INFORMATIONSDIENST
SOZIALARBEIT
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Schwerpunktthema:
SOZIALARBEIT IN JUGENDZENTREN
AuSerdem: Sozialarbeit ist Lohnarbeit
Jugendhilferecht
Jugendpolitisches Forum
Offenbach im Januar 1975
Doppel nummer - Preis flinf Mark
/1JJZ
Dieser Informationsdienst Sozialarbeit wird im Sozial i stischen Buro
von Gruppen, die im Sozialisationsbereich arbeiten, herausgegeben.
Der Info dient der Kommunikation und Kooperation von Genossen, die
mit sozialistischem Anspruch im Feld der sozialen Arbeit tatig sind.
Bisher sind erschienen:
Heft 1: "Fursorgeerziehung" (72 S./DM 3.--)
Heft 2: Sozialarbeit in Insti tutionen - Geschichte des AKS Frankfurt
- Probleme der Sozialarbeit bei Treien Tragern u.a. (80 S./DM 3. — )
Heft 3/4: Sozialarbeit zwischen Selbstorganisation und Burokratie -
Fursorgezoglinge nehmen ihre Sache selbst in die Hand - LehrstUck
Brackwede oder die objektiven Grenzen fortschrittl ichpr Jugendamts-
politik im Recht u.a. (96 S./DM 5.--)
Heft 5: Zur Organisierung im Sozialisationsbereich - Funktion dei
Sozialarbeit - Diszipl inierung in der Fafli Neukblln u.a. (104 S./DM 5.
Heft 6: Jugendhi lferecht und Jugendhilfetaq (72 S./DM 3.--)
Heft 7: Jugendhi 1 fetag - Materi alien der Sozial istischen Aktion
(80 S./DM 4. — ) ' ~
Heft 8: Reform und Reformismus als Problem praktischer Politik in der
Sozialarbeit - 6 Kurzbenchte - Nachrichten/Hinweise (77 S./DM 4.--)
Herausgeber: Sozial istisches Buro
6o5 Offenbach 4, Postfach 591
Verleger: Verlag 2ooo GmbH Offenbach
Erste Auflage; Januar 1975, 5000 Exemplare
Alle Rechte bei dem Herausgeber
Vertrieb: Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4
Postfach 591, Hone Str. 28 (Souterrain)
Postscheck Frankfurt Nr. 51041-604
Preis: Einzelexemplar DM 5.--
Bei Abnahme von mindestens lo Stuck 2o % Rabatt
Weiterverkaufer (Buchladen, Buchhandel) 4o % Rabatt
jeweils zuzuglicn Versandkosten
Der Info kann auch im Abonnement bezogen werden. Bezugsgeblihren fiir
das Jahr 1975 DM 10.-- + DM 2.80 Versandkosten. Das Jahresabonnement
enthalt vier regulare Ausgaben (Einfachnummern) . Die Einfachnummer
kostet DM 3.-/4. — , eine Doppel nummer DM 5.--.
Verantwortlich: Redaktionskol lektiv Info Sozialarbeit
Presserechtlich verantwortlich: Glinter. j>abst Offenbach
Druck: hbo-druck Bensheim
■'■A-
INFO SOZIALARBEIT, Heft 9
INHALT
Vorbemerkungen zu dieser Ausgabe Seite 3
Gerd Rieger:
Politik in Jugendzentren Seite 7
Almut Jbdicke:
Madchenarbei t in Jugendzentren Seite 21
AKS DLisseldorf:
Bericht von der
Jugendzentrumstagung, DLisseldorf, vom 25. -27. lo. 1974 Seite 27
Autorengruppe Bremen:
Politische Bildungim dugendfreizeitheim
unter der Zielsetzung einer stadttei Ibezogenen Arbeit Seite 31
Timm Kunstreich:
Sozialarbeit ist Lohnarbeit Seite 41
Aktiv R 16 Koln/AKS DLisseldorf:
Der Referentenentwurf - Jugendhilfegesetz von Burokraten
II. Teil Leistungen der Jugendhilfe Seite 50
Redaktionskol lektiv:
Bericht zum Jugendpol i tischen Forum Seite 59
Detlef Garbe:
Jugendpolitisches Forum
Beobachtungen - Erkenntnisse - Erfahrungen Seite 72
Professorengruppe:
Stellungnahme zur Absage des 5. DJHT
und zum Jugendpol itischen Forum Seite 75
Repressive MaBnahmen im Sozialbereich
5 Kurzberichte , Seite 77
Redaktionsmitteilungen Seite 85
Nachrichten/Termine Seite 89
Material i en Seite 93
Kleinanzeigen Seite 95
INFORMATIONSDIENST
ARBEITERBILDUNG
Schwerpunktthema:
BILDUNGSARBEIT MIT LEHRLINGEN
IN EINEM PARTNERSCHAFTSBETRIEB
"Immtr miidbtr XuAft, Ju**f*r M**>* • W'r s>W ZHttr
em PbtH*erstt,&/Vs6tJr*e*, *bv W/«mi dec d*/*e,
B*int un^r mti»u» TTseh tt*s+f ka£+s+ &u die/,
tn*t 6nu/ zunUk ! "
VORBEMERKUNG ZU DIESER AUSGABE
Dieser Info Arbeiterbildung Nr.8 (96 S. DM 5, — ) dokumentiert den
Bericht uber einen "Betriebsunterricht " mit etwa 3o Lebrlingen in
der Firma Joh.Friedrich Behrens, Ahrensburg und vermittelt somit
Materialien zur Bildungsarbeit in Partnersehaftsbetrieben.
1m Rahmen dieses "Betriebsunterrichts" wurde ein Film gedreht :
HIER HUSSEM DIE LEHRLINGE SELB3T AKTIV WERPEN
(Lohnver hand lung en 73/7^ in einem Partnerschaftsunternehmen)
Anfragen beziiglirh des Films an das Redakt ionskollektiv des Tnfo
Arbeiterbildung, c/o Sozialistisches Biiro, 6o5 Offenbach It,
Postfach 591 (bi-tte nur schrif tlich ) ; die Anfragcn werden an das
Produzenten-Kol ! rkt iv ueitergeleitet , das each benachrichtigt .
Ausgangspunkt der Arbeit von Gruppen am Informationsdienst Sozial-
arbeit 1st die Praxis der Sozialarbeiter und die daraus resultieren-
den Probleme. Wir wollen durch unsere Beitra'ge aktuelle Bewegungen
im Bereich der Sozialarbeit, in verschiedenen Praxisfeldern und Be-
rufssituationen beschreiben und Handlungsmbgl ichkeiten diskutieren,
die einen Beitrag fur die Weiterentwicklung einer sozial istischen
Strategie sein konnten.
Nach der Studenten- , Schuler- und
Jugendzentrumsbewegung. Jugendl ich
kampften gemeinsam fur selbstverwa
gierte Sozialarbeiter unterstiitzte
Einige arbeiten in Initiativen fur
mit, andere lassen sich hauptamtli
einstellen, wieder andere versuche
Jugendfreizeitheimen Selbstorganis
zu unterstlitzen und fordern und en
zeptionen.
Lehrlingsbewegung entstand die
e, Sozialarbeiter und Studenten
tete Jugendzentren. Viele enga-
n und unterstlitzen diese Bewegung.
selbstverwal tete Jugendzentren
ch bei den Kommunen als "Berater"
n, in kirchlichen und kommunalen
ationsprozesse der Jugendl ichen
twickeln stadtteilbezogene Kon-
Die ersten Erfahrungen mit Jugendzentren und
und es scheint, daB mittlerweile die mit der
'revolutionarer Berufspraxis ' verbundenen II
sind. Resignation und Desorientierung machen
wie zu der Zeit, als Sozialarbeiter, die sich
kollektiv-Bewegung" engagiert hatten, erkannt
sei,die Gesellschaft durch Erziehungskonzepte
verandern und sich der scheinbar besseren pol
Jugendzentrumsbewegung zuwendeten, so zeigen
Tendenzen, Resignation und Desorientierung du
bar relevantere Praxisfelder (Gemeinwesen - u
liberwinden.
-heimen wurden gemacht
'Freiraumideologie' und
usionen restlos zerstbrt
sich breit. A'hnlich,
in der "Jugendwohn-
en, daB es unmoglich
wie "Kleinheime" zu
itischen Praxis der
sich auch heute wieder
rch die Flucht in schein-
nd Stadtteilarbeit) zu
Einige Sozialarbeiter fu'hlen sich bestatigt: "Wir haben schon immer
gesagt, daB politische Arbeit auBerhalb der Arbeitszeit (des Sozial-
arbeiters - d. Red.) stattzuf inden hat; das Proletariat ist nicht in
den Jugendfreizeitheimen, sondern arbeitet in den Betrieben." Die
Trennung von Produktions- und Reproduktionsbereich scheint uns jedoch
falsch. Es gilt, im vollen BewuBtsein der Grenzen der Arbeit im Frei-
zeitbereich, eine Praxis zu entwickeln, die tendenziell die gesamte
Lebenspraxis politisiert, eingeschlossen die des Sozialarbeiters.
Das Jugendpolitische Forum in Frankfurt zeigte, daB die "undogmati-
sche Linke" noch kaum klare Konzepte fUr eine politische Praxis im
Arbeitsfeld Jugendzentren Oder -freizeitheimen liefern konnte und
auch den plakativen Aufruf der Integration in die "Vol kskampfe" (?)
nicht folgen kann. Die
heimen (Schlagereien,
und Arbeiterjugendl ich
s ion . Der Kommunikatio
gruppen und -Individue
bzw. ausgebaut werden,
(siehe dazu: MATERIALI
Jugendarbeit, Heft 12)
taglichen Erfahrungen in den Jugendfreizeit-
Drogenprobleme, Konflikte zwischen Schulern
en) waren viel zu wenig Grundlage der Diskus-
nszusammenhang zwischen linken Sozialarbeiter-
n im Freizeitbereich muB erst hergestellt,
um eine mbgliche "Pol i tik in Jugendzentren"
EN zur THEORIE UND PRAXIS demokratischer
diskutieren zu kbnnen.
Die Jugendzentrumstagung in Dlisseldorf zum Thema: "Rolle und Funk-
tion von Sozialarbei tern in Selbstorganisationsprozessen" , zu der
der AKS Diisseldorf einlud und zu der ca. 50 Genossen erschienen,
zeigte ebenfalls die Enttauschung und Ratlosigkeit vieler Sozialar-
bei ter und Vertreter von Initiativgruppen. Nachdem Initiativen in
ihrer Region ein Jugendzentrum erkampft hatten, folgte meist eine
Phase der Stagnation (politische Ziellosigkeit) . Die politische
Brisanz geht verloren, Aktivisten Ziehen sich zuriick und eine inhalt-
liche Neubestimmung der Arbeit im Jugendzentrum blieb meist aus.
Wie macht man Politik im Jugaidzentrum und wie sollen sich linke
Sozialarbeiter dazu verhalten? Mit der Jugendzentrumstagung hatte
der AKS nicht den Anspruch, die Jugendzentrumsbewegung zu organi-
sieren und das beste Selbstverwal tungsmodell auszutiiffteln (wie etwa
Bestrebungen beim Koordinationsburo Neustadt); es ging uns auch we-
niger um die Organisierung der Jugendzentrumsbewegung auf einem in-
haltlich ausgewiesenen, sozialistischen Konzept (wie etwa Bestre-
bungen beim BDJ/BDP - Material ien siehe oben), sondern wir wollten
von den Erfahrungen der Sozialarbeiter in Jugendclubs und -heimen
ausgehend ihre Mbgl ichkeiten zur Unterstiitzung der Arbeiterjugend-
lichen und ihren Kampf zur Verbesserung ihrer gesamten Lebenssitua-
tion diskutieren.
Die Vorbereitung fur die Tagung lief schlecht. Uns fiel es schwer,
neben unserer Arbeit auf dem Abenteuerspielplatz, in der Obdachlo-
senarbeit, Jugendclubs usw. die nbtige Distanz zu den konkreten An-
forderungen aus der Praxis zu gewinnen, um sie zu verallgemeinern
und Handlungsalternativen zu entwickeln.Wir vermochten nicht, neben
unserer taglichen Arbeit zusatzliche Untersuchungsarbeit in anderen
Jugendfreizeitheimen durchzufuhren und samtliche Literatur zu diesem
Thema aufzuarbeiten. Auch die uns zugeschickten Erfahrungsberichte
sagten wenig aus liber die von uns formulierten Fragenstellungen zur
Rolle und Funktion von Sozialarbeit in Jugendzentren (siehe Info Nr.7),
sie blieben allgemeinen Problemen verhaftet, die schon ausfuhrlich
in anderen Zeitschriften behandelt worden sind.
Wir werden daher auf eine allgemeine Einscha'tzung der JZ-Bewegung
und der Rolle und Funktion von Sozialarbeit verzichten. Im Mittel-
punkt dieses Heftes stehen daher Erfahrungsberichte aus dem Jugend-
zentrum Mettmann, in denen die konkrete Arbeit von Sozialarbeitern
beschrieben wird. Sie zeigen auf der einen Seite die Schwierigkeiten,
vor die sich eine interessenbezogene Arbeit gestellt sieht, bzw.
wie eine an formale Selbstverwaltungsvorstellungen gebundene Sozial-
arbeit den EntpolitisierungsprozeB unter den Jugendlichen fbrdert.
Aus den gemachten Erfahrungen werden erste Konsequenzen fur die zu-
klinftige Arbeit abgeleitet.
Konsequenzen aus ihrer bisherigen Arbeit im Jugendfreizeitheim haben
auch die Bremer Kollegen gezogen und ausgehend von einer thesenarti-
tigen Einscha'tzung der Politischen Bildungsarbeit im Freizeitheim
ein Konzept einer stadtteilbezogenen Jugendfreizeitheim-Arbeit
entwickelt.
Neben diesen Schwerpunktthemen enthalt der Info einen Beitrag zur
Funktion der Sozialarbeit (die Thesen zur objektiven Funktion der
Sozialarbeit und dem subjektiven BewuBtsein der Sozialarbeiter, was
zu verschiedenen Orientierungen in der Sozialarbeit fUhrt, beziehen
sich auf eine im Hamburger Ougendamt durchgeflihrte empirische Unter-
suchung der tatsachl ichen Arbeitsvollzlige von Sozialarbeitern), der
Organisationsfrage, dem Jugendpolitischen Forum, dem Jugendhilfe-
recht sowie Kurzbeitra'ge und Hinweise.
Wir sind uns darliber im klaren, daB die Beitrage mehr Fragen aufge-
worfen als beantwortet haben. Aber dies scheint uns insgesamt in der
Sozialarbeit der Fall zu sein. Angesichts der wirtschaftl ichen Krise,
der zunehmenden Arbeitslosigkeit mit ihren sozialen Folgen, dem
Scheitern der Reformmodelle und den zunehmenden politischen Diszi-
linierungen und Berufsverboten, ist unsere Arbeit neu zu uberdenken.
Neben dieser Aufgabe, wird es Aufgabe aller am Info mitarbeitenden
Genossen sein, den ProzeB der politischen Stabil isierung 'linker
Sozialarbeit' und der in ihr tatigen Genossen mit Hilfe von weite-
ren Seminaren, der Info-Arbeit und der praktischen Arbeit am Ort
mit anderen sozialistischen Gruppen zu forcieren.
Die Jugendzentrumstagung und die Diskussionen auf dem Jugendpoliti-
schen Forum in Frankfurt haben uns jedenfalls gezeigt, daB plakati-
ve Losungen fur unsere Arbeit unbrauchbar sind, wenn es nicht ge-
lingt, sie mit unseren taglichen Erfahrungen und denen unseres
"Klientels" zu vermitteln. In der Unzufriedenheit vieler Sozialar-
beiter spiegelt sich aber auch die Schwierigkeit, das Dilemma der
professionellen Sozialarbeit zu bewaltigen. Der in alien mbgl ichen
Arbeitsfeldern der Sozialarbeit wiederzuf indende Konflikt, unter dem
Legitimationszwang vor dem Anstellungstrager die Interessen des
"Klientels" zu unterstutzen, wird wahrscheinl ich nicht von Sozial-
arbeitern allein gelbst werden kbnnen. Einen Beitrag dazu kbnnten
sie aber leisten, indem sie sich mit anderen Sozialarbeitern zusam-
menschlieften (z.B. in AKS-Gruppen) und sich in der Gewerkschaft or-
ganisieren, um von dort aus bei der Durchsetzung ihrer Interessen
(bzw. der Interessen der von Sozialarbeit Betroffenen) starkeren
Druck ausuben zu kbnnen.
f RZIEHUNG UND
KLASSENKAMPf
Zeitschrift fiir marxistische Padagogik
lm Abonnement (5 Ausgaben) DM 22.-
Einzelheft DM 5 .-, Doppelheft DM 10.
Nr. 10/11
Zur Einschaizung der Jugcndzentrumsbewegung I Be-
richtc aus Jugendzenlren / Zur Kontroverse urn das
Geoig von Rauch-Haus / Rezensionen
yb.12 _ . ,
Kritik nalurwisscnschaftlicher Curricula
Nr. 13
Jugendfragc im Kapitalismus
Nr. M
Perspcktiven einer r
:uen Studemenbewegung
Nr. 15/16 .,
Zur Knlik staatlicher lugcndpolltlk und Jugendpflege
in der BRD
AMERIKKKA'
in Lese-
Bilder-
Buch
Amerika fuhrt Krieg / Aus den 30er Jahren
Leben aus dem Ghetto / Der schwarze Cham-
pion / Blue Collar • Industriearbeit / Suburbia
Schule der Nation / Creating the Message
Schwarze Geschichte / amerikanische Text-
beispiele
288 S., iiber 100 lUustrationen, im Ringbuch Oder
ah Schulausgabe im Pappband, ty& 1 6-'
Saubere Mattel
Starke Genossen
Die roten Ein-Mark-Romane der KPD der VVei-
marer Republik haben in Westdeutscliland in
den letzten Jahren eine fragwiirdige, vertrackt
nostalgische Popularitat gefunden.
Michael Rohrwasser weist in kritischer Text-
analyse nach, daB diese „proletarisch-revolutio-
nare" Literatur zum grofiten Teil ihren Vorbil-
dern im biirgerlichen Trivialroman bis in traditio-
nell-autoritare Sprach- und Denkmuster verhaftel
bleibl. Wahrend die faschistische Machtiiber-
nahme sich vorbereitet.benutzt diese Literatur
die Ebene der kleinbiirgerlichen Frivatheit als
Element einer sich des unaufhaltsamen Sieges
versichernden Politik.
Der Bereich des Priwten / Die Frau als Hemm-
schuh der politischen Arbeit / Sexualfeindlich-
keit I Der mannliche Kommunismus / Sozialfa-
schhmus und Lagermentalitat
viele Illustrationen, 1 20 S., DM 7.80
V-
pJwL°l
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Veriag Roter Stem
6 Frankfurt Postfach 18 0147
Gerd Rieger:
POLITIK IM JUGENDZENTRUM METTMANN
Vorbemerkung:
Seit 1972 arbeite ich als nebenamtl icher Mitarbeiter,bzw. Teamer im
Jugendzentrum Mettmann. flettmann ist eine Kleinstadt, ctwa 20 km von
Dlisseldorf entfernt. Das Jugendzentrum besteht seit Oktober 1972 und
ist durch sein Selbstverwaltungsmodell bundesweit bekannt. nas Modell
gilt fiir viele Initiativen als Vorbild. Aber die Schwierigkeiten
und Konflikte, die in dem Jugendzentrum aufgetaucht sind, kennen sie
nicht.
Dieser Bericht soil zeigen, v/ie Sozialarbeiter durch ihre Praxis den
Entpol itisierungsprozeB von Jugendl ichen forderten. Er zeigt besonders,
da3 Ansatze fortschrittl icher Arbeit auch durch "gewerkschaf tl ich
orientierte" Sozialarbeiter verhindert werden konnen. Gleichzeitig
versucht er aber, Perspektiven fortschrittlicher Handlungsmoglich-
keiten fiir Sozialarbeiter im Jugendzentrum zu bestimmen.
Die Entwicklung des Jugendzentrums
Ten: Von Oktober 72 bis September
das Jugendzentrum "Alter Mi 1 chhof "
terwohlfahrt. Seit Oktober 73 wird
Bau durch die Stadt getragen.
Heute arbeitet in diesem Jugendzen
beitern. Das Team ist in zwei Frak
legten Griinden verzichten wir hier
zeichnung der verschiedenen Frakti
Fraktion (Gremienfliigel ) vorwiegen
und Verhandlungsstrategien mit der
chen wir (Sel bstorganisationsfluge
und Bediirfnisse von Arbeiterjugend
Veranderungsmbgl ichkeiten ihrer Le
aus fiir ihre Existenzbereiche zu v
laftt sich in zwei Phasen eintei-
73 verwalteten die Jugendlichen
unter der Tragerschaft der Arbei-
das Jugendzentrum in einem neuen
trum ein Team von zehn Sozialar-
tionen gespalten. (Aus wohluber-
auf eine parteipol itische Kenn-
onen - die Red.) Wahrend die eine
d mit Gymnasiasten Gremienpol iti k
Stadtverwaltung betreibt, versu-
1), die spezifischen Interessen
lichen aufzugreifen und praktische
benssituation vom Jugendzentrum
ermi tteln.
So sieht momentan die Situation im Jugendzentrum aus:
"Das selbstverwaltete Juaendhaus Mettmann wurde nach dem letzten
Samstag von der Stadt in Ubereinstimmung mit den Jugendlichen
(? d. Red.) und Sozialarbeitern geschlossen", schreibt der "Rat der
Sprecher", das sog. Selbstverwaltungsgremium des Jugendzentrums in
einem Flugblatt vom 11.1.75. Uie kam es dazu? Die diensthabenden
Sozialarbeiter (Gremienflu'gel ) riefen die Polizei wegen Schlagereien
im Haus. "Diesmal aber warden sie (die Polizisten) von den beiden
Sozialarbeitern, die wahrend des Krawalls Dienst hatten, unterstiitzt
und dringend gebeten, das Haus zu scklieBen. " (Westdeutsche Zeitung
14.1.75). Die Polizei verzog sich schnell , als die Jugendlichen sie
vor dem Haus mit "Bullenpack, haut ab" beschimpften. Die Sozialar-
beiter blieben allein im Haus zurlick. "Dagegen meuterten die Jugend-
lichen erst recht und dann kam es auch zu dem EinUerfen der Fenster-
echeiben." (Ml) Sie stieBen die EingangstUre auf und drangen ins Haus
ein. Die Sozialarbeiter zogen sich in das BUro zurlick und schlossen
sich ein. Sie riefen erneut die Polizei, die daraufhin einen Jugend-
lichen als Anstifter verhaftete. "Drei ROdelsfuhrer sind inzwischen
der Stadtoerwaltung namentlieh bekannt. Sie werden in erster Linie
herangezogen, wenn es darum geht, die SchSden zu reparieren. Das
tvifft sie am Geldbeutel und ist vielleieht der einzige Weg, von
ihnen Ruhe zu erwarten." (WZ) Mit quietschenden Radern verlieBen
die Sozialarbeiter unter Polizeischutz Mettmann. "Gestern abend
trafen sich die Jugendlichen (? die Red. ) und die Sozialarbeiter, urn
zu Uberlegen, wie ein geordneter Betrieb im Haus Weiterlaufen konnte.
Dabei sind sioh die Vier Sozialarbeiter und die aktiven Jugendlichen
dariiber im Klaren, • ■ ■ dali neue Wege gefunden werden miiBten, urn die
Gruppe von Randalierern in den Griff zu bekommen und wieder einen
geordneten Betrieb im Jugendzentrum herzustellen. " (Rheinische Post
14.1.75)
Wie die Situation im Jugendzentrum wieder "in den Griff" zu bekommen
ist, wissen die Gymnasiasten des "Rat der Sprecher (RdS)" und einige
Sozialarbeiter schon: "Wir, d.h. Sozialarbeiter, 'RdS' und Jugendli-
che werden demnaohst konsequenter durchgreifen mttssen, d.h. wir
werden den Jugendliahen, die Alkohol und sonstige Drogen mit ins
Jugendzentrum brinaen, oder Sahldgereien anzetteln, Hausverbot er-
teilen." (Flugblatt des 'RdS', 14.1.75)
Polizeieinsatz und Hausverbote sind m.E. keine adaquaten Antworten,
um auf die Vernal tenswei sen von Arbeiterjugendlichen, die sich aus
der verscharfenden Lebenssituation ergeben, zu reagieren. Perade
fur die arbeitslosen Jugendlichen, die in groBer Zahl am Konflikt
beteiligt waren - es gibt etwa 300 arbeitslose Jugendliche in Mett-
mann - ist es notwendig, das Jugendzentrum den ganzen Tag zu dffnen,
um ihnen zunachst die Mdglichkeit zu geben, sich mit anderen Arbeits-
losen treffen und liber ihre Situation reden zu kbnnen. Anstatt mit
Hausverboten zu strafen, sollte sich die Arbeit verstarkt auf die
Betroffenen und ihre Situation der Arbeitslosigkeit konzentrieren.
Die repressive Praxis einiger Sozialarbeiter und Jugendlicher aus
dem 'RdS' markiert den Hohepunkt der falschen Politik, die das ge-
samte Team seit zwei Jahren betrieben hat. Um die Entwicklung dieser
Praxis nachzuzeichnen, Kritik unserer Fehler und eine Neubestimmung
der Arbeit zu leisten, muB der Entstehungszusammenhang des Jugend-
zentrums dargestellt werden.
Die Sozialarbeiter im 'Alten Milchhof waren fast ausschlieBl ich Mit-
glieder des AKS Dusseldorf. Da die Entwicklung des Jugendzentrums
wesentlich durch die AKS-Mitglieder bestimmt wurde, werde ich in die-
sem Bericht auch auf die Entwicklung im AKS eingehen. Ein Teil der
ehemaligen AKS-Mitglieder ist seit September 1974 aus der Arbeit im
Jugendzentrum ausgestiegen.
Dieser Bericht zeigt noch wenig positive Alternatives Dies 1 iegt
vor allem daran, daB eine alternative Arbeit des "linken Flligels"
erst in den Anfangen steckt. Dieser Beitrag ist auch wenig distan-
ziert und "objektiv", weil er den Stand der augenblicklichen Reflexion
widerspiegelt.
Die Entwicklung des Jugendzentrums Mettmann
Der AKS Dusseldorf besteht seit 1969. Seine Mitglieder waren Sozial-
arbeiter, Sozialpadagogen, Erzieher und Studenten. In den Jahren
197 0/7 l beschaftigten wir uns wie ahnliche Gruppen zur selben Zeit
mit den Jugendwohnkollektiven (JWK) . Die Treber und von zu House
entwichene Jugendliche in der DUsseldorfer Altstadt waren fur uns
der AnlaS, unsere politischen und padagogischen Vorstellungen in die
Praxis umzusetzen. Wir wollten ein eigenes 'JWK' grilnden und verhan-
delten mit dem Landsahaftsverband Rheinland, der die Ausfu'hrung
verzSgerte und schlielilich verhinderte. (Materialien zur Jugend und
Sozialarbeit, Reader Jugendwohnkollektive S, Victor Gollancz-
Stiftung, Ffm 73, S. 44 ff). Wir resignierten und wandten uns Von
dem Projekt 'JWK' ab; wir begannen unsere Treffen zu versaufen und zu
knobeln. Gleichzeitig fanden wir einen Vorwand, mit dem wir unser
Saheitern rechtfertigen wollten: Das Georg von Rauch-Raus in Berlin
war besetzt worden. Die Jugendliahen organieierten darin ihre Lebens-
praxis ohne Sozialarbeiter. Sie wollten nioht in "Kleinheimen" leben,
sondern forderten selbstorganisierte Kollektive . Deshalb schienen
fur uns die Bemuhungen um das Projekt 'JWK' keine politische Relevanz
mehr zu haben.
Die Knobelphase Winter 71/72 wurde bald durch eine Thecrie-Phase ab-
gelost, die bis Januar 1973 dauerte. Im Zuge des Differenzierungspro-
zesses der Linken setzte sich auch in unserem Arbeitskreis die Frage
naah der richtigen Organisation und der richtigen Linie durch. Wir
luden Vertreter verschiedener politischer Stromungen zu uns ein, die
uns ihre Organisationen vorstellten. Wir lasen u.a. ihre "Parteior-
gane" und programmatischen Erklarungen und diskutierten z.B. Uber
Imperialismustheorien. Daraufhin fand im AKS eine ideologische Spal-
tung - anlehnend an die versahiedenen Parteien und Gruppen - statt.
Parallel zu dieser Diskussion sahen einige von uns eine neue prakti-
sche Perspektive fur den Arbeitskreis: die Jugendzentren (JZ).
In Mettmann existierte zu der Zeit eine Gruppe von Gymnasiasten, die
ein Jugendzentrum forderte. Sie hatte mit der Stadtverwaltung verhan-
delt und Raume im 'Alten Milchhof (AM) zur Verfiigung gestellt bekom-
men. Zwei Jugendamtsmitarbeiter arbeiteten nach ihrem taglichen Dienst
im Jugendzentrum. Sie engagierten sich wenig: Es gab keine Angebote
und Veranstaltungen im 'AM'. Nach kurzer Zeit wurden die Raume wegen
Drogen und Alkohol konsum, Larm und Schlagereien von der Stadtverwal-
tung geschlossen.
Die Gruppe von Gymnasiasten setzte sich erneut zusammen und forderte
aufgrund der Erfahrungen mit der Situation im 'AM1, die fur sie unbe-
friedigend war, ein Jugendzentrum unter Selbstverwaltung (SV). Die
Stadt konnte die Tragerschaft nicht mehr u'bernehmen, weil kein So-
zialarbeiter sich bereit fand, im 'AM' zu arbeiten. Deshalb wandten
sich die Jugendlichen an die Arbeiterwohlfahrt und baten sie, die
Tragerschaft zu u'bernehmen und Sozialarbeiter einzustellen. Die Ar-
beiterwohlfahrt fragte Mitglieder des AKS, ob sie fortschrittl iche
Kollegen kennen wurden, die bereit waren im 'AM' zu arbeiten. Mit-
glieder des AKS arbeiteten bereits in der Region Mettmann, in einem
Wohnkollektiv, in benachbarten Jugendha'usern und bei freien Tragern.
Wir diskutierten im AKS Liber die Mbglichkeit einer gemeinsamen Praxis
in Mettmann. Einige Studenten erkla'rten sich bereit, nebenamtlich
- 8
im 'AM' zu arbeiten. Wir erhofften uns, daB die regionale Zusammen-
arbeit zwischen den Mitgliedern intensiviert, die Arbeit im Stadt-
teil mit anderen Organisationen aufgebaut und mit anderen Sozial-
arbeiterkollegen gemeinsame Strategien fortschrittlicher Praxis
entwickelt werden kbnnten. Die Arbeiterwohlfahrt Ubernahm die Trager-
schaft und stellte fUnf Studenten des AKS als nebenamtl iche und
einen hauptamtlichen Teamer an.
Wir Studenten batten uns wahrend unseres Studiums liberwiegend mit
"Theorien" beschaftigt: Die BLicher von Makarenko waren Grundlage
fur die Diskussion liber die ' JWK' geworden und sollten uns jetzt bei
der Verwirkl ichung unserer pol itisch-padagogischen Vorstel lungen
fur die JZ-Arbeit helfen. Die Struktur des Ougendzentrums sol 1 te nach
den Ideen von Makarenko aufgebaut werden: Interessengruppen (IG),
Rat der Sprecher (RdS), und Vollversammlung (VV). In der Obernahme
dieser formalen Kriterien glaubten wir damals, den Kern politischer
Arbeit erkannt zu haben. Inhaltlich diskutierten wir das Modell im
AKS nieht, weil wir uns gerade in der Theoriephase befanden. Das
Ergebnis dieser Phase war die Auflbsung des AKS im Marz 1973. Da wir
uns keinen gemeinsamen politischen Standort erarbeiten konnten, war
auch das Konzept der gemeinsamen Arbeit in Mettmann gestorben. Das
formal-demokratische Organisationsmodel 1 , das die Studenten des AKS
akzeptierten, gleich welcher politischen Organisation ihre Sympathie
gait, blieb Ubrig. Wir hatten uns mit den Gymnasiasten zusammenge-
setzt und die Satzung und Konzeption fur den 'AM' beraten. Anstatt
uns aber Uber die ortliche Situation zu informieren, etwa liber Kon-
flikte innerhalb der Stadtverwal tung, Uber Lebensweise und Probleme
der Arbeiterf ami lien und die Interessen und Bediirfnisse der Jugend-
lichen in Mettmann, klebten wir an formalen Fragen: welche Gruppen
kann man aufbauen, wie kann man die Raume einrichten, wie kann die
Selbstverwaltung im Sinne Makarenkos verwirklicht werden?
Das Selbstverwaltungs-Modell ist nichts Neues. Es ist alte traditio-
nelle Sozial arbeiterpraxis: viele kleine Gruppen zu grunden und darin
verschiedene Interessen isoliert voneinander zu organisieren (Basteln,
Foto, Kochen). Neu an dem Modell ist das Delegiertenprinzip. Aus
jeder Gruppe wird ein Vertreter in den 'RdS' gewahlt, dem geschafts-
f'u'hrenden Gremium des Hauses. Er bestimmt Uber den Ablauf im Haus
und vertritt das Jugendzentrum nach auBen. Die Sozialarbeiter haben
kein Stimmrecht in den Gremien - nur Rederecht.
Der 'AM' wurde im Oktober 72 wieder erbffnet. Die Gymnasiasten schlu-
gen Interessengruppen vor, grundeten Lehrlings-, Theater-, Info-,
Veranstaltungsgruppen usw. und wurden aufgrund ihres Engagements in
den 'RdS' oewahlt-
Durch die Auflbsun
wir in die Gefahr,
zu entwickeln. Uns
Probleme im Haus
durch die Spaltung
tionsflligel versta
nicht die gemeinsa
lediglich die Tage
und Abrechnungsbbg
g des Kommunikationszusammenhanges im AKS gerieten
keine Perspektive liber das Jugendzentrum hinaus
er Gesichtskreis verengte sich imrner mehr auf die
Der 'AM' wurde als Freiraum gesehen. Das wurde
des Teams in einen Gremien- und Selbstorganisa-
rkt. In unseren Teamgesprachen diskutierten wir
men weiteren Perspektiven, sondern behandelten
sprcbleme und Formal ita ten, wie Diensteinteilung
en. Dies flihrte dazu, daB jeder Sozialarbeiter
isoliert seine politischen Vorstellungen in den einzelnen Interessen-
gruppen vermittelte und sich in diese scheinbar privaten Inseln
fllichtete. Die politischen Differenzen lieBen keine solidarischen
Gesprache zu.
Zu einer groBen Auseinandersetzung, die wochenlang andauerte, flihr-
te die Einladung der Rockgruppe "TON STEINE SCHERBEN". Die Sozial-
arbeiter (Gremienflligel ) und einige SDAJ Gymnasiasten versuchten,
die Einladung der 'Tone' ru'ckga'ngig zu machen. Doch da die meisten
Jugendlichen im Haus fiir ihren Auftritt waren, billigte man schlieB-
lich die Veranstaltung, jedoch unter der Voraussetzung, daB die
Lieder: "Keine Macht fiir Niemand - Macht kaputt, was euch kaputt
macht", nicht gespielt wurden. Die Jugendlichen sollten nicht selbst
liber die Verwertbarkeit der Inhalte entscheiden dlirfen. Die 'Tone'
sangen naturlich, was sie wollten. Als eine Sozialarbeiterin die
Frauen-IG grlindete, fragte die Gremien-Fraktion skeptisch: "Hoffent-
lich macht ihr da nicht so 'nen Emanzipationskack" und "Reicht mal
eine schriftliche Konzeption und regelm'a'Bige Berichte rein". Noch nie
waren die Teamer bisher vor ihrem Beginn der Arbeit aufgefordert wor-
den, sie zu begrunden und Konzeptionen zu erstellen.
Das gespannte Kl ima im Team zwang die Sozialarbeiter verst'arkt in
den Riickzug auf ihre Gruppe. Sie hatten die Erfahrung gemacht, daB
ihre Versuche, ihre Arbeit darzustellen und der Kritik auszusetzen,
personliches Abqual ifizieren, Vorwurfe und Diffamierungen auch hinter
ihrem Rlicken provozierte. Auftretende Konflikte und Schwierigkeiten
in der Arbeit wurden jetzt kaum mehr in das Team hineingetragen,
das fiir die Sozialarbeiter zum Diszipl inierungsinstrument geworden
war.
Die erste Zeit im 'AM', dem provisoris
wie wir es uns vorgestellt hatten und
ven her kannten: Die Arbeiterwohlfahrt
beit gegenliber der Stadt ab. Die Gymna
den Sozialarbeitern "fiir mehr Geld" vo
blatter, fuhrten Veranstaltungen durch
angebot. Die Arbeiterjugendl ichen inte
Gremien (IG's, RdS), noch fur das "kri
hielten sich in der Diskothek, in den
spielten Tischtennis oder schmusten in
Konzept schien bei ihnen nicht anwendb
losigkeit und Resignation bei den Gymn
ein.
chen Jugendzentrum, verlief
es von vielen anderen Initia-
sicherte die p'adagogische Ar-
siasten kampften gemeinsam mit
n der Stadt, schrieben Flug-
und sorgten fiir linkes Musik-
ressierten sich weder fiir die
tische Kulturangebot". Sie
Gangen und in der Kliche auf,
den Ecken. Unser Makarenko-
ar zu sein. Daraufhin trat Rat-
asiasten und Sozialarbeitern
Ab Januar 73 nahm die Zahl der Arbe
Struktur begann sich total zu ander
alle weg. Nur wenige kamen einmal i
gen. Ein Teil ehemal iger Rocker von
das Haus und half bei der Organisie
kleinerer Hausmeisteraufgaben. Eine
sogenannten 'Mini-Rocker', tyrannis
andere Jugendliche- Sie stbrten die
ein Papierkorb in Brand; dort flog
muhevoll auf groBes Papier geschrie
rissen sie ab. Ausla'nder standen in
Madchen auf den Hintern. Eine ander
vor dem Haus Rotwein. Sie provozier
iterjugendl ichen im 'AM' zu. Die
n. Die Gymnasiasten blieben fast
n der Woche zu ihren IG-Sitzun-
Mettmann besuchte regelmaBig
rung des Kiichendienstes oder
Gruppe von Hauptschiilern, die
ierten die Sozialarbeiter und
Gruppensitzungen; plbtzlich ging
ein Ei an die Wand. Die Satzung,
ben und an die Wande geklebt,
den Gangen und schlugen den
e Gruppe von Jugendlichen trank
ten kleinere Schlagereien, oder
- 10
- 11
L
schliefen sich in der Diskothek aus. Gleichzeitig nahmen jetzt die
Arbeiterjugendlichen die Aufgaben wahr, die die Interessengruppen
laut Satzung auszufuhren hatten. Sie fegten jeden Tag das Haus, or-
oanisierten den Klichenbetrieb und veranstalteten Feste. Sie kannten
Schleichwege in das Haus und blieben auch an geschlossenen Tagen
und nachts in Jugendzentrum. Viele von ihnen waren ohne Geld und
Arbeit, Oder von zu Hause rausgeflogen. Ab und zu erhielten sie von
den Sozialarbeitern den Schlussel, urn im Haus aufzuraumen Oder Vor-
bereitungen flir Feste zu treffen. Die Atmosphare hatte sich geandert,
und die Arbeiterjugendlichen begannen sich mit dem Haus zu identif i-
zieren.
Die Sozialarbeiter (Gremienflligel ) sahen ihre Unterstlitzung der
"Selbstverwaltung" in der Hilfe beira Aufbau und Stabil isierung der
Interessengruppen. Indem sie viele Gruppen aufweisen konnten, glaub-
ten sie an eine funktionierende Selbstverwaltung. Sie konnten nach
auBen nachweisen, daB im "selbstverwal teten" 'AM' viele Angebote
liefen und eine fortschrittliche Jugendarbeit geleistet wlirde. Aber
die aktuellen Probleme der Arbeiterjugendlichen konnten nicht aufge-
griffen werden, weil sich die Arbeit fast ausschlieBlich auf die
Interessengruppen beschrankte. Auch die IG-Mitgl ieder und der 'RdS'
versuchten nicht, die Probleme, wie Al kohol ismus, Aggress ivi tat,
Arbeitslosigkeit usw., aufzugreifen, sondern fixierten sich an die
Sozialarbeiter, die sie kritisierten, wenn sie z.B. noch nicht ver-
bindlich in einer Gruppe mi tarbei teten.
Die VV sollte laut Konzeption monatlich tagen, doch sie tagte nur
selten und kurz. Sie ware das Gremium gewesen, in dem ein ubergrei-
fender Zusammenhang und eine gemeinsame inhaltliche Bestimmung der
Arbeit hatte hergestellt werden kbnnen. Sichtbar zerfielen die
Selbstverwaltungsgremien.und dennoch blieb eine Neubestimmung von
Selbstverwaltung aus.
Ab Mai 72 gab es keine Veranstal tungen mehr im 'AM', da die Stadt
sich weigerte, Geld in das Jugendzentrum zu stecken. Die Raume waren
leer, die Fensterscheiben zerstort, kein Mobil iar, Spiele und Tisch-
tennisplatten mehr da. Aber trotzdem hielt sich jeden Abend ein
Stamm von 70 Arbeiterjugendl icher im Haus auf. Im Sommer 73 sollte
der 'AM' endgultig geschlossen werden. Das neue Jugendzentrum war
einzugsfertig. Uahrend die Gymnasiasten begeistert den Einzug in
das neue Gebaude erwarteten, blieben die Arbeiterjugendlichen skep-
tisch. Sie flihlten sich trotz der unzureichenden Angebote und dem
schlechten Zustand des Hauses im 'AM' wohl und empfanden ihn als ihr
Haus, in dem sie sich nach der Arbeit mit Freunden ungestbrt treffen
und ihre Freizeit selbst organisieren konnten. Wir besichtigten
mehrmals mit ihnen das neue Haus, urn den Obergang zu erleichtern,
doch ihr MiBtrauen blieb.
Ein paar Schritte weit vom 'AM' entfernt hatte die Stadt Mettmann
ein neues Jugendzentrum flir fast drei Millionen DM gebaut. Der
'AM' im Herzen Mettmanns war ein alter klobiger Betonbau, ein Schand-
fleck fiir die Gemeinde. Die neuen Bebauungsplane sahen an diesem
Ort ein groBes Hotel vor. Die Umgebung sollte architektonisch eine
harmonische Einheit bilden: modernes Schwimmbad, Hotel, Einkaufs-
zentrum und Jugendzentrum. Einige Gymnasiasten aus dem 'RdS' hatten
in einem Gremium mit Architekten iiber Ausstattung, Einrichtung und
- 12 -
Architektur mitplanen diirfen. Sie freuten sich auf die Offnung ihres
neuen Jugendzentrums. Viele ihrer Interessen hatten darin verwirk-
licht werden kbnnen. Die Ausstattung fur die Gruppen war optimal:
Fotoausrlistung und Farbfernseher flir die Foto-IG, ausfahrbare Bu'hnen-
tische flir die Veranstal tungs-IG, einen kompletten Druckraum mit
Abzugsgeraten und fotomechanischem Vervielfaltiger flir die Info-IG,
ein mit Teppich ausgelegter Raum in schwarz flir die Theatergruppe,
einen schalldichten Raum mit Entlliftungsanlage, eingebautem Misch-
pult und Verstarker flir die Disko-IG, eine Cafeteria mit Kochplatten
und Abstellraum flir die Cafeteria-IG usw. Das Jugendzentrum hat etwa
1 500 qm, besitzt zwei Stockwerke, viele Glasscheiben und -tliren, ein
Amphietheater, Schwingboden in der Veranstal tungshalle, viele Gruppen-
raume, zwei Billardtische, Werkraume, Duschen, eine Lehrkliche und
drei haupt- und zwblf nebenamtl iche Sozialarbeiter; alles in allem
ein sauberes, reich ausgestattetes Haus.
Durch die Obernahme der alten Sozialarbeiter der Arbei terwohlfahrt
und der erprobten Satzung ging die Stadt zunachst grbBeren Komplika-
tionen aus dem weg. Ihr Jugendzentrum wurde bald liber Mettmann hin-
aus bekannt und als nachahmenswert angepriesen. "Nur in wenigen
Jugendzentren werden Demokratie, Initiative und Eigenverantwortlich-
keit so Consequent (wie im Jugendzentrum Mettmann) gettbt", heiBt es
in der Sozialdemokratischen Stadtzeitung "Blickpunkt" im Jul i 74.
Fast taglich wird das Jugendzentrum von Jugendwohlfahrtsausschlissen
besucht und begutachtet. Auch die DKP Presse "HZ" und "elan" berich-
tet enthusiastisch: "Das Jugendzentrum Mettmann ist stadtbekannt.
Und dasj obwohl das neue Jugendzentrum erst seit dem 1. Oktober 73
geoffnet ist. Warum das Jugendzentrum Stadtgesprach ist, erklart uns
Dagmar Kies, eine der drei hauptamtlichen Sozialarbeiter. " ("elan"
3/74). Sie wurde mittlerweile zur 1. Vorsitzenden des "Koordina-
tionsbliro" der "Jugendzentrum-Bewegung" in Neustadt gewahlt. (Zum
Bu'ro in Neustadt s. Info Sozialarbeit 7, S. 70).
Der "elan"-Artikel tauscht vor, daB das Jugendzentrum voller Aktivi-
taten der Jugendlichen sei , die ihre Interessen in Gruppen organi-
sieren und inhaltlich politisch arbeiten. Er verschleiert die tat-
sa'chliche Misere, in dem das Jugendzentrum steckt. Denn schon nach
zwei Monaten zeigten die Arbeiterjugendlichen Aggressionen und Wut
gegen das Gebaude, gegen Jugendliche und Sozialarbeiter. Sie stieB
der Perfektionismus des neuen Hauses ab. "Da kann man ja nichts
mehr selber machen, alles ist so pompos." Im Jugendzentrum arbeite-
ten jetzt Putzkolonnen und ein Hausmeister. Es durften nur noch mit
Genehmigung der Stadt die Raume angestrichen, andere Mbbel beschafft
oder Umstellungen vorgenommen werden. Die Arbeiterjugendlichen
konnten nachher nicht mehr darin schlafen.und die Sozialarbeiter
durften ihnen nicht mehr die Schlussel flir das stadtische Jugendzen-
trum uberlassen. Die Jugendlichen schmuggelten Al kohol ins Haus,
begannen Schlagereien; Schmutz und Zerstbrungen vermehrten sich.
Die zwblf Interessengruppen, die mit der Erdffnung des neuen Zen-
trums gegrundet wurden, waren fast vb'llig auseinandergefallen; der
'RdS' lbste sich stillschweigend auf, und das Schild am Haus
"Selbstverwal tetes JZ" war plbtzlich verschwunden. Die meisten G.ymna-
siasten zogen sich erneut aus dem Jugendzentrum zurlick. Viele von
ihnen studieren heute, leben in Wohngemeinschaften oder sind in der
Drogenscene untergetaucht. Sie waren die "Basis" der Sozialarbeiter
- 13 -
gewesen. Die Zusammenarbeit rait ihnen war relativ reibungslos ver-
laufen. Sie fanden unsere Vorschla'ge und Konzeptionen gut. Wir
konnten ihnen unsere Ideen leichter vermitteln als den Arbeiterju-
gendlichen bodingt durch unsere Sozial isation, Erfahrungen und Le-
bensperspektive.
Die Unsicherheit der Sozialarbeiter mit der neuen Situation wurde
durch die fehlende Basis von Gymnasiasten verstarkt. Im Team begann
man Liber SanktionsmaBnahmen gegen die Zerstorungen und den Alkohol-
konsum der Arbeiterjugendlichen zu diskutieren und versuchte, durch
formale Anderungen erneut das Geschehen im Haus in den Griff zu be-
kormien. Die Diskothek sollte vom zweiten Stock in die Cafeteria im
Paterre verlegt werden, eine Mauer irgendwo eingezogen, eine andere
ausgerissen werden, Hausverbote sollten ausgesprochen, "wachen" von
Sozialarbeitern in den Fluren aufgestell t und Ra'ume zugeschlossen
werden. Von den anfangs 400 Jugendlichen pro Abend kamen nur 50
bis 100 in das Jugendzentrum.
Oe starker den alten AKS-Mitgl iedern der Zweifel an dem formalen
Organisationsmodell kam, desto starker verteidigten es jetzt die
neuen, dem Gremienflugel zuzurechnenden, Sozialarbeiter, die mit
Hakarenko gleichzeitig Sozial ismus und Sowjetunion verbinden. Fast
jede Kritik am Model 1 schien fur sie ein Angriff auf den "real
existierenden Sozial ismus" zu sein. Wahrend die Stadt von ihrem
"Heim der ganz Offenen Tur" Mettmann, Am Kbnigshof 17-19, schreibt,
reden von Selbstverwaltung nur eine Handvoll SDAJ-Gymnasiasten und
einige Sozialarbeiter. Der Begriff'Selbstverwaltung" ist blaB und
blutleer geworden. Kaum jemand verbindet mit diesem Begriff in
Mettmann "Kampf". Selbstverwal tungs-Tage, die die Geschichte des
"Kampfes" auffrischen sollen, fielen ins Wasser. Die Arbeiterju-
qendlichen interessierte aber weder die theoretische Reflektion mit
vielen abstrakten Parolen, noch die Schaubilder, auf denen der kom-
plizierte Aufbau des Jugendzentrums gemalt war. Daraus zogen die
Sozialarbeiter (Gremienflugel) den SchluB, die Misere der Selbstver-
waltung la'ge am 'RdS'. Sie forderten deshalb Neuwahlen mit der Paro-
le: "Macht den 'RdS' stark." Wir kritisierten den Versuch, die
Selbstverwaltung auf diese Weise aufzupappeln und forderten die
Arbeit inhaltlich neu zu bestimmen.
Eine Neubestimmung der Arbeit im Team blieb wieder aus. Zur Zeit der
Auseinandersetzung im Team entwickel tensich auch unter den Mitglie-
dern des 'RdS' Konflikte. Einige Gymnasiasten kritisierten die Gre-
mienpolitik der SDAJ'ler und forderten, den 'RdS' aufzulbsen. Da aber
auch diese Diskussion von den anderen Besuchern abgehoben verlief,
und die Kritiker noch keine klaren Alternativen entgegensetzen konn-
ten wurden diese neuen Ansatze der Neubestimmung der Arbeit im Ju-
gendzentrum von der DKP-Jugend abgewurgt. Die 'RdS'-Kritiker grunde-
ten eine "Initiativ-IG" mit dem Ziel, mehr Selbstverwaltung im Ju-
gendzentrum zu erzielen. In einer Fragebogenaktion befragten sie die
Besucher nach Interessen und Bedurfnissen. Unsere Sozialarbeiter
(Selbstorganisationsflugel) diskutierten haufig mit diesen Jugend-
lichen. Das verstarkte die Spaltungen im Team und unter den Jugend-
lichen im 'RdS'. Der Gremienflugel versuchte, uns zu kritisieren:
"Die Kollegen wollen die Jugendlichen nur fur ihre politischen Ziele
ausnutzen und verfiihren." Diese Furcht vor der "Chaotisierung" wurde
14
nie inhaltlich diskutiert.
Die Uneinigkeit im 'Team machte es der Stadtverwaltung leicht, nach
und nach die Zugestandnisse zur'u'ckzunehmen, die sie dem 'RdS' in
bezug auf die Selbstverwaltung gegeben hatte und die Sozialarbeiter
starker mit Hilfe von Dienstanweisungen unter Druck zu setzen. Sie
werden zur Stadt zitiert und kbnnen bei Zerstorungen zur Rechen-
schaft und persbnlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie
nicht die Namen von Jugendlichen ausliefern.
Solche Konfliktsituationen zogen am Team vorbei, ohne daft sie aufge-
griffen werden konnten. Sie ha'tten zur Politisierung der Arbeit
flihren und die Moglichkeit eines neuen Anfangs bringen kbnnen. Aber
abwiegelndes Verhalten und Zuruckhal ten von Informationen behinder-
ten die Arbeit. Die Hauptamtlichen ubernahmen zum Teil immer mehr
repressive Funktionen im Haus, holten in Konflikten die Polizei,
sprachen Hausverbote aus und schlossen die Ra'ume vor den Jugendli-
chen ab, weil sie zu viel Dreck machen wurden. Einige vollzogen ihren
sta'dtischen Auftrag in alter disziplinierender Sozialarbeitermanier.
Konseguenzen aus unseren Erfahrungen
Die Praxis der AKS Mitglieder orientierte sich bisher immer an einer
vorher, abstrakt entwickelten Theorie. Die Praxis zeigte, daB dies
ein grundlegender Fehler war. Wir ha'tten die Lebensbedingungen der
Arbeiterjugendlichen und Gymnasiasten in Mettmann untersuchen und
uns mit ihren Problemen, Sorgen und WUnschen vertraut machen mlissen.
Die Hauptamtlichen sollen uns die Informationen und wichtige Daten
fur die Untersuchungsarbeit aus den flmtern beschaffen, unsere Praxis
gegenuber dem Trager inhaltlich absichern, notwendiges Material fur
die Gruppenarbei t beschaffen und die Kontinuitat unserer Arbeit ga-
rantieren. Doch Tagesberichte werden nicht geschrieben und Informa-
tionen Liber das, was wahrend der Woche geschieht, erhalt man von
ihnen selten. Nebenamtliche erhalten kaum Einblick in die Arbeit
der Hauptamtlichen. Das flihrt zu Verselbstandigung und Opportunis-
mus bei den hauptamtlichen Sozialarbeitern.
Die Sozialarbeiter mu'ssen die Interessen und Bedurfnisse der Arbei-
terjugendlichen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit rlicken. Sie mlissen
den Freizeitansatz u'berwinden, indem sie die aktuellen Probleme der
Arbeiterbevb'lkerung (Arbeitslosigkeit, Wohnprobleme, Schule, Arbeit
usw.) in ihre Arbeit einbeziehen. Unvermittelte Parolen und formale
Konzepte kdnnen uns dazu wenig helfen. Sozialarbeiter mlissen sich
fur ihre Arbeit qual ifizieren, wenn sie den Anspruch haben, poli-
tisch und padagogisch sinnvoll zu arbeiten. Die folgenden Thesen
dazu sind sicherlich noch unvoll standi g:
1. Untersuchungsarbeit:
Tffh" Fehler der Arbeit des Teams war die Unkenntnis der Mettmanner
Situation. Uns fehlten Daten und Zahlen Liber Jugendarbeitslosigkeit,
Alkoholismus, Auslander, Kriminalitat, FE-Heime, Mietpreise, Obdach-
losigkeit von Jugendlichen, Burgerinitiativen usw. Wir wuBten nicht,
wie solches Material hatte beschafft werden kbnnen und nutzten bis-
15
mam
zijhtueoiue
und praxis
msnokimhsgher
.hjgendakijeit
DER BDP IM BUND DEMOKRATISCHER
JUGEND GIBT MATERIALIEN ZUR
THEQRIE UND PRAXIS DEMOKRATI-
SCHER JUGENDARBEIT HERAUS. DIE
MATERIALIEN KSHHEN IM ABOHNE-
MENT UND ALS EINZELHEFTE UBER
DEN VERLAG JUGEND UND POLITIK
BEZOGEN WERDEN. JEDES HEFT
BEHANDELT EIN ABGESCHLQSSENES
THEMA. ABONNEMENTSPREIS FUR
6 HEFTB DM 15,— INCL. PORTO
HAT 2/3
" JUGENDZENTREN
130 Seiten
Das Heft stellt Dokuroente zusammen, die Entvicklungstendenzen in verschiedenen tvpisch
verlaufenen Entvicklungsgeschichten von Jugendzentren darstellen. Auf diese Weise
vird ein Uberblick geschaffen, der erganzt um ein Vorvort und Zvischentexte eine Ein-
schatzung der Jugendzentrumsbevegung aus der Sicht des demokratischen Jugendverban-
des liefert. In Anhang finden sich wichtige Informationen iiber Rechtslage, Raumge-
staltung Satzungsfragen etc.
MAT 12
POLITIK IN JUGEHDZEHTREH " 52 Seiten
Seit das Heft 2/3 erschienen ist, sind die Diskussion und die Entwicklung in der
Jugendzentrumsbewegung vorongeschritten und teilveise auch von den in BDP/BDJ
organisierten Jugendaentrumsgruppen vorangetrieben worden. Das Heft enthe.lt eine
Kritik und politische Einschatzung der Bevegung, die an konkreten Beispielen belegt
werden. Das Heft ist fur Bile die gedacht, die in der Jugendzentrurasdiskussion auf
de= laufenden bleiben wollen.
Mr. b/5 "Ueltpfadfindertujn und Imperia-
lisms", 9^ Seiten DM 3, —
Nr. 6 "Kleinburgertui&-Mittelschicht-
Neue Mittelfclasse"
60 Seiten DM 2,fi0
Nr. 7 "Eraanzipation durcn politische
3ildung?" 128 Seiten DM 3,--
Nr. 8 "Klassenorientierung in der
Jugendsoziologie"
kQ Seiten EM 2,50
Nr. 9 "Hauptschuler-AusganRsbedingun-
gen politischer Bildung"
39 Seiten DM 3,--
"Leiirlingstheater und proleta-
riate bffentlichkeit
12? Seiten DM 3,50
"Jugendarbeit und staatliche
Jugendpolitik"
62 Seiten DM 3,--
nZur Entuicklungshilfe -
Methoden des Innerialismus
MO Seiten DM 1,50
10
13
SONSTIGE TITEL
Jugendcamp 70 DM 3, —
Dokumentation Abenteuerlager 70
DM 3,--
Abenteuerspielplatz und Recht
DM 2,50
Zur Praxis des Oberschulkampfes
DM 1,--
Faschismus DM 1 ,--
Naehdruck REFERENTENENTWURF
ZUM JUGEHDHILFERECHT DM 2, —
Naehdruck der BEGRUNDUHGEN
ZUM REFERENTENENTWURF DM 6,—
TEXTE ZUR JUGEHDHILFEHECKTS-
KRITIK DM 2,50
VERLAfi
JIJGENl) 1J1N1) PMITtt GMBH
6 FRANKFURT AM MAIN 90
JMSER STHASSE 29
TEL. 0611 - 779010
her auch nicht die Jugendlichen als Informationstrager. Stattdessen
fixierten wir uns auf formale Organisationsmuster, die zwar unserer
Scheu vor muhevoller Kleinarbeit entgegenkam, uns aber in die Sack-
gasse manb'vrierte. Sichtung,Aufbereitung und Interpretation des Ma-
terials der Untersuchungsarbeit ist erst eine Grundlage "der an den
Bediirfnissen ansetzenden" Jugendarbeit.
Z. Medienarbeit:
Die schlechte Ausbildungssituation an den Hochschulen, die Trennung
von Theorie und Praxis, flihrt bei vielen von uns zur Ablehnung media-
ler Facher. Wenn heute, wie auf dem Jugendpolitischen Forum, Tricks
verlangt werden, wird gelachelt. Doch die Fragen bleiben unbeantwor-
tet: Wie spreche ich Jugendl iche im Ougendzentrum an?
Wie vermittle ich bestimmte Inhalte?
Mit welchen Gruppen kann man im Stadtteil Kontakt aufnehmen und wer
konnte zur Unterstutzung angesprochen werden?
Wie organisiert man Kampagnen, Feste und Wochenendfahrten?
Versteht der Sozialarbeiter mit Schreibmaschine, Druckgeraten, Foto,
Film, Gitarre und Rollenspielen umzugehen?
Es sind nicht die Tricks, denen hier das Wort geredet werden soil.
Es gent um die Inhalte, die durch Medien erarbeitet, umgesetzt und
angestrebt werden.
Dazu ein Beispiel: Wahrend die 'RdS'-Mitgl ieder und einige Sozial-
arbeiter isoliert in den Interessengruppen wurschteln, zeigen sich
im Haus die tatsachlichen Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Alkoho-
lismus, Schlagerei, Drogen usw. An diesen Problemen muB angeknlipft
und die Betroffenen in die Losung einbezogen werden. Theater ist z.B.
ein Medium, mi t dem die arbeitslosen Jugendlichen ihre Situation
begreifen konnen, wenn sie in Rollenspielen die Entgegennahme ihrer
Klindigung und den Abschied von den Kollegen spielen, Oder eine Szene
liber einen Schulabganger, der verzweifelt eine Lehrstelle sucht, ent-
wickeln. Sie konnen die Situation in der Fabrik nach der Entlassung
(steigende Arbeitshetze, Drohungen mit Entlassung, Ruckgang des
Krankenstandes usw.), die Situation in der Familie (wie reagieren
El tern, wenn der Sohn/Tochter arbeitslos werden; was ist, wenn El-
tern arbeitslos sind usw.) und die Situation in der Freizeit (was
macht man, wenn man keine Arbeit mehr hat, wenn kein Geld flir Disko-
thek und Kino da ist) im Rollenspiel darstellen. Gerade dann spielen
sich die Hauptkonflikte der arbeitslosen Jugendlichen im Familien-
und Freizeitbereich ab. Hier "erleben" die Arbeitslosen ihre Arbeits-
losigkeit. An diesen Problemen gilt es anzusetzen und sie zu vermit-
teln im Hinblick auf politische und organisatorische Perspektiven.
Denn was nutzt die klarste politische Linie, wenn man sie nicht ver-
mitteln kann. Was bringt die beste Vermittlungstechnik, wenn inhalt-
lich nichts dahinter steckt.
3 Tnriiviriiielle Unterstutzung :
flenn die Gymnasiasten im ' KdS1 nicht die Probleme der Arbeiterjugend-
1 ichen aufgreifen und sie mit ihnen gemeinsam Ibsen wollen Oder
konnen, dann sind die Sozialarbeiter gezwungen, auf das Verhalten
der Arbeiterjugendlichen zu reagieren. Sie konnen unangepaBtes Ver-
halten bestrafen: "Beim wiederholten Hausverbot folgt generelles
Hausverbot". Auf die Frage eines Jugendlichen, wer das Hausverbot
durchsetze und was geschehe, wenn der GemaBregelte handgreifl ich
17 -
werde, antwortete. . . (die Sozialarbeiterin): "In einem solchen Fall
wird die Polizei eingeschaltet. " Damit die Eltern informiert sind:
"Bei Hausverbot werden sie schriftlich benachrichtigt" . Sie konnen
die Jugendlichen als Hemmschuh ihrer Selbstverwal tung, als Kriminel-
le, Suchtige, Mil ieugeschadigte und als Lumpenproletariat bezeich-
nen, mit denen eine politische Arbeit nicht machbar sei . Fortschritt-
liche Sozialarbeiter mlissen dagegen den Arbeiterjugendl ichen bei
ihren Konflikten und Problemen helfen kdnnen. Auf der individuellen
Ebene mLissen z.B. entwichenen Jugendlichen Schlafplatze besorgt,
flir FE/FEH-Betroffene mlissen fortschrittliche Heime gesucht werden.
Arbeitslose Jugendlichen mlissen wir liber m'dgliche Geldquellen nach
dem BSHG etc. aufklaren und Mdgl ichkeiten, ihre Situation zu veran-
dern, diskutieren. (Lehrwerkstatt im Jugendzentrum Hannover, Ent-
rlimpelungsunternehmen/Baukollektiv der Jugendlichen vom SSK) Die
Furcht der Arbeitermadchen vor dem Frauenarzt, der ihnen die Pille
verschreiben soil, kann eine Sozialarbeiterin dadurch mildern, indem
sie von ihren Erfahrungen berichtet, Bilder aus der Arztpraxis zeigt
und mit ihnen den Arzt besucht.
4. Organisierung:
Wir mJssen auf der kollektiven Ebene gesellschaftlich-pol itische
Perspektiven erarbeiten. Jugendarbeitslosigkeit, die Bestimmungen
zum Aussageverweigerungsrecht und die repressiven Gesetze im Jugend-
hilferecht sind nur kollektiv zu verandern. Einige Mitarbeiter im
Jugendzentrum haben daraus im Januar 74 die Konsequenz gezogen,
einen neuen AKS zu initiieren. Heute diskutieren wir mit Sozialar-
beitern aus verschiedenen Bereichen unsere Schwierigkei ten in der
Praxis, versuchen, uns einen politischen Standort zu erarbeiten und
arbeiten mit anderen Sozialarbeitergruppen in der BRD und Westberlin
zusammen.
Zusammenfassunq
Das Jugendzentrum Mettmann ist das Ergebnis reformistischer Praxis
und Politik. Das Selbstverwal tungsmodel 1 ist weit liber seine Grenzen
Mettmanns bekannt, nicht wegen der politischen Praxis, die eine Ver-
besserung der Lebenssituation der Jugendlichen und Handlungsperspek-
tiven gegen ihren Unterdruckungszusammenhang zur Folge gehabt hatte,
sondern weil es als Reformmodell der SPD dem Prestigebedurfnis der
SPD und ihrer Politik nutzte. In gleicher Weise wird das Organisa-
tionsmodell des Jugendzentrums Mettmanns von dem Koordinationsbiiro
Neustadt und der SDAJ angepriesen. (s\ "elan" 3/73)
Den Sozialarbeitern und Studenten ist es bisher nicht gelungen, den
Interessen der Jugendlichen, insbesondere der Arbeiterjugendl ichen,
eine politische Wendung zu geben. Von den anfanglichen Aktivitaten
der Gymnasiasten in bezug auf eine Verfeinerung der padagogischen
Konzeption der Selbstverwal tung lieBen sich die Sozialarbeiter auf-
grund ihrer eigenen Konzeptionslosigkeit einnehmen. Diese Konzeptions-
losigkeit resultierte besonders aus der Schwierigkeit, eine gemein-
same Perspektive bei unterschiedl icher politischer Orientierung zu
entwickeln. Der Aktivismus der Gymnasiasten und der sich daran an-
- 1!
hangenden Sozialarbeiter fand keine Resonanz bei den Arbeiterjugend-
1 ichen.
DAS FEHLEN EINER GEMEINSAMEN POLITISCHEN PERSPEKTIVE, DIE SICH AUS
DEN INTERESSEN DER ARBEITERJUGENDLICHEN BEGRONDEN MOSSTE, FOHRTE
ZWANGSLfiUFIG IN EINE SACKGASSE!
Im neuen Jugendzentrum nahm die Unterstlitzung der Gymnasiasten fur
das Jugendzentrum ab, weil sich ihre Perspektive als aussichtslos
erwies, die Arbeiterjugendl ichen in den vorgeschlagenen Interessen-
qruppen zu organisieren.
DIE ZUNEHMENDE PERSPEKTIVLOSIGKEIT AUFGRUND DES FEHLENS DER 'BASIS'
LIEFERTE DIE SOZIALARBEITER VERSTARKT AN DIE INTERESSEN DER STADT
AUS UND BRACHTE SIE GLEICHZEITIG IMMER MEHR IN WIDERSPRUCH ZU DEN
INTERESSEN DER ARBEITERJUGENDLICHEN.
Die Entwicklung des Jugendzentrums Mettmann ist aber nicht aus-
schlieBlich den nebenamtl ichen Teamern, den heute hauptamtl ichen
Sozialarbeitern oder den Jugendlichen im 'RdS' zuzuschreiben. Sie
hangt sowohl mit der unkritischen Obernahme eines historischen Mo-
dells aus den 20iger Jahren in RuBland (Makarenko) zusammen, das
zu Beginn auf die Mettmanner Situation ohne jegliche Analyse uber-
tragen wurde, als auch mit den Professional isierungstendenzen der
Sozialarbeiter. Unter diesen Bedingungen war man nicht in der Lage,
auf die durch die wirtschaftl iche Krise ausgelbsten sozialen Proble-
me so zu reagieren, daB man diese nicht nur verwaltete.
Wir Sozialarbeiter werden liber eine Sozialarbeit im 'traditionellen
Sinne' nicht hinauskommen, wenn wir nicht bereit sind, unsere Arbeit
immer wieder in Frage zu stellen und politische Konsequenzen daraus
zu Ziehen. Die Politik und Padagogik im Jugendzentrum Mettmann
unterstlitzte weniger den EntwicklungsprozeS der Jugendlichen, ihre
Lage im sich verscharfenden Unterdruckungszusammenhang anzugehen,
sondern diente eher der Verschleierung der wirkl ichen Probleme.
Ausgewahlte Literatur
4.
Material ien zur Theorie und Praxis demokratischer Jugendarbeit
Nr. 2/3 Jugendzentren
Nr. 10 Lehrlingstheater und proletarische Offentl ichkeit
Nr'. 12 Politik in Jugendzentren (Bestellungen: siehe Anzeige)
Erziehung & Klassenkampf
Nr. 10/11 Jugendzentren (enthalt auch ausflihrl iche Literatur-
liste)
Nr. 15/16 Ougend zwischen Pflege und Politik (Bestellungen:
siehe Anzeige)
Liebel/Lessing: Jugend in der Klassengesell schaft
- marxistische Jugendforschung und antikapitalistische Jugend-
arbeit - Juventa-Verlag 1974
J. Alberts u.a.: Segmente der Unterhaltungsindustrie
Edition Suhrkamp Nr. 651
Schretzmeier: Initiativgruppen f. Jugendzentren
deutsche Jugend Nov. 74
- 19
D. Damm: versch. Beitrage zur Jugendbildungsarbeit
deutsche Jugend April/Mai/Oktober 1974
6. Bucksch: Probleme von selbstverwalteten Jugendzentren
Neue Praxis Nr. 4/74
7. Medienzentrum Kreuzberg:
Arbeiterjugendliche erzahlen
Medien im Jugendfreizeitbereich (Bestellungen: Medienzentrum
1 Berlin 36, Mariannenplatz 36)
8. H. Kramer: Jugendarbeit und Freizeitgestaltung
-Konf 1 i kte-Modell e-Perspektiven-
(Bestellungen: M. Kramer, 1 Berlin 12, Goethestr. 30)
9. Zeitschriften, die liber Jugendzentrumsinitiativen berichteten:
- Wir wollen alles
- Blickpunkt (Landesjugendring Berlin)
- Info Sozialarbeit
- 'links' Sozial istische Zeitung
- Info Berliner Undogmatischer Gruppen
- Heim & Erzieher Zeitschrift
- Thing
- LOG-Zeitung
10. Zeitschriften aus Jugendzentren
- Dokumentation JZ Rems-Hurr Kreis (gegen DM 2.50 incl. Porto
bei: R. Witschel, 7064 Geradstetten, August-Lammle-Str. 56)
- Info 1 + 1 - Jugendzentrum Fechenheim (6 Ffm. .Starkenburger Str.1)
- Schinderhannes - JZ Bad Homburg - (638 Bad Homburg, Landgrafenstr .
26)
- Spucknapf - Jugendclub Freising (J.Knobloch, 805 Freising,
Bismarckstr. 17)
- SSK-Dokumentation (5 Kb'ln, Brlisseler Platz 16)
- Kblner Volksblatt (5 Kbln 60, Merkenicherstr. 99)
11. Filmkataloge aus diesem und anderen Bereichen
- Zentralfilmverleih e.V., 2 HH 36, Karl Muck-Platz 9/II
- BAG Jugendfilmclubs, 51 Aachen, Melatenerstr. 6
- Landesbild- und filmstellen (eine Adressenliste aller Film-
stellen ist in der Fachinformation der AW0, 53 Bonn, Ollenhauer
Str. 3 zusammengestellt).
SOZIALARBEITER(INNEN)
zur Mitarbeit als Berater in Jugendzentren gesucht.
Wir betreiben drei Jugendzentren, es besteht eine
organisierte Partizipation der Arbeiterjugendl ichen.
Bewerbungen an:
Stadtjugendring, 89 Augsburg,
Kanalstr. 15, Tel. 51 55 42
20 -
Almut Jbdicke:
MKDCHENARBEIT IM JUGENDZENTRUM
Vorbemerkung:
Dieser Beitrag will einige Erfahrungen in der Arbeit mit Arbeiter-
madchen im Jugendzentrum Mettmann wiedergeben und die Schwierigkei-
ten aufzeigen, die in der eineinhalbjahrigen Praxis aufgetreten sind.
Gleichzeitig sollen aber auch Erfolge und Mogl ichkeiten weiterer Per-
spektiven dargestellt werden. (Eine ausflihrl ichere Arbeit von Almut
Jbdicke Liber "Arbeitermadchen im Jugendzentrum" erscheint im Fruhjahr
in der Reihe Arbeitsmaterial ien SA/SP im Verlag 2000 GmbH Offenbach.)
In den letzten Jahren entstanden in vielen Stadten der BRD und West-
Berlin Frauengruppen, die sich mit der Rolle der Frau in unserer
Gesellschaft und Emanzipationsfragen bescha'ftigen. Bisher sind in
den Gruppen fast ausschlieBl ich Frauen blirgerlicher Herkunft organi-
siert. Aufgrund ihrer gesellschaft! ichen Ausgangsposition ist es
ihnen eher mbgl ich, Strukturen und Zwange des Systems zu durchschauen
und Schritte zur Vera'nderung in organisatorischem Rahmen zu erarbei-
ten. Viele dieser Gruppen verfassen Berichte uber ihre Erfahrungen,
die sie zum Teil in einigen Frauenzeitschriften veroffentl ichen.
Wer sich also mit der "Frauenfrage" bescha'ftigen will, hat genug
Material zur Verfugung.
Als ich Marz 1973 im Jugendzentrum Mettmann eine Ma'dchengruppe auf-
baute und Untersuchungen und Erfahrungsberichte liber Arbeitermadchen
suchte, konnten mir diese Zeitschriften und Blicher kaum helfen. Ober
die spezifischen Unterdrlickungsformen und ihre Auswirkungen auf das
Verhalten von Arbeitermadchen fand ich nichts. Die Berichte handel-
ten entweder von der "blirgerl ichen Frau" oder der "proletarischen
Frau", ihrer Doppelrolle, von der Frau in der Familie, Mlittererwerbs-
ta'tigkeit, psychoanalytische Erkla'rungen zur weibl ichen Sozial isa-
tion usw. Aber liber die Situation der Madchen aus der Arbeiterschicht,
die gerade vor SchulabschluB standen oder schon ihre Lehre begannen,
bzw. als Hilfskraft arbeiteten, gab es keine Informationen.
Mittlerweile versuchen in vielen Jugendhausern fortschrittl iche
Sozialarbeiterinnen Kontakte zu Arbeitermadchen herzustellen und
Gruppen aufzubauen. Im Zuge der Jugendzentrumsbewegung sind verein-
zelt Arbeitermadchengruppen entstanden. Sie bildeten sich nicht auf-
grund theoretischer Schulungen, sondern entwickelten sich aus der
spezifischen Jugendhaussituation. Aber bisher sind viele Gruppen
schon in den Ansatzen gescheitert. Viele Sozialarbeiterinnen oder
Studentinnen, die in Jugendzentren arbeiten, kommen nicht liber die
Fragen "Wie und mit welcher Zielvorstellung sollen Madchengruppen
aufgebaut werden?" hinaus. Daher sind in diesem Beitrag auch Gedan-
ken enthalten, die wir in einer Arbeitsgruppe auf dem Jugendpol iti-
schen Forum entwickelten. Wir hatten dort eine Arbeitsgruppe liber
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Madchenarbeit gebildet, urn liber die Notwendigkeit von Madchengruppen
zu diskutieren. In dieser Gruppe arbeiteten etwa 50 Studentmnen und
Praktikantinnen, die entweder praktische Erfahrungen in Jugendzen-
tren, Abenteuerspielplatzen und in der Obdachlosenarbeit haben, Oder
in Frauengruppen mitarbeiten. Unsere Fragen liber existierende Gruppen
mit Arbeitermadchen, i'ber Ansa'tze und Erfolge, iiber die Inhalte der
Gruppenstunden und iiber grundlegende Fragestellungen konnte nur
ansatzweise diskutiert werden, da wir nur drei Stunden Zeit zur Ver-
fugung hatten. Deshalb beschloB die Gruppe, den Kontakt untereinan-
der aufrecht zu erhalten, und Pfingsten ein Treffen in Kassel ,
DbrnbergstraBe 3, zu organisieren. Protokoll der Arbeitsgruppe und
weitere Informationen werden iiber folgende Kontaktadresse zugesandt:
uberregional e Frauengruppe d. JupoFo c/o Dagmar Straube, 6 Ffm.,
Hamburger Allee 49.
Dieses Verhalten der Arbeitermadchen pragte die Jugendzentrums-
Situation. Oft wurde im Sozialarbeiter-Team liberlegt, wie wir dies
verandern kb'nnten. Im Marz 1973 versuchte ich dann ohne genauere
Vorstellungen iiber eine Arbeit mit Arbeitermadchen, eine Gruppe auf-
zubauen. Obwohl ich bis zu diesem Zeitpunkt kaum Kontakt mit ihnen
gehabt hatte, entwickelte sich innerhalb von drei Wochen eine
15 Madchen starke "Frauen-IG", die sich regelma'Big einmal in der Wo-
che traf. Der Schwerpunkt der ersten Treffen war das Thema:
: "Sexual itat und Beziehungen zu Freunden'"/ Die Gruppe zahlte regel-
niaBTg 1 0-13 Mitglieder, die seit Beginn der Frauen-IG dabei waren,
obwohl es haufig schwere Krisen zwischen den Mitgliedern gab. Die
Madchen waren alle zwischen 12 und 15 Jahre alt. Die wenigsten hat-
ten einen HauptschulabschluB. Sie standen entweder kurz vor dem Schul-
abgang, oder begannen wahrend der Frauen-IG-Zeit eine Arbeit.
Die Gruppe bestand 1 1/2 Jahre. Im Oktober 1974 muBte ich mein Aner-
kennungsjahr als Sozialpadagogin beginnen und verlieB die Gruppe.
Darstellung der Arbeitermadchen im Jugendzentrum
In der Phase der Auseinandersetzung fur ein Jugendzentrum und bei
Verhandlungen mit der Stadtverwal tung sind Arbeitermadchen kaum
beteiligt. Sie organisierten sich selten in den angebotenen Inter-
essengruppen, zeigen Desinteresse an den Selbstverwaltungsgremien und
den Veranstaltungen in den Jugendzentren. In Mettman unterschied sich
das Verhalten der Arbeitermadchen stark von dem der Gymnasial-Schii-
lerinnen. Uahrend die Schulerinnen mit anderen Schiilem zusammen in
den Interessengruppen arbeiteten, hielten sich die Arbeitermadchen
in der Diskothek und den Ga'ngen auf. Gruppenweise ginger sie fur
langere Zeit auf die Toiletten, um sich zu schminken und zu kammen.
Dann warteten sie im Haus darauf, von Jungen angesprochen zu werden.
Die Jungen behandelten sie wie Objekte. Sie entwickelten kaum freund-
schaftliche und za'rtliche Beziehungen zueinander. Die Jungen nahmen
die Madchen, umarmten und k'uBten sie, packten ihnen zwischen die
Beine und an die Briiste. Wehrten sich die Arbeitermadchen, wurden sie
oft brutal in die Ecke gezerrt, von einem zum anderen gereicht und
wieder losgelassen- Das spielte sich fast taglich in der Anfangs-
phase im Jugendzentrum Mettmann ab.
Die Situation war fur die Madchen nicht einfach: auf der einen Seite
suchten sie Kontakt mit den Jungen und fiihlten sich von ihnen beach-
tet, aber gleichzeitig waren sie unzufrieden, da sie andere Formen
von'seziehungen erwarteten und sich wie "ausgenutzt" vorkamen. Die
Madchen waren zu schwach, sich gegen die Jungen individuell zu weh-
ren, und anstatt sich zusammenzuschl ieBen, entstanden oft Konkurrenz-
und'Rivalitatskampfe untereinander. Sie zeigten oft ihre Neid- und
AngstgefLihle, weinten und prligelten sich wie ihre Stimmung gerade
war. Alkohol und Drogen verstarkten diese Verhaltensweisen.
Ihr'verhalten orientierte sich fast ausschl ieBlich an den Bediirfms-
sen ihrer Freunde. Manche Madchen durften nicht alleine durch das
Haus gehen und nur in Begleitung ihres Freundes eine Cola aus der
Cafeteria besorgen. Die Madchen verhielten sich in bezug auf das
Jugendzentrum total passiv. Sie warteten auf Anweisungen und Aktivi-
taten der Jungen und entwickelten kaum Vorstellungen Liber eigene
Wunsche, noch setzten sie sich fur ihre Bedurfnisbefriedigung im
Jugendzentrum ein.
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Schwierigkeiten bei der Umsetzung politischer Zielvorsetzungen
Die Arbeitermadchen kommen in das Jugendzentrum, um ihre Freizeit
darin zu verbringen. Sie wollen tanzen, Freunde treffen und abschal-
ten. Sie haben kein Interesse.zusa'tzl ich zu "arbeiten" und eine
Selbstverwaltung, wie in Mettmann, zu praktizieren. Im Gegensatz zu
den Jungen sind sie auBerhalb ihrer Arbeitszeit besonderen Anforde-
rungen ausgesetzt. Oft helfen sie im Haushalt der Eltern mit, erzie-
hen ihre kleinen Geschwister und mussen die Kritik der Eltern am
Jugendzentrum und ihren Freundschaften ertragen.
Die Mitarbeit in den bestehenden Interessengruppen hatte fur sie
Zwangscharakter. Sie muBten regelma'Big erscheinen, durften nicht feh-
len, mliBten ein Mitglied in den 'Rat der Sprecher' schicken usw.
(siehe 'Politik im Jugendzentrum Mettmann'). Diese Gruppen erinnern
sie an die Schul-, bzw. Arbeitsorganisation.
Die Gruppenstunden mit den Arbeitermadchen verliefen deshalb auch
anders als ich es von Sitzungen mit Gymnasiastinnen her kannte. Kurz
vor Beginn der Gruppenstunden lief ich im Jugendzentrum herum und
muBte jedes Madchen daran erinnern, daB wir uns treffen wollten. Die
Madchen vergaBen die Termine. Ich flihlte mich stark verunsichert und
dachte, es lage an meiner Unfahigkeit. Wahrend der Stunde konnten
sie sich kaum langer auf ein Thema konzentrieren; sie safien verstreut
und unruhig im Raum, rannten bei jedem aufheulendem Motorrad zum
Fenster oder verlieBen zwischendurch den Raum, um "auf Toilette" zu
gehen, d.h. um zu sehen, was ihre Freunde ohne sie machten.
m den ersten Stunden gab es schwere Auseinandersetzungen mit den
Jungen. Sie waren durch den ZusammenschluB der Madchen verunsichert--'
und versuchten, durch standiges Stbren, Tliren- und Fenstereinschla- (-
gen, die 'Frauen-IG' aufzulbsen. (Rhnliches Verhalten kennt man von
einigen Mannern, die die Organisierung von Frauengruppen verunsichert.).
Die Verhaltensweisen der Jungen trugen aber zum Geflihl starkerer
Gruppenzusammengehbrigkeit bei: Indem die Unterdruckung der Madchen
durch die Jungen hier konkret erfahrbar wurde, bestatigte sich flir
die Madchen die Notwendigkeit ihrer eigenen Organisierung. Auch nach-
dem die Jungen diese Verhaltensweisen aufgaben und die Beziehung
zwischen ihnen kameradschaf tl icher wurde, hatten die Madchen nicht
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das Bedlirfnis, eine gemischte Gruppe zu machen. Wenigstens einmal
in der Woche wollten sie eine Stunde lang unter sich bleiben und ihre
Erfahrungen und Konflikte diskutieren.
Die Gruppenstunden dauerten raeist nicht langer als 20-40 Min. Das lag
daran, daB einige erst um 18 Uhr von der Arbeit kamen, andere wieder
urn 20 Uhr zu Hause sein muBten. AuBerdem war die Discothek flir sie
inner sehr anziehend. Sie gerieten jedesmal in einen Interessenkon-
flikt, wenn ein beliebter neuer Hit im Gruppenraum zu hbren war, und
wollten tanzen gehen.
Erst nach einigen Monaten kamen die Madchen ohne Aufforderung in die
Gruppenstunde. Sie konzentrierten sich besser auf die Gesprachsthemen.
Doch es war mir nie mbglich, meine Vorstellungen Liber Inhalte zu dis-
kutieren, z.B. Rolle der Frau in unserer Gesellschaft, Kapitalismus,
Proletarischer Lebenszusammenhang, Herrschaftsstrukturen in der Fa-
mil ie, § 218 usw. In einem langen LernprozeB rait den Madchen erhielt
ich einen kleinen Einblick in ihre Lebensbereiche durch Besuche der
Familien und der Arbeitsstellen. Langsam lernte ich Unterschiede und
Gemeinsamkeiten unserer verschiedenen Lebenssituation begreifen. Die
Vermittlung neuer Vorstellungen waren deshalb schwierig. Ich muBte
andere Formen von Vermittlungswegen suchen, als ich es bei Gymnasia-
stinnen gewohnt war. Es dauerte eine lange Zeit, bis die Arbeiter-
madchen ein bewuBteres Verhalten im Jugendzentrum zeigten.
Um kleine Ansatze und Ziele rait Arbeitermadchen verwirkl ichen zu
kbnnen, muB ein Rahmen geschaffen sein, der das Reden Liber ihre Si-
tuation erst ermbglicht. Die Identif ikation mit TFTrer'Gruppe war
"ersTTVoraussetzung, um weitergehende Diskussionen und Handeln, z.B.
Diskussionen uber die familiare Situation, Konflikte rait den Freun-
den, Angst vor der Sexual itat, Xngste vor flrzten, Probleme bei der
Arbeitssuche und auf dem Arbeitsplatz, Beziehungen unter den Gruppen-
riiitgl iedern durchzuflihren.
Die Madchen interessierten nur die Inhalte, die Beziehung zu ihrer
aktuellen Lebenssituation hatten. Das kann Sozialarbeiter in Schwie-
rigkeit bringen, wenn der Anspruch der Madchen mit den eigenen kolli-
diert. Ein Beispiel dafiir erzahlte eine Teilnehmerin in der Arbeits-
gruppe auf dem Jugendpolitischen Forum:
"Die Madchen wollen fur sich Weihnachtsgeschenke basteln und gegen-
seitig schenken. Hier ist einmal die traditionelle Schenkerei zu
Weihnachten im Spiel, auf der anderen Seite aber das Bedurfnis, sich
gegenseitig zu beschenken, um die Zugehb'rigkeit und Zuneigung zu zei-
gen. In vielen Situationen tritt diese Zweischneidigkeit auf, wo ich
mich als Sozialarbei terin mit bestimmten Vorstellungen und Zielen im
Kopf, die ich in der Gruppe realisieren mbchte, entscheiden muB,
ob ich diese erst einmal zuruckstecke, damit es flir die Madchen nichts
Aufgesetztes ist, oder ob ich sie "massiv" in die Gruppe einbringe."
Ahnliche Schwierigkeiten treten fur die Sozialarbeiterinnen auf,
wenn sie sich zu den Bedlirfnissen der Arbeitermadchen nach Kochen,
gemeinsamen Stricken, Teekliche organisieren und Hausputz im Jugend-
zentrum verhalten muB- Sie praktizieren damit Verhaltensweisen, die
sie fUr ihr spateres Leben - fast alle mbchten heiraten, Hauschen,
Kinder - notwendig brauchen. Gleichzeitig bedeuten diese Aktivitaten
ihre Identif ikation mit dem Jugendzentrum. Auf der anderen Seite
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zeigen diese Bediirfnisse rollenspezif ische Komponenten, die ich fLir
mich so nicht akzeptieren kann. Wenn Madchen sich fur solche Arbei-
ten im Jugendzentrum einsetzen, mu'ssen sie in der Gruppe diskutiert
und dlirfen nicht ohne weiteres verstarkt werden. Diese Aktivitaten
sind also gleichzeitig Ansatz fiir eine Diskussion Uber die "Rolle"
der Frau .
Die Inhalte der Gruppenstunden werden durch die Existenzbereiche der
Madchen festgelegt. Der Hauptproblembereich ist die Beziehung zu dem
Freund, die meist sehr unbefriedigend ist und das ambivalente Em-
pfindung und die Einstellung zur Sexualitat. Andere Schwierigkeiten
gibt es mit dem Elternhaus, wobei eine Freundschaft mit einem Jun-
gen meist noch zusatzliches Konfl iktmaterial hervorbringt. Das Durch-
sprechen und die Auseinandersetzung mit der Schulproblematik ist in
den einzelnen Madchengruppen unterschiedlich. In einigen Jugendzen-
tren machen Madchen oft zusammen Schularbeiten, in einem anderen
wird die Schulsituation fast vol 1 ig ausgeklammert, da keinerlei Iden-
tifikation mehr mit dem, was in der Schule passiert, vorhanden ist.
Die Schule ist eher zu einem "Warteraum" geworden, den man bis zum
AbschluB durchsitzen muB. Ober die Situation am Arbeitsplatz wird
nur dann - und das auch nicht immer - geredet, wenn berufstatige
Madchen in der Gruppe sind.
Mdgl ichkeiten politischer Praxis im Jugendzentrum mit Arbeitermadchen
Meine Arbeit hatte das Ziel, bei Jungen und Madchen solidarische
Verhaltensweisen zu entwickeln, den Warencharakter von Beziehungen
aufzuheben, die doppelte Unterdruckung von Frauen und Madchen heraus-
zuarbeiten und daraus als Konsequenz die "Teilnahme am Klassenkampf"
abzuleiten, da er nicht von Mannern al 1 ein geflihrt werden kann.
Offene, taglich erfahrbare Unterdruckung, die Frauen und Madchen
erleben, sind zunachst oft durch den Mann bzw. mannliche Autorita-
ten vermittelt. Dies ist die Begrtindung meines Ansatzes gewesen.
Mbgl ichkeiten emanzipatorischer Praxis mit Arbeitermadchen lassen
sich dann auf drei Ebenen beziehen:
1. Was soil eine Madchengruppe fiir die Madchen selbst bringen?
Die Madchen sollen sich selbst erst einmal kennenlernen und ihr eige-
nes Verhalten untersuchen, was bedeutet, daB sie ihr rollenspezifi-
sches Verhalten erkennen und andere Verhaltensweisen, die selbstbe-
stimmter sind, sich aneignen. Sie mu'ssen sich als Gegengewicht zu
den Jungen begreifen, was zugleich heiBt, daB sie nur so aus der
Konkurrenz untereinander und von der Fixierung an Jungen herauskom-
men. Durch den Austausch ihrer eigenen Erfahrungen, der gegenseiti-
gen Hilfestellungen, kbnnen emotionale Beziehungen entstehen, die
zur Lbsung und zum Fertigwerden mit persbnlichen Konfl ikten nbtig
sind. Der ZusammenschluB in einer Gruppe sta'rkt das Sel bstbewuBt-
sein der Madchen. Sie werden dadurch befahigt, ihre Interessen zu
artikulieren und durchzusetzen, um gemeinsame Aktivitaten zu ent-
wickeln.
2. Welche Funktion kann eine Madchengruppe fLir das gesamte Jugendzen-
trum haben? Durch die Bildung einer Madchengruppe wird meist der
Aufbau einer Jungengruppe provoziert, wodurch im Jugendzentrum sich
auch zwischen den Geschlechtern andere Kommunikations- und Verhal-
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tensstrukturen herausbilden kbnnen. Geschlechtsspezifisches Verhal-
ten, Denken und ihre Vorurteile werden in den Jungengruppen ebenso
oft zum Gegenstand der Diskussion gemacht. Die Arbeit in der Madchen-
oruppe hi 1 ft das Jugendzentrumsgefiige zu stabil isieren, ihr Interes-
se am Haus steigt mit dem Zjgehbrigkeitsgeflihl zu einer Gruppe. Bei
Aktionen, die das Haus betreffen, Wie z.B. bei der Forderung nach
langeren Dffnungszeiten, mehr finanzieller Unterstiitzung, bei Gefahr
der SchlieBung usw- haben die Madchen starkes Interesse, sich an
dem Kampf zu beteiligen und gemeinsam mit alien Jugendl ichen einheit-
lich vorzugehen. Durch die Gruppe kbnnen Madchen lernen, ebenfalls
bei Organisationsarbeiten mitzumachen, Veranstaltungen zu planen
und durchzufuhren. Durch die Mitarbeit in einer Madchengruppe kann
Angstund Unsicherheit.in den Gremien mitzuarbeiten und bffentlich
aufzutreten, abgebaut werden; ebenso kann man sich gegen solche
Jungen zur Wehr setzen, die bestimmte Arbeitsbereiche z.B. Discothek
fiir sich allein beanspruchen Oder anderweitig versuchen, die Madchen
abzublocken, sei es , daB sie ihnen mit massiven Vorurteilen begeg-
nen, ("Madchen haben kein Verstandnis fiir technische und organisato-
rische Dinge") oder ihr Wissen und Meinungen nicht an Madchen richten.
3. Welche Mdglichkeiten haben Madchengruppen u'ber das Jugendzentrum
hinaus? Probleme und Arbeitsergebnisse, die die Madchen selbst betref-
fen oder allgemein im Bereich des Ougendzentrums liegen, kbnnen in
der Gruppe durch Erstellung eines Flugblattes, durch Berichterstattung
in einer Jugendzentrums-Zeitung, durch Fragebogenaktionen nach
"drauBen" gebracht werden. Wenn die Mitglieder der Madchengruppe
die Schule verlassen haben, muB die Frage nach beruflicher Ausbildung
diskutiert werden. Es kbnnen Stellenangebote durchgesehen werden, urn
zu untersuchen, in welchen Arbeitsbereichen Madchen und Frauen ge-
braucht und eingesetzt werden. Interviews und Besichtigung von Ar-
beitsplatzen ermbglichen ihnen, ansatzweise die Arbeitslage und
-situation bewuBt zu machen.
Eine politisch sinnvolle Arbeit im Jugendzentrum mit Arbeitermadchen
hangt naturlich von vielen weiteren Komponenten ab, z.B. Verhaltnis
zur Stadtverwaltung oder Trager, Teamsituation, persbnlicher Ein-
satz der Sozialarbeiter/Sozialpadagogen usw., die hier nicht be-
schrieben werden kbnnen. Die Bedeutung dieser Faktoren sollte in
die Diskussion auf dem Arbeitsseminar in Kassel einbezogen werden,
urn weitergreifende politische und padagogische Fragen befriedigend
beantworten zu kbnnen.
Arbeitskreis Kritische Sozialpadagogik,
Dlisseldorf:
BERICHT VON DER JUGENDZENTRUMSTAGUNG
DOSSELDORF VOM 25.-27.10.1974
Ober den 'Info Sozialarbeit' hatte der Arbeitskreis Kritische
Sozialpadagogik (AKS) Dlisseldorf alle interessierten Genossen und
Jugendinitiativen zu einem Arbeitsseminar uber Jugendzentren einge-
laden. Die erarbeiteten Ergebnisse des Seminars wollten wir fur die
Erstellung des Info 9 verwerten. Bei der Planung gingen wir davon
aus daB der Info die Arbeit fortschrittl icher Sozialarbeiter in
Jugendzentren bzw. Selbstorganisationsansatze generell unterstutzen
und neue Perspektiven aufzeigen kann.
Da sich die meisten Publikationen liber 'Selbstverwal tete Jugendzen-
tren' bisher auf die Entwicklung von Jugendinitiativen und deren
speziellen Schwierigkeiten oder den Kampf urn geeignete Hauser be-
zogen, stellten wir starker die Frage nach der inhaltl ichen Gestal-
tung von selbstverwal teten Jugendzentren - hier schwerpunktma'Big
nach der Rolle und Funktion von Sozialarbeitern in Selbstorganisierungs-
Prozessen.
Zeitschrift Nr. 1
erlauf und Ergebn
sflihrliches Proto
erscheint uns im
e keine neuen Erk
rher bekannt gewe
aus unzahligen,
r auf eine kurze
dazu (Interessen
1 (Nov. 1974), die eine er-
is der Tagung abgab, wurde
koll im Info 9 abgedruckt
Nachhinein wenig sinnvoll,
enntnisse oder Problemlbsun-
sen waren; das Protokoll be-
ungelbsten Fragen. Wir be-
Beschreibung des Verlaufs
ten erhalten das Protokoll
26
In der Heim & Erzieher
ste Stellungnahme zum V
angekundigt, daB ein au
werde. Dieses Vorhaben
denn das Seminar bracht
oen, die nicht schon vo
steht im Gegenteil eher
schranken uns daher hie
und einer Stellungnahme
zugeschickt - 14 S. )
Wir nahmen an, daB an der Tagung liberwiegend Sozialarbeiter teilneh-
men wlirden, die _
a) in Jugendzentren tatig sind und
b) an der Erstellung der Info's mitarbeiten.
Darauf stellten wir die inhaltliche Planung ab. Nach den Vorstellun-
oen des AKS soil ten drei Schwerpunkte diskutiert werden:
- Beqriff und Inhalt von Selbstverwaltung, z.B. welche Zielvorstel-
lungen liegen ihr zugrunde? Warum wird sie gefordert? Real isierung?
Rolle und Funktion der Sozialarbeiter, z.B. "doppeltes Mandat" der
Sozialarbeiter, welche Aufgaben haben sie innerhalb eines 'Selbst-
verwalteten Jugendzentrums' , Diszipl inierung .Dffentlichkeitsarbeit,
Organisationsfrage u.a.?
- Umsetzung der politisch/padagogischen Vorstellungen, z.B. Method! k,
Medien, inhaltliche Arbeit. Welche Faktoren beglinstigen, welche
behindern die BewuBtwerdung von objektiven Interessen der Ougend-
lichen? Unterschiede zwischen Schulern/Lehrl ingen/Jungarbeitern/
Studenten/ Sozialarbeitern.
Bei der Einladung hatte der AKS urn Erfahrungsbenchte aus einzelnen
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Jugendzentren gebeten, derm Ansatzpunkt der Arbeit sollten die
praktischen Erfahrungen der Teilnehmer sein.
Zu Beginn des Seminars lag aber nur der Bericht liber das JZ "Prisma",
Berlin vor. AuBerdem erschienen nicht nur Genossen und Gruppen, die
am Info mitarbeiten, sondern uberwiegend Initiativen (Jugendl iche)
und Sozialarbeiter, die Interesse am Thema zeigten, aber nicht liber
den Zusammenhang zwischen Info, Arbeitsseminar und AKS-Gruppen infor-
miert waren.
Daraus ergaben sich unterschiedl iche Erwartungshal tungen an das Se-
minar, die am Freitagabend geauBert wurden. Wir stellten aus den
Ergebnissen der Diskussion einen neuen Fragenkatalog zusammen, der
exemplarisch am "Prisma" bearbeitet werden sollte.
Nach dem Plenum am Samstagmorgen, in dem Bericht iiber die Entwicklung
im JZ 'Prisma' erstattet worden war, bildeten sich zwei Arbeitsgrup-
pen, die hauptsachl ich zwei Themenkomplexe bearbeiten wollten:
- Fortschrittl iche Arbeit muB an den Bedlirfni'ssen der Jugendl ichen
ansetzen, darum ist konkret zu klaren, welche Bedlirfm'sse die Ju-
aendl iche haben.
- Bestimmung der Funktion von Sozialarbeitern in Selbstorganisations-
prozessen.
Abends trafen sich die Gruppen wieder im Plenum. Im Laufe der Dis-
kussion war eine Ratlosigkeit entstanden, die mehr Oder weniger bei
alien Teilnehmern eine resignative Stimmung ausloste. Han stellte
die Realisierung von 'Selbstverwalteten Jugendzentren' infrage und
tendierte zu der Meinung, daB sich Sozialarbeiter oft an eine neue
Bewegung "anhangen" (Randgruppenstrategie, Jugendwohnkollektive,
Abenteuerspielplatze) rait der Illusion, dort eine "freiere - revo-
lutionise - Berufspraxis" verwirklichen zu konnen. Selbstverwaltung
sei eine den Jugendl ichen "aufgesetzte Wunschvorstellung" einiger
progressiver Sozialarbeiter, kbnne aber nicht im Interesse von Ar-
beiterjugendl ichen liegen.
Den Gegenpol zu dieser Meinung bildetaidie anwesenden Jugendinitia-
tiven, die ohne Sozialarbeiter bestehen; sie wollten sich mit dieser
resignativen Einschatzung der Jugendzentrenbewegung nicht zufrieden
geben.
Die destruktive Situation wurde erst am nachsten Tag durch die Er-
gebnisse der drei (am Vorabend noch gebildeten) Arbeitsgruppen auf-
gehoben. Problemstellungen der AG's waren:
- Beispiele, Mbgl ichkeiten der Verbesserung von Freizeitbedingungen
der Jugendl iche , Entwicklung von Kriterien fur eine fortschritt-
liche Arbeit;
- Organisationsfrage zur Absicherung fortschrittl icher Arbeit und
Seminarkritik;
- Neusser Jugendl iche und die Hamburger Jugendinitiative diskutier-
ten praktische Probleme in ihren Jugendhausern.
Uns scheint nach dem Abflauen der ersten Euphorie eine realistischere
Einschatzung der JZ-Bewegung und ihrer Mbglichkeiten gelungen zu sein.
Die Seminarteilnehmer kamen zu dem Ergebnis, daB unter kapitalisti-
schen Produktionsbedingungen Selbstverwal tung nur beschrankt mbgl ich
ist; der Begriff "Selbstverwaltung" dient aber als "identifikations-
spendende Kampfparole" - Dariiberhinaus wurde vor einer Oberschatzung
der sozial padagogischen Arbeit in Jugendzentren gewarnt. Ein Sozial-
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arbeiter kann lediglich durch eine fortschrittl iche Praxis Selbst-
organisationsbestrebungen der Arbeiterjugendl ichen unterstu'tzen und
Perspektiven des Kampfes aufzeigen. Der Kampf urn und die Arbeit in
Jugendzentren muB immer in das politische Gesamtkonzept eingeordnet
werden. Ein Selbstverwal tetes Jugendzentrum kann nie Ziel , sondern
nur Mittel der politischen Arbeit sein. Es dient als "Durchlaufer-
hitzer", als Feld, in dem Jugendliche Pol itisierungsprozesse durch-
machen konnen. Die Inhalte der Arbeit bestimmen sich aus den Bedlirf-
ni'ssen und Interessen der Jugendl ichen und ihrer speziellen Proble-
matic die sich aus dem sozialen Umfeld ergibt. Es wurde betont,
daB es fur Sozialarbeiter unerla'Blich ist, sich zu organisieren
(AKS, Gewerkschaften - hin zur Bildung von Sozial istischen Zentren).
Diese Ergebnisse sind - wie schon gesagt - so neu nicht. Wichtiger
war unseres Erachtens die Konstatierung, daft die Zustande in fast
alien sogenannten Selbstverwalteten Jugendzentren deprimierend sind
und sich kaum von der Situation der blirgerl ichen Hauser der Offenen
T'u'r unterscheiden. Es stellte sich heraus, daB der Begriff der Selbst-
verwaltung selten inhaltlich geflillt, sondern eher ein formales Or-
ganisationskonzept war. Daraus resultiert dann spatestens nach der
Erkampfung eines geeigneten Hauses eine Interessenlosigkeit der Ar-
beiterjugendl ichen an einer Selbstverwaltung. Oft erhalt eine Kern-
gruppe von Aktivisten (meist Schliler weiterflihrender Schulen und/
oder Studenten) eine formale, biirokratische Organisationsstruktur
(= Selbstverwaltung) aufrecht.
Urn einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden, muB deshalb verstarkt
an der inhaltl ichen Erarbeitung von Selbstverwaltung und am Problem
der Vermittlung von Inhalten angesetzt werden. Bezeichnenderweise
wurden die meisten Fragen in dieser Richtung aufgeworfen.
Eim'ge Genossen waren allerdings mit diesem Trend der Diskussion
nicht einverstanden. Es sei nicht so wichtig, "Tricks" fur die prak-
tische Arbeit weiterzuvermitteln, weil dann die Gefahr einer Hand-
werkeleidiskussion heraufbeschworen wlirde.
Wir hatten dagegen den Eindruck, daB gerade den Praktikern, die in
Jugendzentren arbeiten, sehr viel an einem solchen Austausch liegt.
FUr die klinftige Veranstaltung von Arbeitsseminaren in Verbindung
mit dem Info halten wir es fur hilfreich, thesenartig die Kritik
weiterzugeben, die an der Organisation der Jugendzentrumstagung ge-
leistet wurde:
- Die Beziehung zwischen den AKS-Gruppen, dem Info Sozialarbeit im
Sozial istischen Bliro (als publ izistisches und organisierendes Or-
qan) und dem Arbeitsseminar war nicht deutlich genug und ha'tte
vorweg geklart werden mlissen;
- Die Tagung war nicht genugend vorbereitet und zu wenig strukturiert.
Es ist kaum effektiv, zu hoffen, daB aus dem Zusammentragen reiner
Erfahrungsberichte weiterfiihrende Schritte fur die Praxis erarbei-
tet werden konnen;
Die Teilnehmer erwarteten vom AKS eine politische Orientierung:
z.B. Diskussionsthesen liber die Einschatzung der Jugendzentrums-
Bewegung. Das setzt allerdings ein eindeutiges politisches Selbst-
verstandnis yoraus; der AKS Dlisseldorf war in seiner Entwicklung
noch nicht so weit fortgeschritten;
Wenn der Info Sozialarbeit eine anleitende Funktion fur die Basis
erflillen will, darf die Redaktion nicht nur Koordinationsaufgaben
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wahrnehmen und auf freiwillige Beitrage von AKS-Gruppen warten.
Sie muB auch die inhaltliche Diskussion fiihren. z.B. gesellschaft-
liche Bedingungen analysieren, Grenzen abstecken, Einschatzungen
liefern, Verbindl ichkeiten finden etc;
Die Vorbereitung des Seminars ha'tte unter Berlicksichtigung der
unterschiedlichen Interessen der Teilnehmer stattfinden mussen.
Die anwesenden Jugendlichen waren z.T. mit der Diskussionsebene
nicht einverstanden oder flihlten sich Ubergangen (ein Beispiel:
Ein Lehrling auSerte seinen Unmut dariiber, daB die Sozialarbeiter
sich einbilden, seine Interessen und Bed'u'rfnisse bestimmen zu kon-
nen, ohne ihn Uberhaupt zu fragen. Die Diskussion erschien ihm
allgemein vie! zu theoretiscti und abstrakt).
THESEN-ENTWURF DES SOZIALISTISCHEN BOROS
Die wachsenden gesellschaftlichen Widerspruche und Konflikte in
Westdeutschland und die ungenligende Art und Weise, in der viele
sozialistische und kommunistische Gruppen bzw. Parteien die
aktuellen Probleme sozialistischer Strategie und Taktik behan-
deln, haben in den letzten Oahren das Interesse am Sozialistischen
BLiro erheblich verstarkt. Dieses zunehmende Interesse hat Kon-
sequenzen fur die Arbeit und fiir die Struktur des Sozialistischen
Buros selbst. Der ArbeitsausschuB des SB hat deshalb einen neuen
Thesen-Entwurf erarbeitet, der versucht, den Diskussionsstand
der am Sozialistischen BLiro orientierten oder in ihm in der
einen oder anderen Weise organisierten Linker festzuhalten und
diese Diskussion sowie den OrganisierungsprozeB voranzubringen.
Der Thesen-Entwurf soil in den na'chsten Monaten einer intensiven
Diskussion in regionalen Arbeitstagungen, den Arbeitsfeldern des
SB, den SB-Gruppen und Sympathisanten-Gruppen sowie in den
Publikationen des SB unterzogen werden. Im Herbst/Winter 1975
soil der Entwurf dann auf Grundlage dieser Diskussion noch ein-
mal uberarbeitet und im Delegiertenrat bzw. der Arbeitsgruppe
Sozialistisches Biiro als vorlaufige politische Positionsbestim-
mung des SB verabschiedet werden. In die Diskussion urn den
Thesen-Entwurf mussen auch die Erfahrungen und Notwendigkeiten
der einzelnen Arbeitsfelder eingehen. Somit stellt sich auch
fiir das Arbeitsfeld Gesundheitswesen die Aufgabe, spezifische
Thesen des Arbeitsfeldes zu entwickeln und diese Aspekte in die
Thesen des SB einzubringen.
Der vom ArbeitsausschuB erarbeitete Thesen-Entwurf, der ab
Februar 1975 als Broschure vorliegt, kann gegen Voreinsendung
von DM 5.-- bezogen werden Liber Sozialistisches BLiro, 6o5 Offen-
bach 4, Postfach 591.
30 -
Autorengruppe Bremen:
POLITISCHE BILDUNG IM JUGENDFREIZEITHEIM
UNTER DER ZIELSETZUNG
EINER STADTTEILBEZOGENEN ARBEIT
Vorbemerkung:
Dieses Papier, das Bremer Kollegen fiir ihre konkrete Arbeitssituation
erarbeiteten, ist kein fertiges Konzept oder ein Rezept, das man
einfach anzuwenden braucht. Vor alien fehlen in diesen Beitragen
- eine Ableitunn zur grundsatzl ichen Bestimmung von politischer
Bildung mit bestimmten Adressatengruppen bei Berlicksichtigung ihrer
speziellen sozio-okonomischen Situation;
- die Funktionsbestimmung von Sozialarbeit und Juqendzentrum und damit
der Arbeit der Kollegen in den Jugendzentren;
- die Erklarung der allgemeinen Konzeption politischer Bildung und
der Formen der Durchsetzung jugendpol itischer Forderungen entspre-
chend der jeweiligen nesellschaftspolitischen Situation und der
eingehenden Widersprliche, Machtkampfe und Krafteverhal tnisse.
Trotz dieser Schwachen hoffen wir, daB die Beitrage die Diskussion
um die Arbeit in Jugendzentren und Freizeitheimen vorantreiben,
Motivation und Hilfen fiir konkrete Projekte geben, daB sie die Reflek-
tion bisheriger Arbeit und Orientierung sowie Oberprlifung weiterer
Arbeit unterstlitzen.
Thesen zur politischen Bildungsarbeit im Jugendfreizeitheim
Die Diskussion Liber Konzeptionen von Jugendfreizeitarbeit und poli-
tischer Bildungsarbeit dreht sich im Kernpunkt immer um die Inter-
essenfrage: an wessen Interesse orientiert sich die Freizeitarbeit
und nach welchen Kriterien bestimmen sich diese Interessen?
1. Die wesentliche Aufgabe der Jugendfreizei theime nach 1945 bestand
darin, insbesondere Telle der Arbeiterjugend vor drohender Verwahr-
losung und Radikalisierung zu bewahren. Dieser Anspruch konnte je-
doch inur unzulanglich eingelbst werden, da die Arbeit von einem un-
spezifischen Jugendbegriff ("den Jugendlichen") ausging, der den Zu-
gang zu den konkreten Problemen der Jugendlichen eher verstellte als
eroffnete. Das Resultat war der unreflektierte Versuch, die Arbeiter-
jugend liber mittelschicht-gepragte Bildungsangebote in eine Mittel-
schichtenkul tur zu integrieren, deren Sinn und Perspektive den Ar-
beiterjugendlichen objektiv und subjektiv verschlossen bleiben muBte.
2. In der Folgezeit ergab sich als Konsequenz eine starkere Hinwen-
dung zu den "Interessen der Jugendlichen", womit jedoch in verkurz-
ter Unmittelbarkeit nur diejenigen Interessen und Bedurfnisse gemeint
waren, in denen sich die spontane Reaktion der Jugendlichen auf die
Belastungen in der Arbeitswelt darstellten: Aggressionen, Entspannung
31
Erholung, Zerstreu
unmittelbar artiku
wesentlich durch d
gerade, das besteh
zu lassen und sich
cher Kompensation
chen Kino, Kneipe,
- ohne jedoch mit
renz treten zu kbn
padagogisch als be
ung, Betaubung etc. Die Beschrankung auf diese
lierten Bedlirfnisse, deren Form zudem bereits
ie Freizeitindustrie bestimmt war, bedeutete aber
ende Verhaltnis von Arbeit und Freizeit unberlihrt
in der Jugendfreizeitheim-Arbeit mit oberflachl i-
zu begnligen. Das Jugendfreizeitheim wurde ein biB-
Sportplatz, Beatclub, Reiseburo, Spielhalle etc.
den kommerziellen Vorbildern ernsthaft in Konkur-
nen. Paradoxerweise wurde gerade dieses Konzept
sonders Adressaten-Jugendorientiert verklart.
3. "Orientierung an den Interessen der Jugendl ichen" bedeutet also
weder die Durchsetzung eines allgemeinen Bildungsanspruchs, der von
der tagtaglich notwendigen Wiederherstellung der Arbeitsfahigkeit
der Jugendl ichen abstrahiert, noch die bloBe Beschrankung auf die
Verwaltung der von den Jugendlichen unmittelbar geauBerten Wunsche
nach Entspannung und Ausgleich.
<?. Die von den Jugendlichen in unterschiedl icher Weise geauBerten
Bedlirfnisse und Interessen sind vielmehr Ausdruck ihrer jeweiligen
Klassenlage. Sie beziehen sich unmittelbar auf ihre Arbeits- und
Lebenssituation und lassen sich nur aus der Analyse dieser Verhalt-
nisse begreifen. Dies bedeutet, daB es keine allgemeine "jugendliber-
nreifenden" Interessen gibt, denn es gibt nicht "die Jugend", die
Uber einheitliche soziale Erfahrungen und Interessen verfugt.
5. Die subjektiv geauBerten Freizeitbedurfnisse der Jugendlichen sind
aber auch ein Ausdruck der kapitalistischen Trennung von Arbeit und
Freizeit: "Selbstverwirkl ichung" ist aus dem Arbeitsbereich verbannt
und in die Freizeit verlegt und zudem auf diejenigen Formen einge-
schrankt, die der Wiederherstellung der Arbeitsfahigkeit der Indivi-
duen dienen.
6. Wenn also die Freizeitinteressen der Jugendlichen nach Entspan-
nung und Ausgleich innerhalb unserer Gesellschaftsstruktur als not-
wendig und berechtigt anzusehen sind, so ware es doch eine Illusion,
die Trennung von Arbeit und Freizeit Uber die Veranderung allein
des Freizeitverhaltens aufheben zu wollen.
7. Politische Bildungsarbeit im Jugendfreizeitheim muB diese beiden
Seiten in ein richtiges Verhaltnis zu setzen versuchen: im Entspan-
nungs- und Zerstreuungsverhal ten der Jugendlichen mlissen auch die
Probleme undKonflikte auBerhalb des Heims (Familie, Arbeitsplatz,
Stadtteil) aufgedeckt und zuga'nglich gemacht werden; umgekehrt muB
das "Bildungsangebot" des Jugendfreizeitheims, das sich auf die
Konflikte der Jugendlichen bezieht, in eine Atmosphare eingebettet
sein, die SpaB, Freude und Entspannung nicht ausschlieBt. Die starre
Trennung beider Bereiche muB aufgehoben werden.
8. Die Erstellung eines solchen Konzepts von politischer Bildungs-
arbeit im Jugendfreizeitheim ist nicht ein einmaliger Akt, sondern
ein ProzeB. Sie vollzieht sich entsprechend der genauen Untersuchung
des Verhaltnisses von Lebens- und Freizeitsituation der jeweiligen
Heimbesucher, und durch das schrittweise Begreifen des Zusammenhangs
von subjektiven Interessen und der objektiven Klassenlage. Dieser
- 32 -
ProzeB kann nur gemeinsam
zogen werden, nicht aber s
die Jugendlichen. Deshalb
die Form einseitiger "Indo
die Mitarbeiter bei der En
Aufgabe, ihre spezifischen
chen beratend zur Verfugun
didaktischen Umsetzung von
der Bereitstellung bzw. de
die fur eine solche Arbeit
gange, Kontakte zu anderen
von Jugendlichen und Mit
tel 1 vertretend von den M
kann und darf dieser Pro
ktrination" annehmen. Al
twicklung einer solchen
Kenntnisse und Fahigkei
g zu stellen, so z.B. in
Ideen, in der Nutzung i
r Erkampfung der materie
erforderlich sind (Elte
Institutionen etc. )
arbeitern voll-
itarbeitern flir
zeB auch niemals
lerdings haben
Konzeption die
ten den Jugendl i-
der Frage der
hrer Kontakte und
lien Bedingungen,
rnarbeit, Lehr-
9. Der so beschriebene Ansatz von Jugendfreizeitheim-Arbeit geht
nicht von einem statischen Begriff der Freiwill igkeit aus, sondern
davon, daB Erkenntnisprozesse und Einsichten in die gesellschaftli-
chen Verhaltnisse auch zur Veranderung der eigenen Interessenlage
f'u'hrt. Darum kann eine solche Arbeit sich nicht auf Aktivitaten in-
nerhalb des Heims beschranken, sondern muB versuchen, die Verbindung
herzustellen und Stellung zu beziehen zu alien Konflikten und Ent-
wicklungen, die den Zusammenhang von Lebenssituation und Freizeit-
nestaltung deutlich werden lassen. Dies bedeutet vor allem die Ent-
wicklung einer aktiven Zusammenarbeit der Heimbesucher und Mitarbei-
ter mit den Bewohnern des Stadtteil s, mit den El tern, Lehrern, Ar-
beitskollegen und Mitschlilern der Jugendlichen usw. Die Zielsetzung
einer solchen Stadtteil-orientierten Jugendfreizeitheim-Arbeit ist
demnach, das politische Lernen und die politische Aktivierung der
Jugendlichen an eine Praxis zu binden, die sich auf Konflikte und
Probleme bezieht, die flir die Jugendlichen wie flir den Stadtteil
gleichermaSen von Bedeutung sind. Mit dieser Zielsetzung kann gleich-
zeitig ein Beitrag dazu geleistet werden, das Jugendfreizeitheim aus
seiner gesellschaftlich isolierten Stellung heraus- und eine enge
Wechselbeziehung zwischen Jugendfreizeitheim und Stadtteil herbeizu-
flihren.
10. Eine solche Arbeit im Jugendfreizeitheim kann nicht ohne Konflik-
te ablaufen; vielmehr gehdren der Konflikt, das Erkennen und die Aus-
einandersetzung mit gesellschaftlichen Interessen und Machtstruktu-
ren sowie die Suche nach und die Praktizierung von Losungsstrategien
zum Wesen dieser Arbeit. Auch die Mitarbeiter des Jugendfreizeitheims
kbnnen sich solchen Konflikten gegenu'ber nicht neutral verhalten;
soil das Postulat von der "Arbeit im Interesse der Adressaten" nicht
leer bleiben, mlissen sich die Mitarbeiter immer erneut des subjekti-
ven und objektiven Nutzens, des Zweckes und der Richtung ihrer so
als parteilich verstandenen Arbeit versichern. Entscheidend ist da-
bei nicht, ob eine solche Arbeit stets die unmittelbare und ungeteil-
te Zustimmung der Adressaten oder der vorgesetzten Behbrde findet,
sondern ob sie sich padagogisch, politisch und damit auch vor einer
breiten Offentl ichkeit zu legitimieren vermag.
Beqrundunq einer stadtteilorientierten Jugendfreizeitheim-Arbeit
Die Notwendigkeit und Berechtigung einer stadtteil bezogenen Jugend-
freizeitheim-Arbeit ergibt sich zum einen aus der Tatsache, daB die
Jugendfreizeitheime bisher weitgehend vom gesellschaftlichen Leben
- 33 -
i.
ihres Wohnbezirks isoliert waren. Weit davon entfernt, jugendpol iti-
sche Zentren zu sein, verhielten sie sich weitgehend passiv gegenuber
dem Geschehen auBerhalb des Heims und beschrankten ihr Angebot auf
diejenigen Kinder und Jugendlichen, die "freiwillig" ins Haus kamen.
Aber auch diese Angebote orientierten sich vorwiegend an den subjek-
tiven, spontan geauBerten Bediirfnissen der Adressaten. Ein Aufgrei-
fen, ja ein Kennenlernen ihrer tatsachl ichen, objektiven, oft noch
nicht bewuBten Probleme konnte deshalb nur zufallig erfolgen und
blieb ohne Konsequenz im Angebot; entsprechend oberflachl ich blieben
auch die MaBstabe fur den "Erfolg" der eigenen Arbeit (voiles Haus;
Besucherzahlen; spontane "Zufriedenheit" der Besucher u.a.).
Zum anderen ergibt sich diese Konzeption aus einem veranderten Be-
ariff von politischer Bildung: politische Bildung als Aktivierungs-
prozeB.
Dies bedeutet, daB politische Bildung nicht auf die Vermittlung von
Informationen bzw. intellektuelle Prozesse reduziert werden darf,
sondern daB politisches Lernen, das sich auf das Begreifen der eige-
nen gesel 1 schaf tl ichen Lage und Interessen und ihre aktive und selb-
standige Vertretung und Durchsetzung richtet, immer an praktisches
Handel n gebunden sein muB.
- Aufhebung falscher Trennungen -
Eine solche Konzeption der Vermittlung von Theorie und Praxis, von
Lernen und Handel n in der Jugendfreizeitheim-Arbeit fiihrt notwendig
zur Aufhebung von Trennungen und Abgrenzungen, die die Wirkungsmbg-
lichkeiten politischer Bildungsarbeit im Jugendfreizeitheim bisher
eingeschrankt haben. Aufgehoben werden muB die falsche Trennung
- von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, deren gemeinsame Inter-
essen sich aus ihrer gemeinsamen gesellschaftlichen Lage ergeben.
Das bedeutet naturlich nicht, daB es nicht Angebote geben muB,
die sich spezifisch an Kinder, Jugendliche Oder Erwachsene richten;
wichtig ist aber, das Gemeinsame und Obergreifende zu berlicksich-
tigen.z.B. :keine Kinderarbeit ohne Elternarbeit;
- von Jugendfreizeitheim und Stadtteil; konkrete und aktuelle Pro-
bleme der Bewohner im Stadtteil sollen im Jugendfreizeitheim auf-
gegriffen, bearbeitet und wieder in den Stadtteil hinausgetragen
werden;
- von Arbeit (oder Lernen) und Freizeit; ihr inhaltlicher Zusammen-
hang ist zu thematisieren und durch eine entsprechende "Arbeits-
und Entspannungs-Atmosphare" im Jugendfreizeitheim zu realisieren;
- der verschiedenen Methoden der Sozialarbeit und Sozialpadagogik;
Gemeinwesenarbeit, politische Bildung, Gruppenarbeit und Hilfe fur
Einzelne schlieBen sich gegenseitig nicht aus, sondern bedingen
und fbrdern einander;
- der "Rollen" von Kindern, Jugendlichen, Eltern und Mitarbeiter;
im Rahmen eines Untersuchungskonzepts z.B., das sich auf Konflikte
im Stadtteil und die Interessen der Adressaten und Bewohner rich-
tet, werden Jugendliche und Eltern auch zu "Lehrenden", die Mit-
arbeiter auch zu "Lernenden" (nicht nur umgekehrt). Die Orientie-
rung an den Interessen der Bevblkerung laBt diese zur primaren
Legitimationsinstanz der Sozialarbeit werden.
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- Voraussetzungen
Die konkrete DurchfUhrung dieser Verflechtung von Jugendfreizeitheim
und Stadtteil hangt von einer Reihe von Voraussetzungen ab, u.a. von
- der Struktur des Stadtteils (seiner Sozialstruktur und den daraus
resultierenden Problemen und Konflikten); sie muB Gegenstand der
Untersuchungsarbeit sein;
- von den Interessen, Fahigkeiten und Mogl ichkeiten der Mitarbeiter
in dem Jugendfreizeitheim (die jedoch nicht statisch aufgefaBt
werden dlirfen, sondern sich nach MaBgabe ihrer eigenen Lernprozesse
verandern) ;
- von der Ausstattung des Jugendfreizeitheims (personell, raumlich,
sachl ich) ;
- vom (politischen) Verhalten der vorgesetzten Behbrden
Die Jugendfreizeitheime kbnnen nicht alles machen; je nach Voraus-
setzungen miissen also Schwerpunkte gesetzt werden. Dies allerdings
bedarf der Abstimmung und Koordination im jeweiligen und unter den
Jugendfreizeitheimen insgesamt.
- Merkmale von Kampagnen -
Unter "Kampagne" wird die allgemeine Form der Verflechtung von Jugend-
freizeitheim und Stadtteil verstanden: das Aufgreifen von Problemen
im Stadtteil, ihre Bearbeitung im Jugendfreizeitheim und die prakti-
sche Aktion im Stadtteil selbst. Die wichtigsten Merkmale solcher
Kampagnen sind deshalb:
- sie sind auf konkrete Probleme der Bevblkerung im Stadtteil gerich-
tet (das setzt Untersuchungsarbeit voraus);
- sie haben die Bewegung: Stadtteil-Jugendfreizeitheim-Stadtteil
(Verflechtung);
- sie verbinden die Formulierung und Verfolgung konkreter Teilziele
mit der Entwicklung weiterreichender Perspektiven (gerade in die-
ser Verbindung spielt sich politisches Lernen ab);
- sie sind grundsatzl ich dffentl ichkeitsorientiert;
- sie beruhen auf gemeinsamem Vorgehen, fbrdern die Aktivierung und
Selbstandigkeit der Betroffenen und verringern damit die Basis flir
alle Formen von Stellvertreter-Pol itik;
- sie bedurfen der kontinuierl ichen kritischen Oberprufung.
- Schritte der Untersuchungsarbeit -
Untersuchungsarbeit heiBt nicht: Daten .sammeln, aus denen nichts folgt.
Die Jugendfreizeitheime sollen auch keine AuBenstellen des Statisti-
schen Landesamtes werden (dessen Daten naturlich verwandt werden
sollen, wo sie weiter helfen). Untersuchung z.B. der Bevblkerungs-
struktur eines Stadtteils heiBt also, sowohl die objektiven Lebensbe-
dingungen als auch ihre subjektive Verarbeitung zu untersuchen, das
BewuBtsein, die Angste, Sorgen, Hoffnungen etc. Dies allerdings nicht
■im Sinne eines Instituts fur Meinungsforschung (95 % denken dies,
5 % wollen das), sondern urn Handlungs- und Aktivierungsmbgl ichkeiten
zu erkunden.
Auch findet nicht z u e r s t (mehrere Monate oder Jahre) Untersu-
chungsarbeit und d a n n eine Kampagne statt; vielmehr durchdrin-
aen sich beide wechselseitig. In jeder Kampagne steckt Untersuchungs-
arbeit und umgekehrt. Auch die Untersuchungsarbeit hat aktivierenden
- 35 -
Charakter (aktivierende Befragung); sie richtet sich nicht auf un-
mundige Objekte, sondern gerade auf die Entfaltung der Phantasie,
Selbstandigkeit, Initiative und Handlungsfahigkeit der Menschen.
Wie kann die Untersuchungsarbeit aktuell eingeleitet werden? -
Bezogen auf die Kinder und Jugendl ichen durch entsprechende Angebote
bzw. Initiativen (Erkundung: "unser Stadtteil"; Ausstellung; Rollen-
spiele/Kindertheater; Sol idaritatsbasare etc.); durch Kontakte zu
gewerkschaftl ichen Gruppen, Jugendvertretern, politischen Jugend-
gruppen etc. ;
Bezogen auf die Intensivierung und Vertiefung der Kontakte zu den
El tern durch Elternabende und -versamml ungen, die sich auf bestimm-
te Programmangebote (Freizeiten, Kindertheater, Feste, Ausstel 1 ungen
etc.) oder auf existierende Problempunkte im Stadtteil beziehen;
durch Teilnahme an und Kontakte zu Stadtteilbeiraten,Burgerinitiati-
ven, Einwohnerversammlungen, Schulen (und anderen Institutionen, die
in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind);
Die Mitarbeiter miissen in der Untersuchungsarbeit gegenliber der Be-
volkerung (den Eltern usw. ) ihr Interesse, d.h. ihr Verstandnis von
politischer Jugendarbeit darstellen. Sie m'u'ssen erklaren, warum sie
an bestimmten Problemen interessiert sind (nicht einfach ausfragen);
auf dieser Basis kann sich ein Vertrauensverhaltnis entwickeln.
Entscheidend ist dabei auch, daB solche Untersuchungsarbeit nie von
den Mitarbeitern allein (stell vertretend) , sondern stets mit den
Jugendl ichen zusammen durchgefu'hrt wird.
Zum Problem der Aktionen im Rahmen des stadtteil bezogenen Jugend-
freizeitheimes ,
- Voraussetzung fur die Aktionen -
'Jesentl ich bestimmend dafiir, welche Projekte in den einzelnen Jugend-
freizeitheimen angegangen werden, sind sicherlich nicht zuletzt die
Schwerpunkte, Interessen und speziellen Fahigkeiten der jeweiligen
Mitarbeiter. Dieser Faktor wird ausschlaggebend sein, ob mbgliche
Aktionen im Bereich der Kinder -, Lehrlings- oder Schiilerarbeit und
an welchen Fragestell ungen dort jeweils angesiedelt sind. Es mu(3
weiter die Zahl der Mitarbeiter und die Mbgl ichkeit der Einbeziehung
von Honorarkraften bedacht werden.
Die einzelnen Einrichtungen miissen nach ihren rauml ichen Moglichkei-
ten und nach der Ausstattung wie Werkstatt , Vervielfal tigungsmbg-
lichkeiten, Fotolabor u.a.m. UberprUft werden.
Ausschlaggebend wird aber auch die Wohngebietsstruktur des Stadtteils,
die entsprechenden Konflikte und Probleme, die Mdgl ichkeit der Zu-
sammenarbeit mit den Institutionen und Organisationen, sowie die
Besucherstruktur des Freizeitheimes sein.
Trotz aller Unterschiede, die sich nach Klarung dieser Fragen in
den Jugendfreizeitheimen ergeben, zeigt sich am Beispiel Huchting,
daB auch mit stark begrenzten Mitteln stadtteil bezogene Arbeit mb'g-
lich ist.
Im Vordergrund steht also nicht die Frage ob uberhaupt in bestimmten
Jugendfreizeitheimen diese Arbeit mdgl ich ist, sondern w e 1 c h e
- 36 -
Erhard MeuelerfHg.)
unter
entwicklung
arbeitsmaterialien
ftlr
schulerjehrer
und
akbonsgruppen
banal
wem niitzt die armut der dritten welt?
Aktionen mit den vorhandenen Mitteln real istisch durchfiihrbar sind.
Grundsatzlich ist davon auszugehen, da|3 es darum gent, Probleme des
Stadtteils aufzunehmen, sie im Heim zu besprechen, um sie dann wieder
in den Stadtteil hineinzutragen. Ein anderer Ansatz, bei dem allgemei-
ne und aktuelle Probleme, die im Jugendfreizeitheim behandelt und
im Stadtteil zur Diskussion gestellt werden, ist ebenfalls denkbar.
- Am Beispiel einer Aktion zur Spielplatzsituation im Stadtteil,
soil exemplarisch dargestellt werden, welche konkreten Ablaufe in
einem solchen Projekt einbezogen werden konnen -
Ausgangspunkt ist die von der Bevdlkerung des Stadtteils und den Be-
suchern des Jugendfreizeitheimes bemangelte schlechte Spielplatz-
situation der Kinder. Folgende Punkte kdnnten bei der Aufarbeitung
und Verbesserung dieser Problematik unter Einbeziehung der Kinder,
Jugendl ichen, interessierten Eltern und Mitarbeitern angegangen
werden:
Die Kinder und Eltern schildern die Spielsituation im Stadtteil, die
einzelnen Gruppen bestimmen, wie diese Situation aufgearbeitet werden
soil:
- die Spielplatze werden fotografiert, die Fotografien ausgehangt;
- Kinder, Jugendliche und Eltern aus dem Stadtteil werden (per Ton-
band) nach ihrer Meinung zu diesem Problem befragt;
- u'ber statistisches Material wird die Situation in Zahlen darge-
stellt (z.B. flir jede Wohnung ein Abstellplatz fur Autos - auf
wieviele Kinder ein Spielplatz?
- Aussagen von Parteien, Verbanden und Behb'rden werden der Realitat
gegenubergestel 1 1 ;
- Kinder stellen auf Zeichnung ihre Spielsituation dar.
Die einzelnen Ergebnisse werden jeweils sofort im Jugendfreizeitheim
ausgehangt und verdffentlicht, so daB die Information erfolgt und
andere Interessenten einbezogen werden konnen.
Als nachster Schritt werden Alternativmodelle dargestellt:
- Kinder, Jugendliche und Eltern zeigen auf, wie Spielplatze sein
sol lten;
- Abenteuer- Oder Bauspielplatze werden von den Beteiligten besucht;
- auf Fotos, Bildern und im Text werden diese den bestehenden Platzen
im Stadtteil gegenlibergestel It;
- Aussagen von Fachleuten zur Bedeutung des Spiels werden festgehal-
ten;
- Modelle von "kindgerechten" Spielplatzen werden entworfen und von
einer Werkgruppe plastisch dargestellt;
- danach mu'Bte iiberlegt werden, wie ein solcher Spielplatz im
Stadtteil verwirkl icht werden kann;
- ein geeigneter Platz wird ausgesucht, Kontakte zu Behbrden, Ver-
banden, Parteien usw. werden aufgenommen. Fragen der finanziellen
Unterstiitzung miissen gekla'rt werden usw.
Die ganze Aktion muB von intensiver Offentl ichkeitsarbeit begleitet
werden:
- Zusammenarbeit mit Presse und Rundfunk, Plakatierung im Jugendfrei-
zeitheim, Flugblattaktion, Unterschriftensammlung, Zusammenarbeit
mit Jugendorganisationen usw.
Wahrend der gesamten Arbeiten sol lten inhaltliche Diskussionen zu
Themen stattfinden:
38 -
- Bedeutung des Spiels fur das Kind, Erziehungsprobleme, kindgerech-
te Wohnungen, wie soil die weitere Arbeit mit den Kindern auf dem
geplanten Alternativspielplatz aussehen, welchen Sinn haben Aktio-
nen wie diese? usw.
HShepunkt einer solchen Kampagne kdnnte ein groBes Kinderfest sein:
- dieses kdnnte auf dem Platz stattfinden, der als solcher gedacht
ist;
- Kinder, Jugendliche und Eltern machen eine Demonstration vom Ju-
gendfreizeitheim zu diesem Platz und tragen Transparente und Pla-
kate mit ihren Forderungen;
- auf dem Platz werden alternative Spielm'dgl ichkeiten provisorisch
dargestellt (Baumaterial , Malwande) Spiele werden durchgefiihrt usw.;
- Informationsstande dienen zur Darstellung bisher erarbeiteter
Material ien;
- In Form eines Kindertheaters werden die Probleme von den Kindern
gespielt.
Diese ganze Aktion wurde deshalb so ausfuhrlich dargestellt, um
daran deutlich zu machen, welche Vielfalt an Mdgl ichkeiten besteht.
Die einzelnen Punkte sollen lediglich als Anregung dienen und konnen
entsprechend erganzt oder weggelassen werden. Wichtig ist hierbei
nur, daB nicht mit der Durchsetzung der Forderungen die Aktivita'ten
beendet sind. AnschlieBend mlissen die Aktionen kritisch reflektiert
und evtl. die angesprochenen Themen in Diskussionsgruppen vertieft
werden, um daraus mogliche neue Aktivita'ten zu bestimmen.
Die Spielplatzaktion steht nur exemplarisch, ahnliches Vorgehen ist
auch auf andere Aktionen Libertragbar:
- grdBere Wohnung fiir groBe Familien
- FuBgangerstraBen
- Jugendzentrumsinitiativen usw.
Auch aktuelle Themen kdnnten so in die Bevdlkerung hineingetragen
werden: zu § 218 - Sol idaritatsbasare - Ausbildungssituation der
Lehrlinge - usw.
Die Mitarbeiter der Jugendfreizeitheime haben in solchen Aktionen an-
leitende und helfende Funktionen. Das Jugendfreizeitheim stellt Raume,
Material, technische Gerate usw. zur Verfugung. Es bildet das Zen-
trum solcher Aktionen.
Was kann bei solchen Aktionen gelernt werden, was hat das mit
politischer Bildung zu tun? -
Ziel einer solchen Aktion muB es sein, den Beteiligten zu verdeut-
lichen, daB politische Arbeit nicht nur theoretische Diskussion
iiber abstrakte Themen heiBt, sondern bewuBter praktischer Einsatz
fiir die konkreten Interessen. Es gilt herauszustellen, daB eine sol-
rhe qemeinsame Aktion nicht nur Arbeit, sondern auch SpaB machen kann.
Hier noch einmal kurz zusammengefaBt die Lernprozesse, die in solch
einer Aktion vollzogen werden konnen:
nesel 1 schaftspojjtjsclTe Erkenntnisse
aeseTTsc'haftliche Roll en, Normen und Strukturen (Herrschaft und
Tdpoloqie) werden durchschaubarer, Zusammenhange exemplarisch aufge-
rollt und die Positionen der Betroffenen in diesen Strukturen deut-
licher;
- 39 -
- Sol idarita't
die Notwendigkeit sol idarischen Vorgehens statt vereinzelter Resig-
nation muB erkannt werden. Gleichzeitig muB es gelingen zu verdeut-
lichen, daB in solch einer Aktion persbnliche Bedlirfnisse mit denen
der Gruppe abzustimmen sind, urn ein HbchstmaB an Gemeinsamkeit im
Vorgehen zu erreichen;
- Technische Fahigkeiten
Organisations- und Koordinationsfahigkeiten, sowie Umgang mit Medien,
Material und Maschinen (wie Drucken, Plakatherstellung usw.) werden
erlernt und fur die eigenen Interessen nutzbar geraacht;
- Strategische Fahigkeiten
Es muB gelernt werden, daB strategische Fahigkeiten mehr als bloBe
Aufstellung von Zielen bedeutet, die irgendwann einmal erreicht
werden mlissen, sondern daB es darum geht, mit Blick auf das Haupt-
ziel unter den jeweiligen gegebenen Mbglichkeiten (politische Kraf-
teverhaltn isse am Ort und in der Gesamtqesellschaft) erreichbare
Ziele zu formulieren, Handlungsmbgl ichkeiten zu planen.um notwendi-
ge Teilziele zu erreichen.
Es wird gelernt realistisch einzuschatzen, welche politischen Macht-
verhaltnisse bestehen und die Fahigkeit zu entwickeln, Blindnispartner
zu gewinnen zur Durchsetzung der Interessen.
SOZIALARBEITER/GEMEINWESENARBEITER
Ab sofort fur ein GWA-Projekt im anstehenden
Sanierungsgebiet Frankfurt-Bockenheim gesucht.
Er/sie soil in Zusammenarbeit mit dem bestehenden
Arbeitsteam insbesondere
die Probleme von Kindern und Jugendlichen
im Rahmen der anstehenden Sanierung bearbeiten.
Trager der Arbeit ist das Nachbarschaftsheim
Bockenheim in Zusammenarbeit mit der Victor-Gollanz-Stiftung
und der Frankfurter Fachhochschule, Fachbereich Sozialarbeit.
Bezahlung nach BAT.
Bewerbung an:
Nachbarschaftsheim Bockenheim
6 Frankfurt, Werrastr. 39, Telefon 0611/77 55 17
Timm Kunstreich:
SOZIALARBEIT IST LOHNARBEIT
Dieser Titel scheint auf den ersten Blick trivial zu sein. Mur ist
es manchmal angebracht, sich die Folgen, die mit der Lohnarbeit in
der Sozialarbeit verbunden sind, bewuBt zu machen. Qiese Absicht ver-
folgt dieser Artikel - mit dem praktischen Interesse, vor Resignation,
vor Illusionen und vor kurzatmigem Aktivismus zu warnen.
In den letzten Jahren war und ist viel vom "doppelten Mandat" und
ahnlichen Begriffen die Rede, die andeuten sollen: Der Sozialarbei-
ter befindet sich in einem Dilemma. Auf der einen Seite hat er den
Auftrag zu helfen (u.a. auch dabei die Gesellschaft zu verandern),
auf der anderen Seite ist er ausfiihrendes Organ einer Blirokratie des
kapitalistischen Staates. Auch eine "linke" Interpretation dieses
■■' ■ " "- '-'---" -••' --•- .,-t. ,,:,,,. sozialarbeit ist eine In-
der
"doppelten Mandates" ist sehr verbreitet: S
stitution des Klassenstaates - und damit des Klassengegners
Sozialarbeiter aber soil Solidaritat mit den von ihnen Betroffenen
Li ben.
Aber wie? Mit schlechtem Gewissen in der "Ougendpflege" arbeiten und
vor allem Funktionen mit repressivem Eingriffscharakter meiden?
(Z.ii. die des Jugendflirsorgers oder Bewahrungshelfers? - Nach dem
Motto: LaB das lieber die "unbewuBten" Kollegen machen). Statt also
voreilig etwas auszugrenzen und dann zu abstrakter Solidaritat aufzu-
rufen, sollten wir zunachst lieber liberlegen, welche Funktionen Lohn-
arbeit in der Sozialarbeit objektiv hat - und "objektiv" heiBt hier
zunachst: unabhangig vom BewuBtsein derer, die hier ihre Arbeitskraft
tauschen.
'Venn die zur Berstellung der allgemeinen Productions- und Verkehrs-
bedingungen der bilrgerliohen Gesellschaft notwendigen Funktionen
nioht direkt vom Kapital, sondern vom Stoat iibernommen werden und
die dort beschSftigten Arbeiter ihre Arbeitskraft nioht gegen variab-
les Kapital tauschen, sondern aus staatlicher Revenue bezahlt werden,
wird in diesen Bereichen unproduktive Lohnarbeit, aber notwendige -
notwendig in bezug auf den gesellschaftlichen Charakter der Produk-
tion uberhaupt - verausgabt". (1)
also diese Lohnarbeit von der pro-
Mehrwert zu produzieren und von der
deren Kennzeichen ist die Realisa-
ation zu sichern. Andere mehrwert-
bhangige Arbeit in den Staatsappara-
ssenschaft, staatlich organisierte
ermittelnde" Arbeit nenannt werden.
Der Form nach unterscheidet sich
duktiven, deren Kennzeichen ist,
indirekt produktiven Lohnarbeit,
tion des Mehrwerts zu der Zirkul
verbrauchende Tatigkeiten (lohna
ten, in Ausbildungssystem und wi
Dienstleistungen) sollen hier _%
"Vermittelt" werden durch diese
erhalt notwendigen Fertigkeiten
Ausbildung), sondern auch die no
und die notwendige Kontrolle in
Tatigkeiten nicht nur die zum System-
und Kenntnisse (z.B. in Schule und
twendige Legitimation auf der einen
Form von systemnotwendiger Selektion
40
41
auf der anderen Seite-
Im Gegensatz zu produktiver und weite Telle indirekt produktiver
Lohnarbeit, in denen Effektivitatsmessungen - namlich Arbeitsproduk-
tivitat und Hbhe des Profits - selbstverstandl ich (wenn auch nicht
unumstritten, d.h. einseitig) sind, stehen Effektivitatsmessungen
im Bereich vermittelnder Lohnarbeiten erst am Anfang. Hier, wo
"Tati-gkeiten verwaltet (wevden) , eleven Ziel bestimmte Einwivkung auf
Individuen ist" (2), ist "Effektivi tat" schwer zu messen. Eindimen-
sionale in-put-Analysen deuten zwar auf "Irrational itat" nancher
Institutionen vermittelnder Lohnarbeit hin, z.B. wenn nachgewiesen
wird, daB voll entlohnte Straftater im Endeffekt billiger kommen als
solche, die in "Sklavenarbeit" gehalten werden, oder wenn nachgewie-
sen wird, daft die Heime "Verwahrlosung" nicht abbauen, sondern wei-
ter verfestigen bzw. erst hervorbringen. Deshalb kbnnen Effektivi-
tatsprobleme der vermittelnden Lohnarbeit adaquat nur erfaBt werden,
wenn man von ihrer Mehrfunktionalitat ausgeht und diese Funktionen
in ihrer wechselseitigen Abhangigkeit untersucht.
Versucht man die oben gegebene Beschreibung vermittelnder Lohnarbeit
zu systematisieren, so lassen sich drei aufeinander bezogene Funk-
tionen ausmachen:
1. institutionalisierte nicht familia're Sozial isation
2. institutional isierter Systemerhalt
3. institutionalisierte Legitimation
Diese drei Funktionen soil en im folgenden flir die Sozialarbeit da-
raufhin untersucht werden, wie sie auf die Systemprobleme kapitalisti-
scher Produktionsform reagieren und wie diese Probleme in bezug auf
alle drei Funktionen bewa'ltigt werden - und wo die Konflikte einer
derartigen Bewaltigung liegen.
- Institutionalisierte nichtfamiliare Sozial isation -
Sozialarbeit vergibt "Sozial isationshilfen" entweder in "ambulanter"
Form (Offene Jugendarbeit, Familienfursorge) Oder in "stationarer"
(Heime, Strafvollzug usw.). Egal , ob diese Sozial isationshilfen
eher restitutiven oder eher repressiven Charakter haben, dem Inhalt
nach ist diese vermi ttel nde Lohnarbeit der Sozialarbeiter gesell-
schaftlich notwendig, der Form nach ist sie institutionalisierte Ge-
walt zum gesellschaftlichen Erhalt der Akkumulationsbedingungen.
Effektiv ist die Sozialarbeit in dieser Funktion dann, wenn sie die
folgenden, ihr zugewiesenen Probleme ldsen kann. (Fur die Bewaltigung
dieser Probleme sind auch noch andere Institutionen zustandig - z.B.
Schulen und Versicherungen. Diese Zusammenhange sollen hier jedoch
nur insoweit beru'eksichtigt werden, als sie von Wichtigkeit fur die
Sozialarbeit sind.):
- die Folgen der formellen Subsumption der Familie unter das Kapital
(z.B. "Erziehungsprobleme"),
- die Folgen des Bedarfs der erhbhten Qual ifikation der Arbeitskraft
(Vorschule, Ganztags-, Gesamtschulen) ,
- die Folgen der Dequalifikation von Arbeitskraft (Obdachlosenlager,
Jugendkriminal itat) ,
insgesamt also Folgeprobleme der allgemeinen Monopol isierung des Ka-
pitals und der entsprechenden ungleichmassigen Vergesellschaftung
der Produktivkrafte.
- 42 -
Hie Aufgaben der institutionalisierten auBerfamil iaren Sozialisa-
tion Snderten sich durch
a) den allgemein steigenden "tfohl stand" und mit dem in den 50iger
Jahren vorgenommenen Ausbau der "Sozialen Sicherung" (vor allem
Renten- und Sozialversicherungen) , die der "Flirsorge" einen Teil
ihrer Aufgaben entzog. Dieser Aufgabenanderung wurde im BSHG und
im JWG von 1961 Rechnung getragen, in der Literatur wurde dieser
ProzeB Liberwiegend als "FunktionseinbuBen" empfunden (z.B.
PETERS, Moderne Flirsorge und ihre Legitimation, 1968).
b) Das Ende der Restaurationsphase war u.a. auch das Ende der exten-
siven Steigerung der Arbeitsproduktivitat, d.h. solcher, die im
wesentlichen auf Vermehrung der Arbeitskrafte basierte. Die nun
erforderl iche intensive Steigerung der Arbeitsproduktivitat ver-
langte vor allem eine bessere Dual ifikation der Arbeitskraft. Der
Anteil der Sozialarbeit besteht sowohl darin, diesen ProzeB zu
unterstutzen (wie Ausbau der Vorschule, Jugendpflege) als auch
darin, die Folgen einer entsprechenden Dequalifikation zu mildern.
Betrachtet man diesen ProzeB als "Funktionsvermehrung", so lassen
sich beide Entwicklungen zusammen als "Funktionsverschiebung" ver-
stehen.
- Institutionaliserter Systemerhalt -
"er institutionalisierte Systemerhalt muB auf mehreren Ebenen gesi-
chert werden. Einmal durch Selektion "auffallig" gewordener Arbeits-
kraft d h. solche, die wegen zu geringer Qualifikation oder psychisch
oder physisch nicht in der Lage ist, sich adaquat auszutauschen und/
oder solche, die schon von anderen Apparaturen vermittelnder Lohn-
arbeit Polizei/Justiz) selektiert wurde. Zum anderen durch Vermitt-
lunq von Fertigkeiten und Verhaltensweisen, urn den generell hbher
aewordenen Bedarf qualifizierter Lohnarbeit in Zusammenarbeit mit
anderen Apparaturen (Schulen)zu decken (Vorschule, Jugendarbeit).
Svstemerhalt zielt aber nicht nur auf die Betroffenen, sie geschieht
auch durch die Rekrutierung von Sozialarbeitern aus den "normange-
benden" Schichten und durch die burokratische Organisation selbst als
Renroduktion herrschender Hierarchien. flit der oben (unter 1.) ge-
nannten "Funktionsverschiebung" la'Bt sich auch die Funktion des in-
stitutionalisierten Systemerhalts in bezug auf die Betroffenen be-
srhreiben. Per damit verbundenen Verlagerung der Sozialarbeit auf
Has "Padagogische" und zugleich auf "wissenschaftl iches Wissen"
muBte durch quantitative Vermehrung von Stellen und Studienplatzen
md nualitative Verbesserung im Ausbildungssystem Rechnung getragen
werden (Einrichtung von FHS und Gesamthochschulen) .
- Institutionalisierte Legitimation -
niP Funktion der institutionalisierten Legitimation erfordert von
aI* ADDaraturen der Sozialarbeit, ihr Handeln auf allgemein geteil-
+rNnrmen vor allem auf die des burger! ich-demokratischen Rechts- und
v^ialstaates, zu beziehen, und damit jene Massenloyalitat mit hel-
fl* 7U erhalten, die "nicht in einem gesicherten 'Gel tungsglauben1
llnanuber einer qegebenen Ordnung, sondern im Gegenteil, im Verzicht
auf Legitimationsforderungen Uberhaupt besteht" (3). Effektiv muB
- 43 -
die Sozialarbeit in dieser Funktion vor allera dann sein, wenn diese
Massenloyalitat in einigen Bereichen (oder im Ganzen) nicht mehr ge-
geben ist, d.h. neue Former der Legitimation notwendig werden.
Probleme dieser Art lassen sich beispielhaft unter der in den 60iger
Jahren sich durchsetzenden Forderung nach Chancengleichheit be-
schreiben:
- b'konomisch zielte diese Forderung auf Nutzung bisher nicht genutz-
ter Qualifikationsreserven (s.o. Intensivierung der Arbeitsproduk-
tivitat);
- politisch bedeutete diese Forderung zuna'chst das Eingestandnis be-
stehender "Chancengleichheit", die durch Erweiterung, Veranderung
und Verbesserung des Ausbildungssystems behoben werden sollte fund
soil);
- wissenschaftlich bedeutete diese Forderung die Abkehr vom biolo-
gischen Begabungsbegriff hin zu einem, der auf Lernen und soziale
Fahigkeiten basiert;
- Fur die institutional isierte Sozialarbeit bedeutete (und bedeutet)
diese Forderung (und ihre jeweiligen Spezifikationen) zum einen
die Legitimation ihrer quantitativen und qualitativen Verbesserung
(Vorschulen, Erziehungsberatung, Jugendarbeit, Einzelfallhilfe,
Gruppenarbeit, Gemeinwesenarbeit) zum anderen aber auch Kritik an
ihren Institutionen (vor allem der Heime) - der aber durch eben
jene Verbesserungen wiederum begegnet werden sollte (soil).
Der durch diese Prozesse induzierte "Wandel" in der Sozialarbeit
stellte diese in alien drei Funktionen vor neue "Effizienzprobleme" :
Die "Funktionsverschiebung" verlangte neue Handlungsmuster, die nach
weitgehendera Wegfall materiel ler Hilfen die Vergabe (wachsender)
nicht-naterieller Hilfen mbglich machte und diese auch legititnierte -
ohne aber prinzipiell die Individual isierung und Personal isierung
sowohl der Ursachen fur Hilfebedurftigkeit als auch der MaSnahmen in
Frage zu stellen. Genau dies leistet das "klinische" Legitimations-
r.iuster, dessen Kennzeichen ist, die Probleme der Betrcffenen spezi-
fisch zu personal isieren; d.h. durch Bezug auf "wissenschaftl iches
Wissen" und erlernbare, 'wissenschaftlich" begru'ndete Methoden ein
besonderes von "normalen" Beziehungen unterschiedenes Verhaltnis zum
"Klienten" zu haben, zu dessen "Behandlung" eben dieses Wissen Vor-
aussetzung ist. Dm dieses Wissen zu erwerben, sind in der Hierarchie
des Ausbildungswesens die Fachhochschulen und Universitaten nbtig,
damit sowohl das notige "sozial-technische" Wissen als auch die damit
verbundene allgemein anerkannte Legitimation (durch Wissenschaft)
vermittelt werden kann.
Dieses"klinische" Legitimationsmuster bedeutet insgesamt eine
Effektivierung der Arbeit der Sozialarbeiter. Pamit gerat es aber in
Konflikt mit einer anderen Funktion burokratischer Organisation: der
Kontrolle. Wissenschaftlich sich verstehendes Wissen und Handel n
kann nicht durch ein hierarchisches Befehl-Gehorsam- System kontrol-
liert werden und ist nicht mit Verwal tungsvorschriften kontrol lier-
bar. Im Gegenteil: Es ist in seinem idealtypischen Selbstverstandnis
auf horizontale und gleichberechtigte Kommunikation und Kooperation
angewiesen. Die Lbsungstendenzen dieses Konflikts lassen sich auf
zwei Ebenen verfolgen:
Zum einen auf der innerorganisatorischen Ebene, indem nach verschie-
44 -
denen Modellen Teamarbeit eingefiihrt wird, und/oder die Trennung von
Innen- und AuBendienst aufgehoben wird. Qahirter steht u.a. das Ziel ,
eine neue, vom Team selbst getragene Kontrol lstruktur zu finden, die
die "alte" der Hierarchie ersetzt.
Zum anderen besteht die Tendenz, die Kontrol lfunktion weitgehend
auszulagern, d.h. Berufsverbande zu grunden, die liber das Berufsethos
wachen und auch Diszipl inargewalt haben (Vorbild: firzte- und Anwalts-
kammern). Das Equivalent zu dieser Auslagerung ist die Verinnerli-
chung dieses Ethos durch den einzelnen Sozialarbeiter: statt Kontrol-
le von oben also Kontrolle von innen (was als "intrinsische Motiva-
tion" generell als besser, d.h. als stabiler angesehen wird).
Dieser allgemein als Professional isierung beschriebene Vorgang hat
seine Ursachen also nicht in einem Legitimationsbedurfnis von ten-
denziell "uberflussig" werdenden Sozialarbeitern, wie PETERS (1968)
glauben machen will, ist auch nicht Ausdruck eines immanenten Ver-
wissenschaftlichungsdranges der "Industriegesellschaft" (4), sondern
Reaktion auf Systemprobleme der kapitalistischen Produktionsweise
(und damit der Staatsapparaturen) (5).
Allgemein bezeichnet Professional isierung also einen ProzeB, in dem
die notwendige Steigerung der Arbeitseffektivitat mit der Form tra-
ditioneller Kontrolle in Konflikt gerat und durch Auslagerung von
Kontrollfunktionen (mehr horizontale Kooperation/Verwissenschaftli-
chung/Berufsverbande) und durch Verinnerl ichung von spezifischem
Handlungswissen neue Formen der Kontrolle geschaffen werden.
Dieser ProzeB bewirkt zweierlei:
Zum einen werden historisch "gewachsene" Organisationsformen auf eine
neue Stufe der Vergesellschaftung gehoben; ein ProzeB, der seine Ana-
logie im Bereich der produktiven Lohnarbeit findet: Entwicklung
vom Handwerksbetrieb zum Industriebetrieb. Wie dort mit der Erwei-
terung der produktiven Lohnarbeit Positionen mit bestimmten Leitungs-
funktionen entstanden sind (z.B. Ingenieure, fiir die ahnliche Pro-
fessionalitatsprobleme existieren) - sind hier aus "Sozialhandwer-
kern" (mit relativ unspezif ischem, d.h. hier: umfassend personal isie-
rendem Wissen) "Sozial ingenieure" geworden (mit spezifisch-personali-
sierendem Wissen, d.h. klinisch-wisschenaftl ichem Wissen). Dieser
ProzeB der fortschreitenden Vergesellschaftung auch von formell unter
das Kapital subsumierten Bereichen enthalt eine Reihe von progressi-
ven Elementen:
- mehr horizontale Kooperation und damit Abbau hierarchischer Struk-
turen;
- Verwissenschaftl ichung des Handlungswissens, bessere Ausbildung,
Tendenzen der Egalisierung im Ausbildungsbereich selbst;
- st'a'rkere gesel lschaftl iche Planung.
Zum anderen aber steht diesem Aspekt der Vergesellschaftung der der
institutionaliserten Gewalt zum Erhalt der Akkumulationsbedingungen
qen'u'ber, dn> der Form nach bewirken dieselben Elemente das gleiche
wie die weniger vergesellschaftete Arbeit, nur auf einer anderen,
hb'heren Ebene:
neue Formen von Kooperation modifizieren zwar die blirokratische
Organisation, machen sie insgesamt in alien ihren Funktionen aber
auch effektiver;
Verwissenschaftlichung, die sich in den Grenzen des vorwissenschaft-
- 45 -
lichen Handlungswissen bewegt (hier: Psychologisierung, Patholo-
gisierung, individuell klinisches Wissen) und die die Hierarchisie-
rung von Wissen im Ausbildungssystem konsolidiert, bleibt "Herr-
schaftswissen" , das die Handlungsvollziige zwar besser qualifizie-
ren kann, zugleich aber auch systemimmanent und legitimierend
bleibt - zumal wenn die damit verbundene Ideologie einer "beson-
deren Profession" das Entstehen eines "Lohnarbeiter-BewuBtseins"
verhindert und Gewerkschaftspol itik als Standespol itik verstanden
wi rd ;
- die damit verbundenenFormen gesellschaftlicher Planung finden nicht
nur ihre Grenzen im partikularen Interesse des Kapitals, sondern
dienen diesem in Form von Interventionen und Planungen des kapita-
listischen Staatsapparates. (Es ware interessant - aber hier nicht
mbglich - die" entsprechenden Probleme der Professional isierung in
anderen Bereichen vermittelnder Lohnarbeit zu untersuchen; z.B.
Lehrer, Psychologen, Soziologen, aber auch solche der "alten"
Professionen: der Arzte und Anwalte).
Diesem "klinischen" Legitimationsmuster entspricht subjektiv eine
darauf basierende klinische Orientierung, die allem Eindruck nach
die unter Sozialarben tern am weitesten verbreitete ist. Welche Pro-
bleme entstehen aber bei liber dieses BewuBtsein hinausgehenden, spe-
zifisch politischen Orientierungen, die man - von der bekannten Zer-
splitterung mal abgesehen - unter dem Begriff der sozial istischen
Orientierung zusammenfassen kann. Auch diesen Sozialarbeitern stehen
ja nur die gleichen MaBnahmen und Mittel innerhalb der gleichen Or-
ganisation zur Verfugung.
Allgemein trifft ftir die sozialistische Orientierung wohl folgendes
zu:
Bezogen auf die Ursachen der Probleme der Gruppen, mit denen man
zusammenarbeitet, werden die Verhaltenserwartungen, die durch die
Mittel, MaBnahmen und die Organisation der Apparatur, in der man
arbeitet, als nicht zutreffend oder nicht ausreichend erfahren.
(Z.B. Jugendzentrum fur die Probleme der Arbeiterjugend)
Bezogen auf die einzelnen Erscheinungen dieser Probleme werden die
Mittel, MaBnahmen usw. als Unterstutzung der individuellen Reproduk-
tionsschwierigkeiten der Betroffenen interpretiert, aber auch als
Kontrolle der Betroffenen bzw. - bei MaBnahmen mit repressivem Ein-
griffscharakter - als Eingriff in die Identitat der Betroffenen.
(Z.B. Jugendfu'rsorge)
Besonders in diesen Fallen zeigt sich die Konfl ikthaftigkeit der
sozial istischen Orientierung.
Kann die klinische Orientierung durch ihren Bezug auf wissenschaft-
liches, also "hbheres" Wissen z.B. "Verwahrlosung" als "innere Ver-
wahrlosung" definieren und den damit als "gestort" erklarten Betrof-
fenen mit MaBnahmen belegen, die dieser evtl . gar nicht einsehen
kann (weil er gestort ist) und somit die MaBnahme letztlich als Hil-
fe definieren,
so bleibt der sozial istischen Orientierung "nur" die Einsicht, daB
dieser Eingriff im Verhaltnis zu den Orsachen unangemessen ist und
das Gefiihl, zu etwas gezwungen zu sein, das man letztlich nicht recht-
fertigen kann. Entsprechende Rational isierungsmuster fehlen also.
In diesen Fallen ist die Auspragung des Konfl ikts am scharfsten. Er
bleibt aber auch in alien anderen denkbaren Situationen objektiv ge-
geben - wenn auch mit z.T. starker graduellen Abstufungen. Ist somit
bei der "klinischen" Orientierung eine grundsatzl iche Konsistenz des
eigenen Handel ns mit den Erwartungen an sich selbst gegeben, so be-
steht fur die sozialistische Orientierung eine grundsatzl iche Diskre-
panz, d.h. das eigene Handeln entspricht eben nicht den Erwartungen
an sich selbst: es wird als nicht ausreichend oder als die eigent-
lichen Probleme gar nicht treffend interpretiert.
Somit liegt in dieser Diskrepanz ein flir die eigene Identitat be-
drohlicher Konfl ikt.
FLir die Bewaltigung dieses Konflikts spielt es weniger eine Rolle,
von wo z.B. ein Zwang ausgelibt wird, etwas zu tun, was in bezug
auf die Ursachen falsch ist: ob er eher aus der aktuellen Situation
der Betroffenen resultiert oder aus der Apparatur kommt. Uichtiger
ist vielmehr, daB die eigene Motivation "gespalten" ist: zum einen be-
zieht sie sich auf gesellschaftl iche Bedingungen und Ursachen bzw.
auf politische Organisationen, die an der grundlegenden Knderung
dieser Bedingung interessiert sind (sein soil ten): z.Zt. vor allem
auf die Gewerkschaften; zum anderen bezieht sie sich auf das Elend
der Betroffenen, denen gegenuber man sich solidarisch verhalten mbch-
te. Da man - zum dritten - aber auch sich individuell reproduzieren
muS, miissen die beruflichen Zwange (Gesetze, Vorschriften, Organisa-
tionsform) soweit "in Kauf" genommen werden, soweit man sie nicht
als sol idarische Unterstutzung interpretieren kann (Jugendarbeit,
individuelle Hilfen, KTH-Platze).
es die wesentl i-
, auf die Dauer
st, wird deutlich
haben, eine Chan-
sich darauf zu-
u erleichtern und
rtra'gl ich zu ma-
bewuBt in den
und Berufsmoti-
wird, daB unter
fhebbaren) Sach-
ittlers von mate-
Da damit dieser Zwang ein "all tagl icher" wird, ist
che Schwierigkeit der sozial istischen Orientierung
diesen Konfl ikt durchzuhalten. Wie schwierig das i
bei den "resignierten Sozialisten" , die aufgegeben
ce der gesellschaftl ichen Veranderung zu sehen und
riickziehen, dem einzelnen Betroffenen seine Lage z
Eingriffe nur im auBersten Fall vorzunehmen.
Eine weitere Mbglichkeit, diesen Zwang subjektiv e
chen, ist, die genannte "Spaltung" der Motivation
Vordergrund zu stellen, d.h. politische Motivation
vation zu trennen, wobei letztere so interpretiert
Ten gegebenen (zwar hinterfragbaren, aber nicht au
zwangen, fur sich selbst nur die Position des Verm
riellen und organisatorischen Hilfen gesehen wird.
Die Alternative zu Resignation und Ruckzug ist, diesen Konflikt
kollektiv zunachst zu ertragen und damit zumindest subjektiv ertrag-
Tich zu machen, indem sowohl in der Apparatur versucht wird, kollek-
tTv^zu arbeiten als auch auBerhalb in Organisationen, die den eige-
nen Standpunkt teilen: insgesamt also durch Solidaritat unter den
Sozialarbeitern und mit anderen Lohnarbeitern.
Diese kurzen AusfLihrungen mbgen genugen, urn die beiden Hauptaspekte
cn7ialistischer Orientierung zu verallgemeinern:
^"K'ollektivitatsorientierung - aber nicht an kollektiven "Normen"
Xwie "Hilfe"), sondern an der kollektiven sozial en Lage der Be-
troffenen; .
_ antiadministrative Orientierung - aber mcht (nur), urn den eigenen
46
47 -
Status zu verbessern, sondern ihn so zu verandern, daB man nicht
objektiv eine Funktion ausiibt, die unabhangig von der subjektiven
Einstel lung selektierend, kontroll ierend und diskriminierend wirkt;
d.h. man versucht, Arbei tsorganisationen zu entwickeln, die die
genannten Konflikte zunachst ertraglich, auf Dauer aber verander-
bar machen.
DaB diese Orientierung konf likttrachtig fur die Identitat des einzel-
nen ist, daflir wurden oben schon einige Beispiele gegeben. Der Ver-
such, politische und berufliche Motivation nicht zu trennen, kann
aber auch andere Folgen haben: Die Disziplinierungsversuche durch
Berufsverbote (bzw. der Drohung damit) sind Beispiele dafu'r.
Wir hatten schon festgestel It, daB in der Sozialarbeit die klinische
Orientierung den drei genannten Funktionen vermittelnder Lohnarbeit
"am besten" entspricht. Wie steht es damit bei der "sozial istischen
Orientierung"? Auch sie genu'gt objektiv zwei dieser Funktionen, nam-
lich der der ' nichtfamil iaren Sozial isation' und der des 'Systemer-
halts'; der 'Funktion der Legitimation' aber widerspricht die sozia-
listische Orientierung - intentional ihrem Selbstverstandnis nach -
faktisch, wenn solidarisch orientierte Sozialarbeiter versuchen,
delegitimierend zu wirken z.B. in Aktionen oder neuen Formen der
Kooperation mit den Betroffenen. DaB in diesem Zi el der Delegltima-
tion zugleich die politische Brisanz und die politischen Konflikte
stecken, zeigen die Reaktionen der Apparaturen mit Berufsverbot bzw.
der Drohung damit, aber auch z.B. der Entwurf eines neuen Jugendhil-
ferechts. Dieses ist ausschlieBlich dem "klim'schen" Legitimations-
muster verpflichtet, und mit ihm bemu'ht man sich u.a., die daraus
potentiell erwachsenden Legitimationsprobleme zu meistern, indem
jegliche antikapitalistische Orientierung von Sozialarbeit entweder
als nicht mit der "freiheitl ich-demokratischen Grundordnung" verein-
bar oder aber als "nicht-anerkannte" Methode unterbunden werden soil. (6)
Wie weit die sozial istische Orientierung sich unter diesen Bedingun-
gen entwickeln kann, hangt wesentlich von der Starke der eigenen
politischen Organisation, vor allem in den Gewerkschaften, ab:
"Die Forderung nach Veranderung der institutionellen Stellung der
Sozialarbeiter ist eine politische Forderung, die nicht individuell
durch Petitionen, sondern nur gemeinsam mit einer Vielzahl von Kol-
legen durchgesetzt werden kann, ebenso wie eine Reihe anderer Forde-
rungen, die Bezahlung, Arbeitsbedingungen und Ausbildung betreffen.
Als Organisationen, in denen und mit denen solche Forderungen durch-
gesetzt werden konnen, bieten sich zunachst die Gewerkschaften an.
Dies wird nicht alien einleuchten, da die Gewerkschaften nach dem
Kriege fast nur Tarifpolitik im engeren Sinne betrieben und sich
wenig urn inhaltliche Forderungen gekiimmert haben und da weiterhin die
Sozialarbeiter in mehreren Gewerkschaften bisher nur kleine, relativ
einfluRlose Fachgruppen bildeten: in der QTV, der GEW, ... Dennoch
scheint es uns im Augenbliak keine andere Organisation von Gewicht
zu geben.Eine Chance gegen die Gefahr, dali partielle Reformen einer-
seits Zufriedenheit und, daraus resultierend, Untatigkeit, anderer-
seite politische Resignation erzeugen, liegt darin, den Kampf von
Anfang an nicht nur gewerkschaftlich und innerhalb der Verwaltung,
sondern auch in Zusammenarbeit mit nicht integrierten, oppositionel-
len Kraften zu fuhren. " (?)
- 48
AUTORENKOLLEKTIV. Techn. Int.:
Ml BECKENBACH, Niels; BRACZYK, Hans-Joachim, HERKOMMER, Sebastian
MALSCH, Thomas; SELTZ, Riidiger; STOCK, Heiner,
Klassenlage und BewuBtseinsformen der technisch-wissenschaftl i-
chen Lohnarbeiter. Zur Diskussion u'ber die "Technische Intel! i-
qenz", Frankfurt/M 1973, S. 102
12) HEYMANN, Kajo, Blirokratisierung der Klassenverhal tnisse im Spa't-
kapitalismus: HESCHKAT, Klaus; NEGT, Oskar (Hrsg), Gesel lschafts-
strukturen, Frankfurt/M 1973, S. 96
(3) OFFE Claus, Politische Herrschaft und Klassenstrukturen: in
KRESS/ SENGHAAS (Hrsg.), Pol itikwissenschaft, Frankfurt 1969,
S 155 - 189 (hier: Sonderdruck)
(4) Vgl. OTTO/ UTERMANN (Hrsg.), Sozialarbeit als Beruf. Auf dem
Weqe zur Professional isierung? MLinchen 1971
,c, uolFF Reinhart, Sozialarbeit als Beruf - der Traum vom unabha'n-
cigen'sachverstandigen (Rezension von OTTO /UTERMANN, 1971), in:
Erziehunq und Klassenkampf , Nr. 4/1971, S 73-77
fyql Beilage zu: Neue Praxis, 3, 1974, S. 7/8, 19/20;
Informationsdienst Sozialarbeit, Nr. 6, 1974 - Schwerpunktthe-
men- Jugendhilferecht und Jugendhilfetag) .
m AKS Berlin, Sozialarbeit zwischen Verwaltung und Caritas oder:
Was die Sozialarbeiter hindert, die Interessen der 'Klienten'
zu vertreten: HOLLSTEIN/MEINHOLD (Hrsg.), Sozialarbeit unter
kapitalistischen Produktionsverha'ltnissen, Frankfurt 1973, S.226-
242.
(6)
AMBULANTES GESUNDHEITSZENTRUM
In der Nahe von Frankfurt laufen zur Zei t die Bauvorberei-
tungen fur ein ambulantes Gesundheitszentrum. In diesem
qeplanten Gesundheitszentrum wollen in ca. 18 Monaten
mehrere Krztinnen und Arzte mit Sozialarbeitern.Psychologen,
Arzthelferinnen, Krankengymnastinnen, MTA's usw. auf einer
mbglichst gleichberechtigten Basis zusammenarbei ten. Fest
mitarbeiten werden bisher: 1 allgemeine Arztin, 1 Frauenarzt,
1 Internist, 1 Kinderarzt, 1 Sozial padagogin, 1 Sozialarbeiter,
1 Psychologe, 2 Arzthelferinnen, 1 MTA, 1 Verwaltungsfachmann.
Urn die endgiiltige Planung fur die erste und die zweite Bau-
stufe dieses Projekts mit mbglichst alien zukunftigen Mitar-
beitern ab- und die inhaltliche Konzeption durchsprechen zu
konnen versuchen wir so rasch wie mbglich abzuklaren, welche
Arzthelferinnen, firzte und Arztinnen evtl . noch Interesse hatten,
in diesem Gesundheitszentrum mitzuarbeiten.
Vom' Bedarf her ist vor allem gedacht an: 1 Augenarzt, 1 Ortho-
TJaVli" 1 HNd-Arzt, 1 Kontgenologe, 1 Psychiater (Neurologe), 1
weiterer Allgemeinmediziner, 1 Beschaf tigungstherapeut(in) ,
2-4 Arzthelferinnen.
Interessenten bitte mbglichst bald melden unter Telefon
06021/12534 oder schriftlich Liber Sozialistisches Buro,
6o5 Offenbach 4, Postfach 591.
- 49
Aktiv R 16/AKS D'dorf:
DER REFERENTENENTWURF -
JUGENDHILFEGESETZ VON BOROKRATEN
Vorbemerkung:
Der Leistungsteil des Entwurfs entha'lt keine entscheidenden Impulse
fiir eine grundsatzliche Verbesserung der Sozial isations- und Eman-
zipationschancen der aufgrund Skonomischer Verhaltnisse benachteil ig-
ten und deswegen in besonderem MaB auf Leistungen der Jugendhilfe
angewiesenen Kinder und Jugendl ichen.
Statt deren Probleme und Interessen offensiv aufzugreifen, reagiert
die Jugendhilfe - nach dem Entwurf, der hierin die herrschende
Praxis widerspiegelt - in der Regel erst, wenn sie "sozial auffallig"
werden, also Probleme flir die gesellschaftl iche Ordnung entstehen.
Die "Erziehungshilfen" und "SchutzmaBnahmen", die dann "geboten" sind,
haben primar eingreifenden und reglementierenden und nicht positiv
unterstiitzenden und fb'rdernden Charakter. Aufs Ganze gesehen bedeu-
ten sie fur die Betroffenen zusatzliche gesel lschaftliche Diskrimi-
nierung und Einschrankung ihrer Entfaltungschancen, was ihre diszi-
plinierende Funktion noch besonders unterstreicht.
Symptomatisch flir dieses
Ausbau der mit Eingriffen
men ("besondere Erziehung
lichen Kontrollmbglichkei
ner Jugendhilfe ("Schutz
einen - und die Festschre
Jugendbi ldung sowie der a
("al Igemeine Forderung ju
jugendpolitische Konzept ist der weitere
verbundenen jugendfiirsorgerischen MaBnah-
ishilfen") sowie die Ausweitung der behb'rd-
ten Uber auBerinstitutionelle Formen offe-
von Kindern und Jugendl ichen") auf der
ibung der Randstellung der auBerschul ischen
llgemeinen Jugendfbrderung liberhaupt
nger Menschen") auf der anderen Seite.
Teil I: Gestal tungsgrundsatze der Jugendhilfe siehe Info Sozialarbeit
Heft 7.
II. Teil: Leistungen der Jugendhilfe
1. ANGEBQTE DER "ALLGEMEINEN JUGENDFDRDERUNG"
Die Randstellung der "allgemeinen Jugendfbrderung" kommt augenfallig
im Fehlen qual if izierter Rechtsanspriiche und Gewahrleistungsverpfl ich-
tungen zum Ausdruck. Sie druckt sich auch darin aus, da(5 sie auf die
auBerschul ische Jugendbildung eingeengt wird, und ihre Angebote sich
fast ausschlieBlich auf die Freizeitsituation beziehen - unter Aus-
blendung der Wohn- und Arbeitsprobleme.
Diese inhaltliche Eingrenzung ist u.a. auch dafiir verantwortl ich,
daB neue auf der Basis der Selbstorganisation der Betroffenen ent-
wickelte Formen offener Jugendhilfe wie informelle Konfl iktberatungs-
stellen oder selbstverwaltete Wohnkollektive nicht als Angebote der
allgemeinen Jugendfbrderung erscheinen, sondern - entsprechend um-
funktioniert - dem reglementierenden jugendfiirsorgerischen Bereich
eingegliedert wurden.
Im librigen scheint sich die integrative Zielbestimmung der Jugend-
flirsorge zumindest teilweise auch auf die Angebote der allgemeinen
Forderung ubertragen zu haben. § 28 stellt als Ziele der auBerschu-
1 ischen Jugendbildung ausdrlickl ich die Anleitung zur "Achtung der
Rechte anderer" und zur "Erfiillung der Pflichten gegeniiber Staat und
Gesellschaft" heraus. Auch der Wegfall der vorrangigen Forderung
selbstorganisierter Initiativen (gegeniiber dem Diskussionsentwurf )
ist ein Indiz.
An konkreten Angeboten im Rahmen der allgemeinen Forderung bzw. der
auBerschul ischen Jugendbildung nennt der Entwurf u.a. die "politi-
sche Bildung", die "Forderung des sozialen Engagements", die "Vor-
bereitung auf Ehe und Familie", die "Angebote flir sozial Benachtei-
ligte".
- "politische Bildung" (§ 30):
Die Problematik der politischen Bildungsangebote aufgrund ihrer An-
bindung an die Interessenlage der in Staat und Gesellschaft Herrschen-
den wurde bereits erbrtert.
- "Forderung des sozialen Engagements" (§ 34):
Eine Konsequenz des im Entwurf skizzierten Verstandnisses politischer
Bildung ist nicht zuletzt eine tendenzielle Entpol itisierung aller
sonstigen Lern- und Handlungsfelder der auBerschul ischen Jugendbi 1-
Das wird besonders deutlich an der inhaltl ichen Bestimmung der Ange-
bote zur "Fbrderung des sozialen Engagements". Bei ihnen geht es
darum, "individuelle" (d.h. von ihrem gesamtgesel lschaftl ichen Bezug
abgeschnittene) soziale Notlagen bewuBt zu machen und Erfahrungen zu
vermitteln, die das "VerantwortungsbewuBtsein fiir das Gemeinwohl"
starken. Offenbar soil nicht ins BewuBtsein treten, daB bei spiel s-
weise die Obdachlosigkeit einer kinderreichen Arbeiterfamil ie keine
"individuelle" soziale Notlage darstellt, sondern Ausdruck bestehen-
der Klassenverhaltnisse ist, und die Lbsung letztlich nicht in kari-
tativen Hilfen zu sehen ist, sondern im politischen Kampf gegen eine
"Ordnung", die laufend Obdachlosigkeit produziert. Eine solche Er-
50 -
51
kenntnis ware wohl auch wenig geeignet, das "VerantwortungsbewuBt-
sein gegenliber dem Gemeinwohl" (im Sinne des Entwurfs) zu starken.
- "Vorberei tung auf Ehe und Familie" (§ 29):
Eine bestimmte Ideologiebildung wird offensichtlich auch mit den
Angeboten zur "Vorbereitung auf Ehe und Familie" bezweckt. Sie die-
nen der ideologischen Vermittlung des familialen Ordnungsschemas
(bzw. der entsprechenden "Orientierungshilfen, Wertvorstellungen und
Verhaltensweisen") in Form von Gruppengesprachen und Arbeitskreisen
- und m'cht, was wiinschenswert ware, der Sicherung der materiellen,
insbesondere wohnungsma'Bigen Voraussetzungen fiir junge Leute, die
eine kollektive Existenz auBerhalb ihrer angestammten Familie auf-
bauen wollen.
- "Angebote fiir sozial Benachteil igte" (§ 36):
Die "Angebote fiir sozial Benachteiligte" (fruher hieB es noch: "Aus-
gleich sozialer Benachteil igung" ) geben einen schwachen Hinweis auf
das, was die Jugendhilfe und speziell die "allgemeine Fb'rderung"
zu leisten hatte.
Wer aber unter diesem Titel zunachst gesicherte Rechtsansprliche fiir
die Gruppe der soziobkonomisch Benachteiligten - etwa auf anonyme
Konfliktberatung, konkrete Unterstutzungsangebote bei der Organisie-
rung von Wohnkol lektiven - erwartet hatte, sieht sich getauscht.
Es wird an die Trager der bffentlichen Jugendhilfe appelliert,
"darauf hinzuwirken" , daB fur stigmatisierte jugendliche Randgruppen
(wie z.B. "berufsunreife junge Menschen") erforderl ichenfalls Son-
dereinrichtungen (wie z.B. Wohnheime) bereitgestell t werden. Mehr
nicht. In der ursprUngl ichen Fassung des Referentenentwurf gab's
- aus AnlaB schulischer oder beruflicher Qual ifizierung noch einen
Anspruch auf einen Wohnheimplatz. Er wurde gestrichen wegen der
500 Mill. DM, die das Wohnheimprogramm gekostet hatte!
2. "ERZIEHUNGSHILFEN"
Bei den "Erziehungshilfen" unterscheidet der Entwurf "allgemeine"
und "besondere".
a) "ALLGEMEINE ERZIEHUNGSHILFEN"
Die "allgemeinen Erziehungshilfen" umfassen uberwiegend Angebote fiir
Kinder (Kindergarten: § 45; Kinderhort: § 46), die sinnvoller dem
Bereich der "allgemeinen Fbrderung junger Menschen" zuzuordnen warer
Ihr allgemeiner Fbrderungs- und Bildungscharakter ware dann besser
herausgestell t und der Gefahr begegnet worden, sie ausschl ieBlich
dls Einrichtungen "zur Unterstiitzung und Erganzung der in der Fami-
lie begonnenen Erziehung" (§ 2;3) zu sehen.
Bei der Durchsicht der Angebote fa'llt auf, daB schulpfl ichtige Kin-
der nicht einmal dann einen Anspruch auf einen Platz in einem Kin-
derhort haben, "wenn infolge des Ausfalls der Eziehungsleistung der
El tern eine erhebliche Gefa'hrdung oder Stbrung der Entwicklung des
Kindes droht" (§ 46), und daB von den Eltern verlangt werden kann,
"ihr Einkomraen in voller Hbhe (!) einzusetzen, wenn sie ihr Kind
in einen Kinderhort geben (§ 140;1). Sollten die Autoren des Ent-
- 52 -
wurfs von der beruflichen Emanzipation auch der Arbeiterfrauen und
der zunehmenden Entwicklung proletarischer Schulerladen eine Auflocke-
rung der repressiven Unterschichtensozial isation befurchten?
b) "BESONDERE ERZIEHUNGSHILFEN"
Dem grundsatzl ichen Verzicht auf eine offensive Vertretung der In-
teressen der unterprivilegierten Kinder und Jugendl ichen entspricht
der verstarkte Ausbau der reglementierenden "besonderen Erziehungs-
hilfen" fiir die Gruppe der "entwicklungsgefahrdeten und -gestbrten"
Kinder und Jugendl ichen. Ihr eingreifender Charakter wie vor alien
auch ihre ausschl ieBl iche Zuordnung zu dieser Zielgruppe beglinstigen
die Stigmatisierung und soziale Isolierung derer, denen "geholfen"
werden soil .
Die Zerstbrung der sozialen Identitat der proletarischen Kinder und
Jugendlichen, die ja in erster Linie betroffen sind, wird nicht
zuletzt auch liber individual isierende und gruppendynamische Konzepte
betrieben, die deren spezifische Sozial isationserfahrungen ausbl en-
den und auch eine aktive Beteil igung ihrer Bezugsgruppen in Stadt-
teil, Schule und Betrieb am "Hilfe"-prozeB nicht vorsehen.
Die "besonderen Erziehungshilfen" unters
betroffenen Kinder und Jugendlichen auch
sie diese in ihren Konflikten mit Eltern
sten und ihnen emanzipatorische Alternat
Familienerziehung erbffnen. Sie zielen v
die Institution "Familie" (als Agentur z
licher Normen und Zuteilung sozialer Rol
ob eine Familie im konkreten Fall aufgru
nisse iiberhaupt in der Lage ist, angemes
bieten, interessiert dabei nicht.
tiitzen die Sozial isation der
nicht in der Weise, daB
, Lehrern, Lehrherrn entla-
iven zu einer repressiven
ielmehr eindeutig darauf ab,
ur Vermittlung gesel 1 schaft-
len) abzustlitzen. Die Frage,
nd miserabler Wohnverhal t-
sene Entfaltungschancen zu
Ein wesentliches Struktunnerkmal der "besonderen Erziehungshilfen"
ist, da3 sie in einem relativ geschlossenen Systemzusammenhang ste-
hen und einander im Sinn zunehmender Verscharfung zugeordnet sind.
Wenn "Hilfen" mit geringem Sanktionscharakter "nicht ausreichen",
sind starker in die Rechte der Betroffenen eingreifende ("wirksamere" ! )
"geboten". Dadurch verlieren beispielsweise die "fachliche Beratung"
(§ 52) und die "Wohngemeinschaft" ihr emanzipatorisches Potential.
Das Disziplinierungssystem der "besonderen Erziehungshilfen" kann
allerdings nur funktionieren, wenn die Betroffenen kein eigenstan-
diges Wahlrecht (z.B. hinsichtlich der Alternative Wohngemein-
schaft oder Erziehungsheim) haben. In ihrer Stellungnahme zum 3. Ju-
gendbericht hatte die Bundesregierung noch ein entsprechendes Wahl-
recht der Betroffenen "zur Gewahrlei stung ihrer Entfal tungsfreiheit"
in Aussicht gestellt. Das war sehr voreilig; im vorliegenden Ent-
wurf ist davon nicht mehr die Rede.
Eine Mbglichkeit, den Betroffenen die sie betreffenden Entschei-
dungen weitgehend abzunehmen und sie als Objekte administrativer
MaBnahmen zu qualifizieren ("Die behandeln uns, aber wir kbnnen die
nicht behandeln!"), bietet sich an in Form eines ausgeklungel ten
sozialtechnokratischen Diagnose- und Zuweisungsverfahrens.
53 -
Auffallige Kinder und Jugendliche werden, urn sie in den "Griff" zu
bekommen, zunachst als Individuen identifiziert und nach § 51 einer
"psychosozialen Diagnose" evt. auch einer besonderen "Begutachtung"
jnterworfen. Diese entscheidet iiber die Zuordnung des Betroffenen
zur Gruppe der "Entwicklungsgefahrdeten und -gestbrten" und trifft
Festlegungen hinsichtl ich der "gebotenen Hilfen".
Besonders bezeichnend fiir die "padagogische" Konzeption des Entwurfs
i st, daB der Betroffene zwar bei der Aufstellung des Erziehungsplans
beteiligt werden soil, daS aber seine Mitwirkungsbereitschaft nicht
als eine Voraussetzung fiir die "Gewahrung" "erzieherischer Hilfen"
angesehen wird. "1st ein Jugendlicher nicht gewillt oder nicht in
der Lage, das Angebot einer nach den §§ 57 bis 63 angezeigten und
nach dem Gesamtplan gema'B § 51 erforderlichen Erziehungshilfe anzu-
nehmen und an ihrer Ausfiihrung raitzuwirken", kann dem mit einer
vormundschaftsgerichtlichen Anordnung abgeholfen werden (§ 65; 1 ) -
Der Entwurf geht dabei von der Oberlegung aus, daB die Kinder und
Jugendlichen einen "Rechtsanspruch" auf "Leistungen" wie Erziehungs-
kurs und Heimerziehung haben und die bffentliche Jugendhilfe die Ein-
lbsung dieses "Rechtsanspruchs" zu gewahrleisten hat.
ba) Flankierende "Hilfen"
Die flankierenden, die Erziehung in der eigenen Farnilie unterstiitzen-
den "Hilfen" sollen die "Erziehungsarbeit" der Eltern effektivieren
und bedeuten eine verstarkte administrative Kontrolle der betroffe-
nen Kinder und Jugendlichen. Sie sind also nicht zu verstehen als
informelle, den Betroffenen entlastende Angebote.
- "Fachliche Beratung und Behandlung" (§ 52):
"Fachliche Beratung" (bezeichnenderweise in einen) genannt mit
"therapeutischer Behandlung) setzt an bei "Verhaltensauffall igkeiten,
Entwicklungsstbrungen oder Erziehungsschwierigkeiten" junger Men-
schen, bezieht sich im Grund also auf Probleme der Eltern und sonsti-
ger Erziehungsinstanzen. Sie wendet sich zwar unmittelbar auch an
Kinder und Jugendliche, ohne aber fiir diese solidarische Beratungs-
und Unterstutzungsangebote zu entwickeln.
- "Offene und halboffene Hilfen" (§ 53):
Auf der gleichen Linie liegen die "offenen u
unter denen im wesentlichen sozialpa'dagogisc
Einzel-, Gruppen- und Famil ienarbeit zu vers
der "Verhlitung oder Beseitigung von Entwickl
grundsa'tzl ich reglementierenden Charakter. "
penarbeit" hat also nichts zu tun mit einem
selbstorganisierter und stadtteilbezogener J
den Betroffenen echte Identif ikations- und s
bieten.
nd halboffenen Hilfen",
he oder therapeutische
tehen sind. Sie dienen
ungsstbrungen" und haben
Sozialpadagogische Grup-
Anregen und Unterstu'tzen
ugendinitiativen, die
ioziale Lernmbglichkeiten
- "Erziehungsbeistand" (§ 54):
Die Regelungen zum "Erziehungsbeistand" ("grundsatzlich eine haupt-
amtliche Fachkraft", kein Vorschlagsrecht des Betroffenen) blockie-
ren weitgehend die Mbglichkeit, Vertrauensleute Oder Bezugsgruppen
des Jugendlichen in seinem konkreten Lebens- und Arbeitsbereich mit
dieser Aufgabe zu betrauen. Im ubrigen ist die Verpfl ichtung des
- 54 -
"Erziehungsbeistands", "jeden Umstand mitzuteilen, der AnlaB geben
kbnnte, weitere Erziehungshilfen (z.B. Heimerziehung!) zu leisten",
geeignet, die Basis fur ein solidarisches Verhaltnis zum Betroffenen
zu zerstbren.
bb) "Erziehungshilfen auBerhalb der eigenen Farnilie"
tzung der 'Erziehungskraft'
kommt die klassische Fur-
alb der eigenen Farnilie")
auffalligen Kinder und Ju-
wieder ins Elternhaus ein-
em Zweck werden auch die
sonstigen Bezugsgruppen!)
irksamkeit" dieser "Hilfen"
ndrechtspositionen des Be-
e Wahrung des Briefgeheim-
Wenn die flankierenden MaBnahmen zur Stli
der eigenen Farnilie nicht mehr "helfen"
sorgeerziehung ("Erziehungshilfen auSerh
zum Zug. Ihre Aufgabe besteht darin, die
gendlichen soweit zu "festigen", daB sie
gegliedert werden kbnnen (§ 63). Zu dies
famil iaren Bindungen (nicht etwa die zu
besonders gepflegt (§ 56;2,3). Urn die "W
zu gewahrleisten, werden wesentliche Gru
troffenen relativiert, beispielsweise di
nisses (§ 66):
Nach § 66 kbnnen Schreiben angehalten werden, wenn sonst "die Er-
ziehung auBerhalb der eigenen Farnilie erheblich gefahrdet wlirde".
"Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Angaben enthalten, kann ein
Begleitschreiben beigefligt werden, wenn das Kind oder der Jugendliche
auf der Absendung besteht". Zur Vermeidung gerichtl icher Komplikatio-
nen wird festgestellt, daB diesbeziigl iche Entscheidungen "den Tra-
gern der Jugendhilfe zugerechnet werden", konkret also den Jugendbe-
hbrden bzw. den sogenannten freien Tragern (Caritas, Innere Mission
u.a. ) •
Damit Rechtsprofessoren wie Prof. Denninger ( Grundrechte und Heim-
erziehung") gegen diese wie entsprechende andere Regelungen nicht
makeln kbnnen, erklart Artikel 4 § 7 (Einschrankung von Grundrechten)
ohne Umschweife: "Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2
Abs. 2 Satz 2 des GG), des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
(Art. 10 Abs. 1 des GG), der Freiziigigkeit (Art. 11 Abs. 1 des GG)
und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 des GG) werden
nach MaBgabe dieses Gesetzes (!) eingeschrankt".
Unter den "Erziehungshilfen auBerhalb der eigenen Farnilie" werden
aufgeflihrt: "Erziehungskurs" , "Heim", "Wohngemeinschaft" (daneben
auch "Pflegefamilie", "besonders qualifizierte Farnilie", "Kinder-
und Wohnheim")
- "Erziehungskurs" (§ 59):
Fiir den "Erziehungskurs", der neu in die Jugendhilfe eingefuhrt wird,
hat der Jugendarrest Model 1 gestanden. Er steht zur Heimerziehung
etwa im gleichen Verhaltnis wie dieser zur Jugendstrafe.
Das wird u.a. in § 59 (1) verdeutlicht: "Kinder und Jugendliche, bei
denen eine schwere Fehlentwicklung noch nicht vorliegt, die aber
einer kurzzeitigen erzieherischen Einwirkung bediirfen, haben Anspruch
auf Teilnahme an einem Erziehungskurs. Der Anspruch besteht nur, wenn
die Voraussetzungen einer Erziehungshilfe nach § 62 (also der Heim-
erziehung!) nicht gegeben sind".
Der "Erziehungskurs", den wohl kaum ein Kind oder Jugendlicher frei-
willig in "Anspruch" nehmen du'rfte, dauert mindestens (!) 3 Wochen,
55
maximal 6 Monate, findet in einer "besonderen Einrichtung" statt
und soil in Form von "Obungs- und Erfahrungskursen" "eingehende Hil-
fen zur Konfl iktverarbeitung bieten". Es ist schwer vorstellbar,
wie in einer vom Lebensraum des Betroffenen isolierten Einrichtung
und noch dazu in einer repressiven Atmosphare dessen Konflikte ada-
quat - d.h. unter Verzicht auf psychische Manipulationen - aufgear-
beitet werden kb'nnen.
Es ist vielmehr zu erwarten, daB der "Erziehungskurs" noch zusatzlich
die Probleme des Betroffenen verscharft. Hier ist vor allem an die
Probleme des Jugendlichen in Schule und Betrieb zu denken. Der
"Zweck des Erziehungskurses" geht na'mlich dem Interesse des Jugend-
lichen an einer gesicherten Ausbildung und Arbeit vor ("Erziehungs-
kurse kbnnen (!) unter Aufrechterhal tung des bestehenden Ausbildungs-
oder Arbeitsverhaltnisses durchgeflihrt werden, wenn (!) dies mit
Zweck des Erziehungskurses vereinbar ist").
- "Erziehungshilfe in einem (heilpad. Oder pad.-therapeut. ) Heim"
(§62):
Ohne das Problem der Deklassierung von Kindern und Jugendlichen durch
die konventionelle Heimerziehung anzusprechen und die Weichen fur
eine emanzipatorische Neuorientierung der Heimerziehung zu stellen,
sprechen die Autoren des Entwurfs von "Entwicklungsgefahrdungen und
-stbrungen, die nur (!) mit Mitteln der (..) Heimerziehung behoben
werden kbnnen". Die Mbglichkeit bzw. hohe Wahrscheinlichkeit einer
zusatzl ichen Schadigung durch das soziale Ghetto Erziehungsheim steht
der "Gewahrung" bzw. Anordnung dieser "Erziehungshilfe" nicht entge-
gen.
- "Erziehungshilfe in einer Wohngemeinschaft" (§ 61):
Die "Wohngemeinschaft wird im Entwurf nicht als eine selbstorgani-
sierte kollektive Lebensform konzipiert, sondern als offenere Varian-
te der Heimerziehung. Sie unterliegt grundsatzlich den gleichen Be-
dingungen wie das Erziehungsheim. Es bestimmen nicht die Mitglieder
der "Wohngemeinschaft", "wer rein kommt (Jugendliche kbnnen sogar
gegen ihren Willen eingewiesen werden!) und wer raus muB", und wie
"Beratung und Betreuung" geregelt werden. Entsprechend einer Kommen-
tierung des vorausgehenden Diskussionentwurfs ist die "Wohngemein-
schaft" in erster Linie fiir Jugendliche vorgesehen, die durch Heim-
erziehung bereits etwas "gefestigt" (d.h. diszipliniert!) worden sind.
Jedes Mitglied der "Wohngemeinschaft" steht im librigen unter dem
permanenten Druck, die "Anforderungen eines Ausbildungs- und Arbeits-
verha'Hnisses zu erfiillen", und muB - falls das nicht gelingt - mit
einer Riickverlegung ins Erziehungsheim rechnen. Der Spielraum fiir
kollektive Lernprozesse und die Entwicklung produktiver Perspektiven
und Hotivationen ist infolge dieser Pressionen auBerst begrenzt.
3. HASSNAHMEN ZUM "SCHUTZ VOR GEFKHRDUNG"
In den MaBnahmen zum "Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahr-
dung" driickt sich in sehr deutlicher Weise die Tendenz des Entwurfs
aus, einer Verselbstandigung junger Menschen gegenliber Elternhaus
und Jugendburokratie entgegenzuwirken.
- 56 -
- Kontrolle auBerfamili
Der Kontrolle informell
zunehmend als Alternati
tionen entwickeln, dien
Bestimmungen liber "Einz
Die "Anzeigepflicht" de
von Kindern und Jugendl
den El tern erfolgt) wil
wurfs "das 'Untertauche
unkontrollierte Entsteh
S. 155).
arer Gemeinschaften:
er Formen kollektiven Wohnens, wie sie sich
ve zur "Familie" und den Jugendhilfeinstitu-
en vor allem die "Anzeigepflicht" sowie die
el- und Betriebserlaubnis".
s § 99 (unverzligl iches Anzeigen der Aufnahme
ichen auch wenn diese im Einverstandnis mit
1 nach den Ausflihrungen des Diskussionsent-
n' junger Menschen ebenso verhindern wie das
en neuer auBerfamili arer Gemeinschaften" (DE
Die Regelungen liber die "Einzelerlaubnis" nach den §§ 97 u. 100
(sie ist erforderlich bei der Aufnahme eines Kindes oder Jugendli-
chen Liber einen Zeitraum von mehr als 8 Wochen) und die Bestimmun-
gen zur "Betriebserlaubnis" nach den §§ 102 ff (sie ist bei der Auf-
nahme von mehr als 5 Kindern Oder Jugendlichen vorgeschrieben) er-
moglichen es der Jugendverwaltung, vor allem selbstorganisierte
Wohnkollektive institutionell in den Griff zu bekommen und Liber
besondere Auflagen zu reglementieren.
Die Kriterien der "erforderl ichen Zuverlassigkeit" (§ 97), des "fiir
Leitungs- u. Erziehungsarbeit entsprechend vorgebildeten Fachperso-
nals" und der "rauml ichen und wirtschaftl ichen Voraussetzungen"
(§ 102) bieten den Jugendbehbrden sogar eine Handhabe, sie admini-
strate zu zerschlagen.
- Reaktion auf das Entweichen von Kindern und
Besonders kennzeichnend fur die Art und Weise,
Entwurfs auf Probleme von Kindern und Jugendl i
ihre "Angebote" fiir junge Menschen, die aufgru
Spannungen aus dem Elternhaus Oder Erziehungsh
Statt sich an bereits praktizierten Modellen i
tren fiir diese Zielgruppe zu orientieren und d
sichern, werden ausschl ieBl ich die ordnungsrec
zwecks schnelleren Aufgreifens der Trebeganger
Jugendl ichen:
wie die Autoren des
chen eingehen, sind
nd oft unertragl icher
eimen entwichen sind.
nformeller Kontaktzen-
iese gesetzlich abzu-
htl ichen Bestimmungen
verscharft.
In diesem Zusammenhang ist nicht nur a
Entfernung") i.V. mit § 133 (Entscheid
ge Vollziehung der Entscheidung) zu de
Strafbestimmungen fiir Blirger, die sich
engagieren ohne sie gleich der Polizei
zuliefern. Hier ware § 147;1 (Verletzu
§ 145 ("Behinderung der Hilfe") zu nen
Besondere Bedeutung fiir die "Lbsung" d
§ 110 und der in ihm geregelten admini
Hier wird kein Spielraum gelassen, urn
fenen Losungsperspektiven zu entwickel
braucht man eine angemessene Karrenzze
aber jeder Schritt (Rlickflihrung bzw. U
neten Einrichtung" bei gleichzeitiger
sorgeberechtigten, "Gewahrung" bzw. ge
"geeigneten Hilfe") unter dem Imperati
das ganze Verfahren sind maximal 48 St
Daruber hinaus legt der § 110 natlirlic
fest, das mehr oder weniger polizeilic
n § 110 ("Inobhutnahme bei
ung ohne Anhorung und soforti-
nken, sondern auch an die
fiir jugendliche Trebeganger
oder den Jugendbehbrden aus-
ny der "Anzeigepflicht") und
nen.
er Trebeproblematik kommt dem
strativen "Inobhutnahme" zu.
in Abstimmung mit dem Betrof-
n und real abzusichern. Daflir
it. Nach dem Entwurf steht
nterbringung in einer "geeig-
Benachrichtigung der Personen-
richtliche Anordnung der
v des "Unverzligl ichen". FLir
unden kalkuliert.
h auch ein Handlungsschema
hen Charakter hat. Bezeichnen-
57
derweise erhalten die Beamten und Angestellten des Jugendamts die
Befugnis, Wohnungen nach entwichenen Jugendlichen zu durchsuchen und
diese festzuhal ten.
Redaktionskollektiv:
BERICHT ZUM JUGENDPOLITISCHEN FORUM
ZUSAHMENFASSUNG
Die Analyse des Entwurfs hat deutlich gemacht, daB er sich m'cht
primar an den Interessen der gesellschaftlich unterprivilegierten
Kinder und Jugendlichen orientiert, sondern darauf abzielt, die
etablierten gesellschaftl ichen Interessenspositionen abzusichern.
Statt die Emanzipationschancen der betroffenen Kinder und Jugendli-
chen grundsatzlich zu verbessern, entwickelt er ein ausgeklungeltes
System sozialtechnokratischer Kontrollen und Zugriffsmbgl ichkeiten,
um die Betroffenen noch starker als bisher in den "Griff" bekommen
und diszipl inieren zu kbnnen.
Zur Absicherung dieses Konzepts intendiert er ganz offenkundig die
Zerschlagung emanzipatorischer Praxisansatze in der Jugendhilfe.
Dabei greift er bereitwillig die Strategien und Instrumentarien auf,
die von reaktionaren Jugendverwaltungen in der Auseinandersetzung
mit engagierten Sozialarbeitern und Basisinitiativen bereits
"erprobt" wurden. Das geplante Jugendhilfegesetz ist ein Knebelge-
setz, das es entschieden zu bekampfen gilt.
INFORMATIONSDIENSTE DES SOZIALISTISCHEN BOROS
- Materialien der Arbeitsfelder -
Sozial istische Lehrer, Sozialarbei ter, Bildungsarbeiter, Krzte
usw. arbeiten heute vereinzelt oder in kleinen Gruppen noch
ohne ausreichenden Kontakt untereinander. Sie werden oft kon-
frontiert mit Problemen und Konflikten, mit denen andere Grup-
pen schon ihre Erfahrungen gesammelt haben. Die Infos der
Arbeitsfelder im Sozial istischen Bliro dienen der fortlaufenden
Information und Kooperation zwischen Gruppen und einzelnen, die
mit sozial istischem Anspruch Berufspraxis leisten. Bisher gibt
es folgende Info-Reihen:
INFORMATIONSDIENST DES SOZIALISTISCHEN LEHRERBUNDES
INFORMATIONSDIENST SOZIALARBEIT
INFORMATIONSDIENST ARBEITERBILDUNG
INFORMATIONSDIENST GESUNDHEITSWESEN
Ein INFO FOR HISSENSCHAFTSARBEITER ist in Vorbereitung.
Die Informationsdienste kbnnen als Einzelhefte oder im Jahres-
abonnement bezogen werden. Informationsblatter Liber die Abo-
Bedingungen kostenlos; Probehefte der Infos konnen nur gegen
Bezahlung abgegeben werden.
Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591, Hone Str. 28
Sechs Wochen nach dem Jugendpol itischen Forum in Frankfurt liegen
die ersten Stellungnahmen und Arbeitsergebnisse vor.
Abgesehen von einigen wenigen Tageszeitschriften und Rundfunkanstal-
ten (F.R., Berliner Tagesspiegel , HR, WDR u. SFB) wird das Jugendpo-
litische Forum in der blirgerlichen Presse totgeschwiegen. Wie die
jugendpol itische Fachbffentlichkeit reagieren wird, bleibt abzuwar-
ten. Die Stellungnahmen der beteiligten Kollegen, der Jugendlichen
und der pol itischen Gruppen reichen von vorbehaltloser Zustimmung
und Zufriedenheit liber den Verlauf und die Ergebnisse des Forums,
Liber eine Kritik der fehlenden organisatorischen und politischen
Perspektive bis hin zur Ablehnung als "eine auf der Grundlage des
Reformismus" zustandegekommene Veranstaltung (Bericht des Kommuni-
stischen Jugendverbandes (KJV) in Rote Fahne Nr. 51.)
Handelt es sich bei den Berichten anderer linker Gruppen (GIM, SJD,
Die Fal ken-Hannover, KBW) um eine solidarische Kritik, die nicht
die Ergebnisse des Forums selbst unterschlagt, so gefallt sich der
KJV, in der gewohnten Art und Weise mit Unterstellungen, Verfal-
schungen und Verdrehungen zu arbeiten: So wird weiterhin behauptet,
"kommunistische junge Arbeiter sollten von vorneherein vom Forum
ferngehalten werden", die Initiatoren wollten die Teilnehmer durch
die zwei Erdffnungsveranstaltungen spalten, wobei im gleichen Atem-
zug die gemeinsame AbschluBveranstaltung kritisiert wird, da "im
Freien .... die Bedingungen fiir eine Diskussion ungiinstig" seien.
Da der KJV ja die "kampfende Jugend" anflihrt, muB er die Teilnehmer-
zahl naturlich herunterspielen - "1500 Sozialarbeiter und Studenten"
Legitimiert wird dann sein eigenes Auftreten mit der Parole "KJV
erfolgreich gegen den Reformismus" - kein Wort zu den Aussagen der
Jugendlichen, kein Wort zu den verabschiedeten Resolutionen und den
KJV-Resolutionen, die abgelehnt worden sind.
Liest man allerdings die "Liberale Berliner Zeitung", so kbnnte man
fast annehmen, der KJV hat recht: "Sie (die Jugend) erwartet von
der Bundesregierung ein entschiedenes Eintreten fur Reformen. Nur
in einer solchen positiven Alternative zum konservativen Lager kann
die sozial liberale Koalition wieder Stimmen flir sich gewinnen."
Solche Interpretation der Ergebnisse des Jugendpol itischen Forums
entsprechen allerdings nicht den Tatsachen.
Wer die AG-Ergebnisse und Resolutionen deutlich lieBt, wird fest-
stellen, daB die Liberwiegende Mehrheit der Teilnehmer klare Aussa-
nen getroffen hat:
- der staatlichen Jugendpolitik wurde eine Absage erteilt;
- die Politik des Reformismus als gescheitert erklart (was nicht
heiBt, daB Sozialisten nicht auch fur Reformen, die die Lage der
Arbeiterjugendl ichen verbessern, kampfen).
- 58
59 -
Im folgenden wollen wir - ohne der Dokumentation vorzugreifen -
eine Zusammenfassurg der wichtigsten Ergebnisse auf der Grundlage
der eigenen Eindrucke und der vorliegenden Protokolle vornehmen.
Das Jugendpolitische Forum ist organisiert worden auf die Absage
des 5. DJHT. Mit dieser Absage, die von der AGJ mit einer Diffamie-
rungskampagne gegenLiber der Sozial istischen Aktion (im wesentlichen
reprasentiert durch Gruppen, die in einem mehr Oder weniger festen
organisatorischen Zusammenhang des Info Sozialarbeit im SB und der
Redaktion Erziehung & Klassenkampf stehen) eingeleitet wurde, hatte
die AGJ, als eine vom Bundeshaushalt abhangige Institution, die ihr
zur VerfUgung stehenden Mittel institutioneller Gewalt angewendet,
urn die 'Fachbasis' mundtot zu machen. Dieser Gewalt sollte die brei-
te Solidaritat der Betroffenen entgegengesetzt werden.
Gemeinsam mit dem Bund Demokratischer Jugend und den Jungdemokraten
forderte die Sozialistische Aktion alle Basisgruppen, Jugendverban-
de, Sozialarbeiter, Wissenschaftler zur Teilnahme an der konstitu-
ierenden Tagung ' Jugendpolitisches Forum' auf.
Es kam uns darauf an, mit alien Gruppen und Individuen, die sich mit
Jugendarbeit beschaftigen bzw. von ihr betroffen sind, einen Erfah-
rungsaustausch zu organi sieren, der ausging sowohl von der Situa-
tion und den Problemen der Arbeiterjugendl ichen wie auch den Proble-
rnen der Berufspraxis der im Sozialbereich Tatigen. Das Forum sollte
mit dazu beitragen, die Isolierung in der Jugendarbeit zu uberwin-
den, Kommunikationszusammenhange zu verbessern, konkrete Formen
der Kooperation zu diskutieren und gemeinsame Handlungsperspektiven
zu entwickeln. Dabei war es erklartes Ziel aller spa'ter in der Ini-
tiative zusammenarbeitenden Gruppen (DJD, BDJ/BDP, NFJH, Sozialisti-
sche Aktion), eine politische Offenheit zu gewahrleisten, die die
Artikulation der verschiedenen Gruppen und Verbande auf dem Forum
mbgl ich machte.
Unterstlitzt haben die Initiative u.a. folgende Gruppen: verschiede-
ne Fachhochschulen und Universitaten, Jungsozialisten UBA Ffm.,
Landesjugendring Hessen und Bremen, Sozialistisches Biiro Offenbach,
SJD Die Fal ken-Hannover- , Stadtjugendring Darmstadt) und uber 80
namhafte Wissenschaftler.
Im Laufe der Vorbereitungen wurde aber auch deutlich, daft das ange-
strebte breite 'linke BLindnis' Llicken aufweisen wiirde. Die Bundes-
vorstande der Jugendverbande insbesondere die Gewerkschaftsjugend,
SJD Die Falken, Naturfreundejugend, Jungsozialisten zeigten kein In—
teresse bzw. lehnten diese Initiative ab. KSV/KJV sowie der Ring
BLindischer Jugend, die sich auf dem Kasseler Treffen vom 6.-8.9.74
nicht durchsetzen konnten, distanzierten sich mit dem Argument, daB
dieses Bundnis "Abgrenzungsbeschlusse gegenli'ber Kommunisten prakti-
ziere" .
Aber weder das Totschweigen bzw. die Ablehnung dieser Initiative,
noch der Versuch der SDAJ, die Initiative in eine 'links-sektiere-
rische' Ecke zu drangen, konnte die Hitglieder dieser Organisationen
und daruber hinaus Jugendliche aus Jugendzertrums-Initiativen, par-
tei- und gruppenunabhangige Sozialarbeiter und Lehrer etc. daran
hindern, an dem Forum tei Izunehmen.
Die Teilnahme von Liber 2000 Sozialarbeitern, Lehrern etc. und ca.
S00 Jugendl ichen Liber traditionelle BLindnisgrenzen hinweg und der
Ablauf des Forums entlarven den Versuch der SDAJ, wie sie die Vor-
wurfe des KSV/KJV widerlegen. Auf dem Forum wurde kein 'Antikommu-
60 -
nismus' betrieben, sondern solchen politischen Einschatzungen und
Vorstellungen eine Absage erteilt, wo sie nicht mehr mit den Erfah-
rungen der teilnehmenden Sozialarbeiter und Jugendl ichen vermittelt
wurden.
Andererseits sollte dieses Bundnis insbesondere die Jugendverbande
zu einer Teilnahme ermutigen, die auf der AGJ-Mitgliederversammlung
gegen die Absage des Jugendhilfetages gestimmt haben und damit fur
ein offenes Forum eingetreten waren (an sie richtet sich auch die
Resolution gegen den AGJ-Delegiertentag).
Trotz der Teilnahme von Mitgliedern aus diesen Verbanden durfen wir
uns nicht darliber hinwegtauschen: dieses Ziel ist nur in Ansatzen
erreicht worden.
DaB wir dieses Forum aus eigener Kraft organisieren konnten - an
Spenden und Beitragen sind fast DM 30.000.- aufgebracht worden -
und solidarische Diskussionen insbesondere in den Arbeitsgruppen
mbgl ich waren, ist fur viele Teilnehmer eine Erfahrung gewesen, die
in der derzeitigen gesellschaftl ichen und politischen Situation
nicht zu unterschatzen ist. Beinhaltet sie doch auch die Aufforde-
rung und Ermutigung.mit der begonnenen Arbeit am Ort weiterzuma-
chen.
Natlirlich liefen die Vorbereitungen zum Forum und das Forum selbst
nicht ohne Probleme ab', viele Fragen in den Arbeitsgruppen sind of-
fen geblieben und in den AbschluBresolutionen und -erklarungen fehl-
ten die konkreten Handlungsperspektiven.
Die unterschiedl ichen zum Teil weitabweichenden politischen Positio-
nen der in der Initiativ-Tragerschaft reprasentierten Gruppen machten
lange Diskussionen Uber die Gestaltung des Forums notwendig.
Kennzeichnend war, daB die politischen Kontroversen nicht zugedeckt,
sondern ausgetragen wurden. Die wichtigsten Kontroversen bezogen sich
auf die Einschatzung der Rolle des Staates, der Politik der Bundes-
regierung und die Frage, ob durch Einwirkung auf parlamentarische
Gremien - wie sie der Politik der Jungdemokraten entspricht - Inter-
essen der Arbeiterjugend im geplanten neuen Jugendhil fegesetz BerLick-
sichtigung finden konnen.
Die Intensitat der Diskussion fand nicht zuletzt darin ihren Nieder-
schlag, daB das bereits gedruckte Erbffnungsreferat am Erbffnungstag
noch wesentlich korrigiert wurde-
Im Hinblick auf die beabsichtigte Offenheit des JupoFo halten wir
das in der Koordinierungsgruppe reprasentierte BLindnis von Jungdemo-
kraten, Bund Deutscher Pfadfinder im BDJ, Sozialistische Aktion
und der Naturfreundejugend Hessen auch nachtraglich flir richtig.
Es besteht fLir uns jedoch nach AbschluB der auswertenden Dokumen-
tation kein AnlaB, dieses BLindnis fortzusetzen. Jeweils am Ort und
unter Berucksichtigung der politischen Situation und der Ziel -
setzung wird sich erweisen, ob solche BLindnisse auch weiterhin ein-
gegangen werden und tragfahig sind.
Die am Info Sozialarbeit im Sozial istischen BLiro mitarbeitenden
Gruppen werden sich jedoch, was die kommenden politischen Aufgaben
anbelangt, urn eine weitere punktuelle Zusammenarbeit insbesondere
mit dem BDP/BDJ (z.B. Jugendzentrumsarbeit) und der Zeitschrift
Erziehung & Klassenkampf bemu'hen.
- 61 -
Ein politisch brisanteres Problem stellte auf dem Forum das Verhalt-
nis Sozialarbeiter - Jugendliche dar.
Bereits in den b'rtlichen Vorbereitungen wurde deutlich, daB entgegen
unserer Absicht die Struktur des Jugendpol itischen Forums den Ar-
beiterjugendlichen wenig Mb'gl ichkeiten bieten wird, ihre Erfahrungen
und Interessen unmittelbar einzubringen.
Das Jugendpolitische Forum, aus der Sozialistischen Aktion Jugend-
hilfetag entstanden, war Uberwiegend von den Problemen der Sozial-
arbeiter bestimmt. Es gelang nicht, iiber einzelne Absprachen mit
Jugendzentren und Lehrl ingsgruppen hinaus relevante politische
Gruppen der Arbei terjugend an den Vorbereitungen und der Durchfuh-
rung des Forums zu beteiligen.
Die Tatsache jedoch, daB rund 500 Jugendliche am Jugendpol itischen
Forum teilgenommen und auch in den Arbei tsgruppen und Plenen mit-
diskutiert haben, zeigt die Bereitschaft der Jugendl ichen, ein BLind-
nis mit sozialistischen Sozialarbeitern einzugehen.
In ihren Erfahrungsberichten aus Jugendzentren, Wohnkollektiven und
Heimen wurde (unabhangig von den pol itischen Intentionen der enga-
gierten Sozialarbeiter) ein verbleibender Interessengegensatz sicht-
bar. Dieser Widerspruch rlihrt aus der repressiven Funktion der In-
stitutionen an die auch sozial istische und kommunistische haupt-
amtliche Sozialarbeiter angebunden sind.
Dieses Problem haben auch die Vertreter der Jugendzentren und
-kollektive erkannt. Sie forderten deshalb die Zusammenarbeit mit
Sozialarbeitern unter ihrer Kontrolle und betonten gleichzeitig,
daB ihre Zentren und Kollektive nicht dazu da seien, die Probleme
der Sozialarbeiter zu Ibsen. Aus dem gleichen Grund miBlangen auch
die Versuche des KSV/KJV und der KPD/ML, einen Keil zwischen Arbei-
terjugendl iche und sozial istische Sozialarbeiter zu treiben, urn si ch
selbst als Flihrungskraft zu etablieren.
Trotz dieser prinzipiellen Schwierigkeit war der Anspruch des Jugend-
politischen Forums, Arbei terjugendl iche zu beteiligen, richtig.
Dieser Anspruch ist politisch darin begriindet, daB wir den Kampf
gegen den repressiven Charakter der Jugendhilfeinstitutionen nicht
ohne Orientierung an der fortschrittl ichen Bewegung und den objek-
tiven und subjektiven Interessen der Arbeiterjugend bestimmen kbn-
nen.
- Ergebnisse aus den Arbei tsschwerpunkten -
Urn eine erste Obersicht der Arbeitsgruppenergebnisse vorzulegen,
haben wir die bisher eingegangenen Protokolle zusammengefaBt.
Diese Zusammenfassung ist allerdings keine geschlossene inhaltliche
Wiedergabe der Arbeitsgruppendiskussionen, sondern stellt einige
Problemkreise heraus, die insbesondere die Rolle und Funktion von
Sozialarbeit berlihrt. An dieser Stelle mbchten wir alle Teilnehmer
des Jugendpol itischen Forums bitten, uns ihre Notizen, Protokolle
aus den Arbei tsgruppen zuzuschicken, damit wir diese fLir die Doku-
mentation verwerten kbnnen.
1. Arbeitsschwerpunkt "Arbeitssituation und Jugendarbeitslosigkei t"
Alle Arbeitsgruppen wurden durchgeflihrt, bei einer Teilnehmerzahl
von 30 bis 70 Leuten. Die starkste Resonanz fand die Arbeitsgruppe 6
"Freizeitheim-Jugendzentrum". Hier waren auch die meisten Jugendl i-
chen vertreten. (Je 1/3 Jugendliche, Studenten und Sozialarbeiter).
Zur Auswertung liegen uns flinf Protokolle vor, in denen folgende
Problemkreise andiskutiert wurden:
- Verschiebung der Arbei tsschwerpunkte im Freizeitbereich in Krisen-
situationen:von der Alternative zu kommerziellen Angeboten (Knei-
pen, Diskothek)zur Bewaltigung der Probleme der von Jugendarbeits-
losigkeit Betroffenen und zu mehr Verbindung und Zusammenarbeit
mit Betriebsgruppen und Gewerkschaft ;
- strukturelle Unterschiede der Arbeitslosigkeit; Verhaltnis zwischen
Ballungszentren und Randgebieten;
- Alkoholismus und Aggression - (die Saufereien nehmen zu und als
Folge davon die Schla'gereien -auch unter den besten Kumpels-
und z.T. auch die Zerstbrungen der Freizeiteinrichtungen) ;
- Spaltung der Gruppen, Forderung der Konkurrenz untereinander,
Isolation von Teilgruppen (bestehende Gruppen Ibsen sich zum Teil
auf, es bilden sich neue, namlich mit Arbeitslosen untereinander.
Teilgruppen - besonders Auslander - werden isoliert, sie werden
als Alleinschuldige an der eigenen Situation gesehen);
- abnehmende Sol idarita'tsbereitschaft (Je langer jemand arbeitslos
ist und sich damit verbunden Resignation Liber die Perspektivlosig-
keit breitmacht, desto schwieriger entwickeln sich Formen der Or-
ganisierung. Sie versuchen dann, individuell auch auf Kosten ande-
rer, ihre materielle Situation zu verbessern).
- Verstarkte Anziehungskraft von Bundeswehr, Polizei und BGS
- Entwicklung von Handlungsschritten flir Sozialarbeiter
- verscharfte Diszipl inierung und Anpassung am Arbeitsplatz (durch
die verbreitete Angst, auch noch den Arbeitsplatz zu verlieren,
wird auf Rechte verzichtet, wie z.B. Bildungsurlaub).
Mbgliche Handlungsschritte:
- Bildung von regionalen Gruppen zur Oberwindung der Isolation und
Spaltung, wobei die Verbindung zu den Betrieben und Gewerkschaften
hergestellt werden muB;
- Organisierung von Gewerkschaftsausschussen;
-' Untersuchung der Misere im regionalen Bereich; Feststellung der
Ursachen an nachvollziehbaren Beispielen;
- Einliben von gemeinsamen sol idarischem Handeln (z.B.: die nbtigen
Behbrdengange gemeinsam erledigen, urn den Frust zu mildern und
urn den Arbei tsamtern die Mbglichkeit zu nehmen, dem einzelnen die
Schuld in die Schuhe zu schieben oder z.B. SSK:in Kbln wurden
vom SSK Arbei tskollektive aufgebaut, in denen Arbeitslose Sperr-
mlill sammeln und in verschiedenen Gruppen liberholen z.B. Mbbel ,
Elektro und verkaufen);
- Offentlichkeitsarbeit (Veranstal tungen, Feste, Flugblatter, Info-
Stand, StraI5entheater, Film usw.)
Unterstutzungsmbgl ichkeiten von Sozialarbeitern
- Beschaffung von Raumen fur Initiativgruppen;
- Wohnungsbeschaffung;
- Arbei tsbeschaffung;
- 62 -
- 63
- WDhngeld, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe u.a.;
- Behbrdengange;
- Ausfullen von Formularen und anderen Schreibarbeiten;
- Informationen weitergeben;
- Kontakte zu anderen Gruppen herstellen;
- Sozialarbeiterkollegen zur Mitarbeit auffordern.
Folgende Resolutionen wurden aus diesem Arbeitsschwerpunkt entwickelt
und auf der AbschluBveranstaltung verabschiedet:
- RESOLUTION ARBEITSLOSIGKEIT UND SCHULE -
(mehrheitl ich angenommen, bei vielen Enthaltungen)
Angesichts zunehmender Arbeitslosigkeit zeigt sich in noch grdBerer
Deutlichkeit als bisher der Klassencharakter des westdeutschen Bil-
dungssystems.
Schulabganger sehen sich heute den folgenden Verhaltnissen ausge-
setzt:
1. der Entwertung von Schulabschliissen durch die wachsende Konkur-
renz auf dem Arbeitsmarkt;
2. der Dequal if ikation, d.h. dem Ansteigen von Hilfsarbeiten und
angelernten Tatigkeiten;
3. der Trennung von wenigen hochqual ifizierten Arbeitern von der
Masse der Minderqual ifizierten durch die Stufenausbildung;
4. dem rapiden Absinken des Angebots an Lehrstellen;
5. der Blockierung der Ausbildungsmbgl ichkeiten von breiten Teilen
der Hauptschliler durch verscharfte Auslese in den weiterflihren-
den Schulen und Numerus Clausus an den Hochschulen;
6. der Verscharfung der Konkurrenz auf dem Arbeits- und Lehrstellen-
markt durch nicht zum Studium zugelassene und vorzeitig aus der
Schule gedruckte Oberschiiler;
7. der Verscharfung von Disziplinierung und politischer Reglemen-
tierung am Arbeitsplatz.
Diese Verhaltnisse sind bedingt durch die Gesetze der kapitalisti-
schen Produktionsweise, folglich der kapitalistischen Form des
Arbeitsmarktes: Qualifikationen werden nur den unmittelbaren, kurz-
fristigen Verwertungsinteressen des Kapitals entsprechend abverlangt
und bei Verwertungsschwierigkeiten des Kapitals wird die Konkurrenz
auf dem Arbeitsmarkt verscharft. In dieser Gesellschaft kann es
daher niemals wirkliche soziale Sicherheit fur die Arbeiterklasse
geben.
Die gleiche krisenhafte Entwicklung des Kapitals wirkt sich nicht
nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch innerhalb der Schule aus:
1. In der Verschlechterung der Ausbildungsbedingungen in den Haupt-
schulen;
2. in der Verscharfung der Selektion und dem Ansteigen der Oberwei-
sungen als in Fbrderkurse getarnte Abschiebekurse, auf Sonder-
schulen und ahnliches;
3. der Verscharfung der Disziplinierung und politischen Reglemen-
tierung auch in der Schule.
Diese Entwicklung zeigt: Fur die Arbeiterjugend wird die Ausbildung
im Kapitalismus stets zur Sackgasse.
64
Die vorherrschende Politik der Reformisten besteht darin, den Arbei-
terjugend! ichen und den Arbeitereltern zu versprechen, daB die Aus-
bildung eine gesicherte berufliche Zukunft gewahrleisten kbnne.
Diese Politik hat zu Illusionen Liber die Planbarkeit und Verander-
barkeit von Ausbildung und Arbeitsmarkt im Kapitalismus gefiihrt.
Diese Politik ist nicht nur gescheitert, sondern sie hat gerade die
anwachsende Jugendarbeitslosigkeit mit verursacht.
Die Politik des Reformismus ist gescheitert - jetzt heiBt es:
- diejenigen zusammenzufassen, die sich mit Reformversprechen nicht
mehr zufrieden geben wollen;
- die Ka'mpfe urn Schul programme und Ausbildungsbedingungen, Lehr-
stellen und Arbeitsplatze im Interesse der Arbeiterjugend zu or-
ganisieren;
- den Kampf urn die Verbesserung der Lern- und Arbeitsbedingungen als
Bestandteil des Kampfes fur den Sozialismus zu fuhren.
- ppsm IITION DF.S ,lllGFNnPOLITISr.HFN FORUMS -
(mit groBer Mehrheit, bei wenigen Enthaltungen, angenommen)
Die Teilnehmer des Jugendpolitischen Forums unterstutzen lokale und
Uberregionale Aktionen der Gewerkschaftsjugend gegen Jugendarbeits-
losigkeit und Lehrstellenverknappung und fordern dazu auf, entspre-
chende brtliche Kampagnen zu initiieren und zu unterstutzen. Dabei
muB deutlich gemacht werden, daB die aktuelle Situation einen Ban-
krott der nach kapitalistischen Maximen betriebenen Berufsausbildung
in Unternehmerhand darstellt und eine Ausbildung im Interesse und
unter Kontrolle der Arbeiter und ihrer Organisationen durchgesetzt
werden muB-
2. Arbeitsschwerpunkt "Famil ienkonfl ikte und -flucht von Jugendlichen"
In den 8 Arbeitsgruppen sowie Untergruppen des Schwerpunktes arbei-
teten jeweils 40-60 Sozialarbeiter mit. Da nur wenige, z.T. unvoll-
kommene Protokolle aus den AGs vorliegen, ist es schwierig, eine
zutreffende Darstellung des vielfach sprunghaften Diskussionsver-
laufs zu geben. Nur wenige Jugendliche auBerten sich in der Diskus-
sion,und die vorliegenden Protokolle bestatigen, daB vorwiegend die
Arbeits- und Organisationsprobleme von Sozialarbeitern diskutiert
wurden, die in ihrer praktischen Arbeit versuchen, entgegen ihrer
objektiven Funktion die Interessen und' Im'tiativen der Arbeiterju-
gendlichen zu unterstutzen.
Ausgegangen wurde von der erkennbaren V
Lebensverhaltnisse, die sich vor all em
niederschlagen. Die in Beratungsstellen
richteten, daB finanzielle Probleme von
( Ki ndergel df ragen , Ei nkommensmi nderunge
losigkeit, Stellenvermittlung), Wohnung
klagen) und soziale Probleme (Scheidung
inhalte der Beratungstatigkeit sind. Di
Belastungen der Famil ie fuhren zu Neuro
dingter Krankheit und zu einer Zunahme
tatigkeiten zwischen Ehepartnern und zw
erschlechterung famil ialer
in materiel len Problemen
tatigen Sozialarbeiter be-
Familien und Teilfamilien
n, geringer Lohn, Arbeits-
sprobleme (Mieten, Raumungs-
sfragen, Abtreibung) Haupt-
e daraus resul tierenden
sen und psychosomatisch be-
von Spannungen und Gewalt-
ischen El tern, Elternteilen
- 65 -
und Kindern. (Zunahme von KindesmiBhandlungen, Scheidungen), deren
AusmaB aufgrund der Privatheit der Familie nur schwer erkennbar sei.
Die Krise der Familie ist dabei selbst nur ein Ausdruck fur die
unterprivilegierte Arbeits- und Lebenssituation der Arbeiter und
daher kein Problem individuellen Versagens. Die Formen der Gewalt
in der Familie spiegelt die Gewalt der kapitalistischen Gesellschaft
wider, in der fur die lohnabhangige Bevb'lkerung keine Mbglichkeiten
der Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung bestehen.
In der AG "Fluchttendenzen" wurde die Flucht vieler Jugendlicher aus
der Familie als eine Reaktion auf die fehlenden materiel len Mbglich-
keiten der Familie und die "Zerstbrtheit" ihres Kommunikationszusam-
menhanges diskutiert. Her Teufelskreis: miese Famil iensituation -
Schulschwanzen - Druck der Schule auf Jugendliche und Familie -
Familienkrach oder miese Famil iensituation - Schulschwanzen - "MiB-
erfolg" in der Schule - fehlender SchulabschluB - Arbeitslosigkeit
wie auch Jugendarbeitslosigkeit als Ausdruck der gegenwartigen Wirt-
schaftskrise und Ausbildungskrise fiihrt bei vielen Jugendlichen zur
Flucht aus der Familie. Die Schaffung alternativer Lebensformen wie
die Grlindung von Wohngemeinschaften scheitert oft an den fehlenden
materiel len Mbglichkeiten bei den Jugendlichen und auch den begrenz-
ten Mitteln, der mit ihnen zusammenarbeitenden Sozialarbeiter.
Sozialarbeiter haben in ihrer Berufssituation keine Mbglichkeiten,
die in der Struktur der kapitalistischen Gesellschaft wurzelnden
Ursachen der Famil ienkrise und der Probleme der Jugendlichen zu be-
seitigen. Sie kbnnen jedoch, wenn der Klassencharakter der Gesell-
schaft erkannt ist, Liber die gesellschaftl ichen Ursachen und den ge-
sellschaftlichen Charakter dieser Probleme aufklaren und eine Pol i-
tisierung der Jugendlichen unterstlitzen. Eine Position, die diese
Politisierung als zweiten Schritt, d.h. erst nach dem Versuch einer
psychischen (Selbst-) Stabilisierung fur mbglich halt, wurde abge-
lehnt. Selbststabilisierung und individuelle Problemlbsung und
Politisierung wurden als Bestandteile eines Prozesses begriffen.
Beratungsstellen, insbesondere solche, die der behbrdlichen Sozial-
arbeit vorgelagert sind, kbnnen und m'ussen nach Meinung der Teilneh-
mer eine konmunikative und organisatorische Basis fur politische
Initiativen sein. Dazu wurden Beispiele aus Berlin und Stuttgart
diskutiert. Eine solche Arbeitsweise kann auf "Einzelfallhilfe"
nicht verzichten. Diese muB im Rahmen einer politischen Perspekti-
ve erfolgen.
In der AG "Familie und Vorschulerziehung" wurde herausgearbeitet, daB
die Obernahme der These vom Funktionsverlust der Familie die Ober-
nahme burgerl icher Positionen bedeutet, weil sie von den gesellschaft-
lich bedingten Belastungen der Familie ablenke und die Frage aus-
klamraere, welche Funktion die Familie heute habe. Neben der Repro-
duktion des Individuums habe die Familie flir das Kapital die Aufga-
be, die Produktion der Ware Arbeitskraft sicherzustellen. Die Ent-
wicklung der Produktivkrafte stelle neue Anforderungen an die Quali-
fikation der Arbeitskraft, die eine zunehmende Vergesellschaftung
der Erziehung im Interesse des Kapitals erfordert. Die Vergesell-
schaftung der Erziehung mache Erziehungsprozesse zunehmend bffent-
lich und bietet daher mehr Mbglichkeiten, diese in die politischen
- 66 -
Auseinandersetzungen einzubeziehen. Die in den Kindertagesstatten
eingefiihrte Mitbestimmung der El tern erweist sich dabei jedoch als
unzureichend und ungeeignet, weil die Mitbestimmung in den Kinder-
garten sich nicht an den Problemen der Arbeitereltern und -kinder
orientieren kann.
Die politische und gewerkschaftl iche Drganisierung der Erzieher ist
daher eine wichtige Bedingung, urn die Interessen der Arbeitereltern
aufgreifen zu kbnnen.
Die Frage, wofu'r sind Eltern bereit zu kampfen, konnte in dieser AG
nicht beantwortet werden. Festgehalten wurde jedoch, daB aus der
Sicht der Eltern die Orientierung am Problem wichtiger sei als die
"richtige" politische Linie. Ihr Engagement ist also abhangig von
der konkreten Nlitzl ichkeit, die sie von politischen Aktionen erwar-
ten. Deshalb blieb auch die Frage offen, was die sozial istischen In-
halte eines Sozialkampfes im Bereich der Vorschulerziehung sind.
Ein nicht abgeschlossenes Problem in den Arbeitsgruppen blieb die
Frage, wie Sozialarbeiter praktische Solidaritat mit den Jugendli-
chen und Arbeiterfamilien Iiben kbnnen. Die Funktion des Sozialarbei-
ters stellt ein objektives Hindernis fur Solidaritat dar. Die in
der AG "Diszipl inierung von Sozialarbeitern" diskutierten Beispiele
und Ansatze genligten den Diskussionteilnehmern nicht. Es wurde am
Beispiel der Jugendgerichtshilfe herausgearbeitet, daB das Bespre-
chen des JGH-Berichtes mit dem Jugendlichen, die Aufklarung Liber die
ProzeBsituation, das Eintreten fiir die Herabsetzung des StrafmaSes
und die Aufklarung liber die gesellschaft! iche Situation des Jugend-
lichen keine ausreichende Solidaritat darstelle. Die Funktion der
Sozialarbeit bleibe dabei erhalten. Eine Bedingung fiir die Entwick-
lung praktischer Solidaritat wurde in der gewerkschaftl ichen und
politischen Organisierung der Mitarbeiter der Einrichtungen gesehen,
d.h. unter EinschluB auch der Verwaltungskrafte. Die aus diesem
OrganisierungsprozeB resultierende Basis ist eine wichtige Voraus-
setzung, urn Konfl iktsituationen zwischen Verwaltung und Sozialarbei-
tern,die sich gemeinsam mit ihren "Klienten" politisch fiir die Ver-
besserung der Lebensbedingungen einsetzen, besser durchstehen zu
kbnnen.
3. Arbeitsschwerpunkt: "Freizeitsituation und Selbstorganisation
von Jugendl ichen"
In den 15 Arbeitsgruppen fanden sich ca. 1200 Leute zusammen. Da
erst wenige Protokolle hier eingegangen sind, kbnnen wir nur einige
zentrale Fragestellungen zusammenfassen, die in diesen Arbeitsgrup-
pen diskutiert wurden.
Schwerpunkte der Diskussion waren vor allem:
1. die Frage der Selbstorganisation (SO)
2. Politisierungsmbgl ichkeiten in Jugendzentren
3! Rolle und Funktion des Sozialarbeiters
zu 1.) In der Diskussion bestand die Schwierigkeit der inhaltlichen
Bestimmung des Begriffs der Selbstorganisation, dessen Auslegung in
verschiedene Richtungen mbglich ist. Selbstorganisation von Jugend-
lichen ohne Angabe eines Ziels, wohin diese flihren soil, kann dem-
- 67 -
nach auch durchaus im Sinne der Sozialbiirokratie sein, die Methoden
der Jugendarbeit zu effektivieren. Man kam Ubereinstimmend zu der
Auffassung, daB Selbstorganisation als organisierte Vertretung und
Durchsetzung von Interessen und Bediirfnissen der Jugendlichen gegen-
Liber der Stadt zu begreifen sei und in einem inneren Zusammenhang
zu der Frage der Pol itisierungsmbglichkeit von Jugendlichen stehe.
Der Kampf ura selbstverwaltete Jugendzentren kann die BewuBtwerdungs-
prozesse zum Versta'ndnis der gesellschaftlichen Realitat in Gang
setzen, wirksam eingreifen kann dieser Kampf jedoch nur dann, wenn
er verbunden wird mit der organisierten Durchsetzung von Interessen
im Betrieb.
zu 2.) Dem Jugendzentrum selbst wurde die Funktion eines politischen
Durchlauferhitzers zugewiesen.Die konkreten praktischen Erfahrungen
in Bezug auf die Auseinandersetzungen mit der Behb'rde urn das Jugend-
zentrum und um die Inhalte im Jugendzentrum sollten Ansatzpunkte
bei der Vermittlung eines parteilichen Bildes der gesellschaftlichen
Realitat sein, sowie die pol itische Wirksamkeit des Jugendzentrums
zu erhbhen. Dabei wurden "Kapitalschulungen" als denkbar ungeeigne-
tes Mittel der politischen BewuBtseinsbildung angesehen, dennoch
sollten Bedurfnisse nach theoretischen Erkenntnissen, die auf Erfah-
rungen aufbauen, nicht abgeblockt, sondern aufgegriffen und weiter-
entwickelt werden, damit diese wieder in die praktische Arbeit hin-
einschlagen.
zu 3.) In der Diskussion um die Selbstorganisation wurde die Rolle
und Funktion des Sozialarbeiters immer wieder problematisiert. Dem
Sozialarbeiterbild der K-gruppen, die in ihm einzig und allein einen
"Agenten der Bourgeoisie" sehen, wurde entgegengehalten, daB Sozial-
arbeit objektiv zwar als Integrationsapparat des kapital istischen
Staates aufzufassen sei, daB jedoch Sozialarbeitemmit sozialisti-
schera Anspruch die Aufgabe zufiele, die ihnen gesellschaftlich zuge-
wiesene Funktion der Diszipl inierung, Reglementierung der Jugend-
lichen und deren Integration in den kapitalistischen Verwertungs-
zusammenhang zu unterlaufen. Da man aufgrund dieser unterschiedl ichen
Positionen hierliber keine Einigkeit erzielen konnte, blieb auch die
Diskussion um mbgliche Perspektiven in der berufl ichen Praxis in
Ansatzen verhaftet .
ierung
ie
interessen aer ioziaiarDener una aer Jugenancnen in vielen hallen
unterschiedlich sind und der Sozialarbeiter von daher partiell der
Gefahr von opportunistischen Verhaltensweisen unterliegt. Die Mbg-
lichkeiten der solidarischen Unterstlitzung von Jugendlichen durch
die Sozialarbeiter konnten in einigen Arbeitsgruppen anhand konkre-
ter praktischer Erfahrung problematisiert werden.
Es wurde als notwendig angesehen, die Isol ierung der Jugendzentren
aufzuheben, d.h.
1. die Verankerung im Stadtteil, das bedeutet Teilnahme an den dort
stattf indenden Kampfen, sowie Information u'ber die Forderungen und
Auseinandersetzungen der Jugendlichen mit dem Ziel Solidaritat von
- 68
Seiten der Bewohner. Dieser Zielvorstel lung steht jedoch das Bediirf-
nis der Jugendlichen, Freizeit zu machen , entgegen. Dabei wurde fol-
gende Problematik aufgeworfen: Wie sind die vorhandenen Alltagsbe-
dlirfnisse zum Ausgangspunkt kollektiver Arbeit zu machen und wie
sind sie weiterzuentwickeln?
2. Die Mbglichkeit eines Erfahrungsaustausches auf lokaler-regiona-
ler - und Uberregionaler Ebene zu schaffen.
Als herausragendstes Ergebnis sind die Diskussionen in der AG:
"Madchenprobleme im Jugendzentrum" anzusehen. Sie war die einzige,
die den direkten Versuch unternahm, einen neuen emanzipatorischen
Weg zu gehen. Zielgruppe sind Arbei termadchen, als Ausdruck davon,
daB "proletarische Madchen der am meisten unterdriickte Teil in der
allgemeinen gesellschaftlichen Unterdrlickung" sind.
Zielvorstellungen dieser Madchengruppe sind: sich selbst kennenzuler-
nen, das eigene rol lenspezifische Verhalten zu erkennen, sich neue
Verhaltensweisen anzueignen. Die Madchen sollen sich als "Gegenge-
wicht" zu den Jungens verstehen, um ihr SelbstbewuBtsein zu starken,
aus ihrem Konkurrenzverhal ten untereinander herauszukommen und sich
von ihrer Fixierung an die Manner zu losen. Der ZusammenschluB in
einer Madchengruppe ermbglicht ihnen, ihre Interessen zu artikulie-
ren und durchzusetzen und durch ihre gemeinsamen Aktivitaten ein
Sol idaritatsgefuhl zu entwickeln. Noch eine Forderung aus dieser AG
ist bemerkenswert: als Folge der Entstehung einer Madchengruppe
soil sich eine Jungengruppe konstituieren, die ihr geschlechtsspezi-
fisches Verhalten, Denken und ihre Konkurrenz untereinander zum
Gegenstand ihrer Diskussion machen soil. Aus dieser AG hat sich eine
Liberregionale Frauengruppe des JupoFo gebildet, die an diesen Fragen
weiterarbeiten will. (Siehe S- 21)
Die Diskussionsergebnisse der AG's im Bereich Freizeit werden nur dann
einen Erfolg verzeichnen, wenn sie sich langfristig in den jeweili-
gen Arbei tsbereichen niederschlagen. Grundsatzl ich Neues wurde auf
dem JupoFo nicht erzielt, die Erfahrungen aus der Jugendzentrumsbe-
wegung konnten allerdings konkretisiert und Ansatze antikapital isti-
scher Praxis aufgezeigt werden. Dabei erwies sich, daB mit aufge-
stlilpten "fUr-gegen-Forderungen" dem Charakter der staatl ichen Ju-
gendpolitik nicht beizukommen ist.
4. Arbei tsschwerpunkt: "Jugendhilferecht"
Zu diesem Arbeitsschwerpunkt liegen bisher keine Protokolle vor.
Folgende Resolutionen sind aus dieser Arbeitsgruppe entwickelt und
auf der AbschluBveranstaltung verabschiedet worden:
- ERKLSRUNG DER JUGENDLICHEN, DER SOZIALARBEITER, ERZIEHER, l.EHRER UND
STUDENTEN AUF DEM JUGENDPOLITISCHEN FORUM -
(mit uberwaltigender Mehrheit angenommen)
Die Jugend der arbeitenden Klasse wird in der westdeutschen Gesell-
schaft vorbereitet auf ein Leben als Lohnarbeiter fur die Kapita-
listen. Ihre Ausbildung und Erziehung ist darauf ausgerichtet, daB
sie lernt, unter dem Kommando und zum Nutzen der Kapital isten zu
arbeiten. Produzenten des gesellschaftlichen Reichtums sollen die
69 -
Jugendlichen werden, aber eines Reichturas, den die Besitzer der
Produktionsmittel sich aneignen. Sie selbst erwartet ein Leben in
Abhangigkeit von den Besitzern der Produktionsraittel . Ihre ganze
Freiheit wird darin bestehen, daB sie ihre Arbeitskraft an den meist-
bietenden Ausbeuter verkaufen mlissen. Das ist keine gute Zukunfts-
perspektive, welche die kapitalistische Gesel lschaft fur die Jugend
der arbeitenden Klasse bereithalt. Es erwartet sie ein Leben, das
bestimmt ist durch Mangel und Unsicherheit, durch Schikane, Gange-
lei und Erstickung aller Selbstandigkeit. Entsprechend sind Gange-
lung, Rechtfertigung der Ausbeutung, Gewbhnung an die Ausbeutung
und fru'he Unterwerfung unter die Lohnabhangigkeit die Hauptmethoden
der Ausbildung und Erziehung, welche Staat und Kapitalisten flir die
Jugend der arbeitenden Klasse bereithalten.
Diese Erziehung und Ausbildung durch den Staat und die Kapitalisten,
die Perspektive lebenslangl icher Lohnabhangigkeit stbBt bei der
Jugend auf Widerstand. Wir unterstiitzen diesen Widerstand.
Insbesondere wehren wir uns gegen den Entwurf der Bundesregierung
zu einem Jugendhilfegesetz. Wenn dieser nach neuesten Infcrmationen
in dieser Legislaturperiode auch nicht mehr auf Bundesebene verab-
schiedet werden soil, besitzt er als Ausdruck staatlicher Jugendpo-
litik und im Hinblick auf seine Anwendung auf Landerebene doch poli-
tische Bedeutung. Dieser Gesetzentwurf ist notwendig geworden, weil
die Verschlechterung der Lebensverhaltnisse flir die Arbeiterklasse
den Nachwuchs von gefugigen und arbei tsfahigen Lohnarbeitern gefahr-
det. Beseitigen kann der Gesetzentwurf diese Probleme nicht. Er
sieht MaGnahmen vor, die allesamt auf die biirokratische Bevormun-
dung der Jugendlichen hinauslaufen. Die staatliche Fbrderung von
MaBnahmen der Jugendhilfe wird davon abhangig gemacht, daB die be-
stehende politische und gesellschaftliche Ordnung anerkannt wird,
welche das Elend der Jugendlichen hervorgebracht hat. Allen selbstan-
digen Initiativen von Jugendlichen soil jede Fbrderung verweigert
werden; allgemein unterliegt ihre Tatigkeit der Genehmigungspfl icht
durch die staatlichen Jugendbehbrden. Gleichzeitig bekommen die
kirchlichen Verbande weiterhin bffentliche Mittel flir ihre Jugendar-
beit, mit der sie religiose Ideologien verbreiten und den Geist der
Duldsarakeit predigen.
Ein solches Gesetz ist gegen die Interessen der arbeitenden Jugend
gerichtet. Es behindert die Erkenntnis und die politische Durch-
setzung dieser Interessen. Es zielt darauf ab, die Sozialarbeiter,
Erzieher und Lehrer noch direkter als bisher zur Durchsetzung der
blirgerlichen Erziehung und Schikanierung gegen die arbeitende Jugend
einzusetzen. Wir weisen dieses Gesetz zuriick und wenden uns insbeson-
dere an die gewerkschaftl ich organisierten Arbeiter und Angestellten
mit der Aufforderung, gegen dieses Gesetz, das direkt die Interessen
ihrer Kinder verletzt, aufzutreten. Die Jugend der arbeitenden Klasse
muB Raum haben zur Entfaltung ihrer Selbstandigkeit. Sie braucht
die Selbstandigkeit, um die Fahigkeit zu erwerben, die Verhaltnisse
zu erkennen und die organisierte Kraft zu entwickeln, um sie umzu-
walzen. Darum treten wir fur solche JugendhilfemaBnahmen ein, welche
die Selbstandigkeit der Jugend fbrdern. Wir fordern, daB die sozia-
len Probleme der Arbei terjugend nicht isoliert, sondern an ihrem je-
weiligen gesellschaftl ichen Ort - i m Betrieb, im Stadtteil - auf-
- 70 -
gegriffen und solidarisch mit den
Wir unterstiitzen auch entschieden
teten Jugendzentren, die unter den
gefunden hat. Wir fordern dafiir di
tel und weisen jede inhaltliche Ei
zuruck. Die hier versammelten Sozi
erklaren, daB sie bereit sind, in
initiativen unter der Kontrolle de
sie dagegen ankampfen werden, als
vorgesetzten Behbrden miBbraucht z
gegen die Disziplinierung all jene
diese Ziele einsetzen.
Betroffenen angegang
die Forderung nach s
Jugendlichen ein br
e Bereitstel lung sta
nmischung des Staate
alarbeiter, Erzieher
solchen selbstverwal
r Jugendlichen zu ar
Kontrolleure der Jug
u werden. DaB sie si
r Kollegen wenden, d
en werden.
elbstverwal-
eites Echo
at! icher Mit-
s entschieden
und Lehrer
teten Jugend-
beiten. DaB
end von den
ch entschieden
ie sich fiir
- RESOLUTION ZUM AUSSCHLUSS DER OFFENTLICHKEIT BEIM SOGENANNTEN
"riELEGIERTFNTAG" DER AGJ
(mit iiberwaltigender Mehrheit angenommen)
- Das JupoFo verurteilt die Praxis von Bundesregierung und AGJ,
Jugendpol itik in zunehmendem MaBe unter AusschluB der Offentlich-
keit, iiber die Kbpfe der Betroffenen hinweg, zu verhandeln.
- Ausdruck dieser Pol itik war die Absage des 5. DJHT durch die AGJ,
verbunden mit einer Kriminal isierung fortschrittl icher Sozialar-
beiter und -padagogen.
- Ausdruck dieser Pol itik ist vor allem auch die Tatsache, daB die
AGJ in Abstimmung mit dem Bundesjugendministerium einen sog.
"Delegiertentag der Jugendhilfe" hinter verschlossenen Tiiren plant
und sich damit anmaBt, fur die gesamte Jugendhilfe in der BRD zu
sprechen.
- Dies ist eine unerhbrte Provokation gegenuber der Fachbasis, den
von Jugendhilfe Betroffenen und den Basisinitiativen, die ausge-
schlossen bleiben.
- Das JupoFo fordert deswegen alle Verbande und Institutionen, die
gegen die Absage des 5. DJHT stimmten, insbesondere die Falken und
die Naturfreundejugend auf, sich nicht an diesem Ersatzjugendhil-
fetag zu beteiligen, wenn dort keine Dffentl ichkeit zugelassen wird.
- Darliberhinaus fordern wir die Landesjugendringe, die Gewerkschafts-
jugend, DTV und GEW, die Jungsozialisten, die Arbei terwohlfahrt
sowie die fortschrittl ichen Fraktionen in anderen Jugend- und
Wohlfahrtsverbanden auf, sich nicht an dieser Jugendhilfetags-
Karrikatur zu beteiligen.
(Drei weitere Resolutionen zur Disziplinierung im Jugendhilfebereich,
wie der Of fene Brief gegen die Isolationshaft politischer Gefangener
und die abgelehnten Resolutionen werden in der Dokumentation der
Initiative verbffentl icht) .
71 -
Detlef Garbe:
JUGENDPOLITISCHES FORUM
BEOBACHTUNGEN - ERKENNTNISSE - ERFAHRUNGEN
Als Jugendlicher, der in einer Initiative flir ein unabhangiges und
selbstverwaltetes Jugendzentrum an bzw. mit der Basis in einem be-
schra'nkten regionalen Rahmen arbeitet, war es wohltuend, an einem
uberregionalen Erfahrungsaustausch teilzunehmen, in dem die Betrof-
fenen - auch Sozialarbeiter sind im gewissen Sinn Betroffene staatli-
cher Jugendpolitik - selbst zu Wort kamen. Es war also kein Forum,
auf dem Verbandsfunktionare einmal mehr den elitaren Anspruch flir
sich gel tend gemacht haben, die Bedu'rfnisse von Jugendlichen zu ar-
tikul ieren.
Ein Wort des Lobes sei hier erst einmal vorangestel It. Daflir, da(3
die Organisatoren des JUPOFO nicht die genaue Teilnehmerzahl voraus-
planen konnten, klappte die Organisation sehr gut. Dies ist bei
2 500 Teilnehmern sicherlich keine leichte Aufgabe gewesen.
Die fru'he Trennung von Jugendlichen aus Jugendzentren von dem Forum,
um ihre Probleme und Erfahrungen selbstandig im JZ Fechenheim disku-
tieren zu konnen, hat bestimmt nicht zu einem besseren inhaltlichen
Verlauf des JUPOFO beigetragen. Gerade durch diese Isolierung ist
vielleicht eine versta'rkte Problematisierung des Verhaltnisses von
Jugendlichen und Sozialarbeitern ausgeblieben - noch dazu, wo die
Zahl der anwesenden Jugendlichen sowieso schon viel zu gering war.
Oeshalb haben sich auch nicht alle Freunde und Kollegen aus den Ju-
gendzentren der Aktion des JZ Fechenheim angeschlossen.
Die Diskussion z.B. Liber den Charakter von Reform und Repression
(eine Problematik, die gerade im jugendpol itischen Bereich sehr ak-
tuell ist, gerade auch flir Jugendzentren, da ja immer wieder viele
Jugendzentren in Verhandlungen mit staatlichen Einrichtungen sich
dieser Fragestel lung ausgesetzt sehen) kann nur mit den fortschritt-
lichen Sozialarbeitern geflihrt werden, da sie ja konkret diesen
doppelzlingigen Charakter staatlicher Jugendpolitik erleben. Wir Ju-
gendlichen ha'tten bei einer versta'rkten Teilnahme am JUPOFO auch
versta'rkter unsere Forderungen und Erwartungen an die Sozialarbeiter
vertreten konnen. Wir Jugendlichen ha'tten auch gemeinsam mit den
Sozialarbeitern Forderungen aufstellen konnen, wie z.B. die Aufnahme
der Forderung, daB Jugendzentren selbst ihre Sozialarbeiter anstel-
len.und daB diese Sozialarbeiter den Selbstverwal tungsorganen ver-
antwortl ich sind.
Der Diskussionverlauf wahrend des Forums wurde - wie eigentlich zu
erwarten war - des b'fteren dadurch gestbrt, daB einige Gruppen eine
Selbstdarstellung ihrer Position einbrachten. Trotzdem darf dieses
nicht Liberbewertet werden, wie es anscheinend in der Stellungnahme
zum JUPOFO in der "links" (Januar 75) den Eindruck macht. Denn die
K-Gruppen werden selbst im Basisbereich, d.h. in den Betrieben,
Schulen, Jugendzentren etc. den Wert und die Richtigkeit ihrer
- 72 -
pol itischen Aussagen Liberprufen konnen. Sie werden unter den Ge-
sichtspunkten einer kritischen Analyse selbst ihre Starke, ihren
EinfluB und die Resonanz der Arbeiterjugend erkennen konnen.
Woher nehmen diese Gruppen eigentlich den Anspruch, flir die Arbeiter-
jugend sprechen zu konnen? (wie es auf dem JUPOFO versucht worden ist).
Flir die Arbeiterjugend kann nur die Arbeiterjugend selbst sprechen -
aber die Sprache der Arbeiterjugend artikuliert sich zur Zeit anders
als "in revolutionaren Aktionen" Oder auf "jugendpol itischen Foren".
Dies ist das Problem! Wo drangt denn bitte konkret die "Arbeiterju-
gend zur Revolution" (Beitrag der roten Garde (KPD/ML)). Die Praxis,
die sich sowohl den fortschrittl ichen Sozialarbeitern wie Jugendli-
chen stellt, sieht doch anders aus. Sicherlich sind sich die Arbei-
terjugendl ichen - gerade jetzt - im klaren Liber ihre miserable Lage.
Aber was fehlt, ist doch die konkrete Verhaltensal ternative (mit
Erfolgsaussichten) zu der um sich greifenden Resignation und Anpas-
sung- Daru'ber ha'tte auf dem JUPOFO verstarkt geredet werden mUssen.
Es gent auch nicht darum, die "Arbeiterklasse zu belehren"
(KPD-Beitrag zur Funktion des JUPOFO), es gent darum, gemeinsam Kon-
flikte aufzuzeigen, zu erfassen, zu analysieren und zulbsen.
Die Mehrheit der Arbeiterjugendl ichen - konkret die Mehrheit der Be-
sucher eines JZ oder die Mehrheit der Teilnehmer am JUPOFO sollen
ruhig ohne moral ische Skrupel ihre Interessen und Bedurfnisse gegen
"verbale Hauptakteure" durchsetzen. Dies ist auch ein politischer
LernprozeB und hat absolut nichts mit "Antikommunismus" zu tun.
Wohlgemerkt - dies sollte nicht daran hindern, in gewissen Punkten
solidarisch mit den Genossen der K-Gruppen zu sein (z.B. bei der
Verfolgung der K-Gruppen durch den Staatsapparat) , denn laBt uns
endlich in Theorie und Praxis verstehen, daB der Feind noch immer
rechts stent und daB unsere heutige Aufgabe die Entlarvung der dop-
pelzlingigen Politik des Staatsapparates ist.
Die Tra'ger-Organisationen des JUPOFO haben die Bedeutung des Forums
richtig eingescha'tzt, wenn sie feststellen, daB der politische Kampf
nicht auf einem solchen Forum geflihrt werden kann, sondern eben nur
an der Basis. Das Forum konnte nur ein wenig den Erfahrungsaustausch
vorantreiben und auf einheitliche Strategie der oft isoliert arbei-
tenden Jugendlichen und Sozialarbeiter drangen. An der Basis mussen
neue Solidarita'tsformen entwickelt werden, die Zusammenarbei t von
jugendpol itischen Organisationen an der Basis wird zu einer Unter-
hohlung der Funktionarsspitze der Jugendorganisationen flihren.
Kritik am Jugendpol itischen Forum
1. Die konstruktive Arbeit in den Arbeitsgruppen ha'tte noch starker
Bestandteil des Forums sein mussen. Dabei ha'tte auf eine Unterschei-
dung der Arbeitsschwerpunkte der Gruppen nicht nur nach inhaltlichen
Anhaltspunkten, sondern auch nach Sozialstruktur (Stadt-Land) und
Klassenstruktur (Schu'ler-Lehrlingsarbeit), da die Bedingungen der
Arbeit sehr verschieden sind, erfolgen mussen.
2. Es waren im Verha'ltnis noch viel zu wenig Jugendliche anwesend,
die Gefahr, daS das Forum doch zu einer berufsstandischen Veranstal-
tung wurde, war zeitweise vorhanden.
3. Die erreichbaren Ziele einer solchen Veranstal tung mussen den
73
Teilnehmern bewuBter werden. Damit verbunden ist das richtige Ein-
schatzen der mdglichen Gespr'achsgegenstande (es geht weder darum,
wie "die Vol kskampf e hin zum Sozialismus gefuhrt" werden, noch um
die Frage. "warm der Sozialarbei ter im Jugendzentrum wem den Schlu's-
sel geben darf . "
4. Es muS auf alle Falle vermieden werden, solche Foren nur zu
Treffen verschiedener Jugendorganisationen zu machen.
5. Es mufr weiterhin die Basis fur ein solches Forum angesprochen
werden, denn nur dann sind die Betroffenen Teilnehmer.
6. Um die Lage der Jugendorganisationen richtig darzustellen, da
das BLindnis, das das Jugendpol itische Forum getragen hat, nicht
liberbewertet werden.
darf
VorankLindigung
ARBEITSMATERIALIEN SOZIALARBEIT/PA'DAGOGIK
Almut Jbdicke:
ARBEITERMADCHEN IM JUGENDZENTRUM
Erscheint Ende Februar, Preis voraussichtlich DM 5.-- - DM 6.
Bezug: Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591
74 -
Professorengruppe:
STELLUNGNAHME ZUR ABSAGE DES 5. DJHT
UND ZUM
JUGENDPOLITISCHEN FORUM V. 6.-3.12.1974
Vorbemerkung:
uber 80 Erziehungs- und Sozialwissenschaftler aus der BRD und West-
berlin haben in einer Erklarung, die zum Jugendpol itischen Forum ver-
bffentlicht wurde, die Absage des 5. DJHT und die Durchfuhrung einer
geschlossenen AGJ-Delegiertenversammlung verurteilt. Sie haben das
Jugendpol itische Forum begriiBt und unterstlitzt.
Die unterzeichneten Institutsdirektoren und Professoren wenden sich
zwar gegen die Absage des 5. DJHT, kbnnen aber das Jugendpol itische
Forum nicht unterstutzen.
Wir drucken hier ihre Stellungnahme - lediglich kommentiert durch
einige Bilder - ab.
"Die unterzeichneten Erziehungswissenschaftler sind sum Teil von den
Initiatoren des fiir Anfang Dezember geplanten jugendpolitischen Kon-
qresses aufgefordert worden, diese Veranstaltung durch Unterzeich-
nung eines Aufrufs zur Teilnahrr.e und FOrderung der Veranstaltung zu
unterstutzen.
Sie sind dieser Av.fforderv.ng nicht gefolgt, obwohl sie wie die andern
diese Stellungnahme Mitunterzeichnenden die Absage des geplanten
S. Deutschen Jugendhilfetages durch die AGJ nicht haben dkzeptieven
konnen und Von vorneherein die dadurch heraufbescluorenen Gefahren
einer weiteren Erschwerung und Verhartung der gerade in der gegen-
wartigen Lage so notwendigen offenen jugendpolitischen Diskussion
gesehen und als verhangnisvoll eingeschatzi haben. Gerade deswegen
fiihlen sie sich jedoch veranlaUt, die Grttnde, die sie zu diesem
Schritt veranlaBt haben, offen darzulegen und ihren Standpunkt
deutlich zu machen. Was wir befiirchtet haben, ist eingetreten; auch
wenn die Veranstalter ausdrucklich betoner., dali der jugendpolitische
KongreB keine Gegenveranstaltung zum abgesagten ■Jugendhilfetag sei,
so kann er doch nach Lage der Dinge nicht anders aufgefalit werden.
75 -
'
Angesiohts der durah die Absage des Jugendhilfetages entstandenen
Situation und angesiohts des "Aufrufs" sahlielit er faktisch den groBten
Teil der Trager und der dort tatigen Sozialpiidagogen und Sozialar-
beiter aus.
Die Chance, die die bisherigen Jugendhilfetage boten, daB namlich
Forderuhgen und Probleme der Praxis zwisohen Sozialarbeitern, An-
stellungstragern der VerbSnde und Vertretern der Jugendbehorden dis-
kutiert werden konnten, ist angesiohts dieser Situation nicht gege-
ben; weder eine Veranstaltung , die es vornehmlioh auf Resolutionen
abgeeehen hat, schon gar nioht eine Konferenz, die sich auf geladene
Teilnehmer besahrankt, soheinen uns diese Diskussionsohanoe zu bieten.
Diese Diskussion dber muli gefiihrt werden. Angesiohts der
- einsohneidenden finanziellen Besohrankungen, vor denen die Jugend-
hilfe ateht
- der ausstehenden, auch strukturellen Reformaufgaben,
- dem notwendigen Ausbau einer Foreohung und wissenschaftlichen Dis-
kussion, die daftir Vorauesetzungen liefert,
- der Notwendigkeit der Strukturierung und Qualifizierung der Aus-
bildung
ware niohts verhangnisvoller als die Belastung oder Unterbrechung
der gemeinsamen, offenen, saohbezogenen Diskussion.
Die Vnterzeiohneten appellieren deshalb an die AGJ ebenso wie an
die Teilnehmer des jugendpolitisohen Forums, trotz Polarisierung
und der Gefahr der Verhdrtung, Briloken nioht abzubreahen, sinnvolle
Differenzen der Positionen nioht in Irrationalismen umschlagen zu
lassen, sondern alles zu tun, damit Diskussion, Auseinandersetzung
und gemeinsame BemUhungen urn eine Verbesserung der Jugendhilfe auch.
kitnftig gemeinsam und zwischen alien an der Jugendhilfe engagierten
Gruppen mSglioh bleiben.
gez. Dr. Wolfgang Bttuerle, Institut f. Sozialarbeit und SozialpSda-
gogik Remagen
gez. Prof. Dr. Hanns Eyferth, Hannover
gez. Prof. Dr. Andreas Flitner, Universitat Tubingen
gez. Prof. Dr. Halter Hornetein, Deutsohes Jugendinstitut MUnohen
gez. Prof. Dr. Klaus Mollenhauer, Universitat GSttingen
"gez. Prof. Dr. Hans Thiersch, Universitat Tubingen. "
REPRESSIVE MASSNAHMEN
IM SOZIALBEREICH
Fall 1: Wo sitzen die Gesetzesbrecher?
In schon fast regelma'Bigen Abstanden wird durch Presseberichte und
Anfragen der CDU im Landtag versucht, die Ausbildungskonzeption der
FHS Frankfurt - Fachbereich Sozialarbeit zu torpedieren. War es in
jungster Zeit die 'Frankfurter Abendpost-Nachtausgabe' , die unter
der Schlagzeile - "GEGEN DIE ANARCHISTEN WAR NICHTS ZU MACHEN" - auf
nicht mehr zu duldende Vorgange an der Fachhochschule wa'hrend des Ju-
gendpol itischen Forums hinwies, so startete der CDU-Abgeordnete Bor-
sche im September wieder eine seiner diffamierenden, von jeder Sach-
kenntnis ungetrlibten Anfragen in der Absicht, die Institution und
deren Mitarbeiter zu verunsichern und unter Druck zu setzen und wohl
in der Hoffnung, irgendwann einmal richtig zuschlagen zu kbnnen.
Kleine Anfrage des Abg. Borsche (CDU) v. 24.9.74 im Hessischen Land-
tag:
Ich frage die Landesregierung :
1 . 1st der Landesregierung bekannt, daB im Fachbereich Sozialarbeit
an der FHS Frankfurt sowohl im Fach Jugendhilfe als auch im Fach
Berufsfeldanalyse Lehrveranstaltungen unter dem Thema "Sozialarbeit
trotz Gesetz" fur das Wintersemester 1974/75 angekiindigt werden?
2. Hdlt es die Landesregierung fiir angebracht, daB - wie diese Ankun-
digung erkennen laBt - in einer staatlichen Fachhochschule von einem
Landesbediensteten Lehrveranstaltungen durchgefuhrt werden, die of-
fensiohtlioh eine Art der Sozialarbeit darstellen sollen, die auBer-
halb des gesetzlichen Rahmens liegen soil? Venn nein: Wird die Lan-
desregierung Konsequenzen aus diesem Vorgang ziehen? Welohe?
76 -
Die Fachbereichskonferenz hat zu dieser Anfrage einstimmig Stellung
bezogen:
"1. Der Abg. Borsche verdachtigt einen Kollegen, in seinen Lehrver-
anstaltungen 'eine Art Sozialarbeit dar(zu)stenen' , 'die auBerhalb
des gesetzlichen Rahmens liegen soil.' Dieser Verdachtigung liegt -
nimmt man sie beim Wort - die Vorstellung zugrunde, rechtmaBige
Sozialarbeit kbnne in der Bundesrepublik Deutschland nur auf Grund
und im Rahmen von Gesetzen geschehen. Eine solche Vorstellung ist
bar jeder Sachkenntnis. Dem Bildungsexperten Borsche seien folgende
Tatsachen in Erinnerung gerufen:
a) Weite Bereiche der Sozialarbeit werden noch immer von privaten
Tra'gern verwaltet. Diese privaten Trager haben sich bisher meist
erfolgreich gegen eine Bindung ihrer Arbeit an Gesetze gewehrt mit
- 77 -
:*.
der Folge, daB ein erheblicher Teil ihrer Sozialarbeit zwar unter
Verwendung von bffentlichen Steuergeldern, aber 'auBerhalb des
gesetzlichen Rahmens ' und ohne parlamentarische Kontrolle geschieht.
Tatkraftig unterstiitzt werden die privaten Trager bei ihrer Sozial-
arbeit 'auBerhalb des gesetzlichen Rahmens' von der Partei des Abg.
Borsche. Entweder rait Spruchen wie:
"Martin Luther wendet sich in diesen Fragen, von denen Berr Von
Bodelschwingh so schffn gesproahen hat, uberhaupt gegen eine Sffent-
liohe Zustandigkeit." (So Dr. Barzel (CDU/CSU) in: Verhandlungen des
Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, Stenographische Berichte,
Band 49, S. 9039).
Oder mit Gesetzesbestimmungen wie § 10 BSHG, dessen Abs. 2 Satz 2
"betont ... die Selbstandigkeit der freien Wohlfahrtspflege und damit
deven Unabhangigkeit von den Bestimmungen des BSHG. " (CDU/CSU Bundes-
regierung zu dem von ihr vorgelegten Entwurf eines BSHG; Verhandlun-
gen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, Drucksache 1799, S. 39)
b) Aber auch soweit Sozialarbeit staatlich organisiert ist, bewegt
sie sich nicht selten 'auBerhalb des gesetzlichen Rahmens'. Hinge-
wiesen sei hier nur auf den Strafvollzug, der alles andere, nur nicht
durch oder aufgrund eines Gesetzes geregelt ist. (Vgl. BeschluB des
BVerfG vom 14.3.1972, BVerfGE 33, 1 ff).
Da demnach Sozialarbeit 'auBerhalb des gesetzlichen Rahmens' durch-
aus ublich ist, kommt der Fachbereich Sozialarbeit nicht umhin,
in Lehrveranstal tungen diese Art der Sozialarbeit darzustellen.
Keinem Kollegen, der solche Lehrveranstaltungen anbietet, kann daraus
ein Vorwurf erwachsen. Der Vorwurf: Sozialarbeit 'auBerhalb des ge-
setzlichen Rahmens' trifft - wenn uberhaupt jemanden - dann den
Gesetzgeber, d.h. unter anderen den Abg. Borsche selbst.
2. Damit die Kleine Anfrage - jedenfalls fur den Abg. Borsche -
uberhaupt einen Sinn bekommt, muB man aus ihr wohl die Unterstel-
lung herauslesen, der von der Anfrage betroffene Kollege propagiere
in seinen Lehrveranstaltungen eine Sozialarbeit auch 'gegen' das
Gesetz. Das ist nicht der Fall.
Der betroffene Kollege behandelt in seinen Lehrveranstaltungen aller-
dings das - gerade Sozialarbeiter bedrangende - Problem des Verhalt-
nisses von Gesetz und gesellschaftlicher Entwicklung. Dieses Pro-
blem ist nicht neu. Dem Bildungsexperten und Frankfurter Burger
Borsche ist sicher bekannt, daB ein ber'u'hmter Frankfurter Jurist
dieses Problem mit den Worten zu beschreiben versucht hat:
"Es erben sich Gesetz und Reahte wie eine ewige Krankheit fort.
Sie echleppen von Geschleaht sich zu Geschlechte und riXcken sacht
von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn - Wohltat Plage.
Weh dir, daB du ein Enkel bist."
Die hier beschriebene Ruckstandigkeit von Gesetzen ist es, die
Sozialarbeiter bedruckt. So stehen beispielsweise Sozialarbeiter in
der Jugendhilfe taglich vor der Frage, wie sie sinnvoll arbeiten
soil en trotz einer
"Gesetzgebung (, die) mit dem Streben junger Mensohen naoh Emanzi-
78
pation und Mitverantwortung nicht Schritt gehalten hat. "
(So Kate Strobe!, Bundesministerium fur Jugend, Familie und Gesund-
heit in: Dritter Jugendbericht, Bonn 1972, Vorwort.)
Diese Frage muB in der Ausbildung von Sozialarbeitern nicht nur ge-
stellt werden; es mlissen auch Wege diskutiert werden, die aus diesem,
vom Gesetzgeber mitproduzierten Dilemma herausfuhren. Dabei bieten
sich viele Wege an, die ohne den vom Abg. Borsche unterstell ten
Bruch von Gesetzen auskommen.
Ober die unmittelbare Beantwortung der Anfrage hinausgehend sei fest-
gestellt, daB sich die Frage von Gesetzestreue nicht nur dann stellt,
wenn reaktionare Gesetze Sozialarbeiter an vernunftiger Arbeit hin-
dern- Auch der umgekehrte Fall, daB ein vernal tnisma'Big fortschrittl i-
ches Sozialarbeitsgesetz von Regierungsspitzen systematisch miBach-
tet wird, ist in der Bundesrepubl ik Deutschland nicht ausgeschlossen.
Diese Behauptung laBt sich beispielsweise belegen an der Geschichte
des niedersa'chsischen Jugendarbeitsschutzgesetzes von 1948, die Ge-
genstand einer Lehrveranstal tung des von der Anfrage betroffenen Kol-
legen im Sommersemester 1974 war. Dieses Gesetz sah den Schutz von
Lehrlingen und Jungarheitern in viel groBerem Umfang vor als alle
fr'u'heren und spateren Jugendarbeitsschutzgesetze.Deshalb ist das Ge-
setz auch von fast alien Unternehmern nicht eingehalten worden. Aber
nicht nur die Unternehmer, auch die Landesregierung hat sich an das
Gesetz nicht gebunden gefLihlt:
"Seit dem 1. September 1949 ist das Gesetz voll in Kraft, aber es
wird nirgends durchgefiihrt. Die Landesregierung hat dariiber hinaus
sogar einen BesahluB gefalit, wonach Anzeigen wegen Ubertretung des
Gesetzes naoh diesem Paragraphen als Bagatellfalle niedevgesohlagen
werden eollen". (Bundesminister fur Arbeit Storch in: Verhandlungen
des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode, Stenographische Berichte,
S- 4312)
Der damalige niedersachsische Arbeitsminister Kubel und heutige
m'edersachsische Ministerprasident erkla'rte vor dem Landtag:
"Ich habe starke Hemmungen gehabt, das vom Landtag besohlossene ur-
spriinglicke Gesetz durehzufiihren, und ich habe alien Anfeindungen
zum Trotz es in der Tat auch nicht durchgefiihrt. .. "(Zitiert nach:
Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode, Stenogra-
phische Berichte, S. 4311).
Die Fachbereichskonferenz ist sicher, wurde ein Sozialarbeiter oder
ein Lehrer eine solche Aussage wagen, er wurde noch heute entlassen.
Die Fachbereichskonferenz weist schlieBlich darauf hin, daB es unter
den Parteifreunden des Abg. Borsche einige gegeben hat und gibt, die
inuner dann auf Gesetz und Ordnung beharren, wenn diese Gesetze und
diese Ordnung hinter den Anforderungen fortschrittl icher gesellschaft-
licher Praxis zuriickbleiben, daB sie aber schnell jedes Gesetz bei-
seite schieben, wenn die von ihnen fur notwendig gehaltene Herstel-
lung von Ruhe und Ordnung durch parlamentarisch legimitierte Gesetze
erschwert wird. " (Auszug aus der Stellungnahme an das hessische Kul-
tusministerium)
Wie wir mittlerweile erfahren haben, lieB die nachste Anfrage nicht
lange auf sich warten, sie beschaftigt sich mit der Dozentenstelle
79
fur das Fach "Sozialmedizin". Vorgeschlagen aber noch nicht berufen
ist Dr. Mausbach (bekanntgeworden durch seine Fernsehsendung "Hal b-
gbtter in WeiB"); fur den "Vol ksabgeordneten" Borsche das Signal ein-
mal nachzufragen, ob "diese Art von Beschaftigung von Herrn Dr. Maus-
bach im bffentlichen Dienst fur vereinbar mi t der Ministerprasiden-
tenlibereinkunft Liber die Beschaftigung von Radikalen im bffentlichen
Dienst gehalten (wird), nachdem sich Herr Mausbach raehrfach flir die
Ziele 1 inksextremer Gruppierungen eingesetzt hat und auch als stan-
diger Mitarbeiter kommunistischer Publ ikationen erwahnt wird. Diese
Anfrage stammt vom 2.12.1974 - die nachste kommt bestimmt.
Fall 2: Verscharfung der Priifungsbestinimungen an
sozialpadagogischen Fachschulen
Zum 1. Januar 1975 soil an den Fachschulen fur Sozialpadagogik eine
verscharfte Prufungsordnung in Kraft treten. Dadurch soil verhindert
werden, daS sich noch weitere Erzieheranwarter bewerben. Konkret
sieht die Situation bis heute so aus: Voraussetzung flir die Aufnahme
an einer sozialpadagogischen Fachschule sind der mittlere Bildungs-
abschluB, ein Mindestalter von 16 Jahren sowie ein einjahriges Vor-
praktikum. wer alle diese Voraussetzungen erflillt, muS sich zusatz-
lich einem Ausleseverfahren unterziehen, da in der Regel die Bewerber-
zahl weitaus hbher liegt, als die Zahl der vorhandenen Studienplatze.
(1974 gab es flir 360 Bewerber 100 Studienplatze)
Dieses ist der erste Numerus clausus.
Die Priviligierten, die sich trotz dieses Ausleseverfahrens einen
Platz an der Schule errungen haben, werden zur Zeit an der Hedwig-
Heyl-Schule folgendermaBen ausgebildet:
Von den angegebenen Wochenstunden.ca. 35, fallt von vornherein ca.1/4
aus, das sich in verschiedenen Klassen aufteilt. Prlifungsfacher wie
Psychologie, Padagogik, Didaktik, Englisch usw. fallen teilweise aus
(in einer Klasse wurde von April bis Oktober gar keine Psychologie
unterrichtet! ) Oder werden unter unzumutbaren Raumverhal tnissen wie
z.B. Treppenhauser, Raucherzimmer, Schlileraufenthaltsra'ume und Leh-
rerzimmer erteilt. Musikerziehung wird Liberhaupt nicht unterrichtet.
Erkrankte Lehrkrafte werden nur selten vertreten. Nach Angaben des
Stadtschulamtes ist die Hedwig-Heyl-Schule eine der bestbesetzten
Schule. Wie sieht es dann erst an weniger gut besetzten Schulen aus?!
Aus all diesen Fakten resultiert ein eklatanter Widerspruch: GroBer
Unterrichtsausfall einerseits - verscharfte Prufung andererseits!
Der Entwurf dieser neuen Prufungsordnung, die, im Gegensatz zur der-
zeit gliltigen Prufungsordnung, vier statt bisher zwei schriftliche
Klausuren nebst tnLindl icher Prufung enthalten soil, wurde bereits
unter der Auflage der Schweigepflicht Schiilern gegenliber, an die Leh-
rer zur schriftl ichen Stellungnahme weitergeleitet.
Was bedeutet diese verscharfte Prufungsordnung flir Lehrer und Sch'u'ler?
Durch die Mehrkorrekturen werden die schon liberlasteten Lehrkrafte
iiberfordert. Aus diesem Grund stimmen sie auch nicht mit der neuen
Prufungsordnung iiberein und setzten sich bereits zur Wehr. Die SchU-
ler, die zu den derzeit gliltigen Priifungsbestinimungen in die Schule
- 80 -
eingetreten sind und die Ober- und Unterstufen besuchen, werden da-
rliber im Unklaren gelassen, ob die neue Prufungsordnung zur kommen-
den Prufung in Kraft tritt oder erst diejenigen betrifft, die sich
nach dem 1.1.75 bewerben. Man begnligt sich damit, die Sache zu ver-
schleiern und die Schliler mit fadenscheinigen Argumenten wie "die
Sachlage ist ja noch gar nicht akut" abzuspeisen. Folge davon ist,
daB verschiedenartige Geriichte wie "ErzieherabschluB, jedoch keine
Fachhochschulreife mit nur 2 Klausuren" im Umlauf sind.
Was soil damit erreicht werden?
Nichts anderes, als daB die verscharfte Prufungsordnung ohne jegli-
ches Zur-Wehr-Setzen der Schliler stil lschweigend am 1.1.75 verabschie-
det werden kann und bei der kommenden Prufung in Kraft tritt, was
flir die Schulerschaft einen zweiten NC bedeutet. Eine verscharfte
Prufungsordnung darf nicht in Kraft treten, bevor sie nicht dem Aus-
bildungsstand der Schliler entspricht!
(Bericht der Fachschulklassen der Hedwig-Heyl-Schule, Ffm.)
Fall 3: Pol izeiaktion gegen Jugendzentrum
"Euch ist das Nutzungsrecht entzogen worden. Ihr m'u'Bt hier raus".
Mit gezlfckterPistole drangen mehrere Polizisten ins "Alte Haus" ein.
Das Jugendzentrum in der Tiergartenstr. wurde geraumt. Jugendliche,
die hier endlich eine Mbglichkeit gefunden hatten, ihre Freizeit zu
verbringen, setzte man auf die StraSe. Vor 2 Jahren funktionierten
70 Jugendliche das "Alte Haus" in wochenlanger Kleinarbeit zu ihrem
Treffpunkt urn.
Mit dem Eigentlimer des Gebaudes der Deutschen Eisenbahnversicherung
(DEVK) wurde ein Nutzungsrecht vereinbart,und die Bevblkerung unter-
stlitzte die Arbeit der Jugendl ichen mit Spenden.
Am 5. Dezember 1974 war der Traum von einem eigenen Haus ausgetraumt,
die Polizei raumte brutal, ohne rechtliche Handhabe das Gebaude.
Als Argument flir die Aktion wurde der schlechte Zustand des Hauses
angeflihrt. Warum das Haus sich aber in einem solchen Zustand befin-
det, diese Frage wurde nicht gestellt. Die aufgebrachten Eigenmittel
und die Spenden reichten bei weitem nicht aus; die Stadt unterstlitzte
das Jugendzentrum nur halbherzig - pro Halbjahr gab es nur DM 4.000,
so daB kaum die anfallenden Hausunterhal tungskosten beglichen werden
konnten.
Nach einigem Hick-Hack durften die Jugendl ichen das Haus wieder be-
ziehen. Kurz vor den nordrhein-westfal ischen Landtagswahlen verspra-
chen ihnen die Politiker Hilfe und ausreichende Unterstu'tzung. Aber
den Jugendlichen sitzt die Angst immer noch im Nacken, eines Tages
kbnnte sich die Aktion gegen das Jugendzentrum wiederholen.
Auf der Vollversammlung mit Stadtverordneten und Jugendamt artiku-
lierten die Jugendlichen, was sie von den Versprechungen halten:
"Eine Hinhaltetaktik, so was kennen wir schon. Die DEVK will namlich
auf diesem Gebiet ein Blirohaus errichten."
Mit den ihnen zur Verfugung stehenden Mitteln werden die Jugendlichen
sich dagegen wehren.
(Kontaktadresse: Jugendzentrum Riehl, 5 Koln, Tiergartenstr. 10)
- 81 -
*.
Fall 4: Diszipl inierung des Ringes Biindischer Jugend e.V. Hamburg
durch Mittelentzug und Ablehnung der Fbrderungswlirdigkeit
Seit 1973 laufen die Auseinandersetzungen zwischen der Jugendbehbrde
und dem R.B.J. Hamburg. Durch eine Reihe von Auflagen (siehe Brief-
wechsel des R.B.J, rait der Behbrde) wurde versucht, den R.B.J, poli-
tisch an die Kette zu legen. Gegen diese Form subtiler Disziplinie-
rung hat sich der Jugendverband gewehrt und seine politische Eigen-
standigkeit betont.
Hit Schreiben vom 25.9.74 ist die Jugendbehbrde der Stadt Hamburg
zum offenen Kampf gegen einen demokratischen Jugendverband iiberge-
gangen: Die Anerkennung als Trager der freien Jugendhilfe wurde dem
R.B.J, aberkannt. Vage Begrundung: er biete nicht mehr die Gewahr
fiir "eine den Zielen des Grundgesetzes fbrderliche Arbeit", auch
wiirde "die freiheitliche-demokratische Grundordnung nicht mehr be-
jaht".
Gegen diese Diszipl inierung haben die Hamburger Jugendverbande (u.a.
Jugend der Deutschen Angestell tengewerkschaft, SJD Die Falken,
CVJM, Ev. Jugend, Jungdemokraten und Sozial istische Deutsche Arbei-
terjugend) sich gewandt und die Weiterfbrderung des R.B.J, gefordert:
"Der BeschluB und seine Begrundung sowie die Stellungnahme von Sena-
tor Apel lassen erkennen, dali es hier offensichtlich darwn gent,
junge Menschen, die imbequeme Meinungen offentlich duBern, rriit den
Mitteln des Geldentzugs sum Sahweigen zu bringen.
Auah die unterzeichneten Jugendverbande haben untereinander Meinungs—
Verschiedenheiten tiber die bestmdgliche Art und Weise der Durch-
setzung und Vertretung demokratischer Jugendpolitik. Keiner von ihnen
halt es aber fiir ein legitimes Mittel, einen anderen demokratischen
Jugendverband durch finanziellen und anderweitigen materiellen Druak
und Zvang zu disziplinieren und in seiner Entfaltung zu behiv.devn.
Dies aber tut der Senat gegeniiber dem RBJ Hamburg. Fur die unter-
zeichneten hamburger Jugendverbande ist die von der Deputation gege-
bene Begrundung, die auf die geleistete Jugendarbeit des RBJ und
seiner Mitgliedsverbande nicht eingeht, keine Grundlage fiir eine Ab-
erkennung der Forderungstfiirdigkeit des RBJ. Vielmehr sehen sie darin
einen Angriff gegen das Grundrecht der freien MeinungsauBerung aller
Hamburger Jugendverbande- Der Zusammenhang mit den Berufsverboten
im Offentlichen Dienst und den Angriff en von Unternehmern gegen
gewerkschaftliche Jugendvertreter liegt nahe,
Daher weisen die unterzeichneten Jugendverbande den von der CDV
initiierten und vom Senat durchgefilhrten Angriff auf den RBJ zuviick.
Sie protestieren gegen die Beschneidung des Rechtes der Jugendver-
bande auf freie MeinungsauBerung und Entfaltung eigenstSndiger Ju-
gendarbeit und fordern fiir den RBJ und seine Mitgliedsverbande die
weitere staatliche Anerkennung und Fdrderung. "
Auf der AbschluBveranstaltung des Jugendpolitischen Forums wurde mehr-
heitlich eine Resolution zum R.B.J, verabschiedet, in der "gegen die
staatliche Diszipl inierung demokratischer Jugendverbande" prote-
stiert wird.
- 82 -
- Aktionen gegen die Aberkennung der Fbrderungswlirdigkeit des RBJ -
Am 4.10.74 wurde von ca. 800 Teilnehmern einer Protestveranstal tung
eine Demonstration gegen den Angriff des Hamburger Senats auf den
BDJ/RBJ beschlossen. Es sollte deutlich gemacht werden, daB es sich bei
der gegenwartigen Jugend- und Bildungspol itik des Senats urn einen
zielgerichteten Angriff auf die Rechte der Bevblkerung und insbe-
sondere der Mehrheit der Jugendlichen handelt. Alle Jugendl ichen,
die von der Verschlechterung und den politischen Angriffen im Bil-
dungswesen, in der Jugendarbeit und im Betrieb betroffen sind, soil-
ten sich zusammenschlieBen und dagegen vorgehen.
Diese Demonstration wurde am 8.11.74 von ca. 2 600 Personen gegen
die reaktionare Jugend- und Bildungspol itik des Hamburger Senats
durchgeflihrt. Sie wurde unterstutzt von ca. 40 Schuler-, Studenten-
und Jugendvertretungen, Jugendorganisationen und Jugendinitiativen,
Gewerkschaftsgruppen und politischen Organisationen, die sich zu
einer Aktionseinheit zusammengeschlossen hatten. Die Hauptparole
der Demonstration war - Gemeinsam im Kampf gegen den Abbau der
demokratischen Rechte -.
Am 6.12.74 f'u'hrte die Aktionseinheit "Gegen die reaktionare Jugend-
und Bildungspol itik des Senats" eine Diskussions-Veranstal tung durch,
auf der die 1 000 Anwesenden einstimmig eine Demonstration im Januar
beschlossen. Schwerpunkt dieser Demonstration sollte der Protest
gegen die Verschlechterung der Berufsausbildung (Stufenausbildung,
Lehrstellenverknappung, Jugendarbeitslosigkeit) und gegen die jLing-
sten Sparmaftnahmen des Senats sein. Urn diese Aktion auf eine mog-
lichst breite Basis zu stellen, wurde der Koordinations-Konferenz
der Hamburger Jugendverbande der Vorschlag unterbreitet, sich die-
ser Aktionseinheit anzuschl ie(3en. Nachdem sich Vertreter der Jung-
demokraten und Falken fur eine gemeinsame Demonstration ausgespro-
chen hatten, lehnte der Vertreter der SDAJ dies grundsatzl ich ab,
da es keine inhaltliche Gemeinsamkeiten gabe. Die SDAJ und der von
ihr majorisierte KJA (KreisjugendausschuB des DGB) beschlossen, eine
eigene Demonstration am 19.2.75 durchzufuhren.
Die Demonstration der Aktionseinheit gegen die Lehrstellenverknap-
pung, Jugendarbeitslosigkeit und reaktionare Bildungspol itik des
Hamburger Senats wurde am 17.1.75 mit ca. 3 000 Teilnehmern durch-
gefuhrt.
Der RBJ hat am 11.10.74 Widerspruch gegen die Aberkennung der For-
derungswlirdigkeit eingelegt. Dieser Widerspruch wurde am 14.11.74
ablehnend beschieden. Eine Klage gegen die Freie und Hanse-Stadt
Hamburg lauft.
(Dokumentation gegen Voreinsendung v. DM 1.50 R.B.J. , 2 Hamburg 13,
Schlliterstr. 4)
- 83
Fall 5: Diszipl inierung im Berufspraktikum
REDAKTIONSMITTEILUNGEN
Am 24.12.74 erhielten drei Berufspraktikanten der FHS-Hamburg die
Mitteilung, daB sie den zweiten Abschnitt des Berufspraktikums im
Projekt Steilshoop am 2.1.75 aus bestimmten Grlinden nicht beginnen
diirften.
Nach einem Gedachtnisprotokoll erkla'rte der Senatsdirektor der
Arbeits- urtd Sozialbehb'rde (AuSB) zur Begriindung sinngemaB folgendes:
"Er habe eine Mitteilung bekommen, (auf die Frage "von went?" entgeg-
nete Frau Schtirer: "Nun stellen Sie siah nicht diimmer als Sie sind. "
Herr Winckelmann: "Vom Verfassungsschutz nattirlich. ") aus der her-
vorgehe, daB alle drei Betroffenen Mitglieder der Kommunistischen
Partei und Uber das Mali hinaus aktiv seien.
Er bedauere, daB diese Mitteilung erst so spat eingetroffen sei,
da man sonst bereita zu einem friiheren Zeitpunkt hatte Vorkehrungen
treffen kOnnen. Herr Winckelmann betonte ausdruoklich, daB in Zukunft
solahe Entscheidungen bereits im Zwischenpraktikum fallen konnen.
Herr Winckelmann betonte ausdriicklioh, daB entspreahende Mitteilun-
gen dee Verfassungsschutzes dernnachst der AuSB friiher vorliegen
werden, so daB bereits bei der Praktikumsplanung eingegriffen werden
kOnne.
Auf die drei Betroffenen bezogen betonte Herr Winckelmann, daB sei-
ner Entecheidung keine fachlichen Criinde zugrunde lagen, sondern
deren allgemeine politisahe Tatigkeiten.
Er stellte mehrfaah fest, daB er die drei Berufspraktikanten von
ihrer praktisehen Tdtigkeit her nicht beurteilen kdnne. Herr
Winckelmann erklarte, daB seine Entscheidung, die mit seinem Vor-
gesetzten abgestimmt sei, im Rahmen des Senatebeschlusses lage. Er
wis8e zwar, daB die Ausbildung betreffend kein fSrmliaher Senatsbe-
BahluB vorlage, er_ wiirde jedoch in jedem Fall so handeln.
Er betonte, daB dies zum Vorteil der Berufspraktikanten sei, denn
dieee administrative MaBnahme bedeute eine Aufschiebung der Prlifung
des Einzelfallee bis zum Ende der Ausbildung. Nur durch diese Auf-
schiebung sei die Beendigung der Ausbildung mOglich. "
SOZIALARBEITERIN/PADAGOGIN
ab sofort fur Jungenwohngemeinschaft (FE/FEH)
gesucht. (Auch Jahrespraktikanten)
Teamarbeit erforderl ich.
Bezahlung: BAT IV
Bewerbung an:
Arbeitsgemeinschaft Soziale Arbeit e.V.
5 Kbln 41, Mommsenstr. 6
84 -
1. Arbeitsprogramm 1975
Auf den Redaktionssitzungen am 25.10. in Dusseldorf und am 10. /ll. 1.75
in Frankfurt haben wir uns eingehend mit der Info- und Arbeitssemi-
narplanung fiir 1975 beschaftigt.
Urspriinglich war vorgesehen, den Info Nr. 9 "Sozialarbeit in Jugend-
zentren" noch 1974 herauszubringen. Die Vorbereitungen zum Jugend-
politischen Forum und seine Durchfuhrung haben uns aber so in An-
spruch genommen, daS eine Fertigstellung im Dezember nicht mehr mbg-
lich war. Hinzu kommt.daB wir mit der Herausgabe der Info-Hefte
Nr. 6-8 (Nr. 6 Einfachnummer 72 Seiten / Nr. 7 80 Seiten/ Nr. 8
72 Seiten) die vorgesehene Kapazitat des Info's fiir 1974 (Herausga-
be von 4 Heften mit max. je 56 Seiten) voll ausgeschbpft haben.
Trotz gestiegener Papier- und Druckkosten haben wir den Abonne-
mentpreis 1975 nicht erhbht. Dies setzt aber voraus, daB wir uns
jeweils in dem fiir alle Informationsdienste des Sozialistischen Bliros
geltenden Kapazitatsrahmen bewegen.
Der Info Nr. 9 erscheint daher als 1. Heft im Abonnement 1975.
Da neben dem Schwerpunktthema noch Berichte zum Jugendpolitischen
Forum und zum Jugendhilferecht etc. anfielen, haben wir uns ent-
schlossen, zu Beginn des Jahres eine Doppelnummer herauszubringen.
Folgende Themen sind fiir die na'chsten Hefte geplant:
- Sozialarbeit im Knast (dazu Arbeitsseminar v. 21.-23.3.75)
- Organisierung von Sozialarbeitern (Arbeitsseminar v. 1.-4.5.75)
- Institutionelle Probleme stadtteilbezogener Sozialarbeit
(6.-8.6.75)
Neben dem Informationsdienst werden wir 1975 weitere Broschuren in
der Reihe "Arbeitsmaterialien fiir Sozialarbeit/Sozialpadagogen"
verbffentlichen. In wenigen Wochen erscheint die 2. Broschiire
"Arbeitermadchen im Jugendzentrum".
2. Kurzinformation zum Arbeitsseminar "Selbstverstandnis Info
Sozialarbeit im Sozialistischen Bliro" v. 27.-29.9.74
AnlaB dieses Seminars war auf der einen Seite der vielseitige Wunsch,
im Zuge der Weiterentwicklung innerhalb des Sozialistischen Bu'ros
und der in diesem Zusammenhang mitarbeitenden Gruppen, diese Weiter-
entwicklung zu diskutieren und nutzbar zu machen fiir unsere eigene
Arbeit, auf der anderen Seite wurde sporadisch immer wieder von
einzelnen Genossen die Eingebundenheit des Info Sozialarbeit in den
Zusammenhang Sozialistisches Bliro problematisiert und infrage
- 85 -
_k.
gestell t.
Das Seminar sollte dazu dienen, diese Fragen zu klaren
- im Hinblick auf eine innere Stabil isierung des Arbei tsbereiches;
- auf das Herausarbeiten der Grenzen unseres berufsfeldbezogenen
Arbeitsansatzes;
- auf die dariiber hinausgehenden Organisationsschritte und -stufen.
Teilgenommen haben 30 Genossen und Genossinnen: Neben einzelnen Ge-
nossen aus Frankfurt und Marburg, Vertreter aus folgenden Gruppen:
AKS Westberlin, AK Karol inenviertel Hamburg, AKS DUsseldorf, AKS
Frankfurt, SZ Mlinchen, FHS-Initiative MUnchen, SLB, Info Arbeiterbil-
dung und Vertreter des Arbeitsausschusses Sozial istisches Buro.
Eine Reihe weiterer Gruppen und Genossen hatten sich entschuldigt.
Zum Seminar wurden drei Arbeitspapiere
- Chronologie und aktuelle Probleme des Info Sozialarbeit
- Organisation als Ausdruck artikulierter Basisinteressen
- Berufsstandische Oder politische Organisierung
vorgelegt, die in den Diskussionszusammenhang an bestimmten Punkten
eingebracht wurden.
Ausgangspunkt war die Frage "Was hei3t Info Sozialarbeit im Sozia-
listischen Euro? Welche Konsequenzen hat dies fur unsere Arbeit?
Welche Interessen werden von uns formuliert und wie kbnnen sie in
den Zusammenhang SB eingebracht werden. Zwei Probleme standen dabei
in der Diskussion, die nicht immer stringent gefiihrt wurde, im Vor-
dergrund
- Problem des berufsfeldbezogenen Arbeitsansatzes
- Organisationsansatz der im SB zusammenarbeitenden Gruppen.
Ober die Frage, an welchen Problemen arbeiten die verschiedenen Grup-
pen z.Zt., wurden Problemzusammenhange formuliert, die fiir eine
Zusammenarbeit mit anderen Gruppen im Rahmen des SB relevant sind:
- Welche Rolle spielt die Sozialarbeit in Selbstorganisationsprozessen?
- Welche Folgen hat das neue Jugendhilferecht fiir die realen Arbeits-
bedingungen?
- Probleme der Ausbildung an den Fachhochschulen?
- Perspektiven beruflicher Arbeit - Pol itisierung der Kollegen und
Studenten
- Zielrichtung und Perspektive gewerkschaftlicher Arbeit - Tarif-
auseinandersetzungen.
In der Diskussion am Beispiel "Selbstorganisation von Interessen"
einmal herauszuarbeiten, was es heiBt "Organisierung im Zusammen-
hang des Sozial istischen Biiros" .stand immer wieder das Problem der
Vermittlung von aktuellen politischen Notwendigkeiten bezogen auf
konkrete Interessen und eine u'bergreifende politische Strategie,
im Vordergrund. So wurden Fragen wie "Has ist eigentlich soziali-
stisch an unserer Tatigkeit?" oder "Verfolgen wir mit unserer Arbeit
eine berufsreformerische oder sozial istische Strategie?" und aktuel-
le Probleme z.B. Einfuhrung des Praktikantenamtes nebeneinander dis-
kutiert.
Obereinstimmung herrschte jedoch darin, daB nach einer inneren Sta-
bilisierung in dem Arbeitsfeld Sozialarbeit die Zusammenarbeit mit
Sozial isten in den anderen Bereichen zunehmend wichtiger wird.
- 86 -
Einen Ansatzpunkt fiir eine solche Zusammenarbeit bieten z.B. die
Sozialistischen Zentren (die z.T. vorhanden bzw. noch aufgebaut wer-
den mUssen),in denen die Genossinnen und Genossen, die ihre politi-
sche Praxis im Zusammenhang des SB bestimmen, zueinander auf regio-
naler Ebene Kontakt finden kbnnen. Die Form dieser Zusammenarbeit
kann sicher erst dann bestimmt werden, wenn klar ist, welche gemein-
samen politischen Interessen und Anforderungen auf alle Berufsbe-
reiche zutreffen, wenn sich Erfahrungen in den Betrieben mit denen
in anderen Bereichen verbinden lassen. Beruhrungspunkte eines Erfah-
rungsaustausches und gemeinsamen politischen Ansatzes bieten neben
aktuellen Erfordernissen, z.B. Kampagnen, Probleme der Selbstorgani-
sation und die Aufarbeitung von Erfahrungen.
Kritisiert wurde nun, daB nicht mehr die Entscheidungsfrage, welches
Verhaltnis haben die am Info Sozialarbeit mitarbeitenden Gruppen und
Genossen zum Sozialistischen Buro, im Vordergrund stehe.
Dem wurde entgegengehal ten, daB das Verhaltnis der Gruppen zum SB
nicht bestimmt wird durch ein "ja" oder "nein", sondern von den Pro-
blemlagen der einzelnen Gruppen und Genossen und es notwendig sei ,
ausgehend von der Situation der Sozialarbeiter ihr Verhaltnis zu
bestimmen.
Wie die Diskussion zeigte, ist dies fiir den uberwiegenden Teil der
Gruppen und Genossen eh keine Frage mehr. Sie gehen davon aus, daB
die politische Infrastruktur des SB dazu beitragen kann, die Proble-
me und die Situation von Sozialarbeitern in einem groBeren Rahmen
zu diskutieren und sich Perspektiven fur Sozialarbeiter aufzeigen.
Allerdings sollten die Prinzipien, die fiir eine Zusammenarbeit mit
verschiedenen Gruppen irmerhalb des Biiros sprechen, herausgearbeitet
werden, damit sich andere Gruppen mit dieser Position auseinander-
setzen kbnnen; es sollte verdeutlicht werden:
- was meinen wir mit dem berufsfeldbezogenen Arbeitsansatz (der Vor-
wurf der Berufsbornierung muB politisch gewendet werden);
- was verstehen wir unter alternativer Praxis, bei Ablehnung "der
revolutionaren Berufspraxis" .
Obereinstimmung bestand weiterhin darin, daB die vorgelegten Dis-
kussionspapiere entsprechend den Diskussionen auf dem Arbeitsseminar
Uberarbeitet werden sollen. Daran sollten sich problematisierende
Diskussionsfragen anschlieBen:
1. Welche ubergeordnete Bedeutung hat der berufsfeldbezogene Arbeits-
ansatz?
2. Welcher strategische Stellenwert hat die Selbstorganisation?
3! Wie kann der Kommunikationsrahmen innerhalb des SB erweitert
werden?
Diese Arbeitspapiere sollen alien bisher am Info mitarbeitenden Grup-
pen und Einzelnen zugesandt werden; sie sind aufgefordert, sich an
dieser Diskussion zu beteiligen. Diese Diskussion wird bffentlich
gefiihrt und das Info ha'tte die Aufgabe, diese zu publizieren und
voranzutreiben.
Gleichzeitig sollte ein Kommunikations- und Orgamsationsrahmen inner-
halb des Sozialistischen Biiros mit entwickelt werden, der aufbaut
auf unseren bisherigen Erfahrungen und von zwei Prinzipien ausgeht:
87
rt
- die Kommunikaticn zu organisieren, kann nicht mehr allein dem
Zufall Uberlassen bleiben; die gemeinsame Arbeit muB eine grbBere
Verbindl ichkeit erhalten, sowohl im Arbeitszusammenhang Info
Sozialarbeit, wie auch im Rahmen des SB;
- die Mbgl ichkeit der Mitarbeit von anderen Gruppen Oder Einzelnen
(die den politischen Schritt zu einer verbindl ichen Arbeit im
Zusammenhang des SS nicht oder noch nicht vollziehen wollen, aber
ein Interesse haben, im Rahmen des Info Sozialarbeit an den Pro-
blemen der Berufspraxis mitzuarbeiten) ist wesentlicher Bestand-
teil unserer Arbeitsweise.
Anmerkung:
Auf der letzten Redaktionssitzung haben wir beschlossen, die im
Herbst begonnene Diskussion auf einem Arbeitsseminar vom 1. - 4.5.75
fortzusetzen. Ausgehend von den oben genannten Beitragen und im Zusam-
menhang mit der SB-Thesendiskussion sollen folgende Themenkomplexe im
Mittelpunkt stehen:
- Verhaltnis Produktions- zum Reproduktionssektor,
Rolle und Funktion der Sozialarbeit im Zusammenhang mit der Staats-
analysej
- Gewerkschaftsfrage;
- ortliche Organisierung.
Die Seminarergebnisse sollen dann Inhalt eines der nachsten Info-Hefte
sein, das sich schwerpunktma'Sig mit der Organisierungsfrage beschaftigt.
3. Haterialien zur Jugend- und Sozialarbeit
Wir erhalten immer wieder Anfragen nach Materialien und schwer zugang-
lichen Papieren aus dem Bereich Jugend- und Sozialarbeit. In der Redak-
tionssitzung vom lo./ll . 1.75 haben wir daher auf Anregung der Sozial-
arbeitergruppe im SZ Dortmund beschlossen, zu bestimmten Themen solche
Material ienmappen auf einfache und billige Art und Weise zusammenzu-
stellen.
Den ersten Versuch machen wir mit dem Perspektivplan des Bundesjugend-
ministeriums. Dieses Diskussionspapier des BMFJG zum Bundesjugendplan,
das allein der Abklarung zwischen den zustandigen Ressorts von Bund,
Landern und Gemeinden dienen soil, wurde bisher der Offentl ichkeit
nicht zuganglich gemacht. Interessierte erhalten dieses 23 Seiten
starke Papier gegen Voreinsendung von DM 2.5o incl. Porto zugesandt.
Den Vertrieb uberninvnt: Sozialarbeitergruppe im SZ Dortmund, c/o JLir-
gen Heinze, 46 Dortmund-Horde, Postfach 149.
Geplant ist weiterhin eine Zusammenstel lung wichtiger Daten und Berichte
zur Jugendarbei tslosigkei t.
88
NACHRICHTEN/TERMINE
1.) Jugendarbei tslosigkei t nimmt zu
Wie eine Sonderuntersuchung der Bundesanstalt f. Arbeit ergab, ist
die Zahl der arbeitslcsen Jugendlichen im Zeitraum von September 1973
bis September 1974 urn 253 % gestiegen (allgemeiner Anstieg 154 %) .
Das heiSt 69 800 Jugendliche unter 20 Jahren stehen auf der StraBe;
ftir 3 800 Jugendliche konnte das Arbeitsamt keinen Ausbildungsplatz
vermitteln. Seit September ist diese Zahl urn 30 000 gestiegen.
DaB die tatsachl iche Zahl in der BRD weit hbher liegen diirfte, wird
daran deutlich, daB die Statistiken nur den Teil der arbeitslosen
Jugendlichen erfassen, der sich arbeitslos meldet. Ebenso fallen die
Jugendlichen heraus, die kurzfristig beschaftigt oder in Fortbil-
dungsveranstaltungen untergebracht sind. (siehe dazu "express" Nr.1/75)
2.) Lehrstellenruckgang -
"eine Folge der Agitation von linken Systemkritikern"
Diese Bemerkung des CDU-MdL Weirich Ibste heftige Gegenreaktionen
der Vollversammlung des Hessischen Jugendringes aus, der in Hessen
ca- 500 000 Jugendliche reprasentiert.
Auf ihrer VV beschaftigte sich der Jugendring mit Fragen der beruf-
lichen Bildung, wobei er deutlich machte , daB die Lehrstellenver-
knappung und die zu/iehmende Jugendarbeitslosigkeit "einen Bankrott
der von den Unternehmern verwalteten Berufsausbildung darstelle".
Die Antwort der Parteienvertreter fiel durftig aus, sie konnten keine
Lbsungsmbgl ichkeiten anbieten. Die VV forderte das Land Hessen auf,
eine Situationsanalyse der beruflichen Bildung zu erstellen, das
Berufsgrundbildungsjahr auszubauen, das Bildungsurlaubsgesetz zu
novellieren und einen Anspruch auf mindestens 10 Tage Bildungsurlaub
mit ausschlieBlich politischer und sozialer Bildung sicherzustellen,
sowie die Schaffung von uberbetriebl ichen Ausbildungszentren.
In weiteren Resolutionen forderte die VV den Wegfall des Anerkennungs-
verfahrens flir Kriegsdienstverweigerer und wandte sich gegen die
politische Disziplinierung im Bereich der auBerschulischen Jugendbil-
dung. Insbesondere wurden die Disziplinierungen des Stadtjugendrin-
ges Darmstadt, des Ringes Bundischer Jugend und des SHB und SVI
durch Streichung der bffentl ichen Mittel verurteilt.
3.) Berufsverbot verfassungswidrig - Stadt MUnchen geht in die
Revision
Im Info Sozialarbeit Nr. 6/74 berichteten wir liber die Nichteinstel-
lung des Sozialarbeiters H.G. Frieser durch die Stadt Munchen.
Die Einstellung wurde mit seiner DKP-Mitgl iedschaft begrlindet.
Das Munchner Arbeitsgericht hat nun gegen die Stadtverwal tung ent-
schieden: das Berufsverbot ist rechts- und verfassungswidrig. Die
Mitgl iedschaft in einer nicht verbotenen Partei (DKP) "kann nicht
fur die mangelnde Eignung fUr ein bffentliches Amt hergenommen wer-
den". "Nach Art. 33 Abs. 2 GG haben alle Deutschen gleichen Zugang
zu jedem offentlichen Amt nach Eignung, Befahigung und fachlicher
Leistung (die wurde ihm nie von der Stadt bestritten, d. Red.)
dem stent nicht entgegen, daB Frieser Mitglied der DKP ist."
Betont wird im Urteil, daB "Mitglieder, Funktionare und Anhanger
einer Partei (dies gilt auch flir Angestellte und Beanite im offent-
lichen Dienst)bei der Ausiibung ihrer parteipolitischen Tatigkeit"
durch das Parteienprivileg Art. 21 Abs. 2 GG geschutzt wird.
Wie wir erfahren haben, wird sich die Stadt Munchen nicht an dieses
Urteil halten, sie verfolgt mit alien Mitteln die Aufhebung des Ur-
teils und wird in die Revision gehen, denn dieses Urteil kbnnte ja
Damme brechen und die Diszipl inierung und Berufsverbotspraxis
zumindest erschweren.
H.) KPD-Fraktion aus der Heim & Erzieher Zeitschrift (Westberlin)
ausgeschlossen
Nach langen internen und offentlichen Au
'hez' 10/74) wurde am 7.1.1975 auf einer
(nicht parteigebundenen Mitgliedern) geg
haltung (2 Redaktionsmitgl ieder waren ni
von 8 KPD-Sympathisanten beschlossen.
Der AusschluB wurde mit ihrer Redaktions
KPD orientierte Interessenpol itik) und d
heitsbeschlussen begrundet. So wurdenz.B
kel gekennzeichnet, obwohl sie nicht abg
Anzeige in dem anla'Blich des Jugendpolit
Flugblattes "Initiative fur einen Bund s
Erzieher" war nicht von der Redaktion be
seinandersetzungen (siehe
Redaktionssitzung mit 13
en 7 Stimmen bei einer Ent-
cht anwesend) der AusschluB
politik (zunehmende an der
er Nichteinhaltung von Mehr-
Artikel als Reaktionsarti-
esprochen waren; eine 'hez'
ischen Forums verteilten
ozialistischer Lehrer und
schlossen worden.
Am 28. Januar 1975 findet in der FHSS (Goltzstr. 43) eine dffentli-
che Veranstaltung statt, in der iiber den AusschluB, aktuelle Proble-
me im Heimbereich und die zukunftige 'hez'-Arbeit diskutiert werden
soil. (Wir werden darLiber berichten)
5.) Seminare und Ski-Freizei ten im Jugendbildungszentrum Ronneburg
Im Rahmen des Bildungsurlaubs werden Wochenendseminare zum Thema
"Gesellschaft und sozialer wandel" durchgefuhrt. Termine: 15.2. -
16.2.75 und 10.3. - 14.3.75.
Preiswerte Ski-Freizeiten in Kirchberg und Kitzbuhl/Tirol vom
15. - 23.3.75/16. - 26.3.75 und in Saalbach/Hinterglemm vom
31 3 - 7 4 75
Informationen: JBZ Ronneburg, 6451 Ronneburg, Hess. 2, Am weiBen Berg.
- 91
6.) Treffen der Frauengruppe Jugendpolitisches Forum
Vom 16.-19. Mai 75 sollen die in der AG "Arbeitermadchen im Jugend-
zentrum" aufgeworfenen Fragen und Probleme weiterdiskutiert werden
(siehe auch Seite 69). Interessierte, die in Jugendzentren mit Ar-
beitermadchen arbeiten, wenden sich bitte an die Kontaktadresse:
Oberregionale Frauengruppe JupoFo c/o Dagmar Straube, 6 Ffm.,
Hamburger Allee 49.
7.) Arbeitsseminare Info Sozialarbeit
-"Sozialarbeit im Knast": 21. - 23. Ma'rz 1975 in Gdttingen
Kontaktadr.: Dbrthe Uhlendorf, 34 Gbttingen, Ruhstrathbhe 7
(AnmeldeschluB:10.3.1975)
-"Organisierunq von Sozialarbeitern" : 1. - 4. Mai 1975
Anmeldung: Info Sozialarbeit
- "Inst. Probleme stadtteilbezogener Sozialarbeit" :
6. - 8. Juni 1975 in Hamburg
Kontaktadr.: Herbert Effinger, 2 HH 1 , Repsoldstr. 49.
8.) Treffen fur Stadt-, Regional- und Landesplaner
Genossen aus dem Raum Hessen, Westfalen und su'dliches Niedersachsen,
die in diesen Bereichen, sowie in Burgerinitiativen und Stadtteil-
gruppen arbeiten, wenden sich bis zum 1. Ma'rz an E. Beerens, 355
Marburg, Haspelstr. 4.
9.) Wohngemeinschaftstreffen
Vom 28.2.-7.3.75 auf Burg Rothenfels/Main. Anfragen an: Elmar
Senghaas, c/o KSG/87 Wlirzburg, Hofstallstr. 4, Tel. 0931/51607
lo.) Nicht bffentlicher JugendhilfekongreB der AGO
Vom 3.-5.6.75 soil in Dusseldorf der AGJ JugendhilfekongreB zum Thema
"Jugend und Recht" vor ausschlieBl ich geladenen Gasten stattfinden.
Nach dem Hillen der Organisatoren wollen Sozialadministration und
Verbandsfunktionare unter sich diskutieren. Die Jugendverbande stellen
15o, Wohlfahrtsverbande loo, Fachorganisationen loo, landesjugendamter
8o und oberste Jugendbehorden 5o Teilnehmer.
MATERIALIEN
1. Ausbeutung im Knast, eine Dokumentation liber die Produktionsver-
haltnisse im Knast in der von den Gefangenen selbst auf die bko-
nomisch und politisch relevante Funktion des Knastes hingewiesen
wird.
Herausgeber: Kollektiv Rote Hilfe Munchen; Bestellungen bei Peter
Schult, 8 Mlinchen 90, Germersheimerstr. 26, qegen Voreinsendung
von DM 2.50 + Porto (ab 10 Ex. DM 2. — ).
2. info Strafvollzug, herausgegeben von der AG Knast Darmstadt. Nr. 3
bringt u.a. Beitrag zur Gefa'ngnisarchitektur, zu Holger Meins,
Bericht eines Gefangenen auf Transport. Gegen Voreinsendung von
DM 1.— in Briefmarken bei AG Knast c/o AStA FHS, 61 Darmstadt,
Schbfferstr. 3.
Nachrichtendienst der Gefangenenrate Nr. 6 bringt Berichte aus
Haftanstalten und psychiatrischen Anstalten des In- und Auslan-
des, Briefe von Eingeschlossenen.Dokumente zum Hungerstreik etc.
Zu beziehen: Gefangenenrat Frankfurt c/o B'uro Poller, 6 Ffm.,
Glauburgstr. 75a, gegen Voreinsendung von DM 2.— (fur Inhaftier-
te kostenlos).
'Ausgeklammert' - Gefanqenenzeitschrift der OVA Ludwigsburg und
Schwibisch Gmiind Nr. 7: u.a. Beitra'ge zum Thema Weihnachten, zur
Arbeit der Einweisungskommission, Bericht liber eine Tagung
"Gefangenenzeitung". Kostenlos erha'ltlich liber: Redaktion
"ausgeklammert?", 7140 Ludwigsburg, Postfach 727.
Spanien - Aktuell - deutsch-spanischsprachige Informationszeit-
schrift der Sol idaritats-Kommissionen mit den politischen und
sozialen Gefangenen Spaniens - bringt u.a.: Chronologische Dar-
stellung der Kampfe in Spanien, Mariscos und Francoismus, Pefan-
gene im Hungerstreik, Briefe aus Spanien. Gegen Voreinsendung
von DM 1.— + Porto bei Ernst Otto Kess, 8 Miinchen 1, Postfach 568.
Neue Material ien zum Thema Bundeswehr und Kriegsdienstverweigerung:
Dokumentation "Bundeswehr: Wolf im Schafspelz" (DM 2.— + --5U
Porto); Dokumentation "Jugend, Dffentlichkeit, Bundeswehr"
(DM 2.— + -.50 Porto); Zusammenstellung "Bundeswehr probt den
Notstand" (DM -.40 + -.50 Porto). Bezug: Arbeitskreis Bundeswehr
und KDV, c/o F. Roth, 54 Koblenz 1, Schutzenstr. 40.
AMOS - Kritische Blatter aus Westfalen Nr. 2/74: Eeitrage zu
Portugal, Spanien, 40 Stunden-Woche, Strafvollzug, Zur Sozialis-
mus-Diskussion etc. Oahresabonnement DM 10. — ; Redaktion: 463 Bo-
chum, Lennershofstr. 66/8. ,.,„,-
8 Sozialtherapie Frankfurt - Informationen uber die 1973 gegrunde-
te 'Gruppe, Konzept des geplanten gemeindepsychiatnschen Zen-
trums, Bericht uber den Entwicklungsstand des Projektes. Gegen
Einsendung eines Unkostenbeitrages von DM 6.— (PSCHKto Ffm.,
13191-601, Sozialtherapie Ffm., Postfach 2832).
9 . Dokumentation - Gegen Berufsverbote und Auslanderverfolgung, - am
3.
4.
5.
6.
7.
- 92
- 93
Bei spiel Karam Khella's. 21 Seiten; Sol idaritatspreis DM 1.-.
Bezug: Fachschaftsrat SPZ, Uni Hamburg, 2 HH, Sedanstr.
Jugendwohnkollektive - der 1 . Bericht des SPAK Konstanz ist
vergriffen. Interessenten kann gegen Voreinsendung von DM 3.—
+ Porto der zweite Erfahrungsbericht Uber die Arbeit des SPAK
Konstanz zugesandt werden. Bezug: W. Knappe, 775 Konstanz,
Friedrichstr. 22
"roter Falke" - Zeitschrift der SJD Bezirk Hannover - bringt in
der Januar Ausgabe: u.a. Jugendpol itisches Forum, Thesen zur RAF,
Berichte aus dem Verband. Bezug: SJD, 3 Hannover, Walderseestr .100.
Basis-Press - die Sozial istische Korrespondenz Sudbayern - Nr.6/7
entha'lt u.a. Arbeitsergebnisse zur GrUndung eines Sozialistischen
Zentrums, sowie Aspekte zur Lage in Bayern. Bezug: gegen Vorein-
sendung von DM 1.-- + Porto in Briefraarken Uber Hans Poppel ,
8 Munchen 80, Kirchstr. 83.
Kblner Volksblatt - BUrgerinitiativen informieren - Nr. 1/75
u.a. von der Wirtschaftsfront, Experimente der Bayer-Werke,
Polizeieinsatz im Jugendzentrum. Bezug: gegen Voreinsendung von
DM 1.— liber Betrieb Rode/Stankowski, 5 Kbln 60, Merkenicherstr.99.
Hochschulbrief Ev. Fachhochschulen 1/74 entha'lt einen Beitrag
ZUr Auseinandersetzung um den 5. DJHT zwischen AGJ und Soziali-
stische Aktion. Bezug: Ev. FHS Reutlingen, 741 Reutlingen,
Ringelbachstr. 221.
Hessische Jugend 3/74 Heftthema: Ein neues Gesetz flir Jugendhil-
fe? u.a. Beitra'ge zum neuen Jugendhilferecht u. Jugendpolit.
Forum. Bezug: Hess. Jugendring, 62 Wiesbaden, Albrechtstr. 15.
Dokumentation zur Auflosung der FHS des Caritas-Verbandes in
Heidelberg, sie entha'lt neben den Berichten zur Auflosung, Bei-
trage zur Funktion der Sozialarbeit im Kapitalismus, zur Ausbil-
dung der Sozialassistenten. Bezug: AStA Kath. FHS, 78 Freiburg,
Wolflinstr. 4.
17. Konzept flir ein Jugendzentrum. Kann angefordert werden bei:
Jugendwohn- und Lehrlingsheim der AWO, 87 Wlirzburg, Berliner
Platz 10.
KLEINANZEIGEN
11.
12.
13.
14.
15.
16.
JUGENDSEKRETAR
Die SJD-Die Falken, Kreisverband Ko'ln,
sucht flir die Jugendarbeit in Kb'ln
hauptamtlichen Mitarbeiter
zum 1. April 1975
Voraussetzung sind:
mindestens 21 Jahre alt, abgeschlossene Berufsausbildung
oder abgeschlossenes Studium als Sozialarbeiter, Lehrer etc.
Bezahlung und andere Leistungen erfolgen in Anlehnung an BAT.
Die Bewerbungsunterlagen sind zu schicken an:
SJD-Die Falken, 5 Koln 1, Severinswall 32, Telefon 32 13 77
Pa'dagoge (MagisterabschluB in Soziologie und Padagogik) sucht Arbeit
im Bereich der Erwachsenen- oder Jugendbildung, auch Lehrtatigkeit
erwlinscht; mbglichst Raum Mlinchen. Angebote an das Sozial istische
Bu'ro unter Chiffre 2/16.
FHS-Absolventin (Sozialpadagogik) sucftStelle in der Kinder- und
Jugendwohnkollektivarbeit, Jugendverbandsarbeit oder Jugendbildungs-
arbeit. Praktische Erfahrungen in diesen Arbeitsfeldern sind vorhan-
den. Angebote unter Chiffre 2/17.
FHS-Student (Munchen), Ausbildungsschwerpunkt Gemeinwesen und Stadt-
teil sucht ab Herbst 1975 Arbeitsstelle zur Ableistung der Praxis-
semester. Bevorzugt: Mitarbeit in Gruppen, die mit Sanierung be-
schaftigt sind. Angebote Uber Chiffre 2/18.
Betriebswirt grad. (Personal- u. Ausbildungswesen, Sozialpsychologie,
■Rechtspolitik) sucht zum 1.4.75 oder spater entsprechende Tatigkeit
im sozialen Bereich. Norbert Mehles, 3501 Niestetal, Schladeweg 7.
Drei Zivildienstleistende gesucht fur die Arbeit mit dissozialen und
drogengefahrdeten Jugendl ichen. Gesucht werden Leute, die selbstandig
arbeiten kbnnen und evtl . uber padagogische Erfahrungen verfugen.
Kontakt uber Volkhard Knigge, 34 Gb'ttingen, GoBlerstr. 23 T. 0551/57957.
Sozialarbeiter gesucht fur die padagogische Betreuung einer Jugend-
wohngemeinschaft mit mannl ichen Jgdl. ab 15 Jahren. Bezahlung BAT IV a,
Fahrgeld. Es arbeiten mit: Schul pa'dagoge, Berufspraktikantin, Ersatz-
dienstleistender, Psychologe und ehrenamtliche Mitarbeiter. Anfragen:
Verein f. soziale Jugendarbeit, 463 Bochum, wittenerstr. 462.
Bildungsreferenten(in) fu'r Bildungsarbeit mit Arbeiterfamil ien ge-
sucht. Sozialpadagogische Ausbildung oder entsprechendes Studium,
sowie prakt. Erfahrungen in der Erwachsenenbildung ist Voraussetzung.
Bezahlung BAT, 13. Monatsgehalt, 14 Tage Bildungsurlaub u. 4 Wochen
Mindesturlaub. Bewerbungen an: Progressiver Eltern u. Erzieherverband
NRW, 465 Gelsenkirchen, Bahnhofstr. 74/76.
Gesucht werden Material ien, Hinweise, Kontakte:
- "Die sozialen u. psychischen Folgen von Arbeitslosigkeit"
Dagmar Egnstfed, 58 Hagen, Dahlenkampstr. 12;
- "Kontroverse zwischen standesarztlicher u. gewerkschaftlicher
Gesundheitspolitik" Michael Penners, 5 Kbln, Bachemerstr. 27;
- "Integration des Berufspraktikums/Curriculumentwicklung an
Sozialarbeiterfachhochschulen" Elisabeth Welte, 78 Freiburg,
- "Geschichte der Sozialarbeit>Kinder- u. Jugendfreizeit, Erwachsenen-
bildunn" H. Steffens, 32 Hildesheim, Struckmannstr. 8;
- Wer hat Anti-Cdipus gelesen? W. Reiter, 8 Munchen 40, Motorstr. 38;
- "Aspekte studentischer Dffentlichkeit/pol itische Agitation von
stud Gruppen" Helga Eibl, 2 HH 76, Hirschgraben 59;
- "R Dutschke, Rebellion der Studenten rororo 1043"
Hans-J. Still, 4178 Kevelaer 1, Schillerstr. 24;
94
95
"Aufbau eines Jugendwohnkol lektivs" Hans-J. Karnatz, 4812 Brackwede,
Hallerstr. 14;
"Entwicklung der Jugendsoziologie/Vorschulerziehung/ zur Ausein-
andersetzung um Gesamtschule/Bildungssituation auslandischer Ar-
beiterkinder" Michael Selbmann, 48 Bielefeld, Paulusstr. 21;
"Verhaltnis zwischen Sprachdidaktik u. Literaturdidaktik am Bspl .
Hess. Rahmenrichtlinien Deutsch Sek. I"
Karl Georg Beckmann, 34 Gdttingen, Am Kreuze 15;
"Arbeit mit auslandischen Arbeitern/Deutschkurse f. TLirken"
Barbara Kettler, 181 2 Brackwede, Hauptstr. 73
Engelhardt, 43 Essen 1, Postlagerkarte 064395 A;
"Sozial padagogi k an Gesamtschulen"
Torn' Wagner, 6051 Dudenhofen, Frankfurter Str. 48;
"Kindliches Spiel /Rquivalent Arbeit? - Entwicklung des kindl .
Spiels, Analyse kommerziellen Spielzeugs - Doris Garnatz, 35 Kassel ,
Kirchweg 28;
"El ternarbeit im Bereich Schule u. Sonderschule"
Inge Sachsse, 5 Kdl n 41, Bachemerstr. 27.
PROBLEME
DES KLASSEN-
KAMPFS
•
DM 7,00
Gerhard Armanski
Staatliche Lohnarbeiter im Kapitalismus
Thorsten Graf/Mimi Steglitz
Homosexuellenunterdruckung in der biirgerlichen Gesellschaft
W. Schoeller/W. Semmler/J. Hoffmann/E. Altvater
Entwicklungstendenzen des Kapitalismus in Westdeutschland (II)
Bodo v. Greiff/Hanne Herkommer
Die Abbildtheorie und „Das Argument"
Bedingungen sozialistischer Solidaritat
Probieme des Klassenkampfs erscheint mit jahrlich ca. 750Seiten Umfang. die in der Regel
in !mi Emfach- und zwvei Doppelheften geliefert werden. Preis des Einfachheftes DM 7.00,
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sten. Luftpostabonnement (nur auSerhatb Mitieleuropas] : DM36.00. Die Lieferung wird
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Au[3erdem: "Reformer" stoppen Reformen
Das Ende der Victor-Gollancz-Stiftung?
Disziplinierung: Flinf Kurzberichte
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