Kurzbericht. iiher die ArheitcqruPDentaauna des SB am.
iuch
■ — -. um nrueitsqruppentagung "" ^n °"' -
derepolitisc^eM°re!! Bede"t^9. die Berufsverbote und andere Fo*
Ira SB irtiS5?J* Unt,«Wtel«ung fUr die gesamte Linke haben, st
breite AbSftfr ?' ^ alles 9etan werden muB' um eine,m°9Jec ^ '"
der BRD aul^Lr,°,nt ^qenUber der repressiven Offensive derR^er
tenm undl^ Sn- S° stand de™ auch nach Diskussionen «» „
29/30 11 252 re910nalsn Zentren auf der Mitgl iederversanm ung
S o all isc pnFR*9e nach den Aufgaben und realen Moglich e « Unter
drUckuna Alln -r°5 lm Hi^ick auf die Abwehr der pol^Jt & .
EntwickLn 17^ WUrde betont- daD ™ der BRD ein WendeP"" p|) s
der IteffiJWK sei' daB mi* den, Eirtritt in eine "*£&»"* .
-Kestauratw fur die linke Bewegung neue VerhSUnlsse *■»,„ 8
r Ausdruck eben die Repression irbote
■ ■ «cm r\aiiinen
Betriebsarunn^8 Qer Unte™ehmer, aber auch von sozialdem^
fen warden TsJZ mb?lichst br^ Basis des Widerstandj
bkonomische Unt^H - < k°nne ein Kon9^ 9e9e" die P°H*1& se:„„
daB sich die Linl Ckung ei^brauchbares Instrument und ^gUssif
w.rh,i;'! r!^1nie nicht hilf- und sprachlos gegeniiber der KM
i's'l!!'
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Untern^en0ZrdnenU;sfWehr der Re^ssi°" '
Arbeitsgrupre L K eSS;on statt- D^ KongreB muB von der ges hr
punkt eine? reafnJ? 96,tra9en we^n und soil ein poUtisch* R
pression sein 9d?p i U?d Joka1 z" ™hrenden Kampagne gefl«« J"l1ch *
bezogen werden- Ic ^ehf"den Komi tees soil en soweit wie "^aS*
entstehen? * SClle keineswegs eine Art konkurrierender ^
licne pKom?schrFPK°TeSses und seiner Vorbereitung pUsW J{J F>
geklSrt werden R^^T"9 des SB in Hinsicht auf wesentli"1
e Rechtsst»»t>FDGO.Grundgesetz,SPD etc. r
Sfif SS?3? ftLSV-t -- ^ntwurf fUr die ^Srjj.
ionalen Gruppen unH h e KonzePti°n soil zunachst i"ne^a^tiert
vom Delegiertenra? \t « "ntra1en Arbeitsfelder des SB disku*
Aus zeitlichen Griln 6^7' Marz 76 verabschiedet werden. feld
Sozialarbeit nicht » !h k°nnen wir diese Diskussion in Arbeit ^
aa- ""--^ « ScrK^^oregne^"-;^^2
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)ugendarbeitslosigkeit
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Anti repress i ons kampagne
politischer Anspruch u. padagogische Realitat
Strategie im Arbeitsfeld Sozialarbeit
Sozialarbeit in der Provinz
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j*-,
Portugal
Offenbach im Mai 1976
Einfachnummer - Preis DM 5,
./IJJ^
Dieser Informat fonsd ienst Sozialarbeit wird Im Soz ia) i st i schen BUro
von Gruppen, die im Sozial i sat ionsbereich arbeiten, herausgegeben .
Der Info dient der Kommunikation und Kooperation von Genossen, die
mit sozial i st ischem Anspruch Im Feld der sozialen Arbeit ta"tig slnd.
Der Info entha'lt neben einem Schwerpunktthema" Darstel lungen tiber die
Organi sat ionsmodel le und Basisaktivl ta'ten sozial istischer Sozialar-
bei ter/-pa°dagogen,Erz ieher etc. .Kurzberichte, Informat ionen und Ana-
lysen aus dem Sozial- und Gewerkschaftsbereich sowie Material ien,
Hinweise.Stel lenangebote und Klelnanzeigen.
Neben dem Informat ionsd ienst (erscheint viermal im Jahr) verSffent-
1 ichen wir in unregelma'Gigen Abstanden Arbel tsf eldmaterial ien zum
Sozialbereich. In dieser Reihe sind blsher erschienen:
Arbeitsfeldmaterialien (AMS)
Heft 1: Projektstudium am Bspl. Heimerziehung,2oo S., DM 8,--
Heft 2: Arbei termadchen Im Jugendzentrum, 5& S..DM k, —
Heft 3 Knastalltag am Beispiel Mannheim, 128 S., DM 1 ,--
Heft k: Der Inst i tut lonal islerte Konfllkt, 2oo S., DM lo,—
Heft 5: Soz ialpa'dagog ik und Arbeiterinteressen, 1(8 S., DM 3,"
Heft 6: Staatliche Soz lalpol i t ik , 136 S., DM 8.-
Herausgeber: Sozial Istisches BUro
6o5 Offenbach 4, Postfach 591
Verleger: Verlag 2ooo GmbH Offenbach
Erste Auflage: Mai 1976, 5ooo Exemplare
Alle Rechte bei dem Herausgeber
Vertrieb: Verlag 2ooo GmbH. 6o5 Offenbach 4
Postfach 591, Hohe Str. 28 (Souterrain)
Postcheck Frankfurt Nr. 61o41 - 60^
Preis: Einzelexemplar DM5,--
bei Abnahme von mind, lo Stuck 2o% Rabatt
WeiterverkSufer(BuchlSden,Buchhandel) ko t Rabatt
jeweils zuzDglich Versandkosten
Der Info kann auch im Abonnement bezogen werden. BezugsgebUhren fQr
das Jahr 1976(Heft 12 - 15) DM 15,-- + DM 2, 80
Verantwortl ich: Redakt ionskol lektiv Info Sozialarbeit
Presserechtl ich verantwort I ich: Gilnter Pabst Offenbach
Foto: Rose
Druck: hbo-druck Bensheim
INFO SOZIALARBEIT, Heft 13
INHALT
Sozialistisches BUro:
Aufruf zur Kampagne gegen politische und okonomische Unter-
driickung und zum KongreB - Pfingsten 1976
Redaktionskollektiv:
KongreBvorbereitungspapier zur AG "Sozialarbeit"
AKS Westberlin:
Sozial pa'dagogische Arbeit im Ougendfreizeitheim
Herbert Swoboda:
Sozialarbeit und Jugendarbeitslosigkeit
Gerd Rieger:
Arbeitslose Jugendliche im Jugendzentrum
Peter Rich:
Arbeitslose Jugendliche im Jugendclub
Traudel Lucius:
Auswirkungen gegenwartiger Arbeitslosigkeit auf die
Situation deklassierter proletarischer Ma'dchen
Helmut Ortner:
Arbeitslosigkeit im Knast
AKS Dusseldorf:
Jugendarbeitslosigkeit im Bereich der Bewa'hrungshilfe
Projektgruppe Munster:
Jugendarbeitslosigkeit: Chance zur Weiterbildung?
Elke Becker:
Als Sozial arbeiter in der Provinz
UJZ Kornstr. , Hannover:
Parlamentarischer Kampf urn die Weiterfbrderung
durch die Stadt
Brief aus Portugal - Portugal Solidaritat
Redaktionskollektiv:
Repression und politische Arbeit im Sozialbereich -
Zur Strategie im Arbeitsfeld Sozialarbeit
Kleinanzeigen
Arbei tsgruppe Jugendarbeitslosigkeit:
KongreBvorbereitungspapier zur AG "Politische Jugend-
arbeit und Jugendarbeitslosigkeit"
Seite 3
Seite 7
Seite 9
Seite 45
Seite 49
Seite 55
Seite 57
Seite 63
Seite 65
Seite 68
Seite 71
Seite 76
Seite 79
Seite 81
Seite 92
Seite 95
ARBEITSFELDMATERIALIEN
ZUM SOZIALBEREICH
Monika Fuhrke:
STAATLICHE SOZIALPOLITIK
Eine Untersuchung
zur Entwicklung des Systems
der Sozialen Sicherheit im Kapitalismus
Offenbach im April 1976 - Preis acht Mark
Sozialistisches Biiro :
AUFRUF ZUR KAMPAGNE
GEGEN POLITISCHE UND OKONOMISCHE UNTERDROCKUNG
UND ZUM ANTIREPRESSIONS-KONGRESS - PFINGSTEN '76
Die politische und bkonomische Unterdriickung nimmt in der Bundesre-
publik immer groBere AusmaBe an. Die Auswirkungen der Wirtschafts-
krise auf die arbeitende Bevolkerung sind begleitet von sich ver-
scha'rfenden Diszipl inierungsmaBnahmen des Staates, des Kapitals und
auch der groBen Parteien gegen alle, die sich dagegen zur Wehr set-
zen. Dabei handelt es sich nicht um Unterdriickung mit vorwiegend di-
rekter Gewalt, wie sie flir faschistische Staaten charakteristisch
ist, obwohl auch die Formen des Einsatzes der staatlichen Gewaltmit-
tel , der Polizei,des Bundeskriminalamtes und die Haftpraxis in den
letzten Jahren erheblich brutalisiert worden sind. Es handelt sich
vielmehr um eine "schleichende" Unterdriickung durch spezielle Ge-
setze, Verordnungen, Rechtsinterpretationen, Argumentationen rait
der "freiheitl ich-demokratischen Grundordnung" (fdGO) und administra-
tive Praktiken, die angeblich dem Schutze des Grundgesetzes dienen,
in Wirklichkeit jedoch darauf zielen, die in ihm enthaltenen demokra-
tischen Grundrechte einzuschranken und sozial istische Opposition in
der Bundesrepublik zu il legal isieren. Der Kreis der von politischer
Repression Betroffenen reicht inzwischen liber Angehorige soziali-
stischer und kommunistischer Organisationen hinaus und erfaBt auch
aktive Gewerkschafter und linke Sozialdemokraten. Kritische AuBerun-
gen haben vielfach existentielle Gefahrdung durch Berufsverbot oder
politisch motivierte Entlassung zur Folge. Duckmausertum, Vorsicht
bei Meinungsa'uBerungen und Unterwlirfigkeit sind Erscheinungen der
Anpassung an die starker werdende Repression. Diese Wirkung geht weit
Liber den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus und schafft ein
Klima der Unfreiheit und Angst.
In den Betrieben, Bliros und Verwaltungen hat sich im Verlauf der
Wirtschaf tskrise die Repression verstarkt. Die hohe Arbeitslosigkei t
la'St die Herrschaft des Kapitals unverh'u'llter hervortreten. Die Ar-
beitsleistungen werden hochgejagt. Altere Kollegen werden gegen jun-
qere ausgetauscht, um die Leistungen zu heben. Auslandische Arbeiter
sind noch starker als friiher der Willklir ausgesetzt. Frauen werden
in die "stille Reservearmee" abgedrangt. Wo die Belegschaf ten es sich
qefallen lassen, werden libertarifliche Leistungen gestrichen und bis-
her bezahlte Zulagen vom Unternehmer kassiert. Selbst Versuche zur
Kurzung der Tarifldhne gibt es. Der "stumme Zwang der bkonomischen
Verhaltnisse" in den Betrieben wird durch die politische Repression
verstarkt. Wenn es irgendwie geht, werden bei Entlassungen die poli-
tisch und'gewerkschaftlich aktiven Kollegen rausgeschmissen, so daB
selbst die gewerkschaftliche Organisierung und erst recht die poli-
tische Betatigung in vielen Betrieben sehr erschwert wird. Mit der
Argumentation, daB den privaten Unternehmern nur recht sein miisse,
was fur den Staat mit seinen Berufsverboten und flir die Gewerkschaf-
ten mit den Unvereinbarkeitsbeschliissen billig ist, wurde vielen ak-
tiven Kollegen bereits der Arbeitsplatz genommen.
Opportunistisches Sich-Arrangieren mit denjenigen, die die Repression
ausliben und die Hoffnung auf ein "Oberwintern",verstarken die Mbg-
lichkeiten politischer Unterdrlickung ebenso wie verzweifelte Akte
individueller Auflehnung oder leichtfertiges Martyrertum von linken
Organisationen. Der politischen Unterdrlickung kann nur wirksam ent-
gegengetreten werden, wenn die individuelle Angst in Widerstand ge-
gen diese Unterdrlickung umschlagt, wenn dieser Widerstand organisiert
erfolgt und wenn damit flir wirksame politische Arbeit Perspektiven
erbffnet werden. Also, lassen wir uns nicht durch die Repression
lahmen, organisieren wir den Widerstand!
Das AusmaB der politischen Unterdrlickung ist nicht mehr nur Folge
der Schwache der Arbeiterbewegung in der BRD, sondern ist auch Zei-
chen der Schwache der herrschenden Klasse. Konnte noch in den Jah-
ren des "Wirtschaftswunders" des westdeutschen Kapitalismus auf eine
sehr breite Obereinstimmung mit dem herrschenden System gerechnet
werden, so ist mit dem deutlichen Hervortreten der Krisenhaftigkeit
des Kapitalismus dessen scheinbare Oberlegenheit nicht mehr wie bis-
her gegeben. Angesichts schwerer werdender wirtschaftlicher Krisen,
anhaltender Massenarbeitslosigkeit, der Gefahrdung der Real ein kommen,
gesteigerter Leistungsanforderungen und niedrigerer staatlicher So-
zialleistungen fUrchten die Herrschenden in unserem Land, daB die
Linke bei aufbrechenden Klassengegensatzen zunehmend Gehbr bei den
Lohnabhangigen findet. Dem soil die Unterdrlickung jeder konsequenten
linken Opposition vorbeugen.
Alle kapitalistischen Staaten sind, wenn auch in unterschiedl ichem
AusmaB, den zunehmend schwerer werdenden Krisenzyklen unterworfen.
Die Bundesregierung und das westdeutsche Kapital versuchen, um den
Krisenfolgen entgegenzuwirken, eine wirtschaftl ich und letztlich auch
politisch fuhrende Stellung der Bundesrepublik gegenuber den anderen
westeuropaischen Staaten durchzusetzen. Dies flihrt zu verstarkten
Konflikten, nicht nur mit der herrschenden Klasse in diesen Landern,
sondern auch mit der Arbeiterbewegung in den westeuropaischen Lan-
dern. Gerade flir diese ist es ein alarmierendes Zeichen, wenn die
tendenzielle Hegemonialmacht Bundesrepublik die Linke und die demo-
kratische Opposition im eigenen Land zunehmend unterdrlickt. Der Wi-
derstand gegen Repression in der Bundesrepublik muB deshalb eine
enge internationalistische Zusammenarbeit in Westeuropa anstreben.
Bislang ist es den Herrschenden in der Bundesrepublik noch gelun-
gen, ihre RepressionsmaBnahmen so darzustellen, als betrafen sie nur
eine kleine Gruppe von "Extremisten". Breite Solidarisierungen hat
es daher nur in Einzelfallen gegeben. Mit zunehmender Schwere der
Krisen des Kapitalismus wird auch die Unterdrlickung zunehmen. Wir
mlissen deshalb schon jetzt darauf hinarbeiten, daB eine derartige Ver-
scharfung, die sich mehr als bisher auch auf Sozialdemokraten und Ge-
werkschafter erstrecken wird, uns nicht unvorbereitet trifft.
Wie organisiert man den Widerstand? Wie verhindert man Anpassung an
die Repression? Die Einsicht in den Charakter politischer Unterdruk-
kung allein hilft nicht, wenn sie auch zur Abschatzung der Chancen,
zum Begreifen ihrer Ursachen notwendig ist. Forderungen wie "Weg mit
- 4 -
links
Sosrialistische Zeitung
AKTUELLE SONDERNUMMER
MIT MATERIALIEN,
ANALYSEN
UND EINSCHATZUNGEN
ZUR POLITISCHEN
DISZIPLINIERUNG
UND UNTERDROCKUNG
IN DER BRD
AOS DEM INHALT DER SONDERNUMMER • Stellungnahme des Ar-
beitsausschusses des SB zur Rolle der westdeutschen
Sozialdemokratie in der gegenwartigen Phase der Repres-
sion • Altvater/NeusuB : Thesen zum Zusammenhang von
okonomischer Krise und politischer Unterdrlickung •
Arbeitsgruppe Ruhrgebiet: Unterdruckung im Betrieb •
Brand: Repression und Widerstand in Betrieb und Gewerk-
schaft ■ Autorenqruppe : Repression im Schulalltag - Er-
fahrungen Hamburger Lehrer • SLB- Schu Lgruppe Frank f urt ;
Der Kampf der Ernst-Reuter-Schule gegen Berufsverbote •
Seifert: Innerer Feind und Restauration - Seine Bestim-
mung und Behandlung in der Geschichte der BRD • Perels:
Der Staat als politische Konfessionsschule? Das Bundes-
verfassungsgericht und die Treuepflicht der Beamten •
Wiegreffe: Rechts- und Verfassungsentwicklung in der
BRD seit 1968 auf dem Gebiet der "inneren Sicherheit"
• Kldnne: Der offentliche Dienst als Herrschaftsreserve
- Zur Kontinuitat des Antidemokratischen • Schneider:
Zur Lage der Beschaftigten im Sffentlichen Dienst t
Hirsch: "Reformokonomisierung" , Repression und Wider-
stand im offentlichen Dienst • Ausziige aus einem Inter-
view mit Ernest Mandel • Bruckner: Berufsverbote - M6g-
lichkeiten der rechtlichen Gegenwehr • Funk/Werkentin:
Materialien zur Entwicklung des innerstaatlichen Gewalt-
apparates - Polizei, Bundesgrenzschutz,
Bundeskriminal-
amt u.a. • Wesel: Am Beispiel Stammheim • Cobler : Das
Gesetz zum Schutze des Gemeinschaftsfriedens • Blanke/
Narr: "Kampf um die Verfassung" oder "Sozialistische
Strategie"? • Gesprach mit Heinz Brandt t Vack: Ober-
wintern in repressiver Epoche? Anmerkungen zur Lage-
einschatzung fiir die westdeutsche Linke
64 Seiten, illustriert, " links" -Format , DM 4.—
Erhaltlich gegen Vorauszahlung (Briefmarken beilegen)
tiber Sozialistisches Buro + Verlag 2ooo GmbH
6o5 Offenbach 4, Postfach 591
den Berufsverboten" Oder der Appell zur Verwirklichung der Grund-
rechte reichen keineswegs aus, auch rn'cht Solidaritat allein mit den
von der Repression unmittelbar Betroffenen. Gerade unter den er-
schwerten Bedingungen der Repression mussen wir eine offensive po-
litische Arbeit am Arbeitsplatz und im allgemeinen politischen Be-
reich entfalten. Dazu gehbrt, Organisationsformen zu entwickeln,
die zu einer Oberwindung der Vereinzelung flihren und die der Angst
entgegenwirken, durch den Verlust des Arbeitsplatzes isoliert und
politisch handlungsunfahig zu werden. Fiir diejenigen, die durch die
politische Repression Oder als Folge der wirtschaftlichen Krise ih-
ren Arbeitsplatz verloren oder gar nicht erst gefunden haben, muB
die Mbglichkeit geschaffen werden, ihre Qualifikationen zu nutzen,
phantasievoll und gezielt politisch zu arbeiten und damit Verein-
zelung zu verhindern. Es gent darum, sich nicht einschuchtern zu las-
sen, sondern unsere Fahigkeiten organisiert fiir unsere Interessen und
Zielsetzunqen einzusetzen.
Dies zu diskutieren, Ansatzpunkte vorzustellen, Erfahrungen zu vermit-
teln und gemeinsame politische Konsequenzen zu Ziehen, ist die Auf-
gabe von Kampagne und KongreB des Sozialistischen Biiros gegen politi-
sche und bkonomische Unterdru'ckung. Wir wollen mehr Klarheit liber
folgende Fragen gewinnen:
- Welche Mbglichkeiten bestehen fiir uns, die Bedingungen fiir die
Fortsetzurg sozialistischer Orgam'sierung und Arbeit angesichts
der verscha'rften Repression zu erhalten?
- Wie kbnnen wir an unserem Arbeitsplatz, in Fabrik, BUro, Verwal-
tung, Schule oder Universitat den Widerstand gegen verscharfte bko-
nomische Ausbeutung und politische Disziplinierung organisieren?
Was sind unsere Aufgaben in den Gewerkschaften?
- Welche Mbglichkeiten bestehen fiir arbeitslose Kollegen und Genossen,
sinnvolle politische Arbeit auszuuben? Beschaftigte und Arbeits-
lose durfen nicht in einen entsol idarisierenden Gegensatz zuein-
ander gerateni
- Welche Mbglichkeiten des Basiswiderstandes durch Burgerinitiativen,
Einsatz aufklarerischer Publizistik, Selbsthilfeprojekte, Auslan-
derkomitees, Ougendzentren und -initiativen Oder Frauengruppen gibt
es?
- Welche rechtlichenMbglichkeiten der Abwehr von Berufsverboten ha-
ben wir trotz Einschrankung unserer Rechte? Wie kbnnen wir davon
organisiert Gebrauch machen? Organisieren wir unseren Rechtsschutz
und unsere Rechtsberatung selbst!
- Wie kbnnen wir einen Sol idaritatsfonds fiir die Betroffenen der
Repression aufbauen? Wir miissen verhindern, daB Betroffene indivi-
duell in Not geraten. Wir wollen erreichen, daB sozialistische
Sol idaritat praktisch wird!
- Wie kbnnen wir den Protest gegen die politische Repression im In-
land und Ausland wirksam organisieren? Wir mussen neue Formen des
Protests entwickeln, urn nicht von der politischen Repression ka-
putt gemacht zu werden. Wir miissen unsere Phantasie entfalten und
sie als Waffe gegen die Repression einsetzen!
Der KongreB ist nicht der SchluBpunkt unserer Kampagne gegen Unter-
dru'ckung. Der KongreB soil dazu beitragen, daB der Protest gegen die
Repression praktisch wirksam wird. Wir rufen deshalb alle, die von
der bkonomischen und politischen Repression betroffen sind und alle,
die den Widerstand wagen wollen, auf, sich an der Kampagne und am Kon-
greB zu beteiligen. Wir rufen zu Kampagne und KongreB auf, urn damit
den Widerstand voranzutreiben!
Redaktionskollektiv:
ASPEKTE OKONOMISCHER UND POLITISCHER
REPRESSION IM SOZIALBEREICH
- Vorbereitungspapier zum Antirepressions-Kongress-
Die Reformil lusionen gerade fiir den Bereich Jugend- und Sozialpolitik
sind hin, der Traum von "unabhangigen Sachverstandigen" , der nach
MaBgabe wissenschaftlicher Erkenntnisse fachlich kompetent interve-
niert, ist ausgetraumt. Der enge Zusammenhang von wirtschaftl icher
Entwicklung und Sozialpolitik wird fiir die meisten Sozialarbeiter
derzeit hautnah und handgreiflich erfahrbar.
Warf bereits die aufkommende Jugendarbeitslosigkeit alle Konzeptionen
fiir fortschrittliche Arbeit im Jugendfreizeitbereich Liber den Haufen,
so haben heute massive Kurzungen das Kl ima im gesamten Sozial bereich
(von der Famil ienfiirsorge liber Vorschul- und Heimerziehung bis hin
zur Jugendbildungsarbei t) einschneidend verandert. Wer jetzt noch
aus Parteinahme fiir die Betroffenen an fortschri ttl ichen Ansa'tzen
festhalt, wird mit einer ganzen Skala von Repressionen belegt. Das
fangt schon an mit der scharferen Oberprufung der simpelsten Mittelbe-
willigung - wenn bei spiel sweise die von einer Sozialarbeiterin fiir
eine Obdachlosenfamil ie bewilligten Gardinen von dem Amtsleiter nach-
gemessen werden -, setzt sich fort liber direkte Einschuchterung,
daB ma" gefalligst im Sinne der Behbrde zu handeln hatte, und macht
auch nicht halt vor dem direkten RausschmiB bis hin zum Berufsverbot.
Die bkonomische Krise verstarkt die Nachfrage nach materiel len und
sozialen Hilfen und legt den Stellenwert fur die betroffenen Lohnab-
ha'ngigen wieder offen, den verku'rzte Analysen mit dem Akzent auf der
psycho-sozialen Beratung in den vergangenen Jahren mit Vorliebe ver-
wischen wollten. Die hbhere Arbeitsbelastung fiir den Sozialarbeiter
wird durch Stellenklirzungen zusatzlich verscharft, wodurch die Qua-
litat der Bemiihungen des einzelnen Kollegen drastisch herabgesetzt
wird, zum Nachteil der Betroffenen. Erganzt werden diese MaBnahmen
durch sogenannte Rational isierungen (z.B. in NRW sollen die bisher
freigestellten Kindergartenleiterinnen wieder in den Gruppendienst
zurlickversetzt werden), die in ihrer Konsequenz fiir Eltern, Kinder
und Sozialpadagogen als Repression wirksam werden.
Gleichzeitig entsteht durch die Einsparung von Stellen fiir die Ab-
solventen der Fachhochschulen eine verscharfte Konkurrenz, die nur
noch angepaBtes Nachbeten der offiziellen Strategie der Sozialbiiro-
kratie als geeignete individuelle Verhal tensweise erscheinen la'Bt.
Andererseits werden Berufspraktikanten auf voile Planstellen gesetzt
und somit die Einstellung von arbeitslosen Sozialarbeitern verhin-
Sozialarbeit wird so auf ihren funktionalen Kern reduziert, naml ich
sozial-technisches Disziplinierungsinstrument gegenuber der Arbeiter-
klasse zu sein.
□en Sozialarbeitern und Erziehern wird nachdriicklich ihre eigene Exi-
- 7 -
stenz als ebenfalls Lohnabhangige vor Augen gefUhrt. Hier besteht
die Gefahr, daB sich die Interessen der Sozialarbeiter von den Be-
diirfnissen des "Klientels" vollstandig abtrennen und sich in berufs-
standischerWeise gegen die Betroffenen wenden. Der Spielraum flir
fortschrittliche Initiativen und selbstorganrsierte Projekte geht
zunehmend verloren. A1 lenthalben festzustellende Resignation bei
den Initiatoren zeigt eine tendenzielle Verunmbgl ichung alternativer
Modelle sozialer Arbeit an, die im Vorgriff auf eine klinftige Ge-
sellschaft sozialistische Momente beinhalten. Damit drohen aber auch
wichtige Impulse flir die Arbeit in den traditionellen Bereichen der
Sozialarbeit verlorefi zu gehen.
Wie kbnnen unter diesen Bedingungen Sozialisten im Sozialbereich
wieder handlungsfahig werden und an welchen Punkten ist kollektiver
Widerstand zu organisieren? Diese Fragen wollen wir auf dem Pfingst-
kongreB anhand folgender Schwerpunkte diskutieren:
a) Orientierung am Arbeitsplatz
Wie kbnnen wir uns im Gruppenzusammenhangen gegenseitig bei dem Pro-
blem unterstutzen, den eigenen Arbeitsplatz so in den Griff zu be-
kommen, da3 anstelle von Fatalismus oder nicht einlbsbarer Anspriiche
realistische Handlungsstrategien entwickelt und durchgesetzt werden
kbnnen?
b) rechtliche Rahmenbedinqunqen
Die Parteinahme tur die Betrottenen erfordert gerade im Zeichen der
Krise eine grlindlichere Auseinandersetzung mit den rechtlichen Rah-
menbedingungen der materiellen Hilfeleistungen sowie der Aufsichts-
und Kontrollinstanzen; wichtig ware z.B. die Erstellung eines Leit-
fadens flir die Beratung von Sozialhilfeempfangern und Merkblatter
flir die extensive Ausnutzung des BSHG.
c) Gewerkschaftsarbeit
wie lassen sich bestimmte Arbeitsansatze mit einer linken Gewerk-
schaftsarbeit vermitteln, und an welchen Kriterien macht sich eine
linke Strategie in der 0TV fest?
d) Orqanisierung im Arbeitsfeld Sozialarbeit des SB
Die Gruppenzusammenhange im Arbeitsfeld wie die Arbeitskreise Kriti-
sche Sozialarbeiter (AKS) haben in diesem Zusammenhang eine wichtige
Funktion. Wie kbnnen sie ihre Arbeitsweise auf die jetzigen Anfor-
derungen neu einstellen?
e) "Rotarbeit"
Wir brauchen Auffangsstrukturen flir arbeitslose Genossen, urn deren
Qualifikation nicht brach liegen zu lassen, sondern in auBerinstitu-
tionellen Projekten einzusetzen. Hierzu gehbren sowohl Forschungs-
projekte als auch praktische Initiativen (z.B. Unterstlitzung von
Jugendwohnkollektiven, Beratungsstellen, Schaffung von Arbeits- und
Ausbildungsplatze flir arbeitslose Jugendliche) . Ferner die Schaffung
einer zentralen Dokumentations- und Auswertungsstelle, eines regio-
nalen und uberregionalen Stellenmarktes und eines Solidaritatsfonds
zur materiellen und juristischen Unterstlitzung.
Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit,
Westberlin:
SOZIALPADAGOGISCHE ARBEIT IM JUGENDFREIZEITHEIM
- Zum Verhaltnis von politischem Anspruch und padagogischer Realitat
1. Vorbemerkungen
Die Probleme, mit denen sich der folgende Beitrag beschaftigt, sind
ein Teil der Schwierigkeiten, mit denen es Kollegen, die im AKS
Westberlin mitarbeiten, im Jugendfreizeitheim "Prisma" zu tun hatten.
Als wir die Arbeit an diesem Artikel begannen, war es zunachst unse-
re Absicht, uns Klarheit Liber die politische Bedeutung der Selbst-
verwaltung in Jugendfreizeitheimen zu verschaffen. Ausgangspunkt un-
serer Diskussion war dabei der gescheiterte Versuch, das JFH Prisma
in Berlin in Selbstverwaltung zu ubernehmen.
Als wir daran gingen, die Grlinde dieses Scheiterns zu suchen, sties-
sen wir auf eine Anzahl Probleme, die unserer Auffassung nach bis-
her unzureichend bearbeitet waren.
Selbstverwal tung gait allenthalben, auch uns, fraglos als progres-
siv, weil sich damit offenbar der Gedanke der Reduzierung staatli-
cher Kontrolle liber die Freizeit der Jugendlichen verband. Dies gilt
iedoch nicht ohne Einschrankung. Insbesondere die Tatsache, daB der
Staat , bzw. im Falle des "Prisma" das zustandige Bezirksamt, die
Bereitschaft signal isierte, auf die Forderungen nach Selbstverwal-
tung einzugehen und mit den Jugendlichen entsprechende Nutzungsver-
trage abzuschlieBen, veranlaBte uns, die SV-Forderung noch einmal
zu problematisieren.
Die Forderung nach Selbstverwal tung hat, wie wir meinen, nur dann
einen Sinn, wenn sich mit ihr die Vermittlung politischer Erfahrung
verbindet. Sie kann Teil eines sich politisch verstehenden Konzepts
sein, wozu dann gehbren wlirde, die Jugendlichen zur Selbstverwal tung
zu befahigen und gleichzeitig dieses Konzept zu relativieren.
Unterstellt man, uaB Selbstverwaltung fur die Jugendlichen in erster
Linie die Mbglichkeit bedeutet, ohne Kontrolle Bedurfnissen nach-
qehen zu kbnnen, die sich anderswo nicht befriedigen lassen, muB in
Frage gestellt werden, ob Selbstverwaltung, die ja eine Menge tat-
sachlicher Verwal tungsarbeit bedeutet, ihnen liberhaupt etwas nutzt.
Sie wiirde eine Menge produktiver Energie binden und zugleich dem
Staat viel Arbeit, vielleicht sogar Kosten abnehmen. Diesen Aufwand
kbnnte man nur dann rechtfertigen, wenn es sich erweist, daB die Ju-
qendlichen dabei mehr profitieren als in einem gesellschaftl ich
wenig relevanten Bereich einen Spielraum zu bekommen, den sie auch
anderswo haben kbnnten, z.B. in einer Wohngemeinschaft.
Diese und andere Oberlegungen waren fur uns AnlaB, uns zunachst
nicht zentral mit der Selbstverwaltungsproblematik an sich zu be-
schaftigen, sondern uns zu fragen, ob und unter welchen Umstanden
- 9 -
sie den Interessen von Jugendlichen entspricht, und dabei von den
recht unterschiedlichen Auffassungen des Inhalts von SV auszugehen.
SchlieBlich kann es nicht Selbstzweck sein, sich selbst zu "verwal-
ten", sondern es kann nur Mittel sein, womit sich andere Intentio-
nen, sowohl der Jugendlichen, als auch der Sozialpadagogen, verbin-
den. Welche sind das? Diese Fragestellung veranlaBte uns, uns mit
den Bedurfnissen der Jugendlichen einerseits, mit den Aufgaben der
Sozialpadagogen ira Freizeitbereich andererseits zu beschaftigen.
Wir gelangten SchlieBlich zu der Auffassung, daB hinter dem Gedanken
der SV auf Seiten der Jugendlichen eine qanze~A"nzahl unbefriediqter
Bedurfnisse stent, deren a I Igemeinster Nenner das Bedurtnis ist. die
hreizeit einigermaBen unkontrolliert und ohne vorgegebene Programme
zu verbringen. Es stellt sich dann die Frage, welche Aufgabe ein
Sozialpadagoge dabei hat.
So wurde in der Diskussion deutlich, daB einige der oft schlagwort-
artig verkiirzten Redewendungen wie: "an den Bedurfnissen ansetzen",
"mit den Jugendlichen solidarisch sein", "in Auseinandersetzungen
mit dem Staatsapparat BewuBtsein entwickeln (Konfliktstrategie)",
nach denen man gehandelt oder zu handeln geglaubt hatte, gar nicht
so eindeutig und klar waren wie zunachst angenommen. Erst die Re-
flektion innerhalb der Arbeitsgruppe lieB uns das erhebliche AusmaB
an Schwierigkeiten und Widerspriichen erkennen.
Gerade bei der Auseinandersetzung mit den Bedurfnissen, die wir in
unserer Aufarbeitung-weitgehend theoretisch abgehoben-anaegangen sind,
wird deutlich, wie schwierig es ist, theoretisch Erarbeitetes auf die
stattgefundene Praxis zuruckzubeziehen oder gar in konkrete Hand-
lungsanweisungen fiir zuklinftiges Arbeiten umzusetzen.
Die von uns geteilte Auffassung, daB Lernprozesse notwendigerweise
zu Konflikten mit der gegenwa'rtigen Realitat von Staat und Gesell-
schaft fiihren, ist in den letzten Jahren oft zu einer verkiirzten
"Konfliktstrategie" ganacht worden, derzufolge der Konflikt zum
Ausgangspunkt von Lernprozessen gemacht wurde. Unter dem weitver-
breiteten Druck, sich politisch legitimieren zu miissen, wurde ins-
besondere von Sozialpadagogen ein falsches Konfliktverstandnis ent-
wickelt.
Das zeigt sich daran, daB nicht die aktuellen Erscheinungs- und Ver-
mittlungsformen, in denen die Jugendlichen ihre Konflikte erleben,
zum Ankniipfungspunkt weitergehender Lernprozesse gemacht wurden,
sondern der Konflikt mit dem Staatsapparat unmittelbar gesucht wur-
de. Die Konfliktstrategie, miBverstanden als Konfrontationsstrategie
mit dem Staat, muB aber, wenn sie in einem isolierten Bereich be-
trieben wird, notwendigerweise zum Rlickschlag fiihren. Der Staatsap-
parat ist durchaus "lernfahig" und in der Lage, ungeniigend ibgesi-
cherte Vorstbfte abzuwehren. Was dann als Lernerfolg dabei neraus-
kommt, kann nur allzuleicht das Gegenteil des urspriinglich Intendier-
ten sein: statt der Veranderbarkeit der Gesellschaft wird die eige-
ne Ohnmacht noch einmal erfahren.
Die generelle Fragestellung, ob namlich die im Freizeitbereich ge-
machten Erfahrungen und Lernprozesse Auswirkungen auf die Vera'nde-
rung der Arbeitsbedingungen haben, konnte vnn uns nicht beantwortet
werden und scheint uns - wenn uberhaupt - nur aufgrund langfristig
angelegter empirischer Untersuchungen zu beantworten zu sein. Eine
- lo -
einfache Kausalitat zwischen diesen unterschiedlichen Bereichen
kann jedenfalls nicht angenommen werden. Ausgehend von den "Prisma"-
Erfahrungen haben wir uns zunachst mit der Interessenkonstellation
beschaftigt, die hinter der SV-Forderung steht, wozu ein kurzes Ein-
gehen auf die Geschichte der Jugendfreizeitheim-Arbeit in der BRD
nach 1945 notwendig war. Die Bedurfnisproblematik und die Funktion
des Sozialarbeiters im JFH sind dann die Schwerpunkte dieses Arti-
kels.
Derjenige Leser, der hofft, ganz konkrete Arbeitshilfen in Form
von Arbeitsanweisungen en detail zu bekommen, nuB Enttauschungen
einkalkulieren.
Auch deshalb, weil die jiingste Entwicklung die erheblich veranderten
Bedingungen durch die Jugendarbeitslosigkeit nicht berucksichtigt
werden konnte.
2. Zur geschichtlichen Entwicklung
Die Geschichte von Jugendfreizeitheimen (auch "Hauser der Jugend"
oder "Hauser der Offenen Tiir") beginnt 1945.
Die Lage der Jugend, behbrdlich als "Jugendnot" bezeichnet, stellte
sich nach Kriegsende in der BRD folgendermaBen dar: "Ober 2 Mill.
Kinder und Jugendliche waren Heimatvertriebene und lebten z.T. noch
in Lagern und Massenunterkiinften, 1,6 Mill, waren Waisen bzw. Halb-
waisen. Es gab liber 500 000 jugendliche Arbeitslose und nicht unter-
qebrachte Lehrstellenanwarter. Ein Drittel aller Kinder und Jugend-
lichen lebte in vbllig unzureichenden Wohnverhaltnissen. ..
Die meisten Einrichtungen der Jugendpflege waren zerstbrt oder zweck-
entfretndet, nur wenige standen fiir die Arbeit zur Verfugung."
(Anneliese Keil, "Jugendpolitik und Bundesjugendplan", Munchen
1969, S. 38)
Dazu kam die allgemeine materielle Notlage, sowie auf der Ebene des
BewuBtseins die Erfahrung des Kriegsendes, das von der Mehrheit der
Bevblkerung nicht als Befreiung vom Faschismus, sondern als Nieder-
lage und Besatzungszeit verstanden wurde. So bestanden auf der mate-
riellen wie auf der BewuBtseinsebene (Orientierungslosigkeit) Vor-
aussetzungen fiir ein "jugendliches Abweichungspotential", das sich
auf den "Wiederaufbau" stbrend auswirken konnte. "Weg von der StraBe"
hieB daher die Parole.
Die ersten Freizeitheime nach dem Krieg wurden von den amerikani-
schen Besatzern finanziert und verwaltet und waren zum einen gedacht
als kontrollierbare Aufenthaltsorte der Jugendlichen, zum anderen
als Orte ihrer ideologischen Beeinflussung (Umerziehung von der HJ
oder vom BDM hin zum american way of life). Die Jugendfreizeitheime,
von denen in Westberlin bis 1954 14 eingerichtet wurden, waren Be-
standteil der Umerziehungskampagne. Einmal sollten sie diejemgen
erfassen, die sich nicht in Jugendverbanden organisiert hatten, zu-
aieich dienten sie der ideologischen Auseinandersetzung mit den
kommunistischen und sozialistischen Jugendorganisationen.
Aus dem burgerlichen Selbstverstandnis der Ursachen von Faschismus
- 11 -
war es nur natiirlich, allem "Kollektiven" das "Individuum" gegeniiber
zu stellen. Notwendigerweise resultierte daraus eine Jugendpolitik,
die die Gruppe nur als Sammlung von Individuen ansah, den einzelnen
in der Gruppe zu starken suchte und damit ausschlieBen wollte, daB
sich kollektive Handlungsmoglichkeiten entwickelten, die als poten-
iell "diktaturanfa'llig" angesehen werden.
Nach 1949 wurden diese Freizeitheime zuna'chst von den Kommunen u'ber-
nommen. Mit den Mitteln des Bundesjugendplanes und kommunalen sowie
Landeszuschussen wurden ab 1950 vor allem "freie Trager" wie Kirchen
und Jugendverba'nde beim Bau und der Unterhaltung von Jugendfreizeit-
sta'tten gefbrdert.
In den "Gautinger Beschlussen" vom Friihjahr 1953 versuchten die in
der AGJJ (Arbeitsgemeinschaft fiir Jugendwohlfahrt und Jugendpflege,
heute AGJ - Arbeitsgemeinschaft fiir Jugendhilfe) zusammengeschlosse-
nen Trager einen gemeinsamen Nenner zu finden. Zieht man in Leerfor-
meln ausgedrlickte Wiinsche wie "Wege zur Welt der Erwachsenen zeigen",
"Gemeinschaftserlebnis vermitteln", ab, bleibt im wesentlichen eine
Bewahr- und Integrationsfunktion formul iert: die Jugendl ichen sollen
lernen, "daB mit dem Erwerb von Rechten auch die Obernahme von Pflich-
ten vorhanden ist". Die Gautinger Beschliisse wurden 1955 erganzt
durch die "Frankfurter Richtlinien", die sich hinsichtlich der Ziel-
bestimmung nicht unterschieden und ebensowenig eine begrlindete Kon-
zeption fiir die Arbeit im Jugendfreizeitheim liefern.
Die wirtschaftliche Aufwartsentwicklung erlaubte es auch den Arbei-
ter jugendl ichen, ihre Freizeit im Sinne von Konsumtion zu gestalten.
Die Jugendpflege muBte nuwiehr erleben, daB ihre Ideologie "gegen
den Kollektivismus" sich gegen die Jugendpflege, sowohl die Jugend-
organisationen der Parteien und Verbande, als auch gegen Jugend-
freizeiteinrichtungen richtete.
Anstatt die Jugendl ichen "empfanglich machen (zu kdnnen) fiir das
Wahre, Gute und Schbne", zogen sich diese in Spielhallen, die kommer-
ziell betrieben wurden, fiir die Jugendpflege unerreichbar zurlick.
Staatliche Jugendpflege sah sich plbtzlich dem Dilemma gegeniiber,
Angebote unterbreiten zu miissen, die sie selbst als pa'dagogisch frag-
wiirdig ablehnte. Spielautomaten wurden in die Heime gestellt. Tanz-
veranstaltungen losten die Spiel- und Bastelgruppen teilweise ab.
Die grundsatzliche Schwierigkeit von Jugendpolitik, bezogen auf Ju-
gendfreizeitheime, liegt darin begrlindet, daB das Konzept nur gelingt,
wenn tatsachl iche Bediirfnisse von Jugendl ichen aufgegriffen und an-
gemessen auf sie eingegangen werden, denn im Gegensatz zur Schule
ist der Besuch von Jugendfreizeiteinrichtungen freiwillig, sie miissen
also attraktiv sein. Hier liegt der Grund, warum (theoretisch)
das Prinzip "an den Bediirfnissen der Jugendl ichen ansetzen", sich im
Rahmen der Jugendfreizeitarbeit allmahlich durchsetzte - theoretisch,
denn faktisch waren die Heime im Laufe der Zeit nicht mehr in der
Lage, den Bediirfnissen Jugendlicher (die nicht mehr einfach "ein
Dach Liber den Kopf" brauchten) gerecht zu werden.
Fiir die jetzige Lage in der BRD ist nicht nur die Konzeptionslosig-
keit der staatlichen Jugendpolitik von Bedeutung. Allein der nach
wie vor giiltige Subsidiaritatsgrundsatz "garantiert" ein Spektrum
von Jugendarbeit, das sich als totale Konzeptionslosigkeit entpuppt.
Die Jugendverba'nde kbnnen nur noch liber die Zuschusse des Bundesju-
- 12 -
gendplanes existieren: Voraussetzung ist eine Arbeit, die den Ziel-
setzungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung dient, was
im Regelfall durch die Zugehbrigkeit des Verbandes in den jeweiligen
Jugendringen unterstellt wird.
Von der rechtsorientierten "Deutschen Jugend des Ostens bis zu der
"Sozialistischen Jugend Deutschlands - Die Falken -" sind die Orga-
nisationen vertreten und werden gefbrdert. Die Konzeptionslosigkeit
staatlicher Jugendpolitik endet jedoch regelma'Big bei weiter links
stehenden Verba'nden und Organisationen: deren Aufnahmeantra'ge (z.B.
der FDJ, SdAJ usw.) werden regelma'Big abgelehnt.
Wo linke Organisationen in die Jugendringe aufgrund formal -demokra-
tischer Entscheidungen aufgenommen werden, so z.B. die Westberliner
FDJ im Bezirksjugendring Steglitz, versucht man kurzerhand, dem ge-
samten Jugendring die Mittel vorzuenthalten. Die Konzeptionslosig-
keit gilt jedoch fur alle Einrichtungen. Was in ihnen zu geschehen
hat, ist weitgehend davon abha'ngig, was der jeweilige Jugendwohl-
fahrtsausschuB, Stadtra'te etc. als sinnvoll erachten.
Es wird auch ha'ufig ubersehen, daB Jugendarbeit sich nur zum gerin-
nen Teil direkt im staatlichen Bereich abspielt. So befanden sich
1965 53 2 % der Heime in kirchlicher Tragerschaft, 29,5 X waren in
kommunaler (staatlicher), 9,9 % in der Tragerschaft von Freizeit-
und Jugendpflegevereinen, 6,5 % waren sonstig (uberwiegend gewerk-
schaftlich) getragene.
Die Situation in Westberlin, wo per 30.12.74 sich 54 Jugendfreizeit-
einrichtungen in kommunaler Tragerschaft befanden, ist demnach mit
der in der BRD nur sehr begrenzt zu vergleichen.
nie rlicklaufigen Besucherzahlen Mitte der 60er Jahre, der Zerfall der
herkbmml ichen Jugendgruppen- und Verbandsarbeit, sowie die allge-
meine Verunsicherung innerhalb des Staatsapparats aufgrund der stu-
dentischen und anderer auBerparlamentarischer Opposition ermbglich-
ten die Einrichtung von Projekten, die sich von der traditionellen
Jugendarbeit vbllig unterschieden: Schuler- und Lehrl ingszentren,
jungarbeiterwohnkollektive usw.
Herrschte in den Freizeitheimen die groBe Leere, so hatten diese
Initiativen erhebl ichen Zulauf.
Im Gegensatz zur traditionellen Jugendarbeit setzten diese Initia-
tiven namlich an den Wiinschen und Bediirfnissen der Jugendl ichen an.
Auf die dabei aufgetretenen Schwierigkeiten, Fehlentwicklungen usw.
aeht unser Artikel noch ein. _ .
Dort wo diese Initiativen staatlicherseits zummdest tolenert wur-
den - in Einzelfallen auch finanziell unterstiitzt -, begnff man
diese Initiativen als kompensatorische Erziehung.
Aufqrund der Entwicklung der letzten 2 Jahre wissen wir, daB Projek-
te der beschriebenen Art heute kaum noch durchzusetzen sind, da wir
schon erhebliche Schwierigkeiten bei der Erhaltung und Verteidigung
der bestehenden haben.
Staatliche Jugendpolitik machte sich zum Ende der 60-er, Beginn der
70-er Jahre Gedanken daruber, wie der Charakter von Jugendfreizeit-
heimbewahreinrichtungen zu padagogischen Einrichtungen im Sinne kom-
pensatorischer Erziehung verandert werden kann. Ausdruck dafur sind
die diversen Jugendberichte.
Neben einer qualitativ veranderten Jugendarbeit sollte vor allem
durch Beratung und Intervention der Familien (Eltern und Kinder)
eine vorbeugende Arbeit betrieben werden. Ausdruck dieser Tendenz,
die sich klar als Erga'nzung zur MaBnahmefursorge der Behbrde (Fami-
lienfiirsorge) begreift, ist die Planung und teilweise bereits reali-
sierte Arbeit von Hausern der Familie.
Unter den Vorzeichen wirtschaftlicher Prosperita't und der damals zu-
mindest theoretisch gegebenen Mbglichkeit, Uber die staatliche Um-
verteilung zu den erforderlichen Mitteln zu gelangen, sind in vielen
Bereichen entsprechende Konzeptionen erarbeitet worden, deren Reali-
sierung einerseits aufgrund der nun fehlenden Mittel andererseits
durch die massenhafte Arbeitslosigkeit weitgehend gegenstandslos ge-
worden sind.
3. Entwicklung im "PRISMA"
Jugendfreizeitheim in Berlin— Reinickendorf
Mit dem Erscheinen der "Vier Versuche zu einer Theorie der Jugend-
arbeit" lbsten die Autoren Mliller, Kentler, Mollenhauer und Giesecke
im Oahre 1964 rege Oiskussionen aus, die sowohl in den Institutionen
der behbrdlichen Jugendpflege als auch unter den Sozialarbeitern ih-
ren Uiederschlag fand. Das Buch war der Auslbser fur eine Tagung der
Jugendpflege Reinickendorf, die unter dem Thema "bezirkliche Jugend-
pflege als politische Aufgabe" fur alle Mitarbeiter der Jugendpflege
1965 stattfand. Die vier Beitrage bildeten die Grundlage fiir die Be-
ratung in Arbeitsgruppen. Im Vergleich zur praktischen Arbeit in
Form einer Bestandsauf nahme wurden dann Vorstellungen fiir die weite-
re Arbeit entwickelt.
In einem Referat des Bezirksjugendpflegers wurden die Aufgaben der
Jugendpflege und die daraus resultierende Arbeit kurz skizziert:
"Die Jugendpflege hat die Aufgabe, jungen Mensahen die Zusammenhange
der Gesellsohaft deutliah und verstdndliah zu maohen, gteichzeitig
soil sie dem jungen Meneahen die eigene Stellung in der Gesellsohaft
bewuBt maohen. Venn gesellsahaftliahe Jugendarbeit geleistet werden
soil, dann kommt der politisahen Bildung eine beeondere Bedeutung
zu, dann mttssen Streitgespraahe oiler politisahen Riohtungen ermdg-
lioht werden, dann muli kritisohe Aufkl&rung Uber alte und neue Tabus
in der Industriegesellschaft geleistet werden, dann muB Uber Proble-
me einer umfassenden Gesohlechtererziehung - womit nicht nur aufkla-
rende Sexualerziehung gemeint ist - beraten werden.
Um Beitrage der Jugendpflege zur Integration junger Mensahen in die
Arbeits- und Freizeitwelt zu leisten, muB expansiv gearbeitet werden,
d. h. , wir mUssen in die Reinickendorfer Betriebe gehen. Hierbei ist
nioht nur an die Mithilfe oder DurchfUhrung von Betriebsjugendstun-
den gedaoht, sondern auch an Angebote,die dem Jugendlichen unter Be-
rUoksiahtigung seiner Arbeitswelt gemacht werden kOnnen. Venn wir
uns ddrtiber klar sind, daB wir dem Jugendliahen die Welt nioht nur
Uberschaubar maohen, sondern auch kritisohe Aufkl&rung leisten wol-
len, dann mUssen andere Voraussetzungen fttr diese Jugendarbeit ge-
sohaffen werden." ("Bezirkliche Jugendpflege als politische Aufgabe",
Bezicht uber einen Lehrgang der Jugendpflege Reinickendorf 1965)
Als Problemkreise nennt die Zusammenfassung:
"Die Rolle der Jugendpflege in der Freizeitpddogogik, der wirkungs-
vollere Einsatz pSdagogisaher Yxafte, Xnderung der Organisations-
- 14 -
struktur behordliaher Jugendpflege, Bildung sauftrag der Jugendpfle*-
ge, Verbesserung der Kommunikation zwisahsn den Versohiedenen Ebenen
jugendpflegerisaher Arbeit. " lebenda)
Die konkreten Forderungen am SchluB der Tagung bezogen sich dann
auf eine Veranderung der Planung und DurchfUhrung zentraler Veran-
staltungen, gesicherte Vorbereitungszeiten, Intensivierung der Ar-
beit mit Kindern und Jugendlichen, regelma&ige Dienstbesprechungen
und Fortbildung, Erstellung von Informationsmaterial fiir neue Kolle-
gen, die Schaffung von themenzentrierten Teams und die Vorbereitung
und Auswertung liber die soziale Situation der Kinder und Jugendli-
chen im Bezif.k. Ein Clubhaus fiir junge Erwachsene wurde ebenso ge-
fordert wie die finanzielle FreizUgigkeit der Einrichtungen.
Die Arbeitsergebnisse der Tagung und die Fortentwicklung dieser Er-
qebnisse fanden ihren Niederschlag in einer Arbeitsgemeinschaft zur
Erarbeitung einer Konzeption fiir ein "Clubhaus fiir junge Erwachsene".
Unter diesem Arbeitstitel sollte ein Bildungs- und Kontaktzentrum
entstehen, das sich in seinem umfassenden Angebot auf Besucher ein-
stellt, die dieser Altersgruppe in der Gesellschaft entsprechen. Als
untere Altersbegrenzung war deshalb das 18. Lebensjahr vorgesehen,
wobei diese Begrenzung auf die persbnliche Entwicklung bezogen wer-
den sollte und nicht absolut zu verstehen war.
Von der Atmosphare ebenso wie von dem Angebot sollte sich das Club-
haus eindeutig von den bestehenden Jugendfreizeitheimen unterschei-
den. Es sollte zu einer Begegnungsstatte von jungen Erwachsenen al-
ler'sozialen und gesellschaftlichen Schichten werden. Die Skala des
-Angebots sollte von dem Bereich der qual ifizierten Unterhaltung bis
zur Vermittlung von Angeboten eines definierten Bildungsprogramms
reichen. Das Clubhaus sollte jedoch nicht Hilfsmittel fur eine tota-
le Freizeitverplanung sein. Nicht um die Ausfiillung von Freizeit sol 1-
zu befa'higen.
Ohne Abend- oder Vol kshochschule sein zu wollen, sollte das Club-
haus doch Bildung vermitteln! Neben dem unterhaltsamen Programm,
- Hilfen fur die Bewaltigung des praktischen Lebensalltags, insbe-
sondere Hobbyaktivitaten;
- Aufklarung Uber wesentliche politische, soziale, kulturelle, wirt-
schaftliche Fragen innerhalb der bundesrepublikanischen Gesell-
Diskussionskreise, in den die Clubgaste mit Persbnlichkeiten des
offentlichen Lebens konfrontiert werden.
Am 12 April 1967 wurde das Prisma erbffnet.
Die Besucher der ersten Phase waren uberwiegend Studenten der ver-
schiedenen Berliner Universitaten und Hochschulen, sowie Gymnasia-
sten In dieser Zeit wurde der Versuch unternormen, ein Programmgre-
miumzu bilden, das die kunftigen Programme ausarbeitet und fur die
DurchfUhrung verantwortlich ist. Unter der Programmgestaltung der
Mitarbeiter des "Prisma" und der Jugendpflege des Bezirksamtes fan-
den u.a. folgende Veranstaltungen statt:
- 15 -
Politik der USA - Rassenunruhen, Vietnam usw. ;
Neues deutsches Chanson - Mey, Waderj
Presse in Berlin, Straf rechtsreform und Sexual itat;
Nahost (Podiumsd i skuss ion);
17. Juni, Tag der deutschen Einheit - Kooperatipn gegen Koexistenz;
Bericht an eine Akademie - Kafka, drei Interpretat ionen mit an-
schl ieSender Diskussion.
Das Clubhaus fur junge Erwachsene stand grundsatzl ich jedem offen.
Alien eine Basisgruppe der AuSerparlamentarischen Opposition (Schiiler
und Lehrlinge) konnte hier arbeiten. Sie fand Raum fUr ihre Sitzun-
gen, stellte auf clubeigenen Maschinen ihre Flugblatter her und ver-
suchte, andere Jugendliche zu gewinnen und das Clubprogramm zu beein-
flussen. Spannungen blieben nicht aus, weil nach und nach Jugendli-
che erschienen, die an dem Programm und 'zwanglos' geflihrten Diskus-
sionen nicht interessiert waren, sondern das "Prisma" nur als Treff-
punkt benutzten, um dort ihre Freizeit verbringen zu kbnnen.
Diese Tendenz hatte zur Folge, daB viele der vorherigen Stammbesu-
cher nicht mehr erschienen, wahrend die an dem Programm Desinteres-
sierten schwer ansprechbar waren. Eine Veranderung setzte allmahlich
ein, nachdem die Mitarbeiter des Hauses diese Besucher zur Mitar-
beit aufgefordert hatten und sie immer wieder auf diese den Rahmen
des Hauses ausmachende Aktivitat hinwiesen.
Hinzu kam der Druck der Administration. Immer ha'ufiger geriet das
Jugendamt in die Verlegenheit, die Initiativen und Aktivitaten des
Clubs da'mpfen oder umorientieren zu m'Jssen, weil bei verschiedenen
Stellen, auf deren Wohlwollen das Jugendamt angewiesen ist (Jugend-
wohlfahrtsausschuB, einzelne Jugendverbande und einzelne Abgeord-
nete, aber auch Lehrer und Direktoren der Schulen und die Presse)
ein zunehmendes MiBtrauen gegen den Club entstand:
Man vermutete hier ein Zentrum revolutionarer Jugendgruppen, ein-
seitig beeinfluBtvon der APO.
Um Angriffen vorzubeugen, durften bestimmte Flugblatter im Club nicht
mehr ausgelegt werden, eine geplante Diskussion mit dem SDS muBte
ausfallen; bei den Programmbesprechungen versuchten die Mitarbeiter
des Jugendamtes, auf die willensbildung der Clubmitglieder EinfluB
zu nehmen. Die jungen Leute fiihlten sich gehemmt, es entstand bei
ihnen der Eindruck, doch nichts andern zu kbnnen, sie wurden lustlos.
Viele nahmen am Clubleben nicht mehr teil.
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hinaus
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des "Pr
auf die
anderen
gendamt
andert
ie Medien wurde das Ende des "Prisma" weit Liber Westberlin
bekannt:
Club arbeitende Basisgruppe hatte nach einem Seminar liber
ita't im Jugendalter" auf einer bffentlichen Veranstaltung
isma" Antibabypillen versteigert. Dabei ging es einmal darum,
sexuelle Notlage der Jugendlichen aufmerksam zu machen, zum
sollte die fortschrittlich erscheinende Konzeption des Ju-
es Reinickendorf als eine bloBe liberale Attitude, bei unver-
autoritaren Strukturen im Ganzen, entlarvt werden.
Der allgemeinen Strategie, auf dem Campus entwickelt, folgend, mein-
te man, den Staatsapparat entlarvt, an seiner verwundbarsten Stelle
getroffen zu haben, als dieser als Reaktion mit Hilfe von Polizeiun-
- 16
terstutzung am 29.1.69 das Prisma schloB.
Zu einer Demonstration gegen das Vorgehen des Bezirksamtes fanden
sich mehr Jugendliche ein, als jemals an einem Abend im Club waren.
"Wie in einem LehrstUck sind durch dieses Ende des Jugendclubs
"Prisma" die Grenzen jugendpflegerischer Arbeit deutlich geworden.
Kritisohes BewuBtsein sollte zwar erzeugt werden; in dem Augenbliak
aber, da sich Einstellung und Haltung der Jugendliahen in oppositio-
nelles Handeln umsetzte, zeigte sich, dali selbst eine fortschrittli-
che Konzeption der Jugendpflege letztlich nur zum gesellschaftlichen
Wohlverhalten erziehen harm, weil sie dorauf angewiesen ist, dali Ju~
qendliche sich mit einer bloBen Akkumulation kritischen BewuJStseins
begnugen und praktische Folgen fur spater aufheben, wenn sie 'reif
genug ' sind, um in den offiziell zugelassenen Institutionen politisch
tdtig zu werden. " (Helmut Kentler)
H. Kentlers Einschatzung mag fur einen Teil der Clubbesucher zutref-
fen, sicherlich nicht fur alle. Nicht wenige Besucher und Demonstran-
ten fanden sich nicht aufgrund eines ausgepragten BewuBtseins ein,
sondern weil man ihnen :die Mbglichkeit genommen hatte, im Club ihre
Freizeit zu verleben.
Der politische Eklat der SchlieBung hat weitgehend eine Aufarbeitung
der anderen Schwierigkeiten (insbesondere die verschiedenen Interes-
sen der Besucher und die daraus resultierenden unpolitischen Konflik-
te) abgeschnitten, was fur die weitere Entwicklung des "Prisma" erheb-
liche Folgen hatte.
nip Wiedererbffnunq des "Prisma" im Frlih.iahr 1970
Hatte die vorangegangene Konzeption noch den Anspruch, alien Club-
besuchern etwas 'bieten' zu wollen, wobei das Programm ausschlieB-
lich 'studentisch' orientiert war, ergab sich der Arbeitsansatz dies-
mal anhand der Drogenscene, die Zahl der Opiatabha'ngigen in Westber-
lin wurde auf Zwei- bis Dreitausend geschatzt. Im Herbst 1970 hatte
der Drogenkonsum derart zugenommen, daB die Auseinandersetzung mit
diesem Problem unumganglich wurde. Im November war der Besucherkreis
des "Prisma" fast ausschlieBlich auf Rauschmittelkonsumenten redu-
ziert, wobei die Gruppe der Fixer zunahm. Zum Jahresende war das
"Prisma" zu einem der Umschlagpla'tze fur Haschisch, LSD und harte
Drogen im Norden Berlins geworden.
"Wie wohl die meisten Sozialarbeiter Wurden die damaligen Mitarbei-
ter ohne jede theoretischen Kenntnisse oder praktischen Vorbereitun-
aen mit dem Drogenproblem konfrontiert, es dauerte zwei Monate, bis
sie sich mit Hilfe von Beratern und Faahleuten in die Materie einge-
arbeitet hatten." (Konzeption des Jugendzentrums "Prisma", unverbf-
fentlichtes Manuskript, Berlin 1971, S. Iff)
Nach intensiver Analyse und Diskussion entschloB sich das Team, der
"anschwellenden Rauschgiftwelle" durch ein langfristiges Hilfsange-
bot entgegenzutreten und nicht etwa durch Polizeieinsatz lediglich
eine regionale Verlagerung des Treffpunktes zu bewirken.
In Zusammenarbeit mit spezialisierten Rrzten und Psychologen began-
nen die Sozialarbeiter ihr Hilfsprogramm, das hauptsachlich in Infor-
mation, Aufklarung und Einzelberatungsgesprachen bestand.
" .dabei begann sich die Problematik der Uberaus rasch einsetzenden
- 17 -
Fixierung der Drogenabhangigen auf einzelne Teaimritglieder sehr
deutlioh abzuzeiehnen. " (ebenda, S. 9)
Da diese Fixierung nur schwer abzubauen war, kam es zu einer erheb-
lichen Belastung des Teams, das sich schlieBlich der Arbeit nicht
mehr gewachsen sah, zumal es feststellen muBte, daB es in Berlin
seinerzeit keine weiterfiihrenden Einrichtungen gab, an die die be-
troffenen Jugendlichen hatten verwiesen werden kbnnen. SchlieBlich
sah das Team keine andere Mbglichkeit, als den Drogenkonsum im
"Prisma" grundsa'tzlich zu verbieten.nachdem auch die Bemiihungen der
Mitarbeiter, zumindest den harten Drogenkonsum zu verhindern.scheiter-
ten und "hochgradig aggressive Reaktionen der Besucher, die sioh in
planloser Demolierung grofier Teile der Inneneinrichtung entluden,
erfolgten. " (ebenda, S. 11)
3. Phase: Lehrlingsarbeit
Fur die Konzeption, die im Sommer 71 erarbeitet wurde und die Grund-
lage fiir die weitere Arbeit sein sollte, waren die Erfahrungen, die
das Team vom Herbst 70 bis zum Sommer 71 gemacht hatte, maBgebend.
Aus den Erfahrungen der Vergangenheit werden die SchlUsse gezogen:
1. daB therapeutische Arbeit und politische Arbeit zugleich nicht
moglich sind;
2. daB die Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen (Schiilern und
Lehrlingen) zugleich schwierig werden wurde;
3. erklartes Ziel ist die Aufhebung der Fremdbestimmung zugunsten der
Selbstbestimmung.
Aus den Einschatzungen heraus entschloB man sich zur Konzentration
auf die Bildungsarbeit mit Lehrlingen (Arbeitsplatz, Familiensitua-
tion, Sexual itat).
Selbstorganisation der Besucher und ihre Mitbestimmung bei der Pro-
grammgestaltung - als Obergangsphase - sind im Konzept vorgesehen.
Weiter heiBt es: "Die Hauptaufgabe des "Prisma" soil es sein, die
Entwicklung kritischen BewuBtseins bei den Jugendlichen zu stimulie-
ren, zu fb'rdern und zu stabil isieren. "
Als Bedingungen des Gelingens werden genannt:
die Bildung eines seine Arbeit standig reflektierenden und korrigie-
renden Teams von Mitarbeitern, die Bildung fester Gruppen unter den
Jugendlichen und vor allem die Gewinnung des Vertrauens der Jugend-
lichen.
4. Konflikte urn die Selbstverwaltung im "PRISMA"
Im Folgenden soil schwerpunktma'Big auf 2 konkrete Probleme im
"Prisma" eingegangen werden:
einerseits auf die Probleme einer Selbstverwaltungsgruppe, anderer-
seits auf die Probleme von Mitarbeitern untereinander.
Zur Erklarung vorab:
Beim Jugendfreizeitheim "Prisma" waren im April 74 folgende Mitarbei-
ter beschaftigt: 1 Dipl .Politologe, 2 Erzieher (Sozialarbeiter) und
eine Honorarkraft.
Die Besucher setzten sich zu diesem Zeitpunkt aus Lehrlingen, Jung-
arbeitern, Haupt- und Oberschulern zusammen. Gemeinsame Motivation
dieser Besucher war, wenig Geld auszugeben und Kontakte im "Prisma"
zu kniipfen.
- 18 -
Zu den Schwierigkeiten unterschiedlicher Interessen und Erwartungen,
die die verschiedenen Jugendlichen an das "Prisma" hatten (die
einen, liberwiegend Oberschliler, hatten ein Interesse an politischer
Arbeit, die anderen, die zahlenma'Big uberwiegende Gruppe, Lehrlinge
und Jungarbeiter, wollten Hobbys nachgehen Oder einfach nur gammeln),
dem dauernden Konflikt urn die insgesamt zu wenigen Raume, begrenzten
finanziellen Mbglichkeiten etc., kam das Problem, daB die im "Prisma"
arbeitenden Sozialpadagogen ans Portopee gefaBt, namlich an ihre for-
mulierten Anspruche, sich plbtzlich der Widersprlichlichkeit dieser,
bezogen auf ihre Person, ihre Anstellungsverhaltnisse usw., bewuBt
zu werden begannen.
Eine Anfang 1974 entstandene Selbstverwaltungsgruppe (SVG), die sich
Uberwiegend aus Oberschulern zusammensetzte, stellte ihre Forderungen:
- Uber die Raumlichkeiten verfiigen und auch bestimmen, welche Grup-
pen das "Prisma" besucher kbnnen.
- Entscheidungsfreiheit Uber die Gelder des Bezirksamts, Cffnungs-
zeiten und die Arbeit der Mitarbeiter.
Weiterhin verlangten sie von den Mitarbeitern voile Solidaritat in
etwaigen Auseinandersetzungen, auch wenn die Mitarbeiter die Verhal-
tensweisen der SV-Gruppe nicht billigen wlirden. Diese Ziele der SVG
unterschieden sich stark von denen der Mitarbeiter, die so etwas
wie ein abgesichertes Mitbestimmungsrecht liber:
- Gestaltung und Ausstattung des Hauses;
- Inhalt und Ablauf des Programms, Hbhe und Verteilung der Mittel;
- Auswahl, Einstellung und Entlassung der hauptamtlichen Mitarbeiter
ha ben wollten.
Die ehrlich gemeinte Deklaration, 'Fremdbestimmung' durch 'Selbstbe-
stimmung' ablbsen zu wollen, zugleich aber deren Inhalte zu bestim-
men, die sich letztendlich auf Mitbestimmung reduzierten, wurde von
den Jugendlichen nicht akzeptiert.
Weitere Schwierigkeiten in der Diskussion urn die SV waren die Kommu-
nikationsschwierigkeiten und das Verhalten der Jugendlichen unterein-
ander. Es herrschte grbBtenteils das Prinzip der Starke, sowohl im
geistigen wie auch im kbrperlichen Bereich vor. Es fand ein gegen-
seitiges Ausspielen statt und die Schwachen der anderen wurden aus-
genutzt,wo es nur ging.
So kan es, daB die anfangs erwahnte SV-Gruppe im Fruhjahr 74 in 2
Teile zerfiel, wobei die zwei Gruppierungen unterschiedl iche Auffas-
sungen von Selbstverwaltung hatten und es nur dann zur Solidaritat
untereinander brachten, wenn Auseinandersetzungen mit einem "AuBen-
feind", z.B. mit dem Bezirksamt, anstanden. Ursache fiir die Zersplit-
terung der ohnehin zahlenma'Big kleinen Selbstverwaltungsgruppe waren
einerseits die unterschiedlichen Inhalte, die unter Selbstverwal-
tung subsumiert wurden, andererseits der 'Parteienansatz' bzw. -nicht-
ansatz. In diesem Zusammenhang ist es nicht moglich, detailliert
auf alle 'Varianten' dieser scheinbaren Oder tatsa'chlichen politi-
schen Unterschiede einzugehen. Dies wird jedoch spa'ter, wenn es urn
die Darstellung der Mitarbeiterkonstellation geht, wieder aufzuneh-
men versucht.
In den Vollversammlungen, in denen die wichtigsten Entscheidungen ge-
troffen werden sollten, reproduzierte sich dieses teilweise politisch
- 19 -
verbramte Konkurrenzverhaltnis. Politische Gruppierungen ergingen
sich in endlosen Darstellungen des richtigen Weges, aber auch die
personliche Diffamierung kam nicht zu kurz. Die Folge war, daB die
Jugendlichen, die nicht redegewandt waren (vornehmlich die Lehrlin-
ge und Jungarbeiter) und deren Interesse auch nicht die ' internatio-
nale Lage' und das Verhaltnis von 'Jugendfreizeit in ihr' war, sich
nicht mehr daran beteiligten; gefaBte Beschllisse blieben unverbind-
lich, waren ohne Konsequenzen.
Zeitweise gab es positive Ansatze der Zusammenarbeit der 'Fraktionen' ,
so wurde z.B. eine Zeitung gemacht, wurden Feten organisiert, ergab
sich ein hoher Grad an Solidarisierung der anderen Jugendlichen,
wenn sich Selbstverwaltung als 'Schllisselgewal t' darstellt, also an
den Interessen der Mehrzahl der Freizeitheimbesucher ansetzte.
Bei der Auseinandersetzung urn die administrative SchlieBung des
Heimes 'Putte' war die Mehrzahl aller Heimbesucher aktiv an den Aus-
einandersetzungen beteiligt. Der Versuch, innerhalb des "Prisma"
zu la'ngerfristigen Aufgaben zu kommen, scheiterte an den 'Fraktions-
kampfen' (und der Ratlosigkeit der dort tatigen Sozialpadagogen?).
SchlieBlich wurden die Selbstverwaltungsgruppen aufgerieben, sie
fanden keinerlei Anklang mehr bei der Mehrzahl der Freizeitheimbe-
sucher.
Die Rockergruppe
Eine Rockergruppe, aus ca. 18 Mitgliedern bestehend, hatte von Zeit
zu Zeit im "Prisma" 'aufgemischt' : Veranstaltungen wurden gestbrt,
die Einrichtung demoliert, Schlagereien inszeniert. Gelenkt wurde
diese Gruppe von einem Anfuhrer, der von den ihm seit langem bekann-
ten Sozialarbeitern deren Methoden, wie z.B. Bekraftigungslernen
und Gegenkonditionierung angenommen hatte. Er half seinen Leuten
bei Schwierigkeiten mit Gerichten, Sozialamt, Eltern und Arbeitsamt.
Nach einiger Zeit des "Terrors" schienen sich die Rocker integriert
zu haben. Die Antwort auf die Frage nach der Verhal tensanderung lau-
tete etwa: "Das 'Prisma' ist fur uns die letzte Mbglichkeit, einen
AnschluB an die Gesellschaft zu bekoramen. Wir wollen die Vorurteile
gegen uns abbauen und im 'Prisma' mitarbeiter."
Auf BeschluB der VV wurde die Gruppe aufgenommen. Die standigen Mit-
arbeiter hatten zwar Bedenken, auBerten diese aber nicht, zumindest
nicht in grbBeren Diskussionsrunden mit den Jugendlichen.
Die Rockergruppe arbeitete zunachst entscheidend an der Herstellung
eines Programms mit und baute einen Raum zu einer Teestube aus.
Diese Teestubengruppe gab den anderen Jugendlichen wieder Auftrieb
zu neuen Aktivitaten.
Je larger die Rockergruppe im "Prisma" war, je sicherer sie sich
fiihlte und je mehr sie feststellte, daB die anderen Besucher Angst
vor ihr hatten und kaum einen Machtfaktor darstellten, desto star-
ker brachen die alten Verhal tenswei sen wieder durch (Einschuchte-
rung anderer durch Prligel, Randal ieren usw. ). Das wiederum lbste
bei den anderen "Prisma" -Besuchern Angst aus, viele blieben weg,
andere redeten der Rockergruppe nach dem Munde.
Die Rockergruppe sollte das "Prisma" verlassen. Eine Bescha'ftigung
mit dieser Gruppe hatte bedeutet, daB man die anderen Aufgaben im
- 2o -
"Prisma" hatte vernachlassigen mlissen. AuBerdem wurde die Chance -
auch aus der Erfahrung in andern Jugendfreizeitheimen heraus -, solche
Jugendlichen zu beeinflussen, als sehr gering eingeschatzt.
Den negativen EinfluB dieser Gruppe den anderen Jugendlichen zu ver-
mitteln, sahen die Mitarbeiter als ihre Aufgabe an. Dieser Versuch
schlug jedoch weitgehend fehl : die Problematik konnte nicht genii-
gend vermittelt werden, die Jugendlichen orientierten sich nicht an
den Sozialarbeitern, sondern an den Rockern. Am 31.4.74 eskalierte der
beschriebene Konflikt. Es kam zu schweren Verwiistungen und Ausschrei-
tungen im "Prisma". Die SV-Initiative war am Ende, weil sie von nie-
mandem mehr ernsthaft getragen wurde. Auch ein aufgrund der Aus-
schreitungen sofort ausgesprochenes Hausverbot gegen die Rocker an-
derte nichts mehr.
Konflikte im Team
Obwohl man aufgrund der vorherigen Erfahrungen wuBte, daB weder die
personellen , noch finanziellen, noch ra'umlichen Voraussetzungen
qegeben waren, urn alien Interessen der unterschiedl ichen Freizeitheim-
besucher (einschlieBlich Rocker) gerecht werden zu kbnnen, man. sich
qanz bewuBt auf die Lehrlingsarbeit konzeptionell beschrankt hatte,
konnte diese Entscheidung nicht durchgehalten werden, mit alien sich
daraus ergebenden, beschriebenen Konsequenzen.
Zu Konflikten zwischen den Mitarbeitern kam es an der Frage der Funk-
tion von Sozialpadagogen im Jugendfreizeitheim und der Einschatzung
der Selbstverwaltungsforderung.
Die eine Fraktion sprach vom "Kampf um die Selbstverwaltung, den die
jugendlichen gegen den Widerstand des Bezirksamts zu fiihren hatten.
Ihre Aufgabe sahen sie offenbar vorrangig in der linterstlitzung die-
ses Kampfes. Der anderen Fraktion der Mitarbeiter warfen sie vor,
daB sie die "Fahigkeit und Bereitschaft proletarischer Jugendlicher,
ihre Interessen selbst wahrzunehmen und durchzusetzen" unterschatzen
wiirden. Das eigene Engagement dieser Fraktion in der Sache blieb
abstrakt und unverbindlich.
Das in der Konzeption des "Prisma" formulierte programmatische
Selbstverstandnis, das hieBrdie Jugendlichen zur "SELBSTBESTIMMUNG"
zu befahigen, wurde im Team nie richtig im Hinblick auf seine Reali-
sierbarkeit eingeschatzt. Weder wurde reflektiert, ob Selbstbestim-
mung im Jugendfreizeitheim iiberhaupt ein real isierba res Ziel fst,
noch wurden einzelne gangbare Schritte formuliert.
Im September 1972 wurde zwar Einigkeit daruber erzielt, daB
dem Team in bezug auf die gemeinsam beschlossene Zielgruppenarbeit
mit Schulabgangern der Hauptschule, Auszubildenden und Jungarbeitern,
die dazu notwendigen Kenntnisse fehlen. Es wurde beschlossen, sich
gemeinsam in bezug auf diese Zielgruppe einen gleichen Minimalkennt-
nisstand anzueignen. Zu diesem Zweck wurden arbeitsteilig dafur in-
frage kommende Bucher von einzelnen gelesen, um anschlieBend Zusam-
menfassungen im Team durchzuarbeiten. Dies wurde nicht konsequent
durchgeflihrt. Zur Abklarung und Beseitigung von bestimmten^llen
Teamern bewuBten Arbeitsblockierungen wurde Oktober 72 eine Klausur-
tagung durchgeflihrt.
Ein Aufbrechen der Situation durch das gemeinsame Aufarbeiten der
- 21 -
Spannungen wurde dort scheinbar erreicht. Die Spannungen und Vor-
wiirfe bestanden aber - wie sich danach herausstellte - genauso wie
vor dem Seminar.
Es la'Dt sich nicht mehr rekonstruieren, wie aus der vorgesehenen -
und wie man heute sagen muB - abstrakt und unklar gebliebenen Selbst-
bestimmung die Forderung nach Selbstverwaltung geworden ist. Es
bleibt nur eine folgenreiche Unterlassung festzustellen: die Selbst-
verwaltungsforderung wurde innerhalb des Teams nicht politisch dis-
kutiert und in Hinblick auf mbgliche, auch personelle Konsequenzen
analysiert. Das flihrte dazu, daB die Auseinandersetzungen innerhalb
des Teams auf die subjektive Ebene verlagert, d.h. zweifellos vor-
handene politische und padagogische Differenzen wurden personali-
siert und psychologisiert.
Das niachte sich wie folgt bemerkbar: konkrete Situationen wurden
ebenso wenig wie zuvor dazu benutzt, urn im Team zusammen dariiber zu
diskutieren. Es wurde nicht mit den jeweils Betroffenen Uber miGver-
standliche Situationen gesprochen, sondern man verfuhr - wie gehabt -
nach der Methode, Gesprache untereinander zu flihren. Manchmal fand
man sich in der nahe gelegenen Curry-Wurst-Bude zusammen, um sich
gegenseitig sein Leid zu klagen.
Diese Situation hielt bis Februar 73 an. Ein Teil des Teams hatte
sich in einer "konspirativen Sitzung" getroffen, um unter sich Liber
die Situation im "Prisma" zu beraten. Das Ergebnis dieser Sitzung
war: zwei hauptamtliche Mitarbeiter und drei Honorarkra'fte bildeten
eine Fraktion und postulierten, die wissenschaftliche Mitarbeiterin
habe zu klmdigen. Der Team-Rest, zwei Hauptamtliche, eine Honorarkraft,
wollte sich dieser Forderung nicht anschlieBen. Sie hielten die Griin-
de nicht fiir stichhaltig, die Art der Problemlbsung fur falsch und
fraktionierten mit der Leiterin.
Hit den Jugendlichen wurde der Konflikt - wie sich spa'ter herausstell-
te - zu fruh diskutiert.
Uenn wir sagen, daB der Team-Konfl ikt mit den Jugendlichen zu fru'h
diskutiert wurde, dann heiBt das zuna'chst: zu unvorbereitet. Da in-
nerhalb des Teams die Positionen und daraus folgende Konsequenzen
nicht abgeklart waren, konnten sie auch den Jugendlichen nicht auf
einer sachlichen politischen Ebene vermittelt werden, so daB die
Diskussion mit den Jugendlichen zu einem Kampf um Machtpositionen
der Mitarbeiter in der "Prisma"-Offentl ichkeit flihrte, was fur die
Jugendlichen nutzlos war. Letztendlich vermittelte keine der Frak-
tionen den Jugendlichen, daB ihre Forderung: "Selbstverwaltung ohne
Sozialpadagogen" eine Illusion war, weil sie die SchlieBung des
Hauses zur Folge gehabt hatte. Denn diese personelle Entscheidung
hatte gegenliber dem Bezirksamt nicht politisch vertreten werden kon-
ne.
Die Wiederherstellung der Vertrauensbasis zwischen den Mitarbeitern
konnte zu diesem Zeitpunkt faktisch ausgeschlossen werden, an erneu-
te Zusammenarbeit war nicht zu denken.
Verbitterte Grabenkampfe kennzeichnetendie Situation, jede Seite ver-
suchte, urn jeden Preis "Boden" zu gewinnen: die eine Fraktion ver-
suchte, die Starke der gegnerischen Kerngruppe zu schwa'chen: sie
wandte sich an den Bezirksjugendpfleger und trug Sorge, daB die
- 22 -
Vertrage der Honorarkra'fte nicht verlangert wurden. Die anderen
hingegen betrieben in anderen Jugendzentren"Basisverbreiterung".
Ende April erreichte der Konflikt seinen Hbhepunkt: beide Gruppen
unternahmen den Versuch, die konzeptionellen Differenzen gegenliber
den Jugendlichen und der Verwaltung schriftlich zu fixieren. Dieser
Versuch, die Diskussion zu versachlichen, schlug fehl. Stadtrat und
Bezirksjugendpfleger filtrierten aus den vorliegenden Darstellungen
die Oberzeugung, die Unmbgl ichkeit der Zusammenarbeit sei mit den
tatsa'chlich minimalen Konzeptionsunterschieden nicht zu erkla'ren.
Damit war der Versuch gescheitert, die Behbrde parteiisch zu engagie-
ren, sie war nicht bereit, sich fur die eine oder andere Seite zu
entscheiden. In "Prisma" selbst war der Konflikt mittlerweile "aus-
serhalb der Kontrolle"! Auf einer Vollversammlung Ende April 73 ge-
lang es keinem der Anwesenden (nicht dem Bezirksjugendpfleger, nicht
den Mitarbeitern, nicht den Jugendlichen), sich flir ihre Argumente
Gehbr zu verschaffen. Die Mobil isierungskampagne zeigte bedenkliche
Ergebnisse: Gruppen, obwohl mit dem im "Prisma" existierenden Pro-
blem nicht vertraut, dominierten die Versammlung. Bei vielen schien
gar nicht mehr das Interesse an der Sache im Vordergrund zu stehen,
sie waren eher in der Hoffnung auf ein spannendes Spektakel ins
"Prisma" gekomraen.Die Entwicklung gewann ihre Eigendynamik.
5. Zur Rolle des Sozialarbciters im Freizeitheim
"Insbesondere soil die Jugendpflege Mbglichkeiten zum Einliben einer
Vielzahl sozialer Rollen (soziales Lernen) und zum Bewa'ltigen von
Konfliktsituationen privater und gesellschaftlicher Art anbieten.
Wichtigste Voraussetzung eines derartigen sozialen Verhaltens sind
die Ermoglichung von Autonomie, die Ermutigung zur Mundigkeit und
die Befreiung von Angst... Eine sich demokratisch verstehende Gesell-
schaft muB es flir wichtig halten, Konflikte auszutragen. Jugendpfle-
ge soil daher Kindern und Jugendlichen die Mbglichkeit der Konflikt-
austragung in der allta'glichen gesellschaftlichen Praxis aufzeigen."
(jugendpflegebericht der Westberliner Senatsverwaltung fiir Familie,
jugend und Sport, 1973, S. 3)
Der Jugendpflegebericht flir Westberlin muB neben Konfliktsituationen
privater immerhin auch solche gesellschaftlicher Art zur Kenntnis
nehmen. Als Lbsungsmbgl ichkeit sieht er ein Feld - Jugendfreizeithei-
me -, innerhalb dessen Konflikte ausgetragen werden kbnnen, Autono-
mie, die Ermutigung zur Mundigkeit und die Befreiung von Angst, un-
ter 'sozialpadagogischer Hilfestellung, erlernbar sind.
Dahinter stent die alte Auffassung von Sozialisationsdefiziten, die
notwendigerweise Klassenunterschiede und ihre fluBerungsformen im
Verhalten, bei der Artikul ierung und Entstehung von Bedlirfnissen,
leugnen muB, will sie das nivellierte Idealbild des mlindigen, demo-
kratisch aktiven Burgers, der den Mittel standsvorstellungen entspringt,
aufrechterhalten.
Staatliche Jugendpolitik befindot sich immer in dem Dilemma, in ihrer
Arbeit von der Aufteilung des staatlichen Haushalts abhangig zu sein
und damit von den Stellen, in denen die Aufrechterhaltunn der be-
stehenden Wirtschaftsordnung notwendigerweise absolutes Primat hat.
- 23 -
Nicht nur in den Zeiten wirtschaftlicher Krise, in denen mittels
Eventual haushalten, Steuerverglinstigungen fiir Unternehmen, erheb-
licher Einsparungen im Bereich des sogenannten Systems sozialer Si-
cherungen der wirtschaftliche Aufschwung wieder eingeleitet werden
soil, sondern auch in Zeiten sogenannter Hochkonjunktur stehen nur
minimale Mittel zur Verfugung.
Gegenwa'rtig befinden wir uns in einer Periode, in der nicht einmal
der verbale Anspruch aufrecht erhalten werden kann, stattdessen an
den "Genieinsinn" appelliert wird, der da heiBt: "Unternehmergewin-
ne sichern". (Anmerkung: Zumindest in Westberlin ist dieTendenz der
Jugendbehorde zu erkennen, in den Verwal tungsbezi rken sich aus der
praktischen Jugendf reizei tarbei t zuriickzuzieher, . Die Tendenz a'uBert
sich, entgegen den formul ierten Anspruchen des Jugendpf legeber ich-
tes,einerseits darin, daB die Arbeit mit Kindern (Miniclub) in den
Heimen absoluten Vorrang hat, und die Jugendarbeit an die Kirchen de-
legiert wird, andererseits modellhaft 'Ha'user der Familie1 entstehen,
in denen 'vorbeugend'gearbei tet werden sol!, d.h. durch Beratung
und Therapie bei Kindern und Eltern eine Generation heranwachst, von
der man of fensichtl ich hofft, daC sie die Schwier igkei ten der jetzi-
gen Jugendf reizeitheimbesucher nicht mehr haben wird.
0a3 diese Konzept ion zu einer Zeit zum Tragen kommt, in der die zuneh-
mende Jugendarbei tslosigkei t die Verwaltung zu entsprechenden MaBnah-
men zwingt, die gegen! auf iger Natur sind, kann wohl nur damit er-
klart werden, daB die Planung und deren Umsetzung innerhalb der Ver-
waltung mit einer erhebl ichen zeitlichen Verzogerung verbunden sind.
Hinzu kommt, da3 in Zeiten wirtschaftlicher Krise, die hochstens
noch Reformen, die nichts kosten, gestatten, die Jugendpol i t i k bei
der SPD in den Hintergrund treten la'Bt. In diesem Bereich ist z.Zt.
nichts zu holen. So ist es wohl auch kaum zufallig, daB von den
12 Westberliner Bezirken nach den Wahlen im Marz 1975 nur zwei Ju-
gendstadtrate der SPD angehBren, die Jugendpol i t i k, die die SPD bis-
her als ihre politische DomSne ansah, sang-und klanglos an die CDU
iiberg ing . )
Die Konsequenzen eines "progressiven Anspruchs" der Burokratie und
ihrer Unfahigkeit, diesen umzusetzen, schla'gt voll in die Jugend-
freizcitheime durch.
Die dort tatigen Sozialpadagogen stehen zwischen den Forderungen der
Jugendl ichen, der Erwartung des Anstellungstragers, die "Probleme
in'den Griff zu bekommen" und ihrem eigenen Anspruch, mehr als nur
im Vorfeld staatlicher MaBnahmefursorge ta'tig zu sein.
Entgegen dem durch die Medien und linken Publikationen vermittelten
Eindruck ist der All tag der Jugendfreizeitheimarbeit nicht von der
Forderung nach Sel bstverwaltung, der Besetzung von Ha'usern, die mit
oder ohne Polizeigewalt geraumt werden oder aber fur die Jugendar-
beit erkampft werden kdnnen, bestimmt, sondern von den Schwierig-
keiten der Sozialpadagogen gepragt, sich den Jugendl ichen gegenuber
ganz bestimmt verhalten zu mu'ssen und zu wollen und zugleich ihrem
Dienstherrn verpflichtet zu sein. Er ist bestimmt von dem Konflikt
der in den Heimen Tatigen, den Freiraum, den die Burokratie erst
einmal einra'umt, urn Jugendliche in die Einrichtungen zu bekommen,
sie sozialpa'dagogisch beeinflussen zu lassen, so nutzbar zu machen,
daB ein gemeinsamer LernprozeB erfolgen kann. Er ist bestimmt von
der Unmbglichkeit der Aufhebung von Klassenunterschieden und deren
- 24 -
Auswirkungen auf die Arbeit, von der Schwierigkeit Liber die verbale
Erkenntm's der "Lebenssituation der Arbeiterklasse" und der Notwen-
digkeit, diese zu verandern, ganz praktisch hinaus zu kommen.
(Anmerkung: Die staatliche Jugendpol it ik befindet sich seit einigen
Jahren in volliger Hi If losigkeit. Auf die Probleme der Jugendlichen
weiB sie keine adaquate Antwort mehr zu geben, seitdem mit den Mit-
teln traditioneller Jugendarbeit die Ha'user nicht zu fallen sind.
In diesem Zustand der Ratlosigkeit experiment ierte sie notgedrunge-
nermaBen, HeB auch 'linke' Projekte zu. Mit der allaemeinen Ver-
scharfung staatlicher Eingriffe und Di szipl inierung haben sich diese
M8gl ichkeiten fur uns erhebl ich reduziert, hat der Druck auf beste-
hende Projekte zugenommen, werden Angriffe gegen sie nicht nur fron-
tal sondern durch die Reduzierung und den Wegfall notwendiger staat-
licher Zuschusse gefahren.)
Diese Schwierigkeiten verhindern allzuoft, daB uberhaupt der vorge-
qebene Rahmen ausgeschopft wird und sich dann erweisen kbnnte, wie-
viel Enanzipation staatlicherseits zugelassen ist und welche Ansatze
kollektiver Lernprozesse geeignet sind, daruber hinauszugehen,
die Arbeit mit Jugendlichen mehr werden zu lassen als nur einen Be-
reich innerhalb dessen die sonstige ta'gliche Hisere wieder ertragbar
wird ' Fur den Sozialpadagogen bedeutet dies, partiell die ihm staat-
licherseits zugedachte Rolle zu verlassen: Allerdings kann dies mcht
so qeschehen, wie es wahrend der letzten Jahre haufig propagiert
wurde Eine Bestimmung der Aufgaben des Sozialpadagogen, wie sie et-
wa in E + K Nr. 10/11-73 gegeben wird, la'Bt sich nach den Erfahrun-
aen der letzten Zeit nicht aufrechterhalten. Dort heiBt es:
"Thre Punktion (die der Sos.Pad.) liegt aber gerade darin, dali sze
alles das unterstiitzen, was Selbstorganisation und damit verbundene
Frfahrungswerte ermoglioht. . . . Ihr Verhaltnis zu den Jugendlichen
\m.P, Pin solidarisahes sein und nicht ein pSdagogzsches. " (B + K
In/il 73 s 42) Was uns an der obigen Forderung problematisch er-
crhtint 'ist der linke Altruismus, der darin steckt. -Was sollte denn
^npndliche dazu veranlassen, das Solidaritatsangebot derjenigen an-
,,,nPhmen, die objektiv ihre Kontrolleure sind, auch wenn sie es sub-
ipktiv nicht sein wollen? Die Jugendlichen haben recht, wenn sie dem-
ieniqen miBtrauen, der sich so "selbstlos" fur ihre Interessen ein-
setzen will, dabei vielleicht sogar seinen Job riskiert und schein-
bar keine eigenen Interessen hat.
nip "Schlusselszene" zu diesem Problem wurde von Jugendlichen auf
dem Jugendpol itischen Forum 1974 in Frankfurt in einer kleinen Thea-
tPrszene dargestellt: Ein Sozialarbeiter erklart sich solidansch
mit "er Forderung der Jugendlichen nach Sel bstverwaltung Diese neh-
!pn ihn beim Wort und verlangen den Hausschliissel . Den aber kann der
Sozialarbe ter nicht hergeben.ohne seine Stellung zu riskieren. Er
5 nit drh zu erkl'a'ren, bittet um Verstandnis fur seine Situation,
windet si D e Ju endlichen lassen nicht locker, Stuck fur Stuck
1 sie den solidarischen Genossen und locken den Funktions-
traaefhervor Er muB schlieBlich eingestehen, daB er sein Solidari-
tatlversprechen nicht einhalten kann. Die Lektion, mt der sich die
^nwesenden Jugendlichen vom JUPOF0 verabschiedeten, war k ar: macht
keine nhaltbren Versprechungen und redet nicht von GmlnsHke t
Hpr Interessen, wo es objektive Interessengegensatze gibt. , Was in
Jer "SchlUssIlszene" zusaWnbrach. war nicht die Solidantat, son-
- 25 -
dern die Illusion des Sozialarbeiters davon. Der Verzicht auf eigene
Intentionen, die Verdrangung eigener Interessen und die Zwange,unter
denen er selbst arbeiten muB.schlagen auf ihn zurlick, indem er im
entscheidenden Moment unglaubwurdig wird. DaS jemand sich selbstlos
flir ihre Interessen einsetzt, widerspricht den Erfahrungen der Ju-
gendlichen. Wohl auch deshalb wird das Solidarita'tsversprechen so hart
auf die Probe gestellt, weil man wissen will, was man gewinnt, wenn
man sich von seinen bisherigen Erfahrungen trennt. Selten geschieht
das in so netter Form wie auf dem JUPOFO, oft werden diejenigen, die
mehr versprechen als sie einhalten kbnnen, provoziert.
Die Realitat der Ougendlichen ist zu weit entfernt von der eigenen
Realitat, als daB sich gemeinsame Interessen konkret bestimmen lieBen.
Die wirklichen Differenzen lassen sich nieht durch die theoretische
Konstruktion des "objektiven" gemeinsamen Interesses aus der Welt
schaffen. Nur aufgrund der vermittelten Differenz der gesellschaft-
lichen Stellung von Sozialpa'dagogen und Jugendlichen scheint uns
ein Verhaltnis zu den Jugendlichen liberhaupt moglich. Wenn man nicht
nur Pseudo-Aktivitaten entfalten will, muB man sich auch dem BewuBt-
sein stellen, wie begrenzt die Mtiglichkeiten von Praxis gegenwartig
sind.
Mi t der durch die Praxis zerstbrten Vorstellung einer "sozialisti-
schen Beruf spraxis" ging die Strategiefindung einer wenigstens an be-
stimmten Punkten den staatlichen Auftrag verlassenden und uberschrei-
tenden Sozialarbeit einher. Auch im Bereich der Jugendfreizeitarbeit
ist der verbale Anspruch.sich mit den Arbeiterjugendlichen zu sol i-
darisieren, aufgrund der konkreten Schwierigkeiten einer Analyse un-
terzogen worden (z.B. in dem Aufsatz von A. Diemer in "betrifft
erziehung" von Juli 75), die die Widerspriiche im Verhaltnis Sozial-
padagoge/Arbeiterjugendlicher berlicksichtigt. Dies schlieBt nicht
aus, daS der KlarungsprozeB in unterschiedliche Richtungen innerhalb
der Linken verlaufen ist. Wahrend sich ein geringer Teil darauf be-
schrankt, die Phrase "dem Volke dienen" mit noch grbBerer Vehemenz
weiter zu klopfen, hat die Mehrzahl der Linken den Versuch der Auf-
arbeitung von Erfahrungen und der Entwicklung von neuen Arbeitsan-
satzen unternommen, wie u.a. der Seminarbericht Uber Probleme der
institutional isierten JFZ-Arbeit zeigt (E + K Nr. 17, s l5ff).
Arbeit im Jugendfreizeitheim bedeutet flir den Sozialarbeiter zunachst
- so banal das klingen mag, hier sei es gesagt - sich seinen Lebens-
unterhalt zu verdienen. Hat er darLiberhinaus einen politischen An-
spruch, dann muB er die Mbglichkeiten gesellschaftlicher Veranderun-
gen auch am Arbeitsplatz analysieren und nutzen. Es ware aber eine
Fehleinscha'tzung zu glauben, daB sich innerhalb eines begrenzten Sek-
tors der Sozialarbeit mehr bewirken lieBe als sich insgesamt gesell-
schaftlich tut. Es ist aber moglich und notwendig, den Veranderungs-
prozeB am Arbeitsplatz mitzugestalten. Dieser ProzeB beinhaltet den
LernprozeB in der Arbeit mit Jugendlichen und umgekehrt, aber auch
den Kampf urn die Verbesserung der eigenen Arbeitsbedingungen.
Wie die Aufarbeitung der Arbeit im "Prisma" und in anderen Freizeit-
einrichtungen deutlich macht, sind es bestimmte, sich wiederholende
Schwierigkeiten und Probleme, die die Arbeit behindern und zu denen
man sich verhalten muB. Auf einige soil an dieser Stelle eingegangen
werden.
- 26 -
Per institutionelle Auftrag von Sozialarbeit im Juqendfreizeitbereich
staatliche Jugendpolitik verfolgt den Zweck, Kinder und Jugendliche
^rmittels auBerfamiliarer Erziehung in die Gesellschaft einzuglie-
ZZ Der "Funktionsverlust" der Familie erfordert Ersatzeinnchtun-
™n wie Kindergarten, Vorschulen und Jugendfreizeiteinrichtungen.
q?nd erstere vornehmlich, wie die Schule und die Berufsausbildung,
auf die Zurichtung und "Qualifizierung" der spateren Arbeitskraft
»M«erichtet,mit der Vermittlung von werten und Normen beschaftigt,
In dfenen die Freizeiteinrichtungen als ein Teil staatlicher Daseins-
!^rsorae zur allgemeinen Sicherung der Verwertungsbedirgungen, in-
™ °s„ Hie Bereitschaft der Individuen dazu starken, sie psychisch
fur den A Hag wieder fit werden lassen soil. Sie bildet einen Rah-
lln innerhalb dessen ein Stuck eigener Verwirklichung moglich sein
cnll im Gegensatz zum Produktionsbereich, wo man beim Gang durchs
FabHktor sich seiner Persbnlichkeit zu entauBern hat. uber die
,,!«nirket der Realisierung dieses Auftrags ist bereits eimges
5 w!r en. Han wurde aber den, Spektrum staatlicher Jugendpol Itik
Richer nicht gerecht, wenn man ihr einzig die Erhaltung und Zurich-
V.Z* Lr Arbeitsfahigkeit als Antriebsmoment unterstellte. Vor al-
^^shalb n cht, weil mit einer solchen Erklarung die Ansatze
'^oSress ver Jugendpolitik, wie sie z.B. die Westberliner Senats-
P aitiinn fUr Familie, Jugend und Sport betreibt, nicht erfaBt waren.
nt Srogrel iven Anlstze! die den subjektiv ehrlichen Anspruch
I per P£nlnz patorischen Padagogik einlbsen so 1 en bewirken jedoch
e^!tttv die Vermeidung bzw. Reduzierung von Legitimationsverlusten
t\ It tehenden Sy terns, die etwa dadurch auf treten kbnnen, daB die
-iLntlicte Heinungsichtbare "MiBstande" der Jugendpolitik als Sy-
of ov-cpnpn interDretiert. Dies staatliche Interesse an der Vermei-
^na von It i mat nsverlusten kann fur eine weitergehende politi-
6Zl Arbeit genutzt werden. Da die administrative^ Organe selbst
S-htws n wie im Detail Jugendarbeit auszusehen hatte, die das
nich ! 7 el sicherstellt, bleibt das "wie" wenigstens punktu-
oben genannte Ziel sicnerste. . verfUgung stehende Diszi-
6 nSungs n ItSiSf um reicht allemal, urn notwendige 'Korrektu-
ff durchzusetzen, wenn nicht eine breite Solidansierung dem gegen-
ubersteht.
• h+ 7„fallia setzt die "progressive" Jugendpolitik auf die grund-
Nl-tzlich er clgre chere Interventionsmbgl ichkeit (wie sie meint)
5S Juaendfreizeitheimen. Unabhangig davon, daB die klwsische
c ^larbeit sich schon lange als unfahig erwiesen hat und trotz
SoTn wlthnrtpn auforund der gesellschaftlichen Verhaltmsse erweisen
alI?e Mb ete sec noch irmer Mbglichkeiten, die grbbsten Aus-
muBte, bietet sie Produktionsweise wenigstens partiell an-
^nenfz! 1 "helfen"! gleichzeitig kontrollierend und diszipl inierend
zu wirken.
c^iaisrhpiter insbesondere im Kommunalbereich mit uber-
Da"aend r A be t e'run im Jugendfreizeitheim zwarn.it den glei-
wiegender ArDeixer a, einer Vielzahl von
riegender ^^^Z^l'ai *r eben nicht rait einer Vlelzahl von
ihe" lf°a E6 s nd I 'der^e "dieser "individuellen" Probleme
_inzelfallen, soroer Vationeller" gearbeitet werden kann.
Per G^tPvon So itischer Bedeu ung, wenn man sich klar macht daB mit
°3 SurchkSp?Slisierung aller Lebensbereiche das Potential der KHen-
?en notwendigerweise grbBer wird. . 27 .
Sozialarbeit, dies wird von biirgerl ichen Theoretikern ininer wieder
hervorgehoben, ist.gemessen an ihren Kosten, ineffektiv. Zugleich
bedarf man ihrer, wie oben ausgefiihrt.
Dieser klassischen Sozialarbeit sind vor allem finanzielle Grenzen
gesetzt, denn letztendlich handelt es sich dabei um tote Kosten.
Nicht zufa'llig hat die 'Einzelfallhilfe' ihren Vorrang an die 'Grup-
penarbeit1 abtreten miissen, bietet letztere doch die kostengiinstige-
ren Mbgl ichkeiten.
Staatliche Jugendfreizeitpolitik - darunter ist auch die anderer
Trager zu verstehen, die mittels staatlicher Zuschlisse und in staat-
lichem Auftrag stellvertretend tatig werden - ist als eine Ver-
bindung von klassischer Sozialarbeit (Hilfen und Disziplinierung
bzw. Kontrolle) und der Gestaltung eines spezifischen Lebensbereiches
(Freizeit) anzusehen.
Diese Verbindung flihrt einerseits dazu, dap der in diesem Bereich
Tatige von der Vielzahl 'individueller' Schwierigkeiten erdruckt
wird, hat andererseits den Vorteil, daB die sonstige behordlich ub-
liche Vereinzelung (der 'Klient'trifft den anderen 'Klienten' hoch-
stens beim Warten auf dem Flur) schon von der Arbeitsanlage her aus-
geschlossen ist. Der Widerspruch, Jugendliche in Freizeiteinrichtun-
gen 'sozialpadagogisch beeinflussen1 zu lassen, zugleich aber Mbg-
1 ichkeiten kollektiven Lernens und Handel ns rait einraumen zu miissen,
aie durch Kontrolle und das gesamte Instrumentarium der mbglichen
Disziplinierung der Sozialpadagogen kalkulierbar gehalten werden
soil, ist der wesentliche Ansatz, von dem linke Sozialpadagogen aus-
gehen miissen.
Der behordlich angestellte Sozialpadagoge, aber auch der bei einem
Freien Trager angestellte Freizeitheimarbeiter, vn'rd sich dem 'Erzie-
hungsauftrag1 immer nur in mehr oder weniger engen Grenzen entziehen
kbnnen. Insofern muB zur Kenntnis genommen werden, daB dieses 'Hand-
langerverhaltnis' nicht per persbnlichem Kraftakt aufzuheben ist.
Was allgemeingesellschaftlich anerkannt ist, namlich, daB das subjek-
tive Wollen die objektiven Bedingungen zwar beeinfluBt, nicht aber
die objektiven Gegebenheiten ersetzen kann, scheint sich innerhalb
der Jugendfreizeitarbeit nur sehr allmahlich durchzusetzen. Es ist
deshalb nur sehr bedingt widerspriichlich, wenn in den vergangenen
Jahren trotz Kenntnis der Verhaltnisse (zumindest theoretischer)
viele Linke in den Jugendfreizeiteinrichtungen arbeiteten. Auf die
unterschiedlichen Beweggrlinde wird spa'ter noch eingegangen.
Zum Verhaltnis Sozialarbeiter und Juqendfreizeitheimbesucher
Eine wesentliche Erfahrung war, daB wir uns nicht nur schwer taten,
wenn es darum ging zu bestimmen, an welchen Punkten wir uns - not-
wendigerweise gegen die Biirokratie - mit den Jugendl ichen zu soli-
darisieren hatten, wie diese Solidaritat auszusehen und welche Kon-
sequenzen, bei Zugrundelegung welcher Kriterien man auf sich zu neh-
men hatte, sondern daB wir es mit einem Teil des Proletariats zu tun
hatten und haben, das sich keineswegs so verhalt, wie analytisch
angenommen. Obwohl uns bekannt war, daB die sogenannte Entpolitisie-
rung ziemlich erfolgreich ist, waren wir doch vom 'Erfolg' und des-
sen Konsequenzen bestlirzt. DaB Klassenzugehb'rigkeit und Klassenbe-
wuBtsein durchaus zwei verschiedene Schuhe sein kbnnen, zeigt sich
nicht zuletzt an den auch bei Arbeiterjugendlichen haufig vorfind-
- 28 -
baren faschistoiden Denkgdiemata, die eben nicht allein per besserem
Argument der Linken aufgehoben werden, sondern nur in einem langer-
fristigen ProzeB, innerhalb dessen das emotionale Verhaltnis von
Jugendlichen zu den Sozialpadagogen haufig von entscheidender Bedeu-
tung ist: die Erfahrung, daB man sich auf den Typ verlassen kann,
daB er sich fiir die Durchsetzung von Interessen der Freizeitheimbe-
sucher (und nicht nur auf den Freizeitbereich beschrankt) einsetzt.
Die wenig reale Kenntnis dessen, was proletarischer Lebenszusanmen-
hang tatsachlich bedeutet, inwieweit Arbeit in der Produktion, die
dortige totale Unmlindigkeit entsprechendes Freizeitverhalten produ-
ziert usw. , zwingen den Sozialpadagogen, von den Arbeiterjugendlichen
in einer Weise zu lernen, die sich erheblich von dem ublichen ver-
balen Anspruch unterscheidet. Dieses Lernen, das - entgegen dogma-
tischer Verkiindigung - jedoch ein gegenseitiges ist, bildet die Grund-
lage fur einen ProzeB, innerhalb dessen erst lang^ristig die Um-
setzung eines politisch bestimmten Verstandnisses- von Padagogik 'Erfol-
qe' erkennen laBt. Zu diesem Lernen gehbrt, bestehende Interessen-
unterschiede zwischen Sozialpadagogen und Jugendlichen nicht einfach
unter den Tisch zu kehren, zumal die Erfahrung zeigt, daB dieses von
den Jugendlichen auch langerfristig nicht akzeptiert werden kann.
Verdeutlicht werden soil das an dem Beispiel von Freizeit (Jugend-
liche) und Arbeit (Sozialpadagogen). Es ist sicherlich schwer zu
vermitteln, daB der Sozialpadagoge fur die Freizeitgestaltung
der Jugendlichen bezahlt wird und daB diese Bezahlung zur Reproduk-
tion seiner Arbeitskraft notwendig ist. Khnlich verhalt es sich mit
den Offnungszeiten der Einrichtungen. Hier hat der Jugendliche not-
wendiqerweise ein Interesse, seine Freizeitbedurfnisse extensiv zu
hefriedigen, wahrend der Sozialpadagoge an der Einhaltung seiner Ar-
heitszeit interessiert ist, nicht nur, weil gewerkschaftlich er-
kamDfte Rechte ira Freizeitheim auch Gultigkeit haben mussen, sondern
wpil zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft des Sozialpadagogen
mphr als nur das Gehalt erforderlich ist: das Zusammenleben mit den
f-pnossen in der Wohngemeinschaft, der Familie usw., sowie der politi-
crhen Arbeit, die nicht zuletzt den drohenden Identitatsverlust,
der sich in der institutionellen Arbeit einstellt, aufzufangen su-
chen muB.
Am Beispiel des "Prisma" wird deutlich, daB die Zusammensetzung der
Rpsucher, ihre unterschiedlichen Bedurfnisse, ihre Fahig- und Un-
f^hiakeit, diese durchzusetzen, zu erheblichen Schwierigkeiten in
llr Arbeit fUhrte. In 'Kampf um die Selbstverwaltungl wesentlich
von Oberschulern getragen, zeigte sich, daB dort. wo eine Interes-
sen i dent i tat gegeben schien, namlich als die Mehrzahl der Freizeit-
hPimbesucher die Selbstverwaltung aktiv forderte, doch erhebliche
nffferenzen daruber bestanden, was Selbstverwaltung beinhaltet. Ging
c Hpr kleineren Gruppe um eine Verwaltung in eigener Regie, r.nt
piaener Programmgestaltung, der Verwaltung der Gelder usw., so ver-
ctfnd die Mehrzahl der Besucher, die Arbeiterjugendlichen, unter
Iplbstverwaltung - Schliisselgewalt: Raume, in denen man die Freizeit
nnkontrolliert gestalten, mit der Freundin pennen kann, weil dies
TehZs ichen Verhaltnisse nicht zulassen etc. Hier ist einer der
Punkte erreicht, an dem sich der Sozialpadagoge die Frage nach der
So'lidarisierung stellen muB, nicht damit sich begnugen kann, daB die
- 29 -
Solidarisierung mit Jugendlichen notwendig und deshalb in jedem Fall
vertretbar ist (hierbei wird von den Konsequenzen im Verhaltnis zur
Burokratie einmal vol lig abgesehen), sondern politisch verantwort-
lich handeln muB, seine eigenen Erfahrungen einbringen, die llbglich-
keiten und Ergebnisse mit anderen besprechen und mit den Jugendli-
chen diskutieren muS-
Auch bei den bereits angesprochenen unterschiedlichen Bedlirfnissen
von Besuchern aufgrund ihrer unterschiedlichen Klassen- und Schicht-
zugehbrigkeit, der daraus resultierenden Sozial isation, muB der
Sozialpadagoge Stellung beziehen, diese Interessen soweit zusammen-
bringen, daB ein gemeinsames Handeln mbglich ist, eine Entscheidung
fur sich jut den Jugendlichen fallen.
Dabei wirddie Entscheidung in kommunalen Ra'umen mit uberwiegender
Arbeiterbevblkerung notwendigerweise zu deren Gunsten ausfallen miis-
sen, nicht weil wir meinen, daB die Arbeit mit Oberschiilern, Hittel-
standsjugendlichen usw. politisch nicht notwendig und wichtig ware,
sondern weil wir davon ausgehen, daB - wenn beides nicht mbglich
ist - die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen der Arbeiterklasse nb-
tiger ist. Damit soil nicht gesagt werden, daB wir ein gemeinsames
Handeln unterschiedlich sozial isierter Kinder und Jugendlicher fur
unmbglich halten, sondern es wird lediglich auf die reale Situation
in den Freizeitheimen Bezug genommen: fehlende personelle und r'a'um-
liche Voraussetzungen, um auf unterschiedliche Interessen der Besu-
chergruppen eingehen zu kbnnen.
Der linke Sozialpadagoge kommt nicht umhin, Entscheidungen (s.o.) zu
fallen und dabei seine Autoritat geltend zu machen. Nicht allein
deshalb, weil die Jugendlichen Autoritat erwarten und weil es gera-
de bei einer politisch orientierten Pa'dagogik unabdingbar ist, For-
derungen an die Jugendlichen zu stellen und auf die Einhaltung getrof-
fener Obereinklinfte zu achten, sondern vornehmlich deshalb, weil es
zum politischen Anspruch dazugehbrt, eine erarbeitete und an der
Praxis uberprufte Konzeption dann durchzuhalten und weiterzuverfol-
gen, wenn sie im Interesse der Jugendlichen liegt. Wo dies nicht pas-
siert, besteht die Gefahr, daB eine langerfristig sinnvolle Arbeit
zugunsten spontaner Entwicklungen aufgegeben wird. Ein besonders
negatives Beispiel daf'ur ist die Zerstbrung einer Wohngemeinschaft
fur Straffallige zugunsten eines 'Jugendzentrums' . ("Kippe kaputt"
- "links", Sozialistische Zeitung, Juni 1975) Das vbllig kritiklose
Eingehen auf die Forderung von Jugendlichen, die Negierung eigener
Bedurfnisse und Anspruche bei der Konzipierung und Durchflihrung der
Arbeit, hat in der Konsequenz lediglich 'linkscaritativen' Charak-
ter und ist damit politisch perspektivlos.
Das Team
Obwohl im "Prisma" eine Arbeitskonzeption bestand, auf die alle
Teammitglieder 'eingeschworen' wurden, resultierten die meister
Schwierigkeiten aus dem zeitweise vbllig desolaten Zustand des Teams,
bedingt durch die 'kleinen Alltagsquerelen' und die persbnlichen
Unzula'nglichkeiten der Teamer. Auch darin scheint das "Prisma" bis
zu einem gewissen Grad repra'sentativ zu sein. Um sich uberhaupt
zwischen den verschiedensten Anspriichen (Institution, Jugendliche,
eigenen) verhalten und padagogisch arbeiten zu kbnnen, ist mehr als
- 3o -
nur die verbale politische Obereinstimmung notwendig.
Die Voraussetzung ist eine Obereinstimmung darliber, was innerhalb
des Bereichs mbglich und nbtig ist, welche konkreten Schritte not-
wendig sind, gemeinsame Zielvorstellungen auch-tatsachl ich errei-
chen zu kbnnen. .
Entgegen der haufig vertretenen Auffassung, daB die eine wesentliche
Voraussetzung fur eine politisch orientierte Pa'dagogik die Zusammen-
arbeit von "Linken schlechthin" im Team ist, zeigt sich am "Prisma",
daB diese 'Zusammenarbeit' so 'problemlos' gar nicht ist.
Insbesondere dann nicht,
- wenn Teamer aufgrund ihrer Anspruche die Effektivitat ihrer politi-
schen Arbeit ausschl ieBlich an der Anzahl und der 'Schwere' der
Konflikte der Jugendlichen gegen die Burokratie messen;
. wenn sie unter dem Zwang der immer als gegeben unterstellten Ba-
sisradi kali tat der BewuBtseinsveranderung durch Konfrontation das
Primat einraumen, egal, was bei den Einzelnen in diesen 'Ka'mpfen'
dabei zum Teufel geht;
. wenn sie sich selbst zu politischen Ma'rtyrern stilisieren.
Es kbnnte der falsche Eindruck entstehen, daB innerhalb des Freizeit-
bereichs in Westberlin die Linken das Bild beherrschen, was nur sehr
bedingt zutrifft. Vielmehr hat man es auch hier mit Kollegen zu tun,
die sich keineswegs als "links" verstehen. Insoweit ist der "Prisma"-
Teamkonflikt sicherlich auch innerhalb Westberlins nur sehr bedingt
verallgemeinbar.
nie Zuverla'ssigkeit der Teamer ist von groBer Bedeutung, dazu gehbrt
die Einhaltung von Zusagen, Absprachen, Punktlichkeit etc. Dies ist
nicht nur im Interesse der Arbeit unabdingbar, sondern auch deshalb,
wj.il Freizeitheimbesucher die Teamer an ihren konkreten Handlungen
mfUsen z B. kein Verstandnis daflir haben, daB ein Termin, eine Ver-
"^staltung nicht eingehalten werden kann, weil ein oder mehrere So-
cial Dadaqogen nicht punktlich sind, oder Absprachen nicht einge-
halten werden. Die Erfahrung zeigt, daB diese 'persbnlichen Schwie-
^akeiten' auch unter Linken nicht selten sind. Es ist sicherlich
Inch nicht zufallig, daB neben dem politischen Anspruch, in der Ju-
^ndarbeit etwas verandern zu wollen, die weniger starke direkte
2nntrolle (im Verhaltnis zu den Kmtern) auch dazu genutzt wird, sich
^rtfnliche Freiraume zu schaffen, die keineswegs immer vertretbar
■nd Solche Probleme, die inmer wieder auftauchen, mussen innerhalb
aIk Teams sol idarisch diskutiert werden, dort aber, wo durch das Ver-
bal ten einzelner Teammitglieder die gesamte Arbeit in Frage gestellt
mH Pine Bnderung trotz Diskussion nicht erreichbar ist, wird man die
Trennung vollziehen mussen. Wie die "Prisma"-Erfahrung zeigt, zwin-
en notfalls die Jugendlichen die Teamer, 'klare Verhaltmsse' zu
schaffen.
7„ diverqierenden Auffassungen kommt es auch haufiger zwischen fest
fnaestellten Teamern und solchen, die auf Honorarbasis arbeiten. Ober
f!ces Problem wird in dem Seminarbericht Liber die 'Probleme institu-
♦ ^nalisierter Jugendfreizeitarbeit' (b + k, nx. n, .
t1onalisierxe ^^.^ bericntet. Hier soil deshalb nur auf ein
t'J!t hinqewiesen werden: Honorarkrafte sind regelmaBig nur fur eine
JegreJzte Zelt Im Heim tatig. Sie koroien aus dem student! schen Be-
- 31 -
reich (Liberwiegend) und sind
stigen Berufsperspektive im_
auBerdem nur iiber einen geri
halb der Blirokratie verfugen
arbeiter zu diszipl inieren,
heimbesuchern auch auf subti
scheiden (ohne spektakulare
'risikobereiter' und agieren
von daher weniger an einer langerfri-
Jugendfreizeitheim interessiert. Da sie
ngen Einblick in die Zusammenha'nge inner-
i, insbesondere deren Hbgl ichkeiten, Mit-
Auseinandersetzungen mit den Freizeit-
le Art und Weise zu ihren Gunsten zu ent-
Polizeieinsatze etc.), sind sie haufig
auch entsprechend.
Die EinfluBnahme der Teamer und der Jugendlichen auf die Einstellung
und Entlassung von Mitarbeitern erscheint als eine zentrale Forde-
rung, die Jugendliche und Sozialp'a'dagogen gemeinsam vertreten mu'Bten.
Wo ein solches Mitspracherecht nicht eingeraumt wird (wobei dieses
aufgrund der Personal hoheit des Dienstherrn wohl nur infcrmellen
Charakter haben kann), i st jede weitergehend konzipierte Arbeit dem
Zufall iiberlassen, wenn nicht gar unmbglich.
Was kann der Sozialpadagoge tun?
Wir sind bereits am Beispiel des "Prismas" darauf eingegangen, daB
der Kampf der Jugendlichen nur dort von ihnen aufgenommen wird, wo
eine Veranderung ihrer Situation, die konkrete Wahrung ihrer Inter-
ess en wobei es erst einmal unerheblich ist, ob es sich urn von uns
definierte scheinbare, tatsachliche, eigentliche, vordergrundige
Oder hintergriindige Interessen handelt, sichtbar ist. Hier liegt eine
erhebliche nicht nur pa'dagogische Verantwortung derjenigen, die
mit ihnen in den Freizeiteinrichtungen zusammen arbeiten. Fur den
Erfolg des Kampfes ist entscheidend, inwieweit die Solidantat im
Stadtteil herzustellen, Gegenbffentlichkeit zu mobilisieren ist.
Entscheidend ist auch die Einschatzung des politischen Kraftever-
haltnisses (wie verhalten sich die entsprechenden Gremien: Jugendwohl-
fahrtsausschuB, Komunal- und Landesparlamente) , wie ist die Kampf-
bereitschaft der Jugendlichen langerfristig gesichert, welche objekti-
ven Grenzen sind zu berucksichtigen. DaB es dabei zu Fehleinschatzun-
qen durch die Teamer kommt, ist durch die Praxis wiederholt bewie-
ien Verschwiegen werden kann auch nicht, daB der Sozialpadagoge,
steilt er sich auf die Seite der Jugendlichen, mindestens so vie!
wie diese, wenn nicht mehr zu verlieren hat, sich, wenn auch in ra-
tionalisierter Form (er meint die Verwaltung zu kennen) angstlich
und bremsend verhalt. Deshalb die Erfahrungen des Sozialpadagogen
bei der Einschatzung vbllig negieren zu wollen, wurde eine Verken-
nung dessen bedeuten, was Jugendliche auch vom Sozialpadagogen er-
warten kbnnen, namlich, daB sich auf die Seite der Jugendlichen
stellen auch beinhalten muB, ihnen die Erfolgsaussichten, Risiken
etc. nitzuteilen. Diese Haltung des im Freizeitheim Tatigen muB da-
durch objektiviert werden, daB sich die politische Intention nicht
nur auf das eigene Team reduziert, sondern zu anderen Freizeiteinrich-
tungen, Gruppen im Stadtteil (wie Wohnkollektive, Initiativgruppen)
Kontakte hergestellt werden. Dies scheint auch notwendig, urn mit dem
'Dauerfrust' : standige Auseinandersetzung mit dem Anstellungstrager
(Zerstbrungen in der Einrichtung, Veranstaltungsinhalte) , politisch
bei den Jugendlichen nicht schnell genug voranzukommen, unglinstige
Arbeitszeit usw. , fertig zu werden.
Im Freizeitheim trifft der Sozialpadagoge liberwiegend auf Jugendli-
32 -
che, die von ihren sonstigen Lebenszusammenhangen (Arbeit, Familie,
Schule) dermaBen frustriert sind, daB sie in ihrer Freizeit nicht
auch noch mit Problemen konfrontiert werden wollen. Sie wollen den
beschissenen Alltag vergessen. Selbst die SchlieBung der Freizeit-
einrichtung - dem Ersatzzuhause - aktiviert nicht in alien Fallen.
Die Aufklarung per Argument alleine hilft hier nur selten, vieles
geht nur u'ber persbnliche Kontakte, durch die Intervention im Einzel-
fall, wie Beschaffung von Wohnraum, Gesprache mit den Eltern, RUck-
sprachen mit der Jugendgerichtshilfe Oder dem Jugendrichter.um Haft-
verschonung zu erreichen etc. Urn Liberhaupt solche 'Hilfen' geben
zu kbnnen, bedarf es schon eines erheblichen Vorschusses an Vertrauen,
denn die Jugendlichen, die die Erfahrung gemacht haben, daB Gesprache
mit anderen liber ihre Situation nichts andern, teilen sich nicht be-
reitwillig mit. So befindet sich der linke Sozialpadagoge in dem Kon-
flikt, scheinbar 'klassische Sozialarbeit1 zu betreiben (mit erst
einmal schlechtem Gewissen, versteht sich) und unter einem Legitima-
tionszwang zu stehen, der in Fragen von Genossen nach der politischen
praxis gipfelt.
Und doch ist hier die Identitat mit der klassischen Sozialarbeit nur
eine sehr oberflachliche, weil sie eine weitergehende Zielsetzung
hat, ohne auBer Acht lassen zu kbnnen, daB psychische Verelendung,
durch die kapitalistische Produktionsweise bedingt, ebenso wie die
Verhinderung weiterer Deklassierung angegangen werden mu'ssen. Wir
meinen, daB es notwendig ist, diese Gegebenheiten nicht zu negieren.
Deshalb darf bei diesen Gegebenheiten auch von einer politisch not-
wendigen sozialpadagogischen Arbeit gesprochen werden, nicht im Sinne
hlirgerlicher Padagogik, die meint, damit sei das Notwendige getan,
sondern in dem Wissen, daB nur in Verbindung mit der Mbglichkeit einer
kritischen Reflektion des gesellschaftlichen Seins und die Erkenntnis
in die Notwendigkeit von Vera'nderungen Arbeit im Interesse und mit
den Jugendlichen mbglich ist.
Auch dann, wenn es nicht gelingt, daB sich die Jugendlichen mit ihrer
Lage auseinandersetzen und sich organisieren, ist die Arbeit notwen-
dig und auch politisch sinnvoll.
Nicht nur aufgrund der "Prisma"-Erfahrungen muB weitgehend offen blei-
hen ob im Rahmen von Freizeitarbeit in Jugendheimen die generelle
politisierung der Besucher eine reale Perspektive darstellt.
Frfahrungsgema'B gelingt es nur einem kleinen Teil der Besucher, auf-
nrund von Lernprozessen politisch aktiv zu werden. Schon in diesen
wpniqen Fallen ist es sehr schwierig anzugeben, welche Einzelfakto-
en dazu beigetragen haben, insbesondere welche Einflusse auBerhalb
a% Freizeiteinrichtung (insbesondere im Betrieb, im Wohnviertel)
frksam wurden. Vbllig unbeantwortet bleibt im Regelfall auch die
Praae weshalb unter scheinbar gleichen Voraussetzungen eine Politi-
•pruriq erfolgte bzw. nicht erkennbar war, wobei ebenfalls offen ist,
-p sich Politisierung fur den Sozialpadagogen relevant zu auBern,
^nnerhalb welchen Zeitraumes sie zu erfolgen hat, ob sie sich ube.rhaupt
•Freizeitheim auBern muB oder nicht in erster Linie im Betrieb usw.
cl-fahrunqsqemaB ist es zudem auBerst schwierig, mit Hilfe schon poli-
*-<:ierter Jugendlicher die Arbeit in der Einrichtung voranzubringen,
il die 'Ungleichzeitigkeit' politischer BewuBtwerdung notwendiger-
^fise auch anders geartete Bedurfnisse produziert.
JJfcht selten reicht den politisch aktiv werdenden Individuen und
- 33 -
Gruppen der Rahmen der Freizeiteinrichtung nic
Betrieb (Gewerkschaft) oder im Stadtteil (Init
oder wollen gemeinsam eine Wohngemeinschaft bi
hang zum Freizeitheim wird, wenn Uberhaupt, nur
unverbindlicher Form aufrechterhalten.
Auch dann, wenn sich solche Gruppen weiter im
notwendigerweise an der Aufarbeitung der sie i
me interessiert, bilden sich im Laufe der Zeit
heraus, wird eine Verbindlichkeit in der Arbei
es schwierig macht, 'Neue' zu integrieren.
Es muB deshalb als Frage an die Leser weitergegeben werden, ob es
unter den geschilderten Bedingungen nicht das 'Schicksal' der in den
Freizeiteinrichtungen Arbeitenden ist, daB die mit ihrer Hilfe poli-
tisch bewuBt gewordenen Ougendlichen die Einrichtung verlassen und
daB kollektive Lernprozesse (bei quantitativer und qualitativer
DeCkung) die Ausnahme von der Regel bleiben?
ht, sie werden im
iativgruppen) tatig
lden. Der Zusammen-
in sehr lockerer,
Haus treffen, sind sie
nteressierenden Proble-
Gruppenstrukturen
t gefordert usw., die
6. Was heifit, an den BedLirfnissen ansetzen?
In Verbffentlichungen zum Thema Jugendarbeit ist eine haufig an zen-
traler Stelle anzutreffende Forderung, daB man als Sozialpadagoge
an den Bedurfnissen der Jugendlichen anzusetzen habe. Die alte For-
me! der methodischen Sozialarbeit, "anfangen, wo der Klient stent",
scheint damit eine durch den Bedurfnisbegriff bezeichnete Konkretion
gefunden zu haben.
Die Schwierigkeit jedoch, diese Formel in die Praxis umzusetzen, ist
durch die Redeweise von den Bedurfnissen nicht aufgehoben. Wenn es
zunachst scheint, als sei mit dem Bed'u'rfnisansatz eine gemeinsame
Erfahrungsbasis von Jugendlichen und Sozialarbeitern gegeben und da-
mit die Verstandigung erleichtert, so wird die Sache in dem Moment
schwierig, wo dieser Ansatz zur Grundlage eines Arbeitskonzepts wer-
den soil. Was anscheinend sinnliche GewiBheit ist, zu wissen, was
Bedurfnisse sind, wie man sie erkennt und was man mit ihnen anfangt,
lost sich auf in eine fast unendliche Vielfalt von Annahmen darliber,
was denn nun die Bedurfnisse derer sind, mit denen man in der Arbeit
konfrontiert ist: sind deren Bedurfnisse identisch mit den eigenen?
Sind Bedurfnisse nur je individuelle oder sozusagen "objektiv", nach
bestimmten Kategorien verallgemeinbar aufzufassen, evtl . nach Lebens-
alter, Arbeitsbedingungen, Klassenlage? Gibt es im (Catalog der Bedurf-
nisse einige, die grundlegend, "allgemein menschlich" sozusagen sind
und die deshalb als "Grundbediirfnisse" bezeichnet werden kbnnten?
Gibt es weiterhin eine Rangordnung der Bedlirfnisse, derentsprechend
wesentliche und unwesentliche unterschieden werden kbnnen und
schlieBlich; hilft einem die Differenzierung in "richtige" und fal-
sche" Bedurfnisse bei der Suche nach einem Ansatz weiter? Wenn ja,
wie erkennt man die richtigen, wenn diese hinter den falschen ver-
schwunden sind?
Schon diese kurze Erbrterung verdeutlicht, daB mit dem Bedurfnisan-
satz so ohne Probleme nicht umzugehen ist. Wenn wir im Folgenden
versuchen, Antworten auf die angeschnittenen Fragen zu skizzieren,
so geschieht das in aller Unvollstandigkeit und bedarf weiterer Kon-
kretion. Im Ubrigen ist unser Problem nicht, zu klaren, was BedurT-
- 34 -
nisse "an sich" sind, oder welche verschiedenen Inhalte der "Be-
oriff" haben kann, etwa im Sinne einer Natur-, bzw. Sozialgeschich-
tp der Bedurfnisse. Was wir zu klaren haben ist vielmehr, was an
HPn Bedurfnissen ansetzen" unter dem Gesichtspunkt sozialpadagogi-
crhpr Arbeit heiBt. Um diese Frage beantworten -zu kbnnen, erscheint
s ns notwendig darzulegen, durch welche gesellschaftliche Konflikt-
konstellation die Formen der BediirfnisauBerung allgemein bedingt sind.
Uprmittlung von Natur und Gesellschaft im Bedurfnis
lpdes Bedurfnis enthalt Momente der physischen und psychischen Natur
rips Menschen. Diese Naturbasis der Bedlirfnisse ist jedoch nicht als
ctatisch ein fur allemal festgelegt aufzufassen, sondern unterliegt
*inem historischen EntwicklungsprozeB, sie kann immer nur als be-
rpits qesellschaftlich vermittelt in Erscheinung treten. Die wesent-
lirhe Seite der Sache ist fur unseren Zusammenhang nicht die Natur
sondern die gesellschaftliche Bestimmtheit der Bedurfnisse; die
hUtorische Form, in der sie befriedigt werden, sowie die mit der
Fntwicklung der gesellschaftlichen Produktion gegebene Entwicklung
dpr Bedlirfnisse selbst und deren Modifikation durch die gesellschaft-
lichen Verhaltnisse im weitesten Sinne. Essen, Schlafen, Sexualitat,
vprkehr mit anderen Menschen, sind allgemeine Bedurfnisse zu jeder
7pit Wie aber gegessen, geschlafen, SexualitSt und sozialer Umgang
nraktizTert werden, darin unterscheiden sich die historischen Epochen.
/mem Bd 3 s. 71 "Die verschiedene Gestaltung des materiellen Lebens
■Rt naturlich jedesmal abkangig von den schon entwickelten Bedurf-
nissen, und sowohl die Erzeugung wie die Befriedigung dieser Bedurf-
nisse ist selbst ein historischer ProzelS. . . "
"Hunger ist Hunger; aber Hunger, der sich durch gekochtes, mit Mes-
Jr und Gabel gegessenes Fleisch befriedigt, ist ein anderer Hunger,
Is der rohes Fleisch mit Hilfe von Hand, Nagel und Zahn verschUngt.
(Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Okonomie, Berlin 52,
f^lna ailt fur alle Bedurfnisse. Diese entwickeln sich aus der Na-
turroheit in dem MaBe, wie durch die Entwicklung der Produktion so-
rZ die Gegenstande der Bedurfnisbefriedigung als auch deren Art
nnS We se verSndert werden. Die erweiterte Produktion schafft Be-
^n-i^e die uber Naturbedlirfnisse hinausgehen. "Diese Erzeugung
Zlediirfnisse ist die erste geschichtliche Tat." (mew, Bd 3,
fis, BedUVfnis 1st also keine aus der menschlichen Natur oder aus
■»mI duellen Eigentuml ichkeiten der Persbnl ichkeit abzuleitende,
cnndernene gesellschaftliche Kategorie, die Natur einschlieBt
I das gesellschaftliche und das naturliche Moment des Bedurfnis-
SslTslen sich nicht als sekundar unc Ipnmar voneinxnder abspalten,
^danach eine Rangordnung von Befriedigungenaufzustellen.
^Idorno, Gesarmelte Schriften Bd. 8, Ff». 1972, S. 392)
, hahpn die Mittel der Bedurfnisbefriedigung in keiner bisherigen
^cpllschaft a en ndividuen gleichermaBen zur Verfugung gestagen .
^lllmll der Produktion und der Aneignung des Produzierten voll-
Slehen sich nach gesellschaftlichen Gesetzen, deren wesentlichstes
d1-6 nl^eiShel^SMdlvlduen miBtsich an der Verfugung oder Nicht-
^fffg SS die Ltenenen Bedingungen der Bedurfnisbefriedigung,
stets hat eine herrschende Klasse Liber diese Bedingungen derart ver-
fiigt, daB die Mehrheit der Menschen auf einem - an den gesell schaft-
lichen Mb'glichkeiten gemessen - zuru'ckbleibenden Niveau der Bedlirf-
nisbefriedigung zu leben gezwungen war.
Die kapitalistische Produktionsweise hat daran grundlegend nichts ge-
andert. Sie hat, bezogen auf die Bedlirfnisbefriedigung,den alten Ge-
gensatz von Reichtum und Knappheit in scharfer Weise reproduziert.
Armut und Elend sind noch immer die Kehrseite einer Produktionswei-
se, die wie keine andere vorher den gesell schaftlichen Reichtum ent-
wickelt hat.
Die fur den Kapitalismus grundlegende Tatsache, daB eine Ware nicht
urn ihres Gebrauchswertes, sondern um ihres Tauschwertes will en pro-
duziert wird, hat weitreichende Folgen fur die Art und Weise der Be-
d'drfnisb^efriedigung: Das entscheidende Kriterium tier Herstellung
einer Ware ist nicht die Frage:was nLitzt sie, sondern:wie la'Bt sie
sich verkaufenj nicht das Gebrauchswertinteresse, sondern das Ver-
wertungsinteresse bestimmt, was produziert wird. Das auf den Ge-
brauchswert gerichtete Bedurfnis der Individuen ist daher immer erst
durchzusetzen gegen den bestimmenden Zweck der kapitalistischen Ge-
sellschaft, die Mehrwertproduktion.
Diejenigen, die nicht Liber die materiellen Bedingungen der Produk-
tion verfLigen, sind in ihrer Bedlirfnisbefriedigung vom Verkauf ihrer
Arbeitskraft abhangig; ihre Lebenszeit wird weitgehend in Arbeits-
zeit verwandelt.
Dies betrifft nicht nur die materiel len, aus der physischen Natur
sich ergebenden Bediirfnisse, sondern in ahnlicher Weise die Bedlirf-
nisse, die aus der Eigenart der menschlichen Existenz stammen. Die-
se werden, etwa von Fromm, als Bedlirfnis nach Verbundenheit, nach
Verwurzelung, nach Identitat und Orientierung beschrieben. (Erich
Fromm, Der moderne Mensch und seine Zukunft, Ffm. 1967, E. 27 ff.)
Diese Bediirfnisse kbnnen unter dem Stichwort soziale Bediirfnisse
zusammengefaBt werden. Anders als bei den materiellen Bedurfnissen,
wo die soziale Vermittlung nur Mittelcharakter hat, ist hier die
Sozietat unmittelbar der Zweck, etwa in dem Sinne wie Marx von einem
"Bedurfnis des Verkehrs mit anderen Menschen" spricht. Unter dem
Druck Libermachtiger gesell schaftlicher Verhaltnisse werden die Be-
diirfnisse auch in der Privatheit und Freizeit, wo sie der Ideologie
zufolge ihr Reservat haben, nur als deformierte erscheinen kbnnen.
Die deformierten Bediirfnisse sind Folge des Arbeitsprozesses, der
die Menschen zwingt, ". . .auBerhalb der Arbeit sich auf die Reproduk-
tion der Ware Arbeitskraft zu reduzieren" (Adorno, a.a.O. S. 393)
Da in der kapitalistischen Gesellschaft Arbeit und Leben getrennt
sind, ist die Arbeit bloBes Mittel.um Bediirfnisse auSer ihr zu be-
friedigen.
"Der Mensch rechnet die Arbeit nicht selbst in sein Leben ein, sie
ist vielmehr Opfer seines Lebens. Das Leben fangt da fur ihn an, wo
diese Tiitigkeit aufhbrt, am Tisch, auf der Wirtshausbank, im Bett.
Der Arbeiter fiihlt sich eher erst auBer der Arbeit bei sich und in
der Arbeit auBer sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet und
wenn er arbeitett ist er nicht zu Hause. ... WeshaVb arbeitet er denn?
Aus Lust am Schaffen, aus Naturtrieb? Keineswegs. Er arbeitet um des
Celdes Willen, um einer Sache Willen, die mit der Arbeit selbst gar
nichts zu schaffen hat. " (Marx, bk.phil.Manuskript, S. 101)
- 36 -
Das Leben, die MSglichkeit, Bediirfnisse zu befriedigen, ist auf die
Freizeit beschrankt. Die Freizeit ist aber nur zum Schein indivi-
dual! disponible Zeit, sie ist zunachst bestimmt als eine Art von
Rest, den die Arbeit dem Individuum zum Leben Librigla'Bt. (Habermas:
Soziologische Notizen zum Verhaltnis von Arbeit und Freizeit, S. 219)
Die Lebensa'uBerung des Menschen in Form von pfoduktiver Arbeit und
seine Selbstverwirklichung kann nicht mehr bei der Arbeit oder durch
die Arbeit geschehen, sie findet^ wenn liberhaupt, in der Freizeit
statt. Jedoch setzt sich in der Freizeit die Form des am Wertgesetz
orientierten Lebens fort, d.h.,daB der Anspruch auf Selbstverwirkli-
chung auch hier durch den entfremdeten ArbeitsprozeB deformiert ist.
Die Zwange, die aus dem ArbeitsprozeB resultieren, sind nach Feier-
abend nicht aufgehoben. Produktivitat und Phantasie, die den Jugend-
lichen wahrend der Arbeit ausgetrieben werden, sind in der Freizeit
nicht umstandslos wieder vorhanden. Deshalb ist es der Freizeitindu-
strie gelungen, die Inhalteder Freizeit weitgehend vorzuschreiben,
indem sie an Traumen, Wiinschen und Vorstellungen der Jugendlichen
anknlipft und diese in ihrem Interesse funktional isiert (Tanzabende
in Diskotheken und Jugendclubs, eine Vielzahl von Plattenangeboten,
Film und Fernsehen, Jugendtourismus) . Mit diesen deformierten Bedurf-
nissen, die nicht mehr als zielgerichtete Bediirfnisse artikuliert
werden, sondern sich in Formen von Aggressionen, Konkurrenz, Lange-
weile, Phantasielosigkeit, Resignation und ziellosen Aktivitaten
auBern, hinter denen aber der Anspruch auf Selbstverwirklichung steht,
ist der Sozial arbeiter im Jugendfreizeitheim konfrontiert. Wenn da-
her die Rede davon ist, eine sinnvolle Arbeit mit Jugendlichen habe
an den Bedurfnissen anzuknlipfen, so gilt es sich deutlich zu machen,
daB man es nicht mit Bedurfnissen unmittelbar, sondern mit durch
objektive Zwange vermittelten Erscheinungsformen von Bedurfnissen
zu tun hat. Obgleich man davon ausgehen kann, dab die Bedurfnisstruk-
tur bei alien Menschen gleich ist, so ist doch ihr Erscheinungsbild
von einer Anzahl von realen Lebensbedingungen abhangig. Insbesondere
sind Arbeits-, Wohn- und Familienverhal tnisse zu nennen, Sozialisa-
tion und Lebensalter spielen sicher eine Rolle. Es ware also.um den
Bediirfnisansatz fruchtbar zu machen, notwendig, liber die allgemeinen
Lebensbedingungen der Jugendlichen einiges zu wissen.
Die generelle Schwierigkeit des Bedlirfnisansatzes liegt allerdings
darin, daB die wesentlichen gesellschaftlichen Bedingungen, die die
Deformation der Bediirfnisse verursachen, nicht unmittelbar aufhebbar
sind. DaB die Reduzierung der produktiven Fahigkeiten des Menschen
auf bloBes Funktionieren im ProzeB der Kapitalverwertung und damit
zusammenhangend die Isolierung der Individuen durch die Konkurrenz
sich taglich reproduzieren, macht ja die Schwierigkeit aus, sich
einen sinnvollen gesellschaftlichen Zusammenhang Liberhaupt noch vorzu-
stellen, geschweige denn zu schaffen.
yprinnerlichung des auBeren Zwanges
Die gesellschaftlichen Zwange bleiben den Betroffenen nicht auBer-
lich, sondern greifen in die Bedlirfnisstruktur selbst ein.
"Die Gefdhr der Eimxmderung der Herrschaft in die Menschen . . . ist
nicht ein Ketzerglaube , der durch Bannspriiche zu exofzieren ware,
sondern eine reale Tendenz des spdten Kapitalismus." lAdorno, a.a.O.
S. 393)
- 37 ■
FUr die sozialen Bedlirfnisse gesprochen ist das so aufzufassen, daB
die aus der Tauschabstraktion abzuleitende Erwagung der NUtzlich-
keit und die aus der Konkurrenz heryorgehenden Angste einen entspre-
chend sich verhaltenden Sozialcharakter bilden, E. Fromm legt an-
schaulich dar, wie sehr das soziale Leben der Gegenwart (hier ist
das sog. Privatleben angesprochen) nach den MaBstaben des Geschafts-
lebens ausgerichtet ist: in einer Art kaufmannischer Rechnungsweise
wird dariiber Buch gefUhrt, ob diese Oder iene Handlung, sei's ein
Abend mit der Freundin, ein Gesprach Oder ein Spaziergang, eine
Reise oder ahnliches die Zeit bzw. das Geld wert gewesen sind.
(vgi. e. Fromm, a.a.o. s. i34f.) Die quantitative Messung nach den
Kriterien kaufmannischer BuchfUhrung wird auch im Privaten zum Orien-
tierungsmaB sozialer Bedlirfnisse. Tauschabstraktion und die weitge-
hende Verwandlung der Lebenszeit in Arbeitszeit erzwingen eine
Orientierung der sozialen Bedlirfnisse nach der Ukonomie des Geldes
und der Zeit, ohne daB dies den Individuen als solche bewuBt wird.
Die Absicht Marcuses, der den Begriff "falsche BedUrfnisse" gebraucht,
ist wohl zu klaren, wie die einzelnen BedUrfnisse zum Fortbestand
des Bestehenden sich verhalten. "Falsch" sind dann all die BedlirfniS'
se, die die Erkenntnis der Veranderbarkeit verhindern. Darin steckt
eine Aufforderung zur Askese, die verkennt, daB die BedUrfnisbefrie-
digung in unmittelbarer Form sich nicht unendlich aufschieben la'Bt!
Marcuses AusfUhrungen sind auch deshalb problematisch, weil sie eine
um'verselle Manipulation unterstellen, (die als solche nur bedingt
gilt), so wenn er schreibt: "Die meisten der herrschenden BedUrfnisse,
sich im Einklcmg mit der Reklame zu entspannen, zu Vergniigen zu be-
nehmen und zu konsumieren, zu hassen und zu lieben) was andere hassen
und lieben, gehoren in diese Kategorie der falsohen BedUrfnisse. "
(Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch, Neuwied/Berlin 1962,
s. 25) Der manipulative Eingriff ist aber erst sekundar, prima'r ist
die Deformation der BedUrfnisse durch die Organisation des Produk-
tionsprozesses selbst.
Das Verwertungsinteresse heftet sich insbesondere auch an die sozia-
len BedUrfnisse und verheiBt deren Befriedigung durch den Warenkauf.
In Form des Konsums soil sich das frustrierte Individuum Ersatz
schaffen fur die sozialen Beziehungen, die kaurn raehr zu realisieren
sind. Die Ware wird so zum Surrogat der zerstbrten sozialen Verha'lt-
nisse, wobei in manchen Werbespots der Anschein erweckt wird, daB
der Konsum mit der Realisierung der sozialen BedUrfnisse unmittelbar
verbunden sein konnte, der Ersatz gibt sich nicht als solcher, son-
dern als die Sache selbst. Es kbnnte sich ergeben, daB schlieBlich
nicht mehr unterscheidbar ist, was BedUrfnis und was Ersatz ist, das
heiBt, der Ersatz kann selbst derart zum BedUrfnis werden, daB die
Intention wirklicher Befriedigung dahinter verschwindet..
"Wahrseheinlioh" so Haug, "meint die Rede von den falsohen Bedurf-
nissen niohts anderes als diese Versohiebung". t.W.F. Haug, Kritik
der warenasthetik, Ffm. 1971, S. 65)
Das von Marcuse in diesem Zusammenhang formulierte Problem stellt
tatsa'chlich ein schwerwiegendes Hindernis der Aufklarung und der
Bildung kritischen BewuBtseins dar: ein Tribunal kann die Autoritat
der Entscheidung darUber beanspruchen, welches wahre und falsche
BedUrfnisse sind, diese Frage muB von den Individuen je
- 38 -
selbst beantwortet werden, diese aber sind nicht frei, ihre
eigene Antwort zu geben. Solange sie (die Individuen) davon abgehal-
ten werden, autonom zu sein, solange sie bis in ihre Triebe hinein
geschult und manipuliert werden, kann ihre Antwort auf die Frage
nicht als ihre eigene verstanden werden. (w.f. Haag, a.a.o., s. 67;
Das "falsche BedUrfnis" ist letztlich das korrumpierte BedUrfnis,
eins, dern seine eigentlichen Intentionen im wahrsten Sinne des Wor-
tes abgekauft worden sind: "Das bessere Leben und die Mittel und Wege
dazu werden den Individuen unvorstellbar. " )Marcuse, a.a.o., s. 26)
Die vom Kapital erzwungene Reduzierung der Individuen auf das bloBe
Funktionieren scheint das falsche BewuBtsein geradezu notwendig zu
machen, die verdinglichte Existenz scheint anders nicht auszuhalten zu sein.
Gleichwohl, das ist der widerspruch.in der durchs Kapital vermittel-
ten und modifizierten Bedurfnisstruktur lassen sich die BedUrfnisse
icnt restlos deformieren, korrumpieren und funktionalisieren. Die
"Modem erung der Sinnlichkeit" (Haug) hat ihre Grenze und erzeugt
eine eigene Dynamik. Der Ersatz kann als solcher zu weitergehenden
Anspruchen fuhren, die auf reale Befriedigung zielen und nicht mehr
durch individuellen Konsum zufriedenzustellen sind. So kann z.B.
die Kollektivitat, die die Werbung verspricht, nicht in der Ware mit-
□ eliefert werden. (vgi. w.f. Haag, s. 67 ff.)
Auch wird der Anspruch auf Selbstverwirkl ichung den Individuen nicht
restlos auszutreiben und zunichte zu machen sein. Die zumindest vor-
handene Ahnung - wenn auch zunachst nicht das BewuBtsein - daB das,
Ls man schlieBlich bekommt.das nicht ist, was man wollte, bleibt ein
unruhiges Moment .Der KompromiB, zu dem das Kapital zwingt, bleibt
den Individuen als solcher spurbar, darUber konnen sie resigmeren,
her auch zu BewuBtsein kommen, sich Gedanken darUber machen, wie
die eigene Realitat verandern kbnnte. Die scheinbare Ziellosig-
it mit der die deformierten BedUrfnisse sich auf diese und jene
art befriedigen, enthalt letztlich die Suche nach Mbglichkeiten der
cpibstverwirkl ichung. Sie kann somit nicht nur Anknupfungspunkt fur
^m-roqate sein, sondern auch von Aufklarung und einem BewuBtsein,
a** sich nicht mehr in der Privatheit und im individuellen Konsum
isolieren la'Bt, sondern bffentlich und kollektiv, also politisch
seine Zwecke verfolgt.
n-iP Erscheinungsformen, in denen Jugendliche im Freizeitheim ihre
BedUrfnisse auBern, die Rangordnung der BedUrfnisbefriedigung, dle
rh anscheinend "spontan" und "naturwuchsig" dabei herstellt, druckt
mir aus was sie am nbtigsten haben. Wer sauft und Beat hort,zeigt
Hamit auch, daB er im Moment nicht mehr kann. Diesem eine Rangord-
„una der BedUrfnisse entgegenzusetzen, die man als Sozialpadagoge
fUr richtig halt, kann nicht gelingen. Dennoch ist der Sozialpada-
a
ma
ke
ulrhaltnissen. Diese Ohnmachtserfahrung aufzugreifen, und zwar der-
rt daB Uberhaupt wieder andere Erfahrungen gemacht werden konnen,
ist'der Zweck des Ansetzens an den "BedUrfnissen" .
Ein solcher Ansatz ist politisch, sofern er die gesellschaftlichen
- 39
Verhaltnisse ausgehend von der eigenen Situation der Jugendlichen
als veranderbar erfahrbar macht. Er ist zugleich therapeutisch,
wenn es gelingt, die Resignation, die aus der Erfahrung der eigenen
Aktivitat als sinnlos resultiert, zu bekampfen. Er ist pa'dagogisch,
sofern er BewuBtsein herstellt liber die Verhaltnisse, in denen die
Bed'Jrfnisse der Individuen ihnen selbst unklar sind.
Diese 3 Momente, von denen keins als vorrangig oder nachrangig ange-
sehen werden kann, sind nur analytisch, nicht aber in der praktischen
Arbeit voneinander zu trennen.
7. Thesen zu einer bediirfnisorientierten Arbeit im Jugendfreizeitheim
Das Freizeitverhalten der Jugendlichen ist hauptsa'chlich durch ihre
Arbeits-, bzw. Schul situation bestimmt. Lohnarbeit und Lernarbeit wir-
ken sich a'hnlich aus, so daB wir davon ausgehen kbnnen, daB die Frei-
zeit fur alle Jugendlichen die gleiche Hauptfunktion erf'ullt, nam-
lich die der Regeneration der Arbeitskraft. In Jugendfreizeitheimen
treffen wir daher hauptsa'chlich auf folgende Aktivita'ten:
- zum einen Entspannen, Musik hbren, mit Freunden zusammensein,
gammeln, abschalten.
- zum anderen Ta'tigkeiten, die an den in der Arbeits- bzw. Schul si-
tuation erworbenen Fahigkeiten ankniipfen: Kbrperliche und techni-
sche Fahigkeiten drlicken sich z.B. bei Arbeiterjugendlichen aus
in Tanz, Moped-Basteln usw. , bei Schiilern im Diskutieren, Litera-
turgruppen usw.
Dabei liberwiegt allerdings der "Gammelbereich". Blirgerliche Pa'dago-
gen stehen oft versta'ndnislos der Tatsache gegeniiber, daB Menschen,
die z.B. auf technischem Gebiet qualifiziert, sogar Spezialisten sind,
nur liber sehr verklimmerte Fahigkeiten verfligen, aktiv Freizeitinter-
essen zu entwickeln. Das ist allerdings nicht erstaunlich, da bei
der derzeitigen Entwicklung der Produktion nur diejenigen Fahigkeiten
entwickelt werden, die flir den ProduktionsprozeB relevant sind. Die
librigen Fa'higkeiten, wie etwa GenuBfahigkeit, verklimmern in der
Scheinbefriedigung durch die Konsumindustrie.
Die genannten Freizeitpadagogen, Kulturkritiker und auch linke Pa'da-
gogen Ziehen sich aus der Arbeit im Freizeitheim oft zuriick mit der
BegrUndung, in der Freizeit wollten die Leute halt nur ausspannen
^elegentlich geben sie sogar zu: zu Recht), dort kbnne man nicht
qualitativ etwas verandern, deshalb kbnne man nur dort ansetzen, wo
dieses Verhalten entsteht, na'mlich im Produktionsbereich: eine gelau-
fige Argumentationsweise in der Auseinandersetzung um antikapitalisti-
sche Jugendarbeit.
Das bedeutet jedoch eine kurzsichtige und schematische Ausgrenzung
von Bed'Jrfnissen, die sich in der Freizeit auBern und bietet den
Genossen, die in Freizeitheimen arbeiten, keine Perspektive.
Dagegen ware folgender Ansatz produktiv zu machen:
"In der Geschichte der Arbeiterbewegung traten immer wieder Ansprti-
che der Avbeiter gegeniiber der Uffentlichkeit auf, die von den Or-
ganisationen der Arbeiterklasse nur unbefriedigend beantwortet yur-
den. Van diesen Bediirfnissen kann man sagen, da/3 sie entweder vn
Sinne einer proletarischen Vffentlichkeit sich ent fatten, oder aber
sie werden - ... - zu einem Instrument der Unterdruckung der Ar-
beiter." (Negt/Kluge, Pioletarische Uffentlichkeit, Ffm. )
Das heiBt: Bezeichnen wir doch das Konsumverhalten und die unver-
bindlichen Kommunikationsformen nicht mehr nur als unpolitisch, vor^
politisch, als Fluchttendenzen - deuten wir dieses Verhalten doch
mal von seinem unbewuBten Anspmch, von seinem emanzipatorischen
Potential her: Als Bedurfnis nach sinnlich faBbarer Sol idarita't,
"in dem sich der im ProduktionsprozeB erreichte Stand von Vergesell-
sahaftung, Kooperation, gegenseitigem Schutz ausdrttckt. " (Negt/Kluge)
Wie stark dieses Bedurfnis besonders bei Jugendlichen ist, sieht man
auch daran, daB selbst nlichtern, langweilig, unerotisch wirkende
Jugendfreizeitheime als Angebot (und sei es nur als Aufenthaltsraum)
wahrgenommen werden ,um irgendwie aus den elterlichen vier Wanden
herauszukommen.
Dieses Bedurfnis nach physischer, direkter Kommunikation ist nicht
an sich emanzipatorisch, es kann sich auch reaktionar auswirken; es
sind nicht wenige Arbeiter in der SA mitmarschiert- es sind deklas-
sierte Arbeiterjugendl iche, die sich in Rockergruppen organisieren.
Bed'Jrfnisse bleiben eben nicht auf der StraBe liegen (Negt), sie
werden von links auf gegrif fen oder von rechts. Aus diesen Oberlegun-
qen miiBten sich konsequenzen flir die offene Arbeit in Freizeitheimen
ergeben, die nicht die Entspannungs- und Kommunikationsbedurfnisse
der Jugendlichen abwerten, die diese nicht nur (notgedrungen) akzep-
tieren, sondern die sich an ihnen so orientieren, daB diese Bedlirf-
„i„P in emanzipatorischer Absicht orqanisiert werden, d.h. den
Tchennbar ziel losen Aktivitaten eine Richtung gegeben wi rd .
Mar)< hat einmal bemerkt, daB man von der sinnlichen Erfahrung nie
wisse "wohin" und "woher" (mew 2, s. 23). Das macht es so schwierig,
die Bedingungen anzugeben, unter denen sich Erfahrungen bzw. Bedurf-
nisse "organisieren" lassen, noch schwieriger zu sagen, wohin sich
die organisierten Erfahrungen und Bed'drfnisse entwickeln werden.
Die Menge von Konstruktionen und Spekulationen in diesem Punkt sind
nur Hinweise auf diese Schwierigkeit, nicht schon Lbsungen. Falsch
werden sie dort, wo sie sich selbst als Lbsungen verstehen. Das zeigt
sich z B. an der Stelle, wo die Autoren von E + K die Tatsache, daB
juqendl'iche in der Auseinandersetzung um die Selbstverwaltung be-
stimmte Erfahrungen machen und Bedurfnisse befriedigen konnten, zum
Ausgangspunkt einer Klassenkampfperspektive erklaren.
Wenn Jugendliche durch so etwas wie Selbstverwaltung nur um weniges
freier werden, ist das eine wichtige Vera'nderung fur sie. (vgi.
+ K 10/11-73) DaS aber "das Bediirfnis nach einer unkontrollierten
und selbstbestimmten Freizeit sich weiterentwickelte zu dem Bedtirf-
r,is den Kampf auf andere Lebensbereiche auszudehnen" (E + K 10/u-
7i s 23). ist in der Einfachheit falsch. Welchen anderen Lebensbe-
reich'qibt es denn auBer der "Freizeit"? Wenn man den Arbeitsbereich
Lint, hatte man das sagen kbnnen. Nur sind dort die Zwange harter,
Aie Auseinandersetzungen um eine Vera'nderung am Arbeitsplatz erfor-
dern andere Mittel als in der Freizeit, andere Organisationsformen
p+c Damit nicht genug, es wird auch noch der Kampf, bzw. dessen
Ausdehnung zum "Bedurfnis" erkla'rt. Das ist nicht nur eine unzulas-
ciae Natural isierung des Kampfes, sondern Unsinn. DaB schlieBlich die
in der Freizeit entwickelten Autonomiebestrebungen in dem "Bediirfms,
Ln Klassenkampf (!) Uberall zu fiihren" IE + K 10/11, S. 26) kumu-
fieren sollen, ist eine Redensart, die wohl eher den Wunsch der
- 41 -
Autoren als die Realitat der Jugendlichen ausdrlickt. Kampf, zunal
"Klassenkampf" ist eine auBere Notwendigkeit, der man sich stent,
weil man dazu gezwungen ist, nicht weil er zum Bedurfnis wlirde. Er
setzt auch, wie Seve bemerkt, Toleranz gegenliber Nichtbefriedigung
VOraus. (Vgl. L. Seve, Marxismus und Theorie der Persdnlichkeit,
Ffm. 73, s. 3241. Diese wiederum bedarf der Kompensation.
Es ware der Rede wert, zu liberlegen, welche Bedingungen dazu not-
wendig sind. Ein lockerer Zusammenhang im Freizeitheim geniigt dazu
nicht. Die in E + K geschilderten Akteure einer Hausbesetzung lassen
keine Anhaltspunkte der bei Seve als Bedingungen des "Kampf bedlirf-
nisses" geforderten Leistungen erkennen. Gerade ihre Intoleranz ge-
genliber Nichtbefriedigung, das nicht mehr Aushalten des Bestehenden
scheint sie zu verbinden, hat sie eine Gemeinschaft der Desinte-
grierten bilden lassen. Ihr primares Ziel scheint zu sein, erstmal
nach dem Lustprinzip zu leben Oder, wie sie es ausdrUcken, "aus die-
sem Haus die ScheiB-Arbeit und das Profit-System herauszuhalten."
(E + k Nr. w/11, s. 17), Es ist legitira, daB diese Jugendlichen erst
mal nachholen wollen, woran sie zu kurz gekommen sind. Nichts spricht
auch in dem eigenen Bericht der Jugendlichen daflir, daB es nach dem
1. Schritt zur Realisierung des Programms "Nieder mit der Arbeit -
her mit dem Reichtum" (E + k, Nr. lo/n, s. 17), der Hausbesetzung,
einen 2. Schritt geben wird. Die Radikalitat der Parole verdeckt nur
miihsara die Enttauschung, die ansonsten aus dem Bericht spricht. DaB
ein "Bedurfnis, den Klassenkampf uberall zu flihren"jenen Jugendli-
chen unterstellt wird, ist bloBe Phrase. Ebenso wie die Parole, daB
"das, was man braucht, man sich nehmen muB und daB dies mbglich ist"
(E + k, Nr. lo/n, s. 40), mit der die Autoren jene Jugendlichen be-
lehren, die sich ein Jugendhaus vom "Staatsapparat" haben schenken
lassen, statt daflir zu kampfen, und die eben jenes nicht gelernt
ha'tten. Solche Belehrung ermutigt nicht, sondern macht miBtrauisch,
weil sie ebenso arrogant wie unwahr ist.
Da die Arbeit der Lohnabhangigen Arbeit fur andere ist, die sich
ihre Ergebnisse aneignen, sind sie, wie Marx sagt, in der Arbeit
auSer sich und nur auBerhalb der Arbeit bei sich. Ihre Bedurfnisse
richten sich auf ein befriedigendes Zusammenleben im Freizeitbe-
reich, auf Erkenntnis ihrer sozialen Umwelt, besonders aber auf
ihre Alltagsprobleme im weitesten Sinne: Familie, Berufsausbildung/
Beruf/Betrieb, Schule, Sexualitat, Freizeit, Meinungsbildung ebenso
wie Probleme des Verhaltens in konkreten Lebenssituationen, "sei es
nun, ob man in die Kirche geht oder was man anziehen soil oder wie man
sich in einem betrieblichen Konflikt verhalten, ob man in die Ge-
werkschaft eintreten oder den Kriegsdienst verweigern soil"
Die Mbglichkeit zur genaueren Bestimmung ihrer Bedurfnisse durch die
Jugendlichen selbst setzte voraus, daB sie bereits gelernt flatten,
die eigenen Interessen und die Moglichkeiten ihrer Realisierung zu
erkennen. "Gerade das ist ihnen jedoch durch die bundesrepublikani-
sahen Erziehungseinrichtungen weitgehend erschwert worden". (Damm)
Das auBert sich in den bereits beschriebenen Ver-
haltensweisen, aber auch - ein Hauptproblem der Arbeit im Jugend-
freizeitbereich - im Fluchtverhalten mit Hilfe von Alkohol, Drogen
u.a.
- 42
Hier liegt die Aufgabe einer "problemfomiulierenden Bildungsarbeit"
(dieser Ausdruck stammt von dem brasilianischen revolutionaren Er-
wachsenenbildner Paulo Freire). Die Aktivitaten lassen auf die ge-
nannten Bedlirfnisse schlieBen, diesen Bediirfnissen wiederum liegen
bestimmte Situationen zugrunde: z.B. die Situation der Ausbeutung,
der Fremdbestimmung, der enttauschten Hoffnungen, der Isol iertheit;
Situationen, die sich als Probleme stellen, die in den Freizeithei-
men spezifisch untersucht werden miissen (z.B. das Problem turkischer
Jugendlicher, ohne HauptschulabschluB zu sein, oder das Problem,
Arbeitermadchen zu sein). Diese Situationen als Problem zu formu-
lieren, das hei&t nicht, den Wlinschen, Sehnslichten, Hoffnungen, ihren
reduzierten Befriedigungsformen intellektuell kritisch zu begegnen,
sondern es miissen angemessenere Befriedigungsformen oder -richtungen
gefunden werden,
Die Mbglichkeit hierzu ergibt sich daraus, daB in den Freizeitaktivi-
ta'ten immer ein "OberschuB" enthalten ist: Sie sind stets mehr, als
sie zu sein scheinen und beinhalten den Anspruch nach wirklicher
Befriedigung. Die subjektiv in Aktiyita'ten geauBerten Bedlirfnisse
sind in diesem Sinne nur die Spitze eines Eisbergs, nur die Aktivi-
taten, die gesellschaftlich zugelassen sind (wozu auch die ungelenk-
ten Aggressionen, die scheinbar sinnlosen Zerstbrungen gehoren).
wird aber die Dimension der bisher unerprobten Mbglichkeit erbffnet,
so konnen sich die Aktivitaten ganz anders entfalten: "Alle anderen
Bedurfnisse, Bedurfnisse naoh erweiterter Reproduction, Bedurfnisse
danach, zu lernen, zu lieben, zu leben, werden standig abgedrangt
und deshalb auch nicht spontan formuliert. Man unterhalt sich norma-
lerweise liber Freundinnen, Motorrader, FuBball oder ahnliches. Aber
M^r wissen, daB Arbeiterjugendliche sehr plastisch uber ihre ungelo-
sten Probleme und unterdriickten Bedurfnisse reden, wenn ihnen das
nersSnlich oder politisch lohnend erscheint" (Medienzentrwn Kreuzberg) .
Das heiBt, daB realisierbare Vernal tensalternativen gezeigt und er-
probt werden miissen.
Bedlirfnisse sind letztlich nicht isoliert zu organisieren. Darauf
weist der Zusammenhang von kommunikativen und ProblemlSsungsbedlirf-
nissen hin: mehr oder weniger bewuBt ist den Individuen die Reduziert-
heit verschiedener Bedlirfnisfomten gegenwartig und hoffen sie auf
Befriedigung nicht nur in vereinzelten, sondern in alien Lebensbe-
reichen. "So wurde ich unterstellen, daB sich das Orientierungsbe-
diirfnis eines jungen Gewerkschafters, das er an eine Gewerkschafts-
aruppe herantrdgt, nicht nur auf Fragen des Verhaltens im Betrieb,
sondern ebenso auf das in der Familie, gegenuber dem Freund bzw. der
Freundin usw. bezieht" (Damm ........
wierin liegt die Problematik der bedlirfmsorientierten Arbeit in Ju-
aendfreizeitheimen: Die dort geauBerten Bedurfnisse z.B. nach Pro-
hlemlbsung zielen uber den Freizeitbereich hinaus und sind letztlich
nicht in ihm zu befriedigen. Das gilt z.B. fur das oft an ein Jugend-
freizeitheim herangetragene Bedurfnis, dort zu ubernachten oder zu
wohnen, woruber in vielen Berichten geschrieben wird, Aus dieser
Tatsache konnen Entta'uschungen resultieren, die Resignation oder
aaqressives Verhalten der Jugendlichen fordern, An diesen Punkten
muB die Zusammenarbeit mit Gruppen und Institutionen uber den Bereich
Hes einzelnen Freizeitheimes hinaus angestrebt werden: mit Gewerk-
schaften, Schulen, Jugendgruppen, Burgerinitiativen usw.
- 43 -
Mogl ichkeiten liegen auch in der Erweiterung der Freizeitheim-Arbeit
zur Stadtteilarbeit (s. Artikel der Autorengruppe Bremen im Info
Sozialarbeit Nr. 9). Ansatze gibt es ferner mit den Methoden der Pro-
jekt- und der medienpadagogischen Arbeit. - Am ehesten lassen sich
noch BedLirfnisse nach Erholung und Entspannung sowie nach sozialer
Anerkennung und nach Orientierung im Jugenfreizeitheim verwirklichen.
Andererseits liegt aber die Chance der bedurfnisorientierten Arbeit
darin, daB liber die Art der BewuBtwerdung der eigentlichen Bed'urf-
nisse und deren Reduzierung unter den gegenwartigen Bedingungen
weitere gesellschaftliche Zusammenhange und eigene Interessen er-
kannt und Konsequenzen gezogen werden kbnnen.
8. Zusammenfassung
Als ein allgemeines Ergebnis unserer Diskussion anhand des vorliegen-
den Artikel s ist festzuhalten, daB die Mbgl ichkeiten politischer Ar-
beit im Jugendfreizeitbereich wahrend der letzten Jahre falsch ein-
geschatzt worden sind.
Dies mag z.T. auch daran liegen, daB man sich die selbstorgamsie-
renden Wohnkollektive, wie etwa das Rauch-Haus, als Modelle fort-
schrittlicher Praxis in Jugendfreizeiteinrichtungen vorgestellt hat.
Hinzu kommt, daB der Wunsch nach politisch legitimierter Praxis -
und das heiBt gleichzeitig nach kurzfristig zu realisierenden und
vorweisbaren Erfolgen - zu einer Vernachlassigung bzw. Unterschat-
zung der zahen ta'glichen Kleinarbeit gefiihrt hat, welche die Bil-
dung politischen BewuBtseins erfordert. (Dies Letzte gilt vorwiegend
fur die im "Prisma" im Rahmen ihres Projektstudiums zeitweise be-
schaftigten PH-Studenten) .
Die falsche Bestimmung der politischen Arbeit im Jugendfreizeitheim
liegt unserer Meinung nach darin, daB man meinte, Lernprozesse, die
dort eingeleitet worden sind, mu'Bten sich auch unmittelbar im Frei-
zeitheim selbst auswirken, d.h. sich in auf das Freizeitheim bezo-
genen Aktivitaten und Aktionen, etwa der Erka'mpfung der Selbstverwal-
tung, auBern. Wir meinen dagegen, daB in der Bildung politischen Be-
wuBtseins der begrenzte Bereich des Jugendfreizeitheims nur einen
mdglicherweise geringen Anteil haben kann und daB die dort vermit-
telten Anregungen und BewuBtseinsprozesse in ganz anderen Lebensbe-
reichen wirksam werden mlissen und nicht ira Freizeitheim selbst.
Nichts ware verkehrter.als die Aktivita'ten der Jugendlichen im Frei-
zeitheim zum Selbstzweck zu machen. Sie kdnnen ihre Probleme nicht
im Freizeitheim Ibsen, sondern nur, wenn sie sich davon emanzipieren,
17h. sich kollektive und solidarische Lebenszusammenhange schaffen,
sei's in Wohngemeinschaften Oder politischen Organisationen. Die Ar-
beit von Sozialarbeitern im Jugendfreizeitheim kann dazu AnstbBe und
Unterstlitzung geben, die - wenn uberhaupt - sich erst langfristig
und unliberprlifbar auswirken. Es steht in Frage, ob die Mbgl ichkeiten
zu einer solchen Arbeit wirklich ausgeschbpft worden sind oder
ob nicht vielmehr ein kurzsichtiges Verstandnis von politischer Ar-
beit blind gemacht hat fur den oben genannten Zusammenhang und poli-
tische Arbeit reduziert wurde auf die unmittelbare Aktivitat im und
urn das Freizeitheim. i
44
Herbert Swoboda:
SOZIALARBEIT UND JUGENDARBEITSLOSIGKEIT
Nach der Drogenwelle sieht sich die Sozialarbeit einem neuen Problem
qegenuber, an das sich altere Sozialarbeiter noch gut erinnern kbn-
nen- dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit. Aufs engste verknupft
mit'der allgemeinen Arbeitslosigkeit stellte die Arbeitslosigkeit
Juqendlicher bereits in der Weimarer Republik - besonders in der
Zeit von 1929 bis 1933 und in der BRD von 1945 bis 1954 - nicht nur
die Sozialarbeiter in Jugendpflege und Jugendfursorge vor eine Reihe
schwieriger Aufgaben, sondern pragte auch das BewuBtsein der Betrof-
fenen nachhaltig.
Fs gibt wohl keine Arbeiterfamil ie in der BRD, in der keine bitteren
Erfahrungen aus diesen Zeiten zu berichten waren. Damit wird u.a.
auch deutlich, dafj Arbeitslosigkeit kein "Betriebsunfall" konjunk-
tureller Art ist, sondern eine dem kapital istischen Wirtschaftssy-
stem notwendig innewohnende Erscheinung.
Ein bestimnter Prozentsatz von Arbeitslosen gehbrt nach Marx zum We-
sensmerkmal des Kapital ismus: als industrielle Reservearmee. "Sie bil-
aen eine industrielle Reservearmee, welche wahrend schlechter oder
mittelma'Biger Geschaftszeiten unter dem Wert ihrer Arbeit bezahlt und
iinregelmaBig beschaftigt wird oder der bffentlichen Armeripflege an-
Lir.ifallt, die aber der Kapitalistenklasse zu Zeiten besonders leb-
haften Geschafts unentbehrl ich ist, wie dies in England handgreif-
lich vorliegt, die aber unter alien Umstanden dazu dient, die Wider-
standskraft der regelma'Big beschaftigten Arbeiter zu brechen und ih-
p Lbhne niedrig ZU halten." ("Die Kategorie 'Deklassierung' bezeich-
r t den Versuch, die im Kapitalismus notwendig produzierte besondere
verelendung bestimmter Teile des Proletariats sowohl in ihrem prozes-
ualen Ablauf als auch in ihrem Ergebnis begrifflirh zu fassen (qua-
si als Kurzformel).")
Bo-i alien MaBnahmen der Sozialarbeit muB daher klar sein: das Problem
III jugendarbeitslosigkeit kann grundsatzl ich nur durch die Oberwin-
dung des kapitalistischen Wirtschaftssystems gelost werden.
rrjnQ dauerhaften Lbsungen
„ rn die historischen Beispiele zeigen keine dauerhafte Lbsung der
^ h»lts?osiqkeit. Wahrend das Hitlerregime die uberzahligen Arbeits-
Arsfte und weit mehr im Krieg verheizte (3 Millionen Manner in den
kra!en Arbeit jahren), hatte die BRD das "Gluck", durch die verhee-
be Hpn LUcken an qua ifizierten Arbeitskraften mittelfnstig, d.h.
r?n ^65/66 sowie durch den notwendigen Wiederaufbau und Kapital -
b1nlzen aus den USA fast alle Arbeitswilligen - auch das Heer der
nUchtlinge und Heimatvertriebenen - in der konjunkturel 1 gepragten
[jirtschaft unterzubringen. ^ ^
Sie konnte es sich sogar "leisten", qualifizierte Krafte aus der
DDR abzuwerben und spa'ter Millionen unqualifizierter Arbei tsimmigran-
ten aus den Randzonen Slideuropas ins Land zu holen.
Der letzte Ausweg fur viele jugendliche Arbeitslose.in die Fremden-
legion zu gehen, wurde schlieBlich mit dem Aufbau der Bundeswehr
unnotig. Heute bindet die Bundeswehr gut eine halbe Million jugendli-
che Arbeitslose.
Aufgrund dieser glinstigen Unstande gelang es in der BRD jahrelang,
die Jugendarbeitslosigkeit gering zu halten bzw. durch zeitliche Ver-
zbgerung zu verbergen. Urn so krasser tritt sie jetzt ins BewuBtsein,
wo eine Reihe von Entwicklungen so zusammenfallen, daB sie sich in
ihrer Wirkung iiberlagern und enorm verstarken:
0Einfiihrung neuer Technologien und damit Wegrational isieren von Ar-
bei tspl a tzen,
#Kapitalkonzentration und damit Pleitegehen vieler ausbildungsinten-
siver Klein- und Mittelbetriebe,
#Tief stand des schleichenden Abbaus der Lehrstellenangebote,
geburtenstarke Jahrga'nge,
^personelle Absattigung von Bundeswehr, Polizei,
Bundesgrenzschutz, Stagnieren der Berufsbildungsreform,
#Numerus clausus an den Hochschulen,
und im Gegensatz zu frliher (oder zu den USA): kein menschenver-
^schlei Bender Krieg,
keine Enttriimmerung und akuter Wiederaufbau,
#Auflbsung der Freradenlegion.
Zur Debatte steht - wie z.B. in Irland seit Jahrhunderten und nach
1945 auch in Deutschland - die Auswanderung. Hierfiir wirbt bereits
Sudafrika.
Selbst der Direktor der Bundesanstalt fur Arbeit, Stingl, muB zuge-
ben, daB man sich darauf einzurichten hat, mit einer gewissen Prozent-
zahl an Arbeitslosen zu leben. Keine rosige Zukunft also fiir Jugend-
liche, die bisher ohne Arbeits- und Lehrstelle sind, kaum Hoffnung
fur die geburtenstarken Jahrga'nge, die im Sommer die Schulen verlassen
werden. In dieser Situation wird den Sozialarbeitern die Aufgabe zu-
gewiesen, die Jugendlichen "ausbildungswillig" zu halten, von der
StraBe zu holen, sie sinnvoll zu beschaftigen, kurz: bei guter Laune
zu halten. Zu verhindern sei ferner das Abgleiten in die Kriminali-
tat sowie das Zweifeln an der Funktionsfahigkeit dieses Wirtschafts-
systems und dieses Staates - gemessen an den vitalen Interessen der
jugendlichen Arbeitslosen.
Da nicht allein die Abwesenheit von Arbeit Probleme aufwirft. son-
dern eine Reihe weiterer Deklassierungserscheinungen ("Das Arbeits-
lager sollte nicht selbstzweck, sondern Keinzelle seini eine Schu-
lungsstufe des Zusammenlebens , von der aus weitere Schritte zu einer
genossenschaftlichen Vberwindung der als strukturell erkannten Krj.se
unternommen werden sollten. Das Arbeitslager war also nur der Antang
einer wahren inneren Kolonisation, die zu einer Intensivierung des
Lebens, vor allem auf dem Lande fiihren sollte. Hier spielte der Ge-
danke der Siedlung naturgemaB die groBte Rolle. " (Raupach, Soziale
Selbsthilfe freier Jugendgruppen, S. 93 in: Jahrbucb der Jugendar-
beit, mnchen 1949) hinzutreten, ist die Zielgruppe der Sozialar-
beit sehr differenziert und entsprechend unterschiedlich sind one
MaBnahmen, die historisch getroffen wurden. Zur blanken Arbeitslosig-
keit kommen hinzu Alkoholismus, Vagabundieren (auf Trebe gehen),
Schwarzhandel , Einbrliche, Diebst'a'hle, Dealen, Prostitution, gestei-
gerte Aggressivitat oder Apathie.
Wie man in der Weimarer Republik der Jugendarbeitslosigkeit
begegnete
Arbeiter, Bauern und Studenten, in den Wohnheimen fiir Studenten und
Werktatige und in der landwirtschaftlichen Genossenschaftssiedlung
als neue Lebensformen der deutschen Jugend entwickelt hatte.
C "Arbeitsmarktprobleme Jugend licher", Arbeitspapier der BAA vom
29.1.1975, S. 32)
Am 3.3.1933 wurde zusatzlich die "Landhilfe" fiir jugendliche Arbeits-
lose eingerichtet, am 26.6.1935 ein "Reichsarbeitsdienstgesetz"
erlassen. Hinzu kamen noch - speziell fur Madchen - das "hauswirt-
schaftliche Jahr" und das "Landjahr". Der Arbeitsdienst diente der
DurchfUhrung von Arbeiten, die der Wirtschaft wenig Profit brachten
und die nun unter Umgehung tarif licher Vereinbarungen verrichtet wur-
den. Die geleisteten Arbeiten dienten zunehmend Kriegsvorbereitungen,
etwa dem Bau von Befestigungsanlagen.
Na
ei
ch dem Krieg waren die Arbeitsdienste verpbnt, und man griff auf
ne Reihe anderer MaBnahmen zuru'ck, wie z.B.
Jugendwohnheime fiir Lehrlinge und Jungarbeiter
Vollberufsschulklassen fiir erwerbslose Jugendliche
(eine Berliner MaBnahme von 1949, die durch Gesetz als
Schulpflicht gait)
Grundlehrgange
Jugend noteinsatz
Notstandarbeiten
(z.B. Enttrummerungen)
Bereits
1 ichen
beitslo
es aber
1 ichen
bei all
ha'ltnis
dekommt
tiert i
daB sie
in der Weimarer Republik hatte man den arbeitslosen Jugend-
eingeredet, daB der Arbeitsdienst zur Beseitigung ihrer Ar-
sigkeit beitrage und ihre Lage verbessere. Im Gegenteil ging
urn den Abbau der von der Arbei terbewegung erkampften tarif-
Vereinbarungen. Auch in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg ist
en MaBnahmen entscheidend, daB kein Arbeits- oder Dienstver-
im Sinne sozial- oder arbeitsrechtlicher Vorschriften zustan-
also auch keine Vertretung von Arbeitnehmerinteressen garan-
st. Entscheidend ist ferner fur die Mehrzahl der MaBnahmen,
nicht auf die Lehrzeit angerechnet werden.
Beide Kriterien treffen im wesentlichen auch heute fiir die vorge-
schlagenen und teilweise in Angriff genommenen MaBnahmen zu, wie
etwa:
0Berufsschulgrundjahr
#Lehrgange fiir berufs- und arbei tsunreife Jugendliche
47 -
MATERIALIEN ZUR JUGENDARBEITSLOSIGKEIT
1.) ARBEITSLOS - Analysen und Berichte zur Jugendarbeitslosigkeit
Erziehung & Klassenkampf Nr. 2o/21, Verlag Roter Stem, Frankfurt
2.) JUGENDARBEITSLOSIGKEIT - Faktcn - Analysen - Argumente
Hessischer Jugendring, 62 Wiesbaden, Albrechtstr. 15
3.) WIE SAG ICH's DEM KOLLEGEN? - Allgemeinverstandliche Er-
klarungen zum Thema Arbeitslosigkeit und zum Schlufi "RATIONALI-
SrERUNG BEI DER MEHRWERT-ZENTRALE(ein Rollenspiel): erar-
beitet im Jugendzentrum Hamburg- Hamm; 35 S., DM 3,-- gegen Vor-
einsendung von Briefmarken/Scheck an: Dieter Lucke,Grevestr.l7,
2 Hamburg 76, Telefon o4o/229 08 23
4.) DIA-TON-SCHAU: "Vielleicht kommt 'ne Arbeitsstelle an mir ran-
geflogen! " — Berichte arbeitsloser Jugendlicher iiber ihre Lage; Kontakt:
Medienzentrum 1 Berlin 41, Wielandstr. 42 a
#Nachholen des Hauptschulabschlusses (VHS)
^Sprachkurse flir junge Auslander.
Auch sie bieten keine Garantie fur einen Arbeitsplatz.
Sozialarbeiter sind weder flir die Jugendarbeitslosigkeit verantwort-
lich, noch kbnnen sie sie beseitigen. Sie sollten aber die ihnen
zugewiesene Funktion, die Jugendlichen bei guter Laune zu halten,
nicht durch Verbreitung von Illusionen erfullen. Es gilt vielmehr,
den Jugendlichen die Augen zu bffnen, mit ihnen die wahren Hinter-
grlinde der Arbeitslosigkeit zu erarbeiten (siehe dazu die Tonbiid-
schau "Berufliche Bildung und Arbeitslosigkeit" auszuleihen beim
BDP/BDJ, 6 Frankfurt/M. 90, Hamburger Allee 49) materiel 1 flir sie
herauszuschlagen, was mdglich ist, und den DeklassierungsprozeB auf-
zuhalten, indem sie die Jugendlichen an die organisierte Arbeiterbe-
wegung heranfuhren.
Der Realisierung dieser mit Sicherheit richtigen Forderung stehen
allerdings massive Hindernisse entgegen. Auf der subjektiven Seite
gibt es psychische Mechanismen, die einerseits als Neid, andrer-
seits als Oberhebl ichkeit bezeichnet werden kbnnen. Es gibt irrmer
noch eim'ge, denen es noch dreckiger geht, so daB man sich von die-
sen abheben kann. So wird das ladierte SelbstbewuBtsein auf Kosten
anderer aufgebessert.
Dadurch wird nicht nur einer auch von der herrschenden Ideologie
betriebenen Spaltung der Arbeiterjugend in "Tuchtige" und "Versager"
Normale und Randstandige Vorschub geleistet, sondern auch innerhalb
der deklassiert werdenden Teile zusatzlich Hierarchien geschaffen,
die einer Solidarisierung entgegenwirken.
Tatsachlich ist aber die Arbeiterjugend insgesamt von Dequalif izie-
rung und Deklassierung bedroht und eine Aussonderung deklassiert
werdender Teile - die teilweise auch von Sozialarbeitern vorgenom-
men wird - bedeutet Spaltung.
Im Bereich der Interessenvertretung nimmt die Gewerkschaft diese
Funktion bisher wahr: Arbeitslose Schulabganger haben keine Mbglich-
keit, sich in der Gewerkschaft zu organisieren.
In den folgenden Praxisberichten werden einige Probleme einer Arbeit
mit arbeitslosen Jugendlichen in den Institutionen der Sozialarbeit
aufgezeigt.
Gerd Rieger:
ARBEITSLOSE JUGENDLICHE
IM JUGENDZENTRUM
Die Euphorie und Oberschatzung der politischen Mbglichkeiten von
selbstverwalteten Jugendzentren ist in Mettmann vorbei. (zur Entwick-
lungsgeschichte des JZ Mettmann, vergl. Informationsd ienst Sozial-
arbeit, Heft 9, S. 7-20/ zur Zielgruppenarbeit mit Arbeitermadcben:
Almut Jodicke, Arbeitermadchen im Jugendzentrum, Offenbach 1975),
Die bisherigen Trager der Initiative, vor allem Gymnasiasten, anpo-
litisierte Lehrlinge und Studenten, haben sich aus der Jugendzentrums-
bewegung zuruckgezogen, als sie erkannten, daB ihre abstrakten Vor-
stellungen einer weiterreichenden Perspektive im erkampften Haus
sich nicht ad hoc verwirkl ichen lieBen. Sie sind aus der Kleinstadt
in Universitatsstadte gezogen, arbeiten heute in anderen politischen
Zusammenhangen, kurz: sie kommen nur sehr selten in das Jugendzen-
trum.
Das Jugendzentrum wurde durch Schlagereien und Zerstbrungen immer
ungemutl icher. Der Mangel an finanziellen Mitteln verhindert ein
qualitativ gutes Freizeitangebot, das den Interessen der Besucher
und Organisatoren entspricht. Nur noch wenige Jugendliche kommen
regelma'Big in das Jugendzentrum, meist arbeitslose Jugendliche und
Auslander.
Die Stadtverwaltung reagiert unter dem Druck der allgemeinen Finanz-
misere mit zunehmender Repression auf die Praxisbereiche der Sozial-
arbeiter: Streichung der Mittel, Beendigung der Forderung der
"Selbstverwaltung", keine zusatzlichen Planstellen, Einfrieren der
bereits offenen Stellen, Dienstanweisungen. Den Sozialarbeitern
wird die letzte Illusion genommen, Reformmodelle der Sozialarbeit
zu verwirkl ichen und auszubauen. Die Verwaltung, die sich vor 2 Jah-
ren entschlossen hat, ihre Fortschrittl ichkeit durch den Bau des
teuren Jugendzentrums und die Anerkennung der Selbstverwaltung zu
beweisen, bemu'ht sich auf ihre Weise, das Gebaude vor Besucher-
schwund und Zerstbrung zu retten. Sie schlagt vor, Ausweise an Ju-
gendliche auszustellen, die farblich gekennzeichnet fur verschiedene
Al tersgruppen ausgegeben werden sollen. Die Ausweise sollen eine
bessere Kontrolle der Besucher gewahrleisten, die Durchsetzung von
Hausverboten erleichtern und die Registrierung arbeitsloser Jugend-
licher und anderer Gruppen ermbgl ichen.
Wir Sozialarbeiter reagieren hilflos und defensiv auf den Besucher-
schwund, die vermehrten Zerstbrungen und Schlagereien und auf die
verstarkte Kontrolle und Angriffe der Stadtverwaltung auf unsere Pra-
xis- Sie war bisher stark auf die Aktivisten der Jugendzentrums-Be-
wegung und deren Forderungen ausgerichtet. Die Forderungen und das
Vernal ten der Gymnasiasten bedeuteten fur uns den Ausdruck der
"objektiven Bedurfnisse" der Jugend. Wir fanden in dem Sel bstverwal-
- 49 -
tungsmodell und dem Versuch seiner Umsetzung ira Jugendzentrum
politische Legitimation und Selbstbestatigung. Dies haben wir heute
in Frage gestellt und bemuhen uns, mit verschiedenen Zielgruppen
ein neues Konzept zu erproben.
Das Jugendzentrum 1st fur die arbeitslosen Jugendlichen eine Art
Asyl . Hier kann man sich ohne Konsumzwang aufhalten und trifft even-
tuell Freunde. Hier sind die Repressionen der Umwelt (Eltern, Ver-
wandte, Nachbarn und Polizei) nicht so stark. Die oft zu engen woh-
nungen.besonders bei den Auslandern, zwingen die Jugendlichen in das
Jugendzentrum. Andere Mbglichkeiten gibt es in Mettmann kaum. Einige
Jugendliche schlafen bis mittags, andere werden schon friih auf die
StraBe gesetzt, weil in der Wohnung kein Platz fur Faulenzer sei.
Man trifft sich dann am Jubila'umsplatz, bei Tschibo, Oder auf Spiel-
pi a'tzen bei Lambrusko Oder Bier und wartet auf die Offnung des Ju-
gendzentrums.
Die Langeweile beherrscht das Leben starker denn je. Sie tbtet jeden
Antrieb aus der Lethargie auszubrechen. So baut der eine geduldig
wochenlang an seinem Model If lugzeug, ein anderer la'St sich keine
SesamstraBe im Fernsehen entgehen, ein dritter fullt sich die Zeit
durch einen Karatekursus. Was soil man sonst auch machen? Irgendwann
nach langem Hin und Her, der Lauferei von Amt zu Ant, von Arbeits-
stelle zu Arbeitsstelle, wird einem alles egal . Man beginnt, sich
mit seinem Schicksal abzufinden, sich als faul und minderwertig zu
erfahren. Die Reaktionen der Umwelt bestatigen das ta'glich. Die Iden-
tifikation mit seiner Lage nimmt die letzte Mbglichkeit, sich im ge-
sellschaftlichen Zusammenhang wiederzuf inden. Die ohnehin nicht sehr
stabile Identitat vieler Jugendlicher bricht total zusammen.
Der HaB auf die Urheber der Misere richtet sich gegen die eigenen
Kumpels, im Jugendzentrum besonders gegen die Ausla'nder, die einen
groBen Teil der Schuld fur die Misere tragen sollen. Die Tendenzen
zur Individualisierung und dem Kampf aller gegen alle zerstort
jeden Ansatz von Solidarita't. Einen Job zu bekommen heftt in diesem
Kontext, nur "Glu'ck" zu haben. Arbeitslos sein heiBt: kein Geld und
viel Zeit, in der man "ScheiBe bauen" kann.
Bei Ma'dchen macht sich die Arbeitslosigkeit nicht so direkt bemerk-
bar. Sie werden voll in den elterlichen Haushalt mit eingeplant und
lernen kochen und putzen. Nur wenige haben sich beim Arbeitsamt
gemeldet, weil sie wissen, daB ihre Chapcen gering sind, eine Lehr-
stelle Oder Arbeitsplatz zu f inden. Im Jugendzentrum sitzen die Mad-
chen oft stundenlang fast regungslos auf den Ba'nken in der Disko
und warten auf den Jungen, der sie zum Tanzen auffordert. Wenn kei-
ner kommt, tanzen sie ab und zu mit ihrer Freundin. Im Vergleich zu
frliher sind die Ma'dchen unauffal liger und beteiligen sich nicht am
Geschehen und den Aktivitaten im Jugendzentrum. (vgi. Aimut jodicke:
Arbeitermadcben im Jugendzentrum, Offenbach 1975)
Die Hilflosigkeit der Sozialarbeiter
Die Anwesenheit der arbeitslosen Jugendlichen bzw. das Fehlen der
bisherigen "Basis" von Gymnasiasten im Jugendzentrum bedroht unser
Selbstverstandnis als Sozialarbeiter. "Politische Arbeit" (Durch-
- 5o -
flihrung des formal -demokratischen Selbstverwaltungsmodells, usw.)
scheint nicht mehr mbglich. Man muB sich beschr'a'nken auf die typi-
schen Formen der Sozialarbeit: individuelle Hilfe fur Systemgescha-
digte, Kontrolle der industriellen Reservearmee, notdlirftige Versor-
gung und eventuelle Diszipl inierung. Unter alien Umstanden muB das
Abrutschen von Jugendlichen in die Deklassierung zu verhindern ver-
sucht werden. Hatten wir unsere Unsicherheit vor kurzem noch durch
Hausverbote, SchlieBung des Jugendzentrums und Polizei uberspielen
wollen, versuchen wir, uns jetzt konkreter mit der uns relativ frem-
den Gruppe, den arbeitslosen Jugendlichen, zu bescha'ftigen. Dabei
kann unsere Arbeit nicht mehr so offen sein, wie sie frliher schien.
Die Krise zwingt uns die Absicherung erreichter Positionen auf.
Kampften einige von uns noch vor einem Jahr gegen die formal e Gre-
mienpolitik im Jugendzentrum, so verteidigen wir heute die Einwir-
kungsmbglichkeiten der Jugendlichen auf die Jugendpol itik der Stadt-
verwaltung. Wir lernen defensiv: nur keine schlechte Presse, nur kei-
ne Erhbhungen der padagogischen Kosten, nur keine neuen Stellenfor-
derungen, kein Vertrbdeln der Zeit mit u'berflussigen Teamgespra'chen.
Die Fahrtkosten fiir die nebenamtl ich arbeitenden Sozial pa'dagogen wur-
den mit Zustimmung und Unterstlitzung der hauptamtlich arbeitenden
Sozialarbeiterin gestrichen. Ihr Anspruch, die Interessen der "lohn-
abhangigen und werkta'tigen" Bevblkerung zu vertreten und "gewerk-
schaftliche Orientierung" zu praktizieren, kehrt sich ins Gegenteil.
In der taglichen Praxis wird aus der beliebten Parole "Preisstop",
die angeblich darauf abzielen soil, den Real lohnabbau zu bekampfen,
die Aktion Lohnstop. Diese Ruckzugsgefechte im Hinblick auf die
"politische Arbeit" im Jugendzentrum verursacht im Zusammenhang mit
der Erkenntnis, daB die Auswirkungen der Krise nicht mit Mitteln der
Sozialarbeit zu beheben sind, resignative Tendenzen bei den Sozial-
arbeitern.
Die Leere im Jugendzentrum, die Perspektivlosigkeit der Arbeit und
der Druck der Verwaltung auf die Praxis zwingen uns zur neuen Kon-
zeptionserstellung: Zielgruppenarbeit mit Auslandern, Ma'dchen, Haupt-
schulern und arbeitslosen Jugendlichen. Die Arbeit mit arbeitslosen
jugendlichen erfordert im Gegensatz zur Arbeit mit festen Interessen-
gruppen (Theater-, Foto-, Kochgruppe) viel mehr Zeit und persbnli-
ches Engagement. Auf Briefe und Plakate, die zur Gruppe einluden,
reagierte niemand. So waren und sind wir gezwungen, die Jugendlichen
zu Hause aufzusuchen, Vorurteile bei den Eltern gegen das Jugendzen-
trum auszura'umen, die Berufsschule zu besuchen, urn auch andere be-
troffene Jugendliche, die noch nicht im Jugendzentrum verkehren, an-
zusprechen; Kontakte mit Gewerkschaften, Volkshochschule, Arbeitsamt
und Sozialamt herzustellen, urn eine bessere und schnellere Zusam-
menarbeit zu praktizieren, ein langeres Dffnen des Jugendzentrums
fiir arbeitslose Jugendliche durchzusetzen, urn gemeinsam mit ihnen
ihre Freizeit zu organisieren. Unsere Perspektive neben dem allge-
meinen Jugendzentrums-Dienst stadtteilbezogen mit den Jugendlichen
Zu arbeiten und gleichzeitig mit Kollegen bei freien Tra'gern, Stadt-
verwaltung und Bildungseinrichtungen zu kooperieren, kann durch den
unzureichenden Etat und den Personalmangel nicht verwirklicht werden.
51
Das Dilemma der Sozialarbeit wird offensichtlich
Die Sozialarbeiter in Mettmann wollen mit ihrer Praxis die Ver-
schlechterung der Lebenssituation der Jugendlichen verhindern. Dies
gelingt ihnen im Freizeitbereich nur bedingt. Daraus wird ein schon
immer bestehendes Dilemma der Sozialarbeit deutlich. Die in den
letzten Jahren gefu'hrte Diskussion urn die Verbindung von Produktions-
und Reproduktionsbereich zur Bestimmung der Arbeit im Freizeitbe-
reich, blieb bisher ohne praktisch richtige Konsequenzen.
Im Jugendzentrum Mettmann versuchten wir, diese Vermittlung durch
sporadische Veranstaltungen und Diskussionen^z.B. Uber die Arbeits-
welt herzustellen. Auf diesen Veranstaltungen - eingestreut in den
allt'aglichen Betrieb neben Kicker, Disko und Tischtennis - propa-
gierten wir die Notwendigkeit der gewerkschaftl ichen Organisierung.
Doch sie fanden nur bei den Jugendlichen Anklang, die eh schon ge-
werkschaftlich organisiert waren. Andere Ougendliche hielten sich
lieber in der Disko Oder Cafeteria auf. Unsere Sozialarbeiter-Praxis
machte aber nach auBen den Eindruck einer politischen Arbeit im
Jugendzentrum.
Diese Aktivita'ten vermittelten weder den Jugendlichen noch den So-
zialarbeitern praktische Perspektiven zur Vera'nderung der Situation
im Freizeitbereich. Das Image des selbstverwalteten Jugendzentrums
wurde mit aller Kraft aufrecht zu erhalten gesucht. Da die Offent-
lichkeit nicht wissen durfte, daB im Jugendzentrum nach und nach
kaum noch Aktivita'ten und Veranstaltungen waren und nur noch wenige
Besucher kamen, wurde mit alien Mitteln versucht, "stbrende Elemen-
te", die das Jugendzentrum in negatives Licht bringen kbnnten, zu
unterdriicken. Selbst als das Haus noch vol 1 mit Aktivita'ten war,
wurden die "Randgruppenjugendlichen" auch als solche von den Sozial-
arbeitern behandelt, na'mlich als Randproblem. Der Kontakt zu diesen
Jugendlichen stellte sich dann nur her Uber Hausverbote, Wegnahme
von Alkohol, Streit schlichten und Disziplinierungen. Auseinander-
setzungen wurden formal zu Ibsen versucht, Schla'gereien verboten,
weil der Ruf des Hauses leide, usw. Das Vernal tnis zwischen den
"guten, normalen" Jugendlichen und den librigen Besuchern blieb w^™-
matisiert, ebenso die Formen und Inhalte, durch die sich das Selbst-
bewuBtsein der jeweiligen Gruppen ha'tte sta'rken kbnnen. Die Notwen-
digkeit der Arbeit mit den "Randgruppenjugendlichen" neben der In
teressensgruppenarbeit wurde allenfalls in den Teamgespra'chen formu-
liert. Man hoffte, daB sich irgendwann die Perspektive fiir die Ju-
gendzentrumsarbeit entwickeln wurde.
Da die repressiven MaBnahmen der Sozialarbeiter gegeniiber den
"Randgruppenjugendlichen" im Widerspruch zu unserem Anspruchstan-
den, die Jugendlichen sich eh von diesen Disziplinierungen nicht be-
eindrucken lieBen und weil es notwendig wurde, sich mit arbeitslosen
Jugendlichen zu befassen, wurde im Jugendzentrum die padagogische
Arbeit neu u'berdacht.
Bisher haben die Sozialarbeiter versucht, formal die Einbeziehung
des Produktionssektors in ihre Praxis herzustellen. Dadurch ist oTt
bei den Jugendlichen die Abwehr vergrbBert worden, sich in af.1-™1"
zeit mit Fragen aus dem Betrieb Oder ihrer momentan als unbefnedi-
gend erlebten Situation zu beschaftigen. Die Informationen aus dem
- 52 -
Produktionsbereich bei Filmen, Diskussionen, Politrockbands usw.
hatten keinen direkten und praktischen Gebrauchswert fur die Jugend-
lichen, weil sie nicht zu ihren unmittelbaren Bedlirfnissen und Pro-
blemen hin vermittelt waren. Zum Beispiel kbnnen die Minderwertig-
keitsgeflihle der arbeitslosen Jugendlichen nicht per Postulat besei-
tigt werden, wie "Du gehbrst zu uns", "Wir sind alle betroffen", usw.
Die Jugendlichen verschafften sich Gehbr und Aufmerksamkeit durch
Zerstbrungen und Aggressionen. Die arbeitslosen Jugendlichen und
auch minder qualif iziertere Jugendliche fu'hlen sich nicht anerkannt,
zu nichts nutze und gesellschaftlich wertlos. Wie entfremdet und
unbefriedigend die Arbeit im Kapital ismus auch ist, so bietet sie
doch der arbeitenden Jugend zumindest die Mbglichkeit, sich als
nlitzlich zu erleben und als gebraucht zu fu'hlen.
Die Erfahrungen der letzten Monate mit einer Gruppe von arbeitslo-
sen Jugendlichen im Jugendzentrum Mettmann haben aber deutlich ge-
zeigt, bevor man zu Solidaritat und gewerkschaftl icher Organisie-
rung aufrufen kann, ist es notwendig, daB die Jugendlichen Anerken-
nung finden, Qua! ifikationen an sich entdecken und entwickeln und
dadurch ihr SelbstbewuBtsein herstellen kbnnen. Der ZusammenschluB
als Gruppe ist eine Form der Abwehr gegen die pathologische Situa-
tion der Arbeitslosigkeit. Die Qualifikationen, die sie in dieser
Gruppe entwickeln kbnnen, mu'ssen nicht unbedingt den Charakter einer
Behelfslehre oder eines Schulabschlusses haben, die eh nur schwer
qenug zu erreichen sind, sondern kbnnen auch Fa'higkeiten bedeuten,
die nicht auf dem Papier nachzuweisen sind, aber zur unmittelbaren
BedUrfnisbefriedigung und Stabilisierung der Jugendlichen beitragen.
Seit einem halben Jahr lief die Arbeitslosengruppe mit groBer Be-
qeisterung bei den Jugendlichen. Es gab kein isoliertes Rumha'ngen
in der Disko mehr. Das Klima im Jugendzentrum wurde freundschaftl i-
cher und kameradschaftl icher. Kommunikationsstrukturen hatten sich
entwickelt, die schon lange nicht mehr im Jugendzentrum herrschten.
Wir begru'Bten uns stlirmisch, quatschten oft den ganzen Abend und
besuchten uns gegenseitig. Zu Silvester organisierten einige eine
eigene Party. Im Jugendzentrum war wieder was los. In der Stadt
sprach man wieder positiv Liber das Jugendzentrum. Und die Stadtver-
waltung war erfreut liber die Aktivita'ten der Sozialarbeiter. Endlich
ein Konzept! Endlich tun die Sozialarbeiter mal was!
Aber Neid und Konkurrenzangste verleiteten die Gruppe urn die haupt-
amtliche Sozialarbeiteri^mit gefalschten Aussagen von Jugendlichen
pinen unliebsamen Kollege'n abzuschieBen, der in der Arbeitslosen-
aruppe arbeitete. Das Vertrauensverhaltnis zwischen den arbeitslosen
luqendlichen und den 5ozialarbeitern wurde zerstbrt. Mit Recht
fraqen die Jugendlichen: "Wie soil man Leuten trauen, die ihre Kolle-
aen auf so eine linke Tour in die Pfanne hauen "• Zwei Kollegen
haben gekundigt. Die begonnene Arbeit ist gestorben und ebenso das
vor haben, die Werkstatten im Keller des Jugendzentrum fur eine Selbst-
hilfeinitiative auszubauen. Die Arbeitslosengruppe fa'llt allma'hlich
ajseinander. Einige haben vorlibergehend Arbeit gefunden, fur andere
gent es weiter wie bisher.
53
Wir sollten hieraus lernen, uns unsere Hi 1 f 1 osigkei t und das
Scheitern der Praxis offen zuzugestehen, daB andere daraus lernen
kb'nnen. Was nutzen all die guten Konzepte, die auf Solidaritat aus
sind, wenn selbst die Sozialarbeiter sich nicht einig sein konnen
und unfahig sind, ihre Schwierigkeiten in der Praxis zu diskutie-
ren. Durch eine Politik der Diffamierungen, Intrigen und Geru'chte
werden eigene gute Ansa'tze liquidiert. Darunter leiden in erster
Linie die Jugendlichen, denen kaum bessere Mbgl ichkeiten offenste-
hen, als die Freizeit im Jugendzentrum zu yerbringen. Die Erfahrun-
gen'im Jugendzentrum Mettmann bestatigen ihr Vorurteil: Sozialarbei-
tern kann man nicht trauen.
Zeitschrift fur politische Okonomie
und sozialistis(he Politik
Bodo v.Greiff • Wo der Gegensatz
i wischen Mnteriolismus und Idealismus
in der Erkenntnist heorie radii sitzt
Ludmilla Muller ■ Die Wertlosigkeit
der Arbeit derKinderoulzuthtimKopiralismus
Christel Hopf/WuH Hon* • Gleithgultigkeit,
Identification und Klassenbewuftaein
Mokato ttoh • Krisentheorie bei Marx
M. R Buddeberg ■ Wer herrsdtt in den -nadir
kapitalistisih en « Gesellsihoften und warum?
Renpte Damus - Reproduktion von Her rsihufl
in nnchkopitafist ischen Gesellsdiaften
Wolfgang Urthardt
Zur Formel vom »sozialen Redihstaat«
Einzelhefl
DM9.-
Peter Rich:
ARBEITSLOSE JUGENDLICHE
IM JUGENDCLUB
Der Club ist eine Einrichtung des Vereins "Haus der offenen Tlir" e.V.,
Frankfurt. Die Clubraume befinden sich in 3 leerstehenden Obergangs-
wohnungen einer zur Sanierung anstehenden Obdachlosensiedlung in
Frankfurt-Eckenheim. Die standigen Besucher sind Krisenarbeitslose,
Oauerarbeitslose, Aushilfen,Arbei ter, Lehrlinge, Hauptschiiler, Son-
derschiiler, Verheiratete und Ledige, Vater und Mutter. Die Alters-
spanne reicht von 14 - 26 Jahren. Es stellen sich auch sehr oft ein-
zelne Erwachsene ein. Betreut wird die Einrichtung von einer Sozial-
padagogin und einem Sozialpadagogen.
Dem Thema entsprechend lassen sich viele Clubbesucher in drei Gruppen
einteilen: Arbeitende, Arbeitssuchende und solche, die derzeit keine
Lust haben, zu arbeiten. Das Engagement fur die Belange des Jugend-
clubs ist bei alien drei Gruppierungen etwa gleich stark bzw. schwach.
Eine durchgangige Beziehung der Gruppierungen untereinander la'Bt sich
pauschal mit "Neid" bezeichnen. Die Arbeitslosen beneiden die Arbei-
tenden urn die verdienten "Kohlen11. Die Arbeitenden beneiden die Ar-
beitslosen urn deren Freizeit und Unabhangigkeit. Eine nicht immer
verstandl iche Position nehmen dabei die padagogischen Mitarbeiter
ein: sie sind die ganze Zeit im Jugendclub und werden noch dafur be-
zahlt. Die Schuler f'uhlen sich merkwu'rdigerweise trotz aller Gespra-
che und trotz alien Anschauungsunterric htes bei El tern und Clubbesu-
chern nicht von der Arbeitslosenproblematik betroffen. Sie sind der
unerschutterl ichen Hoffnung, daB sie nach der Schulentlassung eine
Arbeitsstelle erhalten werden.
Die individuellen Wege zum Geld flihren fur die Clubbesucher liber
GlLicksspiele bis zur Sozialhilfe. Von "Brlichen" ist seit langer Zeit
nichts mehr an die Clubbffentl ichkeit gelangt. Seit einigen Monaten
qreift bei den Jugendlichen auch eine Amtermlidigkeit um sich. Fur sie
stent der Aufwand an Zeit und Energie auf die Dauer im umgekehrten
Verhaltnis zum Erfolg. "Was soil ich wegen ein paar lumpiger 'Krb'ten'
oder wegen eines Krankenscheines 2-3 Tage zwischen Arbeitsamt und
Sozialamt hin und her laufen? Wenn ich den Papierkram nicht zusam-
menhabe oder so'n Wisch nicht richtig ausgefLillt habe, werde ich hbch-
stens von so 'm Burokraten noch zur Sau gemacht."
Also verlegt man sich auf gegenseitige Hilfen. Wer Geld hat, spendiert
Bier und Zigaretten. Wer einen Job hat, sieht zu , daB er einen ar-
beitssuchenden Kumpel beim Chef empfiehlt, und wenn's "nur" um einen
Aushilfsjob geht. Einige V Iter und Bekannte der Clubbesucher sind
selbstandig im Metallverschrottungsgewerbe tatig. Auch hier gibt es
ofters fiir harte Arbeit einige Mark zu verdienen.
pie padagogischen Mitarbeiter unterbreiten unverbindlich Angebote:
- 55 -
1. Informationen Uber Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Sozial-
hilfe, Fortbildungsmbglichkeiten;
2 Regelma'Big treffen sich Arbeitssuchende mit den Mitarbeitern im
B'uro, sehen die Stellenanzeigen in der Zeitung durch und mac hen
mit den infrage kommenden Stellen sofort telefonisch Vorstel lungs-
termine aus.
3 An FortbildungsmaBnahmen nehmen die Jugendlichen nur teil, wenn
es SpaB macht. Derzeit lauft ein Schreibmaschinenkurs. Eine werk-
gruppe Holz ist geplant. Fortbildungsbemuhungen auf eigene Faust,
z.B. Fuhrerschein, sind Ausnahmen (nicht zuletzt wegen der hohen
Unkosten).
In unregelmaBigen Absfa'nden breiten sich ansteckende Stimungen ent-
weder der "Arbeitsgeilheit" oder des Arbeitsu'berdrusses unter den
Clubbesuchern aus. Die Mitarbeiter kennen diese Phaser von sich sel-
ber Urn die Arbeitsmoral etwas zu unterstutzen, wird an Arbeitstagen
besonders auf plinktliche SchlieBung des Clubs urn 24 Uhr geachtet.
Die Wochenenden laufen dafur vol 1 ig nach den Vorstellungen der ver-
schiedenen Besuchercl iquen. Das Verlangen nach einem Ersatz-Zuhause
kommt dabei stark zum Ausdruck. Mangels stadtischer Zuschiisse wird
das Improvisations- und Crganisationstalent der Jugendlichen enorm
gefordert. So werden die Oberlegungen zur Gestaltung der Clubraume
und des Programmes jetzt im Winter unter folgenden Gesichtspunkten
angestellt: warmer als drauBen, gemiitlicher als zuhause, billiger
als in Diskotheken und Kneipen. Fur einzelne Jugendliche mussen die
Clubraume auch ab und zu mehrere Tage und Nachte als Quartier dienen,
z.B. wenn bei Freunden nicht unterzukommen ist Oder wenn zunause
dicke Luft herrscht.
Unter den geschilderten Bedingungen kommt es bemerkenswerterweise
fast nur bei ubermaBigem AlkoholgenuB zu Schlagereien, obohl die Luft
mancMal spurbar aggressionsgeladen ist. Die Jugendlichen, besonders
die Clubvorstande, bringen die Streithahne in der Regel jedoch schnell
und wirkungsvoll auseinander.
Im Zuge der laufenden Bemu'hungen um die raumliche, finanzielle und
juristische Absicherung des Clubs mit moglichst weitgehender Selbst-
bestimmung der Clubbesucher soil in Zukunft versucht werden
a) die jiingeren Clubbesucher mehr in das Geschehen mit einzubeziehen,
damit sie lernen kbnnen, daB man auch Probleme wie die Arbeitslo-
sigkeit gemeinsam angehen kann und
b) soil der Aufbau einer autonomen Wohngruppe fur Clubbesucher mit
den Jugendlichen diskutiert werden. .
MATERIALIEN ZUR JUGENDARBEITSLOSIGKEIT
1.) Ulrich Miickenberger: JUGENDARBEITSLOSIGKEIT UND KEIN ENDE?
in Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit Nr. 4/76; AWO, 53 Bonn
2.) Okonomie-Info Nr.9 zu Jugendarbeitslosigkeit und Jugendarbeitsschutz
ui; DM 1.2o uber Verband Progressiver Pazifisten und Kriegsdienstverweigerer,
Mengstr. 38, 24oo Liibeck 1
3 ) TUGEND IN DER KLASSENGESELLSCHAFT - Arbeitspapiere,Berichte,
Dokumente desjugendpolitischen Forums 1974; 272 S., DM 8 -!bei grofieren
Mengen Rabatt; Bezug: Verlag Jugend & Politik, Hamburger AUee 49, 6 Ffm.
Traudel Lucius:
AUSWIRKUNGEN GEGENWARTIGER ARBEITSLOSIGKEIT
AUF DIE SITUATION
DEKLASSIERTER PROLETARISCHER MADCHEN
nie oeqenwartige Krise macht uns den unterdruckenden Charakter der
Frauenlohnarbeit klarer, verdeutlicht wieder einmal die Tendenzen,
wie sie schon seit den Anfangen der Industrial isierung bestanden
Nur6ein Drittel aller Frauen (Erwerbsquote 1972: 29,4 %, die Erwerbs-
ouote der Manner lag 1972 bei 58,5 %) haben reell eine Chance zu
^hPiten Das verdeutlicht auch den uberwiegend vorubergehenden Cha-
pter von Frauenlohnarbeit. Hausfrau und Mutterdasein ist nach wie
vor das Dominierende im Leben der Frau. Denn die Berufstatigkeit
wird bei Heirat und Kindern haufig unterbrochen.
i^-in Wunder, daB ein verstarkter Ausbau von Kindergarten und Ganz-
^fnJcrhulen Liberfllissiq ist, solange nicht alle Frauen im Arbeits-
nrozle sie en Die Verhinderung der Abschaffung des § 218 druckt in
S-esem Zusammenhang die bestehende Realitat und die Grenzen der ge-
ceflschaftlichen Funktion der Frau aus: mehr denn je wird der Frau
verdeutlicht, daB ihr Platz daheim bei den Kindern zu sein hat.
Schon der Pillenknick hat ja die Rentenversicherung gefahrdet (!?).
jeder Ausbruch muB bestraft werden.
Fur rund ein Drittel aller Frauen (unverheiratete, Frauen mit Kin-
1 d1e trotz der Kinder arbeiten gehen mussen) gilt zwar die Be-
Sstat gkeit als kontinuierliche Perspektive. In Knsenze ten er-
^tct sich diese Perspektive gerade fur die mit "einfachen" Arbeiten
he chart gten Frauen sowohl im Dienstleistungsbereich als auc in der
t HM^Hearbeit als unrealistisch. Von der Arbeitslosigkeit allge-
iein si nd i sgesamt Hilfsarbeiter und Angelernte verstarkt betroffen,
Til juoendarbeitslosigkeit trifft in aufsteigenden Prozentzahlen
HluoSler Hauptschuler ohne AbschluB, Sonderschuler. Frauen sind
HarUberhinaus verstarkt die Leidtragenden der Krise, denn nach wie
tr lieSt ihre Qual ifikation unter der der Manner. Fursie gi t die
R°cervelrmeefunktion: in Hochkonjunkturzeiten kbnnen sie zu Hilfsar-
Slnen h™angezogen werden, in der Krise verschwinden sie hinterm
Kochtopf.
nas bisher Gesagte weist daraufhin, daB fur proletarische Madchen
nd verstarkt noch fur deklassierte proletarische Madchen,z.B. aus
UetZ 0 dachlosengebiet, die Chancen schon immer extrem mies waren,
,c dPr traditionellen Rolle auszubrechen und zur Zeit fast aus-
"irhtslos sind Insofern ist es auch 'logisch1, daB die proletarische
InHal sat on am starksten darauf abzielt, Madchen fur Hausfrauen-,
^febten- und Mutterdasein abzurichten. "Du heiratest ja doc , des-
Ge \l hraurhst du nichts zu lernen", sind Ausdruck fur die reale Le-
bensperspeEive der Madchen und laBt hbchstens das notwendige Zuver-
dienerbewuBtsein zu.
- 57 -
Die gegenwartige Krise rUckt diese Tatsache wieder ins BewuBtsein
z.B. von Sozialarbeitern, die, wie ich, in einem Obdachlosengebiet
arbeiten und mit diesen Auswirkungen direkt konfrontiert sind. Im
Gegensatz zu der Zeit vor ein paar Jahren ist es nahezu aussichtslos,
Lehrstellen oder Arbeitsplatze fur Madchen zu finden.
Wen wundert da noch, daB die Madchen selbst von einer durch nichts
zu erschlitternden Apathie bezuglich kiinftiger Lohnarbeit durchdrun- ■
gen sind. Sie sehen bei ihren M'uttern, ihren Freundinnen die Aussichts-
losigkeit ihrer Lage.
Ihre Hauptaktivitat liegt demzufolge konsequenterweise darin, den
Traummann zu ergattern. DaB dieser Traummann in der liberwiegenden
Zahl aus der gleichen Unterschicht koramt wie sie selbst, ist nur ein
kleiner Schbnheitsfehler, der sich zwar fatal auswirkt, so aber noch
die Mbglichkeit la'Bt, in Dreigroschenromanen weiter vom ritterlichen
Mann mit viel 'Kohl en1 zu traunen.
Drei Hauptfunktionen der Frauen sind mir aufgrund der Erfahrungen
mit proletarischen,bzw. deklassierten proletarischen Madchen wieder
deutlicher ins BewuBtsein geriickt:
1. Heimchen am Herd
2. Prostitution, um den Traummann zu bekommen bzw. als Mbglichkeit
Geld zu verdienen
3. Aggressionsabladeinstanz fur Manner
1 . Heimchen am Herd
Geschwister beaufsichtigen, Kochen, Putzen, Einkaufen etc., dies al-
les sind Pflichten fur Madchen im Obdachlosengebiet, die sie schon
frlih erfullen miissen. Dies gilt auch flir andere proletarische Mad-
chen. Im Obdachlosengebiet gehen diese Pflichten soweit, daB deshalb
der Schulbesuch ha'ufig als zweitrangig angesehen wird. Dies ist zum
Beispiel ein auffa'lliger Unterschied zu den ma'nnlichen Jugendl ichen.
Bei den Jungens legen die Eltern viel eher Wert auf regelmaBigen
Schulbesuch. Spricht man die Eltern auf das Schuleschwanzen der Mad-
chen an, so stellt sich heraus, daB dieses Verhalten haufig genug
von den Eltern verlangt wird.
So ist es auch nicht verwunderlich, daB nach Beendigung der Schul-
pflicht die Madchen die Mutter solange im Haushalt unterstlitzen, bis
sie selber heiraten. Die Madchen werden frlih schwanger (ab 15 Jahren)
und damit sind zusatzlich ihre Chancen aus dem 'vorbestirnmten' Gang
der Ereignisse auszubrechen, gleich Null. Haufig genug haben die
Madchen ihre Mutterrolle derart verinnerl icht, daB sie nicht einmal
bereit sind, Liber Abtreibung im Falle einer Schwangerschaft als Ld-
sungsmbglichkeit nachzudenken: 'Ich bin doch keine Mbrderin'.
Auch wenn im Obdachlosengebiet uberdurchschnittlich viele uneheli-
che Geburten zu verzeichnen sind, so ist ha'ufig genug eine Schwan-
gerschaft groteskerweise genau die Versorgungsmbglichkeit fur die
Madchen im Rahmen einer eigenen Familie. So gesehen ist auch fehlen-
de Empfa'ngnisverhu'tung gleichzeitig ein Mittel, moglichst frlih das
gesteckte Lebensziel zu erreichen, auch wenn sich dies letztlich wie-
derum zum Nachteil der Madchen auswirkt.
- 58
Die Chance, die Madchen zum Beispiel an Fbrderkurse des Arbeitsam-
tes zu vermitteln, sind ziemlich gering und zwar auch von Seiten der
Madchen: "Wir haben keinen Bock drauf", "Bringt doch eh nichts". Sie
werden auch von ihren Eltern nicht unterstlitzt, auch wenn gegenliber
den Sozialarbeitern versucht wird, den Schein ru erwecken, daB man
einen solchen Kurs flir furchtbar wichtig und notwendig halt. Aber
die Entbehrung einer Arbeitskraft daheim ist nur dann mbglich, wenn
es unumga'nglich ist: bei Heirat oder wenn entsprechend Geld dabei
herausspringt.
hlosengebiet ist auch nicht zu verglei-
en' Vier-Personen-Haushalt. Bei der
cken durchschnittlich 4 Kinder) und den
qm pro Person im Extremfall) laBt sich
i machen. So kommt's, daB man als Sozial-
die Chance hat, Erfolge bezuglich der
Hervorzeige- und Starklientel , immer
eistete Arbeit, verschwindet fast ga'nz-
r negativ gesehen werden kann.
Die Hausarbeit in einem Obdac
chen mit der in einem 'normal
hohen Kinderzahl (in den Bara
engen Wohnverhaltnissen (2
diese Arbeit nicht so nebenbe
arbeiter eigentlich kaum noch
Betroffenen vorzuweisen. Das
wieder Aushangeschild fur gel
lien. Was allerdings nicht nu
? Prostitution der Madchen
Der reale Rahmen der Madchen ab 15 aufwa'rts ist das Helfen daheim.
Daneben suchen sie einen Mann. Diese Suche erfordert sehr viel Ener-
qie und Aktivitat: Gut Tanzen ist wichtig, scharfes Aussehen eben-
falls. Ha'ufig putzen sich die Madchen zusammen mit Freundinnen, liben
qemeinsam das Tanzen mit soviel Ernst, daB man merkt, daB bittere
Notwendigkeit daftir vorherrscht. Als Treffs bieten sich der Jugend-
club in der Siedlung an und einige Diskotheken im Stadtzentrum. Hier
ist die Chance vermeintlich grbBer, einen anderen als jemand aus
der Siedlung kennen zu lernen. In Mannheim sind ziemlich viel ame-
Hkanische Soldaten stationiert. Die Kneipen und Diskotheken, in de-
nen sich die Amerikaner aufhalten, sind ebenfalls sehr beliebt, weil
die Vorstellung vom groBen Gllick in Amerika das hbchste uberhaupt
ist.
Die Manner, die sie kennenlernen (gleichaltrige aus dem gleichen
Milieu) sind allerdings nicht so sehr fixiert aufs baldige Heiraten.
Sie wollen ne 'Alte' zum Bumsen, zum Angeben. Allerdings sind sie im
Falle einer Schwangerschaft durchaus bereit, sich ins Unvermeidliche
zu fuqen Den Sexualwlinschen der Manner unterwerfen sich die Madchen
hpdinqunqslos. Sie sind bereit, sofort die Beine breit zu machen,
wpnn sie nur einen Funken Hoffnung haben, daB der entsprechende Typ
sie liebt. Sie glauben dies nur allzu oft und fallen immer wieder
darauf rein.
Ganz kraB habe ich die ohnma'chtige Situation der Madchen in einer
aemischten Jugendwohngemeinschaft in Mannheim erlebt. Fur die Mad-
rhen die von zu Hause abgehauen waren, aus dem Heim kamen, aber aus
dem Obdachlosengebiet stammten, wurde diese Wohngemeinschaft zu einem
■Puff ' je mehr sich flir sie die Aussicht auf Lohnarbeit verschlech-
terte (auch Aushilfsjobsgab's im Laufe der Zeit kaum noch).
K, daB etwa die Madchen flir ihre 'Liebensdienste' bezahlt worden
wSren viel schlimmer: die Madchen pennten scheinbar wah los mit den
verschiedensten Typen, immer wieder in der Hoffnung, end! ich einen
- 59 -
festen Freund zu bekommen. DaB die Manner sie gerade wegen ihrer
'Vbgel bereitschaft ' beschimpften und im Grunde ablehnten, bringt
die Madchen in einen Teufelskreis, der nicht selten in richtiger
Prostitution endet. Fur diese Madchen ist in der Tat der Kbrper ihr
einziges Kapital . Allerdings sind die Moralvors'tellungen der Madchen
so 'konservativ' , daB sie sich wegen ihres Sexualverhaltens furcht-
bar schamen und es zu vertuschen suchen,wo es nur geht und immer
wieder die 'Ehrbare' versuchen zu spielen.
Dies sind auch die Madchen, die ihren 'Marktwert' im Grunde kaum so
wahrnehmen, daB es ihnen zumindest finanziell was bringt. Wenn sie
vor lauter Liebe fur einen Typ anschaffen gehen, also aufn Strich,
dann sind sie auch bereit, ihm das ganze Geld zu uberlassen.
Die Grenzen zwischen richtiger Prostitution und dem oben beschriebe-
nen Verhalten sind flieBend. So kann blitzschnell aus einem 'ehrba-
ren' Madchen eine 'Prostitutierte' werden und umgekehrt. Entweder
treibt sie Geldmangel Oder die Suche nach einem Mann zu einem sol-
chen Verhalten.
Ich persbnlich wlirde es als ziemlich wichtig ansehen, daB man ver-
sucht, den Madchen dieses Verhalten bewuBt zu machen. BewuBt heiBt
in diesem Zusammenhang, daB die Madchen begreifen, was sie wert sind
und gegebenenfalls sich entsprechend bezahlen zu lassen. Nichts ist
entwurdigender fur eine Frau als die Illusion von Liebe, die zum
Beine breitmachen zwingt.
Richtige Prostitution ist durchaus ebenfalls eine realistische Be-
rufsperspektive. Sie moral isch zu verdammen, die Madchen davor zu
schlitzen, hieBe, die ganze Verlogenheit dieses Systems zu unterstutzen.
Solange aber die Madchen nicht einmal ansatzweise ihre Rolle bewuBt
sehen, sondern sich nur ausheulen und realistischerweise keine
'Hi If e' erwarten, da sie wissen, daB Sozialarbeiter.und seien sie
noch so gutwillig, sie nicht aus ihrem Elend befreien kbnnen, solan-
ge sie noch auf den Traummann hoffen, fur den sie alles machen, so-
lange ist es auch fast aussichtslos, diese beschriebene BewuBtmachung
zu erreichen.
Dieses beschriebene krasse Verhalten ist sicher nicht reprasentativ
flir die uberwiegende Mehrzahl der proletarischen Madchen. In 'Nor-
malfall' tritt das gleiche nur verschleierter auf, auch bei prole-
tarischen Madchen, da das Ergattern des Traummanns mit soviel sicht-
barer Selbstaufgabe verbunden ist.
3. Aggressionsabladeinstanz flir die Manner
Haushal tsdasein und Prostitution in den verschiedenen Ausformungen
bilden die Voraussetzung dafur, daB die Frauen in einer weise zur
Stabilisierung des Systems beitragen, die in ihrer Wirkung einzig-
artig ist. Durch diese totale Entmundigung ist erst die Voraussetzung
gegeben, fiir die Manner mit all ihren Frustrationen Aggressionsabla-
deinstanz zu sein. Nur wer eine solche entmlindigte Rolle einnimmt,
wie die Frauen, ist bereit alles zu ertragen, um das biBchen Gl Lick.
das sie zu besitzen glauben, nicht ganz zu verlieren.Die Aggressionen
ertragen die Frauen geduldig. Wenn, wie im Obdachlosengebiet, die Ar-
beitslosigkeit infolge der Krise schlagartig zunimmt, die Manner be-
schaftigungslos zu Hause rumhangen, den Frauen zur Last fallen, sich
- 60 -
u'berfllissig vorkommen - kein Wunder, Hausarbeit haben sie nie ge-
lernt -, verstarkt trinken, schlagen sie ihre Frauen. Nur weil es
eine Gruppe gibt, an denen sie ihre Wut auslassen kbnnen, kann ver-
hindert werden, daB sie ihre Wut an der richtigen Stelle auslassen.
(Kein Wunder, daB also gerade bei der proletarischen Frau die Ideo-
logic der Weiblichkeit am 'notwendigsten' ist).
Das eben Beschriebene spielte sich in der schon zitierten Wohnge-
meinschaft ab. Die Madchen bekamen alle Aggressionen ab von den mann-
lichen Bewohnern, von einem Teil der Jugendlichen aus dem Stadtteil
(die zum grbBten Teil arbeitslos waren). Wenn man auch sonst standig
qetreten wird und seine Interessen nicht durchsetzen kann, kann man
immer noch mit den Madchen ne Nummer machen, gegebenenfalls sie her-
umkoinmandieren. Der einmalig unternommene Versuch von mir, die Mad-
chen vor den Mannern zu 'retten', erwies sich als zusa'tzliche Eska-
lation der angespannten Situation. Ihrer letzten 'legalen' MSglich-
keit beraubt, ihre Aggressionen abzuladen, demolierten sie ein wenig
das Inventar und besoffen sich bis zur Erschbpfung. Dies zeigt aller-
dings auch, daB es vollig falsch ist, stellvertretend fur Frauen und
Madchen zu handeln, auch wenn sie noch so sehr darum bitten.
ie Perspektive von
int es notwendig,
zu verdeutlichen,
ktionen standig kon-
ig, daB wir uns von
hkeiten unserer Ar-
eine Vorteile: man
Emanzipation der
angel eiert werden
Ich habe versucht, an drei auf fall enden Punkten d
proletarischen Frauen zu verdeutlichen. Mir sche
diese Realitat so kraB, wie sie sich darstellt,
weil wir als Sozialarbeiter genau mit diesen Fun
frontiert sind in unserer Arbeit. Es ist notwend
Illusionen befreien bezuglich der Erfolgsmoglic
beit Dies ist zwar ern'u'chternd, aber hat auch s
wird' real istischer. Man sieht z.B. auch, daB die
proletarischen Frauen von Sozialarbeitern nicht
kann.
Ansatzpunkte fiir eine Arbeit liegen nicht darin, sich moralisch in
die Lebenssituation von proletarischen und deklassierten Familien
pinzumischen und ihnen Vorschriften uber richtiges Verhalten zu ma-
rhen sondern in der BewuBtmachung des beschriebenen Vernaltens, um
ihnen so ein Wissen um die reale Rolle zu ermbglichen (z.B. was das
Sexual verhalten betrifft) und in der Beratung von medizinischen,
iuristischen und finanziellen Fragen. Sicher werde ich auch nach wie
vor versuchen, Madchen in Kurse unterzubringen. Sicher werden wir
weiter versuchen, Er.ipfangnisverhutung bekannter zu machen. WiBt Ihr
noch was??
61 -
Uwrenfca
Jorg Kraufilach / Friedrich W.
Diiwer / Gerda Fellberg:
Aggressive Juftendliche
Jugendarbeit zwischen Kneipe
und Knast
260 Seiten, Paperback, DM 16,-
Dieser Bericht dokumentiert die
Praxis in einem der schwierigsten
Arbeitsfelder der Sozialpadagogik:
Er schildert die Arbeit in einem
Jugendclub, in dem sich als
„Rocker" bezeichnete Jugendliche
treffen. Was vcrbirgt sich hinter
der auficren Schale dieser Jugend-
lichen? Was kann ein solcher Ju-
gendclub fur Sie bedeuten? Aus
den Schilderungen der Clubarbeit
entsteht ein sehr plastisches Bild
eines wahrhaft „aufregenden"
Arbeitsfeldes. Und der Bericht
vermittelt den in einer siebenjah-
rigen Arbeit gewonnenen Erfah-
rungsschatz in Form ganz konkre-
ter Anregungen fiir die Praxis.
Aus dem Inhalt: Wie der Club entstand,
unser Friede gestort wurde und was
dann allcs passierte / Der Club wird von
aggressiven Jugendlichen besucht: Wir
beschreiben ihre Erfahrungen mit Fami-
lie, Schule und Amtspersonen / Ver-
schiedene Ausdrucks- und Ausbruchs-
formen aggressiven Verhaltens und wie
wir reagieren / Probleme mit Alkohol
und Sexualitat / Wie und liber was wir
mil den Jugendlichen reden / Die Ju-
gendlichen wollen feiern, der Club mufi
attraktiv scin / Was man im Club alles
machen kann und worauf es dabei an-
kommt / Wie wir gclernt haben, die oft
banalen Probleme zu losen / Die Jugend-
lichen brauchen konkrete Hilfen in den
verschiedenen Situationen / Wie konnen
wir helfen.
Die Autoren sind in dem hier dargeslell-
ten Praxisfeld tatig. Trager des Jugend-
clubs ist das Jugendberatungszentrum
der Apostelkirche in Hamburg.
Klaus-Jiirgen Tillmann (Hg.):
Sozialpadagogik in der Schule
Neue Ansatze und Modelle
256 Seiten, Paperback, DM 16,-
Zwei aktuelle Problemlagen for-
dern dazu heraus, das bisherige
Nebeneinander von Sozialpadago-
gik und Schule zu iiberwinden:
Immermehr Schuler scheitern an
Belastungen durch die Schule. Und:
Neue Schulformen bieten die
Chance, sozialpadagogische Aufga-
ben in die Schule zu integriercn.
Von diesen beiden Ansatzen aus
liefert der Band eine Bestandsauf-
nahme der aktuellen Diskussion zum
Verhaltnis von Schule und Sozial-
padagogik. Wie die neuen Aufgaben
und Probleme gelost werden konnen,
wird an konkreten Beispielen und
Erfahrungen aus der Praxis aufge-
wiesen.
Aus dem Inhalt: G. Ibcn: Das Verhaltnis
von Schule und Sozialpadagogik /
J. Reyer: Die Barrieren zwischen Schule
und sozialpadagogischen Institutionen /
K.-J. Tillmann: Schulreform als neue
Herausforderung der Sozialpadagogik? /
J. Schlomerkemper: Konfliktquellen im
reformierten Schulsystem / H.-G. Hom-
feldt u.a.: Abweichendes Verhalten und
reformiertes Schulsystem / G. Drenkel-
fort u.a.: Reorganisation einer Gesamt-
schule nach dem Team-Stammgruppen-
Modell / H. Prior: Tutorensystem an der
Gesamtschule / G. Reichel-Kaczenski:
Soziale Beratung an der Schule / G. Bin-
stciner und K. Hoyer: Freizeit in der
Schule / B. Kath: Schule als Bildungs-
zentrum.
Der Hcrausgeber, Dr. Tillmann, ist Pro-
jektleiter der Arbeitsstelle fiir Schulent-
wicklungsforschung der PH Dortmund.
Autoren der Beitrage sind Erziehungswis-
senschaftier, Sozialpadagogen und Lchrer
an Gesamtschulen.
Helmut Ortner:
ARBEITSLOSIGKEIT IM KNAST
Will man sich nicht auf die zensier
lassen, so sind Informationen aus d
bekommen. Der Knast wird systematis
abgeriegelt. Vor diesetn Hintergrund
keit, genaue Zahlen und Information
im Knast" an dieser Stelle geben zu
von den einzelnen Lander-Gustizmini
sind vbllig unbrauchbar. Aus ihnen
viele der Gefangenen aufgrund der "
sind, bzw. es zuvor schon waren, od
gern. Weiterhin werden die Untersuc
sondert aufgeflihrt, was notwendig i
beit verpfl ichtet. So bleiben einze
beitenden Sozialarbeitern, sowie Au
oder entlassenen Gefangenen. Zunach
che RuBerungen zur Arbeit im Gefang
te Dffentl ichkeit der Justiz ver-
em Knast oft nur sehr schwer zu
ich vor jeglicher Off entl ichkeit
zeigt sich auch die Schwierig-
en zum Problem "Arbeitslosigkeit
konnen. Statistiken, soweit sie
sterien herausgegeben wurden,
geht nicht deutlich hervor, wie-
aktuellen Situation" ohne Arbeit
ler aber ihre Arbeitskraft verwei-
hungs-Gefangenen dort nicht ge-
st, denn diese sind nicht zur Ar-
Ine Informationen von im Knast ar-
ssagen von betroffenen Gefangenen
st sollen hier einige grundsatzl i-
nis folgen:
Arbeit im Gefangnis ist primar durch die Ausgliederung des Gefange-
nen aus dem privatwirtschaf tlichen Arbeitsmarkt (nicht aus dem pri-
vatwirtschaftlichen ProduktionsprozeB !) gekennzeichnet. Ist der in-
dustrielle Lohnarbeiter in der Lage - bei alien praktischen wirt-
schaftlichen und politischen Zwangen - frei seine Arbeitskraft auf
dem Markt anzubieten, zu verkaufen, ist gerade dies fiir die Gef'a'ng-
nisarbeit nicht gegeben. Der Gefangene verkauft nicht seine Arbeits-
kraft, sie wird ihm schlichtweg genommen, er wird ihrer beraubt.
Bereits die begr
beitslohn weist
npnenarbeit zur
iffliche Unterscheidung vom Arbeitsentgeld zum Ar-
auf diesen grundsatzl ichen Unterschied von Gefan-
Lohnarbeit hin.
Der Gefangene wi
nur des Wertes s
beraubt, sondern
Arbeitskraft zu
lerdings ist die
graduelle: fiir d
krafte dar, die
kalkulation eing
beit schlagt sic
leistungen etc. )
nieder: es gibt
rd im Gefangnis doppelt ausgebeutet:
einer Mehrarbeit wie in der "normale
auch seiner einzigen "gesellschaftl
besitzen, die er verkaufen kann. Fiir
se grundsatzl iche Unterscheidung led
en Unternehmer stellen Gefangene bil
im Rahmen der allgemeinen Produktion
esetzt werden konnen. Die Besonderhe
h fiir den Unternehmer in Ersparnisse
und in einfacherer Regelung der Arb
keine Kiindigungsfristen, keinen Arbe
er wird nicht
n" Lohnarbeit
ichen" Eigenschaft:
das Kapital al-
igl ich eine
1 igere Arbeits-
s- und Ertrags-
it der Zwangsar-
n (Lohn, Sozial-
eitsdiszipl in
itsschutz.
Kiun ist der Kapitalismus in einer Krise und Teile der Arbeitskraft
eind iiberflussig geworden. Dies hat notwendigerweise auch auf die
Arbeitsauftragslage der Gefangnisse sichtbare Auswirkungen. Weniger
- 63 ■
Auftrage - weniger Arbeitsplatze. Dennoch'Arbeitslosigkeit ist im
Gefangnis kein aktuelles Problem. Ein Gro[3teil der Gefangenen ist
wa'hrend der Haftzeit periodisch ohne Arbeit.
Das Perfide am Arbeitssystem im Gefangnis ist,* da(3 der Gefangene
zwar merkt, daB er doppelt ausgebeutet wird, andererseits er selbst
ein Bediirfnis nach Arbeit entwickelt. Hat er Arbeit, bekommt er Haus-
geld, kann er davon teilweise einkaufen. Beim Einkauf ist es dem Ge-
fangenen nicht gleichgiiltig, ob er monatlich fLir 5 DM oder aber flir
25 DM einkaufen kann. Ist ein Gefangener ohne Arbeit, erhalt er nur
minimale finanzielle Unterstutzung (in der Regel 0,90 DM/tgl.). Hau-
fig bekommt er gar nichts. Dem Gefangenen ist also nicht gleichg'Jl-
tig, ob er Arbeit hat oder nicht, selbst Arbeit fiir Pfennigbetrage
am Tag. Deutlich wird dies in den folgenden Aussagen eines Gefange-
nen:
"Mit Arbeit ist es hier schon seit Jahren mies. Wer Arbeit
gehort zu den Gliickl ichen. Das ist hier schon so richtiger
wer denn Arbeit bekommt. Ich hab da relativ Gliick gehabt bi
hei8t, jetzt hat's mi ch auch erwischt. Erst war ich unten i
genkeller, das war der absolute Stumpfsinn. Fur 2,70 DM den
Tag irgendsolche Gratisproben verpacken... Dann war ich paa
mit zwei Mann auf Zelle, da haben wir dann so Art Schalter
gesetzt. Seit drei Wochen ist SchluB. Der Unternehmer hat d
trage zurUckgezogen, jetzt sitzen wir alle hier. Sicher, di
war schon immer mies, aber irgendwie noch besser als gar ke
die anderen Gefangenen, die drauSen bei einer Neonrohrenfab
beitet haben, sind jetzt ohne Arbeit. Da war auch eine irre
dort in der Fabrik. Die Leute hatten Angst, dal3 i hnen die L
dem Knast die Arbeitsplatze wegnehmen. Kann man sich ja vor
was das fur ein Kl ima war... Keine Arbeit hier und wenn man
sen wird, sieht es auch recht tru'b fiir uns aus..."
hat, der
Wettkampf ,
sher, das
m Kartona-
ganzen
r Monate
zusammen-
e Auf-
e Arbe i t
ine.Auch
r i k gear-
St immung
eute aus
stel len,
ent las-
czzzzzzzLest und abonniert 6\ewxmnsnmmmmsrssaL
In Geqensatz zur Ublichen "Fachpresse" berichtet die 'hez' Uber die
Berufswirklichkeit. Probleme im Heim. i. d. Kindertagesstatte und im
Juqendfreizeitbereich werden nicht isoliert betrachtet. die Probleme
■<jair-»^ 1 1 der Kollegen, Kinder und Jugendl ichen nicht als zufalltge,
ItJirTl-vU. Die 'hez' nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und kriecht
lrZlener niemanden irgendwo 'rein. Sie macht keine Gewinne und zahlt
[T. _. j-. keine Honorare. Den Inhalt gestalten die Leser in dem
,ftSCnrflt MaBe, wie sie sich durch ihre Korrespondenzen daran be-
i teiligen. Die 'hez' erscheint monatlich und kostet pro
Halbiahresabo (Mindestdauer! ) 12. -DM einschl. Porto, Probeexemplare gegen Vor-
auseinsendung von 2. -DM in Briefmarken Auszubi ldende zahlen geqen Zusendung
einer Bescheinigung der Ausbi ldungsstatte pro Halbjahr nur 9.-DH. Bestellung
durch Postkarte an die Heim- und Erzieher-Zei tschri ft 1 Bin 61 Urbanstr i
(Laden) Alle Zahlungen nur Postschekkonto Bln.W 35 86 36 - 109 Oetlev Tartsch
Im Selbstverlag, Reihe Arbeltsmaterialien zur HeiinerziehuiKi. in 2. Auflage er-
schienen: "Eingeschlossen - Dokumentation Hauptpflegeheim Ollenhauerstr. Kol-
legen berichten aus diesem geschlossenen Madchenheim, was bache ist. Preis o.-
Die 'Arbeitsmaterialien' u. d. 'hez' gehbren an jede Ausbildungsstatte wo Schil-
ler u. Studeneten ein Interesse an der Berufswirklichkeit haben! ! !!!!!!!!!!!!!!!
iiitiiiiiiiHMiniiitiinniiiiiiif"""""""'"'fr'""""'""""""""""""ilEllL
126
64
AKS Diisseldorf:
TUGENDARBEITSLOSIGKEIT
IM BEREICH DER BEWAHRUNGSHILFE
Die Situation der Strafentlassenen bzw. unter "Bewahrung" stehenden
Personen auf dem Arbeitsmarkt war und ist gekennzeichnet durch sozia-
le und rechtliche Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen. Vor allem
jugendliche Strafentlassene haben kaum Anrecht auf Arbeitslosengeld
oder Arbeitslosenhilfe.
"Die Anwaetsahaft (fiir das Arbeitslosengeld) hat erfullt, wer in den
letzten drei Jahren vor seiner Arbeitslosenmeldung wenigstens £S
Uoehen oder 6 Monate beitragspfliohtig besohaftigt oar. "
"Die Gewahrung von Arbeitslosenhilfe setzt voraus, dali der /die Be-
treffende innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosenmeldung Arbeits-
losengeld besogen oder mind, zehn Wochen in entlohnter Besahaftigung
qestanden haben. Die Arbeitslosenhilfe hangt auBerdem von ihrer Be-
durftigkeit ab. "
Nach einem meist aufreibenden Bin und Her zwischen den fimtern mit de-
fen "Antragsausflillflut" landet die Person, falls sie es bis dahin
aushalt, auf dei.i Sozialamt.
GrbBere Arbeitsa'mter sind dazu libergegangen, fur den Personenkreis
der Strafentlassenen eine hierf'Jr bestimmte Anlaufstelle im Arbeits-
amt einzurichten. Flir diesen Sonderbereich der Arbeitsvermittlung
hat sich die Situation im Verlauf der krisenhaften Entwicklung der
Gesamtwirtschaft sehr verscharft.
An der personlichen Einstellung der Firmenleitung bzw. des Personal-
chefs gegenuber straffallig gewordenen Personen hat sich sowohl an
der tolerierenden als auch abweisenden Haltung nichts geandert. Die
wirtschaftlichen Mbglichkeiten, neue Arbeitskra'f te einzustellen,
sind aber generell geringer geworden, obwohl es Unterschiede in den
einzelnen Berufssparten gibt. Besonders in Gebieten, wo Monopolbe-
triebe ein GroBteil der ungelernten Arbeiter an sich binden, wirkt
sich die Arbeitslosigkeit der ehemaligen Straffal ligen und unter Be-
wahrung stehenden Personen noch ha'rter aus. Die arbeitslosen jugend-
1 ichen Straftater sehen sich zudem noch einer gleichzeitigen wachsen-
den Konkurrenz der arbeitslosen berufserfahrenen Erwachsenen gegen-
uber. FLir einige der strafentlassenen Personen sind damit die evtl.
erlernten Fahigkeiten im Strafvollzug - wie z.B. SchweiSen, Drehen,
in der Schreinerei, Schlosserei u.a. - in der momentanen wirtschaft-
lichen Lage praktisch wertlos geworden.
In den Strafanstalten wurden seit Sommer dieses Jahres die ohnehin
nicht ausreichenden "Freizeitangebote", z.B. Gesprachs- und Kreativi-
tStsgruppen aller Art, mit Hinweis auf die Haushaltslage sofort er-
satzlos gestrichen (JVA Siegburg). Selbst Kurse zur Erlangung des
- 65 -
Hauptschulabschlusses wurden in der JVA Hennen abgebrochen, da an-
geblich kein Geld mehr zur Bezahlung der Padagogen da sei.
Vor all em die langer einsitzenden Straffalligen fiihlen sich zusa'tz-
lich zu ihrem lacherlichen Entgelt und durch die Nicht-Versicherung
im Rentenbereich abermals verschaukelt, da sie trotz wahrgenommener
anstaltseigener Ausbildung nachher in diesem gelernten bzw. angelern-
ten Bereich keine Anstellung finden.
Fur die betreffenden Sozialarbeiter der Jugendgerichtshilfe, der Be-
wahrungshilfe und in den Verbanden stellt sich gerade durch die poli-
tische und wirtschaftliche Entwicklung eine neue, verscharfte Situa-
tion dar.
Anfang der 70er Jahre, zu der Zeit, in der "Reformpolitik" versp.ro-
chen wurde, erwarteten nicht wenige Sozialarbeiter eine qualifizier-
te Verbesserung ihrer Arbeitssituation aufgrund des allgemeinen In-
teresses an Sozialarbeit, durch Aufstockung der Planstellen und durch
die verstarkte Einrichtung von "Model lvorhaben".
Auch in der Bewahrungshilfe und Jugendgerichtshilfe erwarteten die
Sozialarbeiter eine positive Veranderung ihrer Arbeitssituation.
Z.B. die Gewa'hrleistung einer vernunftigen Nachbetreuung, Einrich-
tung von Gespra'chsgruppen flir die Betroffenen und die Hoffnung, daB
Uberhaupt die eigene Sozialarbeit method ischer werden wtirde.
Diese Forderungen und Wlinsche sind angesichts der heutigen politi-
schen und wirtschaftlichen Gegebenheiten gegenstandslos geworden. So
konmt es z.B. zur paradoxen Entwicklung, daS fortschrittliche Sozial-
arbeiter im Jugendamt, welche noch vor zwei Jahren gegen die Ein-
flihrung der Teamarbeit in der vorgesehenen Form waren (Teamarbeit
mit hbher bezahltem verantwortlichen Teamleiter), heute vor der Situa-
tion stehen, die Teamarbeit verteidigen zu mtissen, da das alte.noch
starrere Konzept wieder eingefiihrt werden soil. In der jetzigen Situa-
tion gilt es flir viele Sozialarbeiter, besonders flir die, welche
stark von Verwaltung oder Blirokratie im Arbeitsfeld abhangig sind,
das bisher Erreichte rigoros abzusichern.
Neue Ideen und Versuche, anders geartete Formen der Sozialarbeit
einzufuhren, werden mit kurzem Hinweis auf die Finanzmisere abge-
wUrgt, ohne daB es uberhaupt zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung
liber Inhalte und Ziele dieser Sozialarbeit koromt. Von der Seite der
Sozialarbeiter wird dann versucht, individuell wenigstens einigen
Personen zu "helfen". Der ubliche Weg ist der, daB man sich die
"fbrderungswlirdigen" Personen heraussucht und mit diesem Personen-
kreis eine intensive Zusammenarbeit praktiziert, auf die eigentlich
alle Betroffenen ein Recht haben. Kriterium hierfur ist das eigene
subjektive Empfinden. Je nach Kontakt des Sozialarbeiters gibt es
auch im Einzelfall die Mdglichkeit des illegalen Agierens. So ist
es z.B. ohne viel Umstande fur einen Sachbearbeiter im Arbeitsamt
mbglich, unter Wegfall einiger Papiere einem Ungelernten eine Um-
schulung zu gewahren.
Solche Wege kbnnen kurzfristig gewisse Perspektiven erbffnen, letzt-
lich werden aber auch solche Versuche nicht die eigentliche Misere
der Resozialisierung und vor allem die Ursachen der Straffa'lligkeit
nicht beseitigen kbnnen.
Projektgruppe Miinster:
JUGENDARBEITSLOSIGKEIT:
CHANCE ZUR WEITERBILDUNG?
Hinter diesem provokativen Titel verbirgt sich der Mifimut einiger
engagierter Padagogen Liber einen Model Iversuch der Stadt Miinster im
Rahmen des Vol kshochschulprogrammes zur Erlangung des Hauptschulab-
schlusses flir arbeitslose und "sozial auffallige" Jugendliche. Eine
evt. im Artikel anklingende Polemik basiert nicht auf einer resigna-
tiven Haltung der Verfasser bezogen auf zukunftige FortbildungsmaB-
nahmen, sondern bezieht sich allein auf die Geschehm'sse dieses noch
laufenden "Model lversuchs".
Unseren MiBmut konnten wir positiv kanalisieren in einer dokumentari-
schen Auswertung unserer Erfahrungen und Tatigkeit im Rahmen dieses
Modells. Die Dokumentation kann gegen Vorauszahlung von DM 5.-
+ -.70 DM Porto auf Postscheckkonto 5390-100 Berlin-West (Hermann
Behlaus Sonderkonto) Liber AG Spak-Publ ikationen, Friesenstr. 13,
1 Berlin 61 bezogen werden.
Oer Bericht soil einen Oberblick geben Liber die wesentlichen Inhal-
te dieser Dokumentation.
Entwicklungsgeschichte
Im Herbst 1974, aufgrund der sich zuspitzenden Entwicklung auf dem Ar-
beitsmarkt - 3,4 % der Arbeitslosen sind unter 20 Jahre/in regionalen
Gebieten z.B. Dortmund ca. 28 % -,planten Sozialarbeiter in freier
Verantwortung die Einrichtung eines Kursus, in dem die von ihnen be-
treuten Jugendlichen aus offentlicher Erziehung und sogenannten sozia-
len Brennpunkten den HauptschulabschluB nachholen konnten. Diese Ju-
gendlichen besitzen in den seltensten Fallen die Qualifikation, urn
die Einstiegsanforderungen einer Lehre zu erflillen. Uns war von An-
fang an klar, JaD eine rein schulische MaSnahme nicht den Bedlirfnissen
und Mbglichkeiten der Jugendlichen entsprechen kann, deren Situation
sich so darstellt:
ilangelnde Erfahrung von Zuwendung seitens Eltern, Lehrer und sonsti-
qer Erzieher ist bei den meisten Jugendlichen die Ursache daflir, daB
sie kaum Selbstwertgeflihl entwickeln konnten. Diese Unsicherheit
versuchen sie oft durch aggressives Verhalten gegen andere wie auch
gegen sich selbst zu Liberspielen, sie werden anfallig fiir kriminelle
Handlungen und fiir DrogenmiBbrauch. Da sie immer wieder erfahren, da|3
sie vor den Anforderungen in der Schule und am Arbeitsplatz versagen,
da3 sie es nicht schaffen, sich aus eigener Kraft "zu bewa'hren", ge-
raten sie in eine fatalistische Haltung. Die fehlende Einsicht in
die von ihnen nicht verschuldeten Bedingungen ihrer Situation und feh-
lende Verhaltensalternativen bestatigen den Teufelskreis, in dem sie
leben. Verstarkt werden die "persbnl ichen" Schwierigkeiten zum einen
dadurch, daB diese Jugendlichen von ihrer Umgebung zur Randgruppe ge-
- 67 -
Das Blatt
fiir die Praxis.
Liebe Info-Sozialarbeit-Leser,
ab 1.1.1977 erscheint monatlich ein
neues aktuelles Magazin fiir Euch: pad.
cxtra-sozialarbeit. Die neue Zeitschrift
wird kcine Konkurrenz fiir das Info-
Sozialarbeit sondcrn eine wichtige Er-
giinzung. Nicht nur deshalb arbeiten
wir cng mit der lnfo-Redaktion zusam
men. Helmut Ortner als Redaktcur so-
wie Giinther Pabst und Erhard Wede-
kind im Redaktionsbcirat (alles Mitar-
beilcr beirfi Info-Sozialarbeit) nehmen
an den Start- Vorbereitungen teil.
pad.extra-sozialarbeit wird
• Probleme der alteraativcn Praxis
aufgreifen;
• Ausdruck der Diskussion innerhalb
engagierter Sozialarbeit sein;
• praktisch vcrwertbare Erfahrungs-
berichte darstellen;
• dazu beitragen, daB aus Fehlcrn, die
z.B. eine Initiative in Berlin ge-
macht hat, auch in Miinchen und
Hamburg gelernt wird;
• bei konkreten Auseinandersetzun-
gen (z.B.Jugcndzentrumsbesetzung)
auch konkrete Hilie lcisten.
pad.extra-sozialarbeit bringt:
aktuelle Praxisberichte und -informa-
tionen,
Dokumentationsdicnst wichtiger Ar-
bcitsmaterialien,
Kommunikationsmarkt Tiir Leser,
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Tcxtcn,
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Biicher,
Daten und Fakten ats Argumcntations-
hilfen,
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Auffassungen,
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arbeit
stempelt werden, zum anderen durch ihre finanzielle Armut im Ver-
gleich zu vielen anderen Gleichaltrigen.
In diesem Sinne konnte es nur d
lernfahig zu machen. Der zweite
schluB, sollte sich dann anschl
ation an, die sich vom herkb'mml
inhaltlich unterscheiden sollte
vorstellungen der "Schulraume"
Erfahrungen, die jeder mit der
tieren. Stattdessen sollten in
se die Raumlichkeiten ausgesuch
Angst und Assoziationen zu Vore
lichen die Raume als ihren Bere
auch heiBen , daB die Raume nac
tivitaten genutzt werden. Es so
die Jugendlichen als Gruppe sic
gemeinsame MiBerfolgsserie zu ii
Die anzusprechenden Lehrer soil
chen kennen und verstehen und d
arum gehen, die Jugendlichen erst
Schritt, der. tatsachl iche Schulab-
ieBen. So strebten wir eine Lernsitu-
ichen Schulunterricht auBerlich wie
Auswahl kriterien und Einrichtungs-
sollten sich nicht an den bisherigen
Institution Schule verbindet, orien-
einer unkonventionellen Art und Wei-
t und eingerichtet werden, dafj ohne
rfahrungen mit der Schule die Jugend-
ich annehmen konnten, das sollte
h dem Unterricht noch fur Freizeitak-
llte Wert darauf gelegt werden, daB
h verstehen, un gemeinsam die alien
berbrlicken.
ten die besondere Lage der Jugendli-
ie Jugendlichen nicht uberfordern.
Im November 1974 verlief die Suche nach
jekt zunachst negativ. SchlieBlich bot s
maler Trager an, die Planung und inhaltl
staltung sollten weiterhin bei den Initi
Vorbereitungsphase tauchten dann paralle
ten der VHS auf, das Projekt in alleinig
wurden wir, mi r nichts dir nichts, von d
flihrung des Kursus ausgeschlossen. Unser
,ier- Offentlichkeit als Projekt der Stadt
stellt. Damit war uns jegliche Verantwor
tung des Kursus aus den Handen geglitten
Ergebnis: Das Projekt entfernte sich vom
entwickelte sich zu einer traditionellen
Geldgebern fur
ich die VHS Mun
iche Vorbereitu
atoren liegen.
1 dazu Bestrebu
er Regie durchz
er weiteren PI a
Projekt wurde
Munster und de
tung fur die we
dieses Pro-
ster al s for-
ng und Ausge-
Wahrend der
ngen von Sei-
ufuhren. So
nung und Durch-
von nun an in
r VHS darge-
itere Gestal-
ursprunglichen Konzept und
SchulmaBnahme.
qituationsschilderung Marz 1976
Heute nach gut 1 1/2 Jahren (zur Zeit laufen die ersten inoff iziel len
pr'u'fungen fiir diesen Kursus) sieht die Situation folgendermaBen aus:
Durch die Verschulung anderte sich notv;endigermaBen die Zielgruppe
des Kursus, das bedeutet also, daB die Jugendlichen, fiir die der Kur-
sus ursprlinglich geplant war, den Anforderungen nicht gewachsen sein
konnten. Sie gingen entweder von selbst oder sie wurden von der VHS
aUfgrund mangelnden Schiilerverhal tens vom Unterricht ausgeschlossen.
c0 besteht der heutige Kursus aus Jugendlichen, die auch keinen
HauptschulabschluB haben, die aber nicht ahnliche Lern- und Verhal-
tensschwierigkeiten aufweisen.
ner von den Institutionen erzwungene VerschulungsprozeB und seine
Konsequenzen waren zunachst nicht erkennbar und hinterlieBen sowohl
^ei den Jugendlichen als auch bei einigen Lehrern ein Gefuhl des
persbnlichen Versagens.
Ziele der nnkumpntation
Durch die Auswertung des Kursverlaufs haben wir di;e Ursachen fiir das
Scheitern des Projektes an Hand der folgenden Punkte entwickelt:
- schwetste organisatorische Fehlplanungen von "Setten der VHS-,
- Konzeptionslosigkeit vor allem im pa'dagogischen Bereich;
- Verantwortungslosigkeit hinsichtlich der Problematik der Zielgrup-
pe seitens der VHS und des Jugendamtes;
- Projekt als Prof il ierungsobjekt einzelner und von Institutionen;
- Ablehnung der Verantwortung fur das Scheitern des Kurses, Abschie-
ben der Schuld auf das Vernal ten der Jugendlithen von Mitarbettern
des Ougendamtes und von Vertretern der VHS;
- Desavouierung der pa'dagogischen Bemiihungen und Arbeit eines freien
Tragers der Jugendhilfe;
- Verschwendung und nicht" sachgerechte Anwendung von bffentlrchen
Geldern.
DaB diese sieben Punkte den allgemeinen Rahroen fur eine solche insti-
tutional isierte Arbeit ausmachen, soil in der Dokumentation abgelet-
tet werden. Wir hoffen, mit der Dokumentation einen solidarischen
Beitrag zu leisten fiir eine zukunftige Arbeit in diesera Bereich im
Interesse aller betroffenen Jugendlichen.
Materialien der AG SPAK
Arbeltageoelnaohert Sozlalpolltl.eher Arb.lt.kr.l.e »n d.r BRD .
».uer.or,lnung.n zu Thaorle «< tTOU d.r Arb.lt 1. B.produktlon.bar.lch
natarlUUm -ur .lt.rn.f-f" Okonole I
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und Vlrt.chert.ro™ eowlakeUer, iv»h pr.ktitl.rt.r Modell.i alne
Xrltlk en dan kl|UUUW ModeU.n.- 196 S., broach., DM 6.5o
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M*Oc|- 25o S., broach., DM 7,5©
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***lrl»n«W»P«li" """ s.lbetdaretellung.n ""■ »r<"11 '" Un"
d.akrankenhgu.em. *ur S.lb.torganlaetton °« °«trorr.n.n. *u Kont.Kt-
und Oruppan=.ntr.n au8.rh.lb -on An.t.lten, zu S.lbet.rrahrung una
Moditetlon.- 122 S.. broach., DH 5.-
, . . ...H.U.. ;ur Arb— -" """»• '"
M**3.1b.t(l.rat«lli™an una Arbelt.analv.an von ProJ.ktgrupp.n,
dla In Obd.chlo.an.l.dluns.n od.r 1. BtaARtejU Kinder-, Jug.nd- und
Er».ch..n.nerbelt mchan.- a.. 25o 3.. broaah., DM 7.5o
■_. -- nir ilr Flnnihmv as T.nnnhfi una smii.vjirnohfnim m But
M23 nu Bro.ohtlr. dDku.ent iert und krltlalart da. «>n»ntana Beloh-
nung.ev.te. und b.l.gt dla Pord.rune n.ch Tarirlolm ■mlh d.r In-
aa-l.ch.n »o. Bunde.tag v.reb.cnled.ten -Rarer." d.r Entlohnung 1.
Strarvollzug.- 16? S., broach., DM 6,-
_~ — Hauaverbot
P » Dla TrJMln. d.a Bonn.r Bunde.t.gee bll.b lo Jugendllchen aua
dar strarvoll2UB.an.talt Slegburg aur Intervention der Bunde.t.MpM.1-
d.nlln var.parrt. Dla R.aktlon dar Orr.ntllchk.lt a«l. da. Eln.ehla-
r.rn dialer srr.ntllch.n WHMKn »•» •f««l.XW Salt. «lrd In dla.-r
fgezelgt.- 5o S., Broach., DM 2,-
1m November 1Q75
• •*
Dokumentation I
Jug end z<
■ trefrei. LUcl.;
* 01. Dokumentation MUW Vorb.r.ltung und V.rlaur und brln=t
Dl.kuaalona.rg.bnl... alnaa Trcrr.n. z.hlrelcher unebhUnslger, .clb.tor-
UnUUTUf Jug.ndr.entren aua d.r Uln.burger Halda. lob o..br„ DM .,50
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fUllen: « anthKU tine .usTUhrllch. £u-
taBtasulling von »rbe(tsaeterl.l uM
ruaau elnar LUHtivsrapae all Klnoer.e-
belt in Obd»chlosemiedlvnaen berunan.
Dee .inl.itend. theoretttcn. 1." <•' >""
atlulun. well ~n J.von •«!«««» """;
a.B es geniioend rhaarla-n»i«|>te and 80-
char guar (Undgrjppens02l.11s.ttan gm1
D«r T«*t 1st In dret Tail, geglted.'-t:
1. Thaoratlscber Anssti
e. SchUl«r.rbeU: Besehrelbung und Aus«r-
tung von s«h( Projelten «*;"" "
Krleg; K.I. - r»111ai »«1 '»£jr
laaga - StroakralsUar^ pr.nakiieHim.
michi aalt.re Vorichllge ). ^rt™!:
Wnrt alt SaWlOT '■■• "aiW;"-"""'"
ul untar Ven*ndung von sal bstanb.1 fc-
kelttn Aratlts- und L.mbdgen.
3. VarlcMiIrtait! Anragungen ""•*"'*:
lichen und org.nls.tor1scn.n Aufbau el-
nar schulvorbereltanden Arbeit ait
Obdichlosenklndem.
Oar T..t anthllt vl.le "agrodultlonen .oa
LernWgen, die b.1 den bttchrlBOenen Pro-
Jekten veraendet wurden.
Ma 5.. a. S. Abb., eallap*. Pip.rb.tl.
ON 7,80 lUtUgl. -,?o VerS.ndsosMn.
IHUlluagan (nur ,«en »r.u.;.bl"ng Jul
PSchAto SS9o-loo terlm Wast ( H. Wi™.
Sondarkonto-)) scle PuiUlM '< \" "*'"
bare. Ilt.l (bltt. RUdkporto belleaen)
Uber AC SPAK. Abt. t. Frlesenstr. 13.
looo Berlin 61.
Elke Becker:
ALS SOZIALARBEITER IN DER PROVINZ
Die Vevfaasevin avbeitet seit Januav 1975 in Limburg in einem Jugend-
zentmm, dem einzigen Jugendtreff am Ort nebe.n traditinnellen Vp.r—
eineangebotenl eingeriahtet von der evangelischen Kirche. Hier
werden Eindrucke, Assoziationen zu einem Thema geboten, fiir dessen
systematische Bearbeitung der Verfasserin die Zeit fehlt - oder
uie sie in einem Begleitbrief schreibt: "Die Bedingungen der offenen
Arbeit lassen es nicht zu, meine Erfahrungen festzuhalten, zu iiber-
arbeiten und zu verallgemeinern." Den Beitrag haben wir mit freund-
licher Genehmigung aus der Zeitschrift des Hessisahen Jugendrings
"hessisahe Jugend" llr. 5/6-1975 entnornmen und verstehen ihn als Auf-
forderungj starker als bisher auch die Situation und die politisohe
Arbeit in der Provinz zu diskutieren.
Fin erster Besuch
Alte Fachwerkhauser, enge Gassen, herausragender Dom, zusammenge-
drangte - sich einigelnde Innenstadt, Abgeschlossenheit, Kirchen,
Touristen, schbne alte Wohnhauser, Gemutlichkeit, Freundesgruppen;
mu3 docn schdn sein, hier zu wohnen!
uenn es nur nicht so katholisch ware. So eine Stadt mit Bischof be-
deutet ja auch Tradition, und Tradition bedeutet auch Rlickstandig-
keit, sieht man ja schon am Wahlergebnis - absolute Mehrheit der
CDU.
uas willst Du nur? Die SPD wlirde sich hier als Regierungspartei
auch nicht viel anders gebarden! Oberschatze nicht die GroBstadt! Sie
kornnt Dir nur deshalb so fortschrittlich vor, weil Du fast immer
unter Leuten bist, die Deiner Meinung sind - aber sieh Dir mal die
aanze Stadt hier an, Du wirst feststellen, daB der grSBte Teil der
gewohner nicht so fortschrittlich ist.
AuBerdem: die Probleme dieser Gesellschaft machen nicht vor den To-
ren dieser Stadt halt, und das bringt mit sich, daB es auch Leute
aibt, die diese Probleme erkennen, vielleicht sogar versuchen, ver-
Indernd zu wirken. Vielleicht sogar - "Linke"?
Anpassungsdruck!? Die Revolution geschieht nicht durch linke Spriiche
iind vergammelte Jeans, gerade auf dem Land ist es doch notwendig,
olitisch zu arbeiten. Ich muB die Realita't sehen - es gibt sie noch.
Hie Burger, man muB versuchen, sie zu verstehen, beim Anspruch pak-
ken. 1st doch egal, ob man es Solidaritat oder Nachstenliebe nennt,
auf'den Inhalt kommt es an.
u'r werden nicht akzeptiert werden, wir sind doch nicht verheiratet
rfie Schwierigkeiten hatten wir auch in der GroBstadt. Mensch,
jenk' doch daran: wir haben die einmalige Chance, zusammen leben und
arbeiten zu kbnnen. _ 71 .
Knnt.aktaufnahme
Verschlossene Hauser, verschlossene Gesichter. Unsicherheit dariiber,
was die von uns erwarten. Wie verkauft man sich am besten? Wie holt
man Informationen heraus, ohne zu direkt zu sein und unhdflich zu
werden? Was bezwecken die mit der Frage? Welche Antwort wollen sie
hbren? Welche Antwort kann ich geben?
Vielleicht ist das ja ein fortschrittlicher Pfarrer!? Ich war schon
seit 10 Jahren nicht mehr in der Kirche. MuB ich jetzt den Religio-
sen" rauskehren? Wovon sprechen die eigentlich? Ich verstehe die
Leute Uberhaupt nicht: ein Menschenbild bei Gott? Und wie ich mir
danach meine Arbeit vorstelle? MuB das nicht, wenn schon, eher heis-
sen: Wie ist das Gottesbild bei den Menschen? Ich will doch mit Ju-
gendlichen arbeiten!
"Wenn Sie ein biBchen auf die Leute hier eingehen, werden Sie schon
gut mit ihnen auskommen!" Aber das MiBtrauen, dieundurchschaubaren
Verbindungen
"Sie mlissen das verstehen, alteingesessene Burger
Verstecken der eigenen Person, oberflachliches Geplankel, nur die
Fassung wahren - wie weit kann ich jetzt gehen? Oh, en femme
terrible. Naja, sie ist noch Jung, aber doch sehr nett. Nettes jun-
ges Paar. Ihre Vorstellungen sind doch gar mcht so unvernunftig.
Vorstellungen von mpiner Arbeit
Direkten, kontinuierl ichen Kontakt zu den Juge ndlichen nicht .nur
m f Seminaren (weit weg von der konkreten Situation) Keine Tips zur Hro-
b "JTs n ben? sondiW'vor Ort" erleben, wie Konfliktbewa tigung
»u« eht Ich will spuren, wo persbnliche und gesell schaftl iche
Gr I me er Arbei? sind. Schulen nuissen doch mall aufgeknackt war-
den. In den Kleinbetrieben herrschen wahrscheinllch noch feudal e Zu
^tsnde Die Fortschritte in Bezug auf Zusammenleben, gewerkschatt-
iche und po 11t££ Arbeit mussen doch auch in die Provinz ge bracht
wprdPn eine Geqenkultur zu den traditionellen Angeboten schaffen,
JuaenSiiche uber ihre Situation aufklaren, in Gruppen Alternatives
entwickeln? Kontakte zu anderen Verbanden und Gruppen Langsam aber
licher ein Netz von Andersdenkenden und Andershandelnden spinnen -
bis hin zu bffentl ichen Protesten.
Beziehunqen zum Tra'qer
Hnffentlich falle ich nicht gleich als "Linke" auf. Erst muB ich
!ine Basis urter den Jugendllchen haben, die werden ganz scton kon-
trollieren, Unruhestifter dulden die nicht, ich muB mich formal ab
sichern - da versuchen sie zuerst, mir ems a""™"^?^™
Rauswurf kann ich es erst ankommen lassen, wenn die J^endlichen es
gelernt haben, ihre Interessen selbst zu vertreten, die merken doch
bald, daB sie jemanden bezahlen, der nicht in lhrem Interesse arbei
tet.
"Sie tun mir richtig leid, jeden Tag diese desinteressierten Ougend-
1 ichen." "Verzweifeln Sie nicht an den vielen Problemen? Meinen sie,
- 72 -
es ist richtig, wenn im Jugendzentrum geknutscht wird?" "Es sind
ja auch Hascher da." "Vielleicht sollte kein Alkohol verkauft wer-
den." "Ein biBchen unsauber, aber wenn es den Jugendl ichen gefallt."
Sind das wirklich die Probleme meines Arbeitgebers? Was steckt
hinter diesen Fragen? Irgendwo bin ich Fachautoritat, jedenfalls
greifen sie mich nicht an und widersprechen auch nicht, wenn ich
etwas erklare. Sie kommen mir verunsichert vor, Uberfordert von den
Problemen, die auf sie eingestiirzt sind.
Aber sie bleiben miBtrauisch bis hin zur Ablehnung durch Nichtbeach-
tung, ganz wenige Sympathiebeweise und Unterstiitzungsangebote.
Manchmal bemerke ich auch Verwunderung, wenn ich Interesse an ihrer
Arbeit zeige,z.B. Redaktionssitzung fiir das Gemeindeblatt: Wer ist
Verbiindeter - wer ist Feind? Ich durchschaue nicht, was "bei denen"
ablauft.
Immer sind sie mir mit Informationen einen Schritt voraus, liber Ka-
nale, die ich nicht kenne. Ich durchblicke nicht das System, uber
das die Finanzierung, die Material beschaffung u.a. lauft. Wer hat
denn nun schon wieder mit wem gemauschelt? Es gibt doch Gesetze, die
meine Rechte beinhalten und um mein Recht zu bekommen, gibt es bf-
fentl iche Wege.
Es ist doch Vertrag, daB Kreis und Stadt das Jugendzentrum mitfinan-
zieren - warum soil ich ein Dankesfest arrangieren? Die Presse muB
natiirlich auch dabei sein, heute loben wir die guten Taten des Herrn
I andrat und daflir wird morgen der eigene Verein lobend erwahnt und
vor all em bei der nachsten Mittelvergabe nicht vergessen.
Nur: ich komme mir doch etwa komisch in dem Getriebe vor. Wo bleibt
mein politisches Verstandnis, wenn ich Leuten die Hand geben muB,
die ich bekampfen will?
Unumgangl iche Reprasentationspfl ichten? Anpassung? Kbnnte ich nur
mal sagen, wie dumm ich ihre Reden finde: "Die jugendl ichen Pflanzen,
die man gieBen, hegen und pflegen muB, damit sie wachsen und erblii-
hen!"
Mffpntlichkeit
nie Stadt ist zu eng und damit das Beziehungsgeflecht, ich sehe nicht,
ho Freund ist und wo Feind, hier schlagen sie sich, dort sitzen sie
am Stammtisch und duzen sich. Sind die Auseinandersetzungen nicht
r Scheingefechte? Bestimmend ist der eigene Vorteil, egal, woher
aenommen. Ich denke, der ist Genosse? Was macht der im Vorstand des
SchU'tzenvereins? Der duzt sich ja sogar mit diesem offensichtl ichen
nie^sogenannte Offentlichkeit ist die Offentlichkeit ausschl ieBlich
der Vereinsvorstande und in denen sitzen ausschlieBl ich die Honora-
tionen.
rrh werde wohl vom gesellschaftl ichen Leben Limburgsausgeschlossen
Kipiben Ich habe keine einfluBreichen Bekannten, lasse mich nicht
hei gesellschaftlichen Ereignissen wie Orgelkonzert, Limburger Fase-
rht u a einflihren. Ansonsten gibt es anscheinend nur Leben hinter
o«hlossenen Wohnungsturen, ich weiB von keiner Wohngemeinschaft,
gf.n keinem Fest, wo man mal vorbeischauen kann. Nicht mal Sozialar-
beiter, zu denen ich Kontakt Uber die Arbeit habe, treffen sich pri-
vat.
- 73 -
Ich komme mir vor wie ein AuBenseiter: undef inierbar, was arbeitet
die den ganzen Tag? Jugendzentrum - kennt man doch aus der Zeitung:
"Brutstatte flir Radikal inskis und langhaarige Gammler!"
Unverheiratet lebt sie auch noch mit einem zusammen, einen Jugend-
lichen in der Wohnung aufgenommen, keine Referenzen - konnte ja
ruhig Juso sein, dann wenigstens wiiBte man,wohin mit ihr.
Sind das die Stimmen der Offentlichkeit? Wenn doch wenigstens offe-
ne Angriffe kamen, aber so komme ich mir wie von der Dffentlichkeit
totgesagt und doch lebend vor.
Die Jugendl ichen
Die Jugendlichen haben das gleiche MiBtrauen wie ihre Eltern. Sie
kennen die Gruppen, in denen man sein muB, urn anerkannt zu sein.
Sie wehren sich gegen mich, die sie als Erwachsene sehen, in der
Hoffnung, doch anders zu werden. Wenige sind bereit, mich zu akzep-
tieren und mit mir Freundschaft zu schlieBen.
Ich bin flir sie "eine Studierte", "ein Besserwisser", "ein Aufpas-
ser". Jedesmal, wenn ich etwas sage, was mit Verhalten zu tun hat,
bin ich auch nur so ein intoleranter, verstandnisloser, autoritarer
Erwachsener.
Sie haben keine Freiraume, standige Kontrolle durch die Dffentlich-
keit Jeder kennt jeden, Nachbarn setzen Eltern unter Druck, Lehrer
haben noch Allmacht, im Betrieb ist kein Chef, sondern ein neuer
Vater
Der qanze Frust wird natlirl ich im Jugendzentrum abgeladen - wo auch
sonst"? Doch wo bleibe ich? Ihr kbnnt mich doch nicht darauf redu-
zieren, "Organisationsheini" , "Problemlbser" , "Beschaftiger" fur
Euch zu sein i Wenn ich Interessen oder AnsprLiche habe, habt Ihr
"keinen Bock", und ansonsten: Welch ein Fluch, daB ich immer sehr
miide und geschafft bin und kaum Zeit habe, etwas anderes zu tun als
Jugendzentrumsarbeit.
Es gibt nam! ich kein Biichergeschaft mit nur einem linken Buch, kein
Kino mit anspruchsvolleren Filmen als "LiebesgruBe aus der Leder- _
hose" kein Theater - auBer Gastspiele drittrangiger Ensembles, kei-
ne vefraucherte Kneipe zum zwanglosen Treffen, keine Leute in meinem
Alter - studieren entweder in Frankfurt oder sind verheiratet, haben
zwei Kinder und andere Sorgen und sehen abends fern. Keine groBen
Kaufhauser, wo man wenigstens mal seinen Kummer sublimieren kann,
keine Sportmoglichkeit, Sporthallen und -platze sind an Vereine ver-
geben, denen man beitreten muB, Sportclubs nehmen "unsereins nicht
auf .
Der Artikel ist nicht so resignativ gemeint, wie es jetzt vielleicht
erscheint. Er ist aus der augenbl ickl ichen Situation heraus geschrie-
ben. Urn diesen Erfahrungen Struktur und Perspektive zu geben, muB
m.E. das PROBLEM "Sozialarbeit in der Provinz" an folgenden Fragen
weiter diskutiert werden (mal abgesehen von politisch-okonomischen
Bedingungen):
74
Von welchem Anspruchsniveau her messen Sozialarbeiter ihre Erfol-
ge?
Was wird allgemein als Erfolg in der politischen Arbeit angese-
hen?
Faktor "Zeit".
Veranderung durch Vorleben alternativer Lebensformen?
Abfragbares Wissen oder Verhaltens- und Einstel lungsanderung?
Verhaltnis: eigenes Verhalten - politische AnsprLiche.
Erfahrbarmachen des politischen Verstandnisses.
Der Gewerkschaftsfunktionar
soil so sein wie der
Vbrsitzende-nurkleiner
Wie die 0TV die f.ri.Go verteidigt.
fjber Radikale in der Gewerkschaft und wie
man mit ihnen fertig wird.
Der „Fall" Heidi Pflanz
£
ES
U
p
M
Ed
ES
UJZ Kornstr., Hannover:
PARLAMENTARISCHER KAMPF
UM DIE WEITERFORDERUNG DURCH DIE STADT
Wir haben, wieder einmal, eine Weiterfbrderung unseres Jugendzen-
trums durch die Stadt durchsetzen kbnnen. Gegen die Stimmen der CDU
hat der Stadtrat von Hannover - nun schon zum vierten Mai - fur eine
Weiterfbrderung des UJZ in der Kornstr. stimmen miissen. Diese liegt
an der unteren Grenze des Existenzminimums, aber ohne diese bffent-
lichen Mittel waren wir augenbl icklich nicht in der Lage, das Ju-
gendzentrum zu halten. Diese Mittel sind uns nicht geschenkt wor-
den, wir muSten sie erkampfen. Ein entscheidendes Mittel war dabei
die Auseinandersetzung rait den politischen Parteien im Stadtparla-
ment. Die Argumentation der CDU war nichts als demagogisch und ver-
suchte, das UJZ als ein Hort von Extramisten, Staatsfeinden und
RechtSbrechern darzUStellen. ("Hier soil das Feuer fiir die Weltrevo-
lution und den Klassenkampf geschurt werden." So das Zitat eines
CDU-uatsherrn.) Die CDU war allerdings gehandicapt: einer ihrer Spre-
cher, Stadtrat Wedekind, hatte wenige Monate vorher vom Verwaltungs-
gericht untersagt bekommen, weiterhin, wie in der BILD, zu behaupten,
das UJZ Kornstr. "sei fest in kommunistischer Hand".
Die Verwaltung, insbesondere der Dezernent fur Jugend, Gesundheit
und Sport, Klaus Beste, versuchte, nachdem sie zunachst eine Weiter-
fbrderung zu verhindern getrachtet hatte, sich abzusichern und for-
derte den Tragerverein des UJZ auf, seine Stellung zur freiheitl ich-
demokratischen Grundordnung und zum Grundgesetz schriftlich zu pra-
zisieren. (s. Dokument) Innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion
setzten sich jene reformistischen Kra'fte durch, die im UJZ ein Mo-
dell fortschrittlich-sozialintegrativer Jugendarbeit sehen. Ein
SPD-Ratsherr meinte, man "mu'Bte das UJZ Kornstr. schaffen, wenn es
so etwas nicht bereits gabe." "Es sei immer schwierig, Jugendliche
in die Gemeinschaft einzufuhren. Das gelte insbesondere fur die, die
aus irgendwelchen Grunden kein konkretes berufliches Ziel vor Augen
ha'tten oder die arbeitslos seien."
Aus diesem Diskussionszusammenhang verbffentlichten wir zwei Papiere,
mit denen wir direkt in die parlamentarische Auseinandersetzung ein-
gegriffen haben. Sie ermbgl ichten es der Verwaltung, ihre Rechtsstaat-
lichkeit zu wahren und, unter Hinweis auf die "hervorragende Sozial-
arbeitr'im UJZ einer Weiterfbrderung zuzustimmen. Desgleichen konnten
die SPD- und FDP-Ratsherren - teilweise erst nach intensiven Diskus
sionen mit Leuten aus dem UJZ - in ihren Fraktionen Mehrheitenfur
die Weiterfbrderung zustandebringen. Mit dem zweiten hier verottent-
1 ichten Papier versuchten wir, diesen fiir die entscheidenden Sitzun-
gen im JugendwohlfahrtsausschuB und Rat gegen die undifferenzierte
CDU-Motzerei Argumentationshilfen in die Hand zu geben.
- 76
Dokument: Arqunipnt.ationshilfe
DaB selbstverwaltete Jugendzentren, auch wenn sie sich "unabhangig"
nennen wie das UJZ Nordstadt in der Kornstr. Hannover, nicht wirk-
lich unabhangig vom burgerlichen Staat stind, i-st eine Binsenweis-
heit. (Die Jugendpolitik der Stadt Hannover, Brziehung und Klassen-
kampf 10/11, 1974) Die Notwendigkeit, von den regionalen Stadtverwal-
tungen finanzielle Zuschusse zu fordern, macht diese Zentren not-
wendigerweise zu einem Bestandteil staatlicher Jugendpolitik. Der
Grad der "Unabhangigkeit" ist ein Reflex der verschieaensten Tendenzen
innerhalb der burgerlichen Fraktionen im Staatsapparat selbst, in
denen sich immer auch widerspiegel t die Starke und Macht reformi-
stischer Teile, deren Durchsetzungsmbglichkeiten gebunden sind an
die Entfaltetheit und Mobil itat der Arbeiterbewegungen. Es ist eine
weitere Binsenweisheit, wenn wir konstatieren miissen, daB der Orga-
nisationsgrad der Arbeiterbewegung in der BRD gering ist und das
Kapital sich in der Offensive befindet.
Notwendigerweise sind der sozialistische Anspruch und die Mbglich-
keiten antikapitalistischer Politik innerhalb eines Arbeiterjugend-
zentrums auch gebunden an die Entwicklungen der Arbeiterbewegung
selbst. Wir haben - insbesondere in der letzten Zeit - nie verhehlt,
daB es notwendig ist zu akzeptieren, daB wir im Jugendzentrum in
diesen Zwiespalt eingebunden sind. (a. Diemer, Bericht aus einem
unabhangigen Jugendzentrum, leben - lernen - kampfen, betrifft
erziehung, 7, 1^75) Konkret heiSt das: die vom UJZ praktizierte
sozialistische Tendenz h'a'ngt ab von dem BewuBtsein und den Lernmbg-
lichkeiten der Arbeiterjugendlichen, die ins Zentrum komraen, dem
Organisationsgrad der Linken in Hannover (die halt auch nicht mehr
und nicht weniger darstellt als die Linke in der BRD insgesamt) und
der Reformbereitschaft der regionalen Stadtverwaltung (die desglei-
chen nicht auBerhalb des bundesrepublikanischen Staatsapparats ha'ngt).
Das Umschlagen der Reformanspruche in blanke Restaurations- und
Stabilisierungsstrategie im Staatsapparat muB notwendigerweise auch
ein Reformprojekt wie unser UJZ infrage stellen. Wir aber meinen, daB
qerade im Augenbl ick entscheidend ist, u.a. selbstverwaltete Ju-
aendzentren, die einen Anspruch fortschrittl icher Jugendpolitik
stellen und zu realisieren trachten, zu halten, auch wenn in der
augenbl icklichen Situation keine sogenannte "Jugendzentrumsbewe-
gung" dahinter steht.
Nach der keineswegs ganz verfassungskonformen Logik eines CDU-Rats-
herrn allerdings geht das nicht an: "Jeder kbnne in dieser Bundes-
reDublik denken.was er wolle" aber, so "wolle er noch in diesem
7usammenhang erinnern", daB es nicht anginge, "daB jeder fur jeden
npnkcrozeB auch bffentliche Mittel bekommen solle", denn - so der
plthistorische Purzelbaum - einer Rosa Luxemburg "sei es zu keiner
ylit einaefallen, Geld von denen zu nehmen, deren Macht sie zu be-
c! tiqen angetreten sei." Da hat sich der CDU-Mensch aber ganz
S„in der Arbeiterbewegung geirrt. Auch wenn es uns schmeichelt,
„ n historischen Zusammenhang einer Rosa gebracht zu werden, so
'"ilen wir doch konsequent und dialektisch nach ihren Prmzipien
handeln Mindest in der Geldfrage. Denn natiirlich wol en wir Geld
£n denen, die die Macht haben, gerade urn sie ein wenig weniger
mSchti! w macherl- Reformen wollen Wir natUrlich' sofern S1e die
- 77 -
Lage und Organisierungsfahigkeit der Arbeiterklasse verbessern. Da
sind wir ganz Lux em burg is ten.
Es ist richtig und wichtig, gerade in einer Phase, in der derartige
Plattituden unseres CDU-Mannes zur Staatstheorie werden, sich kon-
sequent auf die in der Verfassung verankerten Recht zu beziehen.
Gerade wo alluberall die sozial istische Tendenz sich in der Defensive
befindet und der kapital istische Staat dies ausnutzt, urn aus dem
i- -J ,-,,*.-r — J mm l.ln-P-Prt 1-1 an an rVmfl 4 *» h« ama nvi natftVi e/-l-ns AflSStZG ZU
ich
1JCI MIUC v unu ugi [\up i w« ■ i j ^ • -jwi n_ ^ uu ut. u • u*« — — w ■— <•— v p — ... — — — —
Grundgesetz eine Waffe gegen samtliche eraanzipatorische Ansatz
machen, ist es notwendig, erkampfte Positionen zu erhalten, au
durch Rekurs auf die "Rechtsstaatlichkeit". Die Arbeiterbewegung
braucht Luft zutn Atmen - wir soil ten uns nicht freiwillig ersticken
lassen. Unsere Erfahrungen und Argumentationen kbnnten auch fur an-
dere selbstverwalteten Jugendzentren, die in Clinch mit der Staats-
verwaltung stehen, brauchbar sein.
DOKUMENTATION
• **
AUF 96 SEITEN DIESER DOKUMENTATION WIRD DER IN DER GESCHICHTE
DER TUGENDZENTRUMSBEWEGUNG WOHL EINMALIGE FALL DER AKTION
TUGENDHAUS WERTHEIM DARGESTELLT. DIESE INITIATIVE KAMPFT SEIT
7 IAHREN (') FUR EIN JUGENDHAUS UND HAT TROTZ DREIER HAUSBESET
ZUNGEN 1971,1973, UND 1975 HEUTE IMMER NOCH KEIN JUGENDHAUS.
DIE GESCHICHTE DER AKTION JUGENDHAUS
IST EINE GESCHICHTE VON HAUSBESETZUNGEN
DIE DOKUMENTATION SCHILDERT NICHT NUR DIE ERFAHRUNGEN IN BE-
ZUG AUF DIE 3 HAUSBESETZUNGEN' SONDERN BEFASST SICH MIT DEN
GRUNDLIEGENDEN PROBLEMEN DES JUGENDHAUSKAMPFES IN DER PRO-
VINZ INSOFERN IST DIESE DOKUMENTATION EINE BEREICHERUNG DER
THEORIEDISKUSSION INNERHALB DER JUGENDZENTRUMSBEWEGUNG.
DIE DOKUMENTATION IST GEGEN VOREINSENDUNG VON DM 5, — + DM
I PORTO AUF DAS KONTO DER AKTION [UGENDHAUS.SPARKASSE
WERTHEIM NR. 3 8 o 6 3 7 9 ERHALTLICH. BEI MEHRFACHBESTELLUNG
G1BT ES RABATTE. WIR KONNEN " UNSER WERK" NUR GEGEN VORAUS -
ZAHLUNG ABGEBEN, DA WIR UNS KEINE DEFIZITE LEISTEN KONNEN.
WIR BEKOMMEN VON DER STADT KEIN GELD UND WURDEN IN DEM IM
MARZ 1975 BESETZTEN HAUS REGELRECHT "AUSGEHUNGERT".
EINE BESTELLUNG.SPENDE ODER NUR DIE BEZAHLUNG IST DAMIT EIN
TEIL VON SOLIDARITAT. i . ^
AKTION. JUGENDHAUS
SPENDEN FtIR PORTUGAL - SOLIDARITAT
MIT DEN PORTUGIESISCHEN KINDERN
Im Info Nr. 12 haben wir den Kindergarten in Pragal/Almada vorge-
stellt und zur Unterstutzung aufgerufen.
In einem Brief vom 9.2.1976 berichtet der Rat der Einwohner liber die
weitere Entwicklung. Wir drucken Auszuge aus diesem Brief ab und
fordern alle Kollegen und Genossen auf, ihre Unterstutzung nicht zu
versagen.
Der Kindergarten benbtigt dringend finanzielle Hi If e, sowie folgende
Arbei tsmaterialien: Filz- und Wachsstifte, Knetmasse, Marionetten,
Spielzeug, Puzzles, Puppen, Musikinstrumente (Xylofon, Triangel etc.)
Sachspenden nimnt entgegen:
Friaiericke Borlinghaus-Adami , Rosenplatz la, 4400 Munster
Geldspenden sind einzuzahlen auf das Sonderkonto Portugal,
Michael Schwelien, Bank flir Gemeinwirtschaft, Niederlassung Offenbach
Nr. 17455702.
Rat der Einwohner
Quinta da Horta-Pragal
Pragal-Almada
"Genossen,
wjr fuhlen uns sehr glucklich zu wissen, da8 unser Kampf in Eurem
Land bekannt ist. Wir meinen, daG das Geld, das Ihr ftlr den Kinder-
hort besorgt habt, sehr nutzlich sein wird. Schon seit langem planen
wir eine Treppe zu bauen, die den unteren Teil des Hauses mit der
oberen Etage von innen verbindet.
Die Erz i eherinnen sind ideal. Die Art, wie sie die Kinder erziehen,
aefallt uns sehr gut. Den GroReren bringen sie bei, wie der Garten
rsorgt wjr(j und wie die Tiere betreut werden. Sie haben selbst
pinen Stall gebaut und Kaninchen und Kuken reingetan. Die Kinder ma-
chen viele handwerki iche Arbeiten. Sie lernen singen. Sie machen
Ti schlerarbei ten. Sie haben sogar eine kleine Werkstatt in einer Ecke
, unteren Raumes. Dieser Raum war die Garage des Colonels. Wir ha-
ben sie
namlich in den Aufenthal tsraum fur die Kinder umgewandelt.
In diesem Raum sind die 4-6jahr igen Kinder. Im oberen Raum die 3-^jah-
rigen-
Da ist auch ein Teil fur die Babies.
o-sher hat uns der Staat nur unterstiitzt , indem er die Gehalter der
Frzieherinnen bezahlt. Wir haben auSerdem 3 Hi If skrSf te. Aber diese
rdienen sehr wenig, denn zu ihrer Bezahlung dient das Geld, wel-
Vhes die Eltern am Monatsende bezahlen. Das ist sehr wenig, denn die
Eltern konnen auch nicht mehr zahlen. Ware das nicht so, ware es auch
- 79 -
kein Vol kskinderhort . Aber die drei Helferinnen sind gewissenhaf te
Personen, denn es 1st so, daS wir alle unsere Arbeit haben, und da-
rum haben sie groBes Interesse an der Arbeit, obwohl sie nur so we-
nig verdienen - 2 200 Escudos/Monat .
Hier im Rat von Almada gibt es 5 Volkskinderhorte, unserer inbegrif-
fen. Wir wollen nicht eitel sein, aber die Personen, welche unsern
Hort besuchen kommen , meinen, daD unserer am besten funkt ioniert .
Von den 5 Horten sind zwei, die bisher nicht geoffnet waren, denn
sie hatten Schwier igkei ten mit der Herrschaft wegen Besetzung.und
jetzt mussen sie noch einige Bauarbeiten machen. Jeden Samstag ver-
sammeln sich die Vertreter der Horte. Wir bereiten eine Liste rait
Forderungen vor, urn sie der Regierung vorzulegen, in der wir finan-
zielle Unterstiitzung fur die Horte verlangen.
Der 25. November war ein Putsch der Rechten. Das war ein schwerer
Schlag gegen die Organ! sat ionen des Volkes. Man spiirte danach eine
schwere Entmutigung bei den Leuten. Trotzdem die bewuBtesten Genos-
sen aus der Bevolkerung wissen, daB es notig ist, auf alien Gebieten
gegen den Vormarsch des Faschismus zu kampfen.
,t we iter. Aber wir mussen wachsam sein.
gut gearbeitet, und wir sehen nicht die
ns rausschmeiBen konnte. Der Hort funk-
e Bevolkerung empfindet i hn als ihr
t sehr fortschri ttl ichen Kraften belegt
ungen untersttltzten , wurde durch die
litars wurden durch den 25- November
rausgesaubert . ... m
t sind wir nicht sehr angstlich. Wir
Errungenschaften zu verteidigen weiB,
t ist.
Hier in Pragal arbeitet der Ra
In Bezug auf den Hort hat man
Moglichkeit, da6 der Colonel u
tioniert schon h Honate und di
Eigentum.
Die Kaserne von Almada, die mi
war, welche uns bei den Besetz
Regierung aufgelSst. Einige Mi
eingesperrt und andere wurden
Trotzdem, in Bezug auf den Hor
vertrauen, daB das Volk seine
wenn es ausreichend organisier
Damn, hat die Regierung bisher nicht die Einwohnerrate verboten
Sie bereitet ihnen die grSBtmogl ichen Schwi er Igkei ten oder versucnt,
sie fur ihre Zwecke zu gebrauchen. Aber wir wissen, was wir wollen
und sind vorbereitet.
Hier in Pragal haben wir schon begonnen, dagegen zu kSmpfen, daB eine
Herrschaft einen Mieter auf die StraSe wirft. Seit dem 25- November
haben die Faschisten ihre Haupter erhoben. Vor etwa 15 Tagen wol Ite
die G N R. in Lissabon Bewohner, welche ein Haus besetzt hatten, aut
die StraBe werfen. Aber die Bevolkerung hat das nicht zugelassen.
Und so mussen wir es auch in Pragal machen. Und mussen es auf andern
Stel len machen.
Revolutionare GriiBe - Rat der Einwohner von Pragal"
Redaktionskollektiv:
REPRESSION UND POLITISCHE ARBEIT IM SOZIALBEREICH
- Zur Strategic im Arbeitsfeld Sozialarbeit -
Wenn wir uns in der folgenden Argumentation mit einigen Tendenzen
der Organisierung linker Sozialarbeiter und Erzieher streckenweise
Uberpointiert kritisch auseinandersetzen, so geht dieser Vorgehens-
weise die Einschatzung voraus, daB die Entwicklung der letzten Jah-
re unseren Arbeitsansatz grundsatzlich bestatigt hat: naralich an
den Interessen und Bedurfnissen der Genossen im Sozialbereich konkret
anzusetzen und organisatorische Schritte nicht von vorgegebenen
dogmatischen Konzepten, sondern von der Aufarbeitung gemeinsamer Er-
fahrungen abhangig zu machen. Der engere Arbeitszusammenhang um den
Info hat sich gefestigt, die Abonnentenzahlen steigen und das Ar-
beitsfeld Sozialarbeit im Sozialistischen Euro ist zu einem verbind-
lichen Uberregionalen Bestandteil politischer Arbeit im Sozialbereich
qeworden.
Vor diesem durchaus erfreul ichen Hintergrund mag der nachstehende
Artikel als Beitrag zu den Organisationsbestrebungen des Sozialisti-
schen Bros und der damit verbundenen Strategie-Debatte manchen
Genossen provozierend erscheinen. Als ersten AnreiBer fur eine in-
tensivere Auseinandersetzung halten wir freilich die Betonung gera-
de der wunden Punkte fur mitzlich.
pr0blematik des Organisationsprozesses im Arbeitsfeld
nie beiden letzten AF-Tagungen in Schnackenburg (Mai 75) und in Kas-
cel (Nov. 75) haben Problemstellungen aufgeworfen, die die bisheri-
Sp AKS-Arbeit, die iiberregionale Zusamuenarbeit, sowie die bislang
raktizierte Konzeption des Informationsdienstes Sozialarbeit in Fra-
stellen, freilich ohne daB eine klare Perspektive fiir die weitere
Arbeit schon in greifbare Nahe gerUckt ist.
auf der Taqung in Schnackenburg wurde erstmals in groBerem Rahmen der
vLUuch jnternommen, liber die im Editorial des Infos Nr. 1 definierte
c nktion des Infos und des sich daran festmachenden uberregionalen
7»«mnenhangs der AKS-Gruppen hinauszugehen. In dem Editorial heiBt
"nurch den Info soil den Gruppen und arbeitenden Genossen dadurch
nntprstUtzung gegeben werden, daB sie die Moglichkeit erhalten und
Wordert werden, ihre Erfahrungen, unmittel baren Probleme, Kon-
lilkte und Bedurfnisse darzustellen und mit anderen Gruppen in einen
i^insamen Erfahrungsaustausch zu treten." (Info Sozialarbeit,
gemeinsamen tr ^ » ^s entsprach in pragmatischer Weise
a! Anforderungen der damaligen Situation und bestimmte den Rahmen
der Zusammenarbeit als einen locker-assoziativen.
n r VorstoB in Schnackenburg bewegte sich allerdings noch vorwiegend
D6f Her Ebene organisatorischer Regelungen und kaum spezifizierter
^stufate Es wurden zwei Delegierte des AF fur den Delegiertenrat
- 81 -
des Sozialistischen Biiros (SB) gewahlt. Damit wurden formal die orga-
nisatorischen Anstrengungen des SB nachvollzogen. Andererseits war
den Betei ligten eigentlich klar, daft dieser Schritt Liber eine nur
vage inhaltliche Basis verfiigte, denn niemand konnte sagen, welche
politische Perspektive des Arbeitsfeldes die Delegierten im Delegier-
tenrat vertreten sollten. Dazu waren namlich politische Kriterien
notwendig, um die eigene AF-Praxis einschatzen zu kbnnen und konkre-
te Vennittlungsschritte zu einer Libergreifenden sozialistischen Po-
litik mit den Genossen der anderen AF (Betriebe, Lehrer, Gesundheits-
wesen etc.) zu entwickeln.
Obwohl in Schnackenburg als "gemeinsame Erkenntnis" angegeben wurde,
"daD die Arbeitsfeld-Organisationsform des SB den Interessen und den
Problemen in der Arbeit von Sozialarbeitern,-padagogen angemessen
ist" (Info 10, S. 59), zielte diese erste Etappe im ProzeB der poli-
tischen Selbstdefinition des Arbeitsfeldes zuna'chst einmal auf eine
Problematisierung der Handlungsstrategien linker Sozialarbeiter in
ihrer Berufspraxis ab, konnte aber noch keine konkreten Schritte for-
mulieren, die Liber AnsprLiche hinausgehen, wie sie bereits auf einer
Info-Tagung im Oktober 1973 vage angerissen wurden. Schon damals
hieB es- "Notwendig scheint uns jetzt ... eine grtindliche theoreti-
sche Bearbeitung und politische Einschatzung von Praxiskonflikten. . ."
und "...zu einer kontinuierlichen Diskussion liber eine sozialisti-
sche Strategic im Reproduktionsbereich zu konrmen." (Info Nr. 5.
S. 11-12)
Was wir mit dem Gesagten verdeutl ichen wollen und was real auf der
Kasseler Tagung auch voll zum Ausbruch kam, ist der Widerspruch
zwischen kaum inhaltlich angerissenen Postulaten politischer Arbeit
im Arbeitsfeld, die sich nicht zuletzt an dem halbherzig hergestell-
ten Bezug zum organisatorischen Zusammenhang des SB festmachen, und
der konkreten Praxis der AKS-Gruppen, die durch eine zunehmende
Orientierungslosigkeit gekennzeichnet ist. Spatestens in Kassel wur-
de offenbar, daB nicht nur der Bezug zum SB noch weitgehend unver-
mittelt ist, sondern daB auch die gesellschaftl ichen Bedingungen,
die die bisherige Praxis der AKS-Gruppen begriindeten und zu einem
pragmatischen Selbstverstandnis beitrugen, andere geworden sind.
Vor dem Hintergrund der ausklingenden Studentenbewegung und einer
scheinbaren breiten Offnung zu den Zielen reformist! scher Politik
trugen die Vorstb'Be der Linken im Sozialbereich in Form von Projek-
ten und Alternativmodellen im Bereich der Heimerziehung, mit Wohn-
kollektiven und Jugendzentren, zu einer zeitweiligen Verunsicherung
der Sozialburokratie und der institutionellen Trager von Sozialar-
beit bei, die uns leicht ein trugerisches GefLihl der eigenen Starke
vermittelte. In dieser Phase war die spontane Initiierung von AKS-
Gruppen in Verbindung mit Projekten der naturwiichsige orgamsatonsche
Ausdruck der Bewegung. Oetzt - in Zeiten okonomischer Krise und poli-
tischer Repression und mit dem Wegfall offensiver Alternativmodelle
verbunden mit zusatzlicher Einschuchterung und begrundeter Realangst
vor Disziplinierung - ist eine Situation eingetreten, die die bis-
herige AKS-Arbeit in Frage stellt.
Wir halten es fur zentral wichtig, diese praktischen Arbeitsschwie-
rigkeiten der Gruppen in einen Zusammenhang zu stellen mit der I- ra-
ge bereichsubergreifender Organisierung im SB. Werden die praktiscnen
- 82 -
Schwierigkeiten nicht mit der generellen Problematik sozial istischer
Politik in der Phase der "zweiten Restauration" vermittelt, ist die
Festschreibung der zirkularen Verlaufsformer von Arbei tsfeld-Tagun-
□en unvermeidlich:
- Erfahrungen werden ausgetauscht, aber eher summiert, als analytisch
begriffen und politisch orientierend verarbeitet;
- das Info wird auf die Abhandlung von Schwerpunkt-Themen reduziert,
die die jeweilig schreibende Gruppe zeitlich okkupiert;
- der Bezug zum SB bleibt ein auf der allgemeinen Ebene abstrakt
hergestellter, der eher der Legitimation nach auBen dient, als
praktischen Notwendigkeiten entspringt.
Mit den folgenden Ausf'uhrungen wollen wir diesen Zusammenhang ver-
deutlichen, indem wir einmal naher auf die historisch veranderten
Bedingungen und ihre Bedeutung fiir die Praxis des Arbeitsfeldes ein-
qehen, urn dann den Bezug zwischen Arbeitsfeld und SB an einigen Problem-
stellungen zu konkretisieren.
Klethodisch ergeben sich dabei notwendigerweise Verallgemeinerungen,
deren grobe Raster nicht ganz unproblematisch sind. Unsere Ebene der
Analyse blendet die Ungleichzeitigkeiten und lokalen Differenzierun-
qen der Entwicklung von AKS-Gruppen weitgehend aus. Die BerLicksich-
tigung dieser jeweils besonderen Bedingungen und spezifischen Lern-
prozesse soil nicht einfach unterschlagen werden. Vielmehr fordern
wir die Gruppen auf, diesen hbheren Prazisierungsgrad durch die Re-
flexion ihrer eigenen Erfahrungen starker in die Arbeitsfeld-Diskus-
sion einzubringen. So wollen wir nicht verschweigen, daB sich ent-
qegen der von uns vorrangig bezeichneten Tendenz durchaus einige
AKS-Gruppen iiber die Auseinandersetzung mit Konflikten in Institu-
tionen gebildet haben. Gerade ihre Erfahrungen sind aber im Info-
und Arbei tsfeld-Zusammenhang bisher unterbewertet worden.
\mn der Modelleuphorie in die Defensive
Im Zuge der Studentenbewegung und durch die Beschaftigung mit Rand-
qruppen entstanden 1968/69 im gesamten Bundesgebiet eine Vielzahl
von Basisgruppen, die sich im Sozialbereich engagierten. Die GrLin-
d^ng von AKS-Gruppen war das Ergebnis der Einsicht, daB die katastro-
nhale Lage der "Klienten", die unzulangl ichen Arbeitsbedingungen in
den Rmtern, Heimen und Tagesstatten, die Abhangigkeit von Sozialburo-
kratie, die praxisferne Aus- und Fortbildung nur geandert werden konn-
ten wenn wir unsere Interessen selbst vertreten und uns nicht 1 anger
auf'Berufsverbande und Parteien verlassen wLirden. Den Anspruch der
Sozialarbeit ernstnehmend, versuchten wir, die Funktion der Sozial -
arbeit vor dem Hintergrund der eklatantesten Widerspriiche dieser Ge-
cellschaft neu zu bestimmen. In vielen Stadten organisierten sich
Sozialarbeiter in Arbei tsgruppen, beteiligten sich gemeinsam mit
Itudenten an Randgruppenprojekten mit Fursorgezbglingen, Obdachlosen,
cvrhisch Kranken oder gr'u'ndeten Vereine zwecks Organisierung von
alternativmodellen (z.B. Jugendwohnkollektive). Hbhepunkt dieser Be-
paunq in der sich Elemente radikaldemokratischer, liberaler bis
k-in zu sozialistischen Positionen zusammenfanden, war das vom SB
Id der "Sozialpadagogischen Korrespondenz" initiierte gemeinsame
Auftreten zum Jugendhilfetag 1970 in NUrnberg als "Sozialistische
- 83 -
Aktion". Die Existenz dieser spontan gebildeten Basisgruppen konnte
sich durch die verunsichernde Wirkung legitimieren, die sie in der
Auseinandersetzung mit den Flirsorgeverbanden und den traditionellen
Institutionen der Sozialarbeit ausubten (bes. sichtbar auf dem Deut-
schen Jugendhilfetag in Nlirnberg), wobei sie auch gewisse Teilerfol-
ge erreichten. Katstrophale MiBstande wurden in das BewuBtsein einer
breiten Offentl ichkeit getragen, verwiesen die SozialbLirokratie auf
ihre totale Konzeptionslosigkeit und veranlassten sie zu Konzessio-
nen in besonders eklatanten Fallen.
Indem die radikale Kritik fortschrittlicher Sozialarbeiter die rea-
len Legitimationsschwierigkeiten der Sozialbiirokratie bloBlegte, be-
wegte sie sich primar noch auf der Ebene des Einklanges von Postula-
ten einer "besseren Sozialarbeit". Vor diesem Hintergrund konnte die
anvisierte Form von Sozialarbeit und der Anspruch politischer Arbeit
selbst schon als eine Identitat begriffen werden.
Das in dieser Atmosphare entstandene Geflihl der eigenen Starke weck-
te Illusionen, alternative Modelle im Sozialbereich absichern zu
kbnnen und dadurch die etablierte Sozialarbeit in Zugzwang zu brin-
gen Besonders auch durch die linke Publizistik (und nicht zuletzt
auch im info) wurde der Stellenwert alternativer Sozialarbeit oft
liberzogen dargestellt.
Das Verha'ltnis von theoretischer Reflexion und konkreter Praxis stell-
te sich merkwlirdig unvermittelt dar. Auf der einen Seite flihrte die
Arbeit im "beschrankten" Praxisbereich zu Hoffnungen und Illusionen,
so etwas wie sozialistische Keimzellen kreieren zu kbnnen, anderer-
seits bewegten sich die Versuche gesamtgesellschaftlicher Analyse
auf der allgemeinsten Ebene der Rezeption marxistischer Grundbegnf-
fe die da sie nicht imstande waren, die allgemeine Logik des Kapi-
tal'verhaltnisses mit der besonderen historischen Auspragung des Re-
produktionsbereiches differenziert zu vermitteln, weder eine adequa-
te Reflexion der praktischen Arbeit noch eine mittelfristige perspek-
tivische Orientierung ermbglichten. Kurzfristigen Erfolgen stand
die relativ abstrakte Einsicht von der Total i tat gesamtgesellschaft-
licher Strukturen gegeniiber, nach dem Motto, daS alles mit allem
zusarimenhangt.
Die in dieser Phase der Sozialbiirokratie abgetrotzten Zugestandnisse
(in Form von Jugendwohnkollektiven, Jugendzentren usw.) erwiesen
sich zum grbBten Teil als kurzlebige "sozialistische Inseln . Diese
Kurzlebiqkeit iiberdeckte zudem die oftmals vorhandene inhaltliche
Ratlosigkeit bei den Sozialarbeiter-Genossen. Administratives Abwurgen
der Arbeit durch Hinhaltetaktik oder Polizeieinsatz trug zu einer
tendenziell aktionistischen Vorgehensweise bei, die wiederum eine
realistische Auseinandersetzung mit Fragen verhinderte, was zum Bei-
spiel soil eigentlich nach der Erkampfung eines Hauses im selbstver-
walteten Jugendzentrum laufen? oder, wie geht man mit alltagllchen
Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen und psychosozialen Abiauren
etwa in einem Jugendwohnkollektiv urn, wo Hinweise auf die Klassen-
lage der Betroffenen noch nicht viel weiterhelfen. Der Hinweis, von
den Jugendlichen lernen zu wollen,sowie Bestrebungen, eine padagogi-
sche Konzeption gleichzusetzen mit der Parole: "Zusanmen leben, ler-
nen, kampfen", zeigten ihre desil lusionierende Wirkung dort, wo es
wirklich einmal gelang, Erfahrungen Liber einen langeren Zeitraum zu
sammeln.
Oberprlift man die linke padagogische Literatur der letzten Jahre, so
finden sich neben einer Unzahl von Kampfberichten nur sehr verein-
zelt Arbeiten, in denen Erfahrungen so aufgearbei tet worden sind,
daB sie einen praktischen Gebrauchswert fLir die tagliche padagogische
Kleinarbeit von Sozialisten besitzen (vergl. 'z.B. fur die Hauptschule:
Henning/Kuhlmann, Klassengemeinschaft, oder: den Bericht von Alvons
Diemer liber das UJZ KornstraBe, Hannover in: betrifft erziehung,
Herbst 75)
Linke Sozialarbeiter stehen sehr leicht in der Gefahr, ihre eigene
Arbeit in ubertriebener Weise in politischen Postulaten wie "die
Betroffenen organisieren sich selbst" aufgehen zu lassen und damit
die anscheinend "unpol itischen" alltaglichen Schwierigkeiten zu ih-
rem persbnlichen Problem zu machen. Das kann zu einer relativen Un-
fahigkeit f'u'hren, notwendige Strukturierungshilfen zu liefern, etwa
im Umgang mit Aggressionen von Jugendlichen, beim Insistieren auf
sachlichen Anforderungen etc. Vergessen wird oft, daB man es ja nie
mit dem gewlinschten Idealtypus des Arbeiterjugendlichen, sondern
stets mit dem konkreten Peter K. oder Franz M. zu tun hat, die man
schlechterdings nicht mit dem Hinweis auf die generelle Klassenun-
terdrlickung aus der Verantwortung fur ihr Vernal ten entlassen kann.
Dem stand in den letzten Jahren die schnell wiedererwachende Fahig-
kei t der Trager von Sozialarbeit gegeniiber, die fortschrittl ichen
Impulse der linken Modelle sozialtechnisch zu funktional isieren.
Zurn Beispiel werden Wohngemeinschaften in Heimkonzeptionen eingear-
beitet, zugleich aber der damit verbundene Anspruch, alternative Le-
bensformen zu initiieren, eingeebnet. Oftmals festzustellende Reak-
tionen in unseren eigenen Reihen: entweder zahneknirschend in die-
sen sozialtechnischen Einrichtungen seine Brbtchen verdienen, oder
sich flugs auf ein neues, scheinbar politisch relevanteres Praxis-
feld zu stlirzen, um dort nach einiger Zeit vor ahnliche Probleme ge-
stellt zu werden.
Der liberproportionale Stellenwert, der Alternativmodellen und neuen
Ansatzen in der Sozialarbeit beigemessen wurde, findet seine sozial-
psychologische Erklarung nicht zuletzt in der Ifotwendigkeit, der
erkannten ideologischen Hohlheit des Systems eigene identif ikations-
fahige Projekte in eins mit einer entsprechenden Berufsperspektive
entgegenzusetzen, verbunden mit der unbewuBten Hoffnung, die diffi-
zilen Widersprliche eben dieses Systems uberspringen zu kbnnen.
Die Konsequenzen dieser probl ematischen Orientierung waren in drei-
facher Hinsicht fatal :
1. es wurde unzureichend berlicksichtigt, daB Sozialarbeit als Lohn-
arbeit den Sozialarbeitern eine Berufsperspektive aufzwingt, die
per se nicht widerspruchsfrei sein kann. Faktisch waren auch die
meisten Projekte liber Finanzierung von Institutionen abhangig.
Die notwendige Folgerung, parallel auch in den Institutionen zu
arbeiten, wurde kaum praktisch umgesetzt (vergl. Info Nr. 5,
S. 15-21).
2 "rechts liegen gelassen" wurden die Kollegen in den Institutionen
' selber, die nicht das "Gliick" hatten, just in den Bereichen ta'tig
zu sein, die gerade politisch "in" waren, sondern sich mit tradi-
tionellen Jobs im Sozialamt, Jugendamt, Famil ienfursorge, Bewah-
- 35 -
rungshilfe etc. herumschlagen muBten. Oiese Kollegen wurden weit-
gehend mit der Frage alleingelas sen, an welchen Punkten in der
t'a'glichen Kleinarbeit mit den von Sozialarbeit betroffenen Schich-
ten der Arbeiterklasse sich eine fortschrittliche Berufspraxis
festmachen la'Bt.
3. aie wirklich autonomen Projekte, die logischerweise keine Berufs-
perspektive fiir Sozialarbeiter bieten, gleichwohl aber wichtige
Impulse fur linke Sozialarbeiter in Institutionen beisteuern, wie
z B der SSK Koln, haben sich gegenuber fortschrittl ichen Kolle-
gen abgeschottet und sind einer produktiven Diskussion (z.B. auch
mit unserem Info) aus dem Weg gegangen. Sinnvolle Kooperations-
mbglichkeiten, die einer Isolierung dieser Ansatze in der Cffent-
lichkeit vorbeugen kbnnten, kamen bisher kaum zustande.
War es bis vor ca. zwei Jahren noch mbglich, liber eine unvermittelte
und damit abstrakte Orientierung an der Interessenlage der Arbeiter-
klasse unter Ausblendung der eigenen Verstrickung als lohnabhangige
Sozialarbeiter eine aktive und fordernde Rolle einzunehmen, erweist
sich heute diese Strategie als vollends unpraktikabel , da die Genos-
sen als Objekte staatlicher Repression nun selber Betroffene sind.
Getroffen werden nicht mehr nur die aktivsten Kbpfe, mittlerweile
reicht die bloBe systemkritische Gesinnung, urn den verschiedensten
Mechanismen von Diszipl inierung, angefangen von der wohlmeinenden
Aufforderung zur Duckmauserei bis zum RausschmiB, ausgeliefert zu
sein Herrscht, wie bereits aufgezeigt, weigehend Unklarheit daruber,
wie Sozialarbeiter unmittelbar ihre eigenen Interessen wahrnehmen
kbnnen, wird der solidarische Bezug zu den Betroffenen erst recnt
unmbglich gemacht.
Die "zweite Generation der AKS-Gruppen", die, die erst in jungster
Zeit entstanden sind, trifft dieses Dilemma vollig unvorbereitet.
Sie setzen sich zum groBten Teil aus Berufsanfangern und Berufsprak-
tikanten zusammen. In der Ausbildung in keiner Weise mit der. Wider-
spruchen der Berufspraxis vertraut gemacht, ist ihre Motivation und
ihr Engagement bei Berufseintritt noch stark durch die Impulse aus
der Projektphase der AKS-Gruppen bestimmt.
Die Initiierung von AKS-Gruppen lehnt sich an das Vorbild der alte-
ren Gruppen an. Nach einigem frustrierenden Herumlaboneren mit der
Snsicherheit, was man eigentlich machen soil, wird dann auf uberre-
aionalen Taqungen festgestellt, uaB die Arbeitsschwiengkeiten mcht
in erster Linie auf die besondere Unfahigkeit der eigenen Gruppe zu-
riickzufiihren sind, sondern die alteren AKS-Gruppen mittlerweile vor
ahnl ichen Problemen stehen. Angesichts der Tatsache, daB neue Hand-
lungsperspektiven nicht greifbar erscheinen, leitet sich der sozia-
le Zusammenhalt der Gruppen schwergewichtig uber das individual ie
Stabilisierungsbedurfnis der einzelnen Mitglieder her. Eine dogma
tisch hergestellte Eindeutigkeit einer Strategie, wie sie von den
K-Gruppen vertreten wird, steht nicht zur Verfugung und stoBt be:
rechtigterweise auf Skepsis. Imrner mehr im Vordergrund steht die in-
dividueiie Betroffenheit, die sich aus dem Konflikt der eigenen
linken Identitat mit der professionellen und durchweg widersprucn-
lichen Rolle als Sozialarbeiter ergibt. Dieser Konflikt bezeichnet
wie gesagt eine "Leerstelle", die durch die bisherige Praxis der
AKS-Gruppen nicht adaquat ausgefullt werden konnte, die nun aber aie
gemeinsame Basis darstellt.
Neben diesem Stabilisierungsbedurfnis sind die Mbgl ichkeiten fur of-
fensive gemeinsame Veranderungsstrategien allenfalls nebulbs, aber
kaum konkret greifbar. Etwas polemisch uberzeichnet lieBen sich die
AKS-Gruppen zur Zeit als "Notgemeinschaften zur kollektiven Pflege
linker Identitat ohne aktive Perspektive" deTinieren. Die fiir Sozia-
listen vorrangige Frage, wie wir jetzt arbeiten mussen, urn unser
Potential aktiv zu erweitern, schafft in der Regel Ratlosigkeit.
Einen wichtigen Markierungspunkt auf dem Wege zu dieser Entwicklung
stellte das Ougendpol itische Forum dar, das im Dezember 1974 unter
maBgeblicher Beteiligung der in der Sozial istischen Aktion zusam-
mengeschlossenen AKS-Gruppen als Antwort auf die Absage des 5. Deut-
schen Jugendhilfetages veranstaltet wurde. Indem es einerseits ge-
lang, interessierte Kollegen und Genossen in breiter Zahl fiir die
Teilnahme am Jugendpol itischen Forum zu gewinnen und damit unser or-
gam'satorisches Leistungsvermbgen bei freilich extremem Aufbieten
aller verfugbaren Krafte unter Beweis gestellt werden konnte, wurden
andererseits unsere konkreten Schwierigkeiten, in den Diskussionen
praktische Orientierungen zu vermitteln, uniibersehbar. MuBerlich
wurde diese Unfahigkeit schon dadurch deutlich, daB wir die inhaltli-
chen Vorgaben und Strukturierungen der Diskussionen weitgehend ver-
dienten Altgenossen aus dem Hochschulbereich ubertrugen, die selber
nicht in der AKS-Arbeit standen und uns deshalb, trotz besten Wil-
lens, auch nicht weiter helfen konnten. Damit wurde gleichzeitig
aber auch deutlich, daB so etwas wie ein "theoretischer Mittelbau"
im Sozialbereich nicht vorhanden ist. Dem praktischen Orientierungs-
bedu'rfnis an der Basis stehen relativ unvermittelt klassentheore-
tisch begrundete Zugangsweisen zu Fragen der Jugendarbeit und zu
dem Komplex materieller und psychischer Verelendung gegenuber. In
modif izierter Form findet sich die skizzierte "Leerstelle" auf der
Ebene linker Theorieproduktion wieder. Abgesehen von dem aktuellen
Magazin pSd. extra tut sich zwischen unserem Info und der Zeitschrift
"Probleme des Klassenkampfs" ein groBes Loch auf. Da wir nicht die
Hoffnung haben, daB dieses Loch in absehbarer Zeit befriedigend zu
stopfen ist, bleibt uns wohl nichts anderes Librig, als selbst an
den ersten real istischen Schritten zu arbeiten, wie wir uns im Ar-
beitsfeld Sozialarbeit aus Krise und Repression einen linken Schuh
machen kbnnen.
Dadurch, daB wir selber existentiellen Zwangen, Einschrankungen und
Repressionen ausgesetzt sind, ist ein real istischeres und tieferes
Verstandnis fur die Lage der Arbeiterklasse mbglich, ein weitaus
konkreteres BewuBtsein von den Schwierigkeiten, sich zu solidarisie-
ren, seine Interessen wahrzunehmen und Widerstand zu leisten. Ober-
lequngen, wie sie in einigen AKS-Gruppen bereits angestellt wurden,
etwa einen Leitfaden fiir die Beratung von Sozial hi If eempfangern und
Merkblatter fiir eine extensive Ausnutzung des Bundessozialhilfege-
setz (BSHG) zu erstellen, geben die Richtung an, in der etwas getan
werden muB, zumal dieses Feld von linken Sozial arbeitern bisher
meist gemieden wurde. Angste vor einem RLickfall in eine neue Rand-
aruppenstrategie brauchen nicht mehr entwickelt zu werden, ange-
sichts der Tatsache, daB die Krise das Gros der Lohnabha'ngigen
trifft und dementsprechend Rechtsberatung und materielle Hilfen gene-
rell ein starkeres Gewicht bekommen. Damit einhergehend wird deut-
lich, daB die eigene widersprUchliche Situation als Lohnabhangiger
-tarker reflektiert werden muB. Bezeichnenderweise haben wir im Info
starker
- 87 -
die Diskussion urn die gewerkschaftl iche Organisierung bis heute vor
uns her geschoben. Die gewerkschaftl iche Organisierung ist sicher-
lich nicht das Allheilmittel , aber ein wesentlicher BestandteTl der
Strategie von Sozialisten
Der Zwang zu realistischeren und zum Teil auch vorsichtigeren Schrit-
ten leg" uns ein anderes Umgehen mit den herrschenden Institutions,
Verbanden und burgerlichen Parteien nahe. Dazu gehort nicht zuletzt
der Aufbau inforneller Informationssysteme und die dazu notwendige
Herstellung kontinuierlicher Kontakte, dies vor alien Dingen auf
der lokalen Ebene.
Bezogen auf die Berufspraxis kommen wir nicht umhin, in di ^ren-
zierter Weise politisch hergeleitete Kritenen fur eine fortschntt-
1 che Beruf sprax Is zu entwickeln, die praziser als bisher ublich die
a ternative Qual tat der Arbeit von Sozialisten im Sozialbereich in
hr r y tLbedingten Gebrochenheit markieren. An welchen Punktan
interscheidet sich unsere konkrete Arbeit, die ja zunachst genau
wie in der burgerlichen Sozialarbeit auf die Wieder herstellung und
den Ertelt der Arbeitskraft der "Klienten" abzielt? (auszufuhren
waYe hier-kollektive Orientierung anstelle von individual-psycholo-
n?schPr Zuaanqswe se, Zugrundelegung sozialer Lebenszusammenhange
und MassenbezUge anstel e von individualisierender Einzelfallbe-
tSchlung? UnterstUtzung berechtigter Forderungen, Aufzeigen von
Veranderungsmdglichkeiten etc.)
niese notwendigen Kriterien mliBten als politische ebenfalls die Ge-
flhren der Beruf sbornierung in der syndikalist1Schen Sackgasse
letwa "Da kann sein, was will, Hauptsache dieser Oder jener neue
An.atz fUr eine bessere Sozialarbeit komr.t durch") bezeichnen und
5le Nahtstel en fUr gemeinsame Aktionen mit Genossen aus den ande-
rln Arbeitsfeldern aufzeigen. Spatestens an dieser Stelle wird deut-
lich daB die EraTbeitung solcher handlungsorientierenden Kritenen
rVfontext einer gesamtgesellschaftlich bezogenen Strategie,
' H„rpn Frarbeitunq wir uns beteiligen mussen, moglich ist. wei
rprhfn ist verstlrkt zu uberlegen, wie die arbeitslosen Lehrer- und
a it r enossen und da.it freigesetzte InMlrttuel 1. »*£
in zu konzioierenden Projekten aufgefangen und in denen Selbst
hnfemaBnahmen Arbeitsvorhaben und Untersuchungen realisiert wer-
dll Sn die wichtig, aber von den berufstatigen Genossen nur
Jhwerlich'zu leisten s nd. Bei der Frage der Realisierung dieser
bSlegunSen wird w'eder deutlich, daB ein enger Zusammenhang zwi-
schen den mSglichen Projekten und der Arbeit der Genossen in den
inrtltutlonen notwendig ist. Dieser Zusammenhang kann genaua wie
der Rahmen zur Erarbeitung politischer Kriterien fur die Arbeits
feldpraxis nur organisiert hergestellt werden.
Wir meinen, daB die Analyse der aufgezeigten Erfahrungen .die wir_im
Arheitsfeld in den letzten Jahren gemacht haben, die Unzulang iicn
ke t e iner probllmatischen Fixierung auf den engen Bereich der eige-
ne Praxis verdeutlicht. Solange im Arbeitsfeld lediglich en Er
fahrungsaustausch im engeren Sinne stattfanc und nicht f^lf
eine Aufarbeitung der in den Sozialbereich hineinwirkenden gesamt
- 88 -
gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse geleistet wurde, muBte sich
eine gewisse Unsicherheit gegenu'ber der aktuellen Situation notwen-
dig aus dieser Vorgehensweise ergeben. Bezogen auf diese Problema-
tik ist nun zu fragen, in welcher Weise der organisatorisch-politi-
sche Zusammenhang im Sozial istischen Biiro geeignet ist, die Vermitt-
lungsproblematik von Arbeitsfeld-Ansatz und Grundfragen sozial isti-
scher Politik voranzutreiben.
Fortschrittliche Berufspraxis und sozialistische Politik
Wie bestimrat sich das Arbeitsfeld Sozialarbeit im SB?
Das Verhaltnis von Berufspraxis und sozial istischer Politik ist in
den letzten Jahren vorwiegend durch zwei problematische Sichtweisen
verzerrt worden,
- einmal durch ein unverbundenes Nebeneinanderstellen von AKS-Praxis
und-Arbeit im u'bergrei fender SB-Zusammenhang, bei dem die SB-Orien-
tierung abstrakt und aufgesetzt ist. (Beispiel: Ein Genosse sitzt in
alien mbglichen linken Gremien und Komitees, nur im Sozialamt, seinem
Arbeitsplatz, noch immer nicht an einem eigenen Schreibtisch, sucht
sich also jeden Morgen ein Platzchen, an dem er arbeiten kann).
- zum anderen durch ein Hochstil isieren des eigenen erfahrbaren Pra-
xisausschnittes, was letztlich auf einen reinen spontanen Basisgrup-
penpragmatismus hinauslauft. In dieser Sichtweise wird jegliche u'ber-
greifende Fragestellung als bevormundende Zumutung abgeblockt ("Wir
ra'dssen erst mal in unserer Gruppe klar Schiff haben").
Es liegt auf der Hand, daB beide Angehensweisen der Problematik zwei
Seiten der gleichen Medaille darstellen. Abstrakte Organisationsbe-
strebungen bedingen antiautorita'ren Protest, der mit seinen pseudo-
konkretistischen Zugen den Organisationsfanatismus der anderen fu't-
tert.
Der Arbeitsfeldansatz im SB meint etwas ganz anderes. "Was die Orga-
nisationsform des Sozial istischen Bu'ros von anderen linken Organisa-
tionen unterscheidet, ist die Tatsache, daB sie weder als bloBe Koor-
dinationsstelle von Arbeitsfeldern und Kampagnen, noch als eine Zen-
trale verstanden wird, die das Abstrakt-Allgemeine, die richtige Ge-
sellschaftsanalyse und die politischen Prioritaten verwaltet und
durch bindende Beschliisse nach unten weitergibt." (o. Negt, Zur Dia-
lektik von Erfahrung, Emanzipation und Organisation, links Nr. 68,
s i2) Das Arbeitsfeld ist also weder Rekrutierungsfeld, urn Anpoliti-
sierte der "eigentlichen" Organisation zuzufuhren, noch kann es sich
als verabsolutiertes Basisgruppenkonzept selbst geniigen. Das Arbeits-
feld stellt stattdessen schwergewichtig den Ort politischer Praxis
dar welches freilich in strategischer Perspektive auf das "Gewalt-
zentrum der Gesellschaft", den kapitalistischen ProduktionsprozeB
hinvermittelt und in die Kooperation von Sozialisten aus alien ge-
sellschaftlichen Bereichen eingebunden sein muB (Sozialarbeiter und
lehrer kbnnen beispielsweise im Bereich der Berufsausbildung eine
orientierende Funktion, ohne eine eingehende polit-bkonomische-Stra-
teaiediskussion mit den Betriebs- und Gewerkschaftsgenossen bezuglich
der strukturellen Problematik, die hinter der Jugendarbeitslosigkeit
eteckt - Aufldsung des Facharbeitermythos, Veranderung der Produk-
tions- und Qualif ikationsstruktur, Hassenarbeiterproblematik etc. -nicht
wahrnehmen) .
Im Arbeitsfeld finderi sichrdurch die besonderen Arbeitsbedingungen
vermittelt, Momente der gesellschaftlichen Totalita't, die ihre Wur-
zeln im Grundwiderspruch von Lohnarbeit und Kapital selbst haben.
Das Problem fUr uns besteht darin, die Nahtstel len zwischen Arbeits-
feld-Praxis und Ubergreifender Organisierung am Material prazise"
anzugeben und handlungsorientierend umzusetzen. Alle angerissenen
Konsequenzen, die wir im Arbeitsfeld aus dem beschriebenen Dilemma
Ziehen sollten, beinhalten diese Nahtstellen:
■Die gewerkschaftliche Organisierung und eine engagierte Mitar-
beit machen zugleich die inmanenten Grenzen erfahrbar, die eine
b'konomische Interessensvertretung nur bedingt, eine politische
dagegen kaum noch zulassen. Hier kann man nicht nur einfach
eine Erfahrung machen, sondern muB den gesellschaftlichen Ent-
wicklungsprozeB der sozialdemokratischen Einheitsgewerkschaft
miteinbeziehen und im Diskussionszusammenhang mit den Genossen
aus den anderen Arbeitsfeldern eine adaquate Strategie in Bezug
auf die Gewerkschaftsfrage entwickeln.
■In der Frage einer fortschrittlichen Berufspraxis muB nicht zu-
letzt geklart werden, was in den realen HandlungsvollzUgen von
Sozialisten in der Sozialarbeit, die ja unmittelbar die Repro-
duktionsbedingungen der Arbeiterklasse mitbestimmen, eigentlich
"politisch" ist und wie Ansa'tze zu einer offensiven Solidarisie-
rung mit den Betroffenen auf ahnliche Auseinandersetzungen in
Schule und Betrieb zu beziehen sind.
■AuBerinstitutionelle Projekte und professionelle Tatigkeiten
in Institutionen laufen sta'ndig Gefahr, sich zu verse! bstandi-
gen oder gegenseitig zu blockieren, wenn ihnen nicht eine ge-
meinsame Strategie zugrunde gelegt wird.
■SchlieBlich wird die Notwendigkeit ubergreifender Organisierung
nicht zuletzt immer eindringl icher dort deutlich, wo der umfas-
sende Zusammenhang von Krise, Ausbau des staatlichen Gewaltappa-
rates und zunehmender politischer Repression uns sinnlich er-
fahrbar vor Augen fuhrt, daB wir nicht allein durch unsere Be-
rufspraxis definiert sind, sondern uns die der allgemeinen Dis-
ziplinierung zugrundel iegenden Kapitalverwertungsbedingungen
einen globalen Widerstand nahelegen, urn nicht vereinzelt in
eine ohnma'chtige Position getrieben zu werden. (Eine Genossin
wa'hrend der letzten Redaktionssitzung: "Es ist doch einfach un-
sere verdammte Pflicht, daB wir uns jetzt als Sozialisten zusam-
menrotten miissen.")
Wei che Auswirkung auf die einzelnen AKS-Gruppen hat nun die Forde-
rung, die Arbeitsfeld-Praxis an politisch ubergreifender Kriterien
zu orientieren? Wir meinen, daB wir uns in den Gruppen in einer Pha-
se der Selbstqualifizierung erst die Kompetenz erarbeiten miissen,
die politisch neuralgischen Punkte der Tatigkeit im Sozialbereich
differenziert und prazise erfassen zu kbnnen. Einige AKS-Gruppen
(Kbln, DUsseldorf) haben begonnen, anhand von Arbeitsplatzanalysen
zuna'chst ihre eigene Situation am Arbeitsplatz zu strukturieren.
Eine systematischere und zudem hautnah ruckgekoppelte Betrachtungs-
weise der spezifischen Formen und institutionellen Bedingungen ist
- 9o -
die Voraussetzung flir die Bearbeitung der Frage, welche konkrete
Veranderungsstrategie am eigenen Arbeitsplatz initiiert werden kann
und welche Aktionsmbglichkeiten in einem speziellen lokalen Bereich
(Jugendfreizeitbereich, Heime, Obdachlosenarbeit etc.) entwickelt
und vorangetrieben werden miissen. Eine so verstandene Zielgruppen-
arbeit ware eine nibgliche Form, liber die Begrenztheit der AKS-Ar-
beit hinauszukommen.
Haben zum Beispiel die Genossen in einem Heim angefangen, nach einer
Analyse ihres Arbeitsplatzes fur konkrete Verbesserungen im Sinne
der Betroffenen und der Mitarbeiter einzutreten und damit Erfahrun-
gen gesammelt, so ware dann eine lokale Untersuchung liber die Zu-
stande in anderen Heimen am Ort angebracht, mit dem Ziel, durch
spezielle Aktionen und Veranstaltungen weitere fortschrittliche Kol-
legen zu gewinnen. Diese Vorstellung von Zielgruppenarbeit impli-
ziert, daB sich der AKS nicht stur an die Gruppenzusammensetzung
halt, die irgendwann zufallig entstanden ist. Nach einer Phase der
Selbstqualifizierung ware also eine gezielte Ausweitung der Arbeit
nach politischen Kriterien notwendig, die allerdings voraussetzt,
daB sich der AKS nicht mehr an zwei Oder drei Obergenossen orien-
tiert, sonuern daB einzelne bereichsspezifische Untergruppen von Mit-
gliedern nach einiger Zeit in der Lage sind, selbstandig Aktivitaten
zu entwickeln. Hier zeigt sich, daB eigentlich von Anfang an das
Schwergewicht auf eine umfassende politische Qualifikation gelegt
werden muB, weil sie sonst die ihnen zukommende orientierende Funk-
tion nicht wahrnehmen kbnnen. Dieses Konzept hat nichts mit liberkom-
inenen Avantgardevorstellungen zu tun, es ist besser, mit dem Begriff
des "negativen Kaders" zu fassen, womit eine Minderheit gemeint ist,
"die stets die Rolle eines Ferments spielt, zur Aktion treibt, ohne
die Flihrung zu beanspruchen." (Cohn-Bendit, zitiert nach Peter
Bruckner, Kritik an der Linken, FLV Kbln 1973, S. 33)
Die zuletzt angestellten Oberlegungen beziehen sich auf die Ebene
politischer Forderungen am Arbeitsplatz. In der gewerkschaftl ichen
Arbeit, um auf die nachste Ebene liberzugehen, haben einige AKS-
Gruppen bereits Erfahrungen gesammelt, ohne daB diese bisher Gegen-
stand einer breiten Diskussion im Arbeitsfeld geworden sind. Deshalb
ist die Arbeitsfeld-Tagung Ende Mai, die von der Bielefelder Gruppe
vorbereitet wird, schwerpunktma'Big dem Problem OTV-Arbeit gewidmet.
Hier kbnnen auch Genossen Anregung finden, die bisher Gewerkschaf ts-
arbeit ausgeklammert haben. Hat sich ein AKS erst einmal in den lo-
kalen uTV-Zusammenhang eingearbeitet, erscheint es keineswegs aufge-
setzt, auf der lokalen SB-Ebene in eine Diskussion liber sozialisti-
sche Gewerkschaf tsstrategie mit den GEW-Genossen aus dem SLB und den
Genossen aus dem Arbeitskreis Betrieb und Gewerkschaft einzusteigen,
die schlieBlich auch in uberregionale Tagungen mit den "express"-Genos-
sen einmlinden kbnnte.
nie von uns angeregte veranderte Sichtweise von Projekten sowie die
Notwendigkeit, arbeitslose Genossen und deren Qualifikation poli-
tisch effektiv einzusetzen, findet z.Zt. ihren Niederschlag in der
Diskussion um Mbglichkeiten von "Rotarbeit" im Rahmen der Antirepres-
sionskampagne des SB. Die damit beruhrten Fragen - Finanzierung der
Projekte liber einen Fonds aus Spenden berufstatiger Genossen, orga-
nisierte Rechtshilfe, informeller Stellenmarkt etc. - befinden sich
- 91 -
erst im Anfangsstadium der Bearbeitung. Das Redaktionskollektiv Info
Sozialarbeit wird u.a. auch dieses Problem in einer Arbeitsgruppe
auf dem Pfingstkongress diskutieren.
Der hier gemachte Versuch, mit Rlickblick auf die beiden letzten
Arbeitsfeld-Tagungen in Schnackenburg und Kassel, den Diskussions-
prozeS im Arbeitsfeld hinsichtlich der Perspektive der praktischen
Arbeit der AKS-Gruppen und der damit verbundenen Organisationsfrage
voranzu^reiben, hat nur dann einen realen Gebrauchswert, wenn er
zum AnlaB einer intensiven Diskussior, in den Gruppen genommen wird
und weitere Anregungen provoziert. Vor all em aber die konkreten Schwie-
rigkeiten bei der Umsetzung der aufgezeigten Perspektiven verdienen
eine intensive Verarbeitung und Verbreitung im Info. Diesem Erfah-
rungsaustausch auf einer fortgeschrittenen Ebene einen breiteren
Raum einzuraumen, verstehen wir als die organisierende Funktion des
I nf o s .
KLEINANZEIGEN
TERMINE
I Musik in der auBerschulischen Jugendarbeit - Arbeitswochenende vom
28. - 30. Mai in Miinster; Erfahrungsaustausch und Erarbeitung von
praktischen Mbgl ichkeiten des Musikeinsatzes. Informationen:
Heinrich Broskamp, Steinfurterstr. 113, 44 Miinster
• Repression und Freiraume an berufsbildenden Schulen - Arbeitstagung
flir Berufsschullehrer vom 4.6.-7.6. in Schlossborn/Taunus. Anmel-
dung bei Lehrergruppe Saarbrlicken c/o Politischer Buchladen,
Dudweilerstr. 69, 66 Saarbrlicken . .
I Wohnkollektiv-Treffen vom 21.-23. Mai 1976 in Ulmbach bei Stemau/
"K'rs. Schliichtern. Vorgesehene Themen: Institutionelle Bedingungen,
Arbeitssituation, Gruppen/Berater-Bewohnerprobleme, Offentlich-
keit, Perspektiven der Arbeit. Annieldung umgehend (nur 30 Pla'tze
vorhanden) bei: lite Armanski, Pariser Platz 2, 3 Miinchen 80,
Tel.: 039/454171
STELLENANGEBOTE
I Im Raum Frankfurt werden flir 2 Gesundheitszentren (medizinische
und psychosoziale Versorgung) firzte aller Fachrichtungen (insbes.
Primarversorgung) sowie MTA's,~A7zthelferinnen und Krankengymna-
stikerinnen gesucht. Kontakt: Verein zur hntwicklung undzum Be-
trieb von Gesundheitszentren, Kleine Schbnbuschallee 35,
875 Aschaffenburg
• Freiwillige Soziale Dienste in Nordhessen: Zur Arbeit mit Jugena-
lichen (16-24 J.) und mit pa'dag. Hitarbeitern suchen wir einen drit-
ten Menschen zum Team, Sozialpadagoge oder verwandte Berufsausbil-
dung, Bezahlung nach BAT. Bewerbungen an: Internat-Diakomsches
Jahr, 643 Bad Hersfeld, Alter Kirchweg 37, Tel. 06621/3099
92
Fiir unsere Bezirksgeschaftsstelle suchen wir zum 1.4. oder spater
eine(n) Sekretar(in); Voraussetzung:Maschinenschreiben, Buchflih-
rung, Biiroorganisation, Mitarbeit im padagogischen Bereich er-
wiinscht. Infomiationen/Bewerbungen an: SJD-Die Falken, Waldersee
Str. 100, 3 Hannover, Tel.: 0511/628297
Kinderarbeit im Arbeiterstadtteil - Blirgerinitiative sucht einen
Gruppenleiter(in), keine Praktikantenstel le; wer ist an Stadtteil-
arbeit interessiert? Wer kann Erfahrungsberichte liefern? Kontakt:
Ulrich Gartner, Nordalbingerweg 4, 45 Osnabrlick, Tel . :0541/78478
Flir Jugendwohngemeinschaft im Aufbau werden Mitarbeiter gesucht,
Praktikantenstel le wird demnachst eingerichtet; nahere Informationen:
Ulrich Gartner, Nordalbingerweg 4, 45 Osnabrlick
Sozia1arbeiter/-padagoge/Hauptschullehrer (weibl.) gesucht flir Pro-
jekt der beruflichen Qualifikation jugendlicher Arbeitsloser zur
Geschaftsflihrung und Jugendbetreuung. Praxis erforderlich. Bewer-
bungen an: Ulrich Hoeltz, Kaiser-Friedrich-Ring 61, 62 Wiesbaden
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We i terverkauf er ( i nnen ) flir den Direktverkauf. Verdienstmoglichkeit.
Interessenten wenden sich an AZ - die andere Zeitung.
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Erzieher flir Kinder- und Jugendarbeit mit "sozial Benachteil igten"
in Osnabruck gesucht, der gemeinwesenbezogen arbeiten kann.
Informationen Kinder- und Jugendhaus Bramscherstr. 11,45 Osnabrlick
Zwei Ersatzdienstleistende flir die Arbeit mit arbeitslosen Ougend-
lichen gesucht a) handwerkliche Fahigkeiten und Flihrerschein,
b) Kenntnisse aus dem gastronomischen Bereich. Information:
0611/730955
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I Sozialpadagoge (Dip!.) mit Erfahrung in der auBerschulischen
(gewerkschaftlichen) Jugend- und Erwachsenenbildungsarbeit sucht
Anstellung mbglichst im Raum Baden-Wurttemberg, Angebote unter
Chiffre 4/23 an Sozial istisches Bliro
I Sozialpadagoge (Dipl.) sucht Stelle im Raum Ffm. -Heidelberg (GWA,
Kinder- und Jugendarbeit, politische Bildung o.a.); Rainer Steen,
Stresemannstr. 20, 355 Marburg
I Dipl .Sozialwissenschaftlerin z.Zt. an einer Berufsschule tatig,
sucht Tatigkeit in der Jugendarbeit oder Erwachsenenbildung.
Brunhild Ewinghaus, Am alten Stadtpfad 39, 463 Bochum.
I Beruf sprakti kantenstel 1 e (Kinder- und Jugendarbeit oder GWA)
ab Sept. 1976 in Berlin gesucht; Bernd Euscher, Oeder Weg 41,
6 Frankfurt
• Erzieherin sucht Praktikumsstelle im Kinderheim ab August 1976 in
Hessen; H.G. Ritz, 64 Fulda, von Stauffenberg-Str. 10
• Nach AbschluB der Fachoberschule f. Sozial padagogik im Juli 1976
wird eine Stelle im Ersatzdienst im Raum Bonn gesucht. Angebote
unter Chiffre 3/23
| Hauptschullehrer sucht zum 1.10 Zivildienststelle in der Jugendar-
b'e'it. Zuschriften unter Chiffre 5/17 an Sozial istisches Biito
I Medizinalassistentin will im Raum Essen-Oberhausen-Gelsenkirchen
auf Stellensuche gehen und sucht Kontakt zu Genossen im Gesundheits-
wesen. Zuschriften unter Chiffre 5/18 an Sozial istisches Bliro
- 93 -
ARBE I TS-/WOHNKONTAKTE
( Wer mbchte eine sol idarische Arbeit mit psychisch "Kranken" in
Gottingen und Umgebung mitaufbauen helfen? Kontakt: Gottfried
Tonhauser, Erfurter Str. 3 (Anbau), 34 Gottingen 12
I Kasseler Wohngemeinschaft sucht berufstatigen Sozialarbeiter, der
sich als Verkaufer seiner Arbeitskraft und nicht als caritativer
Heifer der Menschheit begreift. 0561 - 77812
I Suche Leute in Raum Mannheim, die in der Psychiatrie arbeiten und
mir durch Informationen den Arbeitseinstieg erleichtern kbnnen.
Jutta Steen, Stresemannstr. 20, 355 Marburg
I Gruppe sucht Informationen fur alternative Arbeits- und Lebensfor-
men mit sog. psychisch Kranken; RatschlSge, informationen, Adressen
anT L. Sander, Rotenbergstr. 23, 66 Saarbrucken
• Suche Material u. Adressen von Elternqruppen geistig behinderter
Kinder. Use Kleinheisterkamp, Moselstr. iz.Koln 1
I Sozialpadagogik-Student sucht fur Examensarbeit Material uber
Lehrlingsarbeit im Freizeitbereich. Kalle Altenbrunner, Rastenbur-
gerweg 2, 34 Gottingen
I Wer hat Material bzw. Erfahrungen zum Thema "Rolle der polit. Ued-
kultur in gesellschaftl. Auseinandersetzungen" zwecks Verwertung
in einer AbschluBarbeit. Christoph Haas, Charlottenstr. 12,
I Berufspraktikant SA sucht ab Juni/Juli/August ein Zimmer in einer
Wohngemeinschaft. kontakt: Konni Seigfried, 67 Ludwigshafen,
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1 FHS-Studentin sucht fur ihre Examensarbeit Material und Literatur
zum Thema "Spiel im Vorschul alter als Bereich soz. Lernens
Rollenspiel, Barbara Greuz, Hammerstr. 184, 4400 Mlinster
I Suche fUr jugendlichen Strafentlassenen (21 Jahre) drnngend Platz
in einer Wohngemeinschaft. Kontaktadresse: Rita Erben, In der
Stelle 8, 7413 Gomaringen/Tu'bingen
■ Wer hat Interesse, mit uns ein Haus a.d.Lande (Nahe Hamburg) zu
mieten oder zu kaufen? Ober den reinen Freizeitwert des Hauses hin-
aus sollen auch einzelne Veranstaltungen zur Politbkonomie, Hrauen-
bewequng, Padagogik und Kinderbuch, Sexual- und Kunstpadagogik
durchqefuhrt und auch gemeinsame Projekte entwickelt werden.
Christian u. Helmut, Tel. 040/479347 u. 450390.
94 -
Arbeitsgruppe Jugendarbeitslosigkeit :
AUSWIRKUNGEN DER OKONOMISCHEN UND
POLITISCHEN REPRESSION IM BEREICH DER JUGENDARBEIT
- Vorbereitungspapier zum Antirepressions-Kongress -
Augenfa'llig und fur jeden sichtbar signal isieren
- die Jugendarbeitslosigkeit,
- der verscharfte numerus clausus
- Berufsverbote und
- Abstriche in den Reformvorstel lungen und Finanzierungsspielraumen
der staatlichen Jugendpolitik
die veranderten okonomischen und politischen Voraussetzungen fur eine
emanzipatorische Jugendarbeit.
Die Jugendarbeitslosigkeit verweist auf die strukturellen Defizite
im gesamten Bereich der Arbeitsplatzsicherung und des Ausbildungs-
systems. Numerus clausus, Berufsverbote und veranderte staatliche
Jugendpolitik zeigen einerseits die materiellen Grenzen der Reform-
hoffnungen der letzten Jahre an und sind andererseits zum Mittel der
politischen Repression gegen emanzipatorische Jugendarbeit und Bil-
dungspolitik geworden. Es wird nun deutlicher als zuvor, daft sich
die Bereiche der Jugendarbeit, der Beruflichen Bildung und der soz-
ial staatlichen MaI3nahmen gegen Arbeitslosigkeit entgegen alien Re-
formversprechen in die Notwendigkeiten des kapitalistischen Kalklils
zur Krisenbewaltigung einzufligen haben.
Die Ansatze zu selbstandiger, an den Interessen der Jugendlichen
orientierten Arbeit im Bereich der Jugendzentren und Jugendgruppen-
arbeit haben nun neben dem verscharften Arbeits- und Konkurrenzdruck
in den Betrieben und urn Ausbildungsplatze auch mit den erklarten
Integrationsabsichten der staatlichen und verbandl ichen Jugendpolitik
zu kampfen. Diese auBern sich
mv\ der Kurzung, bzw. Umverteilung von Mitteln fur die politische
Jugendarbeit zugunsten kompensatorischer MaBnahmen fur sog.Rand-
gruppen;
Ai'i der Einfrierung oder Streichung von Stellen und Mitteln fur of-
fene Jugendhauser und die politische Bildungsarbeit der Verba'nde;
Aim Riickiug der Verba'nde und Organisationen auf ihre ureigensten
Verbandsinteressen und - ideologien, unter faktischer Aufgabe all-
gemeiner, emanzipatorischer Zielsetzungen in der praktischen Arbeit;
Ain einer wachsenden politischen Kontrolle der beschaftigten Sozial-
arbeiter und Referenten fur politische Bildungsarbeit;
gin der verstarkten Disziplinierung bis hin zur Kriminalisierung
derjenigen Jugendlichen, die urn Freiraume flir ihre politische Ar-
beit und Freizeitorganisation kampfen.
Notwendig ist angesichts dieser Entwicklungen,
0die Kommunikation zwischen den verschiedenen Stellen und Bereichen
einer politischen Jugendarbeit zu starken;
•den Zusammenhang zu Auseinandersetzungen und Entwicklungen im be-
trieblichen und gewerkschaftl ichen Bereich herzustellen;
- 95 -
qzu effektiven Forraen des Selbstschutzes und der Gegenwehr zu kommerr,
es ermbgl ichen, nicht allein Opfer der okonomischen und politischen
Repression zu sein.
Dazu sollten wir im einleitenden Plenum bis etwa 12 Uhr zunachst ein-
mal Erfahrungen austauschen, urn dann in kleineren Arbeitsgruppen ge-
nauer auf unsere Arbeitsbedingungen und Moglichkeiten der organisier-
ten Zusammenarbeit, sowie der Unterstlitzung betroffener Gruppen und
Einzelner einzugehen.
Folgende Arbeitsgruppen sind vorgesehen:
1. Staatliche Jugendpol itik in Bezug auf Jugendzentren
Anhand eines Berichtes um die Entwicklung und Auseinandersetzurgen
in einem selbstverwalteten Jugendzentrum werden die staatl ichen Re-
striktionen und Probleme der gegenwartigen Jugendzentrumsarbeit dar-
gestellt und diskutiert.
2. Staatliche Finanzierungspolitik und Probleme der Juqenriverhandsarbeit
Hier gent es urn die Analyse der SparmaBnahmen, Umverteilungen und Be-
schrankungen in der politischen Jugendarbeit der Verbande und um die
Moglichkeiten von Bildungsarbeitern und Ougendgruppen, emanzipatorische,
interessenorientierte Ansatze gegen verbandsbornierte Ansprliche zu
behaupten.
3. Mabnahiiicr; der BAA neoen Jugendarbeitslosigkeit
Die Anstrengungen der Bundesanstalt fur Arbeit, die Jugendl ichen Ar-
beitslosen von der StraBe zu bekommen, dieneneher der Verschleierung
des AusmaBes und der Ursachen von Jugendarbeitslosigkeit, als daB sie
den Betroffenen wirksame Hilfe bringen kbnnten. Neben einer Einschat-
zung der FordermaBnahmen der BAA und der Interessenkoal itionen mit
Verbanden und Betrieben soil en auch Beispiele von Synthese-Projekten
von beruflicher und politischer Bildung vorgestellt werden.
4. Erfahrunaen von ArhpJT-slosenimtiflHvpn
Die bisherigen Erfahrungen mit Arbeitsloseninitiativen sollen im Hin-
blick auf die Organisierbarkeit und Moglichkeiten der Interessenswahr-
nehmung von arbeitslosen Jugendlichen genauer diskutiert und Moglich-
keiten der Kooperation mit anderen Bereichen gesucht werden.
5. Zum Zusamnenhang von gewerkschaftl icher und ^sS^ZSSlIMi -flrhpit-
Bislang ist die Jugendzentrumsbewegung weitgehend isoliert von der
gewerkschaftl ichen Jugendgruppenarbeit verlaufen, obwohl es in der
Lehrlingszentrenbewegung durchaus Berlihrungspunkte gab und auch heute
an einigen Orten ein engerer Zusammenhang besteht. Welche Erfahrungen
liegen vor und wie kann eine Zusammenarbeit zwischen beiden Bereichen
verbessert werden?
6. Betriebliche und gewerkschaftl iche Auseinandersetzungen um Aus-
hildungsplatze und Obernahme yon Lehrlinoen
Die Jugendarbeitslosigkeit ist mindestens ebenso ein Problem fur die
arbeitenden Jugendlichen im Betrieb. Die Forderung nach qual if izierten
Ausbildungsplatzen, gegen Personalabbau und fur Obernahme der ausge-
bildeten lehrlinge in ihrem Beruf wird nicht am Verhandlungstisch ent-
schieden werden. Bei der gegenwartigen Unentschlossenheit der Gewerk-
schaften kommt es, wie die Beispiele von BASF und MERCK zeigen, ent-
scheidend auf die Aktivitaten der Jugendlichen im Betrieb an, ob diese
Forderungen durchgesetzt werden konnen oder nicht.
JNFORMATIONSDIENST
SOZIALARBEIT
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Unterdriickung + Tauschung
= ENTFREMDUNG
Unterdriickune + Gewahr-Sein
= ZORN
BEFREIUNG =
Gewahr-Sein + Konflikt
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Offenbach im Oktober 1976
Einfachnummer - Preis 4,--
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