlicher  Organisationsgrad  und  kollektive  Interes- 
senorientierung  staatlicher  Lohnarbeiter,  Manuskript  1975 

b)  Gewerkschaftliche  Organisierung  und  Kampfe  staatlicher  Lohnar 
beiter  in  der  BRD.   Bericht  uber  ein  Lehrforschungsprojekt 
(Soil   geklirzt  erscheinen  in  G.   Armanski   und  B.   Penth,  Hrsg., 
Der  bffentliche  Dienst  in  Westeuropa  und  USA.   Berlin-West, 
Verlag  Olle  und  Wolter  1977) 

c)  Hergebrachte  Grundsatze  des  Berufsbearatentums.   Skizze  einer 
Unterrichtseinheit  (mit  Anhang:   Beamtenprogramme  der  SPD  von 
1924.  des  "Gesamtverbandes  der  Arbeitnehmer  bffentlicher  Be- 
triebe  usw."  von  1929  und  der  KPD  von  1927).  Manuskript. 
(Soil   erscheinen  in  gekurzter  Form  in:  W.  Hoffmann-Riem,  Hrsg. 
Sozialwissenschaften  im  Studium  des  Rechts.   Band  II:   Verfas- 
sungs-  und  Verwal tungsrecht.  Munchen  (Beck-Verlag  1 977) 

d)  OTV  contra  Standesorganisationen  und  Berufsverba'nde.    (Mit- 
schrift  eines  Vortrags  mit  Diskussion  vor  der  MV  der  Fachgruppe 
Sozialarbeit  der  DTV  Bielefeld  1976) 


BUNDESEBENE: 

Per  Gewerkschaftstag  wird  alle  4  Jahre  vom  Hauptvorstand   (HV)  ein- 
berufen.   Er  tal It  Grundsatzentscheidungen,  behandelt  und  verabschie- 
det  Antrage,   kann  Satzungsanderungen  vornehmen  und  bestimmt  zumin- 
dest  formal   die  Zielsetzung  und  die  Linie  gewerkschaftlicher  Politik. 
Die  Delegierten  werden  von  den  Mitgliedern  gewahlt,  1   Delegierter 
auf  2  000  angefangene  Mitglieder.   "DaB  die  Gewerkschaftstage  gleich- 
wohl    alles  andere  als  basisdemokratisch  ablaufen,   daf'ur  sorgen  vor 
all  em  die  Delegierten,  die  zum  grbBten  Teil   aus  Hauptamtl ichen"  und 
bewahrten  Funktionstragern  "bestehen  und  eine  straffe  KongreB-  und 
Antragsstrategie  durch  die  Gewerkschaftsfuhrung,  die  fortschrittl  i- 
che  Antrage  entweder  abwlirgt,  durch  Bundelung  verwischt  Oder  durch 
Verweisen  als  Material   an  den  Vorstand"  und  Kommissionen  "vom  Tisch 
verschwinden  la'Bt".    (G.  Armanski,   u.a.   "Staatsdiener  im  Klassen- 
kampf" S.   198) 

Der  Beirat,  auch  kleiner  Gewerkschaftstag  genannt,  trifft  unauf- 
schiebbare  Satzungsentscheidungen  und  Erganzungswahlen  zum  HV,  Ge- 
werkschaftsausschuB  und  zur  Revisionskommission  zwischen  den  Gewerk- 
schaftstagen,  er  kann  auch  a.o.  Gewerkschaftstage  einberufen. 
Der  Beirat  tagt  mindestens  4  mal  jahrlich  und  hat  z.Z.   77  Mitglie- 
der,  darunter  der  geschaftsflihrende  HV,  3  Bundessekreta're,  jel   Ver- 
treter  von  Revisions-Kommission  und  GewerkschaftsausschuB  und  die 
Delegierten  der  Bezirke  (je  einer  fur  15  000  Mitglieder). 

Der  Hauptvorstand  (HV)   vertritt  die  Interessen  der  OTV  nach  innen 
und  nach  auBen,  er  bestimmt  die  Politik  der  OTV  in  Obereinstimmung 
mit  den  BeschlLissen  des  Gewerkschaftstages,  beschlieBt  Richtlinien, 
Wahlordnungen,  Geschaftsanweisungen  und  Leitsatze,  Liberwacht  die 
Einhaltung  der  Satzung,  Beschlusse  und  Anweisungen  und  beruft  Ge- 
werkschaftstag und  Beirat  ein. 

All  ein  beim  HV  liegt  also  die  Durchfiihrung  der  beschlossenen  Politik, 
alle  Entscheidungen  sind  auf  inn  zentralisiert.  Er  fu'hrt  die  Tarif- 
verhandlungen  (unterstlitzt  von  der  groBen  Tarif kommission),  er  be- 
stimmt, ob  und  wann  Urabstimmungen  durchgefiihrt  werden,  er  bestimmt 
die  Arbeitskampfleitung,  ob,  wann  und  wie  gestreikt  wird.   Er  ent- 
scheidet,  ob  Mitglieder  unterstlitzt  und/oder  ausgeschlossen  werden. 
Der  HV  hat  61   Mitglieder,  davon  sind  37  Ehrenamtl iche,  hinzu  kommen 
die  12  Bezirksvorsitzenden,  5  Bundessekreta're  und  der  geschaftsflih- 
rende HV;  die  Ehrenamtl ichen  werden  vom  Gewerkschaftstag  gewahlt. 

0er  geschaftsflihrende  HV  fUhrt  die  Geschafte  der  OTV  und  besteht  aus 
dem  I     Vorsitzenden,  2  Stell vertretern  und  4  Mitgliedern  des  HV. 
Die  Geschaftsfu'hrer  der  Hauptabteilung,  der  Chefredakteur  und  der 


16 


-•17  - 


Leiter  der  Hauptkasse  nehmen  beratend  an  den  Sitzungen  des  HV  teil. 

npr  GewerkschaftsausschuB  entscheidet  liber  alle  Beschwerden  gegen 
HV  und  Gescha+'tsFuhrung,  gegen  seine  Entscheidung  ist  Beschwerde 
auf  dem  nachsten  Gewerkschaftstag  zulassig.   Seine  7  Mitglieder  wer- 
den  vom  Gewerkschaftstag  gewahlt. 

nie  Revisionskommission  kontrolliert  die  Hauptkasse,   pr'Jft  Abrech- 
nungen  und  Buchfuhrung. 

nip  Personengruppensekretariate  (Arbeiter,  Angestellte,  Bearate, 
Firaue'n  und  Jugend)  nehmen  die  allgemeinen  Interessen  dieser  Gruppen 
wahr  gegenliber  Arbeitgeber,  Behb'rden  und  Gesetzgeber  und  bestehen 
auf  alien  drei   Ebenen. 

Die  Hauptabteilungen  haben  die  Aufgabe  der  Wahrung  besonderer  be- 
ruflicher,  fachhche'r  und  sozialer  Interessen,  sowie  der  berufli- 
chen  und  fachlichen  Betreuung  ihrer  Mitglieder.  Prinzipiell   ist  je- 
des  OTV-Mitglied  zugleich  Mitglied  einer  Hauptabteilung  und  einer 
Fachabteilung.   Sozialarbeiter  z.B.   sind  in  der  Hauptabteilung  Ge- 
meinden  und  der  Abt.  Sozialarbeit,  manchmal   auch  Fachgruppe  genannt, 
organisiert.   Die  Richtlinien  fur  die  Arbeit  der  Abteilung  werden 
vom  HV  bestimmt,  ihre  GeschaftsfUhrung  wird  durch  den  geschaftsfuh- 
renden  HV  berufen. 

9  Hauptabteilungen  sind  auf  Bundesebene  zusammengefaBt  und  vertre- 
ten  die  insgesamt  48  Abteilungen  beim  HV.    (siehe  Schaubild) 


BEZIRKSEBENE: 

Die  Bezirkskonf erenz  findet  alle  4  Jahre  vor  dem  Gewerkschaftstag 
statt;  a. o.   Bezirkskonf erenzen  bedlirfen  der  Genehmigung  des  HV. 
Die  Delegierten  werden  nach  Wahlordnung  des  HV  von  den  Delegierten- 
konferenzen  der  Kreisverwaltung  gewahlt. 

Per  Bezirksvorstand  nimmt  die  regionalen  Interessen  der  OTV  wahr 
und  ist  l'm  Auftrag  "des  HV  tatig.   Er  besteht  aus  dem  Vorsi  tzenden, 
2  Stellvertretern  und  den  Beisitzern   (je  1  Vertreter  der  Personen- 
gruppenausschusse und  Vertreter  der  Abt.),  insgesamt  25-30  Mitglie- 
der, wobei  Ehrenamtliche  in  der  Mehrzahl   sind. 

Die  Bezirksleitung  besteht  aus  dem  Bezirksvorsi tzenden  und  2  Stell- 
vertretern, sie  arbeitet  hauptamtlich  und  flihrt  die  Gescha'fte  im 
Auftrag  des  HV.  „  . 

Ahnlich  wie  auf  Bundesebene  gibt  es  auch  hier  Personengruppensekre- 
tariate und  Bezirksabt. ,  z.B.  Bezirksabt.  Sozialarbeit.  Allgemein 
kann  man  feststellen,  daB  auf  der  Bezirksebene  die  Forderungen  der 
Kreisverwaltungen  (und  damit  von  der  Basis?)  zusammengetragen  wer- 
den und  dann  als  Durchschni ttsforderung  oder  als  sog.  gemeinsamer 
Nenner  entscharft  an  den  HV  weitergeleitet  oder  auch  schon  abge- 
schmettert  werden. 


18 


DIE  KREISVERWALTUNGSEBENE: 

Die  Krei s del egi  e rtenkonf erenz  findet  alle  4  Jahre  vor  der  Bezirks- 
konferenz  und  dem  Gewerkschaftstag  statt,  sie  nimmt  die  Geschafts- 
und  Kassenberichte  entgegen,  wahlt  den  ehrenamtlichen  Kreisvorstand 
und  die  Delegierten  fur  Bezirks-  und  Bundesebene.  Zwischendurch  sind 
Kreisdelegiertenversammlungen  mbglich.  Die  Delegierten  werden  auf 
Mitgliederversammlungen  der  einzelnen  Abteilungen  und  Fachgruppen, 
sowie  der  Personengruppenausschusse  nach  der  Wahlordnung  des  HV  fur 
4  Jahre  gewahlt. 

Der  Kreisvorstand  nimmt  die  Interessen  der  OTV  in  seinem  Bereich 
wahr  und  setzt  sich  zusammen  aus:  dem  1.  Vorsi tzenden,  2  Stellvertre- 
tern, dem  Geschaftsfiihrer  (hauptamtl.)  und  den  Beisitzern.  Ihm  ge- 
hbren  auch  die  Vorsitzenden  der  Personengruppenausschusse  und  der 
Hauptabteilung  (mussen  von  der  Del egi ertenkonf erenz  nach  ihrer  Wahl 
bestatigt  werden)  an. 

Der  Kreisvorstand  bestimmt  die  brtliche  Politik  und  kontrolliert 
die  einzelnen  Bereiche,  z.B.  die  Fachgruppe  Sozialarbeit  oder  die 
Vertrauensleute.  Er  entscheidet  u'ber  die  geplanten  MaBnahmen  und  Ak- 
tionen  dieser  Bereiche,  genehmigt  oder  verbietet  Flugblatter,  Info 
und  Offentlichkeitsarbeit.  Er  hat  auch  das  Recht,  an  alien  Sitzun- 
gen und  Mitgliederversammlungen  der  verschiedenen  Bereiche  teilzu- 
nehmen  und  muB  die  Wahl en  in  den  Fach-  und  Betriebsgruppen  und  bei 
den  Vertrauensleuten  bestatigen,  er  kann  auch  ordnungsgema'Be  Wah- 
len  von  Mitgliederversammlungen  ablehnen. 

Der  Geschaftsfiihrer  tragt  gegenliber  dem  Kreisvorstand,  der  Bezirks- 
leitung  und  in  letzter  Instanz  dem  geschaftsfuhrenden  HV  die  Ver- 
antwortung  fur  die  Geschafts-  und  Kassenfuhrung.  In  Verbindung  mit 
dem  Vorstand  ist  er  auch  fiir  die  brtliche  Schulungs-  und  Bildungs- 
arbeit  verantwortlich. 

Kein  Organ  der  OTV  im  Sinne  dieser  Struktur  sind  die  Betriebsgruppen 
(BG)  und  die  Vertrauensleute  (VI).  Sie  sind  seit  dem  letzten  Ge- 
werkschaftstag zwar  in  der  Satzung  verankert,  sind  aber  dort  direkt 
der  Kreisverwaltung  unterstellt,  d.h.  sie  sind  keine  bevollmachtig- 
ten  Handlungstrager. 

PERSONALRAT  (PR)  ALS  BESONDERES  STRUKTURELEMENT  DER  OTV 

Zwar  ist  der  Persortalrat  kein  Organ  der  OTV,  er  ist  jedoch  fur  die 
Entwicklung  und  die  organisatorische  Struktur  der  OTV  und  auch  als 
Gradmesser  fur  den  bewuBtseinsma'Bigen  Stand  ihrer  Mitglieder  von 
Bedeutung.  .       . 

Fur  die  Struktur  sind  Personal-  und  Betriebsrat  deshalb  wichtig, 
weil   ihre  Mitglieder,   insbesondere  ihre  Vorsitzenden  und  die  freige- 
stellen  Personal  rate  (soweit  sie  OTV-Kollegen  sind),  eine  wesentli- 
che  Rolle  zumindest  auf  der  Kreisebene  spielen.  Dies  wird  dadurch 
verstarkt,  daB  ein  wesentlicher  Bestandteil  offizieller  Gewerk- 
schaftspolitik  auf  der  betrieblichen  Ebene  "die  starke  Fixierung 
auf  die  Personal  rate  als  Belegschaftsvertreter  und  die  Konzentra- 
tion  auf  das  Organ  Personalrat  als  wahres  Abbild  von  Belegschaftsin- 
teressen"  ist  (Staatsdiener,  S.   181). 


19 


Nach  §  2,  Abs.   1   im  Personalvertretungsgesetz:   "Dienststelle  und 
Personal vertretung  arbeiten  unter  Beachtung  der  Gesetze  und  Tarif- 
vertrage  vertrauensvoll   und  im  Zusammenwirken  mit  den  in  der  Dienst- 
stelle vertretenen  Gewerkschaften  und  Arbeitgebervereinigungen  zum 
Wohle  der  Bescha'ftigten  und  zur  ErfUllung  der  der  Dienststelle  ob- 
liegenden  Aufgaben  zusammen",  ist  der  Personal  rat  "kein  eindeutiges 
Organ  der  Vertretung  von  Belegschaftsinteressen,  sondern  ein  'Zwit- 
ter',   der  unter  Mi teinbeziehung  und  Abwagung  beider  unterschiedl 1- 
cher  Interessenslagen  zu  handeln  verpflichtet  ist"   (Staatsdiener, 
S.   175).   Dementsprechend  hat  der  Personal  rat  dafu'r  zu  sorgen,  daB 
die  Arbeit  und  der  "Betriebsfriede"  nicht  beeintrachtigt  werden 
('•'Friedenspflicht")  und  er  hat  alles  zu  unterbinden,  was  den  rei- 
bungslosen  Arbeitsablauf  gefahrdet.  Darliber  hinaus  unterliegt  er  in 
allem,  was  betriebliche  Vera'nderungen  und  Vorhaben  betrifft,  der 
sogenannten  "Schweigepfl ifcht" .   Friedens-  und  Schweigepflicht  machen 
somit  den  Personal  rat  zu  einem  von  der  Belegschaft  abgehobenen  Organ, 
welches  kaum  in  der  Lage  ist,  die  Interessen  der  Kollegen  aufzugrei- 
fen,  geschweige  denn  durchzusetzen. 

Neben  dieser  "sozialpartnerschaftlichen  Grundkomponente  der  Persona,! - 
rats-Arbeit"  wird  die  Politik  und  die  Arbeitsweise  des  Personalrats 
durch  seine  "Aufsplitterung  nach  dem  sogenannten  Gruppenprinzip" 
gepragt.   Dieses  institutionalisierte  Gruppenprinzip,  ahnlich  dem 
Personengruppenprinzip  der  OTV,  also  Trennung  von  Arbeitern,  Ange- 
stellten  und  Beamten,  erschwert  eine  einheitliche  Wil  lensbildung  in- 
nerhalb  des  Personalrats  und  der  OTV  und  dient  "als  Vehikel   der  Aus- 
einanderdifferenzierung  der  Belegschaft  im     Personalrat"   (Staatsdie- 
ner, S.   176),  aber  auch  der  OTV. 

Zwar  haben  jetzt  auch  Gewerkschaftsvertreter  Zutrittsrecht     zu  Per- 
sonal rats-Sitzungen  und  Personal versartmlungen,  aber  das  dlirfen  jetzt 
auch  Vertreter  der  Arbeitgeber  und  der  Dienststelle.   "Die  Anwesen- 
heit  der  'Arbeitgeber'   erschwert  unter  den  gegebenen  Kraf teverhal t- 
nissen  die  Diskussion  der  Belegschaft  auf  der  Personalversammlung 
Liber  die  Durchsetzung  ihrer  Interessen.  Gegenwartig  bedeutet  dies 
vor  alien  Dingen  Hemmungen  bei  der  Kritik  von  innerbetrieblichen  Zu- 
sta'nden,  Vorgesetztenverhal ten  und  der  Entwicklung  gewerkschaftlicher 
Gegenstragegien"   (Staatsdiener,  S.  180).  Wenn  man  noch  bedenkt,  daB 
der  Dienststellenleiter  Oder  auf  der  Personalversammlung  als   'Arbeit- 
geber' auftretende  Ratsmitglieder  gleichzeitig  OTV-Funktionare  sind, 
dann  wird  die  Fragwiirdigkeit  dieses  Systems  und  der  OTV-Struktur 
besonders  deutlich'. 

Zusammenfassend  kann  man  sagen:   "fast  jede  Verbesserung  der  Personal- 
ratsarbeit  im  Interesse  der  Bescha'ftigten  mundet  in  der  Installie- 
rung  von  Konfliktregelungsmodellen  und  Befriedigungsstrategien,  die 
ein  kampferisches  und  klares  Austragen  grundsatzlich  verschiedener 
Interessenlagen  vermeiden  helfen  soil  en.  Einschneidende  betriebliche 
Vera'nderungen  ...   kbnnen  zum  groBen  Tell   von  den  Kollegen  nur  durch 
den  'Filter'   Personalrat  wahrgenommen  werden.  Von  seiner  objektiven 
Funktion  her  bestimmt,  und  man  sollte  hier  keine  Illusionen  Uber  den 
subjektiven  Handlungsspielraum  von  bewuBten  Gewerkschaftern  in  die- 
sem  Organ  haben,  sucht  er  schon  im  Herangehen  an  einen  solchen  Kon- 
flikt  den  Ausgleich  zwischen  den  Pol  en   'Dienstherr'   und  Belegschaft... 
und  damit  der  Spontanietat  mancher  Reaktionen  auf  sich  verscnlecntern- 


2o 


de  Arbeitsbedingungen  von  vornherein  die  Spitze  abzubrechen"   (Staats- 
diener, S.   181). 

BewuBtseinsm'a'Sig  ist  der  Personalrat  insofern  von  Bedeutung,  weil 
seine  aufgezwungene,  aber  auch  akzeptierte  politische  Mbglichkeit, 
"Interessenvertretung"  genannt,  am  BewuBtsein  der  Kollegen  natu'rlich 
nicht  spurlos  vorliber  geht.   Der  Personalrat  als  von  der  Basis  nur 
alle  4  Jahre  kontrollierbares  Gremium  'vertritt'   die  Interessen  sei- 
ner Kollegen,  entfaltet  vor  den  na'chsten  Wahlen  eine  scheinbar  fie- 
berhafte  Aktivita't,  urn  dann  zu  der  iiblichen  Zustimmungspraxis  zu- 
ru'ckzukehren.   Die  Folge  ist  wachsendes  Desinteresse. . .   an  gewerk- 
schaftlicher Arbeit  im  Betrieb,  verbunden  mit  der  Einsicht,  der  Per- 
sonalrat 'werde  es  schon  machen1. 

Von  ihrer  gesetzlichen  Fixierung  her  sind  die  Personalrate  aber  we- 
der  in  der  Lage,   "soziale  Konflikte  im  Interesse  der  Beschaftigten 
kompromi 61 os  durchzufechten"   (Staatsdiener,  S.   200),  noch  konnen 
sie  fur  die  Sta'rkung  ka'mpferischer  Gewerkschaftspoli tik  eintreten, 
im  Ubrigen  sind  ihnen  bei  Gewerkschaftsaktionen  die  Ha'nde  gebunden. 

Urn  aus  diesem  Dilemma  heraus  zu  kommen,  entwickelten  sich  auch  in 
der  OTV  Vorstellungen  Liber  den  Aufbau  eines  gewerkschaftlichen  Ver- 
trauensleutesystems,  das  einerseits  die  Interessen  der  Mitgiieder  an 
der  betrieblichen  Basis  besser  vertreten  und  artikulieren  soil,  an- 
dererseits  aber  auch  die  Kontrolle  der  verstarkten  Basisbewegungen 
garantiert.  Ober  die  Vertrauensleute  sollte  auch  versucht  werden, 
die  Personalrate  starker  zu  fordern. 


DAS  GEWERKSCHAFTLICHE  VERTRAUENSLEUTESYSTEM 

Vertrauensleute  sind  kein  eigenstandiges  Organ  der  OTV,  sondern 
sind  satzungsma'Big  der  Kreisverwal  tung  angegl  iedert,   ihre  Aufgaben 
werden  in  den  Leitsatzen  vom  26.2.75  geregelt. 

§  21,  Abs.   1:   "Die  Kreisverwal tung  betreut  die  Mitgiieder  und  sorgt 
daflir,  daB  in  alien  Betrieben  und  Verwaltungen  Mitgiieder  geworben 
werden  und  gewerkschaftliche  VL  tatig  sind". 

§  21,  Abs.   2:   "In  alien  Betrieben  und  Dienststellen  bilden  OTV-Mit- 
glieder  betriebliche  Gewerkschaftsgruppen,  die  in  Mitgliederver- 
sammlungen  ihre  VL  wahlen.   Diese  arbeiten  im  Rahmen  der  "Leitsatze" 
an  der  Gestaltung  und  Festigung  der  Organisation  mit.  Bei  der  Aus- 
Libung  dieser  Aufgaben  stehen  sie  unter  dem  besonderen  Schutz  ihrer 
Gewerkschaft.   Das  VL-System  ist  die  Grundlage  flir  die  Abteilungsar- 
beit  nach  §  30  OTV-Satzung"! 

In  den  Leitsatzen  werden  die  VL  als  "Grundorganisation"  bezeichnet, 
denen  "eine  zentrale  Aufgabe"  zukommt.   "Sie  sind  den  Auftragen  aus 
der  Wil lensbildung  verpflichtet  und  gehalten,  alle  gewerkschaftli- 
chen Gremien  zu  unterstutzen  und  gewerkschaftliche  Beschlusse  in 
den  Betrieben  und  Verwaltungen  durchzusetzen  und  den  gewerkschaftli- 
chen Will  en  der  Mitgiieder  zu  bekunden".   Sie  "arbeiten  im  Rahmen  der 
Satzung,  der  Beschlusse  der  Organe  und  der  Richtliriein  ...   an  der  Ge- 
staltung und  Festigung  der  Organisation  mit".  Gewahlt  werden  sie  fur 
4  Jahre  durch  die  Mitgiieder,   "sie  bedlirfen  der  Bestatigung  durch 
den  Kreisvorstand".  .,     . 

Ist  eine  Wahl   der  VL  nach  den  Leitsatzen  nicht  moglich,     so  werden 

-  21  - 


VL  durch  BeschluB  der  zustandigen  Organe  bestellt.  Die  Bestellung 
ist  zeitlich     zu  begrenzen"  und  gilt  nur  "bis  eine  Wahl   durchgefuhrt 
1st". 

Die  primare  Aufgabe  der  VL  liegt  in  der  Information  und  Aufklarung 
der  Mitglieder,  ihren  "Will en  festzustellen  und  an  die  Kreisver- 
waltung  heranzutragen,  neue  Mitglieder    zu  werben  und  Mitgliedervei 
luste  zu  verhindern,  bei  der  Bildung  von  Betriebs-  und  Personal  ver- 
tretungen...  mitzuwirken"  und  die  Kreisverwaltung  "bei  gewerkschaft- 
lichen  Aktionen  zu  unterstlitzen".   Eigenstandige  Verbffentlichungen 
oder  gar  Organisierung  gewerkschaftl  icher  Aktionen  sind  ihnen  unter- 
sagt,  sie  haben  lediglich  das  direkte  Antragsrecht  an  den  Kreisvor- 
stand. 

Es  ist  eindeutig,  daB  nach  dem  Willen  der  OTV-Flihrung  die  VL  als 
verlangerter  Arm  der  Kreisverwaltung  dienen  soil  en  und  daB  sie  mcht 
allein,  sondern  gemeinsam  mit  der  Kreisverwaltung  die  gewerkschaft- 
liche  Politik  im  Betrieb  durchfiihren.   "Das  dies  angesichts  der  Poli- 
tik  dieser  Gewerkschaftsfiihrung  den  mit  der  Verscharfung  der  Arbeits- 
und  Lebensbedingungen  der  staatlichen  Lohnarbeiter  erwachsenen     ge- 
werkschaftl ichen  Aufgaben  in  den  Augen  der  Mitglieder  immer  weniger 
fbrderlich  ist,  liegt  auf  der  Hand"   (Staatsdiener,  S.  20"). 

Trotz  dieser  Einschrankungen  und  Begrenzungen  bilden  Betriebsgruppen- 
und  Vertrauensleutearbeit  eine  wesentliche  Mbglichkeit  (alternative.-) 
gewerkschaftl  icher  Organisierung  und  Politik  auf  der  betriebl  ichen 
Ebene.  Die  darin  enthaltene  Chance,  zumindest  auf  der  Kreisebene  ein- 
zuwirken  und  die  OTV  wieder  zu  einer  Gegenmacht  werden  zu  lassen  und 
ihre  Mitglieder  zu  mobilisieren,  sollten  wir  konsequent  wahrnehmen. 


EINSCHATZUNG  UND  KRITIK 

DER  ORGANISATORISCHEN  STRUKTUR  DER  OTV 


ALTERNATIVE 


ARBEITS    |  IEBENSWEISEN 

B.  Uineweber/K.-L,  Schiebel 

Die  Revolution  1st  vorbei  -  wir  haben 

geiiegt. 

Die  community-Bewegung.  Zur  Organijationi- 

froge  der  Neuen  Linken  in  den  USA  und  der 

8RD.  9  DM 

Herb  Gintis 


Zur  Diolektik  der  BewuQrwerdung  im 
Spatkapitolismui.  5  DM 

A.  HegedUs/M. Vajdo/A. Heller  u, a. 

Die  Neue  Linke  in  Ungarn .      Bd.    1         9  DM 
Bd.  2      12  DM 

4"ln  einem  enttduschenden  AutmaB  haben  die 
"Militanten  selbst  ihre  Gesellschafrikrilik  so 
stark  'veraufjerlicht',  daB  daraut  abjtrakte  und 
unperittnlioSe  Forderungen  geworden  iind,  die 
weder  EinfluB  auf  ihr  eigenei  per»tJnlich«i  Leben 
noch  ouf  daj  derer  auiUben,  die  lie  politisieren 
wollen.  In  Wirkllchkelt  leugnen  lie  den  Uriprung 
ihre!  eigenen  BewuBtieinl,  entpertanlichen  die 
politiiche  Aktivitot  und  negleren  damlt  ihre 
eigene  Militanz."A 

MERVE  •**  -36- 

1  Berlin  15, Poitfach  327 


THEATER 


IM 


JUGENDZENTRUM 

Das  Unabhiingige  Jugendzentrum 

GLOCKSEE 

3ooo  Hannover,  Glocksecstr.  35 

plant  im  Mai  und  Juni  1977  eine 
THEATERVERANSTALTUNGSREIHE 
Gruppen,  die 
KINDER - 

JUGEND  - 

POLITTHEATER 

spielen  wollen,  schreiben  an  UJZ. 


Da  der  Organisationsbereich  der  OTV  in  die  unterschiedlichsten  Be- 
reiche  zerfallt,  ist  es  die  Reg  el ,  daB  die  Kollegen  eines  Bereiches 
nicht  wissen,  was  die  Kollegen  anderer  Bereiche  fiir  Probleme  haben. 
Wer  in  der  Kommunalverwal tung  arbeitet,  kennt  z.B.  die  Probleme 
im  Nahverkehr  nicht,  Versorgungsbetn'ebe  und  allgemeine  Bundesbe- 
horden  haben  im  BewuBtsein  der  Kollegen  oft  nichts  miteinander  zu 
tun.   Selbst  bei   einem  gemeinsamen  Arbeitgeber  sind  die  verschiede- 
nen  Probleme  untereinander  oft  nicht  bekannt,  denn  was  wissen  schon 
Sozialarbeiter  und  Miillarbeiter  voneinander  oder  was  haben  Feuerwehr 
und  Sparkasse  gemeinsam,  alle  vier  Fachgruppen  sind  aber  in  der 
Hauptabteilung  Gemeinden.   Die  wenigsten  Kollegen  werden  auch  wissen, 
daB  z.B.   Friseure  und  Rei  sebiiroangestell  te     zum  Organisationsbe- 
reich der  OTV  gehbren. 

Wie  diese  zu  organisierenden  Bereiche  selbst,  ist  auch  die  Organi- 
sation der. OTV  im  ganzen    uniibersichtlich  und  fur  die  meisten  Kol- 
legen nicht  uberschaubar.   Schon  allein  wegen  der  fehlenden  forma- 
len  Obersicht  werden  immer  wieder  Kollegen  von  Funktionaren  abge- 
schmettert,  u.a.  weil  Antra'ge  nicht  an  die  zustandigen  Gremien  ge- 
stellt,  weil   Fristen  nicht  eingehalten  oder  weil   der  Instanzenweg 
nicht  eingehalten  wurde. 

Entsprechend  dieser  Vielfalt  gliedert  sich  die  OTV  in  viele  einzel- 
ne  Abteilungen,  Fach-  und  Statusgruppen.   Diese  Aufspli tterung  ist  u.a 
auf  die  Besonderheit  staatl icher  Lohnarbeit  zuriickzufuhren.  Ver- 
schiedene  Abteilungen  werden  entsprechend  dem  jeweiligen  Inhalt  der 
konkreten  staatlichen  Aufgabe  gebildet,  so  z.B.  die  Abteilung  So- 
zialarbeit.   Wahrend  die  Lohnarbeiter  beim  Kapital   branchema'Big  or- 
ganisiert  sind,  tritt  an  die  Stelle  der  Industriebranche  beim 
Staat  dessen  einzelne  Aufgabe,  deren  Erledigung  abteilungsweise  an- 
gegangen  wird.   Wahrend  in  der  Industrie  die  Branchen  durch  Kapital- 
fluB,  die  Wanderung  der  Arbeitskrafte  und  den  Markt  in  engem  Zusam- 
menhang  zueinander  stehen,  daher  auch  gemeinsame  Aktionen  der  Indu- 
striearbeiter  verschiedener  Branchen  immer  wieder  mbglich  und  not- 
wendig  werden,  sind  die  Abteilungen  des  bffentlichen  Dienstes  von- 
einander getrennt. 

Ein  weiteres  Problem  ergibt  sich  aus  der  dienstrechtl ichen  Zersplit- 
terung  der  staatlichen  Lohnarbeiter,  durch  die  sogenannten  Personen- 
qruopen  und     Statusgruppen  und  deren  Verfestigung  durch  den  orgam- 
satorischen  Aufbau  innerhalb  der  OTV   (Arbeiter,  Angestellte,  Beamte). 
Nicht  nur  die  Anerkennung  des  Wahlmodus  bei   Personal-  und  Betnebs- 
ratswahlen,  der  die  Wahllisten  nach  Personengruppen  trennt,  son- 
dern auch  gerade  die  Tatsachen,  daB  diese  Tei lung  der  staatHchen 
Lohnarbeiter  durch  die  Organisationsstruktur  der  OTV  reproduziert 

-  23  - 


wird,  tragt  zu  den  Spannungen  und  zu  der  Spaltung  zwischen  diesen 
Gruppen  bei ,  obwohl  hier  natLirlich  auch  bewuBtseinsma'Bige  Unter- 
schiede  nicht  geleugnet  werden  kbnnen  (aber  auch  die  haben  ja  real  e 
Ursachen!). 

Bisher  versucht  die  OTV  diese  Probleme  auf  verschiedene  Weisen  zu 
Ibsen.  Drei  "Problemlbsungsstrategien"  sollen  dazu  kurz  angerissen 
und  selbst  wieder  problematisiert  werden. 

1.  Um  die  auseinanderstrebenden  Bereiche  und  Gruppen  zusammenzuhal  - 
ten,  hat  die  OTV  eine  starke  zentralistische  Verwaltung  aufge- 
baut; 

2.  Um  die  Status-  und  Fachgruppen  einander  naher  zu  bringen,  betont 
die  OTV  das  Betriebsprinzip  und  baut  entsprechende  Vertrauensleu- 
tekbrper  auf; 

3.  Um  die  Zersplitterung  in  staatlichen  Bereich  langfristig  aufzu- 
heben,  fordert  die  OTV  ein  einheitliches  Dienstrecht,  d.h.  beson- 
ders:  Tariffahigkeit  aller  staatlichen  Lohnarbeiter  und  entspre- 
chendes  Streikrecht. 


STARKER  APPARAT 

Die  kaum  zu  bestreitende  Notwendigkeit  einer  effektiven  gewerkschaft- 
lichen  Organisation  wird  in  der  OTV  (und  in  anderen  Gewerkschaften) 
dadurch  gemeistert,  daB  "effektiv"  gleich  "zentralistisch"  gesetzt 
wird.  Unter  Beibehaltung  bestimmter,  wichtiger  demokratischer  Prin- 
zipien  (Gewerkschaftstag,  Delegationsprinzip,  Begrenzung  der  Zahl 
der  Hauptamtlichen  in  bestimmten  Gremien)  hat  sich  in  der  entpoliti- 
sierenden  Phase  der  Partnerschaftsideologie  gezeigt,  daB  nichts  oh- 
ne  Zustimmung  des  Apparats  lauft:  keine  Wahl  einer  Vertrauensfrau 
(-mann),  keine  Verbffentlichung  einer  Stellungnahme. 
Hinzu  kommt  noch  die  Widerspiegelung  staatlicher  Hierarchie  auch 
innerhalb  der  OTV,  d.h.,  daB  in  der  bffentlichen  Verwaltung  OTV-Kol- 
legen,  die  Vorgesetzten-Funktionen  ausliben,  gleichzeitig  aktive  Funk- 
tionare  in  der  Gewerkschaft  mit  wichtigen  Leitungsfunktionen  sind. 
Durch  diese  Doppelfunktion  einer  nicht  unerheblichen  Zahl  von  Kolle- 
gen  entstehen  vielfaltige  Interessenkonflikte,  die  die  Artikulation 
und  Durchsetzung  der  Interessen  der  Masse  der  Mitglieder  erschweren 
und  u.U.  vielleicht  auch  verhindern.  Diese  Doppelfunktion  erschwert 
fur  viele  Kollegen  die  Erkenntnis,  den  Gegner  zu  definieren  bzw.  zu 
erkennen  und  kann  sowohl  am  Arbeitsplatz  als  auch  in  der  Gewerkschaft 
zu  Anpassung  und  Resignation  flihren. 

Diese  Konflikte  v.erscharfen  sich  noch,  wenn  OTV-Funktionare  Mandats- 
trager  in  kommunalen  Parlamenten,  Stadtrate  oder  gar  Personalchefs 
stadtischer  Betriebe  sind.  Dann  kann  es  passieren,  daB  der  Leiter 
des  Personalamtes  gleichzeitig  im  Kreisvorstand  ist,  also  quasi  mit 
sich  selbst  verhandelt,  oder  daB  OTV-Funktionare  als  Stadtarte  im 
PersonalausschuS  der  Kommune  an  einstimmigen  BeschlUssen  zur  Perso- 
naleinsparung  beteiligt  sind  und  innerhalb  der  OTV  dann  wieder  dage- 
gen  "kampfen". 

FLir  das  einfacheMitglied  ist  eine  solche  Verflechtung  von  Funktionen 
oft  eine  Bestatigung  des  verbreiteten  Vorurteils,  daB  diese  Kollegen 
um  der  Karriere  willen  in  diese  Funktionen  aufgeriickt  sind.  DaB  da- 
durch die  Organisation  in  ihrer  Handlungsfahigkeit  beeintrachtigt 

-  24  - 


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wird,   liegt  auf  der  Hand.  Um  diese  festgefahrenen  Strukturen  wenig- 
stens  ansatzweise  zu  durchbrechen,  ist  es  unbedingt  erforderlich, 
sich  Kenntnisse  und  Informationen  liber  Wahlzeiten  und  Wahl verfahren 
zu  verschaffen,  um  auf  die  Wahl   von  Funktiona'ren  EinfluB  nehmen  zu 
kbnnen  und  um  ein  MindestmaB  an  Garantie  zu  haben,  daB'  Interessen 
und  Forderungen  auch  wirklich  vertreten  werden. 


BETRIEBSGRUPPEN 

Auch  wenn  das  Betriebsgruppenprinzip  als  Starkun 
lichen  Einheit  zu  begruBen  ist  (vor  allem  wegen 
Vertrauensleutekbrpers),  so  kann  es  doch  nicht  a 
Fachgruppenarbeit  dienen.  Professional isierungs 
fachspezifische  Belange  uberlieBe  man  dann  meist 
rufsverbanden.  DaB  mit  dem  "linken"  Argument  der 
Betriebsgruppen  funktionierende,  aber  unbequeme 
schlagen  werden  kbnnen,  darauf  wird  in  den  Erf ah 
weiter  eingegangen.    (Siehe  Seite  27ff) 


g  der  gewerkschaft- 
des  Aufbaus  eines 
Is  Ersatz  fur  die 
probleme  und  andere 
reaktionaren  Be- 
Propagierung  von 
Fachgruppen  zer- 
rungsberichten  noch 


DIENSTRECHTSREFORM 

NatLirlich  ist  ein  einheitliches  Dienstrecht  fur  alle  staatlichen 
Lohnarbeiter  anzustreben.  Der  PferdefuS  liegt  nur  darin,  daB  die  Ver- 
handlungen  der  OTV  z.B.   bei   den  letzten  BAT-Rahmentarif-Veranderun- 
gen  genau  das  Gegenteil   ergaben:  namlich  eine  erneute  weitere  Dif- 
ferenzierung  der  BAT-Gruppen.  ' 

Daruberhinaus  wird  bei   einer  "schrittweisen"  Durchflihrung  einer 
Dienstrechtsreform  auf  jedem  "Schritt"  zunachst  von  Rationalisie- 
rungsmbglichkeiten  Gebrauch  gemacht  werden.    ("Leistungsgesichtspunk- 
te").   DaB  dabei   Disziplinierungen,   Umsetzungen,  Einkommensverminde- 
rungen  und  "Privatisierungen"  quasi  als  Nebeneffekte- zusatzliche  Be- 
deutung  bekommen,  dafu'r  sorgt  schon  die   (vor-)herrschende  Machtstruk- 
tur  im  bffentlichen  Dienst  selbst:   Die  groBe  Koalition  von  rechter 
SPD liber  FDP  bis  hi n  zur  CDU/CSU  samt  Kampfverba'nden  (BeamtenbUnde). 


Die  angedeuteten  Widerspruche  und  Probleme  la 
nur  durch  starkere  Aktivierung  der  Basis  und 
starkeren  Ruckhalt  progressiver  Funktionare  ( 
angehen.  Langfristig  einhergehen  muB  damit  ei 
sierung  der  Organisation  selbst  -  aufbauend  a 
kbrper. 

Um  damit  sofort  anzufangen,  soil  ten  die  sozia 
ter  sich  starker  um  die  Wahlen  klimmern  (s.o.) 
greifende  Mitgliederversammlungen  initiieren, 
aufzugreifen,  von  denen  die  Kollegen  aller  B 
z.B.  Rational  isierung  im  bffentlichen  Dienst 
reichsspezifische  Probleme  auszutauschen  und 
breitere  Sol idari sierung  zu  ermbglichen. 


ssen  sich  mittelfristig 
einem  damit  vorbundenen 
auch  solche  gibt  es! ) 
ne  starkere  Demokrati- 
uf  dem  Vertrauensleute- 

listischen  Gewerkschaf- 
und  z.B.  bereichsliber- 
um  zum  einen  Interessen 

ereiche  betroffen  sind 
Zum  anderen,  um  be- 

kennenzulernen,  um  eine 


Eine  besondere  Bedeutung  hat  dabei  auch  die  jahrliche  Diskussion     um 
die  Tarifrunde  im  bffentlichen  Dienst.   In  den  letzten  Jahren  sind 
die  Tarifforderungen  des  Hauptvorstandes  immer  frliher  herausgegeben 
und  publiziert  worden,  als  die  Diskussionen  an  der  Basis  liber  die 

-  25  - 


Tarifrunde  stattgefunden  haben.  Der  Vorschlag  des  Hauptvorstandes 
hatte  imraer  den  Charakter  einer  verbindlichen  Empfehlung  und  ist  in 
sehr  vi el  en  Kreisen,  in  denen  zur  Tarifrunde  keine  Mitgliederver- 
sammlungen  stattfanden,  sogleich  zur  Forderung  der  Mitglieder  erho- 
ben  worden.    In  anderen  Kreisen,   in  denen  DTV-Kol legen  sich  die  Ar- 
beit machten,  Reallohnverlust,  Preissteigerungsrate  und  Arbeitsin- 
tensivierung     in  Beziehung  zu  setzen  und  damit  auf  eine  hohe  Lohn- 
forderung  kamen,  wurden  diese  Forderungen  entweder  schon  von  der 
Kreisverwaltung  oder  spatestens  auf  Bezirksebene  abgeschmettert, 
wenn  aus  den  Forderungen  aller  Kreisverwaltungen  der  Durchschmtt 
gebildet  wurde,   der  dann  genau  dem  Vorschlag  des  Hauptvorstandes 
entsprach.  .. 

Urn  diesem  Verfahren  der  Gewerkschaftsfuhrung  entgegenzuwirken,   sol  I- 
ten  die  Diskussionen  Liber  die  Tarif forderungen  in  alien  Kreisen 
friiher  (mbglichst  schon  im  Oktober/November) ,   intensiver  mnd_  -  wenn 
moglich  -  bereichslibergreifend  stattfinden. 

Ein  weiterer  Punkt,  der  in  diesem  Zusammenhang  diskutiert  werden  muB  , 
ist  das  Schlichtungsverfahren,  durch  das  die  Moglichkeit  des  Arbeits- 
kampfes  verhindert  wird.  So  heiBt  es  in  den  Richtlinien  der  Gewerk- 
schaft  OTV  liber  Urabstimmung  und  Arbeitskampf :   "Ein  Streik  zur  Durch- 
setzung  tarifrechtlicher  Forderungen  darf  grundsatzlich  erst  einge- 
leitet  und  durchgefuhrt  werden,  wenn  keine  Friedenspflicht  mehr  be- 
steht,  evtl.   vorgesehene  Schlichtungsverfahren  erfolglos  durchge- 
fiihrt, alle  zumutbaren  Verhandlungsmbgl ichkeiten  ausgeschopft  und 
keine  Verstandigung  mit  der  Arbeitgeberseite  zustandegekommen  ist. 
Erstraals  eingesetzt  wurde  das  Schlichtungsverfahren  von  der  DTV  in 
der  Tarifrunde  1976  und  hat  da  auch  ganz  klar  seine  Funktion  bewie- 
sen,  Tarifabschllisse  nur  noch  Liber  den  Verhandlungsweg     zustande 
zu  bringen  und  den  Mitgliedern  ein  wichtiges  Werkzeug  ihrer  Interes- 
senvertretung  aus  der  Hand  zu  nehmen.   Das  Schlichtungsverfahren  soll- 
te  deshalb  in  jeder  neuen  Tarifrunde  als  hemmendes  und  abblockendes 
Mittel  abgelehnt  werden. 


AKS  Frankfurt 

DIE  ENTWICKLUNG  DER  FACHGRUPPE  "SOZIALARBEIT" 
IN  DER  OTV  FRANKFURT 


"Die  OTV  vertritt  die  wirtschaftlichen,  sozialen,  kulturellen  und 
beruf lichen  Interessen  ihrer  Mitglieder." 

So  einfach  sich  dies  in  §  3  der  OTV-Satzung  liest,  so  korapliziert 
stellt  sich  die  Wahrnehmung  der  Interessen  in  der  Praxis  dar. 
Ursache  daflir  liegt  nicht  nur  in  den  Strukturen  der  OTV,  die  fur  das 
einzelne  Mitglied  kaum  durchschaubar  sind,  sondern  auch  in  einer 
spezifischen  Politik,  wie  sie  hier  durch  den  zustandigen  hauptamtli- 
chen  Sekretar  betrieben  wurde.  DaB  der  Sekretar  in  seiner  Haltung 
und  Vorgehensweise  den  Kreisvorstand  repra'sentiert,  muB  bei  der  Kri- 
tik  an  ihm  wohl  nicht  jedesmal  erwahnt  werden. 
Man  sollte  annehmen,  seine  Aufgabe  bestande  darin,  die  Mitglieder 
in  dem  ihm  zugeordneten  Bereich  (hier:  Sozialarbeit)  zu  betreuen, 
daftir  zu  sorgen,  daB  eine  Interessensartikulation  mbglich  ist,  mit 
dazu  beizutragen,  daB  eine  aktive,  mobilisierende  und  attraktive  Arbeit 
entwickelt  wird.  Genau  das  Gegenteil  ist  der  Fall;  das  zeigen  die 
Auseinandersetzungen  urn  die  Abteilung  Sozialarbeit  in  Frankfurt  und 
das  Verhalten  des  Sekretars  Rbhre. 

Betrachtet  man  diese  Auseinandersetzung,  so  drangen  sich  neben  den 
Fragen  nach 

-  der  Artikulation  und  Durchsetzung  unserer  gewerkschaftlichen  Inter- 
essen angesichts  der  staatlichen  Haushalts-  und  Strukturpolitik 
und  der  Beruf sverbots-  und  Disziplinierungspolitik 

-  der  innergewerkschaftlichen  Demokratie; 

auch  die  Frage  auf,  wer  betreibt  eigentlich  "gewerkschaftsschadigen- 
des"  Verhalten? 

In  den  vergangenen  Jahren  hat  die  OTV  auf  alien  Ebenen  Kollegen  we- 
gen  satzungswidrigem  und  gewerkschaftsschadigendem  Verhalten  ausge- 
schlossen.  Hintergrund  ist,  daB  diese  Kollegen  sich  dem  Prinzip  der 
innergewerkschaftlichen  Demokratie  verpflichtet  fiihlten,  sich  ent- 
sprechend  verhielten  und  eine  aktive  Politik  gegen  die  Berufsverbote 
aber  auch  gegen  die  DGB-Unvereinbarkeitsbeschllisse  verfolgten.  An 
die  Stelle  der  politischen  innergewerkschaftlichen  Auseinandersetzung 
trat/tritt  ein  formales  AusschluBverfahren,  das  Tendenzen  einer  so- 
zialdemokratischen  Richtungsgewerkschaft  Vorschub  leistet. 

Wie  aber  anders  als  "gewerkschaftsschadigend"  ist  das  Verhalten  eines 
Sekretars  zu  bezeichnen,  der  durch  bewuBte  Untatigkeit  nicht  nur  die 
entwickelte  Arbeit  der  Abteilung  Sozialarbeit  zerschlagt,  sich  sat- 
zungswidrig  verhalt  und  demobilisierend  auf  die  Mitglieder  wirkt. 
Diese  Entwicklung  soil  im  folgenden  dargestellt  werden. 

Bis  vor  wenigen  Jahren  war  der  gewerkschaftliche  Organisationsgrad 
von  Sozialarbeitern  und  eine  gewerkschaftliche  Arbeit  im  Sozialbe- 

-  27  - 


26 


w 


reich  gleich  Null.  Studentenbewegung,  das  Aufbrechen  von  Widerspru- 

chen  im  Sozialbereich,  die  Pol  itisierung  von  Teilen  des  Klientels, 

der  Sozialarbeiter/padagogen  und  Erzieher  fUhrten  sowohl  zu  Selbst- 

organisationsansatzen  (z.B.  Bildung  des  AKS  Frankfurt  1970)  aber 

auch  im  Zuge  dieser  Arbeit  zu  einer  verstarkten  gewerkschaftl  ichen 

Tatigkeit. 

Ausgangspunkte  daflir  waren  die  Einschatzung,  daB 

-  die  Gewerkschaft  die  derzeit  einzige  Interessenorganisation  der 
Arbeiterklasse  ist,  sie  die  Moglichkeit  des  Kontaktes  zur  arbei- 
tenden  Bevolkerung  bietet  und  damit  Sozialarbeitern  Bundmstunk- 
tionen  anbieten  kbnnen, 

-  Arbeitsrechtsschutz  notwendig  und 

-  die  OTV  Vertretungsorgan  fur  berufspolitische,  Besoldungs-  und 

T 3 y "i f f )"fl o  p  n    "ist 

Ziel  war  dabei   die  innergewerkschaftliche  Durchsetzung  von  Forderun- 
qen     die  die  Arbeit  im  Sozialbereich  betraf  (inhaltliche  Konzepte, 
Arbeitsplatzprobleme  etc.)  sowie  das  Aufbrechen  des  unter  Sozialar- 
beitern und  -padagogen  weit  verbreiteten  "antigewerkschaftl  ichen 
BewuBtseins    Aufgrund  ihrer  Klassenlage  -  Mi ttelschichtsangehonge, 
Aufsteiger  -  verstehen  sich  auch  heute  noch  viele  Sozialarbei ter 
nicht  als  Lohnabhangige.  Die  Ideologie  des  Helfens  verbietet  das  Ein- 
treten  fur  materielle  Forderungen  und  erschwert  eine  politiscne  Ein- 
schatzung der  Funktion  von  Sozialarbeit. 

Bis  zum  Herbst  1974  stieg  nicht  nur  der  gewerkschaftliche  Organisa- 
tionsgrad  unter  den  Sozialarbeitern/padagogen  und  Erziehern,  "ber 
die  Mitgliederversammlungen  der  Fachabteilung  gelang  auch  eine  akti- 
vierende  politisch  ausgepragte  Arbeit.    Im  Vordergrund  standen  larit- 
fraqen,  Arbeitsplatzkonfl ikte,  Fragen  der  innergewerkschaftl  ichen 
Demokratisierung,  sowie  die  Kampfe  im  Stadtteil    (Hauserkampf  und  FVV). 
Diese  so  verstandene  politische  Arbeit  fiihrte  nicht  nur  zu  KonriiK- 
ten  mit  dem  OTV-Apparat,   sondern  auch  zu  erhebl ichen  Auseinander- 
setzunqen  zwischen  Mitgliederversammlung  und  dem  Abteilungsvorstand 
Sozialarbeit.   D.h.,  der  Abteilungsvorstand  war  nicht  in  der  Lage,  die 
in  den  MVs  sich  arti kul ierenden  Interessen  aufzunehmen  und  gewerk- 
schaftlich  umzusetzen.  „„u„~ 

Im  Geqenteil,  die  von  der  Mehrheit  des  Abteilungsvorstandes  durcnge- 
flihrte  Politik  wurde  von  den  MVs  als  blockierend  durchschaut  und  zu- 

Dies9fUhrtenam  7.11.1974  zum  Rucktritt  des  Abteilungsvorstandes  und 
somit  zur  Lahmlegung  der  gesamten  Abteilungsarbeit. 

Begrundet  wird  der  Rucktritt  mit  dem  "Auftreten  sektiereri ischer  Grup- 
pen,   die  dem  Vorstand  eine  spontaneistische  auf  kurzfnstige  Aktio- 
nen  ausgerichtete  Politik  aufgezwungen"  ha'tten. 

Der  Fachgruppenvorstand  betrieb  eine  DKP-onentierte  Politik,  die  von 
Beginn  an  auf  eine  zunehmende  Entmundigung  der  Fachgruppenmitglieder 
und  der  Mitgliederversammlung  ausgerichtet  war.    (Damit  soil   mcht  ge- 
nerell   etwas  liber  DKP-Gewerkschaftsarbeit  ausgesagt  werden). 
Das  Ansinnen  des  Fachgruppenvorstandes,  die  Mitgliederversammlung  nur 
noch  in  groBen  Zeitabstanden  einzuberufen,  sollte  das  Engagement  aer 
Mitglieder  dampfen  und  kanalisieren,  wenn  mcht  gar  diszip  in^^n. 
Aus  diesem  Grunde  hat  der  Vorstand  konkrete  Auftrage  der  MVs  ^cnt 
oder  nur  unzureichend  erfUllt,  Forderungen  nach  Einberufung  von  ms 
nicht  beachtet  und  nichts  dazu  beigetragen,  den  gewerkschaft ncnen 


-  28 


Charakter  und  die  Struktur  der  aktuell  aufgegriffenen  Konflikte 
aufzuzeigen  und  zu  verallgemeinern. 

Der  Vorstand  trat    zu  einem  Zeitpunkt  zurlick,  an  dem  seine  abwiegle- 
rische  Funktion  offensichtlich  wurde. 

CHRONOLOGIE  DER  EREIGNISSE 

Die  Entwicklung  bis  heute  zeigt  nicht  nur  die  Ignoranz  gegenliber  den 
Mitgliederinteressen,  sondern  macht  auch  das  gewerkschaftsschadigen- 
de  Verhalten  des  Sekretars  Rohre  und  des  Kreisvorstandes  deutlich, 
die  nichts  unversucht  lieBen,  alle  Bemlihungen  zur  Wiederankurbelung 
der  Fachgruppenarbeit  zu  torpediereh. 

7.11.1974 

Die  Mehrheit  des  Vorstandes  der  Fachgruppe  Sozialarbeit  tritt  zur'uck 
und  gibt  somit  dem  Kreisvorstand  die  Moglichkeit,  ohne  vorherige  Dis- 
kussion  mit  den  Mitgliedern  eine  Umstrukturierung  vorzunehmen. 

15./16. 11.1974 

BeschluB  des  Kreisvorstandes  zur  Arbeit  in  der  Abteilung  Sozialarbeit 

1.  Die  Abteilung  wird  vom  Mitgliederversammlungs-  auf  das  Delegierten- 
prinzip  umgestellt. 

2.  Demnach  werden  Delegierte  in  den  einzelnen  Sozialstationen,  Fach- 
stellen  und  Rmtern  etc.  gewahlt,  die  auf  Delegiertenversammlungen 
die  Meinung  der  von  ihnen  vertretenen  Mitglieder  darstellen  und  ver- 
treten.   Diese  wahlen  den  Abteilungsvorstand.  Dies  bedeutet,  daB 

die  Abteilung  starker  an  die  Arbeit  in  den  Sozialstationen,  Fach- 
stellen  etc.  angebunden  wird.  So  kann  man  etwa  gewahrleisten,  daB 
in  den  Delegiertenversammlungen  das  Meinungsbild  der  breiten  Mit- 
gliedschaft  und  nicht  das  einzelner  Gruppen  zum  Ausdruck  kommt. 

3.  Die  Wahl   der  Delegierten  erfolgt  zum  Zeitpunkt  der  allgemeinen 
Neuwahlen  zu  gewerkschaftl ichen  Gremien  im  Fruhjahr  1975. 

Damit  wird  eine  Angleichung  an  die  Amtszeit  der  librigen  Ab'teilun- 
gen  und  Hauptabteilungen  sowie  der  Personen gruppen  erreicht. 
Zur  Zeit  werden  die  organisatorischen  Vorbereitungen  flir  die  Dele- 
giertenwahl   in  diesem  Quartal   getroffen. 

Dieser  BeschluB  wird  den  Mitgliedern  mit  einem  vom  22.  Januar  datier- 
ten  Schreiben  Ende  Marz  1975  mitgeteilt. 

26,2.1975 

Eine  vom  AKS  mittlerweile  gebildete  Initiative  zur  Einberufung  einer 

MV  ruft  zur  Unterschriftensammlung  auf. 

Ca.   140  Kollegen  unterschreiben  die  Resolution  nach  Durchflihrung  einer 

MV,  urn  die  anstehenden  Probleme  der  Fortflihrung  der  Abteilungsarbeit 

zu  diskutieren. 


12.3.1975 

Unterschriften  werden  dem  Kreisvorstand  Ubergeben. 

21.3.1975 

Der  Sekretar  Rohre  antwortet  der  Initiative     und  lehnt  die  Einberu- 
fung einer  MV  ab. 

Er  teilt  mit,   "daB  die  Vorbereitungen  zur  Durchflihrung  des  Beschlus- 
ses   (vom  15./16.11 . 1974)  von  dem  Kreisvorstand  auf  seiner  Sitzung  am 

-  29  - 


24. /25. 3. 1975  abgeschlossen  werde,  so  daB  die  Wahlen  voraussicht- 
lich  ab  Mitte  April   durchgefuhrt  werden  kbnnen." 

Wohl  aufgeschreckt  durch  die  in  der  Resolution  zum  Ausdruck  kommen- 
de  Unzufriedenheit,  verschickt  Rbhre  mit  gleicher  Post  den  vom 
22.1.1975  datierten  Brief. 

Die'lnitiative  unterrichtet  die  Sozialarbeiter-Kollegen  und  kritv- 
siert  deutlich,  daB  mit  dem  bisherigen  Vorgehen  des  ^fisvorstandes 
das  Prinzip  innergewerkschaftlicher  Demokratie  noch  welter  aurgeiasT: 
wird,     zugunsten  einer  Politik,  die  von  oben  nach  untenl,lhreJ*?~ 
schllisse  durchsetzen  will.   Fur  den  14. 4.  wird  zu  einer  Versammlung 
im  Gewerkschaftshaus  eingeladen. 

In  der  Zwischenzeit  wird  versucht,  von  Rbhre  nahere  Inf?™ati°"®"  := 
liber  Delegiertenschliissel   und  Wahlen    zu  erhalten.  Ergebms:  auswei- 
chende  Antworten  und  ein  Hinweis,  daB  der  Kreisvorstand  am  ib.t. 
entscheide. 

1!" Gewerkschaftshaus  -  der  Saal  wurde  erst  nach  ^"en  Verhandlungen 
mit  Rohre  zur  Verfugung  gestellt  -  treffen  sich  uber  100  Kollegen 
und  Kolleginnen  und  votieren  einstimmig  fur  einen  Fortbestana  aer 
Abteilung  Sozialarbeit, 

In  den  n'achsten  Monaten  passiert  nichts,  Anrufe  bei   Rbhre  bleiben 
alle  ergebnislos. 

September  1975  ..     in7wi. 

Rbhre  lud  organisierte  Sozialarbeiter  und  Erzieher  ein,  d  e  ™™\ 
schen  als  Vertrauensleute  gewahlt  worden  waren.  Diese  fuh^"  .""  _ 
aber  nicht  berechtigt,  als  Delegierte  zu  fungieren,  da  sie  datur  von 
den  Kollegen  nicht  gewahlt  worden  waren. 

Da  die  DTV  keinen  Oberblick  uber  ihre  in  den  verschiedenen  Berelchen 
organisierten  Mitglieder  besitzt,  Libernahmen  die  Vertrauensleute  cue 
Aufgabe.eine  entsprechende  Aufstellung     zu  erarbeiten. 

Dezember  1975  .     .      ,      _.  .    „„„  HiA  riplp- 

Rbhre  fordert  die  Vertrauensleute  auf,  in  den  DienststelTen  die  ueie 
giertenwahlen  durchzuflihren.  Genaue  Modalitaten  kennt  nlemand  so 
tig.jal   sind  es  TO  Sozialarbeiter,  die  einen  Delegierten  wahlen, 
mal  8,  mal   5. 

!a2Rohre  lediglich  die  groBen  Dienststellen  -  also  Schulamt  ""J  Jo- 
zialverwaltung  infonnierte,  Jbernimmt  der  AKS  diese  Info™a^^!r 
mittlung  und  ruft  allgemein    zu  Delegiertenwahlen  auf     und  roraeri. 
ein  Treffen  im  Ma'rz  1976. 

Mittlerweile  hat  die  Demobilisierung  soweit  uin  sich  9«rtfJ«"'  Jf  die 
Wahlen  auch  nur  schleppend  vorangehen.  Fur  yiele  Kollegen ^s*  3^gh. 
schwer  einsichtig  zu  machen,  sich  als  Delegierte  aufstellen  und  wan 
Ten    zu  lassen. 


3o  - 


Obwohl   in  der  Folgezeit  die  Meldungen  Liber  die  erfolgte  Wahl   bei 
dem  Sekretar  Rbhre  eingehen,  bleibt  dieser  weiterhin  passiv. 

Fruh.iahr  bis  Herbst  1976 

Einen  erneuten  VorstoB  unternimmt  "die  Initiative  zur  Wiedereinrich- 
tung  der  Fachgruppe  Sozialarbeit  in  der  DTV",  die  sich  seit  Anfang 
Februar  1976  regelma'Big  in  der  DomstraBe  trifft.   Es  sind  OTV-Kolle- 
gen,  Delegierte  (Sozialarbeiter,  Sozialpadagogen,  Erzieher),  die  in 
Sozialbereichen  der  Stadt,  bei   kirchlichen  und  "freien"  Tragern, 
Haus  der  offenen  Tur,  Arbeits-  und  Erziehungshilfe  etc.   arbeiten. 
Diese  Kollegen  haben  den  Anspruch,  die  Gewerkschaft  wieder  zu  dem 
zu  machen,  was  sie  selbst  in  ihrer  Satzung  als  Anspruch  vertritt. 

Diskutiert  wird  in  der  "Domstr."  einmal,  mit  welchen  Initiativen  man 
wieder  zu  der  Einrichtung  der  Fachgruppe  kommen  kann,  sowie  liber 
Konflikte,  die  in  einzelnen  Arbeitsbereichen  entstanden.   Gerade  im 
Heimbereich  und  den  Hausern  der  offenen  Tur  haben  sich  die  Konflikte 
zugespitzt.   Beispiel   dafiir  sind  die  Jugendwohnheime  "Zingelswiese" 
und"Ziegelhlittenweg" ,  wo  die  Interessen  der  Jugendlichen  und  der  sich 
mit  ihnen  solidarisierenden  Sozialarbeiter  im  Widerspruch     zu  den  In- 
teressen des  Tragers  gerieten.   Entlassungsdrohungen,  KLindigungen, 
Verlegung  der  Jugendlichen  in  andere  Heime,  Einweisungsstop  ,und  Schlies- 
sung  sind  eine  Auswahl   erfolgter  Repressionen. 

Ein  weiteres  Problem  sind  die  verstarkten  Eingriffe  der  Polizei  in 
Sozialarbeiterbereiche: 

In  den  Jugendhausern  und  -heimen  sollen  Jugendpolizisten  eingesetzt 
werden,  mit  denen  die  Sozialarbeiter  zusammenarbeiten  mlissen.   (Bis- 
her  konnten  diese  Konzepte  verhindert  werden:  siehe  Info  Nr.  15) 
Die  Bewahrungshelfer  sollen  nach  einem  neuen  Gesetzentwurf  Liber  den 
sogenannten  sozialen  Dienst  der  Justiz  direkte  Polizeifunktion  liber- 
nehmen,   indem  sie  Ermittlungsarbeiten  und  den  sogenannten  ambulanten 
Strafvollzug  durchflihren  sollen. 

Weitere  Probleme  sind: 

-  RUckstufung  der  Sozialarbeiter-Einstufungsgehalter  auf  BAT  Vb  fur 
den  Zeitraum  von  4  Jahren 

-  Rucknahme  von  tariflich  nicht  abgesicherten  Leistungen 

-  RationalisierungsmaBnahmen,  Wiederbesetzungssperre,  Stellenstrei- 
chungen,  erhbhte  Leistungsanforderungen 

-  Zunehmende  Hierarchisierung. 

Die  Tatsache,  daB  seit  2  Jahren  die  gesamte  Arbeit  brach  liegt,  zeigt 
natlirlich  auch  ihre  Auswirkungen  fur  die  Entwicklung  von  gewerk- 
schaftlichen  GegenmaBnahmen.  Die  minimalsten  Voraussetzungen  einer 
gewerkschaftlichen  Arbeit  -  also  Information  und  Diskussion  von  ar- 
beitsplatzbezogenen  Konflikten  -  werden  von  der  Interessensorganisa- 
tion  systematisch  verweigert  und  somit  eine  gemeinsame  Handlungsfa- 
higkeit  verhindert. 

Kollege  Rbhre  sicherte  zwar  der  Initiative  fur  Mitte  September  zu, 
zu  einem  Delegiertentreffen  einzuladen,  doch  wie  in' der  Vergangen- 
heit,  es  blieb  bei  Ignoranz  und  Passivitat. 


31 


nfctnhw  1976  -  Februar  1977  "Initio 

Nachdem  der  Kreisvorstand  und  der  Sekretar  nach  den  von  der     initia- 
tive" einberufenen  zwei  Treffen  mit  jeweils  Liber  100  interessierten 
Kollegen  noch  immer  nicht  reagierte  (die  OTV-Mitglieder  muBten  sogar- 
die  Saalmiete  im  DGB-Haus  selbst  tragen),  lud  die  Vertrauensleutel  ei  - 
tung  der  Sozialverwaltung  die  dort  gewahlten  Delegierten  ein.   in 
einem  ausflihrlichen  Schreiben,  das  auch  auf  die  neuen  Beschiusse  aes 
OTV-Gewerkschaftstages  einging,   (Oberpriifung  der  Abtei lungs-  una 
Fachgruppenarbeit)  forderten  die  Delegierten  und  die  Vertrauensieute- 
leitung  den  Kreisvorstand  auf,  baldmbglichst  die  Fachgruppe  aut  dem 
Del  egi  ertenpr i  nzi  p  ei  nzuberuf en . 

Der  Kreisvorstand  befaBte  sich  -  sehr  kurz  -  mit  diesem  Schreiben. 
Der  "Erfolg":   der  zustandige  Sekretar  lud  zum  21.12.76  die  bis  dan  in 
gewahlten  Delegierten  (Liberwiegend  nur  aus  der  Sozialverwaltung  und 
HOT)  zu  einer  nicht  bffentlichen  Delegiertensi tzung  ein.  Der  tinia 
dung  lag  jeweils  ein  Delegiertenausweis  bei . 

Dieses"erste"  Delegiertentreffen  platzte  bevor  es  eigentlich  begann. 
Obwohl   im  Laufe  des  Abends  die  Anwesenden  mehrheitlich  dafiir  stimmten, 
dieses  erste  Treffen  nicht  offentlich  abzuhalten  (1.  um  dem  Kreisvor- 
stand keinen  Grund  zu  bieten,  das  Ganze  wieder  abzublasen  und  2.  mit 
dem  Ziel,  einen  arbeitsfa'higen  Vorstand    wahlen  zu  kbnnen,  der  dann 
die  Offentlichkeit  wiederherstellen  kbnnte),  kam  eine  ganz  kleine  An- 
zahl  von  Mitgliedern  der  Aufforderung,  den  Saal   zu  verlassen,   nur  zo- 
gernd  nach.   Dem  Sekretar,  der  zwei  Jahre  lang  die  Kollegen  hinhalten 
konnte,  ging  es  in  diesem  Fall   nicht  schnell   genug,  er  brach  die      _ 
Sitzung  ab  und  verlieB  den  Raum.   Nach  2  1/4  Oahren  existiert  noch   im- 
mer keine  Fachgruppe. 

KONSEQUENZEN 

Was  folgern  wir  als  AKS  aus  der  bisherigen  Entwicklung  und  wo  sehen 
wir  unsere  Ansatzpunkte  fur  eine  gewerkschaftl  iche  Arbeit? 

1.  Eine  Perspektive  gewerkschaftl icher  Arbeit  kann  nicht  allein  aus 
der  besonderen  Situation  der  Sozialarbeiter  entwickelt  werden,  son- 
dern  muB  ausgehen  von  den  sich  verschlechternden  Lebensbedingungen^ 
der  arbeitenden  Bevblkerung  und  den  sich  verscharfenden  Klassenaus- 
einandersetzungen.  .  ,  ■ ,. 
Die  allgemeine  Verschlechterung  driickt  sich  aus  in  steigender  arDeits- 
hetze  und  der  damit  verbundenen  physischen  und  psychischen  Ausbeu- 
tung  der  Arbeiter;  Wohnungsnot  aufgrund  erhbhter  Mi eten,  mangel  nde 
personelle  und  finanzielle  Versorgung  im  Bil dungs-  ,  Sozial-  und  fae- 
sundheitsbereich. 

Im  Bereich  der  Sozialarbeit  ergibt  sich  durch  die  Krise  auch  ein 
verstarkter  Druck  auf  die  Sozialarbeiter;  erhbhte  Belastungen  und 
Arbeitsanforderungen  bedingt  durch  die  zunehmenden  sozialen  Probie- 
me,  die  personelle  Unterbesetzung,  bzw.  Einstellungsstop.  Damit  einher 
gent  auch  ein  zunehmender  disziplinafer  Druck. 

2.  Ausgangspunkt  fur  unsere  Arbeit  ist  das  Prinzip  der  Einheitsge- 
werkschaft  und  der  freien  gewerkschaftl ichen  Betatigung  aller  m%- 
glieder.  Wir  wehren  uns  gegen  alle  Versuche,  durch  UnvereinbarKeiTs- 
erklarungen,  Abgrenzungsbeschlusse  und  Satzungsa'nderungen  die  nu- 


32 


glieder  auf  eine  bestimmte  Politik  festzulegen  und  sich  der  Diskus- 
sion  gewerkschaftl icher  Forderungen  zu  entziehen. 
Ziel,  Trager  und  Ursprung  innergewerkschaftl icher  Demokratie  muB  der 
artikulierte  Wille  der  Mehrheit  der  Mitglieder  in  den  unmittelbaren 
Willenskundgebungen  der    Organisationsgliederungen  (Betriebsgruppe, 
Versammlungen  auf  Abteilungs-,  Kreis-  und  Bezirksebene  etc.)  sein. 

3.  Aus  den  Erfahrungen  der  OTV-Arbeit  bis  zur  Auflbsung  mLissen  wir 
selbstkritisch  festhalten,  daB 

-  die  Gewertschaftsarbeit  zu  sehr  auf  die  Fachgruppe  und  die  Ausein- 
andersetzungen  mit  dem  Kreis-  und  Abteilungsvorstand  beschrankt 
blieb, 

-  die  Arbeit  gegenuber  anderen  DTV-Abteilungen  isoliert  blieb, 

-  die  Interessen  der  Verwaltungsangestellten  in  die  OTV-Arbeit  einzu- 
beziehen  kaum  unternommen  wurde,  und  auch  versaumt  wurde,  bei  ihnen 
Verstandnis  zu  wecken  fur  eine  "klientbezogene"  Sozialarbeit. 

4.  Der  Schwerpunkt  unserer  Gewerkschaftsarbeit  liegt  auf  der  Entwick- 
lung der  betrieblichen  Basis-Mi tarbeit  /bzw.   Aufbau  von  OTV-Betriebs- 
gruppen,  wobei  eine  ausschlieBliche  Orientierung  auf  Sozial arbeiter- 
kollegen  vermieden  und  die  Verwal tungsangstell ten  miteinbezogen  wer- 
den mLissen. 

Aufgegriffen  werden  mLissen  alle  Probleme,  die  sich  aus  dem  Arbeits- 
verhaltnis  der  Beschaftigten  und  -gruppen  ergeben:   Lohnfragen,  Ar- 
beitsbedingungen,  Arbei tsbelastungen,   Eingruppierung,   Bildungsurlaub 
etc.   Versucht  werden  muB,  diese  Fragen  im  Zusammenhang  und  bezogen 
auf  die  Funktion  von  Sozialarbeit  und  ihrer  Auswirkung  auf  das  Klien- 
tel   zu  diskutieren. 

Die  Besonderheiten  der  Struktur  des  sozialen  Bereichs  erfordern  dar- 
liber  hinaus  die  Notwendigkeit  der  Information,  Koordination  und  ge- 
meinsamen  Arbeit  auf  Fachabteilungsebene. 

Dabei   geht  es  um  die  Diskussion  von  anstehenden  Konflikten  im  Sozial- 
bereich  (z.B.   Heimsituation) ,  geplante  Strukturveranderungen  und  Ge- 
setzesvorhaben.  AuBerdem  um  eine  langerfristige  Arbeit,  in  der  wir 
innerhalb  der  OTV  eine  Politik  durchzusetzen  versuchen,   die  sich 
nicht  allein  auf  Tarifauseinandersetzungen  reduziert.   Auch  die  Aus- 
wirkungen  derzeitiger  padagogischer  Arbeit  z.B.   im  Kindergartenbe- 
reich  mLissen  thematisiert  und  gemeinsam  angegangen  werden.   Die  Dis- 
kussion ist  wichtig  und  viele  Kollegen  mLissen  auch  erst  einmal   fur 
die  Probleme  sensibilisiert  werden.  Sie  mLissen  begreifen  lernen,  daB 
gewerkschaftl  iche  Organisation  mehr  ist  als  ein  Versicherungsort. 
Formen  der  Gegenwehr  mLissen  gefunden  werden. 

Betriebsgruppenarbeit  -  Vertrauensleutearbeit  -  Fachgruppenarbeit 
bedingen  sich  einander  und  mLissen  miteinander  verzahnt  werden. 


-  33 


AKS  Frankfurt 

GEWERKSCHAFTSARBEIT  IN  DER  DIENSTSTELLE 


Alios   unter 
Verschlup 


DERTOD  EINESANSTALTSLEITERS  ODER 

EIN  GEFANGENER  VERSUCHT  ANGEHORT 

ZUWERDEN 

Kiinkeler  starb  als  Held  — 

,in  Erfiillung  seiner  Pflicht' 

DIE  AKTIVITATEN  DES  FRANKFURTER 
GEFANGENENRATS  -  und  die  Gegenschlage 
von  Polizei  und  Justiz 

„Sie  kummerten  sich  nach  unserem  Geschmack 
zu  stark  um  einsitzende  Straftater" 

KNASTALLTAG  IN  BUTZBACH 
„Jede  Beamtenreaktian  muB  den  Abbau  der 
Gefangenenopposition  erstreben" 
—  „Wjr  sind  nicht  langer  bereit,  dies  widerstands- 
loshinzunehmen" 

UBERLEBEN  UND  UNDERSTAND  - 
der  Knast  besteht  nicht  nur  aus  Mauern  und 
Stacheldraht 

— Berichte  und  Stellungnahmen  won  Gefangenen— 
Die  ,Mai-Revolte'  in  der  JVA  Ffm-Preungesheim 
„..,um  auf  die  Haftbedingungen  aufmerksam  zu 
machen.als  deren  letztes  Opfer  unsere  Mitgefangene 
Ulrike  Meinhof  zu  beklagen  ist" 
„Unterscha'tzen  Sie  nicht  unseron  Unmut    - 
600  Mann  spinnen  nicht" 
„Die  Verhaltnisse  haben  Sprunge  bekommen" 


144  Seiten:  Dokumentc  .  Fotos  .  Bilder  und  Zeichnungen  von  Gefangenen 

Preis:  8,50  DM  .  ab  10  Exemplare  8,00  DM  .  Fiir  Knastgruppen:  7,50  DM  bzw.  7,00  DM 

Bestellungen:  Justizgruppe  c/o  AStA  der  J.W.Goethe-Universitat  Frankf urt, JiigelstraSe  1 

Hrsg:AStA  Frankfurt  am  Main 


*£TMl 


n  ik 


Betriebsgruppenarbeit  zu  machen  ist  leichter  gesagt  als  getan.   Der 
folgende  Bericht  zeigt  daher  auch  mehr  die  Schwierigkei ten  auf,  als 
daB  er  schon  konkrete  Handlungsmbgl ichkeiten,  die  auf  ihre  Ober- 
tragbarkeit  zu  priifen  waren,  angeben  kbnnte. 

Die  Anfangssituation  stellte  sich  in  der  Dienststelle  so  dar,   daB  es 
zwar  einige  DTV-Mitglieder  gab  und  auch  eine  Vertrauensfrau,  aber 
von  gewerkschaftlicher  Aktivitat  war  nichts  zu  sp'uren. 
Jeder  arbeitet  mehr  Oder  weniger  isoliert  vor  sich  hin.    Selbst  unter 
der  Gruppe  der  Sozialarbeiter  ist  eine  Verstandngung  schwierig,  ob- 
wohl    doch  jeder  das  gleiche  Aufgabengebiet,  die  gleichen  Kompeten- 
zen  hat,  jeder  das  gleiche  verdient   (abgesehen  vom  Alter)  und  die 
Hierarchie  in  der  Abteilung  Familienflirsorge  einer  Sozialstation 
"nur"  djrch  die  Sachgebietsleiterin  besteht. 

In  den  jetzt  regelma'Big  durchgeflihrten  Dienstbesprechungen  der  So- 
zialarbeiter werden  die  verschiedensten  Themen  aufgegriffen.  Oft 
kommt  es  zu  groBen  Meinungsverschiedenheiten,   aber  es  ist  uns  schon 
ha'ufig  gelungen,  unsere  Meinung  Liber  anstehende  Probleme  gemeinsam 
zu  formulieren  und  schriftlich  weiterzugeben.   Dieser  ProzeB  muB 
weitergeflihrt  werden,  auch  wenn  dies  gerade  bei   individual  istischen 
Sozialarbeitern  sehr  schwierig  ist. 

Damit  wir  in  der  Sozialstation  nicht  all ei n  dastehen,  ist  ein  wei- 
teres  sehr  wichtiges  Ziel,  daB  in  anderen  Sozialstationen  und  Ab- 
teilungen  ahnliche  Aktivita'ten  gleichzeitig  laufen.  Leider  ist  dies 
bisher  noch  wenig  mbglich,  oft  nur  Liber  informelle  Kontakte.   Qber 
die  Abteilung  Sozialarbeit  in  der  OTV  kann  bisher  nichts  laufen, 
weil    sie  schon  seit  Liber  2  Jahren  nicht  mehr  existiert. 


Noch  schwieriger  gestaltet 
Sozialarbeitern  und  Verwal 
ausgepragte  Hierarchie  der 
gen,  die  unterschiedl iche 
die  enorme  Arbeitsiiberbela 
auf  Hbhergruppierung  (mehr 
durch  angepaBtes  Verhalten 
Sozialarbeitern  und  Verwal 
Ding  der  Unmbgl  ichkeit,  al 
gegen  MiBstande  etc.  mit  d 
Zu  leicht  passiert  es,  sei 
lassen,  statt  sich  an  die 
de  verantwortlich  sind. 

Auf  Drangen  der  Sozialarbeiter  hin  finden  seit  einiger  Zeit  Bespre- 


sich  jedoch  ein  gemeinsames  Vorgehen  von 
tungsangestell ten.   Betrachtet  man  die 

Eingruppierung  in  den  Verwal tungsabteilun- 
Bezahlung  fur  nahezu  die  gleiche  Arbeit, 
stung  der  Kollegen,   das  Angewiesensein 

Geld,  soziale  Sicherheit,  Verbeamtung) 
,   die  gegenseitigen  Vorurteile  zwischen 
tungsangestell ten,  so  scheint  es  fast  ein 
le  Kollegen  zu  einem  gemeinsamen  Vorgehen 
er  StoBrichtung  nach  "oben"  zu  bringen. 
nen  Unmut  am  schwacheren  Kollegen  auszu- 
zu  werden,  die  fiir  die  miserablen  Zustan- 


35 


chungen  rait  alien  Beschaftigten  der  Dienststelle  statt.  Leider  konn- 
te  noch  recht  wern'g  gemeinsam  erarbeitet  werden,  da  die  Berufsgrup- 
pen  (Verwaltungsangestellte  und  Sozialarbeiter)  mit  gegenseitigen 
Vorurteilen  belastet  sind,  die  von  den  Vorgesetzten  noch  stark  ge- 
schu'rt  werden.  Durch  die  gemeinsamen  Dienstbesprechungen  muB  aber 
trotzdem  der  Versuch  gemacht  werden,  ansatzweise  einen  LernprozeB 
in  Gang  zu  setzen,  die  Vorurteile  zwischen  den  beiden  Gruppen  ab- 
zubauen  und  durch  gemeinsame  Aktionen  zu  erfahren,  daB  man  im  Grunde 
genommen  gleiche  Interessen  hat. 

Wichtig  fur  ein  gemeinsames  Vorgehen  ist,  daB  der  aktive  Teil  der 
Mitarbeiter  anstehende  Probleme,  MiBstande  etc.  aufgreift,  daruber 
diskutiert  und  die  Kollegen  gezielt  in  Einzel-  und  Gruppengesprachen 
anspricht  und  motiviert,  selbst  fur  ihre  Sache  mit  anderen  zusammen 
einzutreten.  Urn  sich  gegenseitig  besser  unterstutzen  zu  kdnnen,  In- 
formationen  auszutauschen,  ist  ein  ununterbrochener  Austausch  not- 
wendia  Dies  wird  ansatzweise    versucht  auf  der  Ebene  der  Gewerk- 
schaftsarbeit.  Seit  ca.  1  1/2  Jahren  gibt  es  gewahlte  Vertrauensleu- 
te  Mehr  Oder  weniger  regelma'Big  gibt  es  OTV-Sitzungen,  an  denen  je- 
doch  noch  recht  wenig  Kollegen  teilnehmen.  U.a.  wird  diskutiert  uber 
Probleme  am  Arbeitsplatz  selbst,  sowie  uber  Themen,  die  die  Sozial- 
verwaltung  insgesamt,  die  Stadtverwal  tung,  Vertrauensleutearbeit, 
OTV-Arbeit  etc.  betreffen. 

Diese  Basisarbeit  la'Bt  noch  sehr  zu  wunschen  ubng.  Oft  bestent  die 
Gefahr  zu  resignieren,  wenn  sich  nur  so  wenig  Kollegen  fur  ihre  ei- 
genen  Belange  engagieren. 

Wichtig  ist  daher,  daB  diese  Arbeit  nicht  isoliert  auf  einer  Dienst- 
stelle  lauft  Es  ist  notwendig,  daB  eine  Ebene  gefunden  wird,  auf 
der  ein  Austausch, und  weitere  Akti vita ten  etc.  mit  Kollegen  aus  ande- 
ren Dienststellen  erfolgt.  Mbglichkei ten  erbffnen  sich  durch  die 
Vertrauensleutearbeit  in  der  Sozialverwaltung. 


Diaser  erste  nicht  von  Sparkassenwerbern  sondern  von  Lehrern  fur 
Lehrer  gemachte  Kalender  ist  ein  Gebrauchsbuch,  das  zugleich  an  die 

lange  {wenn  auch  oft  verschiittete)  Tradition  fortschrittlich-demokra- 
tischer  Lehreraktivitaten  anschlieftt. 

Angeregi  vom  Roten  Calender  und  vom  Frauenkalender  haben  die 
Autoren  Heinrich  Dreidoppel,  Gerd  Grutzmacher  und  Barbel  Maiwurm 
(alle  aus  Koln)  ein  umfangreiches  Zitatenmosaik  zusammengestellt 
und  mit  vielen  Fotos,  Karikaturen  ond  Comics  illustriert.  Man  kann 
darin  hin-  und  herblattern,  kreuz-  und  querlesen,  uberspringen,  die 
Wut  kriegen,  sich  amiisieren,  vergessen,  in  Konferenzengewichtigda- 
rauszitieren. 

Die  Lekture  ergibt  ein  Kaleidoskop  mit  Notizen  zur  Problematik  von 
Alltag,  Schule  und  Erziehung,  vielen  konkreten  Hinweisen,  Anregun- 
gen  und  Materialien  zur  taglichen  Arbeit.  Erganzt  um  Daten  der  tagli- 
chen  Repression  und  deren  Vorgeschichte  ist  der  Lehrerkalender  zu- 
gleich Politkaleidoskop,  das  Mut  macht,  auf  Einschiichterungen  wil- 
der solidarisch  und  politischzu  reagieren. 

Mit  4  Stundenolanen,  4  SchOler listen  fur  den  Klassen lehrer,  32  No- 
tenlisten,  einem  Term inkal end er  und  vielen  weiteren  niitzlichen  Ru 
briken,  Texten  und  Daten. 

Der  Lehrerkalender  ist  aufs  Schuljahr  bezogen,  nicht  aufs  Kalender- 
jahr.  Er  reicht  vom  August  1 977  bis  zum  Juli  1 97B. 
DIN  A  6,  352  Seiten,  flexibler  Kunststoffeinband,  DM  8,50 
ISBN  3-87038-050-0 Erstauslieferung  Anfang  Mai  1977 


Lehrer 
Kalender 

1977/78 


Nauartchaiiiunaan:  Qorain  lialarber  lit  liar  Band  FAKI1IK 
ZEITALTEH  -  Dokumenie  zur  Gaichlchta  dar  Indmtriall 
lierung  am  Bailpial  von  Riiiiuislmim.SOS  .  to  400  Abbildg 
OM  1230.  In  UortHFaiiung:  WEM  GEHbHT  DIE  UNIVER 
SITAT7  Unienuchunuen  turn  Zuummanhang.  von  V 
■chaft  i inn  Harrictialt  snlaMlch  d<ti  BOOjihrlnen  Bmahani 
dar  Univarsiitt  TiJblnoan,  mil  Baitrieer.  von  17  Au 
hr*g.  von   Martin   Doahlamann,  ca.  360  Saltan,  ca    DV 


Anabu-Vailag 

Griinbtro«rSlraS«1B 
6300  Lahn-GlaSar>  1 


WichtlofurSbiidarballaf: 

DitOiMid  Katbi  IHrtg.l  .  .  .  gigti  Kind  una  Kumi 
□!•   1927    von    bar   Hoian    Wlfa  baiBUKWr™*"" 

iua  dar  BthO'den  pagan  dfa  Arball«ki™i»rhaiiT>» 
BarkanhoH  und  „Mop(",  dar  Hch  andan  wnialliU 
■chan  Wandbilda-n  Halnrlch  Voflalan  In  Balkan 
hot'  antiiindata.  Dai  Buch  gibt  auth  ElnUlK*  '" 
die  ArDall  <lar  Maim*,  am  Kill  KlndanalchnunBar 
und  FotO)  dar  unldftan  Vagal ai-Ftaak* 
Pti     VJO  Stiff,  tmhli.  Abti. 


QMSJ& 


AKS  Frankfurt 

VERTRAUENSLEUTEARBEIT 

IN  DER  SOZIALVERWALTUNG  FRANKFURT 


In  der  Sozialverwaltung  sind  ca.  1500  Beschaftigte,  Uberwiegend 

Angestellte.  Ca.  1/3  sind  in  der  DTV  organisiert.  Der  Organisations- 

grad  in  der  Sozialverwaltung  ist  geringer  als  in  anderen  stadtischen 

Betrieben. 

Die  Sozialverwaltung  teilt  sich  auf  in  zentrale  Abteilungen  und  Fach- 

stellen,   in  dezentrale  Sozialstationen,   auBerdem  gehbren  Krippen  und 

Heime  zur  Sozialverwaltung. 

Im  Sommer  1975  haben  die  OTV-Organisierten  zum  erstenmal   Vertrauens- 
leute  gewahlt.   Bisher  waren  nur  einzelne  Kollegen  von  "oben"  fur 
diese  Aufgabe  bestimmt  oder  berufen  worden.   Die  Vertrauensleute  aus 
den  einzelnen  Abteilungen  und  Sozialstationen  treffen  sich  zu  Ver- 
trauensleutesi tzungen.   Unter  den  Vertrauensleuten  bildeten  sich  zwei 
Untergruppen   (politisch  unterschiedl icher  Auffassung),   die  je  eine 
Arbeitsgrundlage  flir  Vertrauensleutearbeit  entwickel ten.   Nach  hefti- 
gen  Di^skussionen  wurde  aus  den  beiden  Vorschlagen  eine  gemeinsame 
Arbeitsgrundlage  erstellt.   Auf  dieser  Grundlage  wurde  eine  7-kdpfige 
Vertrauensleutel  eitung  fiir  ein  Jahr  gewahlt,  die  sich  seither  ein- 
mal  wochentlich  trifft.    Inzwischen  wurden  nach  Vorlegen  eines  Rechen- 
schaftsberichtes  Neuwahlen  flir  die  Vertrauensleuteleitung  durchge- 
fiihrt,  wobei   die  bisherige  Leitung  bestatigt  wurde  (ein  Mitglied 
schied  aus,  so  daB  ein  Kollege  aus  dem  Heimbereich  hinzugewahlt  wer- 
den konnte.). 

Die  gewerkschaftlichen  Aktivitaten  in  den  einzelnen  Bereichen,  Ab- 
teilungen usw.    sind  recht  unterschiedlich.    In  manchen  Abteilungen 
treffen  sich  die  QTV-Mitglieder  regelmaBig  in  Betriebsgruppen,  um 
die  verschiedensten  Themen  zu  diskutieren,  Beschlusse  zu  fassen 
usw.    In  anderen  Bereichen  treffen  sich  die  Mitglieder  nur  sporadisch, 
und  in  vielen  Dienststellen  bleibt  die  Funktion  des  Vertrauensmannes/ 
frau  darauf  beschrankt,  das  OTV-Magazin  zu  verteilen. 

Die  Vertrauensleute  einschlieBl ich  der  Vertreter   (ca.   60  in  der  ge- 
samten  Sozialverwaltung)   treffen  sich  durchschnittlich  einmal   monat- 
lich.   Wichtigste  Aufgabenbereiche  fiir  die  Vertrauensleute  und  die 
Vertrauensleuteleitung  waren  die  Tarifrunde,  die  Personal ratswahl en, 
Abwehr  gegen  die  verschiedensten  SparmaBnahmen  und  gegen  den  Abbau 
von  Sozialleistungen,  Diskussionen  und  Stellungnahmen  Uber  Arbeits- 
sicherheit,  Tarifrecht  (BAT-Snderung) ,  Umstrukturierung  von  Arbeits- 
gebieten  in  der  Sozialverwaltung,    "Auskunftsbesuche"   von  Verfassungs- 
schutzbeamten  (ein  "Mitarbeiter"  des  Innenministeriums  hatte  sich 
Auskunft  uber  einen  Kollegen  im  Jugendamt  geholt)  usw.   Durch  Reso- 
lutionen,   Unterschriften-  und  Geldsammlungen  wurde  Solidaritat  geiibt 
mit  den  Opfern  des   spam'schen  Faschisraus,  mit  Berufsverbot  Betroffe- 
nen,  mit  Streikenden  der  IG-Druck  und  Papier,  mit  dem  Kollegen 
Schubart   (siehe  "links"  Nr.    81    und  Nr.   85)   usw. 


Zur  Tarifrunde  75/76  und  76/77  wurden  Samstagsseminare,  an  denen 
jeweils  ca.   40  Kollegen  teilnahmen,  durchgeflihrt,  auf  Vertrauens- 
leuteversammlungen  und  Mitgliederversammlungen  wurden  die  Forderun-. 
gen  artikuliert,  in  Versammlungen  nach  dem  TarifabschluB  75/76 
Kritik  geiibt,  da  er  fur  uns  eine  reale  Verschlechterung  unseres  Le- 
bensstandardes  bedeutete. 

Am  arbeitsintensivsten  war  flir  die  Vertrauensleute  die  Vorbereitung 
auf  die  Personal ratswahl en  im  Mai   1976.   Der  Versuch,  mit  den  bishe- 
rigen  OTV-Mitgliedern  des  Personal  rates  die  Wahl   vorzubereiten, 
scheiterte  an  deren  Weigerung,  mit  der  Gewerkschaft,  d.h.  den  Ver- 
trauensleuten  und  der  Vertrauensleuteleitung  zusammenzuarbeiten. 
Durch  intensiven  Einsatz  der  Vertrauensleute  und  der  OTV-Kandidaten 
wurden  alle  Mitarbeiter  der  Sozial verwaltung  angesprochen  und  ange- 
schrieben  (Infopapier  teilweise  sogar  in  tiirkisch,  jugoslawisch 
etc.)-   In  Vertrauensleuteversammlung  und  Mitgliederversammlung  wur- 
de  ein  Aufgaben-  und  Anforderungskatalog  fur  OTV-Personal  ratsmit- 
glieder  diskutiert  und  beschlossen.   (Inhalt:   Personal  ratstatigkeit_ 
muB  verstanden  werden  als  Interessenvertretung  durch  gewerkschaftl  i - 
ches  Handeln,  Info-Arbeit  muB  gewahrleistet  sein,  d.h.  mehr  Perso- 
nal versammlungen,  mehr  schriftliche  Inforraationen  etc. .Zusammenar- 
beit  zwischen  OTV-Personal  rat  und  Vertrauensleuten  mu&  gewahrleistet 
sein,  Aufzahlung  vordringlicher  Probleme,  die  angegangen  werden  mus- 
sen).     Jede  politische  Gruppierung  hatte  alles  mobilisiert,  urn  fUr 
sich  Stimmen  zu  bekomtnen,  vor  allem  die  "Rechten"  urn  den  bisherigen, 
langja'hrigen  Vorsitzenden  des  Personalrates   (OTV),  der  seinen  Stuhl 
und  den  seiner  Freunde  wackeln  sah.  Trotz  zweier  Mitgliederversamm- 
lungen,  die  zur  OTV-Personalrats-Kandidaten-Aufstellung  und  Wahl 
abgehalten  wurden,  war  es  kaum  mbglich,  eine  inhaltliche  Kandidaten- 
befragung  durchzufuhren.  Auf  der  zweiten  Mitgliederversammlung  wur- 
de  mit  knapper  Mehrheit  gegen  eine  inhaltliche  Diskussion  gestimmt. 
Es  kam  mehr  Oder  weniger  zu  einer  Kampfabstimmung  zwischen  den  bis- 
herigen OTV-Personal raten  und  den  meist  jlingeren  neuen  OTV-Kandida- 
ten.  An  der  Nominierung  fur  die  OTV-Kandidatenliste  nahmen  nahezu 
300  Mitglieder  tell,  was  bisher  noch  nie  vorgekommen  war.   Dies  darf 
jedoch  nicht  daruber  hinwegtauschen,  daB  die  Aufstellung  der  OTV-Li- 
ste  kein  sehr  demokratischer  Vorgang  war. 

Das  Ergebnis  der  Wahl  der  OTV-Kandidaten  hat  nicht  alle  "Linken"  be- 
friedigt,  wenngleich  der  o.g.   rechte  1.   Vorsitzende  nur  auf  den 
3.  Platz  (Nachrlickplatz)  gewa'hlt  worden  war  und  damit  eigentlich  bei 
der  Personal ratswahl   keine  Aussicht  hatte,  in  den  neuen  Personal  rat 
zu  kommen.   Dies  war  eindeutig  eine  Schlappe  flir  die  "alten",  flir 
die  "rechten".   Die  "neuen",  die  immerhin  ca.  die  Halfte  der  OTV-Mit- 
glieder  im  neuen  Personalrat  stellen,  sind  ein  Erfolg,  der  jedoch 
mit  Vorsicht  genossen  werden  muB.   So  manchem  Sozialarbeiter  wurde  es 
etwas  unwohl ,  festzustellen,  daB  im  neuen  OTV-Personal rat  und  in  der 
Vertrauensleuteleitung  Leute  sitzen  und  Gewerkschaftsarbei t  machen, 
die  ein  bzw.   zwei  Jahre  vorher  aktiv  daran  beteiligt  waren,  die  Facn- 
gruppe  Sozialarbeit  im  Sinne  des  Kreisvorstandes  sterben  zu  lassen. 
Kann  man  sich  auf  diese  Kollegen  verlassen  oder  verl.assen  diese  uns, 
wenn  angeblich  wieder  Chaoten  die  Gewerkschaftsarbei t  kaputtmachen. 
(siehe  Bericht  Liber  Abteilung  Sozialarbeit.) 

SeitMai/Juni   76  arbeitet  der  neue  Personalrat.  Als  Ergebnis  des 


38  - 


starken  Einsatzes  der  Vertrauensleute  konnte  die  OTV  7  %  mehr  Stim- 
men erreichen  als  vor  3  Jahren  und  dadurch  einen  Sitz  mehr  im  Per- 
sonalrat besetzen.   13  Personal  rate,  bestehend  aus  9  OTV-Personal ra- 
ten -  davon  5-6  "alte"  Oder  deren  Meinung  vertretende  und  3-4  "neue" 
-  und  4  von  der  "freien  Liste".   Die  OTV  war  nicht  in  der  Lage,   sich 
vor  der  Personal  ratswahl   auf  einen  Kandidaten  flir  den  Posten  des 
Personal ratsvorsitzenden     zu  einigen.   Das  Problem  der  Wahl   des  Vor- 
sitzenden hat  sich  dann  ohne  die  Mitarbeit  der  Vertrauensleute  "ge- 
lost"  und  zwar  durch  die  "Privatentscheidung"  eines  ebenfalls   "rech- 
ten" OTV-Kandidaten,  der  seinen  Listenplatz  dem  bisherigen  Vorsitzen- 
den durch  RLicktritt  zur  Verfu'gung  stellte.   Da  die  "Linke"  keinen  hat- 
te, der  als  Vorsitzender  kandidierte,  wurde  der  alte  wieder  gewa'hlt. 
Dies  erschwert  die  Zusammenarbeit  der  OTV-Personal rate  mit  den  Ver- 
trauensleuten erst  recht.  War  die  Bereitschaft,  als  Gewerkschafts- 
kollegen  zusammenzuarbeiten,  schon  mit  dem  alten  OTV-Personal rat 
nicht  gegeben,  so  ist  diese  Kluft  nun  auch  innerhalb  der  neuen  OTV- 
Personalrate  gegeben.   Entscheidungen  im  jetzigen  Personalrat  fallen 
nicht  nach  Gruppierung  -  hier  OTV,  dort  "freie  Liste",  sondern  hier 
"alte"  OTV  und  "freie  Liste"  gegen  "neue"  OTV.   Trotzdem  ist  der  neu- 
gewa'hlte  OTV-Personal rat  ein  Teilerfolg.   Informationen  aus  dem  Per- 
sonalrat sind  nun  ansatzweise  gegeben,  nicht  zuletzt  dadurch,  daB 
teilweise  Vertrauensleuteleitung  und  Personalrat  identisch  sind. 
Durch  diese  Kollegen  ist  es  nun  auch  eher  mbglich,  teilweise  Ein- 
fluB  auf  Entscheidungen  im  Personalrat  zu  nehmen  oder  gemeinsame 
Sache  mit  den  Vertrauensleuten     zu  machen.   Das  bedeutet  aber  auch 
meist  einen  ungeheuren  Einsatz  dieses  Teils  der  OTV-Personal rate. 
Vorbereitung  auf  die  Themen  der  Personalratssitzungen,   Informationen 
sammeln,   Stel lungnahmen  formulieren  und  stundenlange  Sitzungen  durch- 
stehen  gegen  den  grbBeren  Block  der  rechten  OTV  und  der  "freien  Li- 
ste". 

Eines  der  Hauptprobleme  bis  zur  na'chsten  Personal  ratswahl  wird  es 
bleiben,  wie  die  alten  OTV-Personal rate  gezwungen  werden  kbnnen, 
sich  an  den  von  alien  OTV-Mitgliedern  und  auch  von  alien  OTV-Kandi- 
daten beschlossenen  Aufgaben-  und  Anforderungskatalog  zu  halten,   in 
ihrer  taglichen  Praxis  danach  zu  arbeiten  und  gegeniiber  den  OTV-Mit- 
gliedern Rechenschaft  abzugeben. 

Trotz  vieler  Bedenken  wurde  in  diesem  Bericht  die  Arbeit  der  Ver- 
trauensleute als  relativ  positiv  dargestellt. 
Es  bleiben  aber  viele  Fragen,  Probleme  etc.  offen,  die  hier  nur 
kurz  aufgezahlt  werden  kbnnen: 

•  In  einem  so  groBen  Betrieb  wie  der  Sozial verwaltung  ist  es  relativ 
einfach     ,  ein  funktionierendes   (wie  auch  immer)  Vertrauensleute- 
system  aufzubauen.  Unter  einer  groBen  Anzahl   von  OTV-Mitgliedern 
lassen  sich  auch  leichter  aktive  Leute  zusammengruppieren  als  in 
einem  kleinen,   isolierten  Betrieb. 

•  In  einer  von  der  SPD-regierten  Stadtverwal tung  wird  "vorsich- 
tige"  Gewerkschaftsarbei t  eher  geduldet  als  in  Bereichen  anderer 
Trager   (freie,   kirchliche  etc.) 

•  Die  geschilderte  Vertrauensleutearbeit  ist  noch  in  keinem  Punkt 
offensiv  aufgetreten,  d.h,   sie  blieb  bisher  in  einem  von  "oben" 


-  39  - 


geduldeten  Rahmen  und  wurde  daher  noch  nicht  sanktioniert. 

•  Die  Zusammenarbeit  mit  offiziellen  DTV-Gremien,  z.B.   Kreisvorstand 
besteht  so  gut  wie  gar  nicht,  abgesehen  von  individuellen,  Infor- 
mellen  Kontakten,  die  immerhin  soweit  gehen,  daB  Abzugspapier  flir 
Einladungen  und  Informationsschreiben  der  Vertrauensleuteleitung 
an  die  Mitglieder  gestellt  wird. 

I  Die  vor  1   1/2  Jahren  gewa'tilten  Vertrauensleute  sind  -  obwohl   dies 
die  OTV-Vertrauensleuterichtlinien  vorschreiben  -  bis  heute  noch 
nicht  durch  den  Kreisvorstand  bestatigt  worden   (Ausweise).   Ob  dies 
einmal   zum  Verhangnis  wird,  bleibt  abzuwarten. 

I  Die  Zusammenarbeit  mit  anderen  Vertrauensleutegremien  der  Hauptab- 
teilung  Gemeinde  ist  kaum  gegeben,  was  wohl   damit  zusammenhangt, 
daB  das  Vertrauensleutegremium  der  Sozial verwaltung  selbst  erst 
stabiler  werden  muBte,  bevor  es  Liber  informelle  Kontakte  hinaus 
Verbindung  mit  anderen  Gremien  aufnimmt,  zum  anderen  darin,  daB 
der  zentrale  VertrauensleuteausschuB   (AusschuB  von  Vertrauensleuten 
aus  den  verschiedensten  Bereichen  der  Hauptabteilung  Gemeinde)  vor 
liber  einem  Jahr  vom  Kreisvorstand  als  nicht  legitimer  Zusammen- 
schluB  von  Vertrauensleuten  "abgeschafft"  wurde.   Ein  neues  "Gebil- 
de"  soil   entstehen.  Der  Kreisvorstand  hat  jedoch  noch  nicht  ent- 
schieden. 

•  Problematisch  bleibt  bisher  in  der  Gewerkschaftsarbeit  der  Sozial  - 
verwaltung  das  MiBverhaltnis  Sozialarbeiter/Verwaltungsangestellte. 
Proportional   zu  den  jeweiligen  Berufsgruppen  sind  die  Sozialarbei- 
ter  in  den  Vertrauensleutegremien  Liberreprasentiert.   Die  oft  bes- 
seren  Artikulationsmdglichkeiten  der  Sozial  arbeiter  unterdrucken 
sicherlich  oft  BedLirfnisse  von  Verwaltungsangestellten. 

I  Ebenfalls  ungelbst  ist  das  Problem  der  Richtungskampfe  innerhalb 
der  verschiedenen  linken  Gruppierungen  in  den  Gewerkschaftsgre- 
raien.  Auch  dies  geht  haufig  Liber  die  Kbpfe  der  "normalen"  OTV- 
Kollegen  hinweg. 


thInc 

ZEITSCHRIFT 

THINGS  on.75,«.       ^ 

Wir  wehren  uns    IGe^en  Ju- 
^endarbeitslosl^keit    und 
Abtreibun^aver-bot ! 
Kritik  der   KJV-Position 
(  JZ -Be  we  sunn;    i  .d  .  Dlsktiss  .  ) 

THING  12    t 

Schwerpunkt :Kernkraf te r- 
werke  ■+? 

.TQ^endverbande:PDP-HBJ  f* 

Repression, Frouentaaua    a. 
tfaterialiei) 


TRING<a*<»r--'-' 

Doppelniiiimer 
Arbeiterju(5findzentren   und 
Juisendarbeitslosi^keit 
JZ-Beweguiis:  Kritik   der   HBJ 
Position 


THING /3     ./j«. 

?eplant:St9dt-und    Ju^end- 

Beitun^en 

Justendliche    ini   Knast 


THING  ii  •'» "' ' 

p""hTe   MS  der  JZ-Pro- 
rin.  THIK-.-dlorv: 

Ju^endliohe    jrbeltsloae- 
Driic'teber^er    und    Fiulen- 
lec    ? 

• 


1BLN.1Z 
"SUCH 

LADEN 
CARMERSTR.11 


AKS  Bielefeld 

VERTRAUENSLEUTEARBEIT 

BEI  DER  STADTVERWALTUNG  IN  BIELEFELD 


1.  ZUM  UNTERSCHIED  VON  BETRIEBLICHEN 

UND  GEWERKSCIIAFTLICHEN  VERTRAUENSRORPERN 

Entsprechend  eines  Beschlusses  des  Personal  rates  der  Stadt  Bielefeld 
vom  16.1.74  gibt  es  innerhalb  der  Stadtverwal tung  ein  sogenanntes 
betriebl iches  Vertrauensleutesystem.  Diese  Vertrauensleute  sollen 
das  Verbindungsglied  zwischen  dem  Personal  rat  und  den  Beschaftigten 
der  Stadt  sein,  haben  jedoch  keine  Rechte  im  Sinne  des  Landesperso- 
nal vertretungsgesetzes . 

Sie  sollen  an  den  einzelne  Rmter  betreffenden  "personalwirtschaftli- 
chen  Entscheidungen  beteiligt  werden",  sowie  an  "Entscheidungen  von 
grundsatzlicher  und  allgemeiner  Bedeutung". 

Die  Vertrauensleute  werden  in  einer  Personalversammlung  der  einzel- 
nen  Rmter  oder  Dienstbereiche  fiir  die  Dauer  einer  Personal ratsperio- 
de  gewahlt.  Bei  grb&erer  Dienstbereichsgliederung  eines  Amtes  kbn- 
nen  mit  Zustimmung  des  Personal  rates  flir  verschiedene  Abteilungen 
und  Bereiche  mehrere  Vertrauensleute  gewahlt  werden.  "Vertrauens- 
leute, die  Mitglieder  des  Personal  rates  und  die  Jugendvertretung 
bilden  die  Vertrauensleuteversammlung"  der  Stadtverwal tung,  die 
sich  einen  Vorstand  w'a'hlt. 

Die  gewerkschaftlichen  Vertrauensleute  arbeiten  entsprechend  den 
Leitsa'tzen  des  Hauptvorstandes  der  DTV  vom  26.2.75,  ohne  allerdings 
satzungsmaBiges  Organ  zu  sein.  Die  Vertrauensleute  werden  durch  die 
OTV-Mitglieder  in  den  einzelnen  Betrieben  und' Verwal tungen  in  der 
Regel  fur  4  Jahre  gewahlt. 

Die  gewahlten  Vertrauensleute  bilden  auf  betrieblicher  Ebene,  z.B. 
Stadtverwal tung,  die  Vertrauensleuteversammlung  und  wahlen  aus  ihrer 
Mitte  die  Vertrauensleuteleitung.  Fur  einzelne  Smter,  wo  mindestens 
10  Vertrauensleute  tatig  sind,  gibt  es  noch  Vertrauensleutesprecher. 

Da  nun  in  Bielefeld  die  DTV  ziemlich  stark  ist,  zumindest  was  die 
Organisierung  betrifft  und  was  sich  auch  bei  Personal ratswahl en 
zeigt,  hatte  man  in  der  DTV  beschlossen,  die  beiden  Vertrauensleute- 
systeme  weitgehend  zu  vereinigen.  Beide  Funktionen  sollten  mbglichst 
von  einer  Person,  einem  OTV-Mi tgl ied,  wahrgenommen  werden,  um  eine 
Spaltung  zu  verhindern. 

In  der  Regel  funktioniert  das  auch,  Vertrauensleute  gewerkschafts- 
feindlicher  Organisationen  (Kommunaler  Beamten  Bund  und  DAG)  spie- 
len  so  gut  wie  keine  Rolle.  Insofern  tri tt  diese  Trennung  auch  in 
diesem  Bericht  nicht  auf,  d.h.,  wenn  hier  von  Vertrauensleuten  die 
Rede  ist,  so  sind  immer  beide  Systeme  gleichzeitig  gemeint. 

Lediglich  im  "fortschrittlichen"  Jugendamt  spielte  diese  Trennung 
einmal  eine  Rolle.  Hier  hatte  1974  die  DTV-Mi tgliederversammlung  vor 

-  41  - 


der  Personal versammlung  die  gewerkschaftlichen  Vertrauensleute  ge- 
wahlt und  gleichzeitig  beschlossen,  die  gewahlten  Vertrauensleute 
der  DTV  sollten  auf  der  anschlieBenden  Personal  versammlung  auch  als 
betriebliche  Vertrauensleute  kandidieren. 

Nachdem.von  der  OTV-MV  die  Vertrauensleute  gewahlt  worden  waren, 
stellten  einige  Mitglieder  des  Fachgruppenvorstandes  entsetzt  fest, 
daft  entgegen  ihrer  Erwartung  ein  "Chaot"  gewahlt  worden  war  und 
das  bei  nur  wenigen  Gegenstimmen.   Um  als  Chaot  diffamiert  zu  warden, 
reichte  es  damals  aus,  als  AKS-Mitglied  bekannt  zu  sein.  Zwischen 
OTV-MV  und  Personal  versammlung  wurde  also  schnell   ein  anderes  DTV- 
Mitglied  ausgesucht,  der  dann  auf  der  Personal  versammlung  entgegen 
der  OTV-Beschllisse  gegen  den  eigentlichen  OTV-Kandidaten  kandidier- 
te  und  auch  gewahlt  wurde. 

Diese  Trennung  spielte  dann  aber  in  der  betrieblichen  und  gewerk- 
schaftlichen Praxis  zum  Gliick  keine  besondere  Rolle  und  wurde  ein    ., 
Jahr  spa'ter  auch  wieder  aufgehoben,  d.h.,  der  Kollege  wurde  "trotz" 
AKS-Mitgliedschaft  auch  von  der  Personal  versammlung  als  Vertrauens- 
mann  gewahlt. 


2.  ZUR  ARBEIT  DER  VERTRAUENSLEUTE  IM  JUGENDAMT 

Im  Bereich  des  Ougendamtes,  wo  ca.   300  Kollegen  beschaftigt  sind, 
arbeiten  inzwischen  10  gewa'hlte  Vertrauensleute,  davon  5  Kollegen 
aus  dem  Bereich  der  stadtischen  Kindergarten,  1   Kollege  flir  den  Be- 
reich Heime  und  HOT  und  4  Kollegen  entsprechend  den  Abteilungen  im 
Jugendamt.   Hinzu  kommen  einzelne  Kollegen  vom  Fachgruppenvorstand 
und  andere  interessierte  Kollegen, die  sporadisch  mitarbeiten. 

Die  Zusammenarbei t  unter  den  Vertrauensleuten  hat  sich  inzwischen 
verbessert,  ohne  allerdings  alle  Kollegen  zufriedenzustellen.   Die 
Probleme  fangen  bereits  damit  an,  daB  nicht  immer  alle  Kollegen  zu 
den  monatlichen,  bffentlichen  Sitzungen  kommen  konnen,  auch  wenn 
die  Vertrauensleute  ihre  Arbeit  wahrend  der  Dienstzeit  machen  konnen. 
Wesentlich  verbessert  werden  muB  vor  allem  der  Kontakt  und  die  Zu- 
sammenarbei t  mit  den  ubrigen  Kollegen  und  OTV-Mitgliedern  in  den 
verschiedenen  Abteilungen  und  Einrichtungen.   Im  eigentlichen  Amt 
klappt  es  etwas  besser,  schwierig  ist  es  vor  allem  im  Bereich  der 
verschiedenen  Einrichtungen  des  Jugendamtes.   Diese  liegen  teilweise 
weit  auseinander  und  es  besteht  oft  nur  wenig  Kontakt  untereinander. 

Fiir  den  Bereich  Heime  und  HOT's  wurde  hier  aber  eine  organisatori- 
sche  Ldsung  gefunden,  die  auf  Dauer  die  Kontakte  und  die  Zusammenar- 
beit  verbessern  diirfte,  Anzeichen  daflir  sind  vorhanden.  Auf  Initia- 
tive einiger  OTV-Mitglieder  aus  diesem  Bereich  und  des  zusta'ndigen 
Vertrauensmanns  wurde  auf  der  Mitgliederversammlung  der  Fachgruppe 
Sozialarbeit  ein  Arbeitskreis  fur  OTV-Mitglieder  und  interessierte 
Kollegen  im  Bereich  der  Einrichtungen  gegriindet.   Dieser  AK  Heime 
und  HOT  tagt  seit  September  76  alle  14  Tage.   Inhalte  der  Arbeit 
sind  einerseits  die  konkreten  Arbeitsplatzprobleme  (Oberstunden, 
Offnungszeiten,  Dienstzeitplane),  andererseits  gewerkschaftspoliti- 
sche  Fragen  (Tarifrunde,  Antrage  flir  die  Fachgruppe,   Informations- 
austausch  zwischen  Vertrauensmann  und  den  Mitgliedern). 
Eine  solche  Arbeitsgruppe  wurde  inzwischen  auch  fur  den  Bereich 

-  42  - 


"Freie  Trager"  eingerichtet;  sie  ist  momentan  Ersatz  fur  die-Ver- 
trauensleutearbeit,  da  die  DTV  dort  bisher  kaum  verankert  ist. 

Offenbar  aus  Angst  vor  einer  Verse! bstandigung  dieser  Arbeitskreise 
(AK),  vor  allem  was  die  Inhalte  der  Arbeit  betrifft,  hat  der  Fach- 
gruppenvorstand gemeinsam  mit  dem  zusta'ndigen  OTV-Sekreta'r  inzwi- 
schen Richtlinien  fiir  die  Arbeit  der  AK's  erstellt,  die  dem  eindeu- 
tigen  und  auch  nicht  widersprochenem  Ziel  dienen,  die  Arbeitskreise 
in  ihrer  Arbeit  an  den  Fachgruppenvorstand  zu  binden  bzw.  diesem  zu 
unterstellen. 

Als  wichtigste  inhaltliche  Arbei tsschwerpunkte  der  Vertrauensleute 
im  Jugendamt  waren  zu  nennen: 

•  seit  Mitt  1974  der  Kampf  gegen  die  Einfuhrung  eines  zentralen 
Schreibdienstes. 

Hier  gelang  es,  eine  gemeinsame  Front  zwischen  den  betroffenen  Kol- 
leginnen,  den  Vertrauensleuten,  der  OTV,  des  Personal  rates  und  auch 
der  Amtsleitung  des  Jugendamtes  herzustellen.  Da  die  Einfuhrung  des 
zentralen  Schreibdienstes  gleichzeitig  fiir  das  Tiefbauamt  geplant 
ist  und  zugleich  einen  Versuch  der  Verwaltungsleitung  der  Stadt  be- 
deutet,  ein  zentrales  Schreibburo  fiir  die  gesamte  Stadtverwal tung 
vorzubereiten,  wurde  der  Abwehrkampf  auch  von  der  Vertrauensleute- 
versammlung  der  Stadtverwal tung  aufgenommen.  Gemeinsam  mit  dem  Per- 
sonalrat  wurde  eine  Unterschriftenaktion  unter  den  Beschaftigten 
der  Stadt  durchgefiihrt,  die  insgesamt  ca.  1000  Unterschriften  ein- 
brachte.  Im  Jugendamt  selber  hat  kaum  ein  Kollege  seine  Unterschrift 
verweigert. 

Inzwischen  wissen  wir  aber,  daB  wir  diesen  Kampf  verloren  haben,  die 
sogenannte  Schlichtungsstelle  hat  sich  auf  die  Seite  der  Stadtver- 
wal tung  gestellt  und  alle  Argumente  der  Betroffenen  praktisch  abge- 
lehnt. 

•  Abwehrkampf  gegen  Spar-  und  RationalisierungsmaBnahmen  im  Bereich 
der  stadtischen  Kindergarten. 

Geplant  ist,  13  Erzieherstellen  einzusparen,  insbesondere  durch  die 
Einbeziehung  der  bisher  vom  Gruppendienst  freigestell ten  Leiterinnen 
in  den  Gruppendienst.  AuBerdem  sollten  die  Gruppen  wieder  entspre- 
chend des  gesetzlichen  Rahmens  voll  belegt  werden,  Freipla'tze  soil- 
ten  wegfallen. 

Die  Entscheidung  ist  bisher  noch  nicht  getroffen  worden,  da  die  Kol - 
leginnen  sich  solidarisierten  und  gegen  die  Einsparungen  vorgingen. 
Aus  der  allgemeine'n  Aktivierung  entstand  auch  eine  spezielle  Arbeits- 
gruppe, die  inzwischen  regelma'Big  arbeitet.  Weiterhin  wurde  dazu 
eine  Mitgliederversammlung  der  Fachgruppe  mit  groBer  Teilnahme  durch- 
gefiihrt. 


I  Auseinandersetzung  mit 
durchgefiihrten  analytis 
Hierbei  ging  es  nach  Dars 
jektives  Bewertungs-  und 
es  aber  um  Arbeitsplatzei 
Vertrauensleute  und  auch 
eine  einheitliche  Reaktio 
te  nicht  erreicht  werden. 


der  von  der  Verwaltung  u.a.  im  Jugendamt 
chen  Dienstpostenbewertung. 
tellung  der  Verwaltungsleitung  um  ein  ob- 
Beurteilungsverfahren,  tatsachlich  ging 
nsparungen  und  Kontrollmbgl ichkeiten.  Die 
die  OTV  haben  hier  viel  zu  spat  reagiert, 
n  und  Ablehnung  durch  die  Betroffenen  konn- 
Im  Gegenteil,  nach  Bekanntwerden  der  Be- 


43 


wertungspunkte  fur  die  einzelnen  Arbeitsplatze  kam  es  innerhalb  der 
Kollegenschaft     zu  echten  Spaltungstendenzen,  nicht  zuletzt  auch   da- 
rum,  well  die  07V  keine  einheitliche  Position  hatte.  Durch  die  ver- 
spatete  Reaktion  konnte  lediglich  mit  einzelnen  Erfolgen  versucht 
werden,  die  schlimmsten  Auswlichse  der  Bewertung,  z.B.  Riickstufung  , 
zu  vermeiden. 

■  Auseinandersetzung  mit  den  Anderungen  des  38.  Tarifvertrages. 
Bei   der  Festsetzung  der  sogenannten  Tatigkei tsmerkmale  gelang  es  , 
in  Verhandlungen  mit  der  Amtsleitung  und  dem  Personalamt  fur  eimge 
Kollegen  Verbesserungen  und  Hohergruppierungen  durchzusetzen. 

I  Eingruppierung  von  Sozialarbeiter/-padagogen  und  RLicknahme  Uber- 

tariflicher  Zahlungen  durch  die  Verwaltung. 
Wahrend  Sozialarbeiter/-padagogen  in  Bielefeld  bisher  bereits  nach 
6  Monaten  nach  BAT  IVb  bezahlt  wurden,  statt  nach  4  Berufsjahren, 
wurde  diese  Zulage  wieder  gestrichen.  Trotz  gemeinsamer  Bemuhungen 
mit  dem  Personal  rat  und  der  OTV  und  auch  der  Betroffenen  ist  es    bis- 
her nicht  gelungen,  diese  SparmaBnahmen  wieder  rlickgangig  zu  machen. 

I  Bescha'ftigung  mit  der  Riickstufung  von  Kindergartenleiterinnen. 
Wurden  diese  bisher  nach  BAT  V  bezahlt,  so  soil   nun  eine  Riickstu- 
fung in  der  Einrichtung  erfolgen.,  die  weniger  als  3  Gruppen  haben. 
Ansatzpunkt  fur  die  Verwaltung   ist  das  neue  Kindergartengesetz,    des- 
sen  Sollzahlen  fUr  die  Gruppenstarke  nicht  mit  dem  Tarifvertrag 
ubereinstimmen.   Hier  wurde  Liber  die  OTV-Kreisdelegiertenkonferenz 
eine  Entschl iessung  an  die  groBe  Tarifkommission  verabschiedet,   den 
Tarifvertrag  entsprechend     zu  a'ndern. 

•  Unterstutzung  von  Kollegen  eines  HOT's  der  Stadt. 
Diese  Kollegen  waren  vom  Oberstadtdirektor  in  Form  einer  MiBbilli- 
gung  gemaBregelt  worden.  Mit  dem  Personalrat  wurde  deshalb  fur  die 
RLicknahme  dieser  MaBnahme  gekampft,  auch  mit  dem  Ziel,   daB  die  MiB- 
billigung  aus  der  Personalakte  verschwindet.   Ober  den  Arbeitskreis 
Heime  und  HOT's  wurde  auf  der  Fachgruppen-MV  eine  Resolution  verab- 
schiedet, die  sich  gegen  solche  Disziplinierungen  richtet  und  ihre 
Zuriicknahme  fordert.   Diese  Resolution  wurde  auch  von  den  Vertrauens- 
leuten  im  Jugendamt  ubernommen  und  gleichzeitig  auf  einer  Dienstbe- 
sprechung  aller  HOT-Mitarbeiter  verabschiedet. Die  MiBbil ligung  wurde 
zur'Jckgenommen. 

Trotz  dieser  verschiedenen  Aktivitaten,  die  hier  natiirlich  nicht 
alle  voll standi g  auf gefuhrt  werden  kbnnen  und  trotz  der  relativ  gu- 
ten  Zusammenarbeit  mit  dem  Personalrat  und  dem  Fachgruppenvorstand, 
muB  einschra'nkend  festgestellt  werden,  daB  die  Erfolge  bescheiden 
waren.  Ursache  daflir  war  u.a.  auch  der  Tatbestand,  daB  die  Aktivie 
rung  der  Betroffenen  oder  gar  aller  Beschaftigten  kaum  gelang  und 
das  es  den  Vertrauensleuten  nicht  gelang,  die  voile  Unterstutzung 
der  Kollegen  zu  gewinnen,  bzw.  von  diesen  wirklich  getragen  zu  wer 

In  den  wenigsten  Fallen  konnten  wir  unsere  Vorstellungen  durchsetzen, 
oftmals  konnten  wir  nur  auf  beschlossene  oder  angekundigte  MaBnahmen 
reaaieren  und  diese  verzbgern.  Viele  Auseinandersetzungen  waren  nur 
passiver  Art  unter  dem  Motto:   "Wir  mussen  das  Schlimmste  im  Interes- 

E?n1eil0der9onbenegrenannten-probler„e  befindet  sich  noch  im  "schwe- 


benden  Verfahren",  ohne  aber  groBe  Erfolgsaussichten  zu  haben.   Das 
liegt  nicht  zuletzt  daran,  daB  die  sogenannte  "Mitbestimmung"  von 
Personalrat  oder  gar  Vertrauensleuten  nur  auf  dem  Papier  steht  und 
eigentlich  nur  eine  "Mitwirkung"   ist,  die  sehr  oft  nur  in  dem  Recht 
auf  "Anhorung"  besteht.  Sehr  oft  ist  diese  "Mitbestimmung"  nichts 
anderes  als  eine  Knebelung  der  Interessenvertretung  der  Beschaftig- 
ten im  Sffentlichen  Dienst,   nicht  zuletzt  wegen  solcher  Mechanismen 
wie  "Schweigepflicht". 

Im  Bereich  des  Bielefelder  Jugendamtes  kommt  noch  ein  besonderes 
Problem  hinzu,   namlich  die  naive  Vorstellung  von  der  groBen  "Fort- 
schri ttlichkeit"   dieses  Amtes.    In  Gesprachen  mit  den  Kollegen  hort 
man  immer  wieder  die  Meinung:    "Ihr  habt  ja  vielleicht  Recht  mit 
Eurer  Forderung,  aber  in  anderen  Rmtern  ist  es  noch  viel   schlimmer" 
oder  "Uns  geht  es  immer  noch  besser  als  anderen  Jugendamtern".    Der 
Gedanke  von  der  besonderen  Fortschrittl ichkeit  ist  auch  in  der  OTV 
weit  verbreitet  und  das  erschwert  sehr  oft  konkrete  gewerkschaftl i- 
che  Aktionen,  vor  allem  dann,  wenn  sie  gegen  MaBnahmen  oder  Beschlus- 
se  der  eigenen  Amtsleitung  gerichtet  sein  muBten.   Es  soil   an  die- 
ser Stelle  nicht  bestritten  werden,  daB  es  unstatsachlich  besser 
geht  als  in  anderen  Kmtern,  aber  das  entbindet  uns  nicht  von  Kritik 
und  Auseinandersetzung. 


3.  ZUR  ARBEIT  IM  VERTRAUENSLEUTEKORPER  DER  STADT  VERWALTUNG 


Die  Arbeit  der  Vertrauensleute  bei   der  Gesamtstadtverwal tung  ist 
insofern  besser,  als  ihr  EinfluB  natiirlich  grbBer  ist,  insbesondere 
dann,  wenn  es  zu  gemeinsamen  und  geschlossenen  Forderungen  kommt.   Das 
betrifft  sowohl   den  EinfluB  auf  die  Verwaltung  als  auch  auf  Perso- 
nalrat und  DTV- Kreisverwal tung. 

So  konnten  liber  die  Vertrauensleute  in  den  letzten  Jahren  wahrend 
der  Tarifrunden  fur  den  Bereich  der  Kreisverwal tung  Bielefeld  immer 
wieder  Festgeldforderungen  durchgesetzt  werden,  teilweise  gegen  Po- 
sitionen  des  Kreisvorstandes.    In  diesem  Jahr  konnten  wir  uns  aller- 
dings  nicht  durchsetzen,   d.h.   die  Kreisdelegiertenkonferenz  hat 
sich  hinter  die  Forderung  des  Hauptvorstandes  gestellt,  wenn  auch 
mit  kleinen  Abweichungen    (8  %,  mindestens  160.-  DM). 

Ober  die  Vertrauensleute  gelingt  es  auch  schon  mal ,  fortschrittli- 
che  Antra'ge  auf  der  Delegiertenkonferenz  durchzusetzen.  Gemeinsam 
mit  der  Kreisverwaltung  und  teilweise  mit  Unterstutzung  von  "Arbeit 
und  Leben"  organisieren  die  Vertrauensleute  verschiedene  Seminare 
zur  Vorbereitung  und  Unterstutzung  gewerkschaftlicher  Aktionen,  z.B. 
Tarifseminare,  Seminare  zur  Problematik  von  Rational isierung  und 
Privatisierung.  Z.Zt.   lauft  ein  14-tagiges  Seminar  fur  und  mit  Ver- 
trauensleuten, das  sich  mit  speziellen  Arbeitsplatzproblemen,  Ar- 
beitsrecht  und  Tarifpolitik  bescha'ftigt. 

Flir  die  Arbeit  der  Vertrauensleute  aus  dem  Jugendamt  ist  die  Ver- 
trauensleuteversammlung  auch  insofern  von  besonderer  Bedeutung,  als 
sich  hier  die  Moglichkeit  bietet,  den  spezifischen  und  eingeengten 
Fachbereich  verlassen  zu  konnen  und  die  Solidaritat  mit  den  librigen 
Vertrauensleuten  zu  suchen  und  herzustellen. 
Vertrauensleutearbeit  fur  Sozialarbeiter  ist  auch  deshalb  wichtig, 

-  45  - 


weil   spezifische  Fachgruppenarbei t  als  Gewerkschaftsarbeit  einfach 
nicht  ausreicht.   So  muBten  wir  die  Erfahrung  machen,  daB  es  in  der 
bzw.   Liber  die  Fachgruppe  relativ  einfach  ist,   "fortschrittliche 
Antrage  durchzusetzen,  nur  bringen  die  besten  Antrage  und  Resolutio- 
nen  gewerkschaftspolitisch  nichts  ein,  wenn  sie  lediglich  per  Ab- 
stimmung  erzielt  werden  und  nicht  das  Ergebnis  von  Diskussion  una 
Auseinandersetzung  sind. 


ie  Erfahrungen  anderer  Sta'dte   (Frankfurt/Berlin)  haben  deutlich   ge- 
eigt,  daB  sich  Sozialarbeiter  und  ihre  Fachgruppen  leicht  in  die 


Die 

zeigt,  daB  sich  Sozialarbeiter  und  ihre  Fachgruppe 
"linke"  Ecke  drangen  lassen,  daB  sie  reine  Resolutionspolitik  ma- 
chen, die  im  Sozialbereich  wenig,  im  Bereich  der  Ubrigen  Stadtver- 
waltung  nichts  in  Gang  bringt. 

Andererseits  hat  sich  flir  uns  aber  auch  nicht  die  Alternative: 
Vertrauensleute-,  Betriebsgruppen-     und/oder  Fachgruppenarbeit  ge- 
stellt,  sondern  Sozialarbeiter  mussen,  wenn  sie  eine  fortschrittli- 
che OTV-Arbeit  machen  wollen,  auf  beiden  Beinen  (Betriebsgruppe  und 
Fachgruppe)  stehen,  einfach  um  die  Mbglichkeit  zu  haben  bzw.  zu 
nutzen,  Antrage  etc.   innerhalb  verschiedener  OTV-Gremien  erfolgreich 
durchzusetzen.  Unterhalb  Oder  neben  Vertrauensleute  und  Fachgruppe 
hat  sich  in  Bielefeld  ein  Kreis  fortschrittlicher  OTV-Kollegen   (Ver- 
trauensleute, Mitglieder  aus  Betriebsgruppen  und  Fachgruppenarbei  ts- 
kreise,  Jugendvertreter,  Kollegen  aus  dem  Sozial-  und  Gesundheits- 
bereich,   sowie  aus  der  Frauengruppe)  gefunden     der  sich  unregelmas- 
sig  und  in  teilweise  wechselnder  Besetzung  trifft,  um  Mitgliederver- 
sammlungen  in  den  verschiedenen  Bereichen  vorzubereiten,  Antrage 
usw.  zu  formulieren  Oder  vorzudiskutieren,  gemeinsames  Vorgehen     z. 
B.   in  der  Tanfrunde  zu  diskutieren  usw.  Von  dieser  Ebene  sind  eim- 
ge  Imtiativen  ausgegangen  und  konnten  einige  Vorhaben  durchgesetzt 
werden. 

Aber  auch  diese  Art  von  OTV-Arbeit  bringt  positiv  nur  dann  etwas 
fur  die  Kollegen    wenn  wir  hier  wirklich  die  Interessen  aus  den  un- 
terschiedlichen  Bereichen  aufgreifen,  wenn  wir  fur  und  nicht  Liber 
die  Kollegen  sprechen  konnen,  weil  wir  nit  ihnen  qesprochen  haben 
und  wenn  wir  nicht  einfach  von  den  abstrakten  und  objektiven  "Inter- 
essen    der  Kollegen  reden. 

Zwei  Konflikte  sollen  noch  einmal   die  Schwieriqkeiten  und  die  Pro- 
bleme  von  Vertrauensleutearbeit  deutlich  machen: 

•  An  einem  grb'Beren  Krankenhaus  hatte  sich  im  Verlauf  von  2-3  Jahren 
ein  fortschrittlicher  Vertrauensleutekorper  gebildet,  sowie  eine 
gut  funktionierende  Betriebsgruppe.  Als  es  den  Vertrauensleuten  bei 
der  Personal ratswahl  dann  gelang,  fortschrittliche  Kollegen  auf  die 
Wahlliste  zu  bringen  und  diese  dann  auch  gewahlt  wurden,  kam  es  zu 
einem  Aufstand  der  altgedienten  OTV-Funktiona're.  Personal ratsmi tglie- 
der  und  Funktionare  organisierten  eine  Austrittswelle,  wechselten 
teilweise  zum  Beamtenbund,  stimmten  bei   der  wahl  des  Personalrats- 
vorsitzenden  gegen  den  OTV-Kandidaten,  setzten  aktive  oder  beitritts- 
willige  junge  Kollegen  und  Auszubildende  unter  Druck  usw. 
Daraufhin  beschloB  der  Kreisvorstand.den  gesamten  Vertrauensleute- 
kbrper  aufzulbsen  und  irgendwann  einmal   Neuwahlen  anzusetzen.  Begru'n- 
dung:  Wir  mussen  der  Spaltung  entgegenwirken,  unter  den  Kollegen 
muB  wieder  Ruhe  herrschen,  wir  diirfen  die  altgedienten  Funktionare 
nicht  vor  den  Kopf  stoBen  usw. 


46  - 


Jahresplan '77 

Kindermedien  (End*  turn  1977) 


Padagogen,  Medienfachleute,  Kunstler  berichten  uber  Aktualitat 
von  Kindermedien  -  Geschichte  der  Kindermedien  als  Teil  der 
Sozialisationsgeschichte  -  Verstummelte  Volksliteratur  -  Kinder- 
0%mmr  theater  -  Ausschneidebogen  -  Spielmate- 

^Lm  rialien  -  Kaufhausbucher  -  Medienverbund  im 

Kleinen:    Wundertuten    und    Uberraschungseier   - 
inke  Kindermedien 


Personenfotografie  -  Volksfoto 

Sozial-  und  Technikgeschichte 

Fotodidaktik  -  DOR 

Politisches  Fotografieren  -  Fotoreportagen 


Ausbildung 


Lernen  im  Betrieb  -  Zerstorung  von  Lern- 
prozessen:  Schule,  Hochschule 
Hochschuldidaktik  als  Ausweg? 


Asthetische  Praxis/  ^jf\ 
Alltagsverhalten       WW 

Krisenasthetik  -  Staatliche 
initiativen  -  Mai-  und 
Bastelkultur:  Rettung 
der  Sinnlichkeit? 


Eine  Neuwahl  fand  bisher  nicht  statt,  denn  alle  Informationen  deuten 
darauf  hin,  daB  die  meisten  Kollegen  aus  dem  abgesetzten  Vertrauens- 
leutekbrper  lediglich  neu  bestatigt  wiirden. 

I  In  einem  Krankenhaus  der  Stadt  haben  si ch  aus  dem  Oberkurs  der 
Pflegeschule  27  Kollegen  wegen  einer  Weiterbeschaftigung  beworben. 
6  Kollegen  wurden  abgewiesen,  angeblich  waren  keine  Planstellen  frei. 
Aber  welch  ein  Zuf al  1  ,  unter  den  6  abgelehnten  Kollegen  waren  3  akti- 
ve  Gewerkschafter  und  Vertrauensleute.   Naturlich  wird  nicht  offiziell 
gesagt,  daB  die  Ablehnung  aufgrund  von  OTV-Aktivitaten  erfolgt.   Die 
schulischen  Leistungen  waren  es  auch  nicht,  nein,  als  Begrlindung 
muBte  ein  "gestbrtes  Verhaltnis"  zwischen  Pflegeleitung  und  Schlilern 
herhalten.   In  einem  Fall   wurde  sogar  zugegeben,  daB  eine  Einstellung 
nicht  einmal   dann  erfolgen  wlirde,  wenn  eine  Planstelle  frei  werden 
wlirde. 

Die  OTV  sah  sich  offiziell   nicht  in  der  Lage,  die  betroffenen  Kolle- 
gen zu  unterstlitzen.   Die  ganze  Sache  sei  1.  noch  ein  "schwebendes 
Verfahren"  und  darait  Angel egenheit  des  Personal  rates,  der  sich  auch 
fur  die  Kollegen  stark  gemacht  hat  und  2.   sei   die  Nichteinstell ung 
wegen  gewerkschaftlicher  Aktivitaten  nur  eine  Vermutung  und  z.Zt. 
nicht  beweisbar.  Die  Diskussion  auf  der  Vertrauensleuteversammlung, 
ob  man  nicht  sofort  an  die  Offentlichkei t  gehen  sollte,  wurde  nit 
dem  Hinweis  abgeblockt,  so  etwas  wiirde  den  Kollegen  nur  schaden  und 
dann  bekamen  sie  auch  bei  anderen  Anstellungstragern  keinen  Job. 

Beide  Beispiele  machen  die  Grenzen  von  Vertrauensleutearbeit  deut- 
1 ich  und  bestatigen,  daB  Vertrauensleute  nicht  nur  Schwierigkeiten 
mit  dem  Arbeitgeber  bekommen,  sondern  auch  mit  der  OTV,  wenn  sie 
konsequent  die  Interessen  der  Kollegen  aufgreifen  und  vertreten. 
Wenn  man  sich  aber  in  der  tagl ichen  Auseinandersetzung  nicht  der 
vollen  Unterstlitzung  der  OTV  sicher  sein  kann,  schrankt  das  die  Mbg- 
lichkeiten  ftir  Vertrauensleute  erheblich  ein. 
Inwieweit  Vertrauensleute  lediglich  der  verlangerte  Arm  des  OTV - 
Apparates  sind,  hangt  nicht  zuletzt  von  ihnen  selbst  ab.   Blinde  po- 
litische  Aktionen,  auch  wenn  sie  kurzfristig  noch  so  bffentlichkeits- 
wirksam  sind,  nlitzen  weder  den  Kollegen  noch  den  Vertrauensleuten. 
Wichtiger  ist  es,   in  taglicher  Kleinarbeit  die  Kollegen  liber  konkre- 
te  Erfahrungen  zu  mobilisieren  und  ihnen  den  Rlicken  zu  starken,   ihre 
Probleme  aufzugreifen  und  mit  den  Kollegen  gemeinsame  Strategien 
und  GegenmaBnahmen    zu  diskutieren  und  durchzufuhren. 


ANSATZE  FDR  EINE 
GEWERKSCHAFTSARBEIT  IN  DER  OTV 


EXTRABLATT 

ZUM 
l.MAI 


**** 


Mitglieder  der  Arbeitskreise  Betrieb  &  Gewerkschaft  aus  Frankfurt.Heidelberg 

und  Stuttgart  bereiten  ein  Extrablatt  zum  l.Mai  vor  (express/plakat). 

Es  wird  4  Seiten(express-Format)  umfassen  und  folgende  Themen  ansprechen: 

l.Mai  1977  /  Frauen  /  Jugendarbeit  /  Tugendarbeitslosigkcit  /Lohnabbau/ 

Soziale  Demontage  /  Widerstand  gegen  Atomkraftwerke  /  Repression  in  den 

Gewerkschaften/  Alltagliche  Unterdriickung  im  Betrieb  u.a. 

Preis:  lo  Stk.  DM  2,  -  /  2o  Stk.  DM  3-  /  5o  Stk.  DM  5  -  /  looo  Stk.  DM  4o  ,- 

Auslieferung  ab  18.4.  /  Bestellungen  sofort  und  bei  Vorauszahlung  in  Bnefmarken, 

Scheck  oder  Bargeld. 

VERLAG    2ooo  GmbH,  POSTFACH  59 1 .  6o5  OFFENBACH  4 


Gegen  die  Krise  im  bffentlichen  Dienst,  die  als  notwendige  Folgeer- 
scheinung  der  wirtschaftl  ichen  Krise  auftritt  und  sich  durch  Ratio- 
nal isierungs-  und  DisziplinierungsmaBnahmen,  Privatisierungstenden- 
zen,  splirbare  Knappheit  finanzieller  Mittel,  Streichung  und  Nicht- 
besetzung  von  Planstellen  und  Entlassungen  auBert,   hat  die  OTV  als 
Organisation  staatlicher  Lohnarbeiter  bisher  wenig     unternommen. 

Bei  der  zunehmenden  Arbeitslosigkei t  in  den  sozialpadagogischen  Be- 
rufen  ist  es  notwendig: 

1.  standig  iiber  die  neuesten  Zahl  en  arbeitsloser  Sozialarbeiter,  So- 
zialpa'dagogen,   Erzieherinnen,   Kinderpflegerinnen  und  ahnlicher  Beru- 
fe  informiert  zu  sein.   Das  gleiche  gilt  flir  das  Angebot  an  offenen 
Stellen.   Hier  sollten  die  Arbeitnehmervertreter  beim  Landesarbeits- 
amt  Druck  ausiiben,  damit  wir  diese  Zahlen  bekommen. 

2.  Das  Sozialministerium  muB  aufgefordert  werden,  eine  Obersicht 
liber  das  derzeitige  und  zuklinftige  Angebot  an  Stellen  der  sozialen 
Berufe  zu  liefern. 

3.  Es  muB  ein  Forderungskatalog  erarbeitet  werden  zur  Schaffung 
neuer  Arbeitsplatze. 

4.  Die  Arbeitsvertragspraxis  der  Arbeitgeber  muB  liberwacht  werden, 
inwieweit  sie  die  gegenwartige  Notlage  zu  ungunsten  der  Arbeitneh- 
mer  ausnutzen.   Desweiteren  mussen  RepressionsmaBnahmen  der  Arbeit- 
geber gegenuber  gewerkschaftlich  aktiven  Sozialarbeitern  bffentlich 
gemacht  und  bekampft  werden. 

5.  Arbeitslosen  Kollegen  der  Fachgruppen  ist  konkret  zu  helfen.   Die 
Kreisverwal tungen  der  OTV  stehen  hier  in  der  Verantwortung,  alle 
Mbglichkeiten  zu  nutzen,  daB  die  Kollegen  aus  dem  gewerkschaftl ichen 
Rahmen  nicht  herausfallen.    . 

Eine  Schwierigkeit  bei  der  Umsetzung  dieser  Forderungen  ist  sicher- 
lich  die  gering  entwickelte  Einsicht  vieler  OTV-Mitgl  ieder  in  die 
Mbglichkeiten  und  Notwendigkeit  des  gewerkschaftl ichen  Kampfes,  der 
liber  den  all ja'hrl ichen  Lohnkampf  hinaus  urn  Verbesserung  und  Erhalt 
der  Arbeitsplatze  und  Arbeitsbedingungen  gehen  muB.   Dieses  Selbst- 
verstandnis,  welches  viele  OTV-Mitgl ieder  von  ihrer  Organisation 
haben,  wird  naturlich  durch  die  offizielle-sozialpartnerschaftliche 
-  Politik  der  OTV  noch  unterstlitzt:    Zuvor  muB  nach  Kluncker 
"die  OTV  die  Interessen  ihrer  Mitglieder  vertreten,  aber  sie  darf 
auch  ihre  Verpflichtungen  gegenuber  dem  allgemeinen  Interesse  am 
Fortschritt,  die  in  einem  weiteren  Sinn  ja  auch  die  Interessen  ihrer 
Mitglieder  sind,   nicht  darUber  aus  den  Augen  verlieren." 
Was  hier  mit  "al Igemeinem  Interesse  am  Fortschritt"  bezeichnet  wird, 
ist  aber  nicht  imraer  -  auch  im  weiteren  Sinn  nicht  -  Interesse  der 
Lohnarbeiter.  Denn  technologist  Fortschritt  geht  gerade  zur  Zeit 
einher  mit  der  Wegrationalisierung  von  Arbeitsplatzen  und  Stenge- 

-  49  - 


^ 


rung  der  Arbeitsproduktivitat.   Das  gilt  nicht  nur  fiir  die  Industrie, 
sondern  auch  fur  die  Aufgabenbereiche  des  Staates. 

Es  ist  daher  wichtig,  die  Initiativen  gegen  die  Rationalisierungen   - 
auch  aus  anderen  Bereichen  -  zu  unterstiitzen;  z.B.  Aktionen  gegen 
die  Einrichtung  eines  zentralen  Schreibdienstes  in  GroBraumbiiros 
f'uhren   (siehe  Vertrauensl  eutearbeit  in  Bielefeld).  Urn  eine  Gegen- 
strategie  entwickeln  zu  konnen,  mlissen  Untersuchungen  liber  die  ge- 
genwartigen  Einsparungstendenzen  und  Praktiken  1m  sozialpadagogi- 
schen  Bereich  durchgefuhrt  werden    (Haushal tsplane,  Personal planung, 
Einsparungsrichtlinien). 

Es  mu'Bte  eine  Handreichung  von  moglichen  GegenmaBnahmen  fiir  die 
Personal  rate  und  Vertrauensl eute  erarbeitet  werden. 

Der  biirgerliche  Staat  verbreitet  iiber  sich  die  Illusion,  eine  neu- 
trale  Institution  zu  sein,  die  Dienstleistungen  fiir  alle  Burger  er- 
bringt.  Und  dieses  BewuBtsein  findet  sich  wieder  bei   vielen  staatli- 
chen  Lohnarbeitern,  die  ihre  Tatigkeit  als  etwas  neutrales,  dem  All  - 
gemeinwohl    dienliches  auffassen.    Dieses  BewuBtsein  verhindert  bzw. 
verschiebt  oft  ein  Erkennen  der  eigenen  Interessenlage     als  lohnab- 
hangig     Beschaftigter  und  ein  Durchsetzen  der  Interessen  durch  die 
Gewerkschaft.    In  der  taglichen  Betriebsarbeit  und  der  Schulungsar- 
beit  sollte  hier  angekniipft  werden,  um  die  Illusion  vom  neutral  en 
Sozial staat  und  dem  angeblich  dem  All gemeinwohl   dienenden  Charakter 
der  eigenen  Tatigkeit  aufzuheben.   Wichtig  ist  hierbei   die  unter- 
schiedliche  BewuBtseinslage  der  Arbeiter,  Angestellten  und  Beamten 
mit  einzubeziehen.   Wa'hrend  fiir  Arbeiter  die  Verpfli  chtung  auf  das 
Allgemeinwohl   durch  ihre  konrete  Tatigkeit  am  wenigsten  Bedeutung 
hat,   ist  diese  bei   den  Beamten  besonders  stark  ausgepragt  und  wird 
noch  verstarkt  durch  Treuepflicht  und  fehlendes  Streikrecht.   Daher" 
ist  eine  wichtige  Aufgabe  der  Gewerkschaftsbewegung,  auch  den  Beam- 
ten  ihr  objektives  Abhangigkeitsverhaltnis  aufzuzeigen  und  sie  in 
die  Solidaritat  aller  abhangig  Beschaftigten  einzubeziehen.  Dazu 
gehb'rt  auch  der  Kampf  um  ein  einheitliches  Dienstrecht,  das  den  Ar- 
beitskampf  fur  alle  Personengruppen  ermbglicht. 

Die  Tatsache,  daB  Sozial arbeit  hauptsachlich  institutionelle  Arbeit 
ist,  spricht  fur  die  Notwendigkeit,  die  gewerkschaftliche  Organisa- 
tion zu  einem  Vertretungsorgan  unserer  materiellen,   sozial en  und  po- 
litischen  Interessen  zu  machen.  Schwerpunkte  konnen  die  Vertrauens- 
leutearbeit,  die  Betriebsgruppenarbeit  und  die  Fachgruppenarbeit 
sein.   Daraus  ergeben  sich  u.a.   folgende  Arbei tsschwerpunkte: 

1.  Wir  sollten  iiber  den  ganzen  (Complex  Arbeitslosigkeit ,  SparmaBnah- 
men  und  die  Auswirkungen  dieser  Situation  auf  die  Arbeitnehmer  im 
sozialen  Bereich  und  die  Bevblkerung  Material   sammeln  und  eine     Do- 
kumentation  herausgeben. 

2.  Wir  miissen  uns  ganz  dringend  mit  der  Berufsausbildung  der  sozial- 
padagogischen  Berufe  befassen.   Es  miissen  Gesprache  mit  den  Fachhoch- 
schulen  und  anderen  Ausbildungsstatten  gefiihrt  werden,  mit  dem  Ziel, 
eine  Gemeinsamkeit  herauszubilden   (z.B.   durch  gemeinsame  Veranstal- 
tungen  der  FHS,  der  DTV  und  des  AKS). 

Wir  miissen  auBerdem  darauf  drangen,  daB  in  den  Fachhochschulen  und 
Fachschulen  mehr  lehrende  Sozialarbeiter  beschaftigt  werden. 


5o 


NEU! 


ZEITSCHRIFT  ZUR  KRITIK 
BURGERLICHER  PSYCHOLQGIE 

1977 -1.JAHRGANG- HEFT  1 


„Psychologie  und  Gesellschaft" 

ist  eine  Zeitschrift  gesellschaftskriti- 
scher  Psychologen  und  Sozialwissen- 
schaftler,  die  es  sich  zur  Aufgabe 
macht,  biirgerliche  Psychologie  in 
Theorie  und  Praxis  zu  kritisieren  und 
Alternativen  zu  nennen,  die  aus  dieser 
Kritik  hervorgehen. 

Sie  richtet  sich  an  Psychologen  inner- 
halb  und  auBerhalb  der  Hochschule, 
an  Studenten,  Lehrer,  Sozial-  sowie 
Erziehungswissenschaftler. 

Ich  bestelle  ein  Jahresabonnement 
„Psyc!iologie  und  Gesellschaft" 
zum  Preis  von  16,-  DM  plus  Porto. 

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StraSe 

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An   den 

MAULWURF-VERTRIEB 
WaldemarstraBe   24    1000  Berlin  36 
PROLIT-VERTRIEB 
DammstraBe  11  6300    GieBen 
Bestellungen  aus  den  Postleitbereichen 
1,  2  und  8  bitte  an  den  Maulwurf-Ver- 
frieb.  Die  ubrigen  an  Prolit 

Nicht   Zutreffendes   streichen. 


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3.  Wir  sollten  uns  verstarkt  der  Tarifpolitik  zuwenden  und  an  der 
Basis  Liber  die  Eingruppierung  der  Sozialarbeiter  und  Erzieher  disku- 
tieren. 

4.  FLir  den  Vorschul-  und  Kindergartenbereich  sind,  soweit  noch  nicht 
vorhanden,  Arbeitsgruppen  der  Erzieher  einzurichten. 


Weiterhin  ist  wichtig: 

•  Kontakte  zu  Kollegen  aufzunehmen  und  mbglichst  viele  in  den  Dis- 
kussionsprozeB  Liber  spezielle  Arbeitsplatzprobleme  eirbeziehen; 

t  die  eigenen  Interessen  und  BedLirfnisse  akti v  zu  vertreten  und 
keine  unnbtigen  Ruckzugsgefechte  machen; 

•  neue  politische  Inhalte  in  die  Diskussion  einzubringen; 

I  Sensibilisierung  der  Kollegen  fur  arbeitspolitische  Fragen  und  ge- 
sellschaftspolitische  HintergrLinde  berufsspezifischer  Probleme; 

•  VergrbBerung  des  aktiven  Mitgliederpotential  s  durch  Motivierung 
und  Aktivierung  passiver  Kollegen; 

•  kontinuierliche  Schulungs-  und  Bildungsarbeit,  die  an  den  Interes- 
sen der  Arbeiter,  Angestellten  und  Beamten  ankn'u'pft; 

I  Mobil isierung  gegen  Repression  und  Disziplinierung; 

I  Tendenzen,  die  zur  Angst  und  Anpassung  fiihren,  aufzufangen; 

•  Bereichsubergreifende  Interessen  (Rational  isierung,  §§  88a'  und 
218  usw.)  aufzugreifen  und  Libergreifende  GegenmaBnahmen  zu.  orga- 
nisieren; 

•  den  Kommunikationszusammenhang  und  den  InformationsfluB  durch  Be- 
triebszeitungen  und  Abteilungsinfos  zu  verbessern  (vor  allem  auch 
bereichsubergreifend) ; 

•  Kenntnisse  Liber  die  Wahlzeiten  und  das  -verfahren  der  Vertrauens- 
leute  und  der  Abteilungsvorstande  zu  verschaffen,   urn  Zusammenar- 
beit  und  Einflu&nahme  auf  die  Kollegen,  die  unsere  Interessen  ver- 
treten soil  en,   zu  garantieren.     -jlf- 


Wir  wehrten  una  nicht,  wir  sehwiegen 


Erhard  Wedekind,  Koln 

GEWERKSCHAFTSARBEIT  UND  POLITISCHE 
ORGANISIERUNG  VON  SOZIALARBEITERN 


ZUM  VERHALTNIS  VON  OKONOMISCHER  INTERESSENVERTRETUNG, 
PADAGOGISCHEN  ZIELEN  UND  POLITISCHEM  SELBSTVERSTANDNIS 


DER  HINTERGRUND  DER  GEWERKSCIIAFTSDISKUSSION  IM  ARBEITSFELD 

Die  nachstehenden  Gedankengange  sind  als  AnstoB  zu  verstehen,  die 
mit  Recht  starker  ins  Blickfeld  geriickte  Diskussion  Liber  den  Stel- 
lenwert  von  Gewerkschaftsarbeit  in  den  komplexen  Zusammenhang  der 
Auseinandersetzung  um  die  Entwicklung  einer  sozialistischen  Strate- 
gic im  Arbeitsfeld  Sozialarbeit  zu  stellen.    Dies  ist  notwendig,  um 
nicht  nach  den  mittlerweile  begriffenen  Erfahrungen  mit  Einseitig- 
keiten  und  illusionaren  Einschatzungen  der  Vergangenhei t  wombglich 
neue,  nunmehr  okonomistische  Sackgassen  zu  schaffen. 

Im  Info  Sozialarbeit  Nr.    13  (Redaktionskollektiv:   Repression  und 
politische  Arbeit  im  Sozialbereich  -   Zur  Strategie  im  Arbeitsfeld 
Sozialarbeit)   haben  wir  selbstkri tisch  versucht,   einige  "blinde 
Flecken"  in  unserer  Arbeit  aufzudecken,  die  sich  im  Zuge  der  Reformr 
euphone  vergangener  Jahre  eingeschl  ichen  hatten  und  angesichts  zu- 
nehmender  Repression  und  politischer  Disziplinierung  in  ihren  proble- 
matischen  Folgen  Liberdeutl  ich  geworden  sind. 
Stichworte  dieser  Selbstkritik  waren  u.a.: 

-  die  unvermittelte  und  kurzschlussige  Sol  idarisierung  mit  den  Be- 
troffenen; 

-  der  Liberproportionale  Stellenwert,   der  Alternativmodellen  einge- 
raumt  wurde; 

-  die  weitgehende  Ausblendung  der  eigenen  Lohnabha'ngigkei t  und  der 
damit  verbundenen  widersprLichl ichen  Definition  der  Berufspraxis; 

-  die  mangelnde  Verbindung  zwischen  Projekten  und  den  Kollegen  in  den 
Amtern  und  Institutionen,  welche  tendenziell    vernachlassigt  wurden. 


Als  eine  Konsequenz  aus  der 
lohnabhangigen  Situation  als 
kere  Auseinandersetzung  mit 
sierung  auf.  Zugleich  gibt  d 
plexen  Rahmen  an,   in  den  die 
Sozialarbeitern  eingebettet 
mitteln  mit  den  Bemuhungen, 
Kriterien  fur  eine  fortschri 
hat  sich  andererseits   in  den 
mit  den  Genossen  aus  anderen 
meinsame  Strategie  von  Sozia 
frage  entwickeln  zu  helfen. 


mangelhaften  Beriicksichtigung  unserer 

Sozialarbeiter  drangte  sich  eine  star- 
Fragen  der  gewerkschaftl ichen  Organi- 
er  Strategieartikel   aber  auch  den  kom- 
Gewerkschaftsarbeit  von  sozialistischen 
sein  sollte.    Sie  ist  einerseits  zu  ver- 
im  Arbeitsfeld  politisch-padagogische 
ttliche  Berufspraxis     zu  entwickeln  und 
Kontext   Libergreifender  Organi  sierung 
Arbei tsfeldern  zu  stellen,  um  eine  ge- 
listen  in  bezug  auf  die  Gewerkschafts- 


-   53 


Ich  will  mich  vorrangig  mit  der  Nahtstelle  zwischen  bkonomischer 
Interessenvertretung  und  politisch-padagogischen  inhaltlichen  Zie- 
len  beschaftigen,  weil   diese  Frage  fur  das  politische  Selbstver- 
standnis  des  Arbeitsfeldes  und  zur  Abklarung  des  Vernal  tnisses  von 
DTV-Arbeit  und  AKS-Organisierung  zentral   ist. 

Wie  wichtig  diese  Vermittlungsproblematik  ist,  zeigen  bestimmte  Er- 
fahrungen  der  letzten  Jahre.   Nach  der  Randgruppenkonferenz  wurde  das 
strategische  Verstandnis  von  Randgruppen  als  potentieller  gesell- 
schaftlicher  Avantgarde  innerhalb  einer  amorphen  Arbeiterklasse  ad 
acta  gelegt.  Quasi  als  Oberreaktion  wurde  nun  von  einigen  Gruppen  vor- 
rangig die  Formbestimmung  der  Ta'tigkeit  von  Sozialarbeitern  und  Er- 
ziehern  als  Lohnarbeit  herausgestrichen.  Gleichzeitig  drohte  der  be- 
sondere  Arbei tsgegenstand,  namlich  Sozialisationsarbeit  in  der  Arbei- 
terklasse zu  leisten,  tendenziell   aus  dem  Auge  verloren  zu  werden. 

Mit  der  korrespondierenden  theoretischen  Einscha'tzung  von  Sozialar- 
beit,  die  eindimensional  als  objektiv  nur  kontrollierend,  integra- 
tionistisch  und  repressiv  eingeschatzt  wurde,  gab  man  letztlich  die 
Mbglichkeit  fortschrittlicher  Berufspraxis  Liberhaupt  auf.  Dem  fru- 
strierten  Sozialarbeiter  blieb  so  gesehen  nichts  anderes  u'brig,   als 
sich  nach  Feierabend  in  der  jeweiligen  Partei   zu  organisieren.   Die 
von  der  Organisation  verordnete  General linie  fu'r  die  Gewerkschafts- 
arbeit  setzte  dann  weniger  an  den  konkreten  Arbei tsplatzbedingungen 
der  Erzieher  und  Sozialarbeiter  an,  als  vielmehr  bei  den  vermeint- 
lichen  Grundfragen  der  allgemeinen  Klassenauseinandersetzungen. 

Dem  gegenuber  unterstreicht  der  Arbei tsf el dansatz  des  SB  die  Not- 
wendigkeit  fur  die  sozialistische  Intelligenz  im  Reproduktionsbe- 
reich,  das  konkrete  Berufsfeld  zum  Ausgangspunkt  ihrer  politischen 
Arbeit  zu  machen  und  u'ber  eine  kritische  Auseinandersetzung  mit  den 
Inhalten  ihrer  Ta'tigkeit  einen  praktischen  Bezug  zu  den  Interessen 
und  Problemen  der  Arbeiterklasse  und  der  ubrigen  Lohnabha'ngigen  her- 
zustellen.   Dieser  Bezug  entspringt  dann  nicht  einem  aufgesetzten 
moral ischen  "Sich-Hinwenden"  zur  Arbeiterklasse,  sondern  der  eigenen 
erfahrungsbezogenen  sinnlichen  und  materiel  1  en  Betroffenheit  im  All - 
tag.    (Vgl.  Thesen  des  SB,  Feb.  75,  S.  68/69) 


GEWERKSCHAFTLICHE  FORDERUNGEN  UND  PADAGOGISCHE  INHALTE 

Dadurch,  daB  unser  objektiver  Arbei tsgegenstand  definiert  ist  als 
Herausbildung,  Pflege  und  Erhalt  der  Ware  Arbeitskraft,  ergibt  sich 
ein  besonderes  Verhaltnis  von  Formbestimmung  und  Inhalt  von  Sozial- 
arbeit.  Diese  Beziehung  weist  Unterschiede  zu  den  Bedingungen  im  Pro- 
duktions-  Oder  Verwaltungsbereich  auf,  wo  sich  der  soziale  Bezug  erst 
durch  die  notwendige  (Cooperation  der  Produzenten  im  Umgang  mit  der 
Sache,  mit  der  Herstellung  und  Verteilung  von  War en,  ergibt  und  nicht 
als  solcher  primarer  Bestandteil  der  Ta'tigkeit  ist. 
Konkret:  Jnbestritten  ist  der  vor  allem  durch  intensive  Gewerkschafts- 
arbeit  abzudeckende  Stellenwert  der  Arbei tsbedingungen  als  Lohner- 
zieher  -  Bezahlung,  Dienstplan,  Stellenplan,  Nachtdienst,  Oberstun- 
den,  hierarchische  Einstufungen  etc.  -•  All erdings  ergibt  sich  beim 
Ineinandergreifen  des  Formaspektes  mit  dem  Inhalt  von  Sozialarbeit 
eine  besondere  Brisanz,  die  anhand  von  zwei  Bei  spiel  en  aus  einem 
Jugendheim  erlautert  werden  soil. 

--  54  - 


1.  Die  Einflihrung  der  40  Stunden-Woche  auch  im  Bereich  der  Heimer- 
ziehung  hat  zu  einer  Steigerung  der  Erzieherzahl  pro  Gruppe  gefuhrt, 
die  aufgrund  der  damit  verbundenen  sta'rkeren  Arbeitsteilung  Proble- 
me  fur  Kinder/Jugendliche  und  Mitarbeiter  schafft  und  mit  den  pa'da- 
gogischen  Notwendigkeiten  kollidiert.  Bei  vier  bis  f'u'nf  Erziehern 
ist  eine  optimal e  Absprache  kaum  noch  gewahrleistet,  der  ha'ufige 
Wechsel  der  Bezugspersonen  ist  fiir  die  Kinder  und  Jugendlichen  mit 
negativen  psychischen  Folgen  verbunden.  Im  Heim  hat  sich  die  Mitar- 
beiterzahl  seit  1969  verdoppelt,  was  dem  angestrebten  "sozialthera- 
peutischem  Lebensfeld"  nicht  gerade  fbrderlich  ist.  Bleibt  man  bei 
drei  Erziehern,  ist  die  Realisierung  der  40  Stunden-Woche  kaum  mbg- 
lich.  Alternative  Formen  von  Urlaubs-  und  Freizeitregelungen,  die 
den  spezifischen  Bedurfnissen  von  Heimerziehern  angemessen  waren, 
sind  bisher  nicht  konzipiert  worden  und  wlirden  den  herkbmmlichen 
Rahmen  des  bffentlichen  Dienstes  wohl  auch  sprengen  mussen.  Der  lan- 
gerfristige  allgemeine  Trend  zu  einer  weiteren  Arbeitszeitverkurzung 
wiirde  den  eingebauten  Konflikt  mit  den  Bedurfnissen  der  Kinder  und 
Jugendlichen  in  Heimen  verscharfen  bzw.  zu  einer  ansatzweisen  Unrea- 
lisierbarkeit  von  stationarer  (Lohn-)  Erziehung  flihren.  (Vergl . 
Stellungnahme  der  International  en  Gesellschaft  fur  Heimerziehung  zur 
Arbeitszeitregelung  in  Heimen,  in:  Materialien  zur  Heimerziehung, 
3/76) 

2.  Bei  der  Diskussion  von  Mbglichkei ten,  die  fur  Heime  typische 
totale  Versorgungssituation  aufzubrechen,  wurden  Vorschlage  entwik- 
kelt,  die  darauf  abzielten,  daB  die  Jugendlichen  und  Sozialarbeiter 
die  Sauberung  und  Instandhaltung  der  Gruppenhauser  sowie  die  Essens- 
versorgung  und  das  Kochen  mehr  in  eigener  Regie  erledigen,  urn  Selb- 
standigkeit  und  Eigenverantwortung  der  Jugendlichen  und  den  Gruppen- 
zusammenhalt  zu  starken.  Den  in  der  DTV  organisierten  Kollegen  hat 
aber  eine  mbgliche  Konsequenz  solcher  Plane  schnell  Kopfschmerzen 
bereitet,  namlich  die  dann  eintretenden  Stellenstreichungen  im  haus- 
wirtschaftlichen  Bereich.  Betroffene:  vor  allem  Frauen  mittleren 
Alters,  die  derzeit  mit  langerer  Arbeitslosigkei t  zu  rechnen  ha'tten. 

DIE  BESONDERE  ORIENTIERUNGSPROBLEMATIK  LINKER  LOHNERZIEHER 

Ich  will  nicht  weiter  auf  die  durch  diese  Beispiele  beruhrten  Ein- 
zelfragen  eingehen.  Deutlich  werden  sollte,  daB  einmal  die  materiel- 
len  Interessen  der  Sozialarbeiter  unter  dem  Aspekt  ihres  "Lohnerzie- 
herdaseins"  mit  den  Bedurfnissen  der  Jugendlichen  kollidieren  kbnnen 
und  daB  zum  anderen  eine  Gegensatzl ichkeit  von  inhal tlich-padagogi- 
schen  Konzepten  und  gewerkschaftlichen  Gesichtspunkten  denkbar  ist. 
Unsere  Schwierigkeit  dabei  ist,  daB  unsere  Existenz,  Erfahrung  und 
subjektives  Selbstverstandnis  durch  alle  angesprochenen  Momente  zu- 
sammen  definiert  ist:  durch  unser  materielles  Interesse  an  adaqua- 
ten  Arbeitszeiten  und  Reproduktionsmbglichkeiten,  durch  unser  Be- 
ziehungsinteresse  an  den  Jugendlichen  und  deren  Entwicklung,  durch 
unsere  Solidarita't  mit  anderen  Kollegen,  gerade  auch  aus  dem  soge- 
nannten  "Lohnempfa'ngerbereich".  Anders  ausgedruckt:  der  fur  die  Pro- 
duktionsweise  der  burgerlichen  Gesellschaft  grundlegende  Widerspruch 
von  Arbei ts-  und  VerwertungsprozeB,  von  Bedurfnisorientierung  und 
Funktionalisierung  fur  die  Mehrwertproduktion,  weist  im  Sozial-  und 
Erziehungsbereich  eine  besondere  Verstrickung  auf,  die  sich  fur  die 


55 


"Lohnerzieher"  immens  belastend  auswirkt.   Die  ansonsten  viel   leich- 
ter  entstehende  Taktik  der  Arbeiterklasse  bei  Auseinandersetzungen 
mit  dem  Kapital,   sich  radikal   auf  den  Verwertungszusammenhang  zu 
beziehen,  ich  meine  die  informelle  Sabotage,  die  der  objektiv  ge- 
setzten  Gleichgul tigkeit  gegenuber  dem  Arbeitsgegenstand  entspringt, 
kollidiert  bei   uns  mit  der  solidari schen  Betroffenheit,  die  sich 
aus  der  Beziehung  zu  unserem  Gegenstand  ergibt,  der  Sozialisation 
von  Kindern  und  Jugendlichen,  der  Betreuung  von  Familien  und  alten 
Menschen. 

Erst  zusammen  mit  dieser  unmittelbar  sinnlich-sozialen  Qualitat  hat 
die  bezahlte  Sozialisationsarbeit  immer  auch  die  Funktion,  dieses 
System  zu  erhalten  und  seine  "Sozialstaatlichkeit"  zu  legitimieren. 
"Hilfe"  ist  so  gleichzeitig  Gewalt.d.h.  ein  objektiv  durch  den  So- 
zialarbeiter gegenuber  dem  "Klienten"  wirksamer  Zwang,  die  kollek- 
tiven  Risiken,  die  der  Arbeiterklasse  aus  der  kapi  tali sti schen  Pro- 
duktionsweise  entstehen,  als  individuelle  Defizitprobleme  einer  ge- 
storten  Psyche  oder  einer  pathogenen  Familienkonstellation  zu  behan- 

D^ese  widersprlichliche  Verknupfung  der  bereits  in  sich  gebrochenen 
gebrauchswertbezogenen  Bestimmung  unserer  Tatigkeit  mit  ihrer  objek- 
tiven  Funktion  im  Verwertungszusammenhang  des  Kapitals,  ist  in  un- 
serem  Handeln  nur  unter  der  Bedingung  nach  jeweils  einer  Seite  hin 
aufzulbsen,  daB  zerstbrerische  Konsequenzen  flir  uns  oder  die  von 
Sozialarbeit  Betroffenen  in  Kauf  genommen  werden: 

•  Definieren  wir  uns  einseitig  Liber  unsere  Lohnerziehersituation, 

so  flihrt  dies  zur  Herausbildung  von  Gleichgul  tigkeit  und  Desinter- 
esse  gegenuber  den  "Klienten",  die  auch  hinter  noch  so  subtil  en 
wissenschaftlichen  Methoden  verschanzt,  durch  ihre  brutale  Distanz 
verheerende  Auswirkungen  auf  diejenigen  hat,  die  Unterdruckungs- 
zusammenhange  in  besonders  verdichteter  Form  am  eigenen  Leib  und 
an  ihrer  Seele  erfahren  haben. 

•  Folgen  wir  dagegen  nur  den  inhal  tl  ich-padagogischen  Anforderungen 
unserer  Tatigkeit  und  orientieren  uns  ausschlieBlich  an  den  Bedurf- 
nissen  der  Betroffenen,  kommen  wir  sehr  schnell   in  die  Gefahr,  cne 
objektiven  strukturellen  MiBstande  in  der  Sozialarbeit  durch  unser 
Oberengagement  ausbligeln  zu  wollen.   Friiher  nannte  man  diese  Hal- 
tung  caritativ.   Als  solche  kann  man  sie  schnell  zurlickweisen. 

Aber  gerade  uns  als  linke  Sozialarbeiter  verbindet  eine  ganz  spezi- 
fische  Nahe  zu  den'  "Klienten",  die  fur  uns  Teile  der  Klasse  sind, 
die  nach  wie  vor  perspektivisch  "flir  die  dringendsten  Schwierigkei- 
ten,  in  denen  die  menschliche  Gesellschaft  steckt,  die  breitesten 
Lbsungen  bereithalt" .    (Brecht) 

Dieser  Aspekt  der  Lohnerziehertatigkeit  hat  nicht  den  gleichen  Ub- 
jektivitatscharakter  wie  das  okonomische  Interesse  an  der  Reproduk- 
tion  der  eigenen  Arbeitskraft;  er  entspringt  einer  einbindenden 
Betroffenheit,  die  sich  Liber  die  Interaktion  mit  den  "Klienten     ein- 
stellt.   Dieser  Betroffenheit  kbnnen  wir  uns  allerdings  nur  schwer- 
1 ich  entziehen. 

Die  Gefahr, vor  dem  Hintergrund  dieserNahe  an  den  all taglichen  Anfor- 
derungen kaputtzugehen,  ist  wirklich  keine  theoretische.    (woher  kame 

-  56  - 


sonst  die  Motivation,  in  Al ternativmodellen  und  auBerinstitutionel- 
len  Projekten  eine  scheinbare  Form  von  Widerspruchsfreiheit  zu  su- 
chen?)    Ich  habe  sehr  plastisch  einige  Beispiele  von  Genossen  und  Ge- 
nossinnen  vor  Augen,  die  aufgrund  von  Oberlastung  in  eine  absolute 
Distanzlosigkeit  gegenuber  ihrer  Arbeit  getrieben  wurden,  so  daB 
sie  auch  aus  i hren  pol  itisch-sozialen  Zusammenhangen  al Imahl ich  her- 
auszufallen  drohten.   In  dieser  zugespitzten  Form  tritt  die  Problema- 
tik  nicht  in  alien  Bereichen  der  Sozialarbeit  auf:   in  uberwiegend 
sozialpadagogischen  Feldern,  wo  Beratung,  Erziehung  und  Behandlung 
im  Vordergrund  stehen  (Heime,  Beratungsstellen,  Psychiatrie,  offene 
Jugendarbeit  etc.)  wird  sie  weitaus  starker  wirksam  als  bei  eher 
administrativen  Aufgaben. 


POLITISCH-PADAGOGISCHE  RADIKALITAT  UND  BERUFLICHER  ALLTAG 

In  der  Praxis  stellt  sich  der  Umgang  mit  dieser  aufgendtigten  wider- 
sprLichlichkeit  als  ein  immer  wieder  neu  zu  vol  lziehender  Balanceakt 
zwischen  eindeutiger  Sol idarisierung  in  der  konkreten  Beziehung  und 
reflexiver  Distanz  gegenuber  den  Strukturen  dar.   Wir  stehen  vor  dem 
Probl em: 

1.  Gegenuber  der  klassisch  verwaltenden  und  autoritaren  Form  von 
Sozialarbeit  als  kontrol lierender  Massenabfertigung  aber  auch  gegen- 
uber der  reformi sti schen  Variante,  dem  klinisch  professionellen  Zu- 
gang  zum  Klienten,  der  letztlich  an  dem  Subjekt  -  Objekt  Verhaltnis 
zwischen  Sozialarbeiter  und  Betroffenen  nur  weitaus  subtiler  fest- 
hailt.  Gegenuber  diesen  zwei   Seiten  der  gleichen  "kalten  Distanz", 
ist  an  einer  unmittelbaren  solidarischen  Form  von  Zwischenmenschlich- 
keit  festzuhalten. 

2.  Gleichzeitig  m'ussen  wir  darauf  achten,  daB  wir  uns  nicht  indivi- 
dualisierend  im  Gegenuber  verlieren.   Vielmehr  gilt  es,  den  Jugendli- 
chen, den  alten  Menschen,  die  Familie  etc.  jeweils  vor  dem  Hinter- 
grund ihrer  Lebensverhal tnisse  und  ihrer  Klassenlage  zu  sehen.    Das 
muB  z.B.   auch  fiir  uns  heiBen,   sich  nicht  nur  auf  ein  Heim  (namlich 
das,   in  dem  man  arbeitet)  zu  konzentrieren,  sondern  sich  mit  dem  Be- 
reich  der  Heimerziehung   insgesamt  auseinanderzusetzen  und  an  der 
Veranderung  der  Strukturen  zu  arbeiten.   Das  bedeutet  weiterhin,  daB 
wir  unser  Gegenuber  auch  nicht  liber  die  uns  objektiv  zugewiesene 
Funktion  der  Anpassung,   Integration  und  Kontrolle  im  Unklaren  lassen 
dlirfen,   urn  nicht  falsche  Illusionen  zu  nahren,  die  autonomes  Handeln 
der  Betroffenen  eher  unmoglich  machen  als  anregen. 

Diese  Balance  zu  finden  ist  auBerordentlich  schwierig  und  al  1  ein 
wohl   kaum  zu  schaffen.   In  dem  einen  Fall   ist  vielleicht  ein  Arbeits- 
einsatz  auch  Liber  die  bezahlte  40  Stunden-Woche  hinaus  angezeigt, 
wenn  dadurch  autonome  Entwicklungsprozesse  von  Jugendlichen  hin  zu 


57  - 


Fur  Sozialisten  im  Sozialbereich  berlihrt  dieser  skizzierte  Zusammen- 
hang  nachhaltig  die  Problematik  ihrer  Identitat.  Wir  kbnnen  sie  fur 
uns  nur  in  den  Griff  bekommen  liber  die  Perspektive  einer  umfassenden 
sozial revolutionaren  Veranderung  dieser  Gesellschaft,  in  der  unsere 
"Klienten"  nicht  raehr  als  verwaltete  Objekte,  sondern  als  handelnde 
Subjekte  gemeinsam  ihre  Interessen  organisieren.  Das  hbrt  sich  viel- 
leicht  etwas  abstrakt  und  liberzogen  an.   Gemeint  ist  aber  die  bei 
uns  alien  mehr  Oder  weniger  verschUttete  Phantasie,  aus  der  alltag- 
lichen  Zwangsklemme  "zwischen  Beton  und  Angst"  einen  Weg  zu  Lebens- 
formen     zu  finden,  die  sich  an  wesentlichen,  sinnhaften  Ablaufen  von 
Zwischenmenschlichkeit  festmachen,   -  eine  Phantasie,  die  letztlich 
Linke  in  jeweils  gebrochener  Form  auch  mit  demjenigen  gemeinsam  ha- 
ben,  der  aussteigt,  nicht  mehr  mitmacht,  aber  nicht  mehr  oder  noch 
nicht  die  Kraft  zu  einer  kollektiven  Widerstandsform  hat. 

Dieses,  hinter  dan  ganzen  AusmaB  von  materiellem  und  psychischem 
Leiden  verborgene  Bedlirfnis  nach  unmittel barer  Assoziation  und  Selbst- 
verwaltung  aller  Lebensbereiche  relativiert  tendenziell   die  Kluft 
zwischen    uns  und  den  von  Sozialarbeit  Betroffenen.  Handlungsorien- 
tierend  kann  das  fur  uns  nur  heiBen,  daB  wir  immer  wieder  die  Bereit- 
schaft  aufbringen  mUssen,  aus  dem  kalkulierten  Lohnarbeiterrahmen 
auszubrechen.   Die  Perspektive  alternativer  Gesellschaftlichkeit  ist 
unmittelbar  erfahrbar  zu  machen.   In  den  strukturellen  ZusamiHenhangen 
dieser  Gesellschaft     zu  denken  und  das  eigene  existentielle  Bedlirf- 
nis nach  ihrer  Veranderung  in  die  Beziehung  zum  Gegenuber  hineinzu- 
nehmen,  verlangt  von  uns  gerade  nicht  permanente  polit-bkonomische 
Rundschlage  und  objektivistische  Belehrungen,  sondern  zunachst  ein 
hohes  MaB  an  Sensibilitat  fur  die  jeweils  ganz  konkrete  Verknupfung 
von  Klassen-  und  Lebensgeschichte  im  Gegenuber. 

In  der  alltaglichen  Arbeit, sich  urn  diese  sozialistische  Orientierung 
des  eigenen  Handelns  zu  bemuhen,  ist  ein  Unternehmen,  das  durchga'n- 
gig  durch  Konfl ikthaftigkeit  gekennzeichnet  ist.    Ich  meine  die  Unsi- 
cherheit  angesichts  der  Zwange  und  Einengungen  der  Arbeitsplatzbe- 
dingungen,  ob  man  den  eigenen  Ansprlichen  geniigt,  ob  man  sich  uber- 
fordert,  das  Erlebnis  der  Ohnmacht  angesichts  eines  iiberma'chtigen 
Apparates,  die  Erfahrung  der  "Diskrepanz"   (vergl .  Timm  Kunstreich, 
Sozialarbeit  ist  Lohnarbeit,  in:   Info  Sozialarbeit  Nr.  9),  die  immer 
wieder  auftaucht  zwischen  dem  Bezug  auf  die  gesellschaftlichen  Be- 
dingungen  und  dem  angestrebten  solidarischen  Verhalten  gegenuber  den 
Betroffenen,  das  laufend  erschwert  und  negativ  sanktioniert  wird. 


KONSEQUENZEN  FUR  DIE  ORGANISIERUNG 

Um  hier  nicht  zu  scheitern  und  in  Resignation  zu  verfallen,  ist  eine 
kontinuierliche  gegenseitige  Versicherung  in  einem  engen  kollektiven 
Rahmen  von  solidarischen  Genossen  nbtig,  die  von  den  gleichen  Schwie- 
rigkeiten  betroffen  sind.   Die  AKS-Gruppen  sind  nach  unserer  Erfah- 
rung ein  geeigneter  Ansatz,  um  sozialistische  Sozialarbeiter  kon- 
kret  an  der  Basis  des  Berufsfeldes  oder  Projektes  liber  die  Schwie- 
rigkeit  der  Vermittlung  von  Lohnerzieherdasein  und-  politisch-pa'da- 
gogischem  Anspruch  in  einen  Erfahrungszusammenhang  zu  bringen,  der 
fur  die  identitatsbezogene  Stabilisierung  existentiell   notwendig 
ist  und  die  Voraussetzungen  schafft  fur  die  handlungsbezogene  Ver- 


-  58  - 


arbeitung  von  Erfahrungen  =  Aktion. 

Im  Hinblick  auf  die  Entwicklung  einer  fortschri ttlichen  Berufspraxis 
stellt  sich  die  Aufgabe,  vorwartstreibende  Impulse,  die  die  Mbglich- 
keit  einer  sozialistischen  Gesellschaft  anreiBen,  in  das  Berufsfeld 
und  daruberhinaus  schwerpunktma'Big  in  Form  von  Offentlichkeitsarbeit 
und  Aktionen  im  lokalen  Rahmen  einzubringen.  Gleichzeitig  ist  gegen- 
uber der  real  en  Gefahr  der  Berufsbornierung  liber  den  Zusammenhang 
des  Sozialistischen  BLiros  die  Vermittlung  der  eigenen  Aktivitaten 
zu  Problemen  libergreifender  sozialistischer  Politik  zu  leisten,  etwa 
mit  Lehrern  und  Betriebsgenossen  gemeinsam  gegen  Fahrpreiserhbhun- 
gen  und  Zerstbrung  von  Stadtvierteln  vorzugehen.  Ich  meine,  daB  erst 
vor  dem  Hintergrund  dieser  Fundierung  in  den  politischen  Arbeitsfeld- 
zusammenhang  eine  effektive  Gewerkschaftsarbeit  von  Sozialisten  in 
der  OTV  gegeben  ist.  Denn  in  bezug  auf  die  OTV  gilt  zweierlei: 

1,  Bei  bkonomischen  Interessen  am  Arbeitsplatz,  wo  es  um  die  direkte 
Verbesserung  der  Arbeitsbedingungen  geht,  wo  Disziplinierungsversu- 
che  und  Vereinzelungsstrategien  des  Arbeitgebers  abgewehrt  werden 
miissen,  gibt  es  keine  Alternative  zur  Arbeit  in  OTV-Betriebsgruppen, 
Vertrauensleutegremien  und  evtl .  auch  im  Personal-/  bzw.  Betriebs- 
rat.  Hier  gilt  es,  eine  breite  Front  aller  Kollegen  herzustellen. 
Gerade  die  jungsten  Rational isierungsmaBnahmen,  die  mit  dem  dicken 
Hammer  massiver  Stellenklirzungen  einhergehen,  zeigen  die  Notwendig- 
keit  der  gemeinsamen  Interessenvertretung  aller  im  bffentlichen 
Dienst  Beschaftigten.  Allerdings  wird  nach  den  Erfahrungen  mit  der 
engen  personellen  Verflechtung  von  Sozial demokratie,  Staatsblirokra- 
tie  und  gewerkschaftlichem  Apparat  selbst  die  dkonomische  Interessen- 
vertretung durch  die  OTV  nicht  hinreichend  wahrgenommen.  -  Wir  miis- 
sen deshalb  in  den  AKS-Zusammenhangen  diskutieren,  inwieweit  nicht 
zunachst  informelle  AnstbSe  am  Arbeitsplatz  nbtig  sind,  um  eine  kon- 
sequente  OTV-Betriebsarbei t  Uberhaupt  in  Gang  zu  bringen. 

2.  Mit  der  immanenten  Beschrankung  der  Gewerkschaften  auf  die  Ver- 
tretung  bkonomischer  Interessen  und  der  alleinigen  Thematisierung 
der  Formbestimmung  von  Sozialarbeit  als  Lohnarbeit  innerhalb  der 
Grenzen  des  bestehenden  Systems,  -  man  kann  auch  sagen  mit  der  Fort- 
schreibung  der  fur  die  Arbeiterbewegung  historisch  verhangnisvollen 
Trennung  von  Dkonomie  und  Politik  -  bleibt  die  Vermi ttlungsproble- 
matik  von  Form  und  Inhalt  unserer  Lohnerziehertatigkeit  ausgeblen- 
det,  was  sich  in  der  Sozialarbeit  wie  gezeigt  besonders  verha'ngnis- 
voll  auf  fortschrittliche  Kollegen  auswirken  muB. 

In  der  Arbeit  der  OTV  muB  die  Behandlung  des  Zusammenhanges  von  pa- 
dagogischen  Zielen  und  bkonomischen  Interessen  aufgegriffen  werden.. 
Allerdings  ist,  angesichts  der  von  Gewerkschaftsausschlussen  und 
burokratischen  Einschrankungen  der  innergewerkschaftlichen  Demokra- 
tie gepragten  Atmosphare  und  der  zunehmenden  Tendenz,  die  Arbeit 
der  Fachgruppen  "Sozialarbeit"  zu  beschranken  bzw.  sie  aufzulbsen, 
eine  offene  solidarische  Diskussion  sehr  schwierig  bzw.  unmbglich. 
Diese  Situation  stellt  fur  uns  eine  Herausforderung  dar  und  es  gilt, 
fUr  die  notwendigen  gewerkschaftlichen  Diskussions-  und  Arbeitsbe- 
dingungen zu  ka'mpfen. 


59 


GEWERKSCHAFTSARBEIT  UND  SOZIALISTISCHER  ANSPRUCH 

Urn  so  notwendiger  sind  Initiativen  aus  den  AKS-Zusammenh'a'ngen,  bko- 
nomische  Forderungen  starker  an  fortschrittlichen  padagogischen  In- 
halten  zu  orientieren.  Ein  Beispiel:  Die  an  den  Bedingungen  des  of  - 
fentlichen  Dienstes  orientierte  hierarchische  Einstufung  von  Heim- 
erzi'ehern  in  einer  Kinder-  oder  Jugendgruppe  nach  ersten,  zweiten, 
dritten  Erzieher.  Teamarbeit  wird  durch  die  unterschiedliche  Bezah- 
lung  und  ungleiche  Verteilung  von  Verantwortung  und  Entscheidungs- 
kompetenz  im  Prinzip  unmbglich  gemacht.  Hier  kann  es  nicht  ausrei- 
chen,  daB  bei  Tarifverhandlungen  alle  mehr  bekommen,  die  Unterschie- 
de  in  der  Einstufung  selber  miissen  abgeschafft  werden. 

Die  konkrete  inhaltliche  Qualitat  der  Forderungen  ist  auch  fiir  die 
Wahl  der  Kampfmittel  entscheidend.  Wenn  es  nicht  um  den  Ausbau  stan- 
discher  Privilegien  geht,  sondern  die  Forderungen  nach  besseren  Ar- 
beitsbedingungen  und  erhbhten  Mitteln  sowohl  im  Interesse  der  Mitar- 
beiter  wie  der  Betroffenen  liegen  und  so  auch  in  der  Offentlichkeit 
vermittelbar  sind,  konnen  Streiks  kein  Tabu  sein.  -  Das  hat  z.B.  der 
Streik  der  Kindergartnerinnen  in  Frankfurt  1970  (Forderungen:  u.a. 
Verringerung  der  Gruppenstarke,  bessere  Bezahlung,  Fortbildung) ,  der 
von  den  Eltern  mitgetragen  wurde,  deutlich  gemacht.  Aktuell  wird 
dieser  Zusammenhang  durch  die  Arbei  tsniederlegung  der  Mitarbeiter 
in  der  Frankfurter  Drogenberatungsstelle  "drop  in"  unterstrichen. 
Die  Tatsache,  daB  solche  Aktionen  noch  sehr  selten  sind,  hangt  na- 
tlirlich  mit  dem  unterentwickel ten  Stand  unserer  Gewerkschaftsarbei t 
zusammen.  Vielfach  geht  es  erst  einmal  darum,  die  Kollegen  vom  Nutzen 
gewerkschaftlicher  Organisierung  zu  liberzeugen. 

Die  OTV  muB  sich  in  diesem  Zusammenhang  auch  die  unangenehme  Fest- 
stellung  gefallen  lassen,  daB  i hi-  unzureichendes  Interesse  fur  die 
notwendige  Verschra'nkung  von  okonomischen  und  sozial-padagogisch  in- 
hal tlichen  Forderungen  zu  dem  Mitgl iederanstieg  der  Berufsverbande 
beigetragen  hat,  die  mit  ihren  demagogischen  und  irreflihrenden  Ver- 
sprechungen  von  Professional isierung,  hbherem  Status  und  wissenschaft- 
lichem  Habitus  die  Problematik  von  rechts  aufgreifen  und  sie  um- 
funktionalisieren  in  eine  spalterische  Politik  gegenliber  alien  libri- 
gen  Lohnabhangigen  im  bffentlichen  Dienst.  Das  ist  grundsatzlich 
nichts  Neues.  Denn  Interessen  und  Bedlirfnisse  "bleiben  nie  herrenlos 
auf  der  StraBe  liegen;  entweder  organisiert  sie  die  eine  Seite  oder 
die  andere,  entweder  rechts  oder  links."  (Oskar  Negt,  Nicht- nach 
Kbpfen,  sondern  nach  Interessen  organisieren,  in:  "links"  Nr.  39) 


Aus  sozialistischer  Sieht  den  Zusammenhang  vo 
und  Lohnerzieherdasein  aufgreifen,  heiBt  frei 
fortschrittlicher  Forderungen  am  Arbeitsplatz 
sche  Basis  von  Sozialarbeit,  das  Lohnsystem  s 
demokratisch  fixierten  Gewerkschaften  schon  1 
zu  bekampfen.  Dazu  ist  die  politische  Organis 
zialarbeitern  in  berufsfeldbezogenen  Gruppen 
mbgliche  gegenseitige  Unterstutzung  in  einer 
haltung  unabdingbar,  die  ich  als  "Alltagsradi 
mbchte. 


n  padagogischem  Anspruch 
lich.uber  den  Rahmen 
hinaus  die  zerstbreri- 
■elber,  das  die  sozial- 
angst  akzeptiert  haben, 
ierung  von  linken  So- 
notwendig,  ist  die  hier 
gemeinsamen  Einstel lungs- 
kali  tat"  bezeichnen 


-  6o 


Rolf  Lanrlwehr,  Westberlin 

WIDER  DEN  LINKEN  CARITATIVISMUS 


Zentraler  Gegenstand  des  Artikels  von  E.W.  ist  das  Verhaltnis  zwi- 
schen  den  aus  dem  Lohnarbeiterdasein  des  Sozialarbeiters  sich  erge- 
benden  Interessen:  Verbesserung  der  Arbei tsbedingungen  sowie  Ar- 
beitskrafterhaltung,  und  seinen  padagogisch-politischen  Zielen.Thema- 
tisiert  wird  dies  auf  dem  Hintergrund  einer  bestimmten  Auffassung 
der  qualitativen  Differenz  zwischen  der  Arbeit  eines  sozialistischen 
Sozialarbeiters  und  gegenwartig  ublicher  Praxis  eines 
beliebig  anderen.  Hier  setzt  meine  Kritik  an,  die  zunachst  auf  einen 
Punkt  zielt,  den  Versuch  na'mlich,  die  andere  Qualitat  und  den  poli- 
tischen  Gehalt  der  eigenen  Arbeit  aus  den  Besonderheiten  des  Ar- 
bei tsgegenstandes  zu  bestimmen. 

Zunachst  zum  besonderen  Arbeitsgegenstand:  Diesen  bestimmt  E.W.  als 
"Sozialisationsarbeit  in  der  Arbei terklasse"  (S.54  )  Das  ist  zumin- 
dest   miBverstandlich  formuliert,  denn 

1.  ist  Sozialisation  nicht  umstandslos  mit  "Erziehung"  gleichzuset- 
zen,  sondern  ist  gerade  im  Bereich  der  Sozialarbeit  ein  den  Betrof- 
fenen aufgezwungener  und  oft  gewaltsamer  ProzeB  der  Integration  und 

2.  ist  es  nicht  "die  Arbeiterklasse" ,  die  der  Sozialarbeiter  vor 
sich  hat,  sondern  es  sind  die  Desintegrierten,  gescheiterte  Existen- 
zen,  die  aus  dem  "normalen"  Lebenszusammenhang  herausgefallen  oder 
"ausgeflippt"  sind.  Es  geht  also  schlicht  um  die  zwangsweise  Inte- 
gration von  Desintegriertenin  die  bestehende  Gesellschaft,  nicht  in 
die  "Klasse".  Gerade  der  fehlende  Klassenzusammenhang  kann  als  ein 
mbgliches  Moment  der  Desintegration  angesehen  werden. 

E.W.  sieht  nun  in  der  eigenen  ".. .sinnlichen  und  materiellen  Betrof- 
fenheit  im  Alltag."  (S.54  )  den  Bezug  zu  den  Interessen  und  Proble- 
men  der  Arbeiterklasse  gegeben.  Das  klingt,  sieht  man  vom  problema- 
tischen  Gebrauch  des  Begriffs  "Arbeiterklasse"  in  diesem  Zusammen- 
hang einmal  ab,  zunachst  plausibel.  Von  Interesse  flir  uns  ist,  wie 
dieser  Bezug  naher  zu  bestimmen  ist  und  was  daraus  flir  den  politi- 
schen  Gehalt  der  eigenen  Arbeit  folgt.  Die  "Betroffenheit  im  Alltag", 
die  tagliche  (Confrontation  mit  dem  Elend  dieser  Gesellschaft  in  Ge- 
stalt  des  "Klienten"  ist  sicher  das  Motiv,  das  Sozialarbeiter  u'ber- 
haupt  dazu  gebracht  hat,  sich  gegen  das  restlose  Aufgehen  in  der  ih- 
nen  zugedachten  Funktion  zu  wenden,  was  sie  weiterhin  dazu  gebracht 
hat,  sich  ein  BewuBtsein  zu  erarbeiten,  das  die  Probleme  der  Sozial- 
arbeit als  strukturelle  gesel  lschaftliche  Probleme  erkennbar  wer- 
den la'Bt.  Daraus  folgt  Verstandnis  flir  die  Probleme  der  von  Sozial- 
arbeit Betroffenen,  aber  noch  langst  kein  praktischer  Bezug  zu  ihren 
Interessen,  der  fiir  die  Betroffenen  auch  praktisch  etwas  bedeutet. 

Fiir  den  DOlitisch  aufgeklarten  Sozialarbeiter  hat  sein  Verhaltnis 
Zum  "Klienten"  einen  Stellenwert  in  der  Behauptung  der  eigenen  poli- 

-  61  - 


tischen  IdentitatrSein  Einblick  in  die  Zusammenhange  der  Gesell- 
schaft,  die  Bedingungen,  die  Elend  produzieren,  gebietet  ihm,  die 
Opfer  dieser  Gesellschaft  nicht  auch  noch  als  Schuldige  zu  denunzieren. 
Das  kann  sich  praktisch  ausdriicken  in  intensiverem  Bemiihen  urn  die   Pro- 
bleme  des  "Klienten",  beispielsweise  der  Ausschopfung  aller  gesetz- 
lichen  Mogl  ichkeiten  und  in  einer  gewissen  Freundl ichkeit  des  Umgangs, 
kurz,  dem  Versuch,  die  eigene  Arbeit  fiir  den  Betroffenen  nlitzlich 
zu  machen.  Ob  sie  das  wirklich  ist,  sei  zuna'chst  dahingestellt. 
Daraus  ergibt  sich  aber  noch  kein  Kriterium  politischer  Arbeit. 

In  der  Erscheinungsweise  kann  das  oben  Gesagte  genauso  gut  fiir  eine 
engagiert  caritative  Arbeit  gelten.   Eine  Differenz  ist  fiir  den  Be- 
troffenen nicht  bemerkbar,  weil   es  sich 

1.  urn  eine  Differenz  des  BewuBtseins  handelt  und 

2.  weil   in  der  Regel  dem  Betroffenen  die  Tatigkeit  des  Sozialarbeiters 
als  Tatigkeit  der  Institution  Sn7ialarhPit-  erscheint. 

Das  heiSt  aber,  je  menr  der  einzelne  Sorfal  arbei  ter  sich  fur  den 
"Klienten"  einsetzt,  sei   es  aus  politischem  oder  caritativem  Engage- 
ment, desto  glanzender  und  intakter  erscheinen  jenem  die  sozialstaat- 
lichen  Einrichtunger.  Das  politische  Engagement  kommt  also,  in  gro- 
tesker  Verkehrung  der  Intention,  der  Stabil  isierung  von  Sozialstaats- 
illusionen  zugute. 

Alle  Versuche,  den  politischen  Gehalt  der  eigenen  Arbeit  aus  der  Be- 
tonung  des  Gebrauchswerts  fur  die  Betroffenen  zu  begrunden  -  was 
nebenbei  bemerkt  auch  die  caritative  Sozialarbeit  tut,  allerdings 


M^tr,,^,  u?„c^l  a,u,  Ule  caritative  Sozialarbeit  tut,  alierainys 
ohne  politischen  Anspruch  -  haben  rationalisierenden  Charakter.  Die 
se  Versuche  wollen  die  bedrohliche  Einsicht  vermeiden,  daB  auch 
"fortschnttliche"  Praxis  dem    Ziel   sozialer  Kontrolle  die 
Auf  diesern  Hintergrund  muB  die  Problematik  des  Vernal tniss 
okpnomischen  Interessen  des  Sozialarbeiters,  speziell   Arbe 
erhalturg  und  politisch-padagogischem  Anspruch  diskutiert  ' 


ient. 


Die  unbestreitbareTatsache,  daB  es,  insbesondere  in  den  Berei.chen, 
wo  Sozialarbeit  mit  Sozialisationsaufgaben  befaBt  ist    zu  Kollisio- 
nen  zwischen  Lohnarbeiterinteressen  des  Sozialarbeiters  und  den  Be- 
durfmssen  der  Betroffenen  kommt  (vgl .  S.S5   )     bezeichnet  genau  die 
Konfliktstelle,  an  der  wir,  sollen  unsere  Oberlequnqen  orientieren- 
den  Charakter  haben,  nicht  indifferent  bleiben  dUrfen    Diese  Indif- 
ferenz  aber  ist  dem  Beitrag  von  E.W.  vorzuwerfen     Sie'ruhrt  daher, 
daB  die  Interessen  des  Sozialarbeiters  in  bestimrnter  Weise  mit  sei- 
nem  Arbeitsgegenstand  verkniipft  werden:  der  gesamte  Argumentations- 
zusammenhang  beruht  auf  der  Annahme,  daB  die  "Klienten"  Teil  des 
Subjekts  gesellschaftlicher  Veranderung  sind,   (vgl.   S.56    )•  Von  da- 
her begru'ndet  sich  das  Interesse  des  selbst  an  gesellschaftlicher 
Veranderung  interessierten  Sozialarbeiters  an  seinem  Arbeitsgegen- 
stand. 

Es  ist  zu  problematisieren,  ob  diese  Vorstellung,  daB  wir  durch  un- 
sere Arbeit  als  Sozialarbeiter  in  irgendeiner  Weise  der  Arbeiterklas- 
se  auf  die  Beine  helfen  wiirden,  eigentlich  noch  mehr  ist  als  eine 
rhetorische  Figur.  Oberdenkt  man  die  Geschichte  der  Sozialarbeiter- 
bewegung,  so  muB  man  heute  sagen,  daB  der  Gedanke,  -die  "linke"  So- 
zialarbeit kbnne  einen  Beitrag  zur  Herstellung  der  Bedingungen  des 
Kampfes  der  Arbeiter  leisten,  von  jeher  wenig  Realitatsgehalt  hatte, 
eher  eine  theoretische  Konstruktion  war,  die  dem  subjektiven  BedUrf- 


62  - 


nis  nach  politischer  Legitimierung  der  eigenen  Arbeit  entstammt. 

Es  bleibt  aber  nicht  dabei ,  daB  die  Argumentation  des  oben  genann- 
ten  Typs  Illusionen  uber  den  politischen  Gehalt  der  Sozialarbeit 
befestigt,  sie  la'Bt  auch  die  Durchsetzung  eigener  Interessen,  so- 
fern  sie  mit  denen  der  "Klienten"  kollidieren,  nur  schlechten  Gewis- 
sens  zu:  das  ist  das  eigentlich  Fatal e  daran.  Die  implizit  geforder- 
te  RUcksicht  auf  die  "Klasse"  erinnert  in  seltsamer  Weise  an  die 
Ideologie  der  Gemeinwohlorientierung,  die  immer  dann  auftaucht, 
wenn  es  gilt,  insbesondere  im  bffentlichen  Dienst  Arbeiter  und  Ange- 
stellte  beispielsweise  von  der  Durchsetzung  ihrer  Forderungen  per 
Streik  abzuhalten.  Wann  immer  Krankenhauspersonal  ,  Kindergartnerin- 
nen,  Verkehrsbetriebe,  ja  sogar  die  MUllabfuhr  Streikbereitschaft 
zeigen,  kann  man  eines  all sei ti gen  Lamentierens  von  Pol iti kern,  Pres- 
se  etc.  gewiB  sein.  Ja,  aber  dann  leiden  doch  die  Unschuldigen: 
Kranke,  Kinder,  Verkehrsteilnehmer,  Mullproduzenten.  Wie  egoistisch! 
Wie  verantwortungslos!  Sicher,  hier  sind  die  Konsequenzen  jeweils 
zu  bedenken.  Ich  halte  es  aber  fur  gefahrlich,  wenn  wir  uns  selbst 
diese  Argumentationsstruktur  zu  eigen  machen  und  uns  durch  die  Erwa- 
gung,  daB  natlirlich  andere  darunter  leiden  kbnnen,  wenn  wir  unsere 
Interessen  vertreten,  schlieBlich  daran  hindern.  Richtiger  ware  viel- 
mehr,  den  "Klienten"  im  konkreten  Fall  zu  vermitteln,  daB  wir  unser 
Interesse  an  Arbeitskrafterhaltung  auch  gegen  ihre  Bediirfnisse  durch- 
setzen  mussen.  Andernfalls  machen  wir  uns  freiwillig  zu  Luckenbus- 
sern  fiir  strukturelle  MiBstande. 

Nun  findet  sich  bei  E.W.  noch  ein  weiteres  Argument,  das  die  beson- 
dere  Beziehung  des  Sozialarbeiters  zu  seinem  Arbeitsgegenstand  be- 
stimmt  und  dadurch  die  Sache  noch  kompliziert.  Es  ist  dies  das 
"Beziehungsinteresse  an  den  Jugendlichen"  (S.56  ).  Es  soil  nicht  be- 
stritten  werden,  daB  es  solche  Interessen  gibt.  Ein  Argument  gegen 
die  strukturell  bedingte  Gleichgultigkeit  des  Lohnerziehers  geben 
sie  nicht  her.  "Beziehungsinteresse"  ist  rein  privater  und  zufa'lli- 
ger  Art,  ist  eine  subjektive  Beigabe.  Das  gesell schaftliche  Verhalt- 
nis  von  "Sozialarbeiter"  und  "Klient"  wird  dadurch  nicht  beriihrt. 
Mit  der  Gleichgiil tigkei t  als  struktureller  GrbBe  -  nicht  aus  persbn- 
licher  Borniertheit  -  haben  wir  und  haben  auch  die  Betroffenen  prin- 
zipiell  zu  rechnen.  Betrachten  wir  die  Sache  einmal  anders:  DaB  die 
Sozialarbeit  gerade  im  Bereich  von  Sozialisationsaufgaben  noch  eini- 
germaBen  funktioniert,  liegt  sicher  nicht  zuletzt  daran,  daB  durch 
das  sta'ndige  Bemiihen  von  engagierten  Leuten  den  "Klienten"  das  nbti- 
ge  Vertrauen  eingeflbBt  und  so  eire,fur  die  Funktionsfahigkei t  von 
Sozialarbeit  bedrohliche  Tendenz§aufgehal ten  wird.  Mit  unserem  Enga- 
gement rechnen  ja  die  Anstellungstra'ger.  Die  Funktion  der  Sozialar- 
beit ist  vampirma'Big  angewiesen  auf  die  Fa'higkeit,  das  "persbnliche 
Verhaltnis"  zu  den  Betroffenen  herzustellen.  Diese  Fa'higkeit  macht 
den  Gebrauchswert  unserer  Arbeitskraft  aus.  Gebrauchswert  nicht  fur 
uns  und  nicht  fiir  den  "Klienten",  sondern  fur  den  Kaufer  unserer 
Arbeitskraft.  Von  diesern  BewuBtsein  her  mlissen  wir  argumentieren, 
urn  Bedingungen  fiir  den  mbglichst  gunstigen  Verkauf  unserer  Arbeits- 
kraft zu  stellen  und  endlich  damit  aufhbren,  daB  wir  unsere  Arbeit 
wie  zu  Alice  Salomons  Zeiten  uber  den  Gebrauchswert  fur  die  "Klienten" 
definieren,  uns  damit  ausnutzen  lassen  und  schlechte  Arbeitsbedingun- 
gen  in  Kauf  nehmen. 


63 


Wann  wir  immer  noch  meinen,  daB  unsere  Betroffenheit  den  Klienten 
etwas  nutzt,  dann  steckt  darin  auch  ein  Stuck  Selbstrechtfertigung, 
ein  Stuck  weit  der  Versuch,  die  eigene  Arbeit  mit  Sinn  auszustatten 
und  sicher  ein  Stuck  Selbstliberschatzung.   Das  alles  ist  verstehbar, 
bleibt  aber  objektiv  gesprochen  Ideologie.   Real i tat  ist  eher,  daB 
die  den  Betroffenen  auch  durch  uns  aufgezwungenen  Dienstleistungen 
sie  in  Abh'a'ngigkeiten  bringen,  sie  an  Selbstandigkeit  und  Selbstorga- 
nisation  hindern. 

Der  grundlegende  Irrtum  des  gesamten  Artikels,  daB  primar  die  eige- 
ne Arbeit  einen  Gebrauchswert  fiir  den  Klienten  habe,  findet  seiner, 
theoretischen  Ausdruck  in  der  Konstatierung  einer  "widerspruchlichen 
VerknUpfung  der  bereits  in  sich  gebrochenen,  gebrauchswertbezogenen 
Bestitnmung  unserer  Tatigkeit  mit  ihrer  objektiven  Funktion  im  Ver- 
wertungszusammenhang  des  Kapitals. ..".  Die  Gebrauchswertbezogenheit 
gehort  substantiell   zur  Funktion.  Diese  Funktion  ist  ja,  die  destruk- 
tiven  Folgen  des  Produktionsprozesses  flir  die  lebendige  Arbeit,  auf 
die  dort  keine  Rlicksicht  genommen  wird,  nachtraglich    zu  kompensie- 
ren.   In  die  Funktion  eingehen  muB  daher  die  Rlicksicht  auf  die  Tat- 
sache,  daB  an  der  Ware  Arbeitskraft  eben  ein  ganzer  lebendiger  Mensch 
ha'ngt.  Was  aber  ist  fur  diesen  der  Gebrauchswert  der  sozialarbeite- 
rischen  Tatigkeit?  Doch  lediglich  der,  daB  seine  Arbeitskraft  fur 
den  VerwertungsprozeB  gebrauchsfahig  erhalten  wird,  Oder,  wenn  seine 
Arbeitskraft  nicht  gefragt  ist,  er  soweit  unterhalten  wird,  daB  er 
eben  Uberlebt.  Aber  das  ist  in  diesem  Zusammenhang  nicht  unser  Pro- 
blem gewesen,  sondern  vielmehr  dies:  Wie  entscheidet  sich  der  Sozial- 
arbeiter  als  Verkaufer  von  Arbeitskraft  und  als  politisch-padagogisch- 
Engagierter,  wenn  seine  Lohnarbeiterinteressen  in  Konflikt  mit 
"Klientemnteressen    geraten?  Ohne  wenn  und  aber  soil   hier  verteten 
werden,  daB  das  eigene  Interesse  an  Arbeitskrafterhaltung  Priori  tat 
hat.   DaB  dies  keine  GleichgUltigkeit  gegeniiber  den  Betroffenen  be- 
deutet,  folgt  schon  daraus,  daB  unser  ei genes  Interesse  an  politi- 
scher  Identitat  uns  zu  einem  qualitativ  anderen  Verhalten  ihnen  ge- 
genuber  veranlaBt.   Dies  ist  etwas  prinzipiell   anderes,  als  wenn  wir 
unsere  Arbeit  u'ber  den  Gebrauchswert  flir  die  Betroffenen  definieren. 
Wenn  von  ihrer  Seite  Anforderungen  an  uns  gestellt  werden,  milssen 
wir  uns  entsprechend  unserer  Einschatzung  der  Situation  dazu  verhal- 
ten, dann  aber  ohne  die  roraantisierende  Attitude  "     .an  einer  unmit- 
telbaren  solidarischen  Form  von  Zwischenmenschlichkeit"   (S.57  )  fest- 
halten  zu  wollen.   Wie  soil   das  gehen?  Es  ist  doch  wohl   eher  so,  daB 
die  Fa'higkeit  zur  Identifikation  mit  fremden  Leiden  bei  uns  alien 
gering  ist.   Als  "handlungsorientierend  "  nun  zu  empfehlen,  gleich- 
sam  in  einem  subjektiven  Akt  die  Allgemeinheit  der  biirgerlichen  Kal- 
te  aufzuheben,  und  dies  innerhalb  eines  institutionell   reglemen- 
tierten  Verhaltnisses,  wie  es  die  Sozialarbeit  darstellt,   kann  nicht 
angehen.  Wer  das  auch  nur  halbwegs  ernsthaft  versuchte,  ware  mit  sei- 
nen  psychischen  Kraften  bald  am  Ende. 

Genau  diese  Zumutung  haben  wir  an  der  biirgerlichen  Sozial arbei tside- 
ologie  mit  ihrem  menschelnden  Pathos  jahrelang  kritisiert;  wir  kb'n- 
nen  sie,  auch  wenn  sie  auf  einer  ganz  anderen  Ebene.mit  ganz  arderem 
Interesse  vorgetragen  wird,  nicht  akzeptieren. 


64  - 


Timm  Kunstreich,  Hamburg 

LOS  KUNFTIGER  SOZIALARBEITER  =  ARBEITSLOS? 
-  FRAGEN  ZUR  "BERUFSPROGNOSTIK"  - 


VORBEMERKUNG  UND  AUFFORDERUNG 

In  diesem  Artikel   geht  es  nicht  darum,  Antworten  auf  Probleme  der 
Tatigkeitsfeldentwicklung  zu  finden,   sondern  darum,  erst  einmal   Fra- 
gen     zu  stellen.   Diese  Fragen  richten  sich  an  alle  Interessierten 
und  sind  zugleich  als  Aufforderung  zu  verstehen,  gemeinsam  an  mbg- 
lichen  Antworten  zu  arbeiten.  Mit  einer  solchen  gemeinsam  und  bf- 
fentlich  gefiihrten  Diskussion  kbnnen  sich  mehrere  Ziele  verbinden: 

1.   Kritik  der  biirgerlichen  Prognoseforschung. 

Seit  ein  paar  Jahren  wird  mit  enormem  finanziellen  Aufwand  versucht, 
die  Prognosefahigkeit  und  damit  die  direkte  staatliche  Verwertbar- 
keit  sozialwis5enschaftlicher  Daten  zu  verbessern,  bzw.  eine  solche 
erst  zu  erreichen  (z.B.  Arbeiten  des  Instituts  fur  Arbei tsmarkt- 
und  Berufsforschung;  Forschungsprogramm  "Soziale  Indikatoren",  Lan- 
derentwicklungsprogramme  usw.)  Als  Material  isten  diirfen  wir  uns  nicht 
nur  auf  Ideologiekritik  beschranken,  sondern  mlissen  aufzeigen,  wie 
die  grundlegende  Krisenhaftigkeit  der  kapitalistischen  Produktions- 
form  die  Aussagefahigkeit  sol eher  "Daten"  begrenzt,  ja,  auf  den 
Kopf  stellt. 


I.   Unterstiitzunq  sozialer  Kampfe  mit  Gegeninformationen. 
i1n  Zie]   burgerlicher  Prognoseforschung  ist  es,  Entscheic 


2^  

Ein  Zie]  burgerlicher  Prognoseforschung  ist  es,  Entscheidungen  des 
kapitalistischen  Staates  zu  legitimieren  und  damit  die  Betroffenen 
zu  entmundigen,  da  nun  ja  alles  "wissenschaftl ich"  erwiesen  sei . 
Bestes  Bei  spiel:  Die  Gutachten  der  "Funf  Weisen",  die  seit  einigen 
Jahren  de  facto  Lohnleitlinien  festlegen.  Wie  wirksam  aber  Gegenin- 
formationen sein  kbnnen,  zeigt  auf  der  anderen  Seite  die  Biirgerini- 
tiativenbewegung  gegen  die  Kernkraftwerke. 

Zu  einer  Zeit,  in  der  eine  ganze  Generation  vom  ProduktionsprozeB 
"abgekoppel t"  wird,  das  "soziale  Netz"  immer  mehr  Maschen  verliert 
und  das  Ausbildungssystem  immer  starker  den  Charakter  einer  Arbei ts- 
losen-Lenkung  bekommt  (wer  z.B.  studiert,  gilt  nicht  als  arbei ts- 
los)  ist  es  notwendig,  daB  die  Betroffenen  selbst  Material  in  der 
Hand  haben,  das  in  begrenztem  MaBe  gegen  Resignation  schutzt  und  die 
Mystifikationen  der  individuellen,  flexiblen,  mobilen  etc.  Arbeits- 
kraft durchbricht.Denn  Mystifizierung  gesellschaftlicher  Prozesse 
ist  eine  wirksame  Waffe  der  Reaktion:  Wer  daran  glaubt,  durch  indi- 
viduelle  Anpassung  werde  er  es  schon  schaffen,  dessen  Widerstands- 
kraft  ist  gebrochen,  bevor  er  noch  nit  der  kapitalistischen  Wirklich- 
keit  ganz  konfrontiert  wird. Wer  als  Sozialarbeiter  "nur"  moralisch 
argumentiert  ("Hier  muB  was  getan  werden;  da  muB  der  Staat  doch  et- 
was machen"),  reibt  sich  vielleicht  in  Uberstunden  auf,  wo  es  sinn- 
voller  ware,  in  kollektiven  Aktionen  die  gesellschaftlichen  Wider- 
sprliche  voranzutreiben. 

-  65  - 


[•■I 


3.   Ein  Projekt  flir  ein  Sozial  istisches  Forschungsinsti  tut 

In  der  Auswertung  des  Anti-Repressions-Kongresses  schla'gt  der  Ar- 
beitsausschuR  des  SB  vor,  langfristig  den  Aufbau  eines  Soziali sti- 
schen  Forschungsinstituts  anzustreben.  Als  mbgliche  Schritte  dazu 
werden  "erste  kleine  Projekte"  genannt  (1)-  Aus  diesem  Vorschlag_ 
kbnnte  sich  ein  derartiges  Projekt  entwickeln.  Da  sich  die  Beschaf- 
tigung  mit  Prognoseproblemen  nur  arbeitsfeld'u'bergreifend  durchfuh- 
ren  la'Bt,  ist  hier  zugleich  ein  Punkt,  inhaltlich  liber  die  "Grenzen 
der  Arbeitsfelder  hinweg  zusammenzuarbeiten:  Die  Problematik  der 
Entwicklung  der  Ta'tigkeitsfelder  der  Sozialarbeiter  trifft  den  Leh- 
rer  und  "Gesundheitsarbeiter"  in  gleicher  Weise.  Um  die  Problematik 
material istisch  zu  untersuchen,  miissen  auch  die  bornierten  Grenzen 
der  Einteilung  wissenschaftlicher  Disziplinen  durchbrochen  werden,^ 
so  daB  hier  auch  ein  Ansatz  ware  flir  ein  Arbeitsfeld  "Wissenschaft" 
ira  SB. 


EIN  BEISPIEL  BDRGERLICHER  PROGNOSEFORSCHUNG 

Das   "Sozialmagazin"  verbffentlichte  in  Heft  1,  1977,  S.   50-52,  einen 
Aufsatz  von    U.  Frenzel ,  der  ein  Teilergebnis  einer  umfangreichen 
Untersuchung  Uber  die  Entwicklung  von  60  Berufsgruppen  und  34  Wirt- 
schaftsektoren  darstellt.   Auftraggeber  war  die  Bundesanstal t  fur  Ar- 
beit, durchgefiihrt  wurde  die  Untersuchung  vom  Batelle-Institut  in 
Frankfurt.   Der  Arti kel   befaBt  sich  unter  dera  Titel:   "Noch  mehr  Ar- 
beitslose"  mit  den  "Sozialpflegerischen  Berufen"  und  kommt  zu  fol- 
genden  Ergebnissen: 

1970  hatten  knapp  155000  Erwerbstatige  einen  derartigen  Beruf  -  was 
nicht  bedeutet,  daS  sie  in  ihm  auch  arbeiteten.    Ira  Gegenteil,  ca. 
60  %  der  so  Ausgebildeten  arbeiten  in  anderen  Ta'tigkeiten  (vor  all  em 
in  kaufmannischen).   Von  diesen  155  000  waren 

-  50  %  Kindergartnerinnen  und  -pflegerinnen  (97  %  Frauen) 

-  26  %  Sozialarbeiter,  -pfleger   (83  %  Frauen) 

-  21  %  Sozial  padagogen,  Heimleiter  (66  %  Frauen) 

-  3  %  Arbeits-  und  Berufsberater  (40  %  Frauen) 

Da  es  flir  den  "Dienstleistungsbereich"   keine  Produktions-  und  Pro- 

duktivitatsvorausschatzungen  gibt,  geht  die  Model! rechnung  von 

Dichteziffern  aus,  d.h.  es  werden  die  Erwerbstatigen  mit  sozialptie- 

gerischen  Berufen  auf  1000  Einwohner  bezogen.   Dieses  Vernal  tniis  wird 

"Versorgungsgrad"  genannt,  was  offenkundig  Unsinn  ist,  wenn  60  % 

gar  nicht  in  ihrem  Beruf  arbeiten. 

Trotzdem  wird  davon  ausgegangen,  und  es  la'Bt  sich  folgende,  ein- 

drucksvolle  Entwicklung  zeigen  (sozialpflegerische  Berufe  pro 

1000  Einwohner) : 

1950:   1,2 

1951:   1,8 

197o:   2,5 

1980 

1990 


werden?  Wie  dem  auch  sei 
nalisiert  Unsicherheit. 


die  etwas  wackelige  Linie  im  Schaubild  sig- 


3.0 


3,7 


3,2 
3,9 


Die  Schatzung  beruht  auf  einer  "abgeschwachten  Gesamtentwicklung  . 
Darf's  nicht  noch  etwas  weniger  sein  -  die  Finanzrrnnvster  mJssen  ja 
sparen?  Oder  darf's  etwas  mehr  sein?  Die  burgerliche  Gesellschan 
muB  doch  vor  den  Folgen  ihrer  eigenen  Produktionsweise  gescnutzt 

-  66  - 


Schaubild  1: 

Personalangebot  und  Personalbedarf  in  sozialpflegerischen  Berufen 

in  der  BRD  (1970-1930) 


MM 


Nun  aber  zur  Model lrechnung  selbst: 

Bis  1990  werden  etwa  47  %   ausscheiden  (=  72  600  Pers.). 

Das  ergibt  den  Ersatzbedarf .  Bei  der  unterstell ten  Entwicklung  der 

Dichteziffer  werden  weitere  79  500  Pers.  benbtigt.  Das  ist  der  Er- 

weiterungsbedarf.  Das  ergibt  einen  "Anspruch  an  das  Bildungswesen" 

von  152  100  Ausgebildeten  (Ersatzbedarf  plus  Erweiterungsbedarf ) . 

Was  aber  tut  das  Bildungswesen?  Es  schafft  "Berge". 


Absolventen  Oil  1000) 

in: 

Facb- 

Zeitnuun 

Berufs- 

Fuch- 

hoch- 

tns- 

fith- 

scbnlen 

schulen/ 

gesamt 

scbulcn 

Hoch- 
schnlen 

1971-75 

38,7 

48,0 

4,9 

91,6 

1976-80 

48,2 

57,5 

12^ 

118,6 

1981-85 

55,5 

73,9 

21,0 

150,4 

1986-90 

44,9 

87,0 

25,5 

157,4 

1971-90 

187,3 

266,4 

64,3 

518,0 

67  - 


w 


h  fast  520  000  Personen 
(Output  des  Bildungssy- 
160  000  keinen  Arbeitsplatz 
dungsberechtigtem  Einsatz 
pla'tze  zusatzlich  verfligbar 
ine  Tatigkeit  auf  Dauer  an- 
um   Frauen,  die  nur  phasen- 
Personen,  die  zeitweise 


Und  dabei  kommt  folgendes  heraus: 
"Von  1971  bis  1990  werden  voraussichtlic 
einen  sozialpflegerischen  Beruf  erlernen 
stems).  Von  diesen  Personen  werden  etwa 
auf  Dauer  suchen,  so  daB  auch  bei  ausbil 
nur  fur  etwa  360  000  Absolventen  Arbeits 
sein  mu'ssen.  Bei  den  Absolventen,  die  ke 
streben,  handelt  es  sich  im  wesentlichen 
weise  erwerbstatig  sein  werden,  sowie  um 
ins  Bildungssystem  zurlickkehren. 

Bei  'ausbil dungsadaquatem' Einsatz  steht  einem  voraussichtlichen  Neu- 
angebot  von  etwa  360  000  Erwerbspersonen  mit  sozialpflegerischen  Be- 
ruf en  im  Zeitraum  1971-1990  nur  Personal neubedarf  von  etwa  152  000 
Personen  gegenu'ber  (Schaubild).  Bei  den  errechneten  Bedarfswerten 
wiirde  das  bedeuten,  daB  -  theoretisch  -  fast  60  %   der  Absolventen 
keine  Anstellung  im  erlernten  Beruf  erhalten  konnen.  'Ausbildungsada- 
quater'  Einsatz  bedeutet,  daB  alle  Ausgebildeten  den  erlernten  Be- 
ruf auf  Dauer  ausiiben.  Die  Beobachtung  der  Entwicklung  in  der  Ver- 
gangenheit  zeigt,  daB  dies  in  der  hier  angesprochenen  Beruf sgruppe 
nur  fur  etwa  40  %   der  Ausgebildeten  gilt,  wahrend  60  %   andere  Tatig- 
keiten  (-)  angenonmen  haben.  Das  bedeutet,  daB  60  %   der  Personen, 
die  in  der  Vergangenheit  einen  sozialpflegerischen  Beruf  erlernt  ha- 
ben, gegenwartig  in  einem  anderen  Beruf  tatig  sind,  in  dem  sie  ihre 
berufliche  Erstqualifikation  vermutlich  nur  teilweise  Oder  gar  nicht 
verwenden  konnen".  (3) 

Was  passiert  aber,  wenn  die  Frauen  (zumeist  schlecht  ausgebildete 
und  unterbezahlte  Kinderpflegerinnen  und  -  qartnerinnen)  nicht  an 
den  Herd  wollen  oder  keinen  Platz  mehr  als  Schreibkraft  im  automati- 
sierten  Biiro  finden?  Oder  wenn  (was  sich  immer  starker  abzeichnet) 
inner  weniger  Sozialpadagogen  (grad.)  weiterstudieren  wollen  oder 
konnen,  wenn  also,  wie  Frenzel  selbst  feststellt,  das  Auswejchen  in 
andere  Ta'tigkeiten  immer  unmbglicher  wird?  Dann  wird's  schlimm.  Dann 
drohen  uns  nach  dieser  Rechnung  Liber  200  000  arbeitslose  "Sozial- 
ofleger"  bis  1990. Da  sich  a'hnliche  Rechnungen  fiir  fast  alle  anderen 
Berufe  aufmachen  lassen,  muBten  bis  1990  2  000  000  zusatzliche  Arbeits- 
pla'tze  geschaffen  werden,  wenn  eine  steigende  strukturel  le  ArDeits- 
losigkeit  vermieden  werden  soil. 

Dem  erschreckten  Leser  sei  zur  Beruhigung  gesagt,  daB  es  auch  ganz_ 
gegenteilige  Prognosen  gibt,  die  von  einem  ungedeckten  Bedarf  bis  in 
die  90iger  Jahre  sprechen  (4). 

VIELE  FRAGEN  UND  EIN  GEGENMODELL 

Sicher  hat  Frenzel  recht,  wenn  er  davon  ausgeht,  daB  die  Berechnung 
der  Entwicklung  von  Dienstleistungen  nicht  auf  "Produktions-  und 
Produktivitatsvorausscha'tzungen"  basieren  kann.  Wie  schon  angedeutet, 
zeugen  aber  die  zugrundegelegten  "Dichteziffern"  nicht  nur  yon  der 
Abwesenheit  jeglicher  Theorie,  sondern  sind  einfach.  untauglich. 

FRAGE:  1st  es  liberhaupt  sinnvoll,  von  Berufsabschl'u'ssen  auszugehen, 
wenn  60  %   aus  einer  bunt  zusammengewlirfelten  Beruf  skategorie  nicht 
im  erlernten  Beruf  arbeiten?  Hier  interessieren  doch  vielmehr  die 

-  68  - 


Grlinde,  weshalb  ein  so  hoher  Prozentsatz  nicht  dort  arbeitet,  wo 
er  wahrscheinlich  doch  mal  arbeiten  wollte? 

Sind  im  Bereich  der  produktiven  Lohnarbeiter  und  der  Lohnarbeiter 
in  der  Kapitalzirkulation  solche  Fragen  mit  der  Monopolisierung  des 
Kapitals,  der  Schwankungen  der  Kapitalfliisse,  der  Ratio- 
nal i  si  erung  und  Automati si erung  und  der  damit  erzwungenen  "Mobil i tat" 
und  "Flexibilitat"  der  Lohnarbeiter  zu  beantworten,  so  ist  bei  einer 
entsprechenden  Untersuchung  von  Bewegungen  von  Lohnarbeitern  im  Re- 
produktionsbereich  von  den  Interventionsformen  der  kapitalistischen 
Staatsapparaturen  und  davon  abhangiger  Administrationen  (z.B.  "Freie 
Trager")  auszugehen. 

FRAGE:  Wie  wirken  sich  veranderte  Interventionsformen  des  Staatsppa- 
rates  auf  die  dort  tatigen  Lohnarbeiter  aus?  Wo  werden  Arbeits- 
pla'tze  reduziert  (Rationalisierung,  Privatisierung) ,  wo  werden 
neue  Arbeitsplatze  notwendig  (Planung/Organisatoren  der  Rationa- 
lisierung, Reform  des  Gesundheitswesens)? 

Der  heute  erreichte  Stand  kapital istischer  Produktion  ist  u.a.  da- 
durch  gekennzeichnet,  daB  "der  auf  Sicherung  der  Reproduktionsbe- 
dingungen  des  Gesamtkapitals  gerichtete  staatliche  Aktivitatsbe- 
reich  erheblich  ausgedehnt  wird.  Seine  entscheidende  politische  Di- 
mension erhalt  dieser  Zusammenhang  dadurch,  daB  mit  fortschrei ten- 
der Durchsetzung  des  Kapital verbal  tnisses  und  der  Subsumtion  immer 
weiterer  gesellschaftlicher  Produktionsspharen  unter  das  Kapital 
das  politische  Gewicht  der  in  ihren  Lebensverhaltnissen  nicht  unmit- 
telbar  vom  Gang  des  Akkumul ationsprozesses  abhangigen  Schichten 
abnimmt.  Die  Sicherung  der  politischen  Herrschaft  der  Bourgeoisie 
wird  angesichts  dieses  sich  objektiv  verscharfenden  Gegensatzes  von 
'Lohnarbeit'  und  'Kapital'  immer  mehr  von  einem  stbrungsfreien  Verlauf 
des  Akkumul ationsprozesses  abhangig."  (5)  Dieses  Ineinanderfl ieBen 
von  bkonomischer  und  politischer  Krise  erfordert  eine  qualitativ 
verbesserte  Form  von  Interventionen.  (6) 

Das  Neue  dieser  Interventionen  beschreibt  0FFE  -  implizit  selbstkri- 
tisch  gegen  seine  fruheren  Ausflihrungen  -  wie  folgt:  "EinigermaBen 
schematisierend  kann  man  also  einen  'neuen'  Typus  von  Gesellschafts- 
politik  identifizieren,  der  zum  Ziel  hat,  die  'Tauschbarkeit'  der 
Produktionsfaktoren  (wieder)  herzustellen  und  dauerhaft  zu  sichern, 
wahrend  es  dem  'alten'  Typus  von  Sozialpol itik  darum  geht,  gerade 
die  'Nicht-Tauschbarkeit'  von  Arbeit  und  Kapital  von  Fall  zu  Fall 
beschutzend  und  abs'ichernd  zu  kompensieren."  (7) 

Die  Organisationsmittel,  d.h.  die  rechtlichen  Rahmenbedingungen, 
Vorschriften, politischen  Durchsetzungsstrategien  usw.  (8),  mit  de- 
nen  dieser  "neue"  Typus  von  Gesellschaftspoli tik  realisiert  wird,  i 
sen  dabei  drei  Funktionen  erflillen: 
a)  Sie  mu'ssen  die  Bedingungen  der  "Tauschbarkeit"  standig  verwer- 

tungskonform  reorganisieren  und  weiterentwickeln  (subsidiare 

Funktion). 
hi  Sie  mussen  die  zerstbrerischen  Wirkungen  der  Tauschbarkeit 

soweit  neutral i si eren,  daB  von  ihnen  keine  Gefahrdung  des  Gesamt 

systems  ausgeht  fkomppnsatorische  Funktion). 
c)  Sie  mussen  so  gestaltet  sein,  da!J  die  Massenloyalitat  erhalten 

-  69  - 


miis- 


lil 


bleibt,  d.h.  daB  sich  die  Uberwiegende  Mehrheit  der  Gesellschaft 
mit  den  Bedingungen  und  Ideologien  der  "Tauschbarkeit"  identifi- 
zieren  kann  (Individualisraus,  formale  Gleichheit,  ...)'>  d.h.  zu- 
gleich  aber  auch,  daB  das  Monopol  des  Staates,  solche  Organisa- 
tionsmittel  bereitzustellen,  nicht  in  Frage  gestellt  wird  -  oder 
"positiv":  das  Systemalternativen  unterdriickt  werden  (leqitima- 
torische  Funktion). 

Diese  Funktionen  sind  selten  "gleichverteilt",  meistens  uberwiegt 

bei   einer  Art  von  Organisationsmittel   eine  Funktion. 

Ein  Ansatz,  Sozialarbeit  als  Teilelement  einer  derartig  als  neuen 
"Typus"  von  Gesellschaftspolitik  verstandenen  Sozialpolitik  zu 
interpret ieren,  liegt  mit  dem  "Jahrbuch  flir  Sozialarbeit  1976"  vor 
(zitiert  als:  Jahrbuch)   (9).  An  zwei  Beispielen  untersuchen  dessen 
Autoren  diese  Entwicklung  im  Bereich  der  Sozialarbeit.  Fur  den  Be- 
reich  der  Vorschulerziehung  werden  exemplarisch  die  Vorga'nge  um  das 
Projekt  "Kita  3000"  analysiert,  und  es  wird  folgender  SchluB  gezo- 

9en: 

"Offentliche  Vorschulerziehung  verliert  ...   ihren  'sozialindikati- 
ven'   Charakter  und  wird  tendenziell   zur  Durchschnittserziehung  fur 
Kinder,  ganz  wie  es  heute  schon  bei   der  Schulbildung  der  Fall   ist." 
Fiir  die  Anderungen  im  Bereich  der  Flirsorgeerziehung  wird  exemplarisch 
das  "Georg-von-Rauch-Haus"  (10)  herangezogen  und  festgestellt: 
"Auch  im  Bereich  der  Jugendhilfe  gibt  es  eine  deutliche  Tendenz, 
nicht  mehr  nur  Randgruppen,  sondern  al lie  Jugendlichen  bffentlichen 
ErziehungsmaBnahmen  zu  unterziehen."   (ll) 

Facit  aus  beiden  Untersuchungen: 

"Die  Familie  kann  also  ihre  bisherige  Erziehungsfunktion  nicht  mehr 
'naturwiichsig'  leisten.  Sie  wird  selbst  zum  Gegenstand  bffentlicher 
Sozialisation."  Das  bedeutet:   "Aufgaben  im  Bereich  der  Reproduktion 
der  Arbeitskraft,  die  bislang  privat  geleistet  wurden,  werden  fort- 
schreitend  verstaatlicht."(12)Entsprechend  dieser  Tendenz  habe-Sozial- 
arbeit  ihre  "Luckenbu'Berfunktion"  und  ihre  Festschreibung  auf  "Rand- 
gruppen" historisch  hinter  sich  gelassen  (Oberwiegen  der  kom- 
pensatorischen  Funktion).  Vielmehr  libernimmt  sie  in  immer  sta'rkerem 
MaBe  aktive  Sozialisationsaufgaben  "auch  und  gerade  fur  die  bislang 
familial   sozialisierte  Durchschnittsarbeitskraft"   (Oberwiegen  der 
subsidiaren  Funktion).    (13) 

Mit  dieser  SchluBfolgerung  wird  allerdings  ein  Gegensatz  zwischen 
kompensatorischer  und  subsidia'rer  Funktion  konstruiert,  der  so  nicht 
haltbar  ist.    (14)  Zu  untersuchen  ist  vielmehr,  wie  durch  das  Anwach- 
sen  von  Ta'tigkeitsfeldern  mit  sta'rkerer  subsidia'rer  Funktion  zu- 
gleich  die  Zugangsmbglichkeiten  zu  solchen  Arbeitsfeldem  der  Sozial- 
arbeit erweitert  wird,  bei  denen  die  kompensatorische  Funktion 
Uberwiegt  und  wie  dadurch  die  Gruppe  staatlich  verordneter  "Rand- 
gruppen" erhbht  wird  (=  Effektivierung  der  sozialen  Kontrolle  insge- 
samt). Weiter  birgt  die  zu  einseitige  Reduktion  auf  die  Funktions- 
verschiebungen  von  der  Familie  zu  staatlichen  Sozialisationsleistun- 
gen  die  Gefahr  in  sich,  den  herrschaftsbezogenen  Charakter  von  So- 
zialarbeit (legitimatorische  Funktion)  zugunsten  eines  schembar 
funktionalen  Systemerhalts  zu  vernachla'ssigen.   In  ihren  theoreti- 
schen  Ausflihrungen  vernachla'ssigen  die  Autoren  des  Jahrbuches  diese 
Dimension,  obwohl   sie  sie  in  den  Beispielen  deutlich  herausarbeiten. 

-  7o  - 


Anhand  von  vier,  flir  die  Tauschbarkeit  der  besonderen  Ware  Arbeits- 
kraft zentralen  Bereiche  soil   im  weiteren  versucht  werden,  die  ge- 
nannten  drei   Funktionen  aufeinander  zu  beziehen,  um  so  Anhalte  fiir 
die  Weiterentwicklung  der  Tatigkeitsfelder  der  Sozialarbeit  zu  ge- 
winnen. 


Bereich:   Qualif ikation/Sozialisation 

Zwar  gel  ten  fur  Herstellung     und  Erhaltung  der  Qualifikationsstruk- 
tur  und  der  dominanten  Charakterstrukturen  im  Schwerpunkt  je  ver- 
schiedene  Organisationsmittel,   zugleich  enthalt  jede  Qual  ifikation 
aber  auch  Aspekte  der  Sozialisation  -  und  umgekehrt.   Dieser  Bereich 
ist  grundlegend  flir  die  aktuelle  und  potentielle  Verwertung  der  Ar- 
beitskraft.   In  jeder  Biographie  ist  die  Art  der  Qualifikation  die 
"unabha'ngige  Variable",  von  der  die  individuellen  Reproduktionsmbg- 
lichkeiten  abhaingig  sind. 

Besteht  die  subsidia're  Funktion  dieses  Bereiches  insgesamt  in  der 
Ausbildung  und  Qualifikation  der  Arbeitskraft,  so  liegt  die  kompen- 
satorische Funktion  in  der  systemkonformen  Selektion  der  Arbeits- 
krafte  durch  die  Hierarchien  des  Ausbildungssystems.   DaB  beide  Funk- 
tionen in  Widerspruch  zueinander  stehen  kbnnen  und  wie  sie  es  tun, 
hat  Offe  beispielhaft  in  seiner  Analyse  der  Berufsbildungsreform 
gezeigt.   Die  legitimatorische  Funktion  dieses  Bereiches  liegt  darin, 
solche  Konflikte  in  einer  Weise  latent  zu  halten,  die  es  der  iiber- 
wiegenden  Mehrzahl   der  Bevblkerung  erlaubt,  sich  mit  der  Vertei- 
lung  der  Qualifi kationschancen  zu  identifizieren  (z.B.   Leistungs-, 
Aufstiegsideologien,  aber  auch  Ideologien  liber  Chancengleichheit) 

-  was  selbst  schon  wieder  eine  Sozialisationsleistung  ist.    (15) 

In  diesem  Bereich  liegen  insofern  alle  Tatigkeitsfelder  der  Sozial- 
arbeit als  jede  ihrer  MaBnahmen  Sozial isations-  oder  (De-)Qual ifika- 
tionsfolgen  hat. 

Tatigkeitsfelder  im  engeren  Sinne  sind: 

-  Kindergarten/Vorschulerziehung 

-  Schulsozialpadagogik/Kinderhort 

-  "Jugendpflege" 

-  Erziehungsberatung/Elternschulen 

-  Jugendzentren 

-  Teilbereiche  der  Jugend-  und  Familienfursorge 

(z.B.   formlose  erzieherische  Betreuung/Pflegschaften) 

-  ...(vom  Leser  zu  erganzen/zu  kritisieren) 

Tendenz  A:   Reduktion  von  Arbeitspla'tzen 

I  z.B.  Kindergarten:  Entgegen  der  im  Jahrbuch  beschrie'benen  Tendenz 
gewinnt  die  Kindergartenerziehung  (insgesamt  liberwiegend  subsidiare 
Funktion)  wieder  ihren  nur  scheinbar/vorlibergehend  verlorengegange- 
nen  "sozial-indikativen"  Charakter:  Durch  Bestimmung  der  Aufnahme- 
qrunde,  wie:  Mutter  muB  arbeiten,  von  der  FaFu  festgestell te  Erzie- 
hungsprobleme,  werden  nur  bestimmte  Bevblkerungsgruppen  "bevorzugt". 
Daruberhinaus  fuhrt  die  Zusammenlegung  von  Einrichtungen  bzw.  Grup- 
pen     und  die  Streichung/Nichtbesetzung  offener  Stellen  zumindest 

-  71  - 


[•■I 


zu  einem  Stillstand  der  Beschaftigten,  z.T.  sogar  zum  Abbau  (Bei- 
spiel:   Hamburger  Kindertagesheime). 

FJWGE:   Was  sind  die  zugrunde  liegenden  Prozesse?  Werden  keine^Frauen 
meFTr  in  der  Produktion  gebraucht?  Statt  "Chancengleichheit"  wie- 
der  "Leistungsgedanken"? 

•  z.B.  Vorschulerziiehung:  "Einfrieren"  auf  dem  bisherigen  Stand  und 
Verdra'ngungswettbewerb  mit  arbeitslosen  Lehrern  fu'hrt  ebenfalls  zu- 
mindest  zu  Stillstand  der  Beschaftigtenzahlen. 

•  z.B.   Gesamtschulen/Ganztaqsschulen:   drohen  der  "Tendenzwende" 
zum  Opfer  zu  fa  1 1  en.  "' 

Tendenz  B:   Zunahme  von  Arbeitsplatzen 


I  z.B. 


"Jugendpflege":   Auf  die  durch  massenhafte  Jugendarbeitslosig- 
rursachten  Probieroe  wird  im  glinstigsten  Fall   durch  personelle 


keit  veru 

Verstarkung  im  Bereich  "Schule",  aber  auch  der  Jugendh'a'user  usw 
reagiert  -  aber  auch  eine  Verstarkung  der  Polizei  kommt  (eher?)  in 
Betracht  (z.B.  "Jugendpolizisten") 

•  z.B.  Erziehungsberatungsstellen/Schulsozialpadagoqik:  Die' Erhbhung 
der  als  "verhaltensauttallig"  definierten  Schuler  macht  eine  Perso- 
nal verstarkung  in  diesem  Bereich  mbglich.  Nur  mit  Repression  und  wie- 
derentdecktem  "Leistungsgedanken"  geht  es  zumindest  unter  den  vor- 
herrschenden  Legitimationsmustern  nicht. 


Bereich:  Hohnen  (Wohngebiet,  Verkehrsbedingungen) 


In  der  ersten  Aufbauphase  nach  dem  Krieg  stand  die  kompensatorisc 
Funktion  des  Wohnungsbaus  ganz  im  Vordergrund:  Aufbau  der  zerstor 


sche 
r  UIIM.IUN  uca  nuiiMunaouuuj  yoni  im  vordergrund:  Aufbau  der  zerstbrten 
Wohnungenund  Eingl iederung  der  Vertriebenen.  Auf  ihr  basierte  zu- 
gleich  die  legi timatorische  Funktion  ("Sozialer  Wohnungsbau") .Die  sub- 
sidise Funktion  lag  vor  allem  im  Aufbau  einer  autogerechten  Ver- 
kehrsinfrastruktur,  damit  die  Waren  besser  zum  "Markt"  kommen  konn- 
ten  (Arbeitskrafte  und  andere  Waren).  In  dem  MaBe,  wie  die  Auswir- 
kungen  dieser  Politik:  Zerstbrung  der  Sta'dte,  Neubau-Slums,  Zer- 
stbrung  der  Umwelt,  hohe  Mieten  deutlicher  wurden,  muBten  neue  Or- 
ganisationsmittel  gefunden  werden,  die  die  daraus  resul tierenden 
Konflikte  regulierten.  So  sieht  z.B.  das  neue  Sta'dtebaufbrderungs- 
gesetz  erstmals  die  "Beteiligung  der  Burger"  an  Planungsprozessen 
vor,  vor  allem  aber  wurde  die  Planungsautoritat  der  Staatsapparate 
erweitert,  damit  die  konfligierenden  Funktionen  besser,  d.h.  hier: 
vor  allem  vorausschauender  reguliert  werden  kbnnen  (16).  Flir  die 
Sozialarbeit  haben  sich  damit  uberhaupt  neue  Arbeitsfelder  ergeben: 
Sozialplanung  (mit  uberwiegend  legitimatorischer  Funktion)  und  Ge- 
meinwesenarbeit (uberwiegend:  subsidia'r).  Quantitativ  wichtiger  (und 
auch  erweitert)  aber  ist  die  "traditionelle"  Obdachlosenarbeit 
(uberwiegend:  kompensatorisch). 

Tendenz  A:  Reduktion  von  Arbeitsplatzen 

I  z.B.  Gemeinwesenarbeit:  Gab  es  in  der  Phase  der  Model leuphorie 


72 


eine  ganze  Reihe  staatlicher  und  freier  Trager,  die  Gemeinwesen- 
projekte  selbst  durchfiihrten  Oder  doch  wenigstens  unterstlitzten, 
so  fallt  dieser  Bereich  als  eigener  Arbeitsplatz  heute  fast  aus: 
Gemeinwesenarbeit  wird  von  alien  mbglichen  Stellen  so  nebenbei  g 
macht  -  meist  auch   nur  proklamatorisch. 


ge- 


I  z.B.  Obdachlosenarbeit:  Durch  Erhbhung  der  Fallzahl  fur  den  ein- 
zelnen  Sozialarbei ter  la'Bt  sich  das  Problem  zunachst  bewaltigen. 

Tendenz  B:  Zunahme  von  Arbeitsplatzen 

I  z.B.   Sozialplanung:   Hier  ist  durchaus  Stellenzuwachs  zu  erwarten. 
Allerdings  ist  dieser  Bereich  quantitativ  nicht  sehr  bedeutend. 
Dariiber  hinaus  besteht  bei    staatlichen  Auftraggebern  die  Tendenz, 
keine  eigene  Planung  zu  betreiben,  sondern  z.T.   kommerzielle  Unter- 
nehmen  damit  zu  beauftragen. 

I  z.B.  Obdachlosenarbeit:  Langfristig  ist  bei  steigenden  Mieten  und 
sinkendem  Realeinkommen  auch  mit  einer  Erhbhung  der  Beschaftigten  in 
diesem  Bereich  zu  rechnen  (vielleicht  ergibt  sich  hier  ein  "lohnen- 
der"  Einsatz  von  Sozialassistenten). 


Bereich:   Sozial e  Sicherung 

Die  Organisationsmittel   der  Sozialen  Sicherung   (von  der  Sozialver- 
sicherung  Liber  die  Gesundheitspol  i  tik  bis  zur  Familienpolitik)  kom- 
pensieren  weitgehend  die  Risiken,  die  mit  dem  Verlust  der  Fahigkeit, 
seine  Arbeitskraft  zu  tauschen,  einhergehen  (Krankheit,  Arbeitslo- 
sigkeit,  Alter,  Kinder-haben,  Kind-sein).  Sie  wirken  subsidia'r, 
wenn  sie  die  Tauschfahigkeit  wieder  herstellen.  Gerade  die  Tatsache, 
daB  viele  Errungenschaften  der  Sozialen  Sicherung  Erfolge  der  Ar- 
beiterbewegung   (Parteien  und  Gewerkschaften)  sind,  erhbht  zugleich 
den  legitimatorischen  Wert    ("Sozialstaats-Illusion"). (1 7) 

Lag  in  diesem  Bereich  friiher  ein     zentrales  Tatigkeitsfeld  der  So- 
zialarbeit (Fursorge,  Wohlfahrtspfl  ege,  Armenpflege) ,  als  die  Sozial- 
arbeiter  noch  direkt  an  der  Verteilung  materieller  Hilfen  beteiligt 
waren,  so  sind  mit  zunehmendem  Ausbau  des  "Netzes  der  Sozialen  Si- 
cherung"  neue  Tatigkeitsfelder  hinzugekommen  (z.B.   Rehabil  itations- 
Berater)   und  alte  weiter  ausgebaut  worden  -  sowohl   quantitativ  als 
auch  qualitativ   (Jugend-  und  Familienfiirsorge,  Al  ternhilfe) .   Gait 
dieser  Bereich  lange  als  das  Paradepferd  sozialer  Befriedung,  so 
ist     in  den  letzten  Jahren  durch  die  Folgen  intensivster  Ausbeutung 
menschlicher  Arbeitskraft  die  schlechte  und  teure  Gesundheitsver- 
sorgung  immer  starker  in  den  Bereich  staatlicher  "ReformmaBnahmen" 
gerlickt.    In  diesem  Zusammenhang  wurden   (und  werden)  vor  allem  Tatig- 
keitsfelder mit  eher  subsidiarer  Funktion  erweitert  und  aufgewertet 
(z.B.   Nachsorgeeinrichtungen).    Verwandte  Tatigkeitsfelder  auf  hohem 
qualifikatorischen  Niveau  sind  vor  allem  Drogentherapie  und  die  An- 
satze  zur  Gemeindepsychiatrie.   Eine  zunehmende  Rolle  fiir  die  legiti- 
matorische  Funktion  spielt  -  nicht  nur  in  diesem  Bereich  -  die  Aus- 
weitung  des  Krankheitsbegriffs  auf  Bereiche,  die  friiher  als  krimi- 
nell   oder  einfach  als  abweichend  galten. 


73 


[•■ 


da 


Problem:   Mit  zunehmender  Verscharfung  der  Widerspriiche  in  diesem    _ 

BereTch  (Renten,  Sozialversicherung  usw. )  kann  hier  durchaus   eine 

zentrale  Legitimationskrise  entstehen. 

Tendenz  A:   Reduktion  von  Arbeitsplatzen 

I  z.B.  Jugend-  und  Familienflirsorge;   Durch  Erhbhung  der  Fallzahlen 
und  Rational  isierung  ist  hier  durchaus  mit  einem  (zeitweise)  Still  - 
stand  der  Arbeitsplatze  zu  rechnen. 

z.B.   Pflegepersonal:   Durch  Rational  isierung   (z.B.   kurze  Verweil- 
uer/Senkumj  der  Bettenzahl )  verringert  sich  das  Pflegepersonal. 

I  z.B.  Reha-Berater/Berater  im  Arbei tsbereich:  Durch  Einschrankung 
der  "Anspruchsberecntigten"  auf  dem  Verordnungswege  kann  auch  hier 
bei  objektiv  hbherem  Bedarf  die  Beschaftigtenzahl  gleichbleiben. 

•  z.B.   Drogentherapie:  Mit  Abbau  der  Modelle  und  Integration  der 
Drogenabhangigen  in  den  "Normal vollzug"  werden  Arbeitsplatze  ver- 
nichtet. 

Tendenz  B:  Zunahme  der  Arbeitsplatze 

I  z.B.   Psychiatrie:   Werden  die  in  der  Psychiatrie-Enquete  vorge- 
schlagenen  minima  I  en  Reformen  durchgeflihrt,  so  ist  hier  sogar  mit 
einer  erheblichen  Steigerung/Neuschaffung  von  Arbeitsplatzen  zu 
rechnen,  vor  all  em  in  Vor-  und  Nachsorgeeinrichtungen. 

...  obengenannte  Tatigkei tsfelder:  Trotz  Ausnutzung  aller  Ra- 
isierungsmb'glichkeiten  kbnnen  die  objektiven  Proble 


I  z.B. 
tional 


werden,  daB  auch  hier  eine  Stellenerweiterung  erfolgt. 


leme  so  groB 


Bereich:   Soziale  Kontrolle 


Dieser  Bereich  ist  zunachst  ein  allgemeiner,  da  soziale  Kontrolle 
auch  in  den  anderen  Bereichen  ausgeUbt  wird.   So  la'Bt  sich  auch  je- 
des  TStigkeitsfeld  der  Sozialarbeit  diesem  Bereich  zuordnen.   Will 
man  jedoch  die  Tatsache  der  sozialen  Kontrolle  nicht  interaktionis- 
tisch  zu  einem  liberal  1   vorfindbaren  PhSnomen  auflbsen,  sondern  als 
historisch  formbestimmte  verstehen,  dann  ist  es  gerechtfertigt,  be- 
stimmte  "Teile"  der  sozialen  Kontrolle  als  eigenen  Bereich  hervor- 
zuheben.   Gemeint  sind  hiermit  die  Staatsapparate:  Militar,  Justiz, 
Polizei,  aber  auch:  Allgemeine  Verwaltungen.  Sicherlich  wirken  auch 
diese  Teile  kompensatorisch  und  subsidiar,  ihre  zentrale  Funktion 
ist  aber  die  der  Legitimation,  d.h.   die  der  Aufrechterhaltung  der 
Massenloyalita't.   Die  Mittel,  die  dazu  verwandt  werden,   konnen  repres- 
siv  sein.  Tatsachlich  sind  sie  es  aber  meistens  nur  potentiell,  denn 
die  Wirkung  der  blirgerlichen  Rechtsform  beruht  ja  gerade  farauT, 
"den  Schein  der  Gleichstellung  alleTHrtglieder  der  Gesellschaft 
durch  eine  universelle,  die  Klassenorenzen  nicht  berlicksichtigende 
Geltung  von  Rechtsnormen"  zu  erzeugen.    (18)  Durch  die  Sicherung  aer 
zentralen  Rechtsinstitute  wie  Privateigentum,  Vertragsfreiheit  una 
Rechtsstaatsprinzip,  wird  deren  "Charakter  als  Priviligierung  herr- 
schender  Klassen  nicht  unmittelbar  preisgegeben,   (sondern  damit  wira 

-  74  - 


in  erster  Linie)  eine  Sphare  des   'freien  Wirtschaf tens'   abgesichert 
und  erhalten,  die  nunmehr  die  wesentlichen  Vermittlungen  des  gesamt- 
gesellschaftlichen  Reproduktionsprozesses  leisten  soil".    (19) 


Auch  bei  den  Tatigkei tsf el dern  d 
uberwiegt  die  legitimatorische  F 
in  totalen  Institutionen  (Gefa'ng 
halb,  weil  der  "Abschreckungscha 
nachweisbar  ist  und  weil  sie  im 
keit  der  Ware  Arbei tskraft  auBer 
vorhaben  dahin,  wenigstens  diese 
rung)  bzw.  uberhaupt  zu  gewahrle 
Gerade  flir  solche  Reformvorhaben 
te  Sozialarbeiter  gebraucht. 

Tendenz: 


(19) 

er  Sozialarbeit  in  diesem  Bereich 
unktion:  vor  all  em  bei  der  Arbeit 
nisse,  Heime) .  Nicht  zuletzt  des- 
rakter"  dieser  Einrichtungen  kaum 
Sinne  der  Erhaltung  der  Tauschbar- 
st  dysfunktional  sind,  gehen  Reform- 

wi ederherzustel 1  en  ( Resozi al i si e- 
isten  (reformierte  Heimerziehung). 

werden  mehr  und  besser  ausgebilde- 


Sind  auch  hier  insgesamt  "Rationalisierungsgewinne"  mbglich,  so  ist 
doch  die  ganze  Tendenz  eher  auf  Zuwachs  ausgerichtet  -  allerdings 
weniger  flir  Sozialarbeiter.  Es  sei  denn,  sie  wechselten  den  Beruf 
und  gingen  in  den  krisensicheren  Bereich  der  "Inneren  Sicherheit". 

"AUSBLICK" 

Diese  Aufza'hlung  von  Tatigkeitsfeldern  der  Sozialarbeit  erhebt  keinen 
Anspruch  auf  Vollstandigkei t.  Deutlich  werden  sollte  vielmehr  u.a.,daB 
sich  die  Tatigkei tsfelder  mit  starkerer  subsidiarer  Funktion  erwei- 
tert  haben  und  daB  diese  Tendenz  anhalt.  Aber  auch  in  den  Arbeits- 
feldern  mit  uberwiegender  kompensatorischer  Funktion  ist  eine  deut- 

n  die  als 
als  sol- 


feldern  mit  uberwiegender  kompensatorischer  Funktion  ist  ein 
1 i c he  Starkung  der  subsidiaren  Funktion  erkennbar,  wenn  man 
Professionalisierung  der  Sozialarbeit  beschriebene  Tendenz  a 


bunaiuiiv-n    ucyruiuci-cr     nanu  i  uny  ii  urd  tegi  en  ,    USW. J. 

tativen  Erweiterung  und  der  verbesserten  Qualitat  wird  aber  zu- 
gleich  erreicht,   daB  dadurch  groBere  Teile  der  Bevblkerung  von  den 
MaBnahmen  der  Sozialarbeit  "betroffen"  werden  kbnnen.   Hier  deutet 
sich  eine  perfektere,   "sanfte"  Form  von  Repression  an,  die  sich  we- 
gen  ihres  hohen  Legitimationswertes  durchaus  auch  quantitativ   (also 
in  Beschaftigtenzahl  en)  ausdriicken  kann.   Wir  sollten  uns  mit  diesen 
widersprlichlichen  Entwicklungen  rechtzeitig  beschaftigen,  damit  wir 
mithelfen  kbnnen,  die  Widerspriiche  in  die  richtige  Richtung  voranzu- 
treiben. 


ANMERKUNGEN: 

(1)    "links"-Sondernummer,  Nr.  85,   1977,   S.    10 
(■2)  U.   Frenzel,  a.a.O.   S.  51 

( o\    Hprs  S ■     52 

(4)  Vergl !  die  sehr  informativen  Aufsatze  von  Thiersch,  Otto, 

Weiss'und  Muller/Palmen  zum  Thema  Berufssituation  der  Diplompa- 
daqogen,  die  aber  z.T.   auch  aussagekraftig  fur  andere  Ausbil- 
dungsgange  sind;  in:   Neue  Praxis,  3/76,  S.   240-278. 

-  75  - 


•  "I 


Dort  ist  auch  fur  diesen  Bereich  weiterflihrende  Literatur  ange 

(5)  J.   Hirsch,  Staatsapparat  und  Reproduktion  des  Kapitals,  Frank- 
furt/M.   1974,   S.   233,  Hervorhebungen  von  mir  -  T.K. 

(6)  Eine  etwas  ausfiihrl  ichere  Darstellung  dieser  Dberlegungen  una 
ihren  Bezug  zur  Sozialarbeit  habe  ich  1m  Kriminologischen  Jour- 
nal, 4/1976,  S.   263-269,  versucht.   Der  folgende  Text  ist  z.i. 
mit  diesem  Aufsatz  identisch.  ,  - 

(7)  C.  Offe,  Berufsbildungsreform.   Eine  Fallstudie  liber  Retormpon- 
tik,  Frankfurt/M.   1975,  S.   43/44 

(8)  ders.,  vor  allem  S.  9-50  .  . 

(9)  F.  Barabas,  Th.  Blanke,  Ch.  Sachsse,  U.  Stascheit,  Jahrbuch  aer 
Sozialarbeit  1976,  Reinbek  bei  Hamburg  1975 

(lO)Jahrbuch,  S.  375 

(11 )Jahrbuch,  S.  376,  Hervorhebung  im  Jahrbuch 

(12)Jahrbuch,  S.   376 

(13)Jahrbuch,  S.  408-409 

(14)Weitere  Kritikpunkte  dieser  sonst  hervorragenden  Arbeit  sind. 
Der  "Neo-Malthusianismus",  d.h.   die  inadequate  Interpretation 
des  Bevolkerungsproblems  und  die  These  von  der  "Sozialisation 
zur  Partizipation",  der  m.E.  eine  Oberhewertung  des  politiscnen 
Systems  zugrunde  liegt. 

(15)Vergl.  zu  diesem  Bereich  insgesamt:  Jahrbuch,  S.   392-402 

(16)Vergl.  Jahrbuch,  S.  402-405 

(17)Vergl.  Jahrbuch,  S.   384-392 

(18)F.  Werkentin,  u.a.,  Kriminologie  als  Polizeiwissenschaft  oder: 
Wie  alt  ist  die  neue  Kriminologie?  in:  Kritische  Justiz,  \9/£, 
Heft  3,   S.    226/227 

(19)  dies.,  S.   226 


ARBEITSLOSENINITIATIVEN-TREFFEN 
IN  NDRNBERG  VOM  28.-30JANUAR  1977 


MAIMER 


soz 


AL 


REPORT     Ml 


ENTHALT  BEITRAGE 

ZU: 
JUGENDZENTRUMSINITIATIVEN 

it   JUGENDWOH.NGEMEINSCHAFTEN 
JUGENDPOLIZEI  ^  TUGENDAMT 
KINDERSPIELPLATZE  if   FRAUEN- 
GRUPPE  "^  INFORMATIONEN 


MAINZER  SOZIALREPORT 

c/o  Albert  Hohner,  Kaiser  -  Friedrich  -  Ring  45  ,  62oo  Wiesbaden 

NR.  I:  SO  SEITEN,  DIN  A  5  KOSTET  DM  3,5o  +  VERSANDKOSTEN      * 


76 


Nachdem  eine  Arbeitsloseninitiative  in  Nurnberg  einige  Monate  prak- 
tische  Erfahrungen  gesammelt  hatte,  kam  der  Gedanke  auf,  in  Nurn- 
berg ein  Treffen  mit  anderen  Arbei tslosengruppen  aus  dem  Bundesge- 
biet  zu  veranstalten.  Insgesamt  kamen  60  Teilnehmer,  darunter  u.a. 
Vertreter  aus  folgenden  Sel bsthilfegruppen: 

Unabha'ngiqes  Juqendzentrum  Glocksee 

Als  Vertreter  der  Gruppe  war  lediglich  der  Sozial arbei ter  anwesend. 
Die  Jugendlichen  selbst  hatter  die  Auseinandersetzung  mit  der  Stadt 
urn  den  Fortbestand  des  Zentrums  fur  wichtiger  erachtet.  Das  Jugend- 
zentrum  Glocksee  wird  von  einem  Verein  getragen.  Alle  inneren  Ange- 
legenheiten  werden  in  einem  Selbstverwal tungsmodell  durch  die  Ju- 
gendlichen bestimmt.  Die  Stadt  zahlt  einen  jahrlichen  ZuschuB  an 
den  Tra'gerverein.  Das  Jugendzentrum  ist  1972  nach  einer  Hausbeset- 
zung  entstanden.  Die  Besucherstruktur  hat  sich  im  Laufe  des  Betriebs 
wesentlich  verandert.  Die  anfanglich  stark  vertretenen  Schliler  und 
Intellektuellen  sind  nach  und  nach  verschwunden,  an  ihre  Stelle  tra- 
ten  "Rocker".  Zur  Erhaltung  und  zur  Reparatur  der  Maschinen  der 
Jugendlichen  wurde  eine  Bastelwerkstatt  eingerichtet.  Aus  dieser 
eingerichteten  Motorradwerkstatt  entstand  nach  und  nach  mit  dem 
starkeren  Auftreten  der  Jugendarbei tslosigkeit  der  Gedanke,  den  Sta- 
tus der     darin  arbeitenden  Jugendlichen  zu  verandern.  Sie  soil  ten 
nicht  mehr  ungelernte  Hilfsarbei ter  bleiben,  sondern  eine  Qualifi- 
kation  erhalten.  Die  langfristige  Perspektive  soil  die  Errichtung 
einer  Uberbetrieblichen  Ausbildungsstatte  sein.  Hierbei  ist  zu  er- 
warten,  daB  die  Industrie-  und  Handel skammer  Auflagen  erteilt,  die 
nicht  erfu'llbar  sind.  Fur  eine  Obergangszeit  soil  in  Zusammenarbeit 
mit  dem  DGB  ein  breitgefa'chertes  Kurzprogramm  angeboten  werden,  das 
zwar  kein  Lehrstellenersatz  ist,  jedoch  in  Kurzform  wesentliche 
Kenntnisse  vermittelt. 

Dortmunder  Selbsthilfe  <DSH] 

Die  DSH  wurde  vor  einem  Jahr  gegriindet  und  umfaBt  momentan  ca.  15 
Mitglieder.  Sie  ist  aus  der  Sozialistischen  Selbsthilfe  Kbln  ent- 
standen (SSK).  In  der  Selbsthilfe  sind  arbeitslose  Jugendliche,  die 
aus  Heimen  abgehauen  sind,  bzw.  aus  Landeskrankenhausern  und  Pflege- 
heimen.  Die  Gruppe  bestreitet  ihren  Lebensunterhal t  vor  allem  aus 
Entriimpelungsaktionen.  Der  Kampf  der  Gruppe  richtet  sich  gegen  Hau- 
serabrisse,  gegen  Heime  und  insbesonders  gegen  das  Landeskranken- 
haus. 

Fmmaus  -  Stuttgart 

Am  Anfang  der  Gruppe  standen  3  Leute.  Hinzugekommen  sind  ehemals 
Droqenabhangige.  Momentan  besteht  die  Gruppe  aus  ca.  25  Leuten.  Ihr 
Ziel  ist  es,  sich  unabhangig  zu  machen  von  alien  Institutionen 

-  77  - 


und  gemeinsam  zu  leben.   Die  Gruppe  unterha'lt  sich  selbst  vor  allem 
durch  Entrumpelung,  durch  Autotransporte,  durch  das  Herri chten  und 
Verkaufen  von  Mbbeln  und  anderen  Gegenstanden  auf  dem  Flohmarkt. 
Momentan  ist  die  Gruppe  zu  groB  geworden  und  sucht  nach  neuen  Raum- 
lichkeiten. 

Soziale  Selbsthilfe  Stuttgart  (SSS1 

Am  Anfang  stand  der  Gedanke  von  einigen  Studenten  der  Sozialpadago- 
gik.nach  einer  alternativen  Sozialarbeit  zu  suchen.   Sie  griindeten 
einen  gemeinniitzigen  Verein,  bekamen  von  der  Stadt  durch  Verhandlun- 
gen  ein  Haus  zugewiesen.  Aus  Spenden  an  den  Verein  wurde  ein  LKW 
angeschafft  zum  Zwecke  von  Entriimpelungsarbeiten.  Als  nachstes  kam 
der  Gewerbeschein  fiir  den  Flohmarkt  hinzu.    In  das  Haus  wurden  vor 
alien  Dingen  die  aufgenommen,  die      auf  der  StraBe  sitzen.   Insbe- 
sondere  kamen  ehemals  Drogenabhangige,  Heimgeschaidigte,  Knastentlas- 
sene,  Leute  aus  psychiatrischen  Kliniken.  Derzeit  gehbren  der  SSS 
25  Personen  an  zwischen  15  und  65  Jahren.  Momentan  gibt  es  eine  po- 
litische  Auseinandersetzung  mit  der  Stadt.  Ab  1.  Januar  sollen 
1   550.-  DM  Miete  an  die  Stadt  abgeflihrt  werden.   Der  SSS  weigert  sich, 
Miete  zu  zahlen  mit  dem  Argument,  daB  seine  Mitglieder  Sozialhilfe 
ablehnen  und  deshalb  flir  die  Stadt  Kosten  sparen.   Darliberhinaus  for- 
mulieren  sie,  daB  jeder  Recht  auf  Wohnraum  hat.   Inzwischen  ist  ge- 
plant,  neben  Entriimpelungsarbeiten  und  dem  Flohmarkt  Werkstatten 
flir  Kerzenproduktion  und  Holzarbeiten  zu  errichten.   Ziel  des  SSS  ist 
es,  durch  gemeinsames  Leben  und  Arbeiten  alternative  Verhal tensfor- 
men  zu  entwickeln  und  seinen  Mitgliedern  die  Entwicklung  eines  Selbst- 
bewuBtseins  zu  ermbglichen.  Die  Soziale  Selbsthilfe  Stuttgart  legt 
deshalb  groBen  Wert  auf  die  Entwicklung  der  zwischenmenschlichen  Be- 
ziehungen  in  der  Gruppe. 

Sozialistische  Selbsthilfe  Kbln  (SSK1 

Die  Gruppe  ist  hervorgegangen  aus  einem  von  der  Stadt  Kbln  finan- 
zierten  sozial  padagogischen  Projekt  fiir  Heimentlassene.   Im  Laufe  der 
Entwicklung  hat  sich  das  Selbstverstandnis  der  Gruppe  jedoch  ent-    _ 
scheidend  gewandelt  und  sie  hat  sich  inzwischen  vbllig  von  den  stad- 
tischen  UnterstutzungsmaBnahmen  losgesagt.   Die  SSK  hat  ihre    wirt- 
schaftliche  Grundlage  in  eigenen  Firmen  (z.B.   Kohlenhandel ,  Ent- 
riimpelung  u.a.).   Die  SSK  hat  in  Kbln  4  Hauser,  die  z.Teil  besetzt, 
z,.  Teil   angemietet  sind.   Nachdem  durch  diese  Firmen  die  Grundbedurf- 
nisse  der  Einzelnen  abgedeckt  sind,  hat  sich  im  SSK  ein  weiterge- 
hendes  politisches  Selbstverstandnis  entwickelt.   Hauptsa'chliches  po- 
litisches  Ziel   ist  es,  dort  Vorreiter  eines  Kampfes  zu  sein,  wo 
die  Unterdruckung  am  starksten  ist  (z.B.  Hausbesetzungen  fur  andere 
zu  machen).   Die  SSK  umfaBt  in  Kbln  4  autonome  Gruppen.   Einmal  wd- 
chentlich  wird  eine  Ratssitzung  abgehalten,  in  der  alle  fiir  die  Ge- 
samt-SSK  wichtigen  Probleme  beraten  werden  (z.B.   Entscheidung  uber 
Aufnahme  neuer  Mitglieder).  Eine  auf  dieser  Ratssitzung  festgeleg- 
te  politische  Maxime  heiBt,  daB  in  der  SSK  niemand  mitarbeiten  kann. 
der  einen  betrugerischen  oder  unterdriickerischen  Beruf  ausu'bt.   Dazu 
zahlen  auch  von  der  Stadt  bezahlte  Sozialarbeiter. 

Bielefelder  Splhsthilfe  (BIS^ 

Bei  der  BIS  handelt  es  sich  urn  einen  Ableger  der  SSK.  Sie  haben  des- 
halb auch  ahnliche  politische  Vorstellungen  und  Ansatze  des  Kampres. 
Auch  die  Arbeitsorganisation  stimmt  im  wesentlichen  mit  der  ssk  una 


-  78 


DSH  uberein.    In  Bielefeld  sind  einige  Aktionen  gegen  Heime  abgelau- 
fen.   Eine  der  wichtigsten  Aktionen  war  die  gegen  den  Bunker;  der 
Bunker  ist  ein  Heim  fiir  alleinstehende  Manner,  das  paramilita'risch 
verwaltet  wird.   Die  Bielefelder  erhielten  die  Chance,  ein  sehr  gros- 
ses leerstehendes  Madchenheim  anzumieten.   In  diesem  Haus  bewohnt 
die  Gruppe  zwei   Etagen  selber.   Die  ubrigen  Etagen  werden  an  Obdach- 
lose  weitervermietet.   Die  BIS  tritt  dabei  als  Untervermieter  auf. 
Damit  ist  eine  Sicherheit  gegeben,  Leute  auch  wieder  loszuwerden, 
die  sich  in  die  Gemeinschaftsordnung  nicht  einfiigen  kbnnen.  Die  Pro- 
bleme des  Zusammenwohnens  werden  auf  einer  regelmaBigen  Hausver- 
sammlung  geklart.  Die  Bielefelder  berichteten,  daB  die  SSK,  die 
DSH  und  die  BIS  halbjahrige  Treffen  veranstalten,  wo  sie  ihre  Erfah- 
rungen  austauschen  und  gemeinsame  Strategien  festlegen. 

Arbeitslosenselbsthilfe  Frankfurt  -  Bonames    fASH) 
Die  ASH  Frankfurt  ist  aus  einer  Stadtteilkneipe  namens  Elfmeter  her- 
vorgegangen. Durch  siebekam  das  Kneipenkollektiv  Kontakt  mit  arbeits- 
losen  Jugendlichen  und  deren  Problemen.   Es  entstand  der  Plan,  ge- 
meinsam mit  ihnen  in  eine  Wohngemeinschaft  einzuziehen,  urn  nach  dem 
Grundsatz  gemeinsam  leben,  gemeinsam  arbeiten,  sich  zu  organisieren. 
In  Zeitungen  wurde  annonciert,  daB  die  Gruppe  handwerkl iche  Arbei- 
ten, insbesondere  Tapezieren  und  Transporte  ausfiihrt.   In  dem  ersten 
Kollektiv  waren  Leute  aus  sehr  unterschiedlichen  Szenen,  Studenten, 
Arbeitslose,  Lehrlinge,  Schiiler,  Rocker.   Es  stellte  sich  im  Laufe 
der  Zeit  heraus,  daB  sehr  unterschiedliche  Vorstellungen  vom  gemein- 
samen  Leben  vorherrschten.Die  Gruppe  fiel  auseinander  an  der  Frage 
des  gleichen  Stundenlohns  fiir  alle.   Nach  dieser  Entscheidung  sind 
die  Leute  aus  der  Rockerszene  weggeblieben.   Das  ursprungliche  Haus 
wurde  zu  eng.   Es  erfolgte  eine  KLindigung  seitens  der  Stadt  Frankfurt. 
Die  Gruppe  zog  in  eine  leerstehende  Fabrik  urn  und  machte  dort  einen 
Laden  und  verschiedene  Betriebe  auf.  Die  Kosten  der  Gruppe  sind  re- 
lativ  hoch,  allein  die  Mietkosten  der  Fabrik  belaufen  sich  auf 
3000.-  DM.   Beim  Anbieten  von  handwerkl ichen  Tatigkeiten  ergaben  sich 
Konflikte  mit  der  Industrie-  und  Handel skammer.   In  der  Folge  ver- 
legte  sich  die  Gruppe  hauptsachlich  auf  Entriimpelungsarbeiten,  Um- 
ziige,  Transporte  und  den  Verkauf  von  alten  Gegenstanden  auf  dem  Floh- 
markt.  Hinzu  kam  die  Einrichtung  einer  KFZ-Werkstatt.   Die  Gruppe 
versteht  sich  als  ein  alternativer  Betrieb;  d.h.   die  Form  des  Arbei- 
tens  ist  m'cht  hierarchisch.sondern  selbstbestimmt.Wesentl  icher 
Punkt  ist  dabei,  daB  die  eigenen  Bedurfnisse  im  Mittelpunkt  stehen. 
Aus  dem  Vorleben  einer  alternativen  Betriebsorganisation  erhoffen 
sich  die  Mitglieder  der  ASH  Modellwirkung  flir  andere  Bereiche.   Die 
Gruppe  legt  sehr  groBen  Wert  auf  die  Entwicklung  stabiler  zwischen- 
menschl icher  Beziehungen.   Dies  geschieht  vor  alien  Dingen  dadurch, 
daB  kollektive  Bedurfnisse  auch  kollektiv  gedeckt  werden.  Beispiels- 
weise  werden  die  Mahlzeiten  gemeinsam  in  einem  groBen  Gemeinschafts- 
raum  eingenommen  und  die  Freizeit  gemeinsam  gestaltet.   Die  Gruppe 
umfaBt  derzeit  ca.   25  Personen.   Die  Gruppe  hat  keinen  sozialpadago- 
gischen  Anspruch  anderen  gegenu'ber,  sondern  legt  Wert  auf  intakte 
Binnenstrukturen.   Das  bedeutet,  daB  nicht  jeder  zu  jedem  Zeitpunkt 
aufgenommen  werden  kann.   Das  Hereinnehmen  von  neuen  Mitgliedern  wird 
sorqfaltig  in  der  Gruppe  beraten  und  nur  wenn  die  Gruppe  weitere 
Mitqlieder  verkraften  kann,  werden  sie  aufgenommen.   Insgesamt  haben 
die  bisherigen  Erfahrungen  den  Grundsatz  vom  gemeinsamen  Leben  und 
Arbeiten  bestatigt. 

-  79  - 


Snzialoadagoqische  SonderniaBnahmen  Berlin  (SSB) 
Der  SSB  besteht  derzeit  aus  5  selbstandigen  Kollektiven:   das  KFZ- 
Kollektiv;  die  Tischlerei  und  Elektrowerkstatt;  das  Wohnkollekti v 
WeiBbeckerhaus;  Jugendzentrum  Drugstore,  Baugruppe. 
Ziel   dieser  Kollektive  i  st  es,   alternative  Arbeits-  und  LebensTor- 
men  zu  entwickeln,  wobei   langfristig  eine  Qualifizierung  in  Form   von 
Ausbildung,  bzw.  Lehre  angestrebt  wird.   Das  Projekt  ist  entstanden 
aus  einer  Studentengruppe  der  Techn.Universitat.  Da!  We|B~ 

beckerhaus  ist  ein  Haus  fur  obdachlose  Jugendliche,  das  vom  £ena1: 
zur  Verfligung  gestellt  worden  ist.    Ira  WeiBbeckerhaus  selbst  hat  es 
innere  Schwierigkei ten  gegeben.   Es  gab  eine  sehr  hone  Fluktuation. 
Urn  Gruppenfindungsprozesse  voranzutreiben,  wurde  ein  Aufnahmestop 
gemacht.   Zur  Stabilisierung  der  Gruppenmitglieder  wurde  beschlossen, 
daB  jeder  arbeiten  m'usse.   Das  immer  starker  werdende  Problem 

der  Jugendarbeitslosigkeit  und  die  Schwierigkeit.geeignete  Arbeits- 
statten  zu  finden,  war  dann  der  Grund  fur  die  Einrichtung  der  °pen 
beschriebenen  Kollektive.  Die  langfristige  Zielvorstellung  der  Werk- 
statten  ist,  zu  einem  Ausbildungsbetrieb  zu  werden.   Die  Kollektive 
sehen  sich  selber  nicht  als  eine  Alternative  zum  Betrieb,   sondern 
wollen  einerseits  eine  Stabilisierung  gefahrdeter  Jugendlicher  fur 
den  Betrieb  erreichen,  andererseits  aber  auch  aktive  Interessenver- 
tretung  im  Betrieb  als  weitergehendes  Ziel   anstreben.    In  alien  Grup- 
pen  versuchen  sie,Hauptschuler  zu  integrieren.   Fur  Unqual  ifizierte 
versuchen  sie,  uber  den  Senat  in  Zusammenarbeit  mit  der  VHS  Haupt- 
SchulabschluSkurse  einzurichten.   Die  Kollektive  entwickeln  den  An- 
spruch,  sich  selber  zu  tragen  durch  die  Erf  111  lung  von  Auftr'a'gen. 
Das  WeiBbeckerhaus  wird  noch  vom  Senat  finanziell   getragen;  die 
Werkstatten  jedoch  werden  selber  unterhalten. 

Arbeitslosenselbsthilfe  Mannheim  (ASM) 

Die  ASM  ist  zuriickzufuhren  auf  die  Idee  eines  ehemali gen  Rockers, 
der  inzwischen  Sozialarbeit  studiert.  Urspr'unglich  ist  ein  Kqnzept 
entwickelt  worden,  daB  ein  Haus  in  verschiedene  Bereiche  eingeteilt 
werden  sollte:in  den  Wohnbereich,  den  Beratungs-  und  Werkstattbe- 
reich  und  den  Freizeitbereich,  Die  Idee  wurde  realisiert  mit  der 
evangelischen  Kirche  als  Trager.   Das  Haus  steht  seit  nunmehr  2  Jan_ 
ren  und  wird  von  bis  zu  100  Jugendlichen  besucht.  Die  meisten  Jugend- 
lichen  kommen  aus  der  Rockerszene.    Im  Laufe  der  Zeit  si nd  immer  wie- 
der  Zerstbrungen  sowohl   im  Freizeit-  als  auch  im  Wohnbereich  vorge- 
kommen.   Das  Haus  war  urspr'unglich  recht  autoritar  geleitet,  in  der 
letzten  Zeit  setzt  man  auf  eine  sta'rkere  Miteinbeziehung  der  Jugend- 
lichen.   Im  Zuge  der  ArbeitsbeschaffungsmaBnahmen  sind  eine  Reihe 
von  arbeitslosen  Jugendlichen  in  das  Haus  hereingekommen.   Sie  erhalten 
fur  die  Dauer  eines  Jahres  einen  ZuschuB  von  400.-  DM.   Die  Gruppen, 
die  angeboten  werden,  sind:  Tbpferwerkstatt,  Malgruppe.   Auf  lange 
Sicht  ist  geplant,  diese  Gruppen  unabha'ngig  von  Zuschussen  zu  machen. 
Die  weiterhin  auftretenden  Reibungen  zwischen  Rockern  und  den  Jugend- 
lichen, die  im  Rahmen  der  ArbeitsbeschaffungsmaBnahmen  in  das  Haus 
kommen,  sind  noch  nicht  beseitigt. 

Im  Semi narverl auf  wurden  zahlreiche  Unterschiede  im  Hinblick  auf 
die  politischen  Perspektiven,  die  bkonomische  Oberlebens-  und  txpan- 
sionsfahigkeit  der  einzelnen  Ansatze,  ihre  Binnenstruktur  und  deren 
Bedeutunq  fur  die  Stabilisierung  der  einzelnen  Mitglieder  deutncn. 
Ihre  Einstellung  zur  offiziellen  Sozialarbeit  bildete  ein  gememsa- 


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mes  Band.   Erstaunlich  blieb  fur  alle  Teilnehmer  die  Vielfalt  und 
Breite  der  verschiedenen  Ansatze,  deren  Bedeutung  durch  die  Ohn- 
macht  und  Unfahigkeit  der  verschiedenen  sozialen  Institutionen  - 
auch  der  Gewerkschaften  -,  das  Problem  der  Jugendarbei tslosigkei t 
anzugehen,  noch  versta'rkt  wird. 

Neben  zahlreicher  Kritik  am  Seminarablauf  wurden  folgende  positive 
Aspekte  des  Seminars  festgehal ten: 

-  Kennenlernen  von  anderen  Initiativgruppen 

-  erster  Erfahrungsaustausch  der  Gruppen  untereinander 

-  Oberblick  uber  den  Entwicklungsstand  einzelner  Initiativgruppen. 

An  Anregungen  bot  das  Seminar: 

-  besseres  Kennenlernen  der  Arbeit  der  einzelnen  Gruppen  durch 
gegenseitigen  Besuch  und  Mitarbeit  bei   den  anderen  Gruppen  und 

-  gegenseitige  Information  und  Hilfestellung  bei  aktuellen  Proble- 
men. 

Die  Fortsetzung  des  Erfahrungsaustauschs  soil   auf  einem  KongreB 
organisiert  werden,  der  im  Sommer  in  Frankfurt  stattfindet. 

(Auszlige  aus  dem  Protokoll,  das  vollstandig  in  einer  Sondernummer 
der  Zeitschrift  des  Kreisjugendrings  Nlirnberg  erscheinen  wird.) 


ADRESSEN  DER  ARBEITSLOSEN-SELBSTHILFEINITIATIVEN 


UJZ  Glocksee 
Glockseestr.35,  3  Hannover 

Dortmunder  Selbsthilfe 
Dorstfelder  Hellweg  13,  46  Do 

SSS  Stuttgart 
Mauchhaldenstr.7,   7  Stuttgart 

SSK  Kbln 

Salierring  41,  5  Koln 


Bielefelder  Selbsthilfe 
Teichstr.   9,  48  Bielefeld 

Arbeitslosenselbsthilfe  Frankfurt 
Am  Burghof  2o,  6  Ffm  -  Bonames 

Sozialpadagogische  SondermaBnahmen 
Tommy-Wei sbecker-Haus 
Wilhelmstr.9,   1  Berlin  61 

ASH  Mannheim 

Waldhofstr.221,  68  Mannheim  1 


*** 


PFINGSTKONGRESS 

DERARBEITSLOSEN-SELBSTHILFEINITIATIVEN 
28.  -  3o.  MAI  IN  FRANKFURT 

Die  in  Nlirnberg  begonnene  Diskussion  soil  auf  breiterer  Ebene  auf 
dem  PfingstkongreB  fortgefiihrt  werden. Die  Gruppen  haben  Gelegen- 
heit  ihre  unterschiedl  ichen  Ansatze  einzubringen,  darliberninaus 
soil  versucht  werden  fur  alle  alternativen  Projekte  Perspektiven 
zu  diskutieren  und  Mbglichkeiten  der  Zusammenarbei t  zu  finden. 
Die  Gruppen  sind  aufgefordert,  sich  an  der  inhaltl ichen  Vorberei- 
tung  zu  beteiligen.  Schreibt  sofort  an  die  ASH  Bonames (Adr.s.oben) 
Spenden  f .d.Organisation:  Beate  Nilsson,  Dresdner  Bank  Frankfurt 
k  Kto.-Nr.    4.331.278  BLZ  5oo  8oo  oo 


Bund  Demokratischer  Jugend 

ANGRIFF  AUF  DIE  AUTONOMIE  DER  JUGEND  VERB  ANDE 


Mit  Schreiben  vom  12.  Januar  1977  forderte  der  Senator  fur  Familie, 
Jugend  und  Sport  in  Berlin  den  Landesverband  des  BDP  Berlin  ultima- 
tiv  auf,  den  Leiter  der  Jugendbildungsstatte  KaubstraBe  zu  entlassen, 
andernfalls  wlirde  dem  Landesverband  die  Fbrderungswlirdigkeit  aber- 
kannt.  Als  Begrlindung  flihrt  der  Senator  an,  es  lagen  "Erkenntnisse" 
vor,  die  den  SchluS  nahelegten,  der  Bildungsstel  lenleiter  sei  Anha'n- 
ger  des  KBW. 

Mit  dieser  ultimativen  Aufforderung  des  Berliner  Senats  wird  ein 
weiterer  Angriff  auf  die  Autonomie  der  freien  Jugendverbande  gestar- 
tet.  Wie  bei  den  Angriffen  auf  die  Naturfreundejugend  im  Sommer  1976 
wird  hier  in  die  Entscheidungsstruktur  der  Jugendverbande  massiv 
eingegriffen.  Der  Verdacht,  daS  mit  Hilfe  des  JWG,  des  zuklinftigen 
JHG  und  der  "Perspektiven  fur  den  Bundesjugendplan"  die  freien  Ju- 
gendverbande starker  diszipli niert  und  an  die  staatliche  Jugendpoli- 
tik  gebunden  werden  sollen,  wird  durch  diesen  Schritt  erhartet.  Es 
handelt  sich  nicht  nur  urn  einen  Fall  von  Berufsverbot,  wie  es  im 
Sffentlichen  Dienst  schon  langer  u'blich  ist,  sondern  daruberhinaus 
urn  den  Versuch  der  Gleichschaltung  der  Jugendhilfe  und  der  Jugendver- 
bandsarbeiter,  nicht  nur  gegen  einen  Jugendverband,  sondern  gegen 
demokratische  Jugendorganisationen  u'berhaupt.  Zugleich  soil  ein  de- 
mokratischer und  fortschrittlicher  Jugendverband  diszipl  iniert  wer- 
den, der  sich  fur  die  Interessen  lernender  und  arbeitender  Jugendli- 
cher  einsetzt,  flir  demokratische  Rechte,  gegen  RadikalenerlaB  und 
Berufsverbot,  aufgetreten  ist. 

Die  Tatsache,  daB  die  weitere  Fbrderung  der  Bildungsstelle  aus  Mit- 
teln  des  Bundesjugendplanes  nicht  nur  von  der  Entlassung  des  Leiters 
abhangig  gemacht  wird,  sondern,  daB  jeder  zukLinftige  Leiter  vom  Bun- 
desminister  flir  Familie,  Jugend  und  Gesundheit  genehmigt  werden  soil, 
belegt  das  zusatzlich. 

Da  unserer  Auffassung  nach  das  persbnliche  politische  Engagement 
einer  Person  nicht  zu  verwechseln  ist  mit  seiner  beruflichen  Tatig- 
keit  und  seinem  Verhalten  wahrend  der  Arbeitszeit,  ist  das  an  den 
Tag  gelegte  Verlangen  des  Berliner  Senats  eindeutig  als  politische 
Erpressung  zu  sehen  und  stent  im  krassen  widerspruch  zu  demokrati- 
schen  und  arbeitsrechtl  ichen  Prinzipien. 

Da  es  sich  hier  urn  einen  eindeutigen  Angriff  auf  die  Autonomie  der 
freien  Jugendverbande  handelt,  fordern  wir  alle  Jugendverbande  und 
luaendringe  sowie  andere  demokratische  Organisationen  auf,  dagegen 
7ii  nrotestieren.  Der  BDP  wird  alles  in  seinen  Mbglichkeiten  liegen- 
Hp  tun  den  Angriff  des  Berliner  Senats  auf  den  Landesverband  Berlin 
abzuwehren.  Er  braucht  dazu  die  Unterstutzung  aller  anderen  demokra- 
ticrhen  Organisationen  und  Institutionen.  Weiteres  Informationsmate- 
rial  kann  angefordert  werden:  BDP,  Hamburger  Allee  49,  6  Frankfurt 


3£rtmmateo^oIogt&J)e 
ptbliograpfne 


Knminalstatisttlc  als  missing-linkr* 

Die  leidige  "Klassenjustiz" 

Gibt  es  erne  Knmtnologie? 

«£ur  Konkurren?  kriminologischer  Paradigtnata 

Gesamnnhaltsverzeichnis  Heft  1—4 

Verzeichms  der  bibliographierten  Zeitschriften 


Soziale  Interaction  und  Drogenabhangigkeit 

2um  Stellenweri  der  Aufklarung  in  der  Rauschmittelkultur 

Die  Bedeutung  der  Sozialarbeit  im  Rahmen  des  therajwutjchfflB 

Konzeptesder  Behandiung  entwahnungsbediirttigef  Rechtsbrecher 

"ky"  -  ein  Weg  zur  Soziologie 

Ku  rz  besprechu  ngen 

Bibliographic 


BESTELLSCHEIN 

An  die 

..Kriminalsoziologische  Bibliographie" 

c/o  Ludwig  Bollzmann  Institut  fu,  Kriminalsoziologie 

Museumstrafle  12,  Justijpalast 

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Ich  besteiie  hiemit  ein  Abonnemftnt  der  ..Kriminalsoziologischen  Biblio- 
graphie'. beslehend  aus  vier  Lieferungen  turn  Preis  von 

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Unter  sohriH 


LUDWIG  BOLTZMANN 

INSTITUT  FUR  "KRIIW IN ALSOZ I OLOGI E 


Projektgruppe  Heimerziehung,  Frankfurt 

DIE  "SAUBEREN"  METHODEN  DES  INTERNATIONALEN 
BUNDES  FUR  SOZIALARBEIT 


Am  Montag,  24.  Januar  1977,  wurde  den  Mitarbei tern  des  Jugendwohn- 
heimes  ' Zingelswiese'  von  der  Hauptgeschaftsfuhrung  des  Internatio- 
nalen  Bundes  fur  Sozialarbeit  -  Jugendsozialwerk  e.V.  offiziell 
mitgeteilt,  daS  das  Heim  geschlossen  werden  soil  und  dem  gesamten 
padagogischen  Personal  geklindigt  wird  (mit  Ausnahme  von  zwei  Mitar- 
beitern,  die  erst  seit  wenigen  Wochen  in  der  Einrichtung  tatig  sind). 
Die  Jugendlichen  sollen  in  andere  Heime  verlegt  werden,  was  unter 
den  gegenwartigen  Bedingungen  bedeutet,  daS  sie  per  Verwaltungsakt 
aus  ihren  bisherigen  Lebenszusammenhangen  herausgerissen  werden  und 
ihre  schulische  und  berufliche  Ausbildung  gefahrdet  Oder  abgebro- 
chen  wird.  Damit  verringern  sich  die  Chancen,  einen  qualifizierten 
AbschluB  zu  erreichen. 

Mit  der  SchlieBung  der  Zingelswiese  fallen  in  Frankfurt  abermals 
30  Heimplatze  fort,  womit  sich  die  Lebensbedingungen  der  gefahrdeten 
Jugendlichen  im  Frankfurter  Raum  ein  weiteres  Mai  entscheidend  ver- 
schlechtern.  Die  HeimschlieBung  reiht  sich  ein  in  die  Kette  jener 
Entscheidungen  der  letzten  Zeit,  die  auf  dem  Abbau  sozialpadagogi- 
scher  MaBnahmen  abzielen  und  stattdessen  Zwangsmittel  wie  z.B.  'JUPO' 
und  geschlossene  Heime  als  Problemlb'sung  flir  die  aus  gesellschaftli- 
chen  und  familialen  Verhaltnissen  folgenden  Schwierigkeften  vorsehen. 
In  diesem  allgemeinen  Zusammenhang  erscheint  es  urn  so  wichtiger,  die 
HintergrLinde  urn  den  Konflikt  in  der  Zingelswiese  bffentlich  zu  machen. 
Es  ist  das  Anliegen  dieser  Dokumentation,  in  aller  Klirze  mbglichst 
breite  Kreise  der  Offentl  ichkeit  uber  die  Vorgange  der  letzten  Zeit 
zu  informieren. 

Die  Entscheidung  der  Hauptgeschaftsfuhrung  (HGF),  die  Zingelswiese 
zu  schlieBen,  wurde  etwa  ein  halbes  Oahr  nach  dem  Konflikt  im  Sommer 
1976  gefallt,  als  infolge  einer  Auseinandersetzung  mit  den  Jugendli- 
chen sowie  der  Liberwiegenden  Mehrheit  des  padagogischen  Personals 
der  damalige  Heimleiter  E.  Polzer  schlieBlich  gehen  muBte.  Seitdem, 
so  begrlindet  die  HGF  ihre  Entscheidung,  habe  sich  die  Situation  im 
Heim  entscheidend  verschlechtert,  so  daB  im  "Interesse  der  Jugendli- 
chen" die  weitere  Aufrechterhaltung  des  Heimes  nicht  mehr  zu  verant- 
worten  sei.  Demgegenuber  habe  die  Einrichtung  unter  der  Leitung 
E.  Polzers  "in  der  bffentlichen  Erziehung  als  vorbildlich  gegolten". 
(siehe  Artikel  der  Frankfurter  Rundschau  v.  26.1.77) 
In  der  Tat  wurde  in  den  letzten  drei  Jahren  die  Zingelswiese  vom  In- 
ternational Bund  f.  Sozialarbeit  (IB)  und  ihrem  Einrichtungsleiter 
Polzer  als  ein  Modell  angepriesen,  das  mit  einer  Reihe  ehrwiirdiger 
Vorstellungen  aus  der  traditionellen  Heimerziehung  gebrochen  und 
stattdessen  zeitgemaBere  Formen  in  der  Heimpadagogik  verfolgt  (u.a. 
Analiederung  von  Wohngruppen,  Koedukation).  Auch  wenn  E.  Polzer  aus 
rriinden  politischen  Karrieretums  in  der  Offentl  ichkeit  den  Eindruck 
zu  erwecken  sucht,  als  ware  die  Zingelswiese  sein  alleiniges  werk, 

-  85  - 


so  ist  doch  die  pa'dagogische  Praxis  im  wesentlichen  von  den  padago- 
gischen  Mitarbeitern  getragen  worden,  die  imter  schwierigs.teji  Bedin- 
gungen  ihren  Beitrag  zur  sogenannten  "kontinuierlichen  Aufbauarbeit" 
(FR  v.  26.1.77)  im  Heim  geleistet  haben.  Entgegen  gegenteiliger  Be- 
hauptung  in  der  FR  sind  diese  Mitarbeiter  nach  wie  vor  in  der  Ziri- 
gelswiese  bescha'ftigt.  Insofern  erscheint  die  von  der  HGF  verbreite- 
te  Version  mehr  als  unglaubwurdig ,  daB  dieselben  Mitarbeiter,  die_ 
an  der  vorbildlichen  Aufbauarbeit  beteiligt  waren,  nunmehr  plbtzlich 
"unfa'hig"  und  unerfahren  und  nicht  la'nger  in  der  Lage  sein  sollen, 
ihren  padagogischen  Auftrag  zu  erfullen.  Die  Widerspru'chlichkeit  die- 
ser  Argumentation  la'Bt  vermuten,  das  andere  als  die  genannten  Griin- 
de  flir  die  SchlieBung  verantwortlich  sind.  Die  Wende  im  Vernal  tnis 
zwischen  Sozialarbeitern  und  Arbeitgeber  zeichnete  sich  bereits  im 
Mai  1976  ab,  als  der  damalige  Heimleiter  Polzer  den  Versuch  unter- 
nahm,  einem  miBliebigen  Mitarbeiter  zu  klindigen.  Die  Jugendlichen 
sowie  die  uberwiegende  Mehrheit  des  padagogischen  Temas  waren  ge- 
schlossen  der  Auffassung,  daB  die  KUndigung  keinesfalls  gerechtfer- 
tigt  war  und  setzten  sich  dagegen  so  erfolgreich  zur  Wehr,  daB  die 
KUndigung  zurLickgenommen  werden  und  der  Heimleiter  Polzer  gehen  muB- 
te.  Aufgrund  des  massiven  Drucks  der  Jugendlichen  und  der  Cffentlich- 
keit  konnte  sich  der  IB  zum  damaligen  Zeitpunkt  keine  SchlieBung 
erlauben.  Es  dra'ngt  sich  nun  die  Vermutung  auf,  daB  jetzt  mit  einem 
halben  Jahr  Verspatung,  die  politische  Disziplinierung  durch  KUndi- 
gung und  SchlieBung  nachgeholt  werden  soil,  urn  einen  endg'u'ltigen 
SchluBstrich  unter  den  fiir  den  Tra'ger  unbequemen  Konflikt  zu  Ziehen. 

DaB  die  SchlieBung  set  Mai  1976  beabsichtigt  war  und  daB  der  Tra'ger 
nur  auf  einen  gunstigen  Zeitpunkt  gewartet  hat,  la'Bt  sich  anhand 
der  Entwicklung  seit  Sommer  verfolgen.  Im  folgenden  soil  einerseits 
die  Unhaltbarkeit  der  Vorwurfe  der  HGF  gegenUber  den  Mitarbeitern, 
andererseits  das  Vernal  ten  des  Tragers  dargestellt  werden,  der  sich 
eher  als  "Fallenlasser"  denn  als  Tra'ger  entpuppt  hat. 

Die  Darstellungen  des  IB's  in  der  Offentlichkeit  uber  die  Vorga'nge 
in  der  Zingelswiese  zeichnen  in  etwa  folgendes  Bild:  die  Sozialar- 
beiter  wurden  angeblich  tatenlos  zusehen,  "wie  Alkohol-  und  Drogen- 
konsum  im  Heim  zunehmen,  wie  sich  die  Jugendlichen  kriminalisieren, 
wie  sich  Gewalttaten  untereinander  als  auch  gegenUber  Mitarbeitern 
haufen." 

Diese  Vorwurfe  stellen  eine  Verleumdung  der  Mitarbeiter  dar.  Die 
Tatsachen  liegen  doch  genau  umgekehrt:  Jugendliche  kommen  in  die 
Zingelswiese  eben  weil  sie  z.T.  Erfahrungen  mit  Drogen  (Alkohol, 
Rauschgift,  Tabletten  etc.)  gemacht  haben,  wa'hrend  das  erkla'rte  pa- 
dagogische Ziel  darin  besteht,  diese  Flucht  in  eine  Ersatzwelt  zu- 
gunsten  einer  realitatsgerechten  Auseinandersetzung  mit  ihrer  Umwelt 
aufzubrechen. 

Inzwischen  ist  in  der  Zingelswiese  ein  weitaus  geringerer  Alkohol- 
konsum  zu  verzeichnen  als  vor  dem  Konflikt  im  Mai;  die  Sozialarbei- 
ter  brachten  Jugendliche  von  der  'Fixe'  ab  und  integrierten  sie  in 
einen  geregelten  Schulablauf.  Das  AusmaB  an  Zerstorungen  und  Gewalt 
konnte  verringert  werden.  Die  gunstige  Schul-  und  Ausbildungssitua- 
tion  der  Jugendlichen  konnte  in  den  letzten  Monaten  weiter  stabili- 
siert  werden. 


86 


Von  den  bis  Oanuar  1977  im  H 

32  Jugendlichen  besuchten 

3  Jugendliche  die  Oberstufe 

9  Jugendliche  die  Mittelstu 

lere  Reife) 
11  Jugendliche  den  VHS-Kurs 
2  Jugendliche  einen  kaufman 
Ein  Jugendlicher  macht  eine 
rufsfindungsjahr.   Funf  Jugen 
arbeitslos.   Sie  bemu'hen  sich 
Arbeitsplatz. 

Es  ist  unbestreitbar,  daB  di 
uberaus  gunstig  ist  -  besond 
urn  Jugendliche  handelt,  die 
(siehe  FR  v.   26.1.77) 


eim  und  in  den  Wohngruppen  lebenden 

der  Ernst-Reuter-Schule  (Ziel  Abitur) 
fe  der  Ernst-Reuter-Schule  (Ziel  Mitt- 

Ziel   HauptschulabschluB) 
nischen  Lehrgang 

Lehre,  ein  anderer  befindet  sich  im  Be- 
dliche  sind  zum  gegenwartigen  Zeitpunkt 

zusammen  mit  den  Mitarbeitern  urn  einen 

eser  Schul-  bzw.  Ausbildungsspiegel 
ers  wenn  man  bedenkt,  daB  es  sich  hier 
als  besonders  schwierig  gel  ten". 


Zerstorungen  und  Kucheneinbrliche  gehen,  soweit  sie  vorgekommen  sind, 
im  wesentlichen  auf  das  Konto  zweier  Jugendlicher.  Erst  nach  grbBten 
Anstrengungen  gelang  es  uns,  die  beiden  Jugendlichen  anderweitig  un- 
terzubringen.  Zweifellos  hatten  wir  diese  Schwierigkeiten  aufgrund 
eines  skandalbsen  Mangels  an  Unterbringungsmoglichkeiten  fur  Jugend- 
liche mit  derartigen  Problemen. 

Wa'hrend  die  Sozialarbeiter  unter  den  schwierigen  Bedingungen  der 
Heimarbeit  in  den  letzten  Monaten  ihr  mbglichstes  getan  haben,  hat 
der  Tra'ger  nichts  unversucht  gelassen,  die  Arbeitsbedingungen  noch 
weiter    zu  erschweren.  Nach  dem  Konflikt  im  Sommer  1976  hat  der  IB 
anstatt  die  Sozialarbeiter  und  Jugendlichen  bei  der  Neukonzipierung 
des  Heimlebens  zu  unterst'iitzen,  als  erstes  in  einem  admini strati ven 
Akt  den  Mitarbeitern  einen  neuen  Heimleiter  vorgesetzt.   Wie  sich  im 
weiteren  Verlauf  leider  herausstellte,  fehlten  diesem  die  notwendi- 
gen  Fuhrungsqualita'ten  ebenso  wie  die  von  einem  Heimleiter  zu  erwar- 
tende  inhaltlich  konzeptionelle  Kompetenz.   Sta'ndige  Kontakte  zum 
vorgesetzten  Abteilungsleiter  Forberg,  vermochten  jenes  Qualifika- 
tionsdefizit  nicht  auszugleichen. 

Der  bauliche  und  wohnliche  Zustand  des  Hauses  war  schon  seit  lan- 
gerem  fur  die  Jugendlichen  und  Sozialarbeiter  unzumutbar.  Jedoch 
wurden  die  seit  Fr'u'hjahr  1975  geplanten  Umbau-  und  Renovierungsar- 
beiten  immer  wieder  hinausgeschoben  mit  dem  Argument,  daB  das  Heim 
einen  Teil   der  erforderlichen  Finanzen  selbst  erwirtschaften  musse. 
Dies  fUhrte  zu  einer  unverantwortlichen  Aufnahmepolitik   (Oberbele- 
gung,   keine  padagogisch  vertretbare  Auswahl   von  Jugendlichen,  sehr 
hohe  Fluktuation),   deren  Folgen  auch  nach  dem  Sommer  1976  abzutra- 
gen  waren.   Der  Tra'ger  unternahm     nichts,  urn  den  von  den  zusta'ndigen 
Stellen  (Stadtjugenda'mter,  Landesjugendamt  und  Landeswohlfahrtsver- 
band)  seit  dem  Konflikt  verha'ngten  Einweisungsstopp  wieder  aufzuhe- 
ben.   Die  Situation  wurde  urn  ein  weiteres  verscha'rft,  als  das  Landes- 
jugendamt    im  November  1976  weitere  Auflagen  machte  bezuglich  drin- 
gend  notwendiger  Instandssetzungsarbeiten,   Renovierung  von  sanitaren 
Anlagen,  Anschaffung  wohnlichen  Inventars  usw. 

Die  Versprechungen  des  Tragers,  er  werde  die  Auflagen  bis  zum  1.2.1977 
erfullen,  urn  dann  im  Fruhjahr  1977  endgultig  mit. dem  Umbau  zu  begin- 
nen,  erwiesen  sich  Anfang  dieses  Jahres  als  leere  Hinhal tetaktik  ge- 

-  87  - 


genu'ber  den  Mitarbeitern  und  Jugendl  ichen,  die  er  standig  uber  ihr 
weiteres  Schicksal  im  Ungewissen  lieB.  Der  Trager  wuBte,  daB  die  Ver- 
nachlassigung  der  materiellen  Vernal tnisse  im  Heim  eine  Reaktion  des 
Landesjugendamtes  hervorrufen  wlirde,  mit  dessen  Argumentationshilfe 
er  sich  jetzt  von  diesem  ihm  miBliebigen  Projekt  bffentlicher  Er- 
ziehung  glaubt  zuru'ckziehen  zu  kbnnen.  War  das  Heim  durch  den  Ein- 
weisungsstopp  bereits  in  die  roten  Zahlen  gekommen,  so  konnte  die 
HGF  nun  gegenliber  der  Offentlichkeit  erklaren,  da8  die  Kosten  fiir 
den  llmbau  (Ende  des  Jahres  1976  sprach  man  von  DM  170.000.  —  ,  jetzt 
dagegen  von  DM  450.000.  —  !)  finanziell  nicht  zu  tragen  seien.  Da 
die  Auflagen  des  Landesjugendamtes  "praktisch  nicht  erflillbar  sind" 
(siehe  FR  v.  26.1.1977),  glaubt  sie,  sich  als  nicht  verantwortl  ich 
darstellen  zu  kb'nnen:  schlieBlich  folge  sie  ja  lediglich  den  Em- 
pfehlungen  des  Landesjugendamtes. 

Es  zeigt  sich,  daB  der  IB  als  Trager  seinen  selbst  gesetzten  An- 
spruch,  soziale  Jugendarbeit  zu  leisten,  irmier  weniger  nachzukommen 
bereit  ist.  In  der  Vergangenheit  wurden  im  Frankfurter  Raum  bereits 
das  Madchenwohnheim  'Emil-Claar-StraBe' ,  das  Madchenwohnheim  Bonames 
und  das  Jugendwohnheim  in  Darmstadt  geschlossen  -  alles  Einrichtun- 
gen  des  IB's.  Die  SchlieBung  der  Zingelswiese  zeigt  wieder  einmal, 
daB  man  sich  unbequemen  Konflikten  durch  die  einfache  Problemlb- 
sungsmethode  'SchlieBung'  zu  entledigen  sucht.  Konkret  heiBt  das: 
der  IB  will  die  Jugendlichen  loswerden,  weil  sie  im  Somnterkonflikt 
unter  Beweis  gestellt  hatten,  daB  sie  in  der  Lage  sind,  ihre  Inter- 
essen  zu  erkennen  und  selbstbewuBt  durchzusetzen;  und  die  Mitarbeiter, 
weil  sie  ein  fortschrittliches  Erziehungskonzept  verfolgen  und  sich 
als  aktive  Gewerkschafter  und  Vertrauensleute  im  IB  betatigen  und 
fur  den  Aufbau  weiterer  Betriebsgruppen  im  Verband  einsetzen. 

Der  HGF  geht  es  urn  die  Durchsetzung  einer  'heilen  Welt'.  Inmitten 
der  sich  verscharfenden  gesellschaftlichen  Konflikte,  der  zunehmen- 
den  Arbeitslosigkeit  und  Kriminalisierung  der  Jugendlichen  glaubt 
sie  offenbar,  diese  'heile  Welt'  mit  den  alten  Methoden  der  Durch- 
setzung einer  auBeren  Ordnung  (standige  Rauswurfdrohungen,  Sanktio- 
nen)  herstellen  zu  miissen.  Da  sich  auf  diese  Weise  die  bestehenden 
Probleme  nicht  Ibsen  lassen,  wird  sich  der  IB  der  gegenwartigen  Ten- 
denz  in  der  Jugendarbeit  anschlieBen:  sowohl  die  verschiedenen  pri- 
vaten  Trager  als  auch  die  kommunalen  Instanzen  entziehen  sich  den 
Problemen  im  Frankfurter  GroBstadtraum  und  planen  Jugendheime  der 
alten  Form  -  zuru'ck  zur  Konzeption  von  geschlossenen  Heimen  in  land- 
lichen  Gegenden. 

Planung  dieser  Art  und  die  hinter  ihnen  stehenden  politischen  Inten- 
tionen  widersprechen  den  elementarsten  Prinzipien  einer  Sozialpada- 
gogik,  die  auffallig  gewordene  Jugendliche   integrieren  und  zum 
selbstandigen  und  eigenverantwortl ichen  Bestehen  in  ihrer  Umwelt  be- 
fahigen  will.  Die  "Inselpadagogik"  geschlossener  Heime  kann  -  wie 
ausgefeilt  die  therapeutischen  und  padagogischen  Zielsetzungen  auch 
sein  mbgen  -  den  Jugendlichen  keinerlei  Verhal tenskompetenzen  fLir 
ihr  spa'teres  Leben  vermitteln;  vielmehr  wird  sie  unserer  Meinung 
nach  die  brennenden  Probleme  der  einzelnen  Jugendlichen  in  direkt  re- 
pressiver  Oder  aber  sublimer  Weise  unterdriicken  Oder  verschleiern. 


KOORDINIERUNGSSTELLE  FDR  WOHNGEMEINSCHAFTEN 

IM  BEREICH 

JUGEND-  UND  SOZIALARBEIT  GEGRDNDET 


Mehrere  1976  durchgefuhrte  Treffen  von  Vertretern  von  Jugendwohnge- 
meinschaften  fUhrten  zur  Idee, die  Koordi nation  und  Kooperation  zu 
verstarken.  Bei  den  Treffen  khstallisierte  sich  heraus,  daB  die 
Wohngemeinschaftsarbeit  trotz  ihrer  Ausdehnung  von  den  ehemaligen 
Jugendwohnkollektiven  der  Heimkampagne  1969/70  fiir  deklassierte 
Jugendliche  innerhalb  des  bffentlichen  Erziehungsbereichs  auf  den 
Bereich  der  offenen  Jugendarbeit  bis  hin  zum  Resozialisierungsbe- 
reich  immer  noch  an  der  Isolation  solcher  Einrichtungen  untereinan- 
der  krankt. 

Ansatze,  diese  Isolation  zu  uberwinden,  sind,  wie  die  Jugendwohnge- 
meinschaftsbewegung  gezeigt  hat,  meist  gescheitert,  da  nie  konse- 
quent  verfolgt.  Nicht  zuletzt  dadurch  wurden  die  Schwierigkeiten  in 
padagogischer,  rechtlicher  und  finanzieller  Hinsicht  in  ihrer  konse- 
quenten  Lbsung  behindert.  Urn  diese  Isolation  vor  allem  untereinan- 
der  zu  Liberwinden,  sollte  eine  uberregional e  Koordinierungsstell e 
(KoSt)  geschaffen  werden. 

Inhaltlicher  Rahmen 

Zur  kurzfristigen  Perspektive  der  KoSt  soil  eine  detail lierte  Be- 
standsaufnahme  der  Jugendwohngemeinschaftslandschaft  einschl ieBl ich 
ihrer  Modifikationen  sowie  eine  an  ihrer  inhaltlichen  Arbeit/Ziel- 
gruppe  gemessenen  Klassifizierung  gehbren;  daraus  abgeleitet  eine 
Informationssammlung  und  -verteilung  und  eine  Koordination  von  Akti- 
vitaten:  Organisation  eines  kontinuierlichen  Erfahrungsaustausches, 
Organisation  von  themenspezifischen  Tagungen,  regionale  Koordination 
von  Interessen,  offentlichkeitsarbeit  durch  kontinuierlichen  Bezug/ 
Information  an  fachspezifische  Publikationen. 

Langfristig  wird  angestrebt,  die  KoSt  auszubauen  zu  einem  zentralen 
Punkt  der  Erfassung/"Archivierung"  von  relevantem  Arbeitsmaterial , 
der  Erstellung  von  Info-Mappen  (z.B.  Prazisierung  und  Erweiterung 
der  Information  Liber  Rechtsgrundlagen  einer  Jugendwohngemeinschafts- 
arbeit,  Katalogisierung  von  Fbrderungsmbgl ichkeiten,  Erfassen  von 
Bffentlichen  Stellungnahmen,  Richtlinien,  Gesetzesnovel  len,  Ausfiih- 
rungsbestimmungen  im  Rahmen  der  Jugend-  und  Sozialarbeit). 
Dabei  wird  es  allerdings  notwendig  sein,  daB  die  einzelnen  Einrich- 
tungen sich  aktiv  von  ihrer  Seite  aus  an  der  Arbeit  der  KoSt  betei- 
ligen. 

Grundsatzliches  Anliegen  ist  also  die  Herstellung  eines  dauerhaften 
Austausches,  die  Realisierung  von  gegenseitigen  Kontakten,  die  In- 
formationssammlung und  -verteilung,  urn  eine  Vereinheitlichung  des 
Diskussionsstandes  zu  erreichen  und  dem  isolierenden  "Vor-sich-her- 
arbeiten"  entgegenzutreten. 


-  89  - 


Organisatorischer  und  finanzieller  Rahmen 

Die  KoSt  wird  hauptverantwortlich  zunachst  von  einer  Person  besetzt 
sein.   Die  Arbeit  wird  auf  ein  Jahr  terminiert,  um  danach  eine  Aus- 
wertung  des  Geleisteten  vorzunehmen.  Um  die  Arbeit  in  der  Anlaufpha- 
se  sowie  die  verantwortliche  Person  zu  unterstlitzen,  verpflichten 
sich  Einrichtungen  sowie  Einzelpersonen,  monatlich  feststehende  Spen- 
den  auf  ein  Sonderkonto  zu  zahlen.  Zur  Kontrolle  und  zur  arbeitsmas- 
sigen  llnterstutzung  der  Arbeit  dieser  Person  bildet  sich  eine  sechs 
bis  acht  Personen  starke  Arbeitsgruppe  (AG  KoSt),  die  in  regelmas- 
sigen  Abstanden  zusatmtentrifft  und  die  anfallenden  Probleme  sowie 
die  weitere  Organisation  diskutiert  und  beschlieBt. 

Wer  mitarbeiten  will  oder  dieses  Projekt  finanziell   unterstlitzen  will  , 
wende  sich  an: 

Elisabeth  GILicks 
Flaesheimer  Str.   10 
4358  Hal  tern 
Tel.   02364/7149 


SOZIALPOLITISCHES  AKTIONS-  UND  INFORMATIONSZENTRUM 

Seit  einigen  Monaten  gibt  es  in  Heidelberg  das  Sozialpolitische 
Aktions-  und  Informationszentrum,  auch  SPAZ  genannt,  das  gleich- 
zeitig  Regionalbiiro  der  AG  SPAK  ist. 

Das  SPAZ  will  alien  sozialpolitisch  arbeitenden  Gruppen  und  Einzel- 
personen die  organisatorische  Mbglichkeit  zur  lokalen  und  regionalen 
Zusammenarbeit  bzw.   Kontaktaufnahme  bieten. 

Mi t  dieser  Koordi nation  soil   versucht  werden  den  reaktionaren  und 
restaurativen  Tendenzen,  die  auch  im  sozialpolitischen  Bereich  inner 
splirbarer  werden,  wirksam  etwas  entgegen  zu  setzen.   Voraussetzung 
ist,  daB  sich  die  einzelen  (und  vereinzelten)  Gruppen  und  Personen 
zusammenschlieBen,  Erfahrungen  austauschen,  gemeinsame  Aktionen 
planen  und  dabei  ihre  Forderungen  durchsetzen.SPAZ  will   darliber  auch 
einen  sinnvollen  Bezug  von  Theorie  und  Praxis  herstellen,  was  be- 
deutet  vor  all  em  eine  kritische  Reflexion  von  alten  und  neuen  Erfah- 
rungen im  sogenannten  Randgruppenbereich. 

Dies  sind  erste  Uberlegungen,  die  mit  mitarbeitenden  Gruppen  und 
Einzelen  diskutiert  werden  sollen.   Bisher  wurde  ein  Psycho-Arbeits- 
kreis(18  Uhr  Donnerstag.Plbck  32a,Hinterhaus)   und  ein  Arbeitskreis 
fiir  Sozialarbeiter  eingerichtet.FLir  den  16./17.  April   ist  ein 
sozialpolitisches  Regional treffen  geplant. 


ARBEITSTAGUNG  "HEIMERZIEHUNG" 


Das  Redaktionskollektiv  "Info  Sozialarbei t"  veranstaltet  am  25.726. 6. 
eine  Arbeitstagung  zur  Heimerziehung  im  Kolner  Lehrer-  und  Sozialar- 
beiterzentrum. 

Wir  wollen  dazu  beitragen,  daB  die  Diskussion  Liber  die  Heimerziehung 
wieder  aufgenommen  wird,  die  nach  den  Heimkampagnen  Ende  der  sech- 
ziger  Jahre  abgerissen  ist.  -  Geredet  wird  liber  Heine  nur  noch  von 
Professoren  und  Verbandsfunktionaren,  wahrend  Erzieher  und  Sozialar- 
beiter vereinzelt  und  isoliert  zunehmend  resignieren.   Die  ehemals 
versprochenen  Reformen  sind  weitgehend  ausgebl ieben.   Neue  reprasen- 
tative  Gebaude  haben  nichts  an  den  liberkommenen  inneren  Strukturen 
geandert.   An  die  Uffentl ichkeit  kommen  nur  noch  spektakulare  Ausein- 
andersetzungen  um  HeimschlieBungen  und  Entlassungen  von  Kollegen. 

Ausgespart  bleiben  die  konkreten  Arbeitsbedingungen,  denen  die  Erzie- 
her und  Sozialarbeiter  in  ihrem  Berufsalltag  ausgesetzt  sind. 
Die  permanente  Oberforderung  und  psychische     Belastung  angesichts 
der  berechtigten  aber  kaum  zu  befriedigenden  Anspriiche  und  Bediirfnisse 
der  Kinder  und  Jugendlichen  und  die  Ohnmacht  gegenuber  den  institut- 
ionellen  Strukturen  flihren  dazu,  daB  die  Kollegen  oft  nach  2-3  Jahren 
aufreibender  Sysiphusarbeit  die  Einrichtungen  wieder  verlassen. 

Die  wenigen  Modelleinrichtungen  haben  in  erster  Linie  Alibicharakter 
als  Aushangeschilder  der  Verbande,  liefern  Stoff  fiir  neue  Fachbucher, 
aber  keine  Handhabe  zur  Verbesserung  der  allgemeinen  Situation  in  der 
iiberwiegenden  Mehrzahl   der  Heime. 

Um  Mbglichkeiten  zu  diskutieren,  aus  dieser  Sackgasse  herauszukommen 
und  gemeinsam  handlungsfahig  zu  werden,  mu'ssen  Erzieher  und  Sozial- 
arbeiter ihre  Sache  selbst  in  die  Hand  nehmen.   Wir  meinen,  daB  eine 
solche  Diskussion  hautnah  an  den  taglichen  Erfahrungen  ansetzen  sol- 
lte  und  z.B.    folgende  Prablemkreise  aufgreifen  mliBte: 

•  Erfahrungsaustausch  liber  Stellenplane.Dienstplane 
hierachische  Einstufungen.Oberstunden.Nachdienst  etc.; 

•  Mbglichkeiten  des  Austausches  unter  den  Kollegen  am 
Arbeitsplatz.padagogische  Konzepte,Fortbil dung, Supervision; 

•  Auswirkungen  der  Jugendarbeitslosigkeit  und  der  neuen  Vol  1- 
ja'hrigkeitsregelung  auf  die  Jugendlichen  und  die  padagogische  Arbeit; 

•  Psychische  Belastungen  aus  dem  Spannungsfeld  zwischen  der 
eigenen  Lohnerziehersituation  und  der  solidarischen  Betroffen- 
heit  gegenuber  den  Kindern  und  Jugendlichen; 

•  Mbglichkeiten  gewerkschaftlicher  Organisierung 

Wir  halten  es  fur  sinnvoll,  wenn  auch  Berater  aus  Jugendwohnkollektiven 
an  der  Tagung  teil nehmen.  Anmeldunqen  an  das  Redaktionskollektiv. 


MATERIALIEN/KLEINANZEIGEN 


Heidelberg  Free  Clinic  -  Jahresbericht  1976,  ca.   4o  S.;  Bezug  gegen 
eine  Spende  liber  Free-Clinic,  Brunnengasse  2o-24,  69  Heidelberg   1 
Frzieher-Zeitung  Nr.   lo  enthalt  Beitra'ge  zur  Kindergartensituation 
und  das  UTV-Grundsatzpapier  zur  Arbeit  mit  Erzieherinnen.  Gegen  vor- 
einsendung  von  DM  2,--  bei   EZ-Redaktion,  Heinrich-Fuchs-Str.3, 
69  Heidelberg 

Knast-Dokurcentation  zur  Aussperrung  von  ehrenamtlichen  Betreuern: 
Berichte  von  3  Hrojektgruppen  und  ihrer  Aktionen  gegen  diese  Aus- 
sperrung, 45  S.   Gegen  eine  Spende  zu  beziehen  liber:  AG  SPAK, 
Friesenstr.   13,   1   Berlin  61 

Dokumentation  zum  Drogenbus,  eine  Auswertung  des  durch  das  Sozial- 
ministerium     Baden-Wurttemberg  zum  Scheitern  gebrachten  Projekts. 
Gegen  Oberweisung  von  DM  4.-  auf  das  Konto  Nr.   606  136  Kreisspar- 
kasse  Tubingen  liber  Johanna  Neumann,   Bei  der  Ochsenweide  13, 
74  Tubingen  1   zu  beziehen 

Thi nq-Jugendzei tunq  enthalt  Berichte  liber  JZ-Pressefest,  Antimili- 
taristentreffen,  Wolf  Biermann,  Brokdorf.   Bezug:   Roter  Maulwurf , 
Carmer  Str.    11,1    Berlin  12 

AMOS-KHtische  Blatter  aus  Westfalen  Nr.   5  enthalt:   Schwerpunkt- 
thema  Kernenergie,   sowie  Berichte  aus  dem  kirchlichen  Bereich. 
Bezug:   AMOS,  Querenburger  Hbhe  287,  463  Bochum 
Literatur  zur  Frauenbewegung:   Im  Verlag  Arndtstr.   31,  6  Frankfurt 
sind  soeben  erschienen:   Hedwig  Wohm,  Die  Antifeministen  und  Hedwig 
Dohm,  Werde  die  Du  bist.  Oe  9.-  DM 

"Den  Frieden  erkampfen  -  Den  Frieden  leben"   eine  260  seitige  Doku- 
mentation liber  das  in.  hestival  der  rriedensdienste  1976.  Gegen 
Voreinsendung  von  DM  5.-  +  Porto  zu  beziehen  bei:   Aktion  Suhnezei- 
chen/Friedensdienste  e.V.,  Jebenstr.   1,  1   Berlin  12 
Montagsnotizen  -  Zeitung  von  Wohngemeinschaften  -  rait  dem  Thema 
"Atomkratt-Nein  Danke",  sowie  weiteren  aktuellen  Berichten  und 
Hinweisen.Nr.  18/19  soeben  erschienen.  Gegen  Voreinsendung  von 
DM  1.50  zu  beziehen  liber  "Montagsnotizen",  Schanzenstr.  6, 
2  Hamburg  6 

Neue  Jugendzentrumszeitunqen:  a)  Komm-Zeitung  -  Jugendeigene  Zei- 
tung  des  Kommunikationszentrums  Nlirnberg,  Kbnigstr.   93.   b)  Schnlir- 
schuh-Zeitung  -  Jugendeigene  Zeitung  des  Zentrums  Fedelhbren  43, 
28  Bremen  . '         . 

Knipperdollinq  -  Sondernummer  liber  Jugendpoli  ti  k  und  -arbeit  in 
Munster.    Eine  Dokumentation  liber  institutionel  le  und  orgamsato- 
Tische  Grundlagen,   Erfahrungsberichte  und  Ergebnisse  aus  einzelnen 
Einrichtungen  und  Veranstaltungen  sowie  Organisierungsversucne  usw. 
Geqen  Voreinsendung  von  DM  1.50  +  Porto  zu  beziehen  u'ber: 
Dieter  Schnack,  Schillerstr..  74a,  44  Munster  u„hnnempin 

Biicher  aus  der  Praxis  fur  die  Praxis,  insbes.  Bucher  zu  Wohngemein- 
schaftsproblemen,  Alternat^projel^n,  Antimi   itansmus  etc. , 
Katalog  anfordern:   Direkt-Verlag,  Bremerstr.  11,  6236  Eschborn 


■  Folk  Songs  und  politische  Lieder  singen  Maria  &  Hinnerick.  Gruppen 
schreiben  an  Maria  A  Hinnerick,  Graelstr.  9,  44  Munster,  Tel. 0251- 
58299 

I  MEK  BILK  ist  eine  Rockgruppe;   ihre  Lieder  beschreiben  Situationen, 
persbnliche  Erlebnisse  und  sollen  Geflihle  vermitteln;  sie  verste- 
hen  sich  nicht  als  Sprachrohr  einer  Partei .   Wer  eine  Veranstaltung 
mit  ihnen  machen  will,   schreibe  an:  MEK  BILK,  Hammerstr.   38, 
4  Dusseldorf,  Tel.  0211/393216 

STELLENANGEBOTE/STELLENSUCHE 

•  NeugegrLindetes,  mobiles  Kinder-   und  Jugendtheater  sucht  flir  Vorflihr- 
theater,  Spielaktionen,   Roll enspi el kurse  vornehml i ch  im  Ausland 
weitere  Mitarbeiter  (Schauspieler)  ab  1978.   Kontakt:  Theatergesell- 
schaft,  Myliusstr.    24/V,  5  Kdln  30,  Tel .0221 /520775 

I  Wir  suchen  einen  Zivildienstleistenden  flir  Kommuni  kationszentrum 
und  Jugendclub  Teestube  16b  e.V.,  Leipziger  Str.  165,  64  Fulda 

•  Mitarbeiter(in)   flir  Rechtsanwaltsbliro  im  Ruhrgebiet  auf  Dauer  ge- 
sucht.  Gute  Schreibmaschinenkenntni  sse  erforderlich.   Fachkenntnisse 
werden  gegebenenfalls  vermittelt.  Zuschriften  unter  3/26  an  das 
Sozialistische  Biiro 

>  Zivildienstleistender,  mbglichst  mit  sozialpa'dagogischer  Ausbildung 
flir  OT-Jugendheim  in  Dliren  gesucht.  Berufspraktikum  mbglich.  Anfra- 
gen  unter  Chiffre  3/27  an  Sozialistisches  B'uro 

•  Mitarbeiterin  flir  Droqenberatungsstelle  ab  1.4.77  gesucht.  Bereich: 
Knastarbeit  mit  drogenabhangigen  Madchen  und  Frauen  (Einzel-  und 
Gruppenarbeit,  Vermittlung  in  Therapie  etc.).   Schriftliche  Bewer- 
bung  an:   Release  Stuttgart  e.V.,  Neckarstr.   233,  7  Stuttgart  1 

•  Evangel ische  Studentengemeinde  Kiel  sucht  zum  Winter-Semester  77/78 
Studentenpfarrer.    ESG  Kiel  ,  Westring  385 

I  Grundschul  lehrer'(in)  flir  Eingangsstufenversuch  mit  sozialpadagogi- 
scher  QualiTikafion  und  Praxis  gesucht.  Anfragen:   Prof.   Arnuld  Hopf 
Universitat  Oldenburg,  Ammerlander  Heerstr.    67-99,  29  Oldenburg 

•  Rrzte  (All gemeinmed., Kinder-  und  Gyn.-)  und  Krankengymnastin  flir 
Projekt  "Gruppenpraxis"   in  Bielefeld  gesucht,   Karin  Hoffmann, 
Ravensbergerstr.   47,  48  Bielefeld  1 

•  Selbstverwaltetes  Jugendzentrum  in  Neunkirchen/Saarland  sucht 

2  Sozialarbeiter/Sozialpadaqogen  zum  1.  April  oder  spa'ter.   Kontakt 
liber  Michael- Burkert,  Wilhelmstr.   4,  668  Neunkirchen/Saar 
t  Sozialpadagoge,   29  Jahre,  verh.,  1    Kind  sucht  Tatigkeit  in  der  Vor- 
schul-  Oder  auf3erschulischen  Kinderarbeit  im  Raum  Kbln/Dlisseldorf/ 
Krefeld.   Bisherige  Erfahrungen:   Abenteuerspielplatz,  0T,  Schiiler- 
laden.    Informationen  liber  offene  Stellen  an  Sozial  istischen  Biiro     - 
Chiffre  3/30 

•  Sozialarbeiter  sucht  zum  nachstmbglichen  Termin  eine  Stelle  flir  das 
Berufspraktikum,  vorzugsweise  in  den  Bereichen  Auslanderarbeit/ 
Jugendarbeit/GWA  im  Raum  Ostwestfalen-Lippe.    Bei   unterstiitzungswiir- 
digen  Initiativen  Vergiitung  entsprechend  finanziellen  Mbglichkeiten. 
Helmut  Meier,  Oststr.   9,  48  Bielefeld  1 

I  Sur.he  Zivi Idienststell e  zum  1.   Juli    1977  im  Raum  Marburg.   Habe 
Staatsexamen  in  Geschichte,  Deutsch,  Padagogik.   Zuschriften  unter 
Chiffre  3/33  an  Sozialistisches  Biiro 

■  Sozialarbeiter  sucht  zum  1.8. /I. 9. 77  Stelle  fur  Berufspraktikum 
im  Raum  Hessen  oder  Ruhrgebiet.   Bin  25  J.   habe  Berufserfahrung  in 
den  Bereichen  Verwaltung,  Gesundheitswesen  und  Heim.  Zuschriften 
an  Norbert  Maurer,   Kronprinzenstr.    67,  469  Heme  1 


I  Sozialpadaqoge,  35  J.,   handwerklicher  Vorberuf,  Berufserfahrung 
'in  Erwachsenenbildung,  Vorschulerziehung,  Suchtberatung  und  ambu- 
lante  Therapie  sucht  Tatigkeit  im  Raum  Hamburg.   Zuschnften  unter 
Chiffre  3/35  an  Sozialistisches  Bliro 

•  Erzieherin,  27  J.   sucht  nach  Beendigung  des  Berufspraktikums  zum 
1.9.77  eine  Stelle.  Angebote  unter  Chiffre  3/36  an  Sozialistisches 
B'u'ro 

■  Absolventen   (2)  der  FSP  Bethel/Bielefeld  suchen  fur  lhr  Anerkennunqs- 

jahr  ab  August/September  Stellen  in  der  Kinder-  oder  Ougendarbei  t. 

lodo  Schirok,  Schrbttinghauserstr.   207,  48  Bielefeld 
I  2  Sozialpadagoginnen  suchen  Mogl  ichkeit  zur  Kindergruppenarbeit   in 

Obdachlosensiedlung  Oder  Arbeiterviertel .  Teamarbeit  erwiinscht. 

Renate  Drechsel  ,  Webergasse  2,   8833  Eichsta'tt 

ARBEITS-/WOHN-/FREIZEITKONTAKTE 

•  Wir  suchen  ein  Haus  auf  dem  Land,  das  sich  als  Kleinheim  eignet 

und  Kontakte  zu  Leuten,  die  alternative  Arbeit  mi t  behinderten  Kin- 

dern  praktizieren  und  Erfahrungen  in  Organisationsarbeii:  liaben. 

Ursula  Obersdorf,   Kollegienwall    22,  45  OsnabrLick 
I  Jugendpsvchiatrie:  Wir  wollen  eine  Wohngemeinschaft  fur  Jugendlicne, 

die  in  stationarer  Behandlung  waren,  griinden.   Wir  suchen  Gruppen, 

die  ahnliches  planen  oder  bereits  arbeiten.   Kontakt:   Peter  Walpurgis, 

Semperstr.   66,  2  Hamburg  60 
>  Aktions-  und  Pi skussionsapmeinschaft  (Frauenemanzipation,  Kinder- 

erziehung,  Initiative^  die  sich  am  SB  orientieren) :  wer  beteiligt 

sich  am  Aufbau?  Kontakt:   Helmut  Schmalenbach,  Pastor-Nonne-Str.35, 

5830  Schwelm 
I  Wir  (2  w,  1  m,  alle  ca.   25  J.)   suchen  Leute  im  Raum  Bonn,  zwecks 

Griindung  einer  Wohngemeinschaft.  Tel.   02221  /355P6 
I  Erzieherin  (24  J.)   sucht  bis  zum  1.7.77  in  Heidelberg,  in  einer 

Wohngemeinschaft  ein  Ziramer.  Susanne  Bulka,  Beutingerstr.   25, 

71   Heilbronn 
I  Wir  (Esther  1,  Marco  2,   Irene  23,  Glinter  26)   suchen  Kontakt  zu 

Freunden,  Genossen,  die  mit  uns  alternative  Lebensform  praktizieren 

wollen.  Glinter  Schnelle,   Berliner  Str.  7,  355  Marburg-kichtsberg 

BsszsaLest  und  abonniert  dienzzzsasazEzaazafflnzsss 

Im  Gegensatz  zur  Ublichen  "Fachpresse"  berichtet  die  'hez'  Uber  die 
Berufswirklichkeit.  Probleme  in  Heim,  i.  d,  Kindertaqesstatte  und  IB 


qendwo    ■> >•-.  racism  r„_ ••-■• 

■■ ■   _-fi    keine  Honorare.  Den  Inhalt  gestalten  die  Laser  in  dem 

uSCnrilt  HaBe,  wie  sie  sich  durch  ihre  Korrespondenzen  daran  be- 
'  '      ";ez'  erscheint  monatlich  und  kostet  pro 


ilka  tei linen.  Uie  'hez'  erscneint  monatncn  una  miuij" 

Halbiahresabo  (Mindestdauer!)  12.— DM  einschl.  Porto  Probeexenplare  geqen  Vor 
auseinsendunq  von  Z.-ON  in  Brjefiarken  Auszubildende  zahlen  geaen  Zusendung 
einer  Beschefnigung  der  Ausbildungss taite  pro  HaTb  ahr  nur  9.-QB.  RffiJJtf^a 
durch  Postkarte  an  die  Hern-  und  Erzieher-Zeitschrift  1  Bin-  61  Urbanstr  l-re 
(Laden)  Alle  Zahlungen  nur  Postschekkonto  Bln.W  35  B6  36  -  109  Detlev  lariscn. 

Im  Selbstverlan    Reihe  Arbeltsuaterialien  zur  Helnerzlehim.  In  2.  A"fiagekS7_ 
schienen'  «E  nqeschlossen  -  Ookumentation  Hauptpflegeheim  Q Ijenhauf rstr     KQl- 

e  en  berichteS  aus  diesem  geschlossenen  MadcKenheim    was  Sache  Irf. PreU  5.- 
Cie  'Arbeitsmaterialien'  u.  d.   'hez'  gehoren  an  jede >?Wftf  ?}}?,,«?, fflft 

ler  u.  Studeneten  ein  Interesse  an  der  BeruTsmrKHchKeit  hauen 

•]»»»ll>»»»»><l!ir>n,»»"L 


Inhaftierter  (29)   sucht  Briefkontakt  mit  einer  Frau  zwischen  25 

und  35.   Interessen:   Zeichnen,  Lesen,  Franzbsisch. 

K.   Peter  Fritze,  Joh.-Schwebel   Str.   33,  666  Zweibrlicken 

Sozialpadagogin  (29)  sucht  sensiblen  Genossen  (moglichst  im  pa'dag. 

Beruf  tatig)   im  Raum  Dusseldorf-Koln,   evtl .   fur  spatere  Arbei ts- 

beziehung   (Kleinstheim) .   Zuschriften  unter  Chiffre  3/48  an 

Sozialistisches  BLiro 

Wer  hat  Interesse,  mit  mir   (23  J.  m.  Sozialarbeiterstudent)   in 

Gelsenkirchen  eine  Wohngemeinschaft  auf zubauen. 

Willi    Lemmert,   Saatbrucnstr.    5,   43  fessen,   13 

Suche  AnschlutJ  an  Wohngemeinschaft  im  GroBraum  Bremen. 

Wolfgang  Kapp,  Bardowlckstr.   185,  28  Bremen  41 


MIT  DIESER  "links"-SONDERNUMMER  WIRD  DER 
PFINGSTKONGRESS  1976  GEGEN  POLITISCHE 
UNTERDRUCKUNG  UND  OKONOMISCHE  AUSBEUTUNG 
DOKUMENTIERT  UND  SOLLEN  DIE  ANTIREPRES- 
SIOHSARBEIT  DES  SOZIALISTISCHEN  BUROS 
UND  DIE  MIT  DEM  PFINGSTKONGRESS  MOBILI- 
SIERTE  SOZIALISTISCHE  LINKE  IN  DER  BRD 
NEUE  IMPULSE  ERHALTEN .  ^  FOLGENDE  THEMEN- 
BEREICHE  WERDEN  IN  DEN  BEITRXGEN  DIESER 

"links"-SONDERNUMMER  BEKANDELT  UND  MIT  MATERIALIEN  VOM  PFINGSTKONGRESS  DOKU- 
MENTIERT- -Jr  IM  ERSTEN  TEIL  WIRD  EINE  EINSCHATZUNG  GEGEBEN  UND  WERDEN  VORSCHLAGE 
ZUR  FORTFOHRUNG  DER  ANTIREPRESSIONSKAMPAGNE  GEMACHT.  VOR  ALLEM  DIE  KONZEPTION 
ZUR  ROTARBEIT  UND  DES  SOLIDARITATSFONDS  SIND  WEITERFOHRENDE  PRAKTISCHE  KONSE- 
QUENZEN-*-IM  ZWEITEN  ABSCHNITT  SIND  FAST  VOLLSTXNDIG  DIE  REDEBEITRXGE  DOKUMEN- 
TIERT  DIE  AUF  DEN  ZENTRALEN  VERANSTALTUNGEN  DES  KONGRESSES  GEHALTEN  KURDEN  -ff 
AN  DRITTER  STELLE  SIND  REFERATE ,  AUSZUGE  VON  DISKUSSIONSBEITRAGEN  UND  PROTO- 
KOLLEN  SOWIE  ANALYTISCHE  BEITRAGE  AUS  DEN  ZAHLREICHEN  ARBEITSGRUPPEN ,  DIE  AM 
PFINGSTSONNTAG  STATTFANDEN ,  DOKUMENTIERT  ■fc  IM  LETZTEN  TEIL  SIND  BEITRAGE  VER- 
SAMMELT.  DIE  TEILS  VON  ANSXTZEN  UND  AKTI0Nr.N  BERICHTEN,  DIE  SICH  IN  DER  KON- 
TINUITXT  DER  ANTIREPRESSIONSPOLITIK  VERSTEHEN,  TEILS  AKTUELLE  KOMMENTARE  ZUR 
REPRESSIONSPROBLEMATIK  DARSTELLEN  ■*•  UM  AUCH  DIE  STIMMUNG  DES  PF1NGSTKONGRESSES 
ZU  DOKUMENTIEREN,  KURDEN  ZAHLREICHE)  BILDER,  GEDICHTE,  LIEDER  AUFGENOMMEN -^- WI E 
SEHR  DIE  REPRESSIONSPROBLEMATIK  DEN  WIDERSPRUCH  "MIT  SPITZER  FEDER"  HERAUS- 
FORDERT   ZEIG1  EINE  VIELFALT  VON  KARIKATUREN,  COLLAGEN,  PLAKATEN ,  DIE  IN  DIE 
SONDERNUMMER  ALFGENOMMEN  WURDEN-*-DIE  » links"-SONDERNUMMER  ENTHALT  104  SEITEN 
UND  KOSTET  FONF  MARK-^-BEZUG  GEGEN  VORAUSZAHLUNG:  A 

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