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Full text of "Informationsdienst Sozialarbeit (1972 - 1980)"

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Spiel haus  fur  Kinder  in  Frankfurt  sucht  Mitarbeiter(in)  halbtags/ 
nachmittags,  moglichst  rait  praktischen  Fahigkeiten.   Examen  (Fach- 
hochschule  oder  Uni ,  z.B.    Sozialarbeit/Padagogik)  Voraussetzung. 
Telefon  abends  ab  18  Uhr  0611/441522. 

Mil-  suchen  politisch  engagierte  Kinderg^artnerin  mit  Praxiserfahrung 
zur  Mitarbeit  in  Kinder-El tern-Kollektiv,   9  Kinder  ca.   4  Jahre, 
Adresse:   Kinder-Eltern-Kol  lektiv,  44  Mlinster,  Sentmaringer  Weg  9. 
Stadtteilzeitungen:   Redaktionsteam  der  Stadtteilzeitung  "Perlach 
aktuell"  sucht  Kontakte  und  Zeitungsexemplare  aus  anderen  Stadten 
und  Stadtteilen   (gegen  Bezahlung) 

Adresse:   Perlach  aktuell   c/o  Renate  Kotzara,  8  Munchen  83,Plettstr.    17 
Projekt  Gesamtschule  der  FHS-Bielefeld  sucht  dringend  Erfahrungsbe- 
richte  von  Sozialarbeitern/Sozialpadagogen  und  Praktikanten  im  Ge- 
samtschulbereich. Adresse:   Hartmut  Hbhn,  48  Bielefeld,  Sanddornweg  3 
Gemeinwesenarbeit  in  Frankfurt-Bockenheim:   Nachbarschaftsheim  sucht 
2  Sozialarbeiter(innen)  oder  andere  Fachkrafte  mit  entsprechender 
Ausbildurg  und  Praxiserfahrung.   Bockenheim  soil    nach  dem  Sta'dte- 
baufbrderungsgesetz  saniert  werden.   Mit  dem  Projekt  soil   die  Bevol- 
kerung  in  die  Lage  versetzt  werden,   ihre  Bedlirfnisse  und  Interessen 
in  die  Planungs-  und  Entwicklungsprozesse  des  Stadtteils  politisch 
wirksam  einzubringen.    In  dem  Projekt  ist  eine  enge  Kooperation  mit 
der  Victor-Gollancz-Stiftung  und  der  Fachhochschule  fur  Sozialarbeit 
vorgesehen.   Bezahlung  nach  BAT  -  Bewerbungen:    Nachbarschaftsheim 
Ffm.   e.V.,   6  Ffm.,   Rohmerplatz  15. 

Wir  suchen  noch  Eltern  mit  Kindern,  die  am  Aufbau  einer  Wohngemein- 
schaft  in  Mlinster  teilnehmen  mochten.   Telefon:  0251/22466  o.55oo8. 
FHS^Studentin  sucht  fur  Examensarbeit  zum  Thema:    "Kommunale  Sozial- 
arbeit" Literatur  und  ErfahrungsberTchte     bes.  aus  dem  Bereich  der 
Famil ienfursorge:   Marlies  Grafe,  8  Munchen  60,  Landsbergerstr.    519 
Sozialarbeiter,  26  J. ,  sucht  zum  1.10.1974  oder  fru'her  Stelle  im 
Raum  Marburg  -  GieBen;  Zuschriften  an:   Detlef  Behnken,  285  Bremerha- 
ven,   Luisenstr.   8 

Material   und  Kontakte  gesucht  zum  Thema:   "Hauptschulerarbeit  im 
Freizeitbereich;  Zuschriften  an:    "Prov.   Jugendzentrum  c/o   Inge  Nosal , 
6833   Kirrlach,  Ostendstr.    2 

Erfahrungsberichte  und  Material   gesucht:Thema  "Arbeit  mit  Lehrlin- 
gen  im  Freizeitbereich";  Sozialpadagogikstudent  Kalle  Al tenbrunner, 
34  Gbttingen,   Rastenburger  Weg  2 

PROJEKT  HEIMERZIEHUNG  -  Wir  wollen  neue  Mbgl ichkeiten  in  der  bffent- 
lichen  Erziehung  versuchen   (Gruppe:   6-7   Kinder/Jgdl.   im  Alter  von 
3-16,   Kooperation,   Integration  in  das  Wohngebiet).   Wir  suchen  noch 
einen  Sozialpadagogen,  der  bereit  ist,  einen  mehrjahrigen  Arbeits- 
vertrag  abzuschl ieBen. 

Kontakt:  Werner  Barking,  44  Miinster/St.  Mauritz,  Mondstr.   1 
Die  SOZIALARBEITER,  die   im  Raum  Mannheim/Heidelberg/Ludwigshafen  tatig 
und  an  einer  Zusammenarbei t  interessiert  sind,   sollen  sich  melden  bei : 
A.  Blechschmidt,   68  Mannheim,  Pfalzplatz  14. 

Sozialarbeiter  flir  Jugendkollektiv  in  Heidelberg  gesucht.  Anfragen 
bei   Drogen  e.V.,   69  Heidelberg,  Brunnenaasse. 

Sozialarbeiterstudenten  der  KFH  f.  Soziales  suchen  Kontakte/Materia- 
lien  zu  AKS-Sozialarbei tergruppen  und  folgenden  Projekten:  Jugend- 
wohngemeinschaften,   Lehrl ingsarbei t,  Kinderladen,  Jugendzentren. 
Adresse:  Michele  Landezki,  5  Kb  In  1,  Fleischmengergasse  2. 


;nformationsdienst 

^0ZIALARBEIL^^! 

. 5  m^ 


5.Deutscher  Jugendhilfetag 


JUGEND 

UND. 
RECHT  7 


Schwerpunktthema : 
Jugendhilfetag  - 
Material i en  der 
Sozialistischen  Aktion 


Offenbach,  1.  Juli  1974 
Preis  vier  Mark 


a-H.September1974  Hamburg 


Dieser  Informationsdienst  Sozialarbeit  wird  im  Sozialistischen  Bliro 
von  Gruppen,  die  im  Sozialisationsbereich  arbeiten,  herausgegeben. 
Der  Info  dient  der  Kommunikation  und  Kooperation  von  Genossen,  die 
mit  sozialistischem  Anspruch  im  Feld  der  sozialen  Arbeit  tatig  sind. 

Folgende  Ausgaben  sind  bisher  erschienen: 

Heft  1:    "Fursorgeerziehung"  Editorial   zur  Herausgabe  des  Info  -  Sozial- 
arbeit  im  Kapitalismus  -  Konzeption  flir  den  Aufbau  eines  Jugendwohn- 
kollektivs  -  Auszlige  aus  einer  Kollektivzeitung  etc. 

Heft  2:   Sozialarbeit  in  Institutionen  -  Geschichte  des  AKS  Frankfurt  - 
Frobleme  der  Sozialarbeit  bei  treien  Tragern  (Evangelische  Familien- 
beratung)  -  Kollektivpraktikum  im  Heim  -  Gemeinwesenarbeit  mit  Obdach- 
losen  -  Hinweise,  Nachrichten,  Leserzuschriften  etc. 

Heft  3/4  (Doppelnummer):  Sozialarbeit  zwischen  Selbstorganisation  und 
BUrokratie  -  Drei  Aufsatze  aus  der  Case-Con  -  Fursorgezbglinge  nehmen 
ihre  Sache  selbst  in  die  Hand  -  Das  Lehrstlick  Brackwede  oder  die  objek- 
tiven  Grenzen  fortschrittlicher  Jugendamtspolitik  im  Recht  -  Kampf 
zwischen  Eltern  und  Arbeiterwohlfahrt  urn  eine  Spielstube  -  Materialien, 
Hinweise,  Zeitschriftenbibliographie  !zur    Heimerziehung  etc. 

Heft  5  (Doppelnummer):  Zur  Organisierung  im  Sozialisationsbereich  - 
Funktion  der  Sozialarbeit  -  Disziplim'erung  in  der  Fafu  Neukblln  - 
6  Fa'lle  von  Disziplim'erung  -  Hinweise  etc. 

Heft  6:  Jugendhilferecht  und  Jugendhilfetag  -  Kurzinformation  zum 
JHG-Entwurf  -  Gegen  sozialtechnokratische  Tendenzen  -  Analyse  und 
Forderungskatalog  zur  Reform  des  JHR  -  Genscher-Reform  -  Sozialarbeit 
und  der  5.  DJHT  -  Die  Sozialistische  Aktion  NUrnberg  -  Bericht  liber 
die  konstituierende  Sitzung  der  Sozialistischen  Aktion  -  Offener  Brief 
an  die  AGJ  -  Kurzberichte  etc. 


Herausgeber:  Sozialistisches  Bliro 

6o5  Offenbach  4,  Postfach  591 

Verleger:  Verlag  2ooo  GmbH  Offenbach 

Erste  Auflage:  Juni  1974,  5ooo  Exemplare 

Alle  Rechte  bei  den  Herausgebern 

Vertrieb:  Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  4 

Postfach  591,  Hohe  Str.   28  (Souterrain) 
Postscheck  Frankfurt,  Konto  61041-604 

Preis:   Einzelexemplar  DM  4.—   (8o  Seiten) 

Bei  Abnahme  von  mindestens  lo  Exemplaren  2o  %  Rabatt 
Weiterverkaufer  (Buchla'den,  Buchhandel)  4o  %  Rabatt 
Jeweils  zuzliglich  Versandkosten 

Der  Info  kann  auch  im  Abonnement  bezogen  werden.  Bezugsgebiihren  flir 
das  Jahr  1974  DM  lo.—  +  DM  2.8o  Versandkosten.  Das  Jahresabonnement 
enthalt  vier  regulare  Ausgaben  (Einfachnummern).  Die  Einfachnummer 
kostet  DM  3.  —  ,  eine  Doppelnummer  DM  5.— 

Verantwortlich:  Redaktionskollektiv  Info  Sozialarbeit 
Presserechtlich  verantwortlich:  Glinter  Pabst  Offenbach 
Druck:  hbo-druck  Bensheim 


INFO     SOZIALARBEIT,  Heft  7 


I   N  H  A  L  T 

Vorbemerkungen  zu  dieser  Ausgabe 

Regionalgruppe  Frankfurt: 

Vorbereitungsmaterialien  zum  Sozialisationsfeld 
"Ausserfamiliare  Erziehung" 

Autorenkollektiv  Erziehung  &  Klassenkampf : 
Vorbereitungsmaterialien  zum  Sozialisationsfeld 
"Jugendarbeit  und  Freizeit" 

Arbeitsgruppe  Info  Arbeiterbildung: 

Thesen  zum  Sozialisationsfeld  "Ausbildung  und  Beruf" 

Redaktionskollektiv: 

Bericht  liber  das  Vorbereitungstreffen  der 

Sozialistischen  Aktion  in  Hamburg 

Aktiv  R  16  Koln: 

Jugendliche  zum  Jugendhilferecht 

Aktiv  R  16  Kbln/AKS  Dlisseldorf: 

Der  Referentenentwurf  -  Jugendhilfegesetz  von  Biirokraten 

Repressive  MaBnahmen  im  Sozialbereich 

8  Kurzberichte  • 

Leserbriefe/Redaktionsmitteilungen 

Nachrichten/Termine 

Materialien 

Kleinanzeigen 

Erklarung  der  Sozialistischen  Aktion 
zur  Absage  des  5. DJHT  durch  die  AGJ 


Seite  2 

Seite  3 

Seite  15 
Seite  27 

Seite  33 

Seite  37 

Seite  43 

Seite  53 
Seite  63 
Seite  69 
Seite  73 
Seite  75 

Seite  79 


VORBEMERKUNGEN  ZU  DIESER  AUSGABE 


Die  Vorbereitungsmaterialien  zum  Jugendhilfetag  und  zwei  Beitrage 
zum  neuen  Jugendhilfegesetz  bilden  den  Schwerpunkt  dieser  Ausgabe. 

Die  Vorbereitungsmaterialien  zu  den  Sozialisationsfeldern  "AuBerfa- 
miliare  Erziehung",  "Jugendarbeit  und  Freizeit"  und  "Ausbildung  und 
Beruf"  (die  Papiere  zum  Sozialisationsfeld  "Familie",  die  eine  Ar- 
beitsgruppe  nach  der  Diskussion  in  Hamburg  noch  einmal  uberarbeiten 
wollte,  lagen  bei  RedaktionsschluB  nicht  vor)  sind  als  Diskussions- 
papiere  zu  verstehen.  Es  wurde  versucht,  auf  einige  der  auf  der  kon- 
stituierenden  Sitzung  der  Sozial istischen  Aktion  in  Bielefeld  aufge- 
worfenen  Fragen  und  Probleme  einzugehen;  die  explizit  als  Thesen 
formulierten  Einschatzungen  bzw.  die  mehr  Oder  weniger  ausfuhrlich 
begriindeten  Ausfiihrungen  sollen  dabei  nicht  nur  auf  den  Jugendhilfe- 
tag orientieren,  sondern  Fragen  und  Probleme  anreiBen,  an  denen  prak- 
tisch  und  theoretisch  weitergearbeitet  werden  muB. 

Mit  den  drei  Problemkreisen  -  Soziale  Deklassierung  -  Offentliche 
Jugendhilfe  -  Einschatzung  der  Reformen  im  Heimerziehungsbereich  - 
beschaftigt  sich  das  Arbei tspapier  zum  Sozialisationsfeld  II. 

Eine  Analyse  der  Funktionszuschreibung  von  Jugendpflege  durch  den 
blirgerlichen  Staat  und  der  daraus  abzuleitenden  Anforderungen  an  das 
Handeln  von  Jugendlichen  und  Sozialpadagogen  in  den  Institutionen  der 
Jugendpflege  enthalt  der  Beitrag  zum  Sozialisationsfeld  III.  Daran 
schlieBen  sich  komprimierte  Aussagen  Liber  Funktion,  Organisation, 
Reform  und  Perspektiven  beruflicher  Bildungi  an. 

DaB  in  das  neue  Jugendhilfegesetz  nicht  die  Interessen  der  betroffen- 
en  Jugendlichen  eingehen,  zeigt  der  Beitrag  einer  Kblner  Gruppe  von 
Jungen  und  Madchen;  sie  haben  ihre  Kritik  am  JGH  aufgrund  ihrer  lang- 
jahrigen  Erfahrungen  mit  Jugendamtern  und  Heimen  formuliert.  Ihre 
Kritik  bezog  sich  auf  den  Diskussionsentwurf ;  mittlerweile  liegt  der 
Referentenentwurf  vor,  der  einer  parteilichen  Kritik  unterzogen  wird. 

Kurzberichte  uber  repressive  MaBnahmen  im  Sozialbereich,  Leserbriefe/ 
Stellungnahmen,  Hinweise,  Nachrichten  und  Kleinanzeigen  sind  die 
restlichen  Beitrage  in  diesem  Info. 

Die  nachste  Ausgabe  des  Info,  Heft  8,  beschaftigt  sich  mit  dem  Thema: 
"Reformismus  in  der  Sozialarbeit"  und  erscheint  im  Herbst  1974. 


2  - 


Regionalgruppe  Frankfurt: 

VORBEREITUNGSMATERIALIEN 

ZUM  SOZIALISATIONSFELD  "AUSSERFAMILIKRE  ERZIEHUNG" 


Vorbemerkung: 


Das  vorliegende  Arbeitspapier  ist  Teil-Ergebnis  der  Diskussionen  in 
der  Vorbereitungsgruppe  Frankfurt.  Die  verschiedenen  Teile  wurden  von 
einzelnen  Mitgliedern  der  Gruppe  erarbeitet,  nach  Diskussionen  u'ber- 
arbeitet  und,  trotz  noch  bestehender  unterschiedl icher  Einschatzungen 
(z.B.  der  Reformbewegung) ,  als  Beitrag  der  Regionalgruppe  zum  Vorbe- 
rei tungstreffen  in  Hamburg  eingebracht. 

Der  Nachteil  dieses  Papiers  liegt  darin,  daB  es  nur  auf  die  Heimer- 
ziehung  eingeht,  der  Bereich  der  auBer-familiaren-vorschul ischen  Er- 
ziehung ausgeklammert  bleibt  (was  mit  der  praktischen  Orientierung 
der  Gruppenmitglieder  zusammenhing)  und  der  Zusammenhang  von  famili- 
arer  und  auBerfamiliarer  Erziehung  nicht  aufgezeigt  wird. 
In  den  Diskussionen  sind  eine  Reihe  weiterer  Fragen  aufgetaucht,  die 
auf  dem  Hintergrund  dieser  mehr  grundsatzlichen  Oberlegungen  uber  die 
gesel  Ischafts-politischen  Ursachen  der  Reformbewegung  diskutiert  und 
beantwortet  werden  miissen. 

Die  auf  der  Vorberei tungstagung  in  Hamburg  andiskutierten  Fragen  und 
Probleme  sind  nachzulesen  im  Informationsrundbrief  der  Sozialisti- 
schen  Aktion. 


yer  wird  in  dieser  Gesellschaft  sozial  deklassiert? 

Deklassierung  bezieht  sich  in  seiner  Skonomischen  Seite  auf  das  Her- 
-usfallen  aus  dem  ProduktionsprozeB.  Das  bedeutet  allerdings,  daB 
Deklassierung  nicht  etwas  individuell  verschuldetes  ist,  sondern  be- 
dingt  wird  dutch  verschiedene  objektive  Faktoren.  Von  Deklassierung 
ist  somit  jeder  Arbeiter  bedroht: 

durch  die  Ausgl iederung  aus  dem  ProduktionsprozeB  bei  wirtschaft- 

lichen  Krisen, 

durch  die  spezifische  Art  seiner  Sozial isation. 
r-eklassierung  wird  weiterhin  bestimmt  durch  verschiedene  Faktoren, 
wie  Arbeitslosigkeit,  physische  und  psychische  Arbeitsunf'a'higkeit, 
AV-oholismus,  Objekt  der  Sozialarbeit  etc.  DaB  von  Deklassierung 
■irTbesonderer  Weise  Arbei terjugendl iche  betroffen  werden,  ist  keine 
wv/oothese,  sondern  langst  statistisch  erwiesen.  Pongratz  und  Hlibner 
m   untersuchten  582  Jungen  und  378  Madchen,  die  1950/51  aus  bffent- 
licher  Erziehung  (FE  und  FEH)  entlassen  wurden.  Diese  Gruppe  stamm- 

zu  79.2  %   bei  den  Jungen  und  84,5  %   bei  den  Madchen  aus  der  Ar- 
heiterklasse.  Der  Sozialpsychiater  Specht  untersuchte  200  Jungen 
nd  200  Madchen,  die  sich  in  Fursorgeerziehung  befanden  (Stichprobe) 

-  3  - 


"21         An9^en  stammten  83  %  der  Jungen  und  92,5  %  der  Madchen 
Ein  „^*?r??hl?ht'  Ube™iegend  aus  der  unteren  Unterschicht. (2) 
fSnnn^ccf     lr\  d.eser  Ju9endlichen  All  It  auch  spater  die  Jugendge- 
de?9iua^Hi?^h  *\T  "ntersuchung  in  Hameln  staLt  fast  die  Halfte 
aer  jugendlichen  Strafgefangenen  aus  Flirsorgehei.nen.   (3) 

dfniunnlr^9  t;5u9t  also  im  allgeraeinen  mit  den  sozialen  Lebensbe- 
dingungen  der  Arbeiterklasse  zusammen: 

a)  Schulische  Ausbildur.n 

MitteS?rht6m  un"Fer  Gesellschaft  ist  gepragt  von  den  Normen  der 
siezif^rho  IK es^ede"tet,da6  Arbeiterkinder,  bedingt  durch  nhre 
wird  11  S5i! ^"^'O?.  von  vornherein  benachteiligt  sind.   Deutlich 
AbschfnR  ?«  In??  V"  9roQer  Teil   der  Arbeiterkinder  ohne  einen 
oft  wlnpn{W?i^  dle..HauPtschule  verlSBt.  oder  schon  vorher  - 
Das     £'.     enS5t5fUn9M  "  an  die  Sonderschule  abgeschoben  «  rd. 
ablchfuS  to,™  h       tr\DrJtte]   dieser  Jugendlichen  ohne  einen  Schu  1- 
zunehmpn  ,T  dne  "°91 lchkeit  hat,       eine  qualifizierende  Letire  auf 
tertatfSk^te  °mt  ™A vo™h^ein  dazu  verurteilt  ist,     Hilfsarbei- 
tertatigkeiten  auszufuhren. 

rait  Si ,  i eKn2K?enAuSbi  1^7"9^03l  ichkei t  fur  Arbeiterjugendliche 
QualitSt  dSr  L«km3uB  1S-  d1e  Lehre'   Das  Lehrstellenangebot  und  die 
giq    was  blLtl bll^un9  Slnd  ^n  der  Willkur  der  Unternehir.er  abhan- 
fenen  LPhrc?o??  "  dfUtlldh  W1'rd  a"  der  z.Zt.   kiinstlich  hervorgeru- 
Hp"  "i!?r^e  le™erknappung,  mit  der  die  Arbeiterjugendlichen  fur 


es 


jLf^ubt,  ihm  bis  zu  40  %  vora  Normal lohn  seiner  Lohngrupp        ^ 
«*en.   (Die  Prozentsatze  sind  nach  Bundeslandern  und  ar      Wohnsitua. 
t^1ede»-)  Mit  der  finanziellen  Lage  hangt  u™Z*^a  leisten.  Er  muB 
fe?usammen.  Der  Lehrling  kann  sich  keine  Wohnung  ^  ver. 

Z-t^  Zeit  seiner  Lehre  in  der  oft  engen  e Iter  icnen  *  e. 

^iben.  wenn  es  wegen  unterschiedlicher  BedUrfnisse  una      unertrag. 
henen  zu  Konflikten  komt.  wird  die  Wo hns it ua  lon^  ^ 
'■en.  Viele  von  ihren  hauen  da  mal   ab,  knecnei.  uc  bleiben  auf 

ffifcr  oder  trampen  herum.  Manche  komraen  zuruck,  mancne  tgdte, 

2*}s    und  geraten  in  die  kriminellen  Subkulturen     ae  und 

uSftS  Dealer  oder  gehen  auf  den  Strich  -  urn  Geld  zu 


nangig  leben  zu  kbnnen. 


Is  sind  nur  einige  wenioe  Beispiele  fur  den  u  ge  euren  a  ^  De_ 
fck:  der  auf  der  Arbeiterjugend  lastet  und  be  el nem  ^  ganze 
fcerungserscheinungen  fUhrt.  Es  ware  "^^erjugend  in  un- 
2£»B  der  Entrechtung  und  Unterdruckung  der  Arbeite rj.y_  R_n  vor 


t,.„„     .-»■    '-"<-ici.iii.uriu  unu  u...... —  ■  ■  -       ..       ahpr  seine  Augen 

|Wer  Gesellschaft  angemessen  darzustellen.Wer  aber  nicht  ver. 

SchV6a1:itat  det"  Situation  der  Lehrlinge  und  »r°^sen,  die  zwi- 
cblieBt,  der  wird  auch  die  Zusainmenbange  erkennen  mus        dgr  ftr. 

schen  dieser  Lebenslage  und  der  Deklassierung  eines 
BUerjUgend  besteht. 

S^he  Interessen  stehen  hinter  dem  Eingreifen  der  dffentlichen 
dugendhilfe? 


i.,«««ji-  r  "  *'"  oernn   ly/u  ca.   20  %  der  Berufsschulpt ncr 

9        e'w^'r  So?derschu^  oder  ohne  AbschluB  haben  keine  Cha, 
Qleich  al 1211     h  Suarririerta  Aust>ildung  zu  bekommen.   Sie  fangen 
0        wlLpn9H-ernte  Arbeits^afte  an.  Bei  wirtschaftlichen  Depres- 
b  o        ^•?a,iizierten  Oungarbeiter  zuerst  gefeuert- 

zahlt  und  ohno      h     Kndllfr  Unsic^rheit,  als  Jugendliche  unterbe- 
so  viele  von  fh^d6"be«--che  Pe^pektive.     Warum  werden  wohl 
in  Erz  IhuS^ho?6"     ajtfalli3  •  ga^eln  arbeitslos  herum  und  landen 
trziehungsheTmen  und  Jugendgefangnissen? 

'rhTSriri—!?^-0"  ;rb^ter.iuoPndHchen  /  Wohnsituation 
liegt  durchweaTnt-Jf^F^5^^  v"m  ArbeUgeEiF:  Sie 

e"t  gliSen^Zwan^2 S6ihPlf!n  V°n  ^hUlern'und  S  ud  nt'n fdt  nicV 
Mer  e1n£t?a  Z  V-l  P!:od"kti°"  ausgesetzt  sind,  sind  die  Lehrimge 
abhSng  oe H      „  ™  Nacnteil     Sie  kbnnen  sich  kein  von  den  Eltern  un- 

mSssen  sich  zusSt  ?  rh^r'r/r6^^1^  abhan919  vom  Elternhaus  und 
liefern  zusatzlich  auf  Gedeih  und  Verderb  dem  Lehrbetrieb  aus- 

Srmari^lShnt^soSd^  ^t  ^  ^Iterjugendliche  aber  auch  nicht 
entiohnt.  sondern  nach  einem  Altersstufenlohnschlussel.der 

-    4    - 


If  dern  Eingreifen  der  Jugendhilfe-   Dies  wird  ^  die  herr. 

"«  SympLome  anschaut,  an  denen  die  Rechtspre^n 
"-nende  Praxis  Verwahrlosung  festmachen.  deli|cte 

Begehen  von  straftaten.  allem  voran  Eigen.umsae 

.°rtlaufen   unrl   llmhprt.reiben  -      .     ■-• ~a-i 


ist  dem- 
der  kapi' 


.--i-ionsproze 
J^ische  Jugendl 
r'tuation  pradesti 


,--<"- run  praaestimert  sina.    »cr  n«.  - •,.,...  una  <-e"""a,"l,"n-.. 

cher"  Jugendlicher  aus  "geordneten"  Fam  lien  eres  unterlas 

"*««!  stammend  nach  herrschender  le          e  ^  die  Vergleichsgros 

'8n  Wnnte  und  in  der  Regel  auch  WtBrV^t,^  Wer  gegen  d,e 

f"  eben  das  Mittelschichtskind  -  ""tenchTgw  folglich  sc huld 

S"ftestenten.  einhaltbaren  Normen  verstoBt,  z  haftet  die  SchUi 

haft»  so  daB  ihm  Strafe  "gewahrt"  werden  nu».  _        _ 


-  uneingestanden  natlirlich  -  der  Klasse  als  solcher  an.   Denn  wenn 
auch  in  die  Definition  der  "Verwahrlosung"  der  zwingende  Zusammen- 
hang  zwischen  dem  Verhalten  des  proletarischen  Jugendlichen  und 
seinen  Lebensbedingungen  nicht  zu  seinen  Gunsten  eingeht,  so  ist  er 
doch  insofern  berlicksichtigt,  als  der  blirgerlichen  Gesellschaft  das 
Verhalten  deshalb  umso  gefahrlicher  und  desto  "verwahrloster"  er- 
scheint,  je  unabwendbarer  es  aus  den  proletarischen  Lebensverhaltnis- 
sen  folgt.  Was  bei  einem  "normalen"  Jugendlichen  eine  einmalige  Ent- 
gleisung  ist,   ist  beim  proletarischen  Jugendlichen  AusfluB  der  gene- 
rellen  Lebenssituation.   Daher  ist  es  dann  auch  unerheblich,  ob  die 
Eigentumsdelikte  Bagatel lsachen  sind,  harmlose  Gebrauchsentwendun- 
gen,  exzessiver  Mundraub  schlimmstenfalls.   Dann  spielt  es  auch  keine 
Rolle  mehr,  wie  haufig  vergleichbares  Verhalten  bei   Kindern  auftritt, 
die  nicht  zur  Arbeiterklasse  gehbren.   Die  Bedrohung  der  Gesellschaft 
ist  permanent. 

Wo  allerdings  Widerstande  gegen  die  Funktionsgesetze  des  Kapitalis- 
mus  laut  werden,  da  reagiert  auch  die  bffentliche  Jugendhilfe  rait 
einer  breiten  Palette  von  Repressionen,  die  einraal  der  Disziplinie- 
rung  der  momentanen,  zum  anderen  der  Abschreckung  der  potentiellen 
"Unruhestifter"  dienen.   Dariiber,  daB  Disziplinierung  und  Unterdru'k- 
kung  die  entscheidenden  Mittel   sind,  um  einmal  die  Arbeitskraft,  zum 
anderen  die  Achtung  vor  der  privaten  Aneignung  zu  erhalten,  kann 
daher  kaum  ein  Zweifel   bestehen. 

Gleichwohl  bedient  sich  die  offentliche  Jugendhilfe  auch  differen- 
zierterer  MaBnahmen. 

a)  Eine  MaBnahme  ist  die  Re- Integration  in  die  Familie  als  dem  Ort, 
an  dem  auch  dem  jungen  Proletarier  das  Funktionieren  fiir  den  kapi- 
talistischen  ProduktionsprozeB  zunachst  eingetrichtert  wird.   Sie  ist 
eine  der  wichtigsten  Sozialisationsagenturen  des  kapitalistischen 
Staates.   Hier  lernt  das  proletarische  Kind  von  Anfang  an,  sich  unter- 
zuordnen  und  fremdes  Eigentum  anzuerkennen.   Die  Familie  erfreut  sich 
daher  besonderer  Aufmerksamkeit  seitens  des  Staates  und  seiner  Ju- 
gendhilfe: man  denke  an  Erziehungs-  und  sonstige  Beratung,  an  Erzie- 
hungsbeistandschaft,  die  im  Gegensatz  etwa  zur  FEH  gegen  den  Willen 
der  El  tern  angeordnet  werden  kann.   Die  Familienideologie  wird  weiter 
aufrechterhalten  durch  Ruckfuhrung  von  Herumtreibern  und  Schulschwan- 
zern.  Auch  die  Unterdruckung  der  Sexual i tat,  insbesondsre  bei  Mad- 
chen,  fdrdert  die  Ehe-  und  darait  Familienwilligkeit,  weil  das  der 
einzig  anerkannte  Ort  fLir  sexuelle  Beziehungen  ist. 
Allerdings  werden  in  der  proletarischen  FamTlie  aufgrund  der  mate- 
riellen  Zwange  gleichzeitig  Verhaltensweisen  produziert,  die  den 
Interessen  des  Staates  zuwiderlaufen.   Daher  wird  die  proletarische 
Familie,  wo  sie  nicht  mehr  im  Sinne  des  kapitalistischen  Staates  funk- 
tioniert,  ihrer  Erziehungsfunktion  behoben. 

Das  wird  deutlich  an  der  Ausweitung  der  bffentlichen-Erziehung  auf 
alle  3-6jahrigen  und  die  Intensivierung  der  VorfeldmaBnahmen,  d.h. 
die  Unterbringung  von  Kindern  und  Jugendlichen  in  Adoptions-  und 
Pflegefamilien. 


b)  Der  Zusammenhang  von  Ahndung  der  Eigentumsdelikte  und  Aufrechter- 
haltung  des  Privateigentums  bedarf  keiner  weiteren  Erla'uterung. 

c)  Weitere  MaBnahmen  der  bffentlichen  Jugendhilfe  dienen  der  Quali- 
fizierung  der  Ware  Arbeitskraft.  Soil   das  Kapital   stetig  akkumuliert 


werden,  muB  die  Produktivitat  immer  weiter  gesteigert  werden,  z.B. 
durch  Weiterentwicklung  der  Produktivkrafte.   Dies  erfordert  immer 
weitergehendere  Qualifizierung  der  Arbeitskrafte.   Von  daher     ist 
auch  die  Ausweitung  des  Jugendhilfesektors  auf  alle  3  -  6jahrigen 
(Elementarerziehung)  zu  verstehen.  Weiter  stehen  in  diesem  Zusammen- 
hang die  Erzwingung  des  Schulbesuches,  die  Verfolgung  von  Schul- 
schwanzern  und  der  Kampf  gegen  Herumtreiber. 
Vjo  die"Verwahrlosung"  schon  so  weit  fortgeschritten  ist,  daB  eine 
Qualifizierung  nicht  mehr  gewinnbringend  erscheint,  wird  versucht, 
die  Ware  Arbeitskraft  wenigstens  zu  erhalten,  was  sich  im  Kampf  ge- 
gen Arbeitsbummelei  und  -unlust,  gegen  Fortlaufen  und  Herumtreiben 
niederschlagt.   Versagen  die  offenen  MaBnahmen,  so  werden  mit  dem 
Gedanken  der  Abschreckung  und  Isolierung  Jugendliche  in  Heime  und 
Gefangnisse  eingeliefert.   Ihrem  Anspruch  nach  soil   in  diesen  Insti- 
tutioncn  die  Integration  in  den  ArbeitsprozeB  und  in  die  Gesellschaft 
vollzogen  werden.  Tatsachlich  werden  hier  die  Jugendlichen  weiter 
deklacsiert. 


Zur  Einsch'a'tzung  der  Reformen  im  Heimerziehungsbereich 

Die  im  Zuge  der  anti-autorita'ren  Studentenbev/egung  von  Studenten, 
Fursorgezbglingen  und' Sozialarbei tern  durchgefiihrten  Kampagncn  im 
Heimbereich,  der  radikale  Kampf  gegen  den  Zwangscharakter  der  bffent- 
lichen Erziehung  in  den  Heimen,  brachte  mit  einem  Schlag  die  gesam- 
te   "Misere  der  Heimerziehung"  an  die  Offentlichkeit. 
In  den  Auseinandersetzungen  mit  den  in  sich  abgeschlossenen  Heimen 
wurde  einmal   anschaulich  die  Funktion  der  bffentlichen  Erziehung 
(eine  Erziehung,  die  noch  nicht  einmal   in  der  Lage  war,   ihre  vor- 
gegebene  Funktion  der  "Integration  in  die  Gesellschaft"  zu  erfullen) 
als  Abschreckungs-  und  Disziplinierungsmittel   herausgearbeitet,  und 
zum  anderen  konkrete  Kritik  an  der  Situation  der  Jugendlichen  in  den 
Heimen  geleistet: 

-  totale  Isolierung  von  der  gesellschaftl ichen  Realitat:   abgeschie- 
dene  Lage,  Beschrankung  des  Ausgangs,  Besuchsregulierung,  Post- 
und   Informationszensur  etc.; 

-  mangelhafte  Schul-  und  Berufsausbi ldung:   Orientierung  an  handwerk- 

1  ichen  und  halbindustriellen  Berufen,  die  eine  spatere  qualifizier- 
te  Arbeitsaufnahme  verhindern;  Arbeit  dient  im  Heim  als  besonderes 
Disziplinierungsmittel ; 

-  bestandige  Reduktion  auf  die  Rolle  des  Unmlindigen:   Reglementierung 
des  gesamten  Tagesablaufs   (Gruppenleben,  Arbeitsplatz,   Freizeit), 
Unterdruckung  des  Sexuallebens,  strikte  Einordnung  in  die  Heim- 
hierarchie,  geringes  Taschengeld  statt  Arbeitsentlohnung  etc. 

Der  Kampf  der  'Zoglinge'   in  verschiedenen  Erziehungsheimen  in  der 
BRD,  ihre  Flucht  aus  den  Heimen,  die  an  ihrer  realen  Situation  an- 
setzende  Kritik  der  Heimerziehung,   flihrte,  unterstiitzt  durch  die 
aufgeschreckte  liberale  Dffentlichkeit,  zu  einer  Reihe  von  Konse- 
quenzen  auf  den  verschiedensten  Ebenen:   {Beispiel  Hessen) 
a)  unter  dem  Druck  der  Massenflucht  von  Jugendlichen  wurden  Staat 

'   und  Verbande  gezwungen,  Jugendwohnkollektive  einzurichten; 
h)   um  die  libelsten  MiBstande  zu  beseitigen  und  die  Offentlichkeit 
zu  beruhigen,  wurden  folgende  MaBnahmen  durchgefuhrt: 

-   7   - 


-  Einstell ungsstop  fur  unausgebildete  Erzieher  in  Heimen  des  LWV 

-  Reduzierung  der  Belegungsstarke  (teilweise  bis  zu  50  %) 

-  Erhbhung  der  Pflegesatze 

-  Abschaffung  des  Karzers,  Aufhebung  der  Briefzensur,  Taschengeld- 
richtlinien,  Arbeitsentlohnung,  Ausgangsregelungen  etc. 

-  GrundrechtserlaB,  der  die  Grundrechte  der  Jugendlichen  und  ihre 
Mitwirkung  bei  sie  betreffenden  Fragen  regeln  und  gewahrleisten 
scllte. 

c)  Auf  die  bffentlich  gewordenen  MiBstande  in  der  Heimerziehung  re- 
agierten  Wissenschaftler,  Pa'dagogen,  Behbrden  und  Verba'nde  mit 
einer  Flut  von  Stel lungnahraen,  Untersuchungen  und  Reformvorschla- 
gen,  die  die  widerspruche  beseitigen  sollten.  Humanisierung, 
Demokratisierung,  Chancengleichheit,  Bildung  und  Ausbildung  und 
soziales  Lernen  sind  die  Schliisselbegriffe  der  angestrebten  Re- 
formen.  Die  Forderungen  beziehen  sich  auf: 

Veranderung  der  Heimstruktur: 

-  Abbau  der  Hierarchie,  Gruppenautonomie,  Mitwirkungsrechte  flir 
Erzieher  und  Jugendliche 

-  Heira-  und  Gruppendifferenzierung;  vom  GroB-  zum  Kleinheim 

-  Neuorganisation  der  Heimfinanzierung 

Forderung  der  Kinder  und  Jugendlichen: 

-  bessere  schulische  Forderung,  Zusammenarbeit  mit  Lehrern 

-  bessere  Ausbildungs-  und  Arbeitsbedingungen  flir  die  Jugendlichen 

-  tarifgerechte  Entlohnung 

-  individuelle  Erziehungs-  und  Therapieplane 

-  genaue  Diagnose  der  Vernal tensauffa'lligkei ten 

Aus-  und  Fortbildung  der  Erzieher: 

-  standige  Fortbildung  des  padagcgischen  Personals 

-  Integration  der  Wissenschaft  in  die  Ausbildung. 

Zu  diesen  Forderungen,  die  sich  auf  den  Heimbereich  selbst  beziehen, 
ist  eine  Tendenz  zur  Intensivierung  und  zum  Ausbau  der  offenen  und 
halboffenen  Hilfen  festzustellen,  die  ihren  Niederschlag  sowohl   im 
Riickgang  der  FE  (17  %)/FEH  (5,5  2S)-Einweisungen  (v.   1952  -  1969)  und 
im  neuen  JHR  finden:  Erziehung  in  einer  Einrichtung  (§  61   REJHG) 
setzt  voraus,  "daB  die  Hilfen  im  Vorfeld  der  Heimerziehung  ausge- 
schbpft  sein  miissen",  "wenn  Art  und  Schwere  einer  Entwicklungs-  Oder 
Verhaltensstbrung  stationare  padagogisch-therapeutische  Hilfe  erfor- 
dern." 

"AusschlieSliche  Kriterien  flir  diese  Hilfen  miissen  die  erzieherischen 
Sedlirfnisse  des  jungen  Menschen  sein." 

Wie  sieht  aber  nun  diese  Realisierung  der  Reformvorhaben  aus?  Kann 
die  Heimerziehung  so  umgestaltet  werden,  daB  sie  den  Interessen  und 
Bedlirfnissen  der  Jugendlichen  entgegenkommt? 

Hessen,  dessen  staatliche  Heime  besonders  der  Kritik  unterzogen  wa- 
ren,  legte  im  November  1972  einen  Stufenplan  zur  Reform  der  Heimer- 
ziehung vor,  der  bis  1980  weitgehend  realisiert  sein  soil.  Die  Vor- 
schlage  beziehen  sich  im  wesentlichen  auf  die  Empfehlungen  des  Heim- 
beirats,  der  im  Dezember  1969  als  Reaktion  auf  die  Staffelbergkam- 
pagne  eingesetzt  wurde.  Das  Reformpapier  sieht  eine  Reihe  von  kurz-, 
mittei-  und  langfristigen  MaBnahmen  vor,  die  von  der  Gewinnung  von 


8 


Daten  flir  die  Entwicklung,  Planung  und  (Coordination  der  Heimerziehung, 
der  Neuordnung  der  wirtschaftlichen  Grundlage,  der  Ausweitung  der 
Fortbildung,  dem  Neubau  von  Erziehungsberatungsstellen,  offener 
Erziehungshilfen  bis  hin  zur  Realisierung  und  dem  Ausbau  eines  Net- 
zes  diagnostischer  und  therapeutischer  Einrichtungen  reicht. 
Welcher  Stellenwert  diesem  Reformvorhaben  zukommt,  wird  aus  dem  Vor- 
wort  zum  Stufenplan  deutlich:  "Der  vorgelegte  Stufenplan  halt  sich 
im  Rahmen.der  die  Mbglichkeiten  praktischer  Umsetzung  der  Empfehlun- 
gen des  Heimbeirates  unter  den  immer  und  liberal  1  geltendcn  Bedingun- 
qen  knapper  und  personeller  Mittei  berlicksichtigt. " 
Abgesehen  von  der  Intensivierung  der  Aus-  und  Fortbildung  und  dem 
Ausbau  der  offenen  Hilfen  (die  daruber  hinwegtauschen  sollen,  daB 
die  Umwandlung  von  Heimen  selbst  nach  Maximen  burgerlich-emanzi pa to- 
ri scher  Sozialpadagogik  aus  Kostengrunden  im  Kapitalismus  nicht  mbg- 
lich  ist;  zum  anderen  wird  durch  eine  Reprivatisierung  der  Erziehungs- 
kosten  eine  Entlastung  staatlicher  Haushalte  erfolgen)  beschrankt 
sich  der  Stufenplan  auf  die  technokratische  Lbsung  und  Verwaltung 
der  Probleme  in  der  Heimerziehung. 

Wir  verkennen  nicht,  daB,  bezogen  auf  die  Situation  vor  1968,  eine 
Reihe  von  Verbesserungen  fur  die  materielle  Lebenssituation  der  Ju- 
gendlichen in  den  Heimen  durchgefuhrt  wurden,  bzw.  erkampft  worden 
sind.  Wir  kbnnen  auch  Veranderungen  im  Heimbereich  -  bei  Beibehal- 
tung  der  Funktion  von  Heimerziehung  -  einen  Wandel  vom  offenen  Dis- 
ziplinarsystem  mit  Strafcharakter  hin  zum  sozialintegrativen  System 
feststellen:  Stichworte  dazu  sind:  Heimdifferenzierung,  Demokrati- 
sierung,  Kooperation,  Partnerschaft,  Einzelgesprache,  offene  Grup- 
pengesprache  als  Mittei  der  Konflikt-  und  Problemlbsung,  AuBenkon- 
takte  etc.  Die  Begrenztheit  von  Reformen  wird  zudem  an  einem  anderen 
Beispiel  deutlich.  Wie  den  Forderungen  der  Jugendlichen  die  Spitze 
abgebrochen  wird,  wie  ihre  Vorstellungen  in  institutionelle  Bahnen 
qelenkt,  d.h.  reformistisch  gewendet  werden,  zeigt  die  zum  Zeitpunkt 
der  Heimkampagnen  gestellte  Forderung  nach  Selbst-  und  Mitbestim- 
mung. 

Als  Reaktion  auf  die  Heimkampagnen  ist  der  GrundrechtserlaB  des 
Sozialministers  vom  12.6.72  anzusehen.  Der  GrundrechtserlaB  nahm 
die  Kritik  an  der  Situation  der  Jugendlichen  auf  und  verbriefte  ihnen 
bestimmte  Rechte:  u.a.  nach  Mitbestimmung  in  alien  sie  betreffen- 
den padagogischen,  organisatorischen  und  wirtschaftlichen  Fragen. 
Die  Jugendlichen,  die  vorher  noch  durch  kollektive  Aktionen  Heimlei- 
tung  und  Tra'ger  unter  Druck  setzen  und  Veranderungen  erzwingen  konn- 
ten,  sollten  nun  Heimra'te  als  Interessenvertretunq  wahlen.  Dort,  wo 
Heimrate  eingerichtet  und  als  groBes  Reformvorhaben  gefeiert  wurden, 
dienten  sie  bald  nur  noch  als  demokratisches  Mantelchen  fur  die  Pro- 
qressivitat  der  Heimleitungen.  In  ihren  Funktionen  wurden  sie  zuneh- 
mend  auf  Ordnungs-  und  Disziplinierungsfragen  zurLickgedrangt;  be- 
schrankt auf  die  Mitwirkung  bei  Essenspla'nen,  die  Regelung  der  Fren- 
zeit  und  Kontrollaufgaben,  erkannten  die  Jugendlichen  sehr  bald,  daB 
durch  diese  Art  von  Mitbestimmung  eine  Veranderung  ihrer  Situation 
nicht  zu  erwarten  war  und  sie  verloren  das  Interesse  an  der  Arbeit 
der  Heimra'te.  Dort  wo  die  Jugendlichen  den  Heimrot  als  aktives  Mo- 
ment der  Interessenvertretung  benutzten.wo  sie  z.B.  bei  der  Entlas- 
sung  und  Neueinstellung  von  Erziehern  mitbestimmen  wollten,  wurden 
diese  Ansatze  sehr  schnell  durch  Intervention  der  Heimleitung  Oder 
des  Tra'gers  zunichte  gemacht. 

-  9  - 


die  s  ch  ™  hIIV1SV"  den  Heimen  ei"e  Padagogik  gehandhabt  wurde, 
orientiert  ,mn  c     Znarsationserfatirun9en  der  Kinder/Jugendlichen 
wlrt  durch  ri?«  t      aU    dle  Wah™ehmung  ihrer  Interessen  vorbereitet, 
wira  aurch  die  Praxis  widerlegt. 

Ernst  zu  mach^V^^96"  VCn  s^ialpadagogen  und  Sozialarbeitern, 
Heimerziehu'nS  ?„  ll  dm  ref°>"meriSchen  Anspruch,  die  Strukturen  der 
un i Se's  e  dP^-^9enen  Interesse  (Arbeitsplatzsltuation) 
verbal        1"  !  t       Klndel"  und  Jugendlichen  zu  verandern,  wurde 
toben     sShffd e"?ekTen-  Sie  du>~fter,  sich  zwar  auf  dera  Papier  aus- 
In  erven?ion Ltrlt^l  '!!  dif  Real^ierung  dachten,  setzten  die 

nahme  kritischer  Fr7  "h  d6S  S^a?tes  und  der  Verbande  ein:   die-AU  n 
mit  Ref~d>?^n     ie-r  ln  Leitungsfunktlonen.  die  Beschaftigung 
lend        *        e  Mif+    WeiS6S  "jntgegenkonmen,  der  Verweis  auf  feh- 
bis  hin  zur  Entlassin J        Verschiedene  Fo™en  »<">  Disziplinierung 

e«."8  asK^yss'sSbS"-^-^ interesse^ und  BedUrf 


sUuation  tende'nziPii1"^!^"  ielbst~  und  Mitbestimmung'ihrer  Lebens- 
e  dann  f ,,!      a"f9enonmen  und  durch  die  Einrichtung  von  He  » 
e  aann  auf  instit.ntinnQii„  D,i ...._.  _•_  "._* <jer  HeiN 


raten,  die  dann  »■.*  •  a^T?enoramen  und  durch  die  Einrichtung 

leitung  auf  reihnnl  f*S  0nelle  Bahnen  und  ira  Interesse 
ung  auf  reTbungslosen  AM  auf  gelerlkt  werden. 

schanfpo'^Jischln^  Ve«e">  ™  P"r  Punkte  Uber  die  gesell; 
febere^ch  aufzuzl"gen        ^^  ™r  die  R^mbewegung  In,  JugendhiT 
"cnlahggebend?en  Waren"fU'"  di*  Veranderungen  in  diesem  Bereich  aus- 
SurdeL^nknur^^uSeld^iand9ruPPenb^g^9  pol itisch  1  Iquldjaft 
r-gsansatzeU™eneS Is       "  ^     I!5^^3?!^?9"^^^^^  Er    a 


rungsansatze'snioi+^k"  "lbner  diese  Frage  ueamwunei.,  i"<=.  ...  ■ 
Reformtendenzen  ?1  Z  ^  ln  der  Diskusslon  der  Einschatzung  v 
■■Le»«den/en    im  Bereich  der  bffentlichen  Erziehung  eine  Rolle. 


sowie  der  MaBnahmen  ?m  ^"fj^dH^Torrinerung  der  HeimerTTehT   . 
schlieBung  ties  ?n  ?f  yJ°rfeld  ist  be9^ndet  in  der  notwendigen  Er 
bisher  aufgrund  Ser  nv^e^-ltZ?nden  Arbeitskraftepotentials,  das 
losungs-  und  DeklaLS"^0^11*"  der  Heimerziehung,  die  Verwahr- 
gehoben  ha?,  nicht  Vn  dTV*^™  9erade  verstSrkt  und  nicht  auf' 
prozeS  eingegliedert  wdMir?dUkP0nspro2eB  als  Kapitalverwertungs- 
Arbeitskra'ftepotentlu  de".konnte-  Die  Ausschbpfuny  des  national 
"nbeziehung  von  Mill  onpn  l-LV^  ?eigt  in  der  Notwendigkeit  der 
wendigkeit,  auch  d  ~«  I nkGastarbeitern  -  schafft  die  zwingende  Not 
Die  Heimer  iehunpsrefoL  I  el-S.kra'ftepotential   verwertbar  zu  machen- 
der  realen  EntwVkw  h  eT"t  sich  so  a1s  ur.mittelbare  Konsequenz 
sen  in  der  BRD.  y      a  KaPitals  und  seinen  Verwertungsbedlirfms- 


MATERIALIEN 

ZUR  JUGEND-  UND  SOZ1ALARBE1T 

NFL, 

?*ISCHENAUSWERTUNG    DES   PROJEKTES    IN 

DES    FAMILIENFORSOH3E    DER   STADT    KDLN 

Ma'SOt  Dolls 

AlSjy'SffiBnauswsrtung  stellt  das  erate  Jahr  der 

sorni' -einer  Proiaktgrappa  In  dar  FamlllBnlur- 

SSWer  s,adt   K6ln   clar  als  erste   Phase  zur 

boK  unS  olnea  Veranderungsmodalls  fur  die 

ffiui1*6  J"9end-  und  Sozialarbalt. 

l=>elb8tkostenprala  DM  2,50) 

NR.2 

[JAIDHAUSER:   VERTEIDIGT   EURE    LEBENSBE- 
WNSUNQEN!  QWA  IN  MONOHEN-HAIDHAUSEN 
ARBEITSBERICHT  1970/71 
"aldhausen-Buro 

dlr  ws.,e  Borlcnt  besohrelbt  die  Arbalt  des  von 
1sirt„  °Jor  Gollancz-Stlftung  getragenen  Arbalts- 
S,«'H  .Haldhausen-Bllro,  Stadtteil-Wor- 
HifiiJ1"  lm  Stadterneuerungsgebiet  Munchen- 
Kf"11"  wahrend  des  ZaTtraumes  November 
i7,^.bls  ok1°ber  1971  und  enthait  erste  Elnschat- 

8SSS4 0,99nen  ArbBit 

NR.3 

KAMPF  UM  EIN  JUQENDWOHNKOLLEKTIV 

PLANSPIEL  UND  WIRKLIPHKEIT 

Christian  Marzahn  /  Arbeltsgruppe  Modalle  Offe- 

nBr  Jugendhllle 

H,!jJ«    Plansplel,    dessen    Splelphasen    und 

gBfllkh   mit   Dokumenten  aus   der  Seschlchte 

2SL.  Jugendwohnkollektlve   konlrontlert  we™f"' 

In  2.  v»rsucht,   das   Spannungsteld   autozeigon, 

'h  dam  aloh  Jugendwohnkollektive  bellnden. .  Hler- 

2i;*  warden  nicht  nurdiespezlfischenProblerne 

JJ»  Jugendwohnkollektive  deutlioh,  sondern  aucn 

die  Funktlon  von  Sozialarbelt  Im  zusammenspiei 

l?2iKBs,^8rdon>  Preese,  Pollzel. 

^eibstkoatenpreie  DM  6,00) 

NR.4 

QEMEINWESENARBEIT  IN  DER  BRD 
PRAXIS  UND  AUS8ILDUNQ  1971/72 
"rbeitagruppo  Gemelnwesenarbelt 
a™?*!!*1  on<"»lt  'm  ersten  Tell  die  Auswertung 
|rner  Balragung   von   38   BWA-Projekten    In i  der 
BRD  Im  Jahre  1971.  Er  untBrsucht  die  Konzepnon 
?eV.fW<le  und  lhre  Trager,  die  praktljche  Pro- 
Wktarbelt,   die   kommunalpolltlsdien  Strateg  en, 
«•  Imtltutlonallen  Probleme  der  Atjellspiatw, 
|M i  Eeibstverstandnls  und  die  QualHkatlo"  der 
aemelnwesenarbelter.  Der  zwelte  Tel  1A"oneht« 
K"  den  stend  der  Ausblldung  In  GWA  an  den 
r:echhochschulen  aul  der  Grundlage  einer  Frage 
epgenerhebung  Im  April/Mai  1972. 
taelbatkostanprels  DM  4,00) 
NR.  5  und  NR.  e 

READER  JUGENDWOHNKOLLEKTIVE 
Arbeltsgruppe  Modelle  Offener  Jugendhllle 

ln'9ihEr"wickluna  dar  JuS»nd»oh"koll^Lte  It 
in  hrem  polltischen  Zuiammenhang  djrgB«teMi 
"8"e  Tendenzen  warden  herausgearljeltet  DaW 
» JM  gezelgt.  da8  elne  wlrksame  Hlfe  aU*  in 
ni*t  Inhaltllch  und  methodlsch  an  der  gesamten 
LebenBsltuatlon  Jugendllcher  angesBtzt  wlrd; .Der 
Reader  enthait  alna  Relho  bisher  schwer  zugjng 
|l*er  Texte  aowle  elne  austuhrliche   Llteratur 

<Selbstkoatenprels  NR.  5  DM  8,00;  NR.  6  DM  6,00) 


SSSXSSLSUSX 

ARBEITSBERICHT  1971/72 

Haldhausen-Buro  ,bl  d]e  Arbeltswelse 

D8r  zwalte  Beridtt  ^f^Arbeltssch werpunk- 


ausluhrllcher   als    " 

WE.TEBEVERDPFENTLiCHUNGEN 

7IIR  THEORIEBILDUNQ 
DUERlR^P^n%A<SpRTENaESPRACH 
BER|CHT  OBER  EIN  EXPEh      .  e| 

Werner  Uocn.   ww 
rselS?fflnpre,sDM^,  feqe. 

ir"R---SDEBV'CTORG0L" 
LANCZ-STIFTUNG  de„  Entwur(; 

_  jugendhllle  als  ju„endlillle, 

-  ssS-s  gna^ssatf-  ^*^ 

-»srjinBVe0nna*.alll9t='- 

NR»    HZUBTHE0RIEUNDSTRATE3IE 

sfeasssaisss: 

(Arbellstltel)     |ntra,„sti.utlonelle  M«|e»e     £nt. 
Arbeilsaropp"    V   d       welleren  V=rlaur  fc#. 

D«r  ,Be,'*deS   Veranderunosmode'.  iunr  ,   d,r. 

RiSSetl^^"'"1302'818 

vlcrmMLU»a-"™"aev' 

•sssst— - 


staatlich  reformer! schen  Anspruch  des  Staates  und  machte  eine  Inter- 
vention notwendig.  Die  Heimerziehungsreform  ist  Ausdruck  eines  aktuel- 
len  und  zeitlich  begrenzten  Legitimationszwangs  der  kapitalistischen 
Gesellschaft,  der  in  diesem  marginalen  Bereich  solange  anhalt,  wie 
die  Skandalisierung  der  Heimerziehung  als  exemplarisches  Bei spiel 
fur  die  Unfa'higkeit  des  sogenannten  Sozialstaates,  mit  den  menschen- 
zerstbreri schen  Folgen  des  kapitalistischen  Systems  zurechtzukommen, 
anhalt. 

Beide  Erkla'rungsansatze  fur  sich  gesehen  kbnnen  die  Reformbewegung 
nur  unzureichend  erklaren.  Einmal  kbnnen  wir  nicht  von  einem  direk- 
ten  Zusammenhang  zwischen  den  Verwertungsschwierigkeiten  des  Kapitals 
und  der  Reformentwicklung  im  Bereich  Jugendhilfe  ausgehen.  Auch  las- 
sen  sich  die  Reformtendenzen  im  Jugendhilfebereich  nicht  allein  als 
"Teil  eines  groBangelegten  ideologischen  Sozial  isierungsprogramms" 
erklaren. 

Ausgehend  von  der  Entwicklung  der  bkonomischen  Basis,  waren  die  Ent- 
wicklungen  in  den  verschiedenen  gesellschaftlichen  Bereichen  in  ihrer 
Vermittlung  abzuleiten. 

Zwei  Momente  sind  in  diesem  Zusammenhang  wichtig: 

a)  die  sich  aus  den  Bkonomischen  Notwendigkeiten  der  Kapitalverwer- 
tung  ergebende  Krise  im  Ausbildungsbereich;  die  Anpassung  der 
Qualification  der  Arbeitskraft  an  den  technologi schen  Entwick- 
lungsprozess; 

b)  die  gesellschaftliche  Bedeutung  von  Sozial isierungs-  und  Resozia- 
lisierungsprozessen. 

Konnte  in  der  Phase  des  wirtschaftlichen  Aufbaues  bis  in  die  60iger 
Jahre  hinein  auf  das  vorhandene  Potential  qualifizierter  Arbeiter 
zuruckgegriffen  werden,  bzw.  der  Mangel  durch  den  Zustrom  hochqua- 
lifizierter  Arbeiter  aus  der  DDR  gedeckt  werden,  so  wurde  zum  Zeit- 
punkt  der  SchlieBung  der  DDR-Grenzen,  der  sich  verscha'rfenden  Konkur- 
renzsituation  auf  dem  internationalen  Weltmarkt,  die  Krise  des  Aus- 
bildungsbereiches  offensichtlich. 

Die  bkonomischen  Widersprliche,  die  ihren  Ausdruck  u.a.  auch  in  einer 
politischen  Krise  des  Systems  (insbes.  im  Ausbildungsbereich)  fanden, 
fuhrten  zur  Ausrufung  des  "Bildungsnotstsndes".  Dahinter  steckt  die 
Erkenntnis,  daB  die  Entwicklung  der  Qualifikation  der  menschlichen 
Arbeitskraft  bkonomische  Bedeutung  gewinnt  zu  dem  Zeitpunkt,  als 
festgestellt  wurde,  daB  die  Arbeitskraft  langfristig  nicht  mehr  den 
Verwertungsbedingungen  des  Kapitals  entsprechen  wlirde.  Die  politische 
Krise,  die  Anspruche  des  Kapitals  an  eine  veranderte  Qualifikations- 
struktur  der  ware  Arbeitskraft  fuhrten  in  der  BRD  zu  einem  Reform- 
klima,  das  sich  fast  auf  alle  gesellschaftlichen  Bereiche  ausdehnte; 
so  auch  auf  den  Bereich  der  Heimerziehung.  BeeinfluBt  wurde  diese 
Situation  durch  die  neueren  wissenschaftl ichen  Erkenntnisse  der  So- 
zial isationsforschung,  der  Psychologie  und  der  Padagogik.  Die  Skan- 
dalisierung und  die  Reformbewegung  in  diesem  Bereich  ist  damit  als 
ein  Abfallprodukt  der  Diskussionen  und  Reformtendenzen  im  Bildungsbe- 
reich  zu  erklaren. 

Damit  allein  ware  allerdings  die  Intensitat  der  Reformvorschlage 
und  -vorhaben  in  dem  marginalen  Bereich  der  Heimerziehung  noch  nicht 
ausreichend  erklart.  Die  Verbindung  ist  nicht  so  zufallig,  wie  es  in 

-    12   - 


der  obigen  Begrundung  noch  den  Anschein  hat.  Auf  die  gesellschaftli- 
che Bedeutung  von  ResozialisierungsprozeBen  haben  Barabas/  SchBe  in 
ihrem  Aufsatz  "Funktion  und  Grenzen  der  Reform  des  Jugendhilferechts" 
(Kritische  Jusitz .1/74)  hingewiesen. 

Sie  gehen  davon  aus,  daB  die  Heimerziehung  als  Resozialisierungsprozess 
nicht  schon  selbst  Qualifikationsprozess  fur  bestimmte  Funktionen 
ist,   sondern  sie  soil   als  Vorstufe  hierzu  die  allgemeinen  Bedingun- 
gen  wiederherstellen,  die  der  QualifikationsprozeB  voraussetzt. 
Verandern  sich  nun  die  Anforderungen  an  die  Qualifikationsstruktur 
der  Ware  Arbeitskraft,  mlissen  sich  auch  die  Bedingungen,  unter  denen 
diese  Qualifikation  ausgebildet  werden  soil,  verandern  (Siehe  Dis- 
kussion:   Vorschule,  Gesamtschule,  betriebliche  Ausbildung,  Hochschu- 

le). 

In  der  Diskussion  um  die  Vorschule  wird  die  Begrenztheit  der  Familien- 
erziehung  fur  die  Qualifikationsprozesse  deutlich.  Um  diese  aufzuhe- 
ben,  soil  durch  Erfassung  aller  3-6ja'hrigen  Kinder  in  der  Vorschule 
ein'hbherer  Vergesellschaftungsgrad  von  Erziehung  in  Form  von  bffent- 
licher  Erziehung  durchgesetzt  werden.  Mit  dem  geplanten  neuen  Jugend- 
hilferecht  soil  ein  tendenziell  einheitliches  bffentliches  Erzie- 
hungssystem  geschaffen  werden;  alle  MaBnahmen  der  Jugendhilfe  sollen 
dem  Erziehungsgedanken  unterstellt  werden.  Daraus  ergibt  sich,  daB 
die  bffentliche  Erziehung  -  wenn  sie  ihrer  gesellschaftlichen  Aufga- 
ben  gerecht  werden  will  -  ihren  diskriminierenden  Charakter  tenden- 
ziell aufgeben  bzw.  ihre  Struktur  andern  muB.  Jugendhilfe  konnte 
dann  neben  Familie,  Schule  und  Berufsausbildung  zum  eigenstandigen 
Sozial isationsbereich  werden.  Die  DurchfUhrung  bzw.  Realisierung 
dieses  Programms  stbBt  neben  politisch-ideologischen  Schwierigkeiten 
(z.B.  Verbandsinteressen,  Hierarchisierung)  auch  auf  die  strukturell 
bedingte  Knappheit  finanzieller  Mittel. 

Ohne  Zweifel  haben  sich  die  Ausgaben  fur  die  Heimerziehung  zu  fast 
50  %   erhbht,  eine  Realisierung  der  aufgestellten  Reformvorhaben  wlir- 
de aber  die  Kosten  flir  die  Resozial  isierungsmaBnahmen  ins  unermeBli- 
che  steigern,  und  die  Trager  der  bffentlichen  Erziehung  (Gemeinde 
u  Lander)  in  finanzielle  Schwierigkeiten  bringen.  Grundsatzlich  ist 
davon  auszugehen,  daB  Investitionen  flir  den  Sozialisations-  und  Re- 
sozialisierungsbereich  gesamtgesell schaftlich  notwendig,  aber  flir 
die  Einzelkapitale  unproduktiv  sind.  Die  Kosten  flir  den  Jugendhilfe- 
bereich werden  zwar  nicht  vom  Einzelkapital  direkt  getragen,  sondern 
liber  die  Umverteilung  der  staatlichen  Haushaltsmittel .  Durch  Umver- 
teilung  des  gesamtgesellschaftlich  produzierten  Mehrwerts  werden  die 
Trwestitionen  im  Sozialbereich  finanziert;  aus  ihnen  la'Bt  sich  aber 
kein  Mehrwert  Ziehen  und  sie  bedeuten  damit  einen  Abzug  auch  vom  Wertpro- 
dukt  der  jeweiligen  Einzelkapitale.  Die  kurzfristigen  Interessen  der 
Einzelkapitale  nach  Steigerung  des  Profits  stehen  also  einer  Auswei- 
tunq  der  Kosten  flir  den  Sozialbereich  entgegen.  Andererseits  ist  es 
im  Interesse  des  Gesamtkapitals,  daB  die  Reproduktionsfahigkeit 
der  Ware  Arbeitskraft  erhalten  bleibt  -  die  Qualifikationsstruktur 
der  Ware  Arbeitskraft  muB  den  neuen  Produktionsbedingungen  angepasst 
bleiben.  Investitionen  werden  daher  in  diesem  Bereich  gegen  den  Wi- 
derstand  von  Einzel-Kapitalen  durchzusetzen  sein  bzw.  nur  insoweit, 
wie  sie  flir  die  Aufrechterhaltung  der  Reproduktionsbedingungen  des 
KaDitals  notwendig  sind.  _ 

ner  Resozialisierungsbereich,  der  nicht  in  direkter  Bezienung  zum 
Capital  steht  (im  Gegensatz  zum  Vorschul-  und  Bildungsbereich) , 

-  13  - 


muB  daher  im  besonderen  rait  knappen  Finanzmitteln  rechnen. 
Der  Widerspruch  zwischen  notwendiger  Vergesellschaftung  von  Erzie- 
hung  und  den  fehlenden  Mitteln  zu  ihrer  Realisierung  bleibt  beste- 
.    hen  und  ist  in  der  kapitalistischen  Gesellschaft  nicht  aufzuheben. 

Zusammenfassung: 

Der  gesamte  Bereich  der  "auBerfamiliaren  Erziehungshilfen"  wird  zu- 
nehmend  ausgedehnt  und  erfasst  zukunftig  alle  3-18J./25  j.  Kinder 
und  Jugendlichen.  Trotz  des  vorgesehenen  Ausbaus  von  "offenen,  vor- 
beugenden"  Hilfen  bleibt  die  traditionelle  Jugendflirsorge  Schwer- 
punkt  sozialarbeiterischer  Interventionen  (siehe  Kritik  am  Jugend- 
hilferecht  Info  Nr.  6). 

Von  diesen  MaBnahmen  sind  tendenziell  alle  Arbeiterjugendlichen 
betroffen.  Dort  wo  die  herkb'mmlichen  Sozialisationsinstanzen  (Fami- 
lie,  Schule,  Betrieb)  ihre  Aufgabe  nicht  raehr  erflillen  kbnnen,  dort 
wo  Jugendliche  gegen  die  ihnen  aufgezwungenen  Lebensbedingungen  re- 
bellieren,  setzt  Jugendhilfe  ein.  Da  Jugendhilfe  fur  die  Arbeiter- 
jugendlichen Kontrolle  und  Diszipl inierung  bedeutet,  sollten  rait 
einem  sozialistischen  Anspruch  arbeitende  Sozialarbeiter  sich  daher 
nicht  aus  diesera  Bereich  zuriickziehen,  um  nur  dort  zu  arbeiten,  wo 
diese  Funktionen  nicht  vermutet  werden.  Wir  sollten  auch  nicht  die 
Illusion  haben,  die  WidersprUche  dieses  Bereiches  aufzulbsen  Oder 
uns  der  systematablisierenden  Funktion,  die  Sozialarbeit  auch  hier 
hat,  entziehen  zu  kbnnen. 

Wir  sollten  aber  auch  nicht  die  von  Jugendhilfe  Betroffenen  einer 
konservativen  Oder  schein-progressiven  Padagogik  uberlassen.  Viel- 
mehr  sollte  unser  padagogisch-pol itischer  Kampf  zum  Ziel  haben,  die 
Voraussetzungen  fur  die  Re-Integration  der  Kinder  und  Jugendlichen 
in  die  Arbeiterklasse  zu  erreichen.  D.h.  Kampf  um  verbesserte  Ar- 
beitsbedingungen,  Befahigung  der  Jugendlichen  zur  Durchsetzung  ihrer 
objektiven  und  subjektiven  Interessen,  und  Unterstlitzung  dort,  wo  sie 
selbst  dazu  nicht  in  der  Lage  sind,  Auflbsung  ihres  individuellen 
Problemlbsungsverhaltens  (Kriminalitat,  Alkohol,  Drogen  etc.)  zugun- 
sten  einer  kollektiven  Kampfperspektive. 

Eine  Diskussion  Liber  diese  Arbeit,  liber  ihren  Stellenwert  (siehe 
Info  Nr.  5)  und  die  mbglichen  Handlungsperspektiven  muB  dabei  aller- 
dings  immer  den  gesamtgesellschaftlichen  Zusamraenhang  miteinbezie- 
hen,  d.h.  auch,  daB  wir  unsere  Mbglichkeiten  realistisch  einschatzen 
angesichts  der  Strukturen  in  der  Heimerziehung,  der  noch  wenig  ent- 
falteten  Klassenkampfe,  der  Tatsache,  daB  flir  die  Arbeiterorganisa- 
tionen  die  Deklassierung  von  Teilen  der  Arbeiterjugendlichen  kein 
Massenproblem  ist  (im  Gegensatz  zur  Weimarer  Zeit)  und  die  Verhinde- 
rung  von  Deklassierung  nicht  allein  abhangig  ist  von  der  Intensitat 
sozialpa'dagogischer  Arbeit. 


(1)  Pongratz/HLihner:      Lebensbewahrung  nach  bffentlicher 
erziehung,  Neuwied  1959 

(2)  Specht,  F.   Sozialpsychiatrische  Gegenwartsprobleme  der  Jugend- 
verwahrlosung,  Stuttgart  1967 

(3)  Der  Spiegel,  Nr.  3/73,  Seite  90 

(4)  Siehe:  Crusius/Wil ke:  Zur  Situation  der  Berufsausbildung 
in:  Deutsche  Jugend,  12/73. 

-  14  - 


Autorenkollektiv  Erziehung  &  Klassenkampf : 

VORBEREITUNGSMATERIALIEN  ZUM  SOZIALISATIONSFELD 
"JUGENDARBEIT  UND  FREIZEIT" 


Dieser  Beitrag  konzentriert  sich  auf  die  Analyse  der  Funktionen,  die 
die  Jugendarbeit  und  Jugendpflege  im  Sinne  des  bUrgerlichen  Staates 
und  der  Interessen,  die  er  vertritt,  zu  erflillen  hat.  Diese  Funk- 
tionsbestimmung  umreiBt  die  Bedingungen,  mit  denen  das  Handeln  von 
Jugendlichen  und  Sozialpadagogen  in  den  Institutionen  der  Jugend- 
pflege und  der  auBerinstitutionellen  Jugendarbeit  zu  rechnen  und  mit 
denen  es  sich  in  dem  MaBe,  in  dem  es  antikapitalistische  Intentionen 
verfolgt,  herumzuschlagen  hat.  Ein  Engagement  von  Sozialarbeitern 
und  Sozialpadagogen  fiir  die  fundamental  en  Interessen  von  Jugendli- 
chen wird  nur  dann  wirkungsvoll  sein,  wenn  sie  die,  vor  allem  auf 
der  Masse  der  Arbeiterkinder  und  -jugendlichen  lastenden  miserablen 
Lebensbedingungen  und  Lebenschancen  als  eine  notwendige  Auswirkung 
kapital  istischer  Produktionsverhaltnisse  und  der  darin  begrlindeten 
Klassenherrschaft  einer  Minderheit  Liber  die  Mehrheit  der  arbeitenden 
Bevblkerung  begreift  und  die  Jugendarbeit  als  ein  Feld  unter  anderen, 
in  dem  und  von  dem  aus  der  Kampf  gegen  diese  Verhal tnisse  gef'u'hrt 
werden  kann  und  muB.  Wir  gehen  davon  aus,  daB  ein  wirkungsvoll es 
Engagement  flir  die  fundamentalen  Interessen  von  Jugendlichen  nur 
moglich  ist,  wenn  die  jugendpolitischen  Reformversprechen  des  Staa- 
tes nicht  umstandslos  flir  bare  Mlinze  genommen,  sondern  auf  ihre 
Legitimierungsfunktion  hinterfragt  und  mit  der  Realitat  der  Jugend- 
pflege und  mit  den  tatsachlich  erfolgenden  MaBnahmen  des  Staates  kon- 
frontiert  werden. 

Eine  Untersuchung  der  Reformversprechen  ist  auch  deshalb  besonders 
wichtig,  weil  sie  bei  manchen  Sozialarbeitern  und  Sozialpadagogen 
mogl  icherweise  die  Illusion  produzieren  helfen,  der  Staat  werde  ihre 
miserablen  Arbeitsbedingungen  und  die  Lebensbedingungen  der  Arbeiter- 
kinder und  -jugendlichen  von  Grund  auf  a'ndern,  und  er  kbnne  dies, 
ohne  die  kapitalistischen  Grundlagen  unserer  Gesellschaft  anzutasten. 
Allerdings  wlirden  jugendpolitische  ReformmaBnahmen  auch  nicht  zu- 
reichend,  ja  sogar  politisch  falsch  eingeschatzt,  wenn  sie  nur  als 
trickreiches  Teufelswerk  schlauer  Reformisten  Oder  Agenten  "progres- 
siver  Kapital fraktionen"  begriffen  wlirden,  die  bloB  entlarvt  werden 
mliSten.  Neben  dieser  -  natlirlich  notwendigen  -  Antwort  kommt  es  da- 
rauf  an,  die  in  Reformversprechen  und  -versuchen  selbst  zum  Vorschein 
kommenden  WidersprUche  und  Schwierigkeiten  aufzugreifen  und  in  offen- 
siver  Weise  auszunutzen  (1).  Jeder  konsequente  Ansatz  antikapitalisti- 
scher  Jugendarbeit,  der  in  den  letzten  Jahren  in  der  Bundesrepublik 
unternommen  wurde,  flihrte  in  der  Praxis  zu  Konfrontationen  mit  dem 
Staat.  Dies  gilt  sowohl  flir  Initiativen  "systemkritischer"  Jugendli- 
cher  und  Jugendorganisationen  wie  flir  die  Versuche  von  Padagogen 
und  anderen  Intellektuellen,  eine  Jugendarbeit  mit  eindeutig  antika- 
pital istischer  Zielsetzung  zu  praktizieren.  Frlihe,  noch  wenig  ent- 
faltete  Beispiele  waren  die  Auseinandersetzungen  um  die  von  der 

-  1  5  - 


antiautoritaren  Studenten-  und  SchLilerbewegung  inspirierten  Ansatze 
einer  "repressionsfreien"  Sexualerziehung  in  Zeltlagern  und  Freizeit- 
heimen,  spa'tere  Beispiele  die  Kampfe  von  Arbeiterjugend-  und  Sch'u- 
lergruppen  um  selbstverwaltete  Jugendzentren  und  Wohnkollektive. 
Je  konkreter  und  offener  antikapitalistisch  die  Ziele  artikuliert 
und  je  grbBer  die  Resonanz  dieser  Initiativen  bei  Jugendlichen  und 
in  der  Offentlichkeit  wurde,  desto  massiver  trat  der  Staat  auf  den 
Plan. 

Staatliche  Interventionen  bilden  eine  wesentliche  Rahmenbedingung 
jeder  Jugendarbeit,  seit  der  Staat  in  der  kapitalistischen  Gesell- 
schaft  selber  aktive  Jugendpolitik  betreibt.  Jede  Initiative,  jede 
Praxis  ist  rait  dem  Staat  spatestens  da  konfrontiert,  wo  sie  die 
Praraissen  staatlicher  Jugendpolitik  nicht  anerkennt  bzw.  staatliche 
MaBnahmen  und  Intentionen  in  der  Jugendarbeit  infrage  stellt,  mag 
dies  absichtlich  geschehen  Oder  nicht.  Jeder  Ansatz  antikapitalisti- 
scher  Jugendarbeit  muB  deshalb,  will  er  nicht  vorzeitig  scheitern, 
sich  einen  Begriff  davon  machen,  warum  den  Staat  Jugendarbeit  inter- 
essiert,  warum  er  Jugendpflege  betreibt  und  welche  Interessen  er  bei 
seinen  MaBnahmen  und  Interventionen  zur   Geltung  bringt. 

Spatestens  seit  dem  preuBischen  JugendpflegeerlaB  vom  18.  Januar  1911 
(2)  hat  der  Staat  im  kapitalistischen  Deutschland  eine  aktive  Ju- 
gendpolitik entwickelt  und  praktiziert.  Sie  stand  von  Anbeginn  im 
Dienst  der  Aufrechterhal tung  der  bestehenden  Machtverhal tnisse  und 
erfiillte  ihre  Aufgabe  bisher  im  wesentlichen  durch  die  ideologische 
Integration  der  nachwachsenden  Generation  in  die  bestehende  gesell- 
schaftliche  und  staatliche  Ordnung.  Staatliche  Jugendpolitik  lieB 
immer  den  Kindern  und  Jugendlichen  besondere  "Aufmerksamkeit"  zuteil 
werden,  deren  naturwu'chsige  Integration  in  das  bestehende  System  am 
meisten  gefahrdet  war  und  die  ein  "dysfunktionales"  Potential  dar- 
stellten  Oder  zu  werden  drohten.  Jugendpolitik  war  immer  besonders 
"gefragt"  in  gesellschaftlichen  Krisensituationen,  in  denen  die 
Integrationskraft  des  bestehenden  gesellschaftlichen  und  politischen 
Systems  auf  die  Jugend  besonders  prekar  wurde  und  nach  Starkung  ver- 
langte.  In  ihrer  HauptstoBrichtung  lief  sie  darauf  hinaus,  revolu- 
tiona're  Bewegungen  -  vor  allem  die  Arbeiterbewegung  -,  die  auf  eine 
Entmachtung  der  in  der  kapitalistischen  Gesellschaft  herrschenden 
Klasse  gerichtet  waren,  "unschadlich"  machen  zu  helfen.  Der  spezifi- 
sche  Beitrag  staatlicher  Jugendpolitik  bestand  darin,  die  aufbegeh- 
renden  Teile  der  Jugend  mit  dem  wechselbad  von  Zuckerbrot  und  Peit- 
sche  den  revolutionaren  Organisationen  zu  entfremden  und  in  die  herr- 
schende  Ordnung  zu  integrieren.  In  einer  reprasentativen  Darstel- 
lung  der  "staatlichen  Organisation  der  Jugendpflege"  heiBt  es  1912: 
"Wenn  wir  uns  nicht  um  die  Jugend  der  arbeitenden  Klassen  klimmern, 
so  verkommt  sie,  sie  saugt  den  HaB  gegen  die  Gesellschaft  ein  und 
birgt  die  Lust  in  sich,  sie  zu  zertrlimmern."  (3)  Mit  dem  Mittel  einer 
Art  "inneren  Sozialreform"  wird  der  Gedanke  in  die  Tat  umzusetzen 
versucht,  "daB  soziale  Sicherheit  innen-  und  auch  auBenpol itisch  (?) 
Frieden  garantiert.  Die  Forderung  der  sozialen  Sicherheit  fur  mog- 
lichst  alle  Schichten  ist  flir  die  Herrschenden  ein  geeignetes  Mittel, 
ihre  eigene  politische  und  gesellschaftliche  Stellung  zu  halten".(4) 
An  der  antirevolutionaren  Integrationsaufgabe  der  Jugendpolitik  hat 
sich  auch  in  den  parlamentarischen  Republiken  von  Weimar  und  Bonn 
im  Kern  nichts  geandert.  Shnlich  wie  im  Kaiserreich  wird  im  (2.)  Ju- 

-  16  - 


gendpflegeerlaB  des  Weimarer  Staates  vom  22.  November  1919  der  Ju- 
gendpflege aufgetragen,  sie  solle  "dazu  beitragen,  daB  die  deutsche 
Jugend  ...  dem  Vaterland  in  seinem  tiefsten  Ungllick  erst  recht  Lie- 
be  und  Treue  bewahrt  und  deutsches  Wesen  hochhalt.  ...  Die  Jugend 
soil  wiling  und  tiichtig  werden,  ihre  Pflichten  gegenliber  dem  Volks- 
ganzen  gewissenhaft  und  in  opfermutigem  Gemeinsinn  erflillen"  (5). 
Diese.angesichts  der  gerade  erstickten  proletarischen  Revolution  in 
Deutschland  formulierte  Beschwbrung  der  Klassenversbhnung  ,findet 
in  der  Bundesrepubl  ik  ihre  Entsprechung  in  dem  mit  der  Verkundung 
des  1.  Bundesjugendplans  am  18.  Dezember  1950  verbundenen  Appell  des 
damaligen  Bundesprasidenten  Heuss,  Jugendfragen  nicht  als  Interessen- 
fragen,  sondern  als  gemeinsame  "deutsche  Angel egenhei ten"  zu  ver- 
stehen:  "Das  steht  nicht  im  Grundgesetz,  das  steht  in  unserem  Her- 
zen"  (6).  In  ahnlicher  weise  betont  der  damalige  Innenminister 
Gerhard  Schroder  in  einer  Rede  bei  der  Hauptversammlung  des  Deut- 
schen  Bundesjugendringes  am  19.  November  1953  in  Hamburg  die  Herstel- 
lung  bzw.  Bewahrung  des  "inneren  Friedens"  als  Hauptaufgabe  der  Ju- 
gendpolitik: "Vom  ersten  Tage  meiner  T'a'tigkeit  an  habe  ich  die  Mit- 
verantwortung  flir  das  Schicksal  der  Jugend  als  einen  ganz  entschei- 
denden  Teil  meiner  Arbeit  angesehen.  Der  Innenminister  ist  fur  die 
Ordnung  des  inneren  Gefiiges  eines  Staates  verantwortlich.  Der  Schutz 
der  Verfassung,  der  richtige  Aufbau  der  staatlichen  Verwaltung  und 
der  innere  Friede  sind  ihm  anvertraut.  Ich  glaube  aber,  daB  unsere 
innere  Ordnung  den  St'urmen  der  Zeit  nicht  gewachsen  ware,  wenn  sie 
nur  auf  Gesetzen,  auf  Verwaltungsvorschriften  und  auf  der  polizeili- 
chen  Macht  des  Staates  beruhen  sollte.  Unsere  staatliche  Ordnung 
bedarf  der  Verankerung  in  den  Herzen  aller  Glieder  des  Volkes.  (...) 
Die  Jugend  muB  auch  fru'h  das  Ganze  sehen  und  ihre  Verantwortung  fur 
das  Ganze.  (...)  Die  ganze  FLille  jugendlicher  Aktivitat  und  jugend- 
licher  Lebenserwartung  muB  einmlinden  in  die  Freude  am  Beruf,  in  den 
Willen  zur  Leistung,  in  den  Willen  zur  zuverlassigen  qualifizierten 
Arbeit"  (7). 

19  bzw.  16  Jahre  spa'ter,  als  angesichts  der  aufgekommenen  Studenten- 
und  SchLilerbewegung  erneut  "Unsicherheit  im  Umgang  mit  den  ihr  zuge- 
ordneten  Kraften,  vor  allem  mit  der  aufbegehrenden  Jugend,  spurbar" 
(8)  wird  und  die  Jugendpolitik  nicht  mehr  imstande  ist  "iiberzeugende 
Antworten  auf  die  an  sie  gerichteten  Fragen"  (9)  zu  finden,  sieht 
sich  ein  leitender  Beamter  des  Bonner  Ministeriums  flir  Familie  und 
Jugend  wieder  veranlaBt,  an  die  zentrale  Aufgabe  staatlicher  Jugend- 
politik zu  erinnern.  "Jugendpolitik  vol Izieht  sich  nicht  auf  elysi- 
schen  Gefilden  edler  Menschlichkeit,  sie  ist  vielmehr  in  gleicher 
Weise  Dienst  am  Nachsten  und  Kampf  um  die  Macht"  (10).  Die  Propagie- 
rung  des  "Dienstes  am  Nachsten"  ist  selber  als  ideologische  Kompo- 
nente  des  Kampfs  um  die  Erhaltung  bestehender  Machtverhal tnisse  zu 
verstehen,  indem  sie  denen,  die  von  der  Macht  ausgeschlossen  sind, 
auszureden  versucht,  daB  der  Kampf  gegen  die  bestehende  Macht  in 
ihrem  (Klassen-)  Interesse  liegen  kbnnte:  "Jugendpolitik  hat  wie 
alle  Politik  den  Frieden  zu  wahren  und  daflir  zu  sorgen,  daB  das  mannig- 
fache  Gegeneinander  in  unserer  offenen  Gesellschaft  nicht  im  Chaos 
endet"  (11)-  Ihre  Integrationsaufgabe  nimmt  die  staatliche  Jugend- 
politik nicht  zuletzt  dadurch  wahr,  daB  sie  an  der  Wiederherstellung 
des  "inneren  Friedens"  mitwirkt,  ohne  die  in  der  kapitalistischen 
Produktionsweise  begriindeten  Ursachen  sozialer  Konflikte  beim  Namen 
zu  nennen  Oder  gar  anzutasten. 

-  17  - 


In  den  60er  Jahren  setzten  verstarkt  Diskussionen  Liber  Aufgaben  und 
Funktion  staatlicher  Jugendpflege  ein,  die  ihren  konkreten  Ausdruck 
in  verschiedenen  Versuchen  zur  Entwicklung  von  Konzeptionen  flir  die 
Jugendarbeit  fanden.  Der  Jugendpflegebericht  des  Senats  von  West- 
Berlin  stellt  den  Ausgangspunkt  flir  die  "Neu  -Konzipierung"folgender- 
maBen  dar: 

"Die  Aufgabenstellung  in  den  50er  Jahren  war  stark  bestimmt  durch 
die  Folgen  der  Kriegsschaden,   der  Demontage,   der  Spaltung  Berlins 
-  1952  woven  z.B.   rd.    25  000  Jugendliche  imter  18  Jahren  ohne  Aus- 
bildungs-  bzw.   Arbeitsplatz.  "  (12) 

dm  diese  "soziale  und  individuelle  Not  im  wesentlichen  zu  iiberainden" , 
.sestimmten  "der  Bau  und  Ausbau  von  Jugendpflegestatten,   insbesondere 
als    'Heime  der  offenen  Ttir',    (...)  von    ' '  Jugendnoteinsatz ' ,   Spiel- 
platzaktionen    (...)    (und)  das    ' Hands ehaffende  Jahr'    (...)   in  starkem 
Halie  die  Aufgabenstellung  der  Jugendpflege"   (13). 
Hier  soli  der  Eindruck  erweckt  werden,  als  provoziere  gerade  die  FLil- 
le  von  jugendpflegerischen  Aktivitaten  und  Angeboten  eine  Koordina- 
tion  in  Form  einer  einheitlichen  Konzeption  flir  die  Jugendarbeit, 
um  nicht  am  1948  formulierten  Ziel  vorbeizuagieren  "dem  jungen  Men- 
schen  zu  einem  Selbstvertrauen  zu  verhelfen,   ihm  die  kulutrellen  Gii- 
ter  unseres  Volkes  und  die  anderen  Vdlker  zu  erschlieBen,   urn  damit 
einen  au&erordentlich  wichtigen  Beitrag  zur  Entwicklung  der  Person- 
liohkeit    (...)   zu  leisten,    dem  jungen  Mensohen  Wage  aufzuzeigen,    die 
es  ihm  ermSgliohen,    soziale  Zusammenhdnge  zu  erkennen,   urn  ikn  zu 
einem  wertvollen,   verantwortungsbewulSten  Glied  der  Cemeinsahaft  zu 
maehen"     (14). 

Tatsache  dagegen  war  Ende  der  50er  Jahre  das  Manifestwerden  des 
Scheiterns  dieser  Zielvorstellung  von  Jugendpflege,  das  sich  -  auf 
die  Kurzformel :  die  Jugend  von  der  StraSe  zu  holen,  urn  unliebsame 
Polizeieinsatze  zu  verhindern  -  in  leerstehenden  "Hausern  der  offe- 
nen Tu'r",  sinkenden  Teilnehmerzahlen  bei  Lehrgangen  und  Bildungsver- 
anstaltungen  und  nicht  zuletzt  anhand  des  "Bander-  und  Halbstarken- 
problems"  als  nicht  langer  Libersehbares  Faktum  darstellte.  Zertrum- 
merte  Sportpalaste,  StraBenschlachten  mit  der  Polizei,  kompromiBlose 
Ablehnung  der  biirgerlichen  Norm-  und  Wertvorstellungen  und  der  kaputt- 
machenden  Arbeitsorganisation,  das  Durchschauen  der  flimmernden  Wohl- 
standsfassade  vor  der  psychischen  und  physischen  Verelendung  des 
jugendlichen  Proletariats,  latente  oder  offene  Aggressionen  gegen 
alle  Chefs,  Lehrer,  Eltern,  Bullen  -  diese  Einstellungen  und  Aktivi- 
taten vieler  Arbeiterjugendlicher  und  Schuler  in  das  kapitalistische 
System  zu  integrieren,  konnte  die  herkbmmliche  Jugendpflege  nicht  in 
der  Lage  sein.  Die  Einstellung  der  Jugendlichen  sei  illustriert  durch 
ein  Flugblatt  nach  einer  Saalschlacht  im  AnschluB  an  ein  Konzert  mit 
den  Rolling  Stones: 

"Den  Stuhlen  trauern  wir  nicht  nach.    Urn  das  klarzumachen:  die  Schuld 
an  dieser  Entladung  angestauter  Aggression  haben  weder  Kick  Jagger 
noch  die  anderen  Stones.   Sie  haben  nur  fitr  uns  alle  gesprochen  mit: 
I  CAN'T  GET  NO  SATISFACTION  ! ! 

DaB  wir  keine  Befriedigung  finden,   geht  voll  auf  das  Konto  derer, 
die  uns  angeben  wollen,   das  Leben  bestehe  aus  nichts  anderem  als 
Unierordnung  und  Vorwdrtskormien,    Respekt  und  Karriere,    Lernen  und 
Zeugnissen,   Arbeit  und  Zahltag,   Fleili  und  Erspartem,   Ruhe  und  Ord- 
nung,   Anstand  und  Gesetz,    VW  und  Opel.   Mit  ihrem  ganzen  Gefasel  meinen 
sie  immer  nur  das  Geld,   das  sie  in  ihrer  Ueuchelei  aber  nie  beim 


Somen  nennen.    Es  ist  die  einzige    'echte  Liebe',   zu  der  sie  fahig 
sind.    Wir  maehen  uns  nichts  vor  und  zeigen,   was  wir  fuhlen.    Wir 
haben  gemerkt,   was  uns  fehlt:   SATISFACTION!!" 

Diese  Aussagen  sind  als  konkreter  Ausdruck  proletarischer  Existenz- 
bedingungen,  als  Erkenntnis  von  der  Unmbglichkeit  der  Bediirfnisbe- 
friedigung  in  der  biirgerlichen  Gesellschaft,  als  radikale  Ablehnung 
burgerlicher  Lebensperspektiven  zu  werten. 

Im  Gegensatz  zu  Unruhen  unter  der  biirgerlichen  Jugend  treffen  die 
Basisaktivitaten  einer  revoltierenden  Arbeiterjugend  auf  die  Lebens- 
nerven  des  kapitalistischen  Systems,  das  nur  in  dem  MaBe  existiert, 
indem  die  Arbeiterklasse  physisch  und  psychisch  zu  unterdrlicken 
vermag.  Auf  diesem  Hintergrund  des  Versagens  der  Jugendpflege  und 
der  Problematik  der  nur  partiellen  und  nicht  standig  praktikablen 
"Erfolge"  brutal er  Polizeieinsatze  sind  die  Bemlihungen  und  Forderun- 
gen  in  den  letzten  zehn  Jahren  nach  Erarbeitung  neuerer,  effektive- 
rer  Konzeptionen  und  Integrationsstrategien  in  der  Jugendpflege  zu 
verstehen.  Die  sich  starker  artikulierende  Arbeiterjugend,  insbe- 
sondere wenn  sie  in  Verbindung  mit  Schuler-  und  Studentenbewegungen 
steht,  einerseits,  und  die  veranderten  Produktionsformen  und  neuen 
Qualifikationsanf'orderungen  an  die  Ware  Arbeitskraft  (15)  andererseits, 
maehen  Jugendpflege  neben  oder  liber  die  Sozialisationsagenturen 
Elternhaus  und  Schule  hinaus  zu  einer  immer  wichtiger  werdenden  In- 
terventionsmb'glichkeit  des  kapitalistischen  Staates. 

Zur  Erfullung  dieser  wachsenden  und  notwendiger  werdenden  Funktionen 
war  die  staatliche  Jugendpflege  immer  weniger  in  der  Lage,  sie  war 
selbst  in  eine  Krise  geraten.  Untersuchungen  in  Nordrhein-Uestfalen 
und  die  Analysen  der  Jugendfreizeitheime  der  BRD  durch  Grauen/Llidtke 
(16)  haben  einen  Rlickgang  der  Besucherzahlen  und  einen  Wandel  in  der 
Struktur  der  Heimbesucher  in  den  letzten  15  Jahren  festgestell t: 
wahrend  noch  Ende  der  50er  Jahre  die  Hauptaufgabe  der  Jugendarbeit 
im  Jugendfreizeitheim  in  der  Verwaltung  und  Vergabe  von  Raumen  an 
Jugendverba'nde  bestand,  ist  der  Anteil  dieser  Gruppen  in  der  Besu- 
cherzahl  heute  verschwindend  gering.  Der  Jugendbericht  der  Bundes- 
regierung  von  1965  konstatierte  dazu  lakonisch: 

"Die  Zeiten,   da  man   'mit  Leib  und  Seele'  Turnen,   Arbeiter sportier, 
V fad  finder,    Sahrebergartner  oder  Wandervogel  war,    sind  vorbei".  (17) 
Der  Jugendpflegebericht  von  West-Berlin  gibt  sich  wissenschaftl icher: 
"Fiir  die  Jugendverbdnde  war  der  Zustrom  eines  groBen  Teils  von  Mit- 
qliedern  in  den  funfziger  Jahren  bestimmt  von  der  dynamisahen  Grup- 
penstruktur  der  Verbandsarbeit,   die  heute  kaum  noch  anzutreffen  ist. 
(  ..)   Die  formelle  Jugendgruppe  ist  heute  eine  Seltenheit.    (...) 
Die ' Jugendorganisationen  befinden  sich  daher  heute  weitgehend  in 
der  Rolle  einer   'Bildungs-  und  Freizeitinstitution'  und  haben  sich 
damit  weit  von  ihren  fruheren  Gruppenstrukturen  entfernt". (18) 
Die  Jugendlichen  selbst  erklaren  ihre  Abwehr  gegeniiber  der  deutschen 
Vereinstlimlerei  am  konkretesten: 

"Wir  wollen  unsere  Freizeit  frei  und  nicht  einseitig  festgelegt  ver- 
bringen;  Posaunenblaser  blasen  nur,   Su&wasser angler  angeln  nur, 
Kaninchenzuchter  zuchten  nur.    Wir  wollen  mehr.    Wir  wollen  Nusik 
Wren  und  maehen,   quatschen,   malen,   filmen,   flippern,   fotograf-Leren, 
diskutieren,   drucken,    lesen,   Tee  trinken   (...)   und  das  alles  nicht 
im  Verein  und  nicht  nach  Stundenplan" . (19) 


19  - 


Ira  folgenden  soil  versucht  werden,  die  Jugendfreizeitheim-Misere 
auf  dem  Hintergrund  des  Selbstverstandnisses  staatlicher  Jugend- 
pflege  einer  genaueren  Analyse  zu  unterziehen. 
Der  Auftrag  der  Jugendhilfe  leitet  sich  aus  dem  JWG  §  5  ab: 
"Aufgabe  des  Jugendamtes  ist  ferner,   die  ftir  die  Wohlfahrt  der  Ju- 
gend  erforderlichen  Einrichtungen  und  Veranstaltungen  anzuregen,    zu 
fSrdern  vend  ggf.   zu  schaffen.  " 

DaB  sich  die  Jugendamter  jedoch  in  der  Hauptsache  auf  einen  Teil- 
bereich  der  Jugendhilfe,  auf  die  JugendfUrsorge  konzentrierten, 
wahrend  die  Jugendpflege,  d.h.  die  auBerschulische  Jugendbildung 
und  die  Organisierung  und  Verwaltung  der  Freizeit  bisher  vergleichs- 
weise  vernachlassigt  wurde,  ist  aus  dem  Zusammenhang  von  Repression 
und  Fursorge  abzuleiten  (20).  Jugendfursorge  benotigt  in  ihrer  Funk- 
tion  der  Abschreckung  und  Diszipl inierung,  womit  deklassierte  Jugend- 
liche  standig  der  Gefahr  der  Kriminalisierung  und  Kasernierung  aus- 
gesetzt  werden  sollen,  erst  einmal  wesentlich  mehr  finanzielle  Mit- 
tel  als  die  freizeitgestaltende  Jugendpflege.  Erst  der  kollektive 
Widerstand  der  Jugendlichen,  der  sich  in  der  Schliler-  und  Lehrlings- 
bewegung  und  dem  Kampf  urn  selbstverwaltete  Jugendzentren  manifestier- 
te,  verdeutlichte  der  Offentlichkeit  vordergriindig  die  Krise  der 
Jugendpflege:  leerstehende  Jugendfreizeitheime,  Angebote,  die  an  den 
Interessen  und  Bediirfm'ssen  der  Jugendlichen,  insbesondere  der  Ar- 
beiterjugend  vorbeigehen,  Konzeptionslosigkeit  der  Jugendpflege, 
Hilflosigkeit  der  Heimleiter,  Erzieher,  Sozialarbeiter  gegenliber  der 
sich  immer  unu'berhb'rbarer  artikul ierenden  Jugend.  Kniippeleinsa'tze 
der  Polizei  und  AbriB  von  besetzten  Freizeitinstitutionen. 

Trotz  alledem  liest  sich  das  papierene  Selbstversta'ndnis  der  Jugend- 
pflege so: 

"Jugendpflege  beschrdnkt  sich  nioht  auf  vorgegebene  Inhalte.   Sie 
kann  sich  mit  jedem  Gegenstand  beschaftigen,   der  fur  Junge  Mensohen 
problematisch  oder  bedeutungsvoll  ist.   Wichtiger  ist,  wie  ein  Thema 
behandelt  wird,   damit  SelbstbewuBtsein,   kritische  Einsieht  in  gesell- 
schaftliche  Zusammenhdnge ,   Einubung  bestimmter  Verhaltensweisen  ver- 
mittelt  werden. 

Insbesondere  soil  die  Jugendpflege  Mogliehkeiten  zum  Einuben  einer 
Vielzahl  sozialer  Rollen   (sosiales  Lernen)  und  zum  Bewaltigen  von 
Konfliktsituationen  privater  und  gesellsohaftlioher  Art  anbieten. 
Wiohtigste  Voraussetzung  far  das  Lernen  eines  derartigen  sozialen 
Verhaltens  sind  die  Ermoglichung  von  Autonomie,   die  Emutigung  zur 
MOndigkeit  und  die  Befreiung  von  Angst.   Lernen  sozialen  Verhaltens 
fordert  die  Lernfahigkeit,  die  Teamfahigkeit  und  die  Konfliktfahig- 
keit  von  Kindern  und  Jugendlichen.   Eine  sich  demokratisch  verstehen- 
de  Gesellschaft  muli  es  fUr  wichtig  halten,   Konflikte  auszutragen. 
Jugendpflege  soil  daher  Kindern  und  Jugendlichen  die  Mogliehkeiten 
der  Konfliktaustragung  in  der  alltaglichen  gesellschaftlichen  Praxis 
aufzeigen".    (21) 

"Junge  Mensohen  befinden  sich  in  einer  Phase  der  Selbsterfahrung 
und  Selbst  findung;  diese  kann  dazu  fuhren,   dali  sie  erhebliche  Schwie- 
rigkeiten  mit  sich  selbst  und  im  Umgang  mit  anderen  hdben.  Sie  brau- 
chen  deshalb  Bilfen,   die  zu  ihrer  Stabilisierung  beitragen.    Wanrend 
sie  in  Schule  und  Beruf  Unterstiltzung  von  auBen  finden,   sollen  die 
jungen  Mensohen  im  Freizeithevn  selbst  Formen  des  Miteinanders  fin- 
den.   Im  Baus  der  Jugend  mttssen  sie  lernen,   gleiahsam  ohne  Geliinder 

-    20  - 


demokratische  Formen  des  Umgangs  zu  entwickeln.  "   (22) 

"Fur  den  Jugendlichen  beginnt  mit  der  Pubertat  eine  krisenreiche 
Vbergangsphase,   die  gerade  in  einer  pluralistisah  orientierten  demo- 
kratischen  Industriegesellschaft  zu  starker  Unsicherheit  und  Rollen— 
konflikten  ftihrt.    In  der  Gruppe  der  Gleichaltrigen  mit  der  gleichen 
Statusunsicherheit  versucht  der  Jugendliche,   sich  eine  eigene  Welt 
aufzubauen.    (...)   Wichtig  ist  die  Feststellung,   dali  sie    (die  offene 
Jugendarbeit,    d.    Verf. )   of  fen  ist  fur  die  Bedurfnisse  der  Jugendli- 
chen.   Nicht  von  aulien  herangetragene  Erziehungsziele  sind  ausschlag- 
gebend,   sondern  allein  die  Bedurfnisse  der  Jugendlichen,   die  daher 
in  der  Arbeit  ihre  eigenen  Probleme,    Interessen,    Emotionen,    Erfah- 
rungen  und  auch  Ziele  einbringen  konnen. "  (23) 

"Die  eigentlichen,   in  der  Jugendpflege  wichtigen  Prozesse  sind 
Individuation  und  Sozialisation.   Anders  ausgedruckt;   Die  Bildungs- 
arbeit,    die  hier  getan  wird,   will  zur  Entwicklung  autonomer  Person- 
lichkeiten  beitragen,   die  einerseits  Subjekte  ihres  Denkens  und  Han- 
delns  sind  und  andererseits  in  lebendigen,   persdnlich  integrierten 
Sozialbeziigen   leben.    So  verstandene  Bildungsarbeit  wirkt,   urn  ein 
Schlagwort  aus  der  aktuellen  Diskussion  einzuftihren,    emanzipatorisch. 
(...)   Im  Informellen  ablaufende  Prozesse  der  Gesellung  und  der 
Rollenfindung,   das  Experimentieren  junger  Mensohen  mit  sich  selbst, 
mit  der  Gruppe  und  mit  der  Gesellschaft,   der  zweckfreie,   miiBige  Um- 
gang mit  Mensohen,   Ideen  und  Dingen  bedurfen  eines  niahtschulischen 
Bildungsraumes,   den  die  Jugendpflege  in  Ansatzen  schon  geschaffen 
hat  und  den  es  weiter  auszugestalten  und  modernen  gesellschaftlichen 
Anforderungen  anzupassen  gilt.  "  (24) 

Neben  diesen  teilweise  auBerst  hochgestochenen  Anspruchen,  teilweise 
sehr  schwammigen  Formulierungen  lassen  sich  jedoch  gleichzeitig  Ein- 
gestandnisse  der  krassen  Diskrepanz  zwischen  Selbstversta'ndnis  und 
Realita't  der  Jugendpflege  in  den  Berichten  finden.  Aus  der  Obersicht 
u'ber  Jugendpflege  in  Hessen  "ergibt  sich  mit  unausweichlicher  Logik 
der  Befund,  daB  die  kommunalen  Gebietskbrperschaften  den  ihnen  ge- 
setzlich  erteilten  Auftrag,  Jugendpflege  zu  betreiben,  nur  unzulang- 
lich  erfullen".  (25) 

Und  in  Berlin:  "Der  liberwi egende  Teil  der  Jugend  steht  der  bffentli- 
chen  und  freien  Jugendpflege  zuruckhaltend  oder  kritisch  gegeniiber" 

(26). 

Auch  die  Senatorin  flir  Familie,  Jugend  und  Sport  in  Berlin,  Use 
Reichel,  "bedauert",  daB  in  der  Jugendpflege  das  "Lernfeld  sozialer 
Verhaltensweisen"  begrenzt  ist,  da  der  rechtliche  Spiel raum  der 
Erzieher,  Sozialarbeiter  und  Sozialpadagogen  zu  stark  eingeengt  sei, 
bzw.  "die  Umwelt  ein  schnelles  Eingreifen  der  bffentlichen  Hand" 
verl'ange  und  "die  Jugendlichen  vorzeitig  an  eigenen  Erfahrungen  zu 

hindern"suche  (27). 

Und  der  Bezirksstadtrat  Fritz  Schmidt  in  Berlin-Schoneberg,  der  in 
einem  SFB-Interview  meinte:  "Ich  glaube,  es  (die  Selbstorganisation 
von  Jugendfreizeitheimen  durch  Jugendliche,  d.  Verf.)  wird  einer  der 
Wege  sein,  der  die  zukLinftige  Jugendarbeit  mit  beinhaltet"  und  der 
in  der  Praxis  systematisch  an  der  Zerschlagung  des  SJSZ  (Schoneber- 
ger  Jungarbeiter-  und  Schiilerzentrum)  arbeitet,  weiB  zu  berichten: 
'•Die  herkSrrmliche  Arbeit  in  den  Freizeitheimen  liegt  doch  irgendwie 
im  Argen.    Sie  sehen  das  teilweise  an  den  Besucherziffem,   an  dem 

-  21  - 


Angebotj   was  also  in  unseren  Jugendfreizeitheimen  gar  niaht  mehr 
so  benutzt  wird,   derm  die  Jug ■endliehen  haben  selbst  ganz  andere  Vor- 
stellungen  von  dem,   was  also  Vater  Stoat  ihnen  manchmal  anbietet" 
(28). 

Diese  "Selbstkritik"  an  den  MaBnahmen  von  "Vater  Staat"  macht  sich 
dann  an  Oberfla'chenphanomenen  wie  mangel  hafte  ra'umliche  Ausstattung, 
Ausbildung  der  Mitarbeiter,  personelle  Situation  etc.  fest  unter  be- 
wuBter  Ausklammerung  des  Widerspruchs  zwischen  Funktion  der  Jugend- 
pflege  und  Interessen  und  Bediirfnissen  ihrer  Zielgruppe,  wodurch  die 
Kritik,  da  Jugendpflege  nur  noch  ein  finanzielles  Problem  darstellt, 
unter  der  Hand  zur  Legitimation  der  praktizierten  Jugendarbeit  be- 
nutzt wird. 

In  der  Tat  sind  die  Anzeichen  auf  der  Evidenz-Ebene  fur  die  "Krise 
der  Jugendfreizeitheime"  (G.  Grauer)  Teil  der  bffentlichen  Reform- 
Diskussion  geworden.  So  zitiert  der  "Spiegel"  die  Berechnungen  des 
"Jugendforschers  Grauer",  wonach  hdchstens  2,7  %   aller  westdeutschen 
Jugendlichen  zwischen  14  und  21  Jahren  in  den  wenigen  offenen  Jugend- 
freizeitheimen Platz  fanden  (29),  die  "zudem  noch  haufig  den  Ein- 
druck  von  Wartesa'len"  vermittelten.  Die  Angebote  seien  in  der  Regel 
immer  noch  von  der  traditionellen  Bastel-ldeologie  in  Form  von  Holz-, 
Keramik-,  Draht-  und  Emaillearbeiten  gepragt,  obwohl  nach  Grauers 
Untersuchungen  diese  Angebote  den  geringsten  Bel iebtheitsgrad  bei 
den  Jugendlichen  besa'Ben.  Als  Konsequenz  wird  die  Altersverschiebung 
in  der  Heimbesucherstruktur  beklagt,  wonach  der  Anteil  der  Kinder 
und  Jugendlichen  bis  15  Jahren  auBerordentl ich  stark  angestiegen  ist, 
wahrend  Jugendliche  Liber  18  Jahre  kaum  noch  in  diesen  Institutionen 
anzutreffen  sind.  Die  Untersuchung  liber  die  "Jugendheime  in  Nord- 
rhein-Westfalen  konstatiert,  daB  unter  den  wenigen  15-19jahrigen  Be- 
suchern  nur  10  %   Arbeiterjugendl iche  gegenLiber  48  I   Schlilern  anzu- 
treffen sind  (30),  obwohl  erstere  61,7  %   unter  der  Gesamtzahl  der 
Jugendlichen  in  der  BRD  ausmachen. 

Die  Kritik  an  der  Selbstkritik  staatlicher  Stellen  weist  darauf  hin, 
daB  u.E.  die  Ursachen  flir  die  Plan-  und  Ziellosigkeit  der  Jugend- 
pflege woanders  zu  suchen  sind  als  in  der  Finanz-  und  Ausbildungspro- 
bl  emati  k . 

Jugendfreizeitheime  werden  geschlossen,  wieder  geoffnet,  geschlossen, 
abgerissen:  Konzepte  fur  die  Jugendarbeit  werden  bewilligt,  auBer 
Kraft  gesetzt,  Mitarbeiter  gekiindigt,  sich  solidarisierende  Jugend- 
liche durch  Polizeistreitkra'fte  auseinandergetrieben;  Jugendpflege 
soil  "an  den  Interessen  der  Jugendlichen  ansetzen",  die  Angebote  be- 
stehen  vornehmlich  aus  Basteleien  etc. 

Es  ist  festzustellen,  daS  der  widerspriichliche  Charakter  staatlicher 
Jugendpflege  nicht  als  organisatorischer,  sondern  als  konstitutiver 
zu  begreifen  ist.  Da  ihre  Teilnahme  auf  Freiwilligkeit  beruht,  unter- 
liegt  sie  standig  der  Gefahr,  der  Ort  fur  die  Entladung  angestauter, 
gesellschaftlich  bedingter  Aggressionen  zu  werden.  So  bestimmt  sich 
die  Widerspriichlichkeit  des  Freizeitbereichs  zum  einen  darin,  daB 
die  Jugendpflege  der  Konzentration  vieler  Jugendlicher  an  einem  Ort, 
der  Kontrolle  und  Steuerung  ihrer  Aktivita'ten  und  dem  ideologischen 
Zugriff  des  kapital istischen  Staates  dient,  zum  anderen  hat  sie  in 
ihrem  Kompensationscharakter  Liber  ihren  Beitrag  zur  Regeneration 
der  ausgepowerten  Ware  Arbeitskraft  hinaus  die  Aufgabe,  die  den  ver- 
anderten  Qualifikationsanforderungen  nicht  mehr  ada'quate  psychische 

-   22   - 


Zurichtung  zur  Lohnarbeit  durch  Familie,  Schule,  durch,  auf  das  je- 
weilige  Produktionsniveau  abgestellte,"Bildungsangebote"  zu  ergan- 
zen. 

"Wie  mit  zunehmender  Arbeitsteiligkeit  Lemprozesse,   die  ursprilng- 
liah  in  der  Familie  abliefen,   von  dieser  nicht  mehr  bewaltigt  Wer- 
den konnten  und  dann  von  den  Institutionen  Schule  und  Berufsbildung 
Ubernorrmen  wurden,   bewdltigen  die  Familien  in  unserer  vielsahichti- 
gen  und  widerspruohlichen  Gesellsshaft  in  der  Regel  nicht  mehr  alle 
Individuations-  und  Sozialisationsprozesse,    die  ihr  Nachuuahs  zu 
durahlaufen  hat.   Fur  den  so  entstehenden,    von  der  Familie  nicht  mehr 
gedeckten  Bildungsbedarf  muli  eine  gesellschaftliche  Institution 
eintreten.    (...)    Es  ist  festzustellen,    dali  der  nichtschiilischen  Bil- 
dung,   wie  sie  die  Jugendpflege  betreiben  soil,   im  Zuge  dieser  Ent- 
wicklung  Aufgaben  zugewachsen  sind.    (...)   Die  Jugendpflege   (...) 
ist  der  geeignete  Bildungsraum,in  dem  der  einzelne  junge  Mensch  wie 
die  junge  Generation  im  ganzen,den  politissh-sozialen  BildungsprozeS 
zum  rnundigen  Burger  durchlaufen.  "     (SI) 

Die  Identitat  der  in  den  Jugendpflegeberichten  geforderten  Qualifi- 
kationen  wie  "Einliben  einer  Vielfalt  sozialer  Rollen",   "Konflikt- 
fahigkeit",  "Teamfahigkeit",   "Flexibilita't"  etc.   (32)  mit  den  Arbeits- 
platzanforderungen  der  Kapitaleigner  an  den  gesellschaftl ichen  Ge- 
samtarbeiter  verweist  auf  die  weitgehende  Subsumtion  der  schulischen 
wie  auBerschulischen  staatlichen  Bildungsarbeit  unter  die  Verwer- 
tungsinteressen  des  Kapitals. 

Die  Verscha'rfung  der  Klassenauseinandersetzungen  in  den  letzten  Jah- 
ren, der  physische  und  psychische  Widerstand  gegen  Ausbeutung  und 
Arbeitshetze,  der  Kampf  gegen  Bodenspekulation   ,  gegen  Vernichtung 
von  Lebensmi ttel n  und  Wohnraum,  gegen  die  Verschlechterung  der  Le- 
bensbedingungen  in  alien  gesellschaftl  ichen  Bereichen,  wie  er  sich 
in  Streiks,  Sabotage,  Eigentumsdelikten,  Wohnkollektiven,  Stadtteil- 
arbeit,  Blirgerinitiativen  etc.  manifestiert,  zwingen  den  blirgerli- 
chen  Staat,  seinen  UnterdrLickungsapparat  extrem  auszubauen,  seine 
Maske  als  "neutraler  Mittler  zwischen  den  Interessengegensatzen  von 
Kapital   und  Arbeit"  fallenzulassen  und  das  Diszipl inierungsinstru- 
mentarium  staatlicher  Gewalt  in  alien  Lebensbereichen  zur  Erhaltung 
der  kapitalistischen  Produktionsweise  offen  einzusetzen.  Jugend- 
pflege ist  in  diesem  Zusammenhang  als  ein  Bereich  staatlicher  Inter- 
ventionspolitik  zu  verstehen,  in  dem  aufbrechende  Konflikte  aufge- 
fangen,  Aggressionen  "nutzbar"  gemacht  und  Widerstand  integriert 
werden  sollen.   Wo  dies  auch  nur  unmbglich  erscheinen  mag,  setzt.trotz 
gegenteiliger  Behauptungen.die  staatliche  Gewaltmaschinerie  in  ihrer 
vollen  Starke  ein.  Auf  der  anderen  Seite  ist  staatliche  Jugendpflege 
in  ihrem  offenkundigem  "MiBerfolg"  dazu  gezwungen,  zunehmend  Reform- 
versprechen  abzugeben,  die  Basisaktivitaten  der  Jugendlichen  im  Frei- 
zeitbereich  aufzugreifen  und  Mitbestimmung  und  Selbstverwaltung  zu 
propagieren,  urn  die  Konkurrenzfahigkeit  staatlicher  Institutionen 
gegenLiber  kommerziellen  Einrichtungen  zu  verbessern  und  uberhaupt 
noch  Jugendliche,  insbesonder  Arbeiterjugendl iche  ansprechen  zu 
kbnnen. 

So  fordert  der  West-Berliner  Jugendpflegebericht: 
"Den  jugendlichen  Besuchern  sollte  mehr  Mitbestimmung  und  Freiziigig- 
keit  eingerdumt  werden  als  es  bisher  der  Fall  war.   In  diesem  Zusam- 
menhang muli  auch  gepruft  werden,    inwieweit  Vorschriften  filr  die 

-    23    - 


allgememe  Veraaltung  diesem  Vorhaben  hinderlich  sind  und  ob  ihre 
Anderwy  moglich  ist.  (...)  Folgerichtig  wird  dann  auch  die  Frage 
gestellt,  ob  es  sick  unsere  Gesellschaft  nicht  leisten  kann,  bei- 
spzelswei.se  ein  Haus  der  offenen  Fur  ganz  in  eigene  Regie  von  Ju- 
gendgruppen  zu  geben".    (33) 

Der  Jugendbericht  der  Niedersa'chsischen  Landesregierung  beklagt  den 
Ruckgang  der  Besucherzahlen  in  den  Jugenfreizeitheimen  und  fordert 
"Konsequenzen  (...),   die  geeignet  sind,   die  Slteren  JugendUahen 
-etna  durch  bessere  Moglichkeiten  der  Mtbestimmung  -  wieder  an 
die  Freizeitstatten  heranzufiihren.  "  (34) 

Und  der  Senat  der  "Freien  und  Hansestadt  Hamburg"  preist  auf  dersel- 
ben  Welle  seine  Jugendpflege  an: 

"In  manchen  Hausern  wirken  Jugendliche  mit  an  der  Frograrrmgestal- 
tung,   an  der  Einhaltung  notwendiger  Regeln,   bei  der  Beurteilung  von 
Fehlverhalten  Jugendlicher  einschlielilieh  der  Entscheidung  iiber 
Konsequenzen  und  in  Ausnahmen  bei  der  Auswahl  von  Mitarbeitern.  "  (35) 
In  Nordrhein-Westfalen  ruft  die  Ministerial burokratie  dazu  auf: 
"Die  Freizeitstatten  sollen  die  Emanzipation  dadurch  provozieren, 
daJ3  sie  die  JugendUahen  Besucher  bereits  als  emanzipiert  annehmen 
und  ihnen  aktive  Mitwirkungsrechte  und  selbstverantwortliche  Gestal- 
tungsmogliahkeiten  einraumen.   Das  maaht  es  erforderlich,   den  Jugend- 
Uahen in  den  Freizeitstatten  zunehmend  die  Moglichkeit  der  Selbst- 
verwaltung  einzuraumen.  "  (36) 

Die  Ideologie  dieser  Integrationsversuche  reformistischer  Politik 
unter  dem  Deckmantel  der  "Progressivitat"  erweist  sich  nicht  nur 
anhand  der  konsequenten  Zerschlagung  "renitenter"  Jugendzentren  in 
der  Praxis  der  Jugendpflege  -  als  letztes  Beispiel  mag  die  Raumung 
und  der  AbriB  der  "Putte"  in  Berlin-Wedding  stehen  -,  bereits  in  den 
Jugendberichten  selbst  werden,  um  jedes  MiBverstandnis  und  Fehlinter- 
pretationen  auszura'umen,  dezidierte  Vorstellungen  entwickelt,  wie 
"Selbstverwaltung"  aussehen  darf: 

"Finer  sahulpolitisch  engagierten  Sohiilergruppe  mU&te  demnach  auch 
Gelegenheit  gegeben  werden,   Flugblatter,   in  denen  Verhaltnisse  in 
der  Sahule  kritisch  dargestellt  werden,    in  einem  Jugendheim  zu  ver- 
vielfdltigen.    Sollte  nieht  auoh  der  Jugendpfleger  als  Berater  einer 
solchen  Schulergruppe  im  Hinbliek  auf  die  sich  aus  dieser  Aktivit&t 
ergebendenKonflikte  fungieren  dUrfen?  Dabei  wird  davon  ausgegangen, 
daB  der  Jugendpfleger  eine  solche  Beraiungstatigkeit  nur  dann  aus- 
tiben  kann,   wenn  er  eng  mit  der  Lehrerschaft  zusammenarbeitet.    (...) 
Dabei  mussen  die  von  der  Gesellschaft  anzuerkennenden  Grenzen  auch 
von  den  JugendUahen  akzeptiert  werden.  "  (37) 

Hier  erfahrt  der  VerfassungsgerichtsbeschluB  vom  19.7.68  "Staatliche 
Jugendpflege  ist  vorbeugende  Jugendfursorge"  seine  inhaltliche  Be- 
stimmung.  Ebenso  deutlich  wird  das  "Konzept"  des  Reformismus  in  die- 
sem Punkt,  der  vor  der  Schwierigkeit  stent,  einerseits  linke  Basis- 
aktivitaten  wenigstens  partiell  oder  zeitweilig  unterstutzen  zu  mils- 
sen,  da  hier  das  Interesse  Oder  der  Unmut  der  Bevblkerung  am  konkre- 
testen  artnkuliert  wird,  andererseits  aber  mindestens  auf  formaler 
Kontrolle  -  eingeschlossen  ist  dabei  natlirlich  immer  die  Moglichkeit 
der  Zerschlagung  der  Initiative  mittels  Staatsbiitteln-  auf  das 
jeweilige  Reformvorhaben  insistieren  muB,  um  damit  Liberhaupt  noch 
Politik  machen  zu  konnen.  "Solange  die  Basisinitiativen  selbst 
Organisationen  betroffener  Interessen  und  Organisationen  der  Betrof- 
fenen  zugleich  sind,    weil  sie  in  den  meisten  Fallen  mit  einem  Kon- 

-    24    - 


flikt  bzw.   mit  einem  verletzten  gemeinsamen  Interesse  beginnen, 
wird  es  einer  Reformbtirokratie  mOglich  sein,   mit  dem  Ziel    'Organisa- 
tion der  Betroffenen  '  Folitik  zu  machen.  "  (38) 
Dieses  Konzept  ist  konstitutiver  Bestandteil  der  Jugendpflege.   Es 
findet  seinen  Ausdruck  in  der  Dialektik  von  Kompensation  flir  ent- 
fremdete  Arbeit  und  Ausbeutung,  einschlieBlich  der  Vermittlung  be- 
stimmter  Qualifikationen  und  den  Kontrollen,  Disziplinierung  und 
Repression  im  Freizeitbereich.  Jugendpflege  hat  die  Emotionen  der 
Jugendl ichen  zu  verwalten,  sie.einraal   institutional isiert  im  Jugend- 
freizeitheim  als  Ventil  gesellschaftlich  unschadlich  zu  machen, 
zum  anderen.sie  so  zu  kanalisieren,  daB  sie  flir  das  Integrations- 
und  Verwertungsinteresse  der  burgerlichen  Gesellschaft  einsetzbar 
werden. 

Dem  Verhaltnis  von  Reform  und  Repression  in  der  Jugendpflege  ent- 
spricht  die  Zuckerbrot-und  Peitsche-Politik  der  herrschenden  Klasse 
vor  dem  1.  Weltkrieg.  Damals  wie  heute  sollte  Jugendpflege"an  den 
Interessen  der  Jugendl ichen  anknupfen",  damals  wie  heute  diente  die- 
se  Forderung  als  Legitimationsformel  reaktionarer  politischer  und 
okonomischer  Interessen. 

"So  begann  -  auch  wenn  es  heute  jedermann  peinlich  ist  -  Jugend- 
pflege als  staatlich  verordnete  Einiibung  im  Patriotismus  und  Unter- 
tanengehorsam:   dienen  statt  denken. "  (39) 

Berlicksichtigt  man  die  Veranderungen  und  neuen  Anforderungen  im  Kapi- 
talverwertungsprozeB,  so  ha'tte  diese  offizielle  Funktionsbestimmung 
der  staatlichen  Jugendpflege  von  1911  -  so  "peinlich"  es  auch  sein 
mag  -  auf  heutige  Verhaltnisse  libertragen,  folgendermaBen  zu  lauten: 

Jugendpflege  ist  staatlich  verordnete  Einiibung  in  die  "freiheitlich 
-  demokratische  Grundordnung  der  BRD"  und  in  den  kapital istischen 
ProduktionsprozeB:  denken,   um  zu  dienen. 


vgl.   Rote  Hilfe  Westberlin,  Staatsgewalt,   Reformismus  und  die 

Politik  der  Linken,   in:   Kursbuch  31,  Berlin  1973 

vgl.  U.   Panter  (Hg.),  Staat  und  Jugend,  Weinheim  1965,  S.   20  ff. 

H.   Wetterling,  Staatliche  Organisation  der  Jugendpflege,  Langen- 

salza  1912,  S.   9,   zit.   n.  A.   Keil,  Jugendpolitik  und  Bundes- 

jugendplan,  Miinchen  1969,  S.  28 

A.   Keil,  a.a.O.,  S.  28 

Zit.   n.  U.   Panter,  a.a.O.   S.  40 

Th.   HeuB,  Reden  an  die  Jugend,  Hrsg.   v.   Hans  Bott,  Tubingen  1956, 

S     18,  zit.  n.  J.   Dehler,  Jugend  und  Politik  im  Kapital ismus, 

GieBen  1973,  S.   16 

G.   Schroder,  Freie  Jugend  im  freien  Staat,  Schriftenreihe  der 

Bundeszentrale  flir  Heimatdienst,  Heft  27,  Bonn  1958,  S.   9  ff.   - 

Bis  1957  war  nicht  das  Familienministerium  sondern  das  Innen- 

ministerium  flir  Jugendfragen  zust'a'ndig. 

G.   Flor,  Einige  Anmerkungen  zum  Thema  Jugendpolitik  und  Tole- 

ranz,  in:  deutsche  jugend,  H.   2/1968,  S.  61 

Ebenda 

(10)  A.a.O.,  S.  62 

(11)  Ebenda 

(12)  Der  Senat  v.  Berlin,  Bericht  uber  Situation  und  Planung  im 
Sektor  Jugendpflege  DS  6/228  1971  S.  6/7 

(13)  Ebd. 

(14)  Ebd.  S.  5 

-  25  - 


(1) 

(2) 
(3) 


(4) 
(5) 
(6) 


(7) 

(8) 
(9) 


(15)  vgl.   die  Untersuchung  von  H.   Kern/M.   Schumann,   Industriearbeit 
und  ArbeiterbewuBtsein,  Ffm.  1970,  in  der  die  Autoren  eine  Ver- 
lagerung  der  Qualifikationsanforderungen  auf  sogenannte  "prozeB- 
unabhangige"  Fahigkeiten  konstatieren.  ProzeBunabhangige  Fahig- 
keiten  sind:   "Flexibilitat  (verstanden  als  Fahigkeit  der 
schnellen  Anpassung  an  neue  Arbeitsgegebenheiten) ;  technische 
Intel ligenz  (verstanden  als  Fahigkeit  zum  kausalen,  abstrahie- 
renden  und  hypothetischen  Denken);  Perzeption  (verstanden  als 
Fahigkeit  der  Wahrnehmung  von  Veranderungen  in  einem  komplexen 
Signal  system);  technische  Sensibilitat  (Verstanden  als  Fahigkeit 
zum  Einfiihlen  in  komplexe  technische  Zusammenhange) ;  Verantwor- 
tung  (verstanden  als  Fahigkeit  des  gewissenhaften,  zuverlassi- 
gen  und  selbsta'ndigen  Arbeitsverhaltens) ."   (S.   67  ff)   und  vgl. 
dazu  insbesondere  das  EinflieBen  dieser  veranderten  Qualifika- 
tionsanforderungen auf  die  Ougendpflege  in:   "Grundlegende  Vor- 
stellungen  Liber  Inhalt  und  Begriff  moderner  Jugendhilfe,  Be- 
richt,  Materialien  und  Manifest  des  Ausschusses  zur  Erarbeitung 
dieser  grundlegenden  Vorstellungen,  eingesetzt  vom  Bundesjugend- 
kuratorium  im  September  1971",  in  dem  zum  Inhalt  "moderner  Ju- 
gendhilfe" die  fiinf  "Leit-Kategorien  Autonomie  und  Soziabili- 
tat,  Sexualitat,  Produktivitat,  und  Kreativitat-Metasozialisa- 
tion"  erhoben  werden. 

(16)  Vgl.   E.  Werner,  Jugendheime  in  Nordrhein-Westfalen,  hrsg.  v. 
Ministerium  flir  Arbeit,  Gesundheit  und  Soziales  1972  und 

G.   Grauer,  Jugendfreizeitheime  in  der  Krise,  Weinheim  1973 

(17)  Zit.   n.   "Der  Spiegel"  3/1974,  S.   39 

(18)  Bericht  liber  Situation  und  Planung  im  Sektor  Jugendpflege, 
a.a.O.,  S.   10 

(19)  Flugblatt  der  Jugendinitiative  Harburg 

(20)  Vgl.   dazu  insbesondere:  Autorenkollektiv,  Gefesselte  Jugend  - 
Flirsorgeerziehung  im  Kapitalismus;  Ffm.   1971; 

(21)  Jugendpflegebericht  West-Berlin,  a.a.O.,  S.  3 

(22)  Senat  der  Freien  und  Hansestadt  Hamburg,  Jugendbericht  1973  S.99 

(23)  Bericht  der  Landesregierung  Nordrhein-Westfalen  uber  die  Lage 
der  Jugendlichen  und  Liber  die  MaBnahmen  im  Lande,  2.  Jugendbe- 
richt 1972,  S.   66/69 

(24)  Der  Hessische  Sozialminister,  Die  kommunale  Jugendpflege  in 
Hessen,  1972  S.   6  und  10/11 

(25)  Ebd.   S.    13/14 

(26)  Jugendpflegebericht  West-Berlin,  a.a.O.  S.  7 

(27)  Protokoll   der  10.   Sitzung  des  Ausschusses  flir  Familie,  Jugend 
und  Sport  in  Berlin  vom  11.2.72 

(28)  SFB-Sendung  "Wir  -  um  Zwanzig"  vom  29.4.73,  Jugendzentren, 
Manuskript  S.   32  f 

(29)  Der  Spiegel,  a.a.O.,  S.  41 

(30)  E.  Werner,  Jugendheime  in  Nordrhein-Westfalen,  a.a.O.,  S.   19 

(31)  Die  kommunale  Jugendpflege  in  Hessen,  a.a.O.  S.   6/7 

(32)  Jugendpflegebericht  West-Berlin,  a.a.O.,  S.  3 

(33)  Ebd.,  S.  16  und  8 

(34)  Jugendbericht  des  Landes  Niedersachsen,  a.a.O.,  S.   59 

(35)  Jugendbericht  Hamburg,  a.a.O.,  S.  99 

(36)  Jugendbericht  1972  Nordrhein-Westfalen,  a.a.O.,  S  68 

(37)  Jugendpflegebericht  West-Berlin,  a.a.O.,  S.  8 

(38)  Rote  Hilfe  West-Berlin,  a.a.O.,  S  78  f. 

(39)  Jugendpflegebericht  West-Berlin,  a.a.O.,  S.  3 

-    26   - 


Arbeitsgruppe  Info  Arbeiterbi Idling1 

THESEN  ZUM  SOZIALISATIONSFELD 
"AUSBILDUNG  UND  BERUF" 


Vorbemerkung: 

Die  folgenden  Thesen  enthalten  Aussagen,  in  die  politische  Interes- 
sen,  Erfahrungen  und  Untersuchungen  zum  Problem  "Ausbildung  und 
Beruf"  eingegangen  sind.  Der  knappe  Umfang  dieser  Thesen  lieB  ausfUhr- 
liche  Begriindungen,  die  Absicherung  der  Aussagen  durch  Hinweise  auf 
entsprechende  Untersuchungen  und  Literatur  und  eine  fur  eine  weiter- 
reichende  Diskussion  erforderliche  Differenzierung  nicht  zu.  Wenn 
dennoch  statt  der  Liblichen  Fragen  mit  verpackten  theoretischen  Ver- 
satzstlicken  in  diesen  Thesen  unzweideutig  Position  bezogen  wird,  so 
in  der  Erwartung,  auf  diese  Weise  eine  Diskussion  iiber  die  hier  ange- 
sprochenen  Probleme  zu  erleichtern. 

-  These  1  bestimmt  die  Funktion  beruflicher  Bildung; 

-  These  2  beschreibt  die  Organisation  beruflicher  Bildung; 

-  These  3  geht  auf  die  Kritik  am  System  der  beruflichen  Bildung  ein; 

-  These  4  beschaftigt  sich  mit  der  gcscheiterten  Reform  der  beruf- 

lichen Bildung; 

-  These  5  untersucht  die  Rolle  der  Gewerkschaften; 

-  These  6  deutet  eine  Perspektive  beruflicher  Bildung  an,  die  Liber 

die  ausschlieBliche  kapital istische  Verwertung  der  beruf- 
lichen Qualifikation  hinausgehen  kbnnte. 


1.  Funktion  beruflicher  Bildung 

Be'-ufliche  Bildung  ist  gesellschaftlich  notwendige  Arbeit  zur  Aneig- 
nung  der  fiir  den  gesellschaftlichen  Produktions-  und  Reproduktions- 
prozess  notwendigen  Qual ifikationen.  Sie  wird  inhaltlich  bestimmt 
durch  die  Anspriiche,  die  der  Arbeits-  und  VerwertungsprozeB  der  kapi- 
tal istischen  Produktion  an  das  Arbeitsvermbgen  des  gesellschaftlichen 
Gesamtarbeiters  stellt. 

Die  Arbeiterklasse  erfa'hrt  die  beruflic 
fiir  lohnabhargige  Arbeit.  Diese  Qualifi 
nur  am  Entwicklungsstand  der  Produktion 
spezifischen  Organisation  der  Arbeit  un 
mation.  Die  Qualif izierung  der  Arbeitsk 
terklasse  auch  als  ein  ProzeS  der  sozia 
gigen  zu  sehen.  Der  Arbeiter  soil  im  Si 
funktions-  und  handlungsfahig  werden. 

Differenziert  man  die  Qualifikationsansprtiche  dieses  Systems,  die 
durch  berufliche  Bildung  vermittelt  werden,  so  kbnnen  die  Qualifika- 
tionen  danach  unterschieden  werden,  "wie  sie  mit  den  drei  Grundpro- 
blemen  von  sozialem  System  korrespondieren: 

-  27  - 


he  Bildung  als  Qualifizierung 
zierung  orientiert  sich  nicht 
stechnik,  sondern  auch  an  der 
d  deren  ideologischer  Legiti- 
raft  ist  daher  flir  die  Arbei- 
len  Integration  der  Lohnabha'n- 
nne  des  bestehenden  Systems 


-  der  materiellen  Reproduktion  ira  Austausch  mit  der  Natur 
(technisch-instrumentelle  Qualification) 

-  der  Durchsetzung  von  jeweiligen  Herrschaftsverhaltnissen 
(sozialtechnisches  Wissen  und  normative  Quail fikationen) 

-  und  schlieBlich  die  Legitimierung  dieser  Herrschaftsverhaltnisse 
(Ideologie  und  entsprechendes  Orientierungswissen)"  (1) 

Die  Organisation  der  beruflichen  Bildung  hat  sicherzustellen,  daB  fUr 
alle  Bereiche  der  gesellschaftlichen  Produktion  und  Reproduktion  die 
jeweils  erforderlichen  Qual i fikationen  vermittelt  werden  und  sich  aus 
diesem  QualifizierungsprozeB  keine  disfunktionalen  AnsprUche  ergeben. 
Zur  Aufrechterhaltung  der  bestehenden  Herrschaftsverhaltnisse  ist  es 
daher  notwendig,  daB  das  Kapital  die  Kontrolle  liber  die  berufliche 
Bildung  behalt. 


2.  Organisation  beruflicher  Bildung 

Zur  Beschreibung  der  Organisation  der  beruflichen  Bildung  in  der  BRD 
wird  der  Begriff  "duales  System"  verwendet.  Berufliche  Bildung  soil 
danach  im  Betrieb  und  in  der  Schule  zugleich  stattfinden.  Dieses 
System  "basiert  auf  einer  handwerklich-kleinbetrieblichen  Ausbil- 
dungsverfassung,  innerhalb  welcher  der  liberwiegende  Teil  der  Qualifi- 
kationsprozesse  im  unmittelbaren  Zusammenhang  mit  praktischer  Arbeit 
in  Verbindung  von  Lehrliny  und  Geselle  und  Meister  abgewickelt  wird 
und  nur  ein  begrenzter  Teil  zumeist  theoretischer  Zusatzqual if ikatio- 
nen  auBerhalb  des  Betriebes  in  staatlich  organisierten  Schulen  ver- 
mittelt wird..."  (2) 

Zum  "dualen  System"  gehbrt  die  Freiwilligkeit  des  Angebots  an  Ausbil- 
dungsplatzen  ebenso  wie  die  Kontrolle  der  Ausbildung  durch  Industrie- 
und  Handwerkskammern.  Das  Kapital  besitzt  damit  eine  weitgehende 
Autonomie  in  der  beruflichen  Bildung,  die  durch  staatliche  Rechts- 
vorschriften  und  die  Beteiligung  der  Gewerkschaften  in  den  Berufs- 
bildungsausschussen  kaum  eingeschrankt  wird.  Der  Begriff  "duales 
System"  verschleiert  daher  das  tatsachl iche  Verhaltnis  zwischen  den 
Interessen  der  privaten,  kapitalistischen  Unternehmen  und  dem  Staat. 
Den  jeweils  besonderen  Interessen  von  Handwerksbetrieben,  Klein-  und 
Mittelbetrieben  und  der  groBen  Industrie  entspricht  dieses  System 
auf  eine  optimale  Weise. 

Der  grbBte  Teil  der  Lehrlinge  wird  noch  immer  in  Handwerks-,  Klein- 
und  Mittelbetrieben  ausgebildet.  Fur  diese  Betriebe  ist  die  Arbeits- 
leistung  der  Lehrlinge  eine  Skonomische  Notwendigkeit.  Entsprechend 
gering  sind  die  in  diesen  Betrieben  aufgewendeten  Kosten  zur  Ausbil- 
dung. Ein  groBer  Teil  der  hier  ausgebildeten  Arbeitskrafte  wandert 
nach  seiner  Ausbildung  in  GroBbetriebe  ab  und  wechselt  dabei  oft 
auch  bereits  nach  kurzer  Zeit  den  Beruf.  Die  in  Handwerks-  und  Klein- 
betrieben  erworbenen  normativen  und  herrschaftsstabilisierenden  Qua- 
lifikationen  sind  fUr  den  GroBbetrieb,  der  durch  diese  permanente  Ab- 
wanderung  zudem  auch  Ausbildungskosten  spart,  von  besonderer  Bedeu- 
tung.  Auf  der  Basis  dieser  Qual if ikationen  ist  es  jederzeit  mbglich, 
den  in  steigendem  Umfange  erforderlichen  kurzfristig  angelernten  Ar- 
beitskraften  die  technisch-instrumentellen  Qual if ikationen  noch  zu 
vermitteln.  Handwerks-  und  Kleinbetriebe  sind  somit  notwendige 


DIER  l=RI=OI.G  DIER 
SOL  I  DAM  TXT. 


-  'gOfltT  Mtr.wi4^' 


•  Stair 


die  7/ 


die  12/74  mit  Rehbock/RieB  ^^9 
die  11/74  mit  Martin  Baethge-*-/ 
die  10/74  mit  Helmut  Frohn  u.  a.   /' 
die  9/74  rait  D.  v.  Hase  u.  a.    \t 

die  8/74  mit  Gerd  Jungblut     .y*" 
74   Beck/Vollmer/miitzelburg      5"*^ 


VX' 


die  6/74  mit  Keiner,  Schefer     Ji.^' 
ie  5/74  mit  du  Bois-Reymand/Soll    ^^ 


y 


S*-^—    die  4/74  mit  Komitee  gegen  die  Folter 


jr        die  3/74  mit  Berg/Rossbroich 

•^^^  die  2/74  mit  Rolf f/Tillmann 

** 
f      die  1/74  mit  Birner/Schmelzer 


/%  die 


3/4-73   mit  Schulbuch-AG 


Fdie  2/73  mit  Jobano  Strasser 


/   die  1/73  mit  Bamrae/Holling 


/#die  Null-Nr.  m 


it  Johannes  Beck 


TMa&uin  Mr  Eritohung,  WKsentcruft  una  PoJttiK 


15,9.  A.A4,   i$.<<  4*i    4.1.)^  is*.  ••■«.  f«,i  i.v  <5.3  iv,  um.   -f.s.  It*  ■*■'.  **•* 


alle  verzichteten  -  ebenso  wie  z.  B.  die  zahlreichen  Autoren  des  pad.  extra-Lexikons  - 
auf  ihr  Honorar,  am  pad.  extra  zum  Erfolg  zu  verhelfen.  pad.  extra  ist  die  erste  Zeitschrift 
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„tr  WOChgn  vor  AbUuf  d«r  BtlttHZtll  8«kundiflt  wird.  L 

BHia,  ooi  d»r  AdrB»tn»nB8b«  Drue  k  hurt  il»b«n  b«nutnnl 

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JIM I   U    U   U   I 


U   U   I   U 


J_U       I   II   II   II   II 


U   ll  I   i 


28    - 


Zulieferbetriebe  der  GroBbetriebe. 


3.  Kritik  am  System  der  beruflichen  Bildung 


Die  Qualifikationsproduktion  innerhalb  des  bffentlichen  Bildungs- 
wesens  entspricht  nicht  dem  aktuellen  Interesse  des  Kapital  s.  Gegen 
alle  Versuche,  durch  staatliche  Eingriffe  dieses  System  der  sorg- 
faltig  abgesteckten  Kapital interessen  zu  verandem,  konnte  sich  das 
Kapital  bisher  mit  Erfolg  zur  Wehr  setzen. 

Das  Berufsbildungsgesetz  von  1969  hat  fur  dieses  System  nur  die 
"Spielregeln"  allgemeinverbindlich  festgelegt.  Da  aber  bereits  die 
Mindestanspruche  an  den  ausbildenden  Betrieb,  die  in  diesem  Gesetz 
und  den  darauf  folgenden  staatlichen  Verordnungen  enthalten  waren, 
partiell  eine  Steigerung  der  Ausbildungskosten  zur  Folge  hatten,  war 
bereits  durch  die  Grenzen  der  staatlichen  Kontrollmbglichkeiten  ga- 
rantiert,  dap  sich  die  ausbildenden  Betriebe  liber  gesetzliche  Aufla- 
gen  hinwegsetzen  konnten.  Die  vor  allem  in  Handwerks-  und  Kleinbetrie- 
ben  festgestellten  AusbildungsmiBst'a'nde  sind  auf  die  objektive  Funk- 
tion  der  Lehrl ingsausbildung  in  diesen  Betrieben  fur  die  Aufrecht- 
erhaltung  des  Gesamtsystems  zurlickzufu'hren.  Die  Kritik  dieser  Aus- 
bildungsmiBsta'nde  vor  allem  durch  die  Lehrl ingsbewegung  in  den  Jah- 
ren  1969  bis  1971  fand  daher  auch  konsequenterweise  in  einer  Kritik 
des  Gesamtsystems  ihren  Ausdruck.  In  die  Forderung  "Ausbildung  statt 
Ausbeutung"  ging  auch  die  Forderung  nach  einer  Beseitigung  des 
"dualen  Systems"  ein.  Die  Qualifikationsproduktion  sollte  m'cht  mehr 
durch  das  jeweilige  Interesse  des  ausbildenden  Betriebs  bestimmt 
werden.  Dem  Staat  als  "ideellen  Gesamtkapitalisten"  sollte  die  beruf - 
liche  Bildung  iibertragen  werden,  um  sicherzustellen,  daB  sich  die 
Qualifikationsproduktion  am  fortgeschrittensten  Stand  der  Entwick- 
lung  derProduktivkra'fte  orientiert.  Die  Integration  der  beruflichen 
Bildung  in  das  staatliche  Bildungssystem  wurde  so  zu  einem  zentralen 
Programmpunkt  sozialstaatlicher  Reformpolitik. 

4.  Die  gescheiterte  Reform  der  beruflichen  Bildung 

Die  Reform  der  beruflichen  Bildung,  an  deren  Anfang  die  Beseitigung 
des  "dualen  Systems"  und  die  Integration  der  beruflichen  Bildung 
in  das  bffentliche  Bildungswesen  stand,  hat  mit  der  Regierungserkla- 
rung  von  Helmut  Schmidt  ihr  Ende  gefunden.  Das  "bewahrte  zweispurige 
System"  der  beruflichen  Bildung  und  die  "gemeinsame  Verantwortung  von 
Staat  und  Wirtschaft"  sollen  beibehalten  werden. 

Mit  dieser  Erklamng  wurde  ein  SchluBpunkt  unter  die  bisherige  Re- 
formdiskussion  gesetzt.  Es  wurde  deutlich,  daB  gegen  die  aktuell 
bestehenden  Interessen  verbiindeter  Kapital fraktionen  auch  eine  Re- 
form, die  durchaus  dem  langfristigen  Interesse  des  Kapitals  entspricht, 
nicht  durchgesetzt  werden  kann.  Die  beabsichtigte  Neufassung  des 
Berufsbildungsgesetzes  stieB  auf  massiven  Widerstand,  obwohl  das  Aus- 
bildungsmonopol  der  privaten  Betriebe  nicht  eingeschrankt,  sondern 
nur  enger  mit  Bffentlichen  Bildungseinrichtungen  verkntipft  werden 
sollte.  "Die  Ausbildung  im  Betrieb  ist  aus  padagogischen,  fachlichen 
und  volkswirtschaftlichen  Erwagungen  unverzichtbar",  hieB  es  in  einem 

-  30  - 


BeschluB  der  Regierung  Brandt.  FUr  eine  "funktionale  Auf gabentei lung" 
von  bffentlichen  Bildungseinrichtungen  und  privaten  Betrieben  sollten 
staatliche  Verwaltungsbehbrden  sorgen.  Selbst  eine  staatliche  Verant- 
wortung fiir  die  Auslibung  des  Ausbildungsmonopols  schien  den  Unter- 
nehtnern  Tendenzen  zu  enthalten,  die  die  Rekrutierung  und  Regulierung 
des  Arbeitskraftepotentials  durch  die  berufliche  Bildung  neuen  An- 
sprUchen  aussetzt.  Ein  Wiederaufleben  der  Lehrl  ingsbewegung  ware  zu 
erwarten  gewesen,  wenn  der  disziplinierende  Druck  innerhalb  des  Ge- 
samtsystems der  beruflichen  Qualifizierung  gelockert  wird. 

Hatte  bereits  der  seit  langerer  Zeit  anhaltende  R'uckgang  der  Aus- 
bildungsstellen  aufgrund  allgemeiner  Veranderungen  der  Qualifikations- 
struktur  zu  einer  steigenden  Beunruhigung  Jugendlicher  und  deren 
Eltern  geflihrt,  so  loste  die  Androhung  eines  Ausbildungsboykotts  durch 
die  Betriebe  und  Kammern  Angstreaktionen  aus,  die  erst  die  endgulti- 
ne  Liquidation  der  Reformpolitik  ohne  jeglichen  gewerkschaftlichen 
Widerstand  mbglich  machte. 


5.  Rolle  der  Gewerkschaften 

Die  Rolle  der  Gewerkschaften  im  Machtkarr.pf  zwischen  Kapital  und  der 
sozialliberalen  Regierungskoalition  macht  noch  einmal  die  Abhangig- 
keit  des  gewerkschaftlichen  Reformismus  votn  Handlungsspielraum  des 
bUrgerlichen  Staates  deutlich.  Mit  dem  Scheitern  der  Reformpolitik 
sind  auch  die  Gewerkschaften  gescheitert.  Der  Verzicht  auf  eine  auto- 
nome  Gewerkschaftspol itik  zur  Durchsetzung  gewerkschaftl icher  Forde- 
r-^ngen  auch  gegeniiber  dem  biirgerl  ichen  Staat  hat  zur  Folge,  daB  die 
Wahrrehmung  existentieller  Interessen  der  Arbeiterklasse  durch  die 
Gewerkschaften  nicht  mehr  mbglich  ist. 

Wesentlicher  Bestandteil  des  gewerkschaftlichen  Reformismus  ist  die 
Delegation  gewerkschaftl  icher  Forderungen  an  das  biirgerliche  Parla- 
ment.  Ebenso  wie  die  Verwirklichung  von  Mitbestimmungsfcrderungen 
vom  blirgerlichen  Parlament  erwartet  wird,  haben  die  Gewerkschaften 
ihre  Forderungen  zur  Reform  der  beruflichen  Bildung  an  den  Staat  ge- 
richtet.  Im  Gegensatz  zum  Kapital,  das  mit  alien  Methoden  der  Erpres- 
sung  gegeniiber  Regierung  und  Parlament  sein  Klasseninteresse  zu  be- 
haupten  versteht,  haben  die  Gewerkschaften  sogar  darauf  verzichtet, 
politischen  Druck  auszuiiben.  Ihre  Abhangigkeit  geht  sogar  soweit, 
die  Position  der  Regierung  Schmidt  zu  ubernehmen,  ohne  noch  zu  unter- 
suchen,  wie  es  zum  Scheitern  der  Reformpolitik  kam. 

Die  Gewerkschaftsjugend  hat  in  der  Auseinandersetzung  mit  der  Lehr- 
1  ingsbewegung  die  Integration  ihrer  Strategie  in  die  Gesamtorganisa- 
tion  begriindet,  gegeniiber  der  Lehrlingsbewegung  auch  durchgesetzt  und 
bis  zum  bitteren  Ende  durchgehalten.  Auf  die  Erpressung  und  Einschuch- 
terung  durch  die  Unternehmer  reagierte  sie  gerade  noch  mit  Protesten. 
Zu  einer  Massenmobilisierung  von  Jugendlichen  durch  die  Gewerkschafts- 
jugend kam  es  nicht.  Die  vom  DGB-BundesjugendausschuB  im  April  1974 
initiierte  Schwerpunktaktion  wird  ein  kraftloser  Akt  bleiben,  da  sie 
jetzt  unter  politischen  Bedingungen  stattfindet,  die  sowohl  den  Hand- 
lungsspielraum als  auch  die  Reichweite  solcher  Aktionen  erheblich 
einengen. 


-  31 


6,  Perspektive  beruflicher  Bildung 

Die  Arbeiterklasse  hat  nicht  nur  ein  Interesse  an  der  Qualifizierung 
der  Arbeitskraft  zu  ihrer  kapital istischen  Verwertung.  So  sehr  sie 
aktuell  darauf  angewiesen  ist,  fur  den  Verkauf  der  Arbeitskraft  efnen 
mbglichst  hohen  Preis  zu  erzielen  und  daher  die  eigene  Qualifizierung 
primar  durch  das  Interesse  an  der  Erhaltung  Oder  Verbesserung  mate- 
riel ler  Lebensmbglichkeiten  bestimmt  ist,  gehen  doch  nicht  alle  Be- 
diirfnisse  und  Lebenserwartungen  in  diesem  Interesse  auf. 

Aus  den  tagta'glichen  sinnlichen  Erfahrungen,  den  Produktivkra'ften 
des  Kapital israus  nicht  nur  ausgeliefert  zu  sein,  sondern  sie  tech- 
nisch  auch  beherrschen  zu  kbnnen,  erwachsen  durch  alle  Ohnmachtser- 
fahrungen  hindurch  immer  wieder  neu  auch  Bed'u'rfnisse  nach  Autonomie 
und  Selbstbestimmung  im  ArbeitsprozeB.  Diese  Bedurfnisse  wurden  bis- 
her  allenfalls  politisch  interpretiert  und  agitatorisch  vereinnahmt. 
Zu  entwickeln  ware  eine  Strategie,  in  der  das  Interesse  an  der  Qua- 
lifizierung der  Arbeitskraft  dieses  Bedlirfnis  nicht  unterdruckt, 
sondern  zum  bestimmenden  Inhalt  raacht. 

Der  ausschlieBlich  kapital istischen  Verwertung  der  Arbeitskraft  wur- 
den dadurch  im  ArbeitsprozeB  selbst  Grenzen  gesetzt.  Aus  der  Fahig- 
keit,  die  Produktivkrafte  des  Kapitalismus  technisch  zu  beherrschen, 
wurden  Anspru'che  abgeleitet,  den  ArbeitsprozeB  den  eigenen  Bedurfnis- 
sen  entsprechend  zu  organisieren.  Das  Arbeitsvermbgen  der  Arbeiter- 
klasse konnte  sich  so  selbst  zu  einer  Produktivkraft  entwickeln, 
die  die  Fesseln  der  bestehenden  Organisation  der  Produktion  sprengt. 

Eine  solche  "klassenspezifische  Qualifizierung"  kann  allerdings  nur 
gegen  das  Gesamtsystem  der  kapital  istischen  Qual ifikationsproduktion 
durchgesetzt  werden.  In  einem  ProzeB  der  Integration  der  Arbeiter- 
bildung  in  die  berufliche  Bildung,  fUr  die  es  allerdings  heute  noch 
keinen  institutionellen  Rahmen  gibt  -  es  sei  denn,  die  Bildungsein- 
richtungen  der  Gewerkschaften  bffnen  sich  einmal  fur  eine  solche 
Strategie  -  miiBten  die  didaktischen  Konzeptionen  entwickelt  werden, 
die  bis  jetzt  nur  als  Utopie  gedacht  werden  konnten. 


(1)  Enno  Schmitz  in  Zeitschrift  fur  Pad.  5/73,  S. 

(2)  Martin  Baethge  in  Pad.  extra  11/74,  S.  10 


809 


32 


Redaktionskollektiv: 

SOZIALISTISCHE  AKTION  JUGENDHILFETAG 
BERICHT  OBER  DAS  VORBEREITUNGSTREFFEN 
26.  -  28.  APRIL  1974  IN  HAMBURG 


An  dem  Vorbereitungstreffen  der  Sozial istischen  Aktion  Jugendhilfetag 
haben  ca.  150  Genossinnen  und  Genossen  aus  der  BRD  und  Westberlin 
teilgenommen.  Zu  Beginn  wurde  die  Entstehung  und  Zielsetzung  der 
Sozial istischen  Aktion  zum  5.  DJHT  dargestellt.  Dabei  wurde  eine  erste 
Einschatzung  der  politischen  Funktion  der  Arbeitsgemeinschaft  fur 
Jugendhilfe  (AGJ)  (Harmonisierung  der  Tragerinteressen  im  Bereich 
Jugendhilfe,  Erweiterung  des  bundesministeriellen  Handlungsspiel- 
raumes,  Legitimationsinstrument  als  Veranstalter  von  Ougendhilfetagen) 
und  der  zu  erwartenden  Auseinandersetzungen  mit  anderen  Teilnehmer- 
gruppen  auf  dem  Jugendhilfetag  (politische  Vorbereitung  durch  entsen- 
dende  Trager  und  starkere  Fraktionierung)  vorgenommen.  Es  wurde  auf- 
gezeigt,  daS  die  AGJ  auf  die  wichtigsten  Forderungen  der  Sozial isti- 
schen Aktion  (vgl.  Info  Sozialarbeit,  Heft  6)  nicht  eingegangen  ist. 
In  diesem  Zusammenhang  wurde  bekannt,  daS  die  AGO  unter  dem  Druck 
der  Argumente  der  Sozialistischen  Aktion  an  das  BMFJG  einen  weiteren 
Finanzierungsantrag  auf  Obcrnahme  der  Teilnehmerbeitrage  in  Hbhe  von 
DM  48  000  gestellt  hat.  Es  wird  sich  zeigen,  ob  die  AGJ  diesen  An- 
trag  durchsetzen  kann  Oder  ob  die  Antragstellung  eine  bloBe  Finte 
ist.  Die  Sozialistische  Aktion  fordert  alle  Teilnehmer  am  5.  DJHT  auf, 
keine  Teilnehmerbeitrage  zu  entrichten  und  dies  auf  der  Anmeldung 
durch  Streichung  der  Spalte  Teilnehmerbeitrage  deutlich  zu  machen 
(Anmeldekarten  anfordern:  AGJ,  53  Bonn  1,  Haager  Weg  44). 

Die  politische  Diskussion  des  Vorbereitungstreffens  konzentrierte 
sich  auf  folgende  Fragen: 

-  Mit  welchen  Perspektiven  tritt  die  Sozialistische  Aktion  auf  dem 
Jugendhilfetag  auf? 

-  Wie  sieht  die  Verbindung  der  Sozialistischen  Aktion  und  allgemei- 
ner  politischer  Kampf  aus? 

-  Was  ist  fortschrittliche  Berufspraxis? 

-  Wie  kann  durch  gezielte  Vorbereitung  eine  Vermittlung  dieser  poli- 
tischen Ziele  in  den  Arbeitsgruppen  der  Sozialisationsfelder  ge- 
leistet  werden  (Anknlipfen  an  Probleme  der  Berufspraxis)? 

Gearbeitet  wurde  in  vier  Arbeitsgruppen  entsprechend  den  Sozial isa- 
tionsfeldern  "Familie",  "AuBerfamiliare  Erziehung",  "Jugendarbeit  und 
Freizeit"  und  "Ausbildung  und  Beruf".  In  den  Arbeitsgruppen  wurde 
der  unterschiedliche  Stand  der  Vorbereitungen  in  den  einzelnen  Regio- 
nalgruppen  deutlich.  In  alien  Arbeitsgruppen  waren  jedoch  die  Dis- 
kussionen  darauf  orientiert, 

-  die  Probleme  der  Berufspraxis  im  Zusammenhang  mit  den  Lebensbedin- 
gungen  der  von  Sozialarbeit  Betroffenen  aufzugreifen; 

-  den  scheinbaren  Widerspruch  zwischen  Jugendhilfereform  und  gleich- 
zeitiger  politischer  Disziplinierung  und  Diskriminierung  "klienten- 
orientierter"  Sozialarbeit  zu  verdeutlichen; 

-  33  - 


-  die  "Notwendigkeit"  der  Jugendhilfereform  zum  jetzigen  Zeitpunkt 
und  ihre  politische  Funktion  im  Verha'ltnis  zum  Stand  der  Klassen- 
auseinandersetzungen  im  Sozialisationsbereich  herauszuarbeiten; 

-  die  Behinderung,  aber  auch  die  Ansatze  im  Jugendhilfegesetz,  die 
eine  Arwendung  im  Interesse  der  Kinder/Jugendlichen  entweder  un- 
mbglich  machen  oder  ausgenutzt  werden  kbnnen,  herauszuarbeiten; 

-  die  damit  im  Zusammenhang  stehende  Notwendigkeit  der  politischen 
Organisierung  zu  vermitteln. 

Die  folgende  Plenumsdiskussion  konzentrierte  sich  auf  die  Frage  nach 
der  "fortschrittlichen  Berufspraxis"  und  der  Einscha'tzung  der  Repres- 
sion des  Staatsapparats.  Hinsichtlich  der  Berufspraxis  standen  sich 
im  wesentl ichen  zwei  Positionen  gegeniiber  (bei  Obereinstimmung,  daB 
es  eine  revolutiona're  Berufspraxis  nicht  gibt); 

1)  Mehrheitlich  wurde  die  Auffassung  vertreten,  eine  Berufspraxis, 
die  gegebene  rechtliche  Mb'glichkeiten  flir  Betroffene  im  Hinblick 
auf  deren  objektive  und  subjektive  Interessen  und  Bedurfm'sse 

nutze  und  zugleich  ihre  klassenma'Bige  Organisierung  unterstiitze, 
sei  fortschrittlich. 

2)  Diesen  Argumenten  wurde  von  einer  kleinen  Gruppe  entgegengehal ten, 
Berufspraxis  sei  per  se  keine  politische  Praxis.  Der  Sozialarbei- 
ter  ha'tte  dagegen  seine  berufsbornierte  Haltung  aufzugeben,  er 
ha'tte  eine  proletarische  Orientierung  vorzunehmen  und  sich  in  die 
Volkska'mpfe  einzuordnen.  Die  Unterst'u'tzungsfunktion  der  Sczialar- 
beiter  und  ihre  Beteiligung  am  Klassenkampf  sei  AusfluB  ihrer 
politischen  Organisierung  und  unabhangig  von  ihren  Berufsfunktio- 
nen. 

Die  unterschiedliche  Einscha'tzung  "fortschrittl  icher  Berufspraxis" 
hat  Konsequenzen  fur  die  politische  Organisierung  der  Sozialarbeiter 
und  das  Vorgehen  der  Sozialistischen  Aktion  auf  dem  Jugendhilfetag: 

Eine  Bremer  Teilnehmergruppe  lehnte  es  ab,  die  Arbeit  politisch  auf 
den  Jugendhilfetag  zu  orientieren,  will  vielmehr  prlifen,  welchen 
Stellenwert  die  Teilnahme  am  JHT  und  der  Sozialistischen  Aktion  fur 
die  "gegenwa'rtigen  Stadtteilka'mpfe"  hat.  Eine  Hamburger  Gruppe  mb'ch- 
te  bei  ihrem  Auftreten  auf  dem  JHT  eine  (Confrontation  mit  dem  Veran- 
stalter  und  dessen  Referenten  vermeiden  und  sich  allein  auf  die  Agi- 
tation der  "fortschrittlichen  Krafte"  beschranken.  So  war  die  Rede 
von  der  "politischen  Massenlinie",  "der  Einordnung  der  Sozialarbei- 
ter in  die  Volkska'mpfe",  "der  Vermittlung  der  politischen  Perspekti- 
ve  und  dem  gewerkschaftlichen  Kampf"  etc.  -  An  der  so  formulierten 
Zielsetzung  wurde  kritisiert,  daB  die  politischen  Vermittlungsschrit- 
te  zu  diesen  Zielen  gegeniiber  der  groBen  Zahl  von  Kollegen  nicht 
aufgezeigt  wurde,  nicht  angegeben  wurde,  wie  die  Auseinandersetzun- 
gen  im  Berufsbereich  zu  fiihren  sind  ur.d  wie  in  den  Gewerkschaften 
gearbeitet  werden  soil. 

Die  Mehrheit  der  Sozialarbeiter/Sozialpa'dagogen  (Gruppen  und  einzel- 
ne,  die  am  Info  Sozialarbeit  im  Sozialistischen  Buro  bzw.  der  Zeit- 
schrift  "Erziehung  und  Klassenkampf"  orientiert  sind)  war  im  Gegen- 
satz  zu  diesen  Bremer/Hamburger  Vorstellungen  der  Auffassung,  daB 
eine  politische  Organisierung  nicht  erreicht  wird  durch  eine  vora 
Beruf  losgelbste  Orientierung  auf  eine  ihnen  auBerlich  bleibende 
"politische  Massenlinie".  Durch  Aufgreifen  der  Probleme  und  der 

-   34   - 


PROBLEME 

DES  KLASSEN-    A 

KAMPFS  y^ 


13 


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POLITLADEN  ERLANGEN       852  ERLANGEN   POSTFACH  2849 


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2  Einfach-  und  2  Doppelhefte)  ist  DM  31,00  inklusive  Versandkosten.  Luftpostabonnements 
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dung  gewiinscht  wird,  wobei  fruhestmoglicfier  Abo-Beginn  das  zuletzt  erschienene  Heft  ist. 
Bszahlung  durch  Oberweisung  an  Politladen  GmbH.  852  Erlangen,  Konto  Nr.  3234-850 
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weisungen  bttte  nur  per  Post,  da  Bankuberweisungen  mit  Gebiihren  belastet  werden. 


Norbert  Kostede 

Redaktionskollektiv 
Gewerkschaften 

Altvater /Hoffmann/ 
Schoeller/Semmler 

Pedro  Garcia  Lopez 


Akkumulation  und  Mittelklassen 

Bedingungen  sozialistischer 
Gewerkschaftsarbeit 

Entwicklungsphasen  und  -tendenzen  des  Ka- 
pitalismus  in  Westdeutschland   (I.  Teil) 

Materialien  zur  spanischen  Streikbewegung 
der  letzten  Jahre 


BILDUNGSARBEIT   IM  OFFENTLICHEN  DIENST 


Die  Hefte  6  und  7  des  Info  Arbei terbildung  zum  Schwerpunktthema 
"Bildungsarbeit  im  offentlichen  Dienst"  bringen  fur  die  Bildungs- 
arbeit  im  Bereich  des  offentlichen  Dienstes  wichtige  Materialien. 
In  Teil   I   (Info  6)  werden  die  Entwiirfe  fur  neue  Leitsatze  flir 
Vertrauensleute  der  Gewerkschaft  DTV  behandelt  und  der  Entwurf 
einer  Bildungskonzeption  der  Gewerkschaft  DTV  wiedergegeben.   In 
Teil   II   (Info  7)   erscheinen  im  einzelnen  folgende  Beitrage  bzw. 
Erfahrungsberichte:   1)  Zum  Beamtenstreikrecht;  2)   Ein  Beispiel 
gewerkschaftl icher  Erwachsenenbildung  mit  Postkollegen;   3)   Er- 
fahrungsbericht  einer  Postler-Gruppe;  4)  Die  "subjektive  Seite" 
(Arbei tserfahrungen  und  Lehrgangserfahrungen  aus  Wochenlehrgan- 
gen  mit  Teilnehmern  aus  dem  offentlichen  Dienst);   5)   Die  DTV- 
Gesamtorganisation. 

Info  Arbei terbildung,  Heft  6,  Doppelnummer,  DM  5.-- 
Info  Arbeiterbildung,  Heft  7,   Einfachnummer ,  DM  3.-- 
Bezug:   Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  4,   Postfach  591 


Konflikte  in  der  Berufspraxis  soil  die  Auseinandersetzung  und  Ober- 
zeugungsarbeit  hinsichtlich  der  auf  "demokratischen  Positionen" 
stehenden  Sozialarbeiter  und  Sozialpadagogen  geleistet  werden.  Der 
Konfrontation  rait  den  Auffassungen  der  Tragerverbande  der  Jugend- 
hilfe  wird  nicht  ausgewichen,  die  Auseinandersetzung  macht  sich  aber 
fest  an  den  inhaltlichen  Fragen,  und  dort  werden  wir  klar  unsere  Po- 
sition vertreten.  Das  Auftreten  allerdings  von  Referenten,  die  z.B. 
das  "Berufsverbot"  aktiv  unterstlitzen  (wie  z.B.  der  Hamburger  Schul- 
senator  Apel)  wird  als  Provokation  des  Veranstalters  gewertet,  auf 
die  die  Sozialistische  Aktion  reagieren  wird. 

Im  weiteren  Verlauf  wurde  noch  einmal  die  Bedeutung  des  Teilnehmer- 
kreises  fiir  die  Sozialistische  Aktion  diskutiert,  wobei  wir  davon 
ausgingen,  daB  die  Fraktionierung  innerhalb  der  Sozialarbeiter  und 
Sozialpadagogen  gegeniiber  dem  4.  DJHT  in  Nlirnberg  fortgeschritten 
ist,  sowi'e  die  StoBrichtung  der  Sozialistischen  Aktion.  Dabei  stehen 
folgende  drei  Punkte  im  Vordergrund: 

-  Auflosung  der  Reformillusionen  anhand  von  konkretem  Material; 

-  Diskussion  der  politischen  Disziplinierungen; 

-  Diskussion  der  moglichen  Handlungsperspektiven. 

Dm  diese  Ziele  umzusetzen,  rallssen  wir  unsere  bisherigen  Praxiserfah- 
rungen  einbringen,  an  den  Erfahrungen  der  Kollegen  ansetzen,  die  Be- 
rufssituation  in  den  einzelnen  Bereichen  aufarbeiten,  die  Konflikte 
so  thematisieren,  daB  sowohl  die  Funktion  von  Sozialarbeit,  das  Ein- 
greifen  der  Verba'nde/des  Staates,  wie  auch  mbgliche  Handlungsper- 
spektiven diskutiert  werden  konnen.  Dabei  ist  es  ebenso  notwendig, 
das  neue  Jugendhilferecht  sehr  genau  zu  analysieren  und  dies  nicht 
isoliert  zu  sehen  von  der  Situation  der  Kinder/Jugendl ichen. 


Die  AGJ  -  dies  ist  ja  auch  im  "Offenen  Brief  der  AGJ"  deutlich  ge- 
worden  -  wird  versuchen,  die  Fragen  zu  den  Disziplinierungen  und  den 
Berufsverboten  so  weit  wie  mb'glich  zu  unterschlagen  bzw.  sie  even- 
tuell  nur  auf  eine  Arbeitsgruppe  zu  beschranken.  Obergreifendes  The- 
ma  mul?  daher  in  alien  Arbeitsgruppen  die  Frage  sein:  Warum  werden 
Sozialarbeiter,  die  sich  fur  die  Interessen  der  von  Sozialarbeit  Be- 
troffenen  einsetzen,  diszipliniert  oder  sogar  mit  Berufsverboten  be- 
legt? 

Unter  dem  Punkt  "Handlungsperspektiven"  sollen  die  Mbglichkeiten 
"alternativer  Praxis"  mit  ihren  Konsequenzen  fiir  die  gewerkschaftli- 
che  und  politische  Organisierung  diskutiert  werden.  Diese  Diskussion 
wird  nicht  losgelost  von  der  Berufspraxis  gefiihrt,  sondern  im  Zusam- 
menhang  rait  den  konkreten  Problemen  dieser  Praxis,  z.B.  ausgehend 
von  der  Frage:  Wie  verhalten  wir  uns  gegeniiber  den  subjektiven  und 
objektiven  Interessen  der  Jugendlichen,  in  welcher  Form  nehmen  wir 
sie  auf,  welche  Konsequenzen  Ziehen  wir  daraus  etc.? 

Mit  einer  Reihe  von  konkreten  Auftra'gen  an  die  bisherigen  14  regio- 
nal en  Vorbereitungsgruppen  wurde  das  Vorbereitungstreffen  der 
Sozialistischen  Aktion  beendet.  Der  Schwerpunkt  der  kommenden  Arbeit 
wird  in  der  regionalen  Vorbereitung  liegen.-insbesondere  sollen  die 
Diskussionen  in  die  Dienststellen  und  Ausbildungsstatten  hineinge- 
tragen  werden,  mit  dem  Ziel  einer  frlihzeitigen  Mobilisierung  zum 
Jugendhilfetag.  Weiterhin  sollen  Konf liktfalle  aus  dem  Sozialbereich 
gesammelt  und  an  die  Kontaktadresse  gesandt  werden,  damit  aus  dem 
Material  eine  Dokumentation  zusammengestell t  werden  kann. 

-  36   - 


Aktiv  R  16,  Koln: 

JUGENDLICHE  ZUM  JUGENDHILFERECHT 


Vorbemerkung: 

Seit  Marz  1974  liegt  der  Referentenentwurf  fur  ein  neues  Jugendhil- 
fegesetz vor.    Mit  diesem  Gesetz  soil  das  bisherige  Jugendwohlfahrts- 
gesetz,    dessen  Grundzuge  aus  der  Weimarer  Zeit  stammen,   abgelOst  und 
den  gesellschaftspolitischen  Erfordernissen  der  heutigen  Zeit  ange- 
passt  werden. 

Vorausgegangen  war  die  mehrjahrige  Arbeit  einer  vom  BMFJG  eingesetz- 
ten  Expertenkommission,   die  sioh  im  wesentliohen  aus  Vertretern  der 
JugendbehOrden  und  etablierten  Wohlfahrtsverbdnden  zusammensetzte 
und  die  im  Frilhjahr  1973  der   "Offentliohkeit"  einen  Diskussionsent- 
wuvf  zum  Jugendhilfegesetz  vovlegte.   Eine  papierne  Emsigkeit  entfal- 
teten  Vertreter  der  freien  und  staatlichen  Spitzenverb&nde  der  Wohl- 
fahrtspflege,   Jugendverbande  und  Experten-Kommissionen. 
ISO  Stellungriahmen  wurden  dem  Ministeriwn  vorgelegt.    Stellungnahnen, 
die  in  ihrer  Mehrheit     die  emanzipatorischen  Interessen  der  betrof- 
fenen  Kinder  und  Jugendliahen  den  eigenen  Verbandsinteressen  unter- 
ordneten. 

Wir  wollen  an  dieser  Stelle  nicht  noch  eine  neue  Stellungnahme  hin- 
zufiigen   (siehe  dazu  Info  Sozialarbeit  Nr.    6),   sondern  die  zu  Wor~ 
kommen  lassen,   die  bisher  nur  geringe  bzw.    so  gut  wie  keine  ffiglioh- 
keiten  hatten,   sioh  zu  diesem  Gesetz  zu  Uuliern  und  die,   die  eigent- 
lich  Betroffene  dieses  Gesetzes  sind. 

Eine  Gruppe  Kolner  Jungen  und  Madchen,   alle  von  Heimerziehung  und 
Juge rdfursorge  betroffen,   hat  sich  mit  dem  Diskussionsentwurf  aus- 
einandergesetzt,   ihn  konfrontiert  mit  ihren  bisherigen  Erfahrungen 
und  deutlich  gemacht,   was  sie  von  dem  neuen  Jugendhilfegesetz  hat- 
ten,   namlioh:   ItlCBTS! 

Sie  haben  Sozialarbeiter  befragt,  den  verantwortlichen  Minister 
(Frau  Focke)  interviewt  und  daraus  einen  Beitrag  fur  das  Jugendmaga- 
zin   "Direkt"  zusammengestellt,   der  am  30.3.   gesendet  wurde,und  der. 
yir  hier  im  Wortlaut  abdrucken. 

"DIE  BEHANDELN  UNS,  ABER  WIR  KONNEN  DIE  T3ICHT  BEHANDELN" 

Tina:   "Seit  Jahren  wird  die  bffentliche  Erziehung  speziell   im  Ghetto 
■der  H'eime  stark  kritisiert.  Z  B.  daB  durch  Erziehungshilfe  mit  Zwangs- 
charakter  unsere  Probleme  nicht  gelbst,  sondern  nur  verscharft  wer- 
den und  daB  Erziehung  als  Strafe  nicht  als  Hilfe  verstanden  wird. 
Deswegen  soil  uns  ein  neues  Jugendhilfegesetz  mehr  als  bisher  die 
Mbglichkeit  geben,  Liber  unsere  Lebenschancen  mitzubestimmen.  Doch 
der  Entwurf  fiir  ein  neues  Jugendhilferecht  wurde  vor  all  em  von  den 
traditionellen  Tragern  der  Jugendhilfe  erarbeitet. 


-  37   - 


Peter  (Berater):  Das  ist  also  der  Diskussionsentwurf  des  neuen 
Jugendhilfegesetzes.  Jugendhilfe  setzt  sich  aus  zwei  Teilen  zusammen 
und  zwar  einmal  der  allgemeinen  Fb'rderung  der  Jugend  -  was  mehr  Oder 
weniger  die  Freizeitangebote  betrifft  -  und  zum  anderen  die  Erzie- 
hungshilfen,  die  fur  auffallig  gewordene  Jugendliche  angewandt  wer- 
den. Wir  haben  uns  hier  in  dieser  Wohnung  aus  einer  gewissen  Notsi- 
tuation  zusammengefunden,  es  sind  alles  Betroffene,  die  nach  dem 
alten  Jugendwohlfahrtsgesetz  auffallig  geworden  sind  und  die  durch 
die  Gesetzesmiihlen  gelaufen  sind  und  die  praktisch  kein  Vertrauen 
mehr  zu  den  Behbrden  haben  und  hier  mit  uns  Lbsungen  versuchen  zu 
erarbeiten,  die  von  dauerhafterer  Art  sind  als  die,  die  meinetwegen 
von  den  Behbrden  flir  sie  gefunden  worden  sind. 

Dave:  Ich  bin  z.B.  in  einem  Heim  gewesen  9  Jahre  und  als  ich  mit 
16  Jahren  aus  dem  Heim  raus  kam  und  eine  Lehre  anfing,  wurde  mir  dann 
verbffentlicht,  daB  ich  mien  nun  in  die  Gesellschaft  einzugl iedern 
habe,  ja.  Und  das  hat  dann  vollkommen  nicht  hingehauen,  bin  ich 
also  voll  auf  die  Schnauze  gefallen. 

Tina:  Ober  die  Einweisung  ins  Heim  entscheidet  das  Jugendamt.  Hier 
werden  unsere  Akten,  unser  Fall,  verwaltet;  Liber  unseren  Kopf  hinweg 
werden  Entscheidungen  getroffen,  gegen  die  wir  uns  meistens  nicht 
wehren  kbnnen.  Deswegen  sehen  wir  das  Jugendamt  als  eine  Behbrde  an, 
die  uns  zu  Menschen  zweiter  Klasse  abstempelt  und  zu  hilflosen  Objek- 
ten  der  Verwaltungsb'u'rokratie  macht. 

Achim:  Im  Stadtjugendamt  in  Kbln  liegt  von  mir  eine  etwa  100  -  200 
Seiten  dicke  Akte,  die  ist  von  mir  angelegt  worden,  und  ich  habe 
da  noch  nie  reingucken  kbnnen,  und  ich  weiB  gar  nicht,  was  da  drin 
ist.  Nur  manchmal ,  wenn  meine  Sachbearbeiterin  da  rein  guckt,  dann 
sehe  ich  da  so  mal  ein  biBchen,  da  sind  Gutachten  drin  von  Psycho- 
logen  und  irgendwelchen  Leuten,  die  mich  aber  gar  nicht  kennen.  Die 
schreiben  dann  Liber  mich  Berichte  und  entscheiden  dann,  was  mit  mir 
geschehen  soil  Oder  nicht.  Und  ich  habe  noch  nicht  einmal  das  Recht, 
da  irgendwie  rein  zu  gucken,  ja. 

Tina:  Ja,  z.B.  bei  meinem  Heimatjugendamt  ist  von  einer  Psychologin 
ein  Gutachten  Liber  mich  gemacht  worden  und  zwar  hat  die  nur  mit 
meinen  Eltern  gesprochen,  ich  bin  da  gar  nicht  zu  worte  gekommen 
und  daraufhin  ist  dann  Liber  mich  ein  Gutachten  geschrieben  worden. 
Und  ich  hab  daraufhin  mein  Kind  nicht  bekommen,  was  jetzt  noch  im 
Heim  ist.  Wir  werden  selber  wie  Kinder  behandelt,  obwohl  ich  selber 
schon  ein  dreijahriges  Kind  habe,  ja.  Man  la'Bt  mich  gar  nicht  versu- 
chen, auf  eigenen  Fu'Ben  zu  stehen.  Ich  hange  da  in  so  einer  Abhan- 
gigkeit  drin,  ja,  und  da  kann  ich  einfach  nichts  dran  andern. 

Dave:  Ich  war  mal  drogenabhangig,  und  ich  wollte  in  ein  Therapiezen- 
trum  zur  Entziehungskur  und  da  hab  ich  vom  Jugendamt  das  Einverstand- 
nis  bekommen,  jedoch  muBte  ich  mit  aufs  Jugendamt  gehen  und  dort 
haben  sie  mir  gesagt,  daB  sie  mich  flir  zwei  -  drei  Stunden  flir  ein 
a'rztliches  Gutachten  in  eine  psychiatrische  Klinik  bringen  mu'Sten, 
und  da  bin  ich  mitgegangen  und  da  haben  sie  mir  dann  erbffnet,  daB 
ich  aufgrund  eines  Paragraphen  dort  bleiben  mu'Bte  und  da  ist  mein 
Vertrauen  zum  Jugendamt  vbllig  zerstbr.t  worden. 


Achim:  Besonders  in  den  Heimen  gibt  es  fur  uns  so  gut  wie  keine 
Rechte. 

Tina:  Ich  bin  da  in  so  ein  Heim  gekommen,  ja,  und  ich  muBte  da  im 
neunten  Monat  noch  Treppen  putzen.  Mir  haben  sie  gesagt  da  im  Heim  - 
Zwischenfrage  von  Achim:  Kannst  Du  mal  Deine  Narben  zeigen? 
Ja,  diese  Narben  habe  ich  hier  z.B.  auf  dem  Bauch  und  das  ist  ein- 
fach, well  mir  die  arztliche  Hilfe  da  im  Heim  verweigert  wurde.  Das 
ha'tte  nicht  passieren  mlissen,  das  kann  man  mit  gewissen  Mitteln  ver- 
hindern,  ja,  das  hat  mir  keiner  gesagt  im  Heim.  Ich  habe  da  bis  im 
neunten  Monat  vom  dritten  Stock  bis  in  den  Keller  Treppen  scheuern 
mlissen,  Marmortreppen  und  bohnern  -  Fliesen.  Und  die  haben  mir  ge- 
sagt, ich  wlirde  nicht  im  Arbeitsverhal tnis  stehen,  deshalb  ha'tte  ich 
kein  Recht  auf  eine  Schonzeit.  Hinterher,  als  ich  aus  dem  Heim  ent- 
lassen  wurde,  habe  ich  meine  Arbeitspapiere  bekommen;  bevor  ich  ins 
Heim  kam,  war  ich  nur  auf  der  Schule,  also  stand  ich  doch  im  Arbeits- 
verhal tnis.  So  wird  man  einfach  nicht  aufgeklart  liber  seine  Rechte, 
die  roan  haben  kann,  dadurch  kann  man  sie  nicht  vertreten. 

ZDF-Redakteur:  Ja,  aber  was  muBte  sich  deiner  Meinung  nach  andern,  damit 
euch  wirklich  geholfen  wird? 

Tina:  Ja,  z.B.  daB  wir  vielleicht  jemand  ha'tten,  beim  Jugendamt,  der 
aTTerdings  nicht  zum  Jugendamt  gehbren  wurde,  der  unabhangig  da 
ware;  zu  dem  man  hingehen  kann,  dem  man  seine  Probleme  erzahlen  kann, 
ohne  daB  der  gleich  zur  Sachbearbeiterin  rennt  und  das  dann  in  die 
Akte  geschrieben  wird;  der  Gutachten  widerlegen  kann,  z.B.  ein  Rechts- 
bei stand  ja,  der  mir  sagen  kann,  wie  ich  meine  Rechte  gegenu'ber  dem 
Jugendamt  vertreten  kann,  ja.  Das  war  bisher  noch  nie  der  Fall  und 
das  ware,  glaube  ich,  sehr  gut. 

Achim:  Ja,  und  vor  allem  Liberhaupt  Aufkla'rung,  also  daB  man  liber- 
Tiaupt  da  durchblickt,  daB  man  Liberhaupt  weiB,  was  da  lauft,  ja. 
Ich  weiB  also  echt  nicht,  was  da  lauft,  was  die  Leute  von  mir  denken, 
was  die  sich  flir  ein  Bild  von  mir  machen;  daB  ich  in  die  Akte,  die 
die  von  mir  angelegt  haben,  daB  ich  da  mal  reingucken  kann  zum  Bei- 
spiel,  damit  ich  mir  liberhaupt  vorstellen  kann,  also  wie  die  zu 
mir  stehen,  ja.  Das  ist  irgendwie,  wir  werden  da  immer  hintergangen, 
ja.  pie  behandeln  uns,  aber  wir  kbnnen  die  nicht  behandeln. 
Qas  neue  Jugendhilfegesetz  miiBte  nicht  nur  unsere  Rechte,  sondern 
auch  die  Situation  der  Sozialarbeiter  verbessern,  so  daB  ein  echtes 
Vertrauensverhaltnis  zu  ihnen  ermbglicht  wird.  Nach  dem  Diskussions- 
entwurf ist  der  Sozialarbeiter  jedoch  weiterhin  den  Zwangen  der 
BUrokratie  unterworfen  und  damit  wird  die  Zusammenarbeit  zwischen 
ihm  und  uns  erschwert. 


Sozialarbeiterin:  Die  Erwartungen,  die  wir  hatten,  sind  nicht  berlick- 
sTchtigt  worden,  da  wir  ja  auch  bei  der  Erstellung  des  Diskussions- 
entwurfes  nicht  gehbrt  wurden.  Zun'a'chst  mal  brauchten  wir  ein  Jugend- 
hilferecht,  das  es  uns  ermbglicht,  ein  Vertrauensverhaltnis  zu  den 
Jugendlichen  und  zu  unseren  Klienten  aufzubauen.  Das  wlirde  bedeuten, 
daB  wir  nicht  eingespannt  sind  in  eine  Verwaltungshierarchie,  daB 
wir  nicht  gezwungen  werden,  Akten  anzulegen,  Berichte  zu  schreiben 
und  den  Jugendlichen  zu  einem  Objekt  der  Jugendhilfe  zu  machen. 


-  38 


39 


Tina:   In  §  1   des  Diskussionsentwurfes  heiBt  es  zwar:  jeder  hat  ein 
Recht  auf  Erziehung  und  Bildung.   Das  hdrt  sich  zunachst  ganz  gut  an. 
Doch  dann  ist  von  unseren  Pflichten  gegenliber  der  Gesellschaft  die 
Rede;  hier  wird  Jugendhilfe  so  verstanden,  daB,  wer  sich  nicht  fligt, 
mit  Erziehungshaft  bedroht  wird.   Ein  Widerspruch  ist  in  unseren  Augen 
auch  ein  sozialtherapeutisches  Jugendzentrum,  denn  Sozialtherapie 
ist  in  einer  geschlossenen  Anstalt  nicht  mbglich. 

Achim:  Und  das  mit  dem  sozialtherapeutischen  Zentrum  finde  ich  das 
beste  Beispiel,  was  da  drin  ist.  Das  sind  irgendwie  nur  bessere  Na- 
men,  ja,   ich  raeine  sozialtherapeutisches  Jugendzentrum  hbrt  sich 
naturlich  besser  an  als  Jugendgefangnis,  ja.   Das  ist  in  meinen  Augen 
keine  Reform,  wenn  man  Jugendgefangnis  in  sozialtherapeutisches  Ju- 
gendzentrum umbenennt. 

Unter  den  neuen  Formen  der  Jugendhilfe  verstehen  wir  auch  selbstor- 
ganisierte  Wohngemeinschaften  ohne  Kontrolle  und  Eingriffe  des  Ju- 
gendamtes.   Deshalb  lehnen  wir  es  ab,  daB  nach  dem  Diskussionsentwurf 
Wohngemeinschaften  nur  fur  Jugendliche  eingerichtet  werden  soil  en, 
die  der  Flirsorge  unterstehen  und  nach  Gutdunken  des  Jugendamtes 
zusammengefugt  und  auseinandergerissen  werden.   Unserer  Meinung  nach 
muB  eine  Mischung  zwischen  sogenannten  normalen  und  gefa'hrdeten  Ju- 
gendlichen  mbglich  sein.  Nach  dem  Diskussionsentwurf  sollen  jedoch 
in  Wohngemeinschaften  offers ichtl ich  liberholte  pa'dagogische  Zwangs- 
maSnahmen  der  Heimerziehung  fortgesetzt  werden. 

Lisa:  Mir  fa'llt  hier  grad  der  §  56  ein,  bei  Wohngemeinschaften,  warum 
marida  ein  Arbeitsverha'ltnis  haben  muB,  ich  finde,  das  ist  ein  un- 
heiml icher  Zwang. 

Walter  (Berater);   Es  ware  ja  denkbar,  daB  man  innerhalb  der  Wohnge- 
meinschaft  jetzt  neue  Perspektiven  entwickelt  und  irgendetwas  Sinn- 
voiles  macht,  was  einem  entspricht,  nicht,  aber  das  kann  erst  mit  der 
Zeit  kommen,  das  kann  nicht  von  Anfang  an  gefordert  werden. 

Tina:  Wohngemeinschaften,  die  auf  Selbstorganisation  aufbauen,   kbn- 
nen  nicht  funktionieren,  wenn  darin  laut  Diskussionsentwurf  Erziehung 
durch  das  Jugendamt  von  oben  aus  geordnet  werden  soil.   Doch  im  zu- 
standigen  Ministerium  konnte  man  unser  MiBtrauen  nicht  verstehen. 

Frau  Focke:   Diese  Wohngemeinschaften  sollen  ja  auch  den  Zweck  haben, 
Probleme  zu  Ibsen,  die  die  jungen  Leute  gehabt  haben  und  es  ist  auch 
ratsam,  Anleitung,  Erziehung  zu  bieten  und  dazu  gehbrt  einfach  auch 
die  qualifizierte  Fachkraft...   und  es  ist  nicht  damit  getan,  daB  da 
ein  paar  Leute  zusammenziehen. 

Tina:  Nein,   ich  habe  eben  aus  eigener  Erfahrung  gemerkt,  daB  mir 
dasZusammenleben  mit  anderen  Jugendlichen  weitaus  mehr  geholfen  hat 
als  die  Hilfe  vom  Jugendamt,  an  die  ich  mich  einfach  von  meinem  eige- 
nen  Vertrauen  aus  her  nicht  wenden  konnte,  weil   ich  von  da  praktisch 
immer  nur  getreten  worden  bin,  ins  Heim  gekommen  bin,  bestraft  wor- 
den  bin.   Es  ist  die  Vertrauensbasis  nicht  da... 
(sie  wird  unterbrochen  vom  Jugendminister) 

Frau  Focke:   Ich  weiB  jetzt  nicht  im  einzelnen  Liber  ihr  Schicksal 
bescheid  und  ich  mUBte  das  mal   versuchen  zu  ergrlinden.    Ich  glaube, 


-   40 


-  Sie  gehen  mit  einem  sehr  groBen  MiBtrauen  an  das  heran,  was  wir 
mit  -  aah  -  der  neuen  Jugendhilfe  schaffen  wollen  Oder  (sehr  zb- 
gernd)  haben  auch  Erfahrungen,  -  aah  -  die  das  MiBtrauen  begrlinden 

-  zugleich  wollen  Sie  aber  erhebliche  Hilfe  des  Staates. 

Tina:  Ja,  ich  spreche  nicht  nur  fur  mich,  ich  spreche  fiir  die  Jugend- 
TTclien,  die  jetzt  nicht  anwesend  sein  kbnnen  (wird  wieder  unter- 
brochen) 

Frau  Focke:  Ja  ich  weiB  nicht,  ob  das  in  einem  Fall,  ob  wir  das  ver- 
allgemeinern  diirfen  auf  die  Situation  aller  Jugendlichen,   ich  glau- 
be, das  ist  sehr  differenziert  zu  sehen. 

Tina:   Nein,  nicht  auf  alle  Jugendlichen 

Focke:  Und  auch  alle  Behbrden  sind  nicht  ein-  und  dasselbe. 

Walter  (Berater):   Ist  es  denn  nach  dem  neuen  Entwurf  mbglich,  daB 
ein  Jugendlicher  aufs  Jugendamt  geht,  urn  irgendwelche  Hi  1  fen  fur 
sich  zu  finden? 

Focke:  Ja,  ja.  Von  einem  gewissen  Alter  an,  ich  glaub,  so  14  Jahre, 
hat~ir  einen  Anspruch  von  sich  aus  anzuregen,  welche  Form  der  Er- 
ziehungshilfe  er  fiir  richtig  halt  und  er  kann  sich  selber  an  das 
Jugendamt  wenden,  er  ist  nicht  darauf  angewiesen,  daB  jemand  ande- 
res  das  fur  ihn  tut. 

Tina-   Ohne  das  der  Sozialarbeiter  also,  daB  fiir  ihn  die  Meldepflicht 
besteht,  ja,  das  in  einer  Akte  anzulegen,  also  z.B.  an  eine  anonyme 
Beratungsstelle,  wo  Jugendliche  sich  wirklich  beraten  lassen  kbnnen? 

Focke-   Das  kommt  ganz  darauf  an,  was!  Sehen  Sie,  Beratung  kann  ich 
iTrbTs  zu  einem  gewissen  Grad  -  also  offene,  ambulante  Beratung, 
die  man  ein  paar  Stunden  irgendwann  bekommt  -  anonym  vorstellen, ,aah 

Walter:   Ist  z.B.  nicht  die  Schweigepflicht  verankert  fur  die  Sozial- 
arbeiter?  Das  ware  hier  mbglich? 

Focke-   Nein,  das  kann  in  diesem  Gesetz  nicht  gemacht  werden,   ich  sag 
eTTTinen,  das  Problem  ist    gesehen  und  es  wird  auch  gelbst,  aber 
nicht  in  diesem  Gesetz,  sondern  in  einem  ganz  anderen. 

Walter-    Ich  kann  aber  darauf  hinweisen,  daB  z.B.   die  Beistandspflicht 
■aiiTuIendamtes  gegenliber  anderen  Behbrden  verankert  ist,  das  wurde 
bedeuten    daB  z.B.  das  Jugendamt  Auskunft  Liber  einen  Jugendlichen 
qeben  muB,  wenn  die  Polizei  oder  Staatsanwaltschaft  entsprechende 
Informationen  haben  will;  Oder  stiirant  das  nicht? 

Focke-  Sicher,  da  gibt  es  eine  Zusammenarbeit  und  ich  weiB  nicht, 
^aiFlTas  Zeugnisverweigerungsrecht  kann  auch  sicher  nicht  dazu  fiih- 
ren     daB  jede  Information  -  liber  was  immer  ein  Jugendlicher  gemacht 
hat'-  die  uns  zur  Kenntnis  kommt,  in  Zukunft  verweigert  werden  wird. 

Sozialarbeiterin:  Diese  Pflicht  zum  Anzeigen,  zum  Weitergeben  von 
Ta'tsachen,  die  eTgentlich  nach  dem  Gesetz  mit  Strafe  bedroht  sind, 

-   41    - 


verhindert  ein  Vertrauensverha'ltnis  zu  den  Jugendlichen.   Zum  anderen 
sieht  das  neue  Gesetz  vor,  eine  Verpfl ichtung  der  Sozialarbeiter  auf 
die  anerkannten  Methoden  der  Sozialarbeit,  das  bedeutet,  daB  neue 
Experimente  nicht  gemacht  werden  kdnnen,  daB  wir  eben  verpfl ichtet 
sind  auf  die  mehr  Oder  weniger    al thergebrachte  Methoden  der  Einzel- 
fallhilfe,  Gruppentherapie  und  dafl  es  uns  nicht  moglich  ist,  neue 
Ansatze  zu  entwickeln,  in  denen  wir  ein  sol idarisches  Hilfsangebot 
nrit  den  Jugendlichen  erarbeiten. 

Achim:   Ein  solches  Angebot  kb'nnte  auch  im  Rahraen  eines  Jugendzentrums 
verwirklicht  werden.  Aber  fiir  die  meisten  von  uns  gibt  es  als  Treff- 
punkt  nur  die  Diskothek.   Hier  werden  wir  aber  von  unseren  Problemen 
eher  abgelenkt,  deswegen  mu'ssen  von  uns  selbst  verwaltete  Jugendzent- 
ren,  wo  wir  liber  das  Programm  bestiramen  kbnnen,  besonders  gefbrdert 
werden.  Aber  gerade  hier,  wo  es  urn  die  allgeraeinen  Fb'rderungsangebo- 
te  gent,  haben  wir  Liberhaupt  keine  gesicherten  Rechte. 

T,jn*:  Ja»   vor  alien  Dingen,  urn  das  zu  konkretisieren,  man  brauchte 
wirkTich  was,  wo  sich  die  Jugendlichen  zusammensetzen  kb'nnen,  z.B. 
ein  Jugendzentrum,  das  wird  auch  in  diesem  Gesetz  angesprochen, 
aber  die  Jugendlichen  haben  kein  Recht  darauf,  ja.   Die  kbnnen  nicht 
drauf  pochen,  so  ein  Jugendzentrum  zu  haben,  wahrend  alles  andere 
kann  der  Jugendliche  fordern,  Erziehung  in  Heimen,  ja,  die  er  viel- 
leicht  gar  nicht  will,  ja,  aber  das  was  wir  wirklich  fordern,  das  ist 
fur  uns  gar  nicht  rechtlich  vertretbar,  das  wird  zwar  angeboten, 
aber  jede  Regierung  kann  hinterher  sagen,  da  haben  wir  nicht  genug 
Geld  fiir  und  wir  kbnnen  das  jetzt  nicht  machen,  das  andere  ist  not- 
wendiger,  das  steht  im  Gesetz  und  da  habt  ihr  ein  Recht  drauf,  aber 
das  andere,  da  haben  wir  kein  Recht  drauf,  das  wird  uns  zwar  ange- 
boten aber  es  wird  sehr  vage  gehalten. 

Peter:  Ja,  es  scheint  so,  als  waren  da  Rechtsverordnungen  festgelegt 
worden,  die  reine  VorsichtsmaBnahmen  gegen  Initiativgruppen  sind, 
die  nach  den  68er/70er  Jahren  mal   angefangen,  sich  selbst  zu  organi- 
sieren,   und  evtl .  auch  politisch  aktiv  zu  werden  in  dieser  Richtung." 


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Der  PADAGOGISCH-SOZIALE-AEBEITSKREIS  e.V.  Saarbriicken,  der 
Stadtteilarbeit  in  einem  Arbeiterviertel  durchfiihrt,  sucht 
fiir  sein  wissenschaftlich  begleitetes  Vorschulprojekt  eine 
politiseh-engagierte  SozialarbeiterinZ-padagogin  ab  August 
1974  fiir  das  leitende  Team. 

Arbeitsbereich:    Planung  des   Projekts  rait  dem  Team   - 

Leitung   einer  Vorschulklasse 
Vergiitung j_  BAT  IV  b 

Beverbungen   an:    PAD  SAK  e.V.    66  Saarbriicken   6, 

Saargemiinder  Str.    56,   Telf.    068 1/   85   26  39 


Aktiv  R  16  Kbln/AKS  Diisseldorf: 

DER  REFERENTENENTWURF  - 
JUGENDHILFEGESETZ  VON  BOROKRATEN 


Vorbemerkung: 

Die  Basisaktivitaten  von  engagierten  Sozialarbeitern  und  Jugend- 
initiativen  haben  in  den  letzten  Jahren  bedeutend  zugenommen.  Sie  sind 
einefeaktion  auf  die  zunehmende  Verschlechterung  der  Lebenssituation 
der  Lohnabha'ngigen  im  kapitalistischen  System  der  BRD  und  die  Un- 
fahigkeit  der  etablierten  Jugendhilfe,  die  Interessen  der  Arbeiter- 
iuqendlichen  konsequent  aufzugreifen. 

Auf  dem  Jugendhilfetag  NUrnberg  zeigte  sich  erstmals  eine  massive 
Kritik  der  Sozialarbeiter  am  bestehenden  System.   Die  Folge  war  eine 
offene  Polarisierung  zwischen  den  Intentionen  der  kritischen  Sozial- 
arbeiter und  den  Interessen  der  etablierten  Verbande  und  der  Staats- 
biirokratie.  Um  die  Verunsicherung  der  Basis  aufzufangen,  wurden 
schlieBlich  Reformen  in  Aussicht  gestellt.   Der  3.  Jugendbericht  der 
Bundesregierung  (1972),  der  Diskussionsentwurf  (1973)  und  Referenten- 
entwurf  (RE)  eines  Jugendhilfegesetzes   (1974)   sind  Stationen  fur  die 
Entwicklung  einer  systemstabilisierenden  Reformlinie.  Hier  zeigt 
sich  die  Tendenz  der  Verbande  und  der  Burokratie,  ihre  ursprlinglichen 
Reformversprechen  schrittweise  wieder  zuruckzunehmen. 

Gleichzeitig  wird  der  Repressionsapparat  weiter  aufgeputzt:   Diszi- 
□linierungen  und  Berufsverbote  fur  fortschrittliche  Sozialarbeiter 
sowie  repressive  MaBnahmen  gegen  selbstorganisierte  Jugendimtiativen 
nehmen  zu.   Die  Burokratie  entwickelt  in  der  Auseinandersetzung  mit 
den  Initiativgruppen  von  Jugendlichen  und  Sozialarbeitern  lmraer  raf- 
finiertere  Moglichkeiten  der  Disziplinierung:  Vertrbsten,  Spalten, 
Tntearieren  bis  hin  zur  Zerschlagung.   Diese  Strategien  werden  in  den 
Gesetzesvorlagen  konsequent  aufgegriffen,  dort  abgesichert  und  natio- 
nal  vereinheitlicht.  ...         ■     L 
Zr  RE  eines  Jugendhilfegesetzes  wurde  also  nicht  von  den  padagogischen 
Nntwendiqkeiten  einer  fortschrittlichen  Sozialarbeit  her  entwickelt; 
ps  ist  ein  Gesetz  der  Funktionare  der  Biirokratie.  Dieser  Beitrag  ist 
zur    Vorbereitung  des  Jugendhilfetags  gedacht.   Im  ersten  Teil  setzen 
wir  uns  mit  den  allgemeinen  Gestaltungsgrundsatzen  des  geplanten 
lnaendhilfegesetzes  auseinander.   In  einem  spateren  Teil  werden  wir 
auf  die  einzelnen  Leistungsbereiche  des  Gesetzes  naher  eingehen. 


43   - 


I.  Teil:  Allgemeine  Gestaltungsgrundsatze  der  Jugendhilfe 

1.  Allgemeine  Zielbestimmung  der  Jugendhilfe  nach  dem  RE 

Der  RE  geht  von  einem  systemintegrativen  Aufgabenverstandnis  der 

Jugendhilfe  aus  und  stellt  emanzipatorische  Ansatze  von  vorneherein 

infrage. 

Gleich  in  §  1  -  aber  auch  an  anderen  Stellen  wie  z.B.  den  §§  31  und 

32  -  wird  besonders  betont,  daS  jeder  junge  Mensch  "seine  Pflichten 

gegenuber  der  Gesellschaft  zu  erf  mien"  hatte,  und  es  Aufgabe  der 

Jugendhilfe  sei,  ihn  dazu  zu  "befahigen". 

Handlungs-  und  Lernraume  werden  den  Kindern  und  Jugendlichen  also 
nur  insoweit  zugestanden,  als  "Pflichten  gegeniiber  der  Gesellschaft" 
nicht  verletzt,  d.h.  konkret,  soweit  etabiierte  Interessenpositionen 
nicht  angegriffen  werden.  Von  einem  "Jugendhilfegesetz"  hatte  man 
erwarten  mlissen,  daB  es  sich  konsequent  an  den  Interessen  speziell 
der  gesellschaftlich  unterprivilegierten  Kinder  und  Jugendlichen 
orientiert  und  nicht  an  denen  der  herrschenden  gesellschaftlichen 
Gruppen.  Wenn  uberhaupt,  ware  die  Frage  nach  den  Pflichten  des  jun- 
gen  Menschen  gegenuber  "der  Gesellschaft"  im  Rahmen  anderer  Gesetze 
(etwa  dem  Jugendgerichtsgesetz)  zu  Ibsen. 

Alle  Andeutungen  eines  emanzipationsfreundlichen  Aufgabenversta'nd- 
nisses  in  §  1  ("Entfal  tung  der  eigenen  Personlichkeit,  Befahigung  zur 
wahrnehmung  der  eigenen  Rechte  und  Interessen.  sowie  zur  Mitwirku7ii~ 
an  der  Gestaltung  von  Staat  und  Gesellschaft")  sind  zum  einen  durch 
die  Festlegung  auf  die  "Pflichten  gegenuber  der  Gesellschaft"  wesent- 
lich  eingeschra'nkt,  zum  anderen  in  den  konkreten  gesetzlichen  Be- 
stimmungen  nicht  real  abgesichert: 

-  "Entfaltung  der  eigenen  Personlichkeit": 

Der  junge  Mensch  soil  nach  §  1  "seine  Personlichkeit  entfalten"  kbn- 
nen.  Voraussetzung  dafur  ware  die  Schaffung  optimaler  Sozialisations- 
bedingungen  fiir  alle  Kinder  und  Jugendlichen.  Um  dies  in  etwa  zu  ge- 
wahrleisten,  ha'tten  der  Bereich  der  Allgeraeinen  Fbrderung  entsprechend 
ausgebaut  und  qualifizierte  Rechtsansprliche  auf  diese  Angebote  ver- 
ankert  werden  miissen.  Dem  ist  aber  nicht  so:  Es  muB  -  siehe  etwa  die 
Voraussetzungen  der  besonderen  Hilfe  fiir  schulpflichtige  Kinder  nach 
S  29  Oder  die  Einordnunq  der  Wohnqemeinschaft  in  das  System  der 
"Hilfen  bei  Gefahrdung  Oder  Stdrunq  der  Entwicklung"  statt  in  den 
Komplex  der  Allgemeinen  Forderung  (§  62)  -  grundsatzlich  erst  einmal 
eine  extreme  Gefahrdungssituation  vorliegen,  bevor  die  Jugendhilfe 
einsetzt.  Und  die  "Hilfen",  die  dann  "gewahrt"  werden,  haben  durch- 
wegs  reglementierenden  und  diskriminierenden  Charakter,  was  besonders 
deutlich  wird  an  den  Erziehungshilfen  fiir  entwicklungsgefahrdete  Oder 
-gestorte  junge  Menschen  (§  55  ff.).  Letzten  Endes  la'uft  dieses 
System  darauf  hinaus,  die  gesellschaftlich  unterprivilegierten  Kin- 
der und  Jugendlichen  zu  disziplinieren,  statt  inner  eine  reelle  Chan- 
ce zu  geben,  "ihre  Personlichkeit  zu  entfalten". 

-  "Wahrnehmung  der  eigenen  Rechte  und  Interessen": 
Die  Jugendhilfe  soil  -  entsprechend  der  Formulierung  des  §  1  -  den 
jungen  Menschen  auBerdem  befahigen,  "seine  Rechte  und  Interessen 
wahrzunehmen".  Wie  soil  das  geschehen,  wenn  Kinder  und  Jugendliche 


-  44  - 


(liber  ein  sozialtechnokratisches  Diagnose-  und  Zuweisungsverfahren 
6§  55,47,  123/24)  versta'rkt  in  eine  Objektrolle  gedrangt  werden  und 
keine  effektiven  Mb'glichkeiten  erhalten,  ihre  Rechte  und  Interessen 
gegenuber  den  Jugendbehbrden  durchzusetzen? 


-  "Mitwi 
Nach  §  1 
werden, 
Offensic 
rende  Mi 
tischen 
lichen  a 
gesellsc 
derlich 


rkung  bei  der  Gestaltung  von  Staat  und  Gesellschaft": 
soil  der  junge  Mensch  schlieBlich  auch  noch  dazu  erzogen 
"an  der  Gestaltung  von  Staat  und  Gesellschaft  mitzuwirken" . 
htlich  ist  hier  nur  an  eine  "konstruktive",  systemstabilis i e- 
twirkung  gedacht,  wie  es  ja  auch  in  den  Bestimmungen  zur  poli- 
Bildung  (§  32)  zum  Ausdruck  kommt.  Das  Interesse  der  Jugend- 
n  einer  Mitwirkung,  die  keine  reellenChancen  zur  Veranderung 
haftlicher  Strukturen  erbffnet,  diirfte  allerdings  nicht  son- 
groB  sein. 


?.  Die  "Fachlichkeit" 

Der  RE  enth'a'lt  gewisse  Impulse  fiir  eine  versta'rkte  Aus-  und  Fortbil- 
dung  der  Sozialarbeiter  (§  112),  toleriert  allerdings  auch  "groBzligi- 
gerweise"  die  herkbmmliche  Praxis,  gescheiterte  Handwerker  im  Schnell- 
verfahren  zu  Heimerziehern  umzuschulen  und  Leute,  die  fur  ihre  Aufga- 
ben  nicht  entsprechend  ausgebildet  sind,  in  leitende  Stellungen  zu 
befbrdern  (§  111 ;  1.2). 

Entscheidender  ist  aber,  daB  das  Kriterium  der  "Fachlichkeit"  als 
Handhabe  gegen  politisch-emanzipatorische  Praxisansatze  entwickelt  und 
eine  an  den  Interessen  der  Betroffenen  orientierte  Jugendhilfepraxis 
weitgehend  verhindert  wird. 

a)  Behinderung  emanzipatorischer  Praxisansatze  aufgrund  konkreter 
Ziel-  und  Methodenbeschreibungen: 

Innerhalb  des  gesetzlichen  Rahmens  wird  der  Handlungsspielraum  fUr 
Sozialarbeiter  gleich  zweifach  eingegrenzt,  u'ber  die  Festsetzung  der 
7ip1p  und  die  Aussaqen  zur  Methode,  Dies  soil  am  Beispiel  der  politi- 
?chen  Bildung  (§  i'd)   verdeutlicht  werden : 

Die  Aufgabe  der  politischen  Bildung  wird  nicht  darin  gesehen,  die 
Juqendlichen  zu  unterstiitzen,  ihre  gesellschaftliche  Situation  zu 
analysieren  und  Strategien  der  solidarischen  Durchsetzung  ihrer  Rech- 
te und  Interessen  zu  entwickeln.  Stattdessen  sollen  sie  auf  die  vor- 
aegebenen  gesellschaftlichen  Normen  ("Pflichten  gegenuber  der  Gesell- 
schaft") verpflichtet  und  angehalten  werden,  sich  fur  die  FDGO 
("freiheitlich-demokratische  Lebens-  und  Staatsordnung")  zu  engagie- 
ren  Aufgrund  dieser  Zielbestimmung  kbnnen  engagierte  Jugendbildungs- 
referenten  und  Jugendorganisationen  politisch  diszipliniert  werden: 
Als  z  B  der  Bund  Deutscher  Pfadfinder  (BDP)  auf  den  10.  Weltjugend- 
festspielen  in  Ostberlin  eine  Resolution  mitunterschrieb,  in  der  das 
kapitalistische  System  der  BRD  hart  kritisiert  wurde,  nahm  das  Bun- 
desiuqendministerium  dies  zum  AnlaB,  dem  Verband  mit  dem  Entzug  von 
Fbrderungsmitteln  zu  drohen.  Im  Gesprach  mit  Vertretern  des  BDP-Vor- 
stands  wurde  seitens  des  Ministeriums  Zweifel  geauBert,  "ob  em  Jugend- 
verband,  der  eine  solche  Erklarung  verbffentliche,  noch  die  Gewahr 
fur  eine  den  Zielen  des  GG  fbrderliche  Arbeit  biete  und  ob  die  von 
■ihm  aeleistete  Arbeit  noch  von  der  notwendigen  Fachlichkeit  (!)  getra- 
gen  sei"  (BDP-Dokumentation).  Nach  dem  RE  mUBte  der  BDP  nicht  nur  irnt 

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der  Einstellung  der  Fbrderung,  sondern  sogar  mit  einem  Tatigkeitsver- 
bot  ira  Bereich  der  Jugendarbeit  rechnen,  da  kiinftig  nur  noch  anerkann- 
te  Traqer  ein  eigenstandiges  Recht  auf  Betatigung  in  der  Jugendhilfe 
haben  (§  8;1)  und  die  Anerkennung  davon  abhangiq  qemacht  wird,  daB 
eine  "fachlTch  qualifizierte"  (!)  und  "den  Zielen  des  GG  nicht  wider- 
sprechenHe"  Arbeit  geleistet  wird. 

Die  Methoden,  die  fur  die  politische  Bildung  angegeben  werden  (wie 
z.B.  Setninare  und  Vortragsveranstaltungen) ,  sind  konventi oriel  1  und 
entsprechen  nicht  den  Bedurfnissen  der  Arbeiterjugendlichen.  Politi- 
sche Bildungsprozesse  verlaufen  bei  ihnen  primar  nicht  auf  verbal- 
abstrakter  Ebene.  Das  resultiert  aus  ihrer  konkreten  gesellschaftli- 
chen  Situation.  Sie  kbnnen  ihre  Lage  nicht  wesentlich  durch  "verbale 
Interaktionen"  verandern,  sondern  in  der  Regel  nur  liber  solidarische 
Aktionen,  wie  z.B.  beim  Kampf  um  ein  selbstverwaltetes  Jugendzentrum. 
Die  Einbeziehung  von  Erfahrungen  in  solidarischen  Aktionen  und  die 
Vermittlung  von  Aktionswissen  fallt  nun  aber  im  RE  als  Methode  weg. 

Ober  die  gesetzlichen  Ziel-  und  Methodenbeschreibungen  hinaus,  kbn- 
nen emanzipatorische  Praxisansatze  liber  die  Verpfl ichtung  der  Sozial- 


arbeit  auf  "gesicherte  Methoden"  (§  15)  reglementiert  werden,  wobei 
die  Burokratie  im  einzelnen  bestimmen  kann,  was  gesicherte  Methoden 
sind  Ciommentaf  zu  §  IS:    "Die  Entsaheidung  davubev,   welche  Methode 
in  einem  konkreten  Einzelfali  anzuwenden  ist,   ist  Sache  des  zustan- 
digen  Tragers.  ") 

Diese  Handhabe  wird  die  Burokratie  in  der  Auseinandersetzung  mit 
Initiativen,  wie  dem  Rauch-Haus,  dazu  nutzen  kbnnen,  die  bestehenden 
Konflikte  administrativ  reglementierend  statt  liber  die  offene  Dis- 
kussion  zu  "Ibsen".  Den  Initiativen  werden  dann  auch  Gutachten  reno- 
mierter  Wissenschaftler  wenig  helfen. 

c)  Verhinderung  eines  solidarischen  Verhaltm'sses  zwischen  Sozialar- 
beiter  und  Klienten 

Nach  dem  RE  wird  in  der  Jugendhilfe  grundsatzlich  jede  Mbglichkeit 
eines  solidarischen  Vernal tnisses  zu  den  Betroffenen  ausgeschlossen. 
Dies  wird  deutlich  an  den  Bestimmungen  zur  Melde-  und  Unterstiitzungs- 
pflicht  gegeniiber  eingreifenden  und  disziplinierenden  Institutionen: 
Der  $  69  yerpflichtet  den  Traqer  der  Jugendhilfe  und  damit  letztlich 
die  Sozialarbeiter,  dem  Vormundschaftsgericht  alle  Fa'lle  anzuzeigen, 
in  denen  sein  Tatiqwerden  in  Betracht  kommt. 

Sein  Tatigwerden  kommt  z.B.  in  Betracht,  wenn  bei  einem  Jugendlichen 
der  dringende  Verdacht  einer  Verfehlung  besteht  und  weitere  Verfeh- 
lungen  zu  erwarten  sind  (5  104^. 

Wenn  nun  also  ein  Sozialarbeiter  von  einem  Jugendlichen  aufgrund  eines 
Vertrauensverhaltnisses  entsprechende  Informationen,  z.B.  liber 
Kaufhausdiebstahle,  bekommt,  bestehen  flir  ihn  grundsatzlich  2  Hand- 
lungsmbglichkeiten:  Entweder  er  gibt  entsprechend  den  gesetzlichen 
Bestimmungen  diese  Informationen  weiter,  was  flir  den  Jugendlichen  zur 
Konsequenz  hatte,  daB  er  in  ein  geschlossenes  Heim  eingewiesen  werden 
kbnnte.  Oder  er  kommt  im  Interesse  einer  sinnvollen  padagogischen 
Arbeit  mit  dem  Jugendlichen  seiner  gesetzlichen  "Pflicht"  nicht  nach. 

Ein  solches  Verhalten  kbnnte  die  Verwaltung  dann  so  auslegen,  daB  er 
sich  nach  5  111:1  von  seiner  "Person! ichkeit"  her  nicht  zur  Durch- 

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ftihrung  des  Jugendhilfeqesetzes  eigne  und  ihn  folglich  mit  einem 
definitiven  Berufsverbot  belegen.  Ein  Berufsverbot  nach  §  111;1 
wlirde  nicht  nur  im  Sffentlichen  Dienst,  sondern  auch  bei  Sozialar- 
beitern  relevant,  die  bei  nicht-staatlichen  Tragern  angestellt  sind. 
In  der  Regel  diirfte  der  §  111;1  zur  politischen  Disziplinierung  von 
Sozialarbeitern  dienen,  die  im  Konfliktfall  die  Solidaritat  mit  Ar- 
beiterjugendlichen hbher  stellen  als  die  Loyalitat  gegeniiber  der 
Blirokratie.  Auf  der  gleichen  Linie  liegt  librigens  eine  Gesetzesini- 
tiative  in  NRW  Uber  die  Anerkennung  von  Berufspraktikanten.  Dort 
wird  die  "persbnliche  Zuverlassigkeit"  als  Voraussetzung  der  Aner- 
kennung genannt. 

Ober  §  69  hinaus,  der  die  besondere  Unterstutzungspflicht  gegeniiber 
dem  Vormundschaftsgericht  regelt,  haben  die  Jugendbehbrden  bzw. 
Sozialarbeiter  nach  §  19 ;1  auch  gegeniiber  anderen  Behbrden  (Polizei , 
Verfassungsschutz  usw.)  verbindlicfte  Beistands-  und  Auskunftspfl  ich- 
ten.  tier   Sozialarbeiter  wird  demnach  als  Handlanger  eines  umfassen- 
den  staatlichen  Disziplinierungs-  und  Unterdriickungssystems  "qualifi- 
ziert". 

d)  Festschreibung  hierarchischer  Entscheidungsstrukturen 

Auf  der  einen  Seite  erhalt  die  Burokratie  grbBere  Machtbefugnisse, 
auf  der  anderen  Seite  wird  eine  Demokratisierung  ihrer  Struktur  im 
Sinn  verstarkter  Kontrollmbglichkeiten  durch  die  Basis  nicht  zuge- 
lassen.  Auch  die  Mbglichkeit,  den  Sozialarbeitern  an  der  Basis  mehr 
Entscheidungskompetenzen  und  Unabhangigkeit  von  der  Verwaltung 
zuzugestehen,  wurde  nicht  in  Erwagung  gezogen.  Somit  kommt  das  allge- 
meine  Verwaltungsrecht  mit  seinen  hierarchischen,  auf  obrigkeitl  iche 
Kontrolle  zielenden  Strukturen  voll  zur  Geltung. 


3.  Mitwirkung  und  Mitbestimmung  der  betroffenen  Kinder  und  Jugendlichen 

Aufgabe  der  Jugendbiirokratie  im  kapitalistischen  System  ist  es,  die 
Kontrolle  der  Kinder  und  Jugendlichen,  speziell  aus  der  Arbeiterklas- 
se,  zu  gewahrleisten.  Je  unauffalliger,  desto  besser.  Um  Konflikte 
mbglichst  zu  verschleiern  und  lautlos  zu  entscharfen,  kann  den  Ju- 
gendlichen ein  gewisses  MaB  an  formaler  Mitwirkung  zugestanden  werden. 
Der  RE  enth'a'lt  Ansatze  fiir  "Mitwirkungsmbglichkeiten"  Jugendlicher 
(&§   25,6,  107),  die  flir  die  Burokratie  keinerlei  Risiko  Bedeuten  und 
grundsatzlich  nichts  an  der  Objektrolle  der  Betroffenen  andern. 

a)  Mitwirkung  des  Einzelnen 

-  Vernal tnis  junger  Mensch  -  Jugendamt: 

Die  vie!  verklindete  Partnerschaft  findet  sich  nicht  im  Verhaltnis  des 

betroffenen  jungen  Menschen  und  Jugendamt. 

nas  Jugendamt  hat  bei  alien  Hilfen,  auf  die  ein  Rechtsanspruch  besteht, 

grundsatzlich  das  Entscheidungsrecht  (§  21;4>. 

fw  unmittelbar  Betroffene  hat  nach  §  25;2  wohl  die  Mbglichkeit, 

seine  Wlinsche  zu  auBern;  sie  werden  aber  nur  dann  berucksichtigt, 

wenn  die  El  tern  und  das  Jugendamt  sie  beflirworten. 

Ein  Beispiel:  Ein  Jugendlicher  auBert  gegeniiber  dem  Jugendamt  den 

Wunsch,  in  eine  Wohngemeinschaft  zu  Ziehen  statt  in  einem  Heim  unter- 

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gebracht  zu  werden,  Wenn  die  Eltern  nun  Vorurteile  gegenliber  Wohn- 
gemeinschaften  haben,  ist  sein  Wunsch  nur  eine  Luftblase,  Ira  Konflikt- 
fall  haben  namlich  dieWunsche  der  Eltern  vor  denen  des  Jugendlichen 
Vorrang.  Das  ergibt  sich  aufgrund  der  Bestimmungen  nach  §  18-,  1 
(partnerschaftliche  Zusammenarbeit  mit  den  Erziehungsberechtigten  - 
und  nicht  mit  den  betroffenen  Kindern  und  Jugendlichen!)  und 
§  2;2  (Bestimmung  der  Grundrichtung  der  Erziehung  durch  die  Personen- 
sorgeberechtigten).  Jetzt  kann  schlieBlich  noch  das  Jugendamt  diesen 
Wunsch  des  Jugendlichen  selbstherrlich  zurlickweisen,  mit  dem  Argu- 
ment, er  wlirde  -  nach  Auffassung  des  Jugendamts  -  seinem  "Wohl"  nicht 
entsprechen  bzw.  "unvertretbare  Mehrkosten"  erfordern. 

Die  Mitwirkungsmbglichkeiten  des  Betroffenen  (nach  §  25)  kbnnen  "bei 
Gefa'hrdung  oder  Stb'rung  der  Entwicklung"  noch  zusatzlich  durch  ein 
sozialtechnokratisches  Diagnose-  und  Zuweisungsverfahren  (§  55  etwa 
in  Verbindung  mit  §  61)  eingeschrankt  werden.  Dieses  Verfahren  schlieBt 
ihn  von  seiner  Bezugsgruppe,  die  ihn  solidarisch  unterstlitzen  konnte, 
weitgehend  aus  und  unterwirft  ihn  einem  BehandlungsprozeB,  auf  den 
er  keinen  effektiven  EinfluB  hat.  Im  Ubrigen  kann  das  Jugendamt 
mit  dem  Knlippel  der  gerichtl ichen  Anordnung  drohen,  falls  ein  Jugend- 
licher  sich  nicht  bereit  zeigt,  die  flir  ihn  vorgesehene  MaBnahme  zu 
akzeptieren  (§  47). 

-  Verhaltnis  zum  Vormundschaftsgericht: 

Will  der  Betroffene  beim  Vormundschaftsgericht  etwas  gegen  die  MaB- 
nahmen  des  Jugendamts  unternehmen,  so  erlebt  er,  daB  beide  Institu- 
tionen  eng  miteinander  verknlipft  sind, und  er  sich  kaum  Chancen  aus- 
rechnen  kann,  sich  gegenuber  dem  Jugendamt  durchzusetzen. 
Kinder  haben  beim  Vormundschaftsgericht  von  vorneherein  keine  eigene 
Rechtsposition:  Sie  brauchen  grundsatzlich  nicht  angehbrt  zu  werden, 
wenn  das  Vormundschaftsgericht  liber  ihre  Angel egenhei ten  entscheidet 
(§  120;1.3).  Auch  kbnnen  sie  das  Vormundschaftsgericht  nicht  anru- 
fen,  wenn  ihre  Rechte  von  Seiten  des  Jugendamts  angegriffen  werden 
(§  125). 

Jugendlichen,  d.h.  jungen  Menschen  iiber  14  werden  zwar  einige  Rechts- 
mbglichkeiten  zugestanden,  die  aber  flir  die  Durchsetzung  ihrer  Inter- 
essen  gegenliber  dem  Jugendamt  nicht  viel  bringen: 
Die  Initiativrechte  der  Jugendlichen  gegenliber  dem  Vormundschafts- 
gericht (speziell  die  Antrags-  und  Anrufungsrechte)  sind  schon  einmal 
vdllig  unzureichend. 

Lediglich  in  Fallen,  in  denen  das  Vormundschaftsgericht  "zur  Entschei- 
dung  berufen  ist"  -  und  das  sind  im  wesentl ichen  die  Falle,  in  denen 
es  urn  die  Anordnung  von  Zwangserziehung  geht  -  hat  der  Jugendliche 
ein  Antragsrecht  (§  120;1).  Er  hat  aber  keine  Mbglichkeit,  von  sich 
aus  an  das  Vormundschaftsgericht  heranzugehen,  urn  positive,  von  ihm 
gewiinschte  Leistungen  der  Jugendhilfe  zu  fordern,  die  ihm  das  Jugend- 
amt verweigert.  Dies  ware  etwa  denkbar,  wenn  ein  Auszubildender  aus 
seiner  Familie  heraus  will,  urn  in  einem  Wohnheim  zu  leben  oder  mit 
anderen  eine  Wohngemeinschaft  zu  bilden,  und  dazu  die  staatliche  Fbr- 
derung  braucht. 


Der  Jugendliche  hat  dann  wohl  auch  ein  gewisses  Anrufungsrecht  gegen- 
uber dem  Vormundschaftsgericht  (5  126).  Von  diesem  Recht  kann  er 
aber  nur  Gebrauch  machen,  wenn  seine  Rechte  vom  Jugendamt  "uber  das 


48 


von  der  Hilfe  gebotene  MaB  hinaus"  eingeschrankt  werden.  Der  Begriff 
des  "gebotenen  MaBes"  ist  dabei  weit  auslegbar,  Es  diirfte  dem  Be- 
troffenen im  konkreten  Fall  relativ  schwer  fallen,  den  Nachweis  zu 
erbringen,  daB  die  Einschrankungen  liber  das  "gebotene  MaB"  hinaus- 
gehen. 

Ein  Beispiel:  Das  Landesjugendamt  Rheinland  hat  vor  einigen  Jahren 
die  Planung  eines  Intensivheims  flir  Madchen,  das  nach  dem  RE  etwa 
als  sozialtherapeutisches  Jugendheim  (vgl.  §  64)  anzusprechen  ware, 
in  Angriff  genommen.  Es  orientiert  sich  in  der  Konzeption  an  einem 
Washingtoner  Madchenheim,  in  dem  ein  Teil  der  Madchen  streng  vonein- 
ander  isoliert  leben  und  nur  Kontaktmbglichkeiten  zu  einer  flir  sie 
speziell  abgestellten  Sozialarbeiterin  haben.  Das  methodische  Ziel 
der  amerikanischen  Einrichtung  besteht  darin,  "durch  intensive  Beein- 
flussung  bei  den  Madchen  einen  Leidensdruck  zu  erzielen,  also  die 
Verwahrlosung  zu  neurotisieren,  um  spa'ter  die  so  hervorgerufene  Neu- 
rose  therapeutisch  angehen  zu  kbnnen"  (aus  den  vertraul ichen  Proto- 
kollen  des  LJWA  Rheinland). 

Dieses  Verfahren  ist  so  neu  nicht.  Es  entspricht  der  Gehirnwasche 
und  ist  uns  bekannt  aus  der  Diskussion  um  die  Isolationsfolter  mit 
politischen  Gefangenen  in  der  BRD.  Wenn  nun  die  Jugendbehbrde  aufgrund 
einer  "Diagnose"  zu  dem  SchluB  kommen  sollte,  daB  die  Einweisung  eines 
Jugendlichen  in  eine  solche  Einrichtung  "geboten"  ist,  um  dessen  An- 
passung  an  die  geltenden  gesellschaftl ichen  Normen  zu  gewahrleisten, 
bestehen  flir  ihn  kaum  Mbglichkeiten,  sich  gegen  diese  brutale  Ei n- 
schrankung  seiner  Menschenrechte  zu  wehren. 

Im  vormundschaftsgerichtlichen  Verfahren  selbst  hat  der  Jugendliche 
eine  auBerst  schwache  Stellung.  Er  hat  hier  noch  weniger  Mbglichkei- 
ten, seine  Rechte  und  Interessen  zur  Geltung  zu  bringen,  als  in  einem 
forml ichen  gerichtl ichen  Verfahren: 

-  Der  Jugendliche  hat  keinenAnspruch  auf  einen  Verteidiger  bzw.  einen 
rechtl ichen  Beistand  seines  Vertrauens  (allenfalls  auf  einen 
Jugendgerichtshelfer,  der  vom  Jugendamt  benannt  wird,  und  u,a.  ge- 
gen den  Jugendlichen  zu  ermitteln  hat;  vgl.  §  93); 

.  Er  hat  kein  Recht  auf  Akteneinsicht;  sogar  die  Begrundung  der  vor- 
mundschaftsgerichtlichen Entscheidung  kann  ihm,  "soweit  das  fiir 
seine  erzieherische  Entwicklung  nachteilig  sein  kbnnte",  verwei- 
gert werden  (§  120;4); 

-  Die  Berichte  und  Gutachten,  auf  die  sich  das  Vormundschaftsgericht 
bei  seinen  Entscheidungen  stiitzt, werden  grundsatzlich  vom  Jugend- 
amt erstellt  (§  69  ff.); 

-  In  einzelnen  Fallen,  z.B.  bei  Trebegangern  oder  Jugendlichen,  die  im 
dringenden  Verdacht  (!)  straf barer  Verfehlungen  stehen,  kann  der 
Vormundschaftsrichter,  ohne  den  Betroffenen  anzuhbren,  Zwangserzie- 
hung anordnen  und  diese  MaBnahme  -  ohne  die  Rechtsmittelfrist  einzu- 
halten  -  sofort  vollziehen  lassen. 

b)  Kollektive  Mit-  und  Selbstbestimmung  der  Jugendlichen 

-  Jugendvertretung: 

Der  RE  sieht  als  eine  Mbglichkeit  kollektiver  EinfluBnahme  auf  Ein- 
richtungen  der  Jugendhilfe  die  Schaffung  von  Juqendvertretungen  vor 
(6  6-2)-  Die  Jugendvertretung  in  den  Jugendhilfeeinrichtungen  gibt 
3i?iJugendl  ichen  allerdings  keine  reelle  Chancen,  ihre  Interessen 
gegenuber  dem  jeweiligen  Trager  durchzusetzen.  Diesem  bleibt  nam- 


-  49 


lich  die  Formulierung  der  Satzunq  Liberlassen,  nach  der  sich  die  Mit- 
wirkung  der  Jugendlichen  regelt.  Es  steht  ihm  ferner  frei .  .jederzeit 
die  zunachst  zugestandenen  Rechte  wieder  zurlickzunehmen.  Der  RE 
selbst  sichert  den  Jugendvertretungen  keine  qualifizierten  Rechte  zu, 
wie  z,B.  einen  Anspruch  auf  eigene  Raumlichkeiten,  einen  angemessenen 
und  selbstverwalteten  Etat  fur  ihre  Aktivitaten  sowie  auf  ungehinderte 
Offentlichkeitsarbeit.  Die  unzureichende  rechtliche  Qualifizierung 
der  Jugendvertretungen  erleichtert  es  den  Leitern  von  Einrichtungen, 
sie  zu  manipulieren  und  als  Ordnungsfaktoren  fur  ihre  Interessen  ein- 
zusetzen.  Es  ware  noch  zu  priifen,  inwieweit  dies  von  den  Autoren  des 
RE  beabsichtigt  war. 

-  Mb'glichkeiten  der  Selbstorganisation: 

Selbstorganisationsansatze  von  Jugendlichen  werden  all enf alls  im  tra- 

ditionel Ten  Jugendpflegebereich  ( "allgemeine  Forderung")  toleriert. 

In  der  JugendfUrsorge  ("besondere  Leistungen"),  dem  Kernbereich  der 

Jugendhilfe,  sind  infolge  eines  Systems  stark  individual isierender 

und  reglementierender  Mechanismen  entsprechende  Voraussetzungen  von 

vorneherein  nicht  gegeben. 

Aber  auch  Selbsthilfeinitiativen  von  Jugendlichen  im  Bereich  von 

Freizeit  und  Jugendarbeit  werden  klinftig  starker  als  bisher  admini- 

strativen  Eingriffen  ausgesetzt. 

Wenn  jugendliche  Initiativgruppen  in  der  Jugendhilfe  tatig  werden, 
z.B.  ein  selbstverwaltetes  Jugendzentrum  realisieren  wollen,  diirfen 
sie  das  nur,  wenn  sie  vorher  vom  Jugendamt  als  VereTnigung  fur  Jugend- 


hilfe "anerkannt"  worden  sind  (§8).  Als  Voraussetzungen  dafiir  gelten 
die  Kriterien  der  fachlichen  Qualifikation  und  der  Verfassungstreue 
(§  9).  Um  das  Kriterium  der  fachlichen  Qualifikation  erfiillen  zu 
kbnnen,  mlissen  sie  die  repressive  Leitlinie  des  Jugendhilfegesetzes 
in  ihre  Konzeption  aufnehmen,  den  Vorstellungen  der  Jugendbehbrden 
in  Bezug  auf  "gesicherte  Methoden"  entsprechen  und  dariiber  hinaus 
"fachlich"  und  "persbnlich"  qualifizierte  Sozialarbeiter  anstellen. 
Das  kbnnen  selbstorganisierte  Jugendinitiativen  wohl  schwerlich 
leisten,  ohne  ihren  eigenen  Charakter  aufzugeben.  Sollten  sie  noch 
nit  Go-ins  Oder  anderen  "illegalen"  Aktionen  auf  ihre  Anliegen  auf- 
merksam  gemacht  haben,  besteht  flir  sie  schon  gar  keine  Chance  auf 
Anerkennung. 

-  EinfTuBmbglichkeiten  der  Jugendlichen  auf  JugendhilfeausschuB  und 

Jugendbehbrde: 
Als  eine  Mbglichkeit  fiir  die  Jugendlichen,  unmittelbar  auf  die  zen- 
tralen  Entscheidungen  im  Bereich  der  Jugendhilfe  EinfluB  zu  nehmen, 
stellt  der  RE  die  Beteiligung  von  "Jugendyertretern"  im  Jugendhilfe- 
ausschuB in  Aussicht  (5  107).  Diese  Beteiligung  erflillt  offensicht- 
lich  Alibifunktionen: 

Nur  1/7  der  Sitze  werden  den  Jugendlichen  zugestanden.  Zudem  werden 
die  "Jugendvertreter"  von  den  kommunalen  Parlamenten  ausgesucht, 
also  nicht  von  denen  autorisiert,  deren  Interessen  sie  angeblich  ver- 
treten  sollen.  Im  iibrigen  unterliegen  diese  aufgrund  der  vom  RE 
nicht  modifizierten  landesrechtlichen  Regelungen  wie  die  anderen  Aus- 
schuBmitglieder  der  Schweigepflicht.  Ober  Wahlmodus  und  Schweige- 
pflicht  werden  somit  die  "Jugendvertreter"  systematisch  von  ihrer 
Basis  isoliert. 
Andererseits  haben  die  jugendlichen  Basisinitiativen  keine  MSglich- 

-    50    - 


keit,  ihre  Probleme  mit  der  Jugendbehbrde  unmittelbar  zur  Sprache 
zu  bringen,  Auch  ist  nicht  daran  gedacht,  etwa  Liber  die  Institutiona- 
lisierung  bffentlicher  Diskussionsforen  eine  breite  Beteiligung  der 
betroffenen  Jugendlichen  an  Planungen  und  Entscheidungen  der  Jugend- 
behbrde zu  ermbglichen. 

4.   Kooperation  mit  nicht-staatl ichen  Tragern 

Der  RE  macht  eine  starkere  Differenzierung  zwischen  den  etablierten 
Verbanden  und  den  neu  entstehenden  Basisinitiativen.   Durch  den  Ein- 
bau  besonderer  Barrieren  sollen  diese  Initiativen  starker  unter  Druck 
gesetzt  werden,  wahrend  gleichzeitig  mit  den  etablierten  Verbanden 
ein  noch  engeres  und  partnerschaftlicheres  Verhaltnis  angestrebt 
wi  rd : 

-  Barriere  der  Anerkennung: 

Die  Anerkennung  als  Voraussetzung  fur  die  Betatigung  in  der  Jugend- 
hilfe (§  8)  ist  an  folgende  Kriterien  gebunden:  "fachlich  qualifi- 
zierte" und  "den  Zielen  des  GG  nicht  widersprechende  Arbeit"  (§  9). 
Es  wird  proletarischen  Elterninitiativen  z.B.  in  der  Praxis  schwer- 
fallen,  den  Nachweis  der  fachlichen  Qualifikation  im  Sinn  des  RE  zu 
erbringen,  wenn  sie  etwa  ein  Kinder! adenprojekt  realisieren  wollen. 

-  Barriere  der  Fbrderungswiirdigkeit: 

Wenn  eine  Initiativgruppe  gefbrdert  werden  will,  muB  sie  uber  diese 
Voraussetzung  hinaus  nachweisen,  daB  sie  nicht  nur  nicht  gegen  die 
FDGO  verstbBt,  sondern  die  Gewahr  fur  eine  die  bestehende  Ordnung 
fbrderliche  Arbeit  bietet  (§  12). 
Arbeiten  in  einer  Initiative  etwa  Leute  der  DKP  Oder  des  KBW  mit 
Oder  beteiligt  sie  sich  an  einer  punktuellen  Aktionseinheit  zu  den 
Berufsverboten,  in  der  auch  kommunistische  Gruppen  vertreten  sind, 
kann  das  flir  die  Jugendbehbrde  zum  AnlaB  genommen  werden,  die  For- 
derungswurdigkeit  zu  verneinen.  Im  Extremfall  kann  sogar  jede 
systemkritische  Aktivitat  einer  Initiativgruppe  von  der  Behorde  mit 
politischer  Disziplinierung  beantwortet  werden. 

-  Barriere  der  wirtschaftlichen  Leistungsfahigkeit: 

Eine  weitere  Mbglichkeit  des  Abblockens  von  Basisinitiativen  besteht 
im  Ausspielen  des  Arguments  der  unzureichenden  bkonomischen  Basis. 
Nach  dem  RE  sollen  Basisinitiativen,  die  nicht  in  der  Lage  sind, 
"Rnnpmpssene  EigenliTstUriqen"  zu  erbringen,  von  der  Forderung  aus- 
rWhlossen  werden  kbnnen  (5  13;^).  "Dem  genannten  Kriterium  kommt 
auch  eine  gewisse  Regulatorfunktion  zu,  um  auszuschl leBen,  daB 
mittellose  oder  nahezu  mittellose  Vereinigungen  Anspriiche  erheben 
(Kommentar  zu  §  13;2). 

Daruber  hinaus  kann  die  Jugendburokratie  sogar  unter  Hinweis  auf 
die  unzureichende  eigene  bkonomische  Basis  die  nicht  mit  finanzkraf- 
tigen  Tragerverbande  liierten  Initiativgruppen  auf  admim strati vem 
Weq  aus  wesentl ichen  Bereichen  der  Jugendhilfe  heraushalten: 
Bei  Projekten,  in  denen  Kinder  oder  Jugendliche  regelmaBig  zur  Pfle- 
ae  oder  Erziehung  aufgenommen  werden  sollen,  ist  die  Erlaubms  der 
Jugendbehbrde  erforderlich  (§  94;1).  Diese  wird  nun  nicht  a  lein 
davon  abhangig  gemacht,  ob  das  "Wohl"  der  Kinder  und  Jugendlichen 

-  51  - 


gewahrleistet  ist,  sondern  es  wird  zusa'tzlich  vorausgesetztj  daB 
die  Initiativgruppe  die  "erforderl iche  Zuverlassigkeit"  hesitzt, 
Dazu  stellt  der  Kommentar  zu  §  94;3  fest;  "Der  Begriff  der  Zuver- 
l&ssigkeit  vmfalit  auoh  die  wirtsohaftliohe  Leistungsf&kigkeit  des 
Tragers  der  Einrichtung ,  " 
Wenn  also  beispielsweise  eine  finanzschwache  AKS-Gruppe  ein  Kollek- 
tiv  mit  Jugendlichen  initiieren  will,  kann  sie  damit  rechnen, 
nicht  mehr  gefbrdert  zu  werden.  Will  sie  das  Projekt  trotzdem 
aufziehen,  kann  es  ihr  passieren,  daB  die  Jugendbehorde  ihr  wegen 
fehlender  "Zuverlassigkeit"  die  dafiir  notwendige  Erlaubnis  ver- 
weigert. 

Vertrauenswiirdig  ist  -  wie  im  Bereich  der  kapitalistischen  Wirtschaft 

uberhaupt  -  nur  wer  u'ber  entsprechendes  Kapital  verfugt. 

Es  liegt  im  ubrigen  auf  der  Hand,  daB  sich  der  vage  Begriff  der 

"Zuverlassigkeit"  von  der  Jugendblirokratie  besonders  gut  als  Mittel 

zur  politischen  Disziplim'erung  gerade  der  gesellschaftskritisch 

eingestellten  und  behbrdenfern  strukturierten  Initiativen  verwenden 

la'Bt. 

-  Dagegenaber  enge  partnerschaftliche  Zusammenarbeit  mit  etablierten 

Verbanden: 
Der  Ausschaltung  und  Behinderung  der  Basisinitiativen  entspricht 
die  im  RE  angestrebte  "partnerschaftliche  Zusammenarbeit"  mit  den 
etablierten  ("anerkannten"  und  "fb'rderungswurdigen")  Verbanden. 
Trotz  der  formalen  Auflockerung  des  Subsidiaritatsprinzips  (§  10;2) 
wird  die  Machtposition  der  etablierten  Verbande  fester  denn  je  ge- 
setzlich  abgesichert: 

Der  RE  spricht  ihnen  einen  formlichen  Rechtsanspruch  auf  Forderung  . 
(§  13)  und  einen  Anspruch  auf  Planungsbeteiliqunci  (^  10)  zu  und 
bestatigt  auBerdenTihre  Reprasentation  im  JugendhilteausschuB  (§  107). 
Plant  nun  die  Caritas  zur  Verbreitung  ihrer  ideologisch  gefarbten 
Erziehungsvorstellungen  die  Einrichtung  einer  Elternbildungssta'tte, 
wird  sie  im  JugendhilfeausschuB,  in  dem  sie  Sitz  und  Stimme  hat, 
dafiir  sorgen,  daB  eine  solche  Einrichtung  in  den  Jugendhilfeplan 
(§  10,  §  13)  aufgenommen  wird.  Sieht  sich  die  Kommune  spater  auf- 
grund  ihrer  permanenten  Finanzmisere  und  weil  ihr  die  Realisierung 
eines  Jugendzentrums  wichtiger  erscheint,  nicht  in  der  Lage,  ein 
solches  Projekt  zu  finanzieren,  kann  die  Caritas  die  Stadt  darauf 
verklagen,  den  Bau  des  Jugendzentrums  zugunsten  der  Finanzierung 
ihrer  Bildungseinrichtung  zu  stoppen. 


I'ortsetzung  folgt 


52 


REPRESSIVE  MASSNAHMEN 
IM  SOZIALBEREICH 


Fall  1:  Tatigkeitsverbot  fur  Di pi .-Psychol ogen  in  der  JVA 
Castrop-Rauxel 


Am  4.4.74  untersagte  der  Leiter  der  offenen  Justizvollzugsanstalt 
(JVA)  Meisenhof  dem  Dip!. Psych.  B.  ab  sofort  das  Betreten  der  An- 

Jurgeii  B.  leitete  in  der  Anstalt  seit  Herbst  73  im  Auftrag  der  VHS 
Castrop-Rauxel  eine  sozialtherapeutische  Gruppe.  Der  Anstaltsleiter 
begr'u'ndete  seinen  Schritt  mit  der  Behauptung,  B.  sei  bestrebt,  die 
Gefangenen  "gegen  die  Anstalt,  gegen  den  Staat  und  gegen  die  beste- 
hende  Gesellschaftsordnung  einzunehmen."  AuBerdem  wird  ihm  vorge- 
worfen,  staatsfeindliche  Schriften  verteilt  zu  haben. 

In  einem  Brief  an  den  Prasidenten  des  JVA  in  Hamm  widersprach  B. 
dieser  Verfiigung  und  erklarte: 

"1.  Der  Anstaltsleiter  bekam  die  o.g.  Informationen  (Verda'chtigungen) 
nur  durch  groben  VerstoB  gegen  vorherige  Absprachen  liber  die  Grundy 
bedingungen  der  Gruppenarbeit.  (Bruch  der  notwendigen  Diskretion  bei 
sozialtherapeutischer  Arbeit). 

2.  Der  Anstaltsleiter  beschneidet  mit  seiner  Verfiigung  das  Recht  auf 
freie  MeinungsauBerung  und  unternimmt  den  Versuch  der  politischen 
Unterdruckung. 

3.  Erst  grundlegende  Erkenntnisse  Uber  den  Charakter  der  eigenen 
Existenz  und  des  kriminellen  Handelns  schaffen  die  Voraussetzung, 
verbrecherisches  Handeln  als  ausweglos,  unsozial  und  illusionar  zu 
erkennen.  Wenn  bei  solchen  politischen  Oberlegungen  der  Klassen- 
charakter  unserer  bestehenden  Ordnung  und  die  Notwendigkeit  des  revo- 
lutionaren  Klassenkampfes  offengelegt  werden,  kann  das  zwar  disku- 
tiert,  aber  nicht  verboten  werden." 

Weiterhin  fordert  er  die  sofortige  Aufhebung  der  Verfiigung  des  An- 
staltsleiters  durch  das  Oustizvollzugsamt  und  eine  Stellungnahme  zu 
folgenden  Forderungen  fur  sozialtherapeutische  Gruppen  in  Strafan- 

1  Das  Recht  auf  Diskretion  gegenuber  der  Anstalt. 

2  Die  Anhbrung  der  ganzen  Gruppe  in  Konflikt-  und  Streitfallen. 

3.   Freiheit  der  politischen  Betatigung,  Unterlassung  von  Zensur  und 
politischer  UnterdrUckung. 

(Informationen:  Jiirgen  Burmeister,  463  Bochum,  Hustadtring  147) 


-  53 


Fall   2:   Jugendzeitung  "Lokomotive"  zu  links 


Die  Jugendzeitung  "Lokomotive  Flachsland"  erscheint  seit  zwei  Mona- 
ten  im  Haus  der  Jugend  Flachsland  und  wird  von  Jugendlichen  mit 
finanzieller  Unterstutzung  des  Hauses  der  Jugend  (H.d.J.)  herausge- 
geben,  um  die  Probleme  der  Jugendlichen  aufzugreifen  und  kritisch 
zu  durchleuchten.   Die  erste  Nummer  wurde  von  der  Behbrde  beschlag- 
nahmt.   Die  Verteilung  von  Nr.   4  ist  vom  Heimleiter  (auf  Druck  der 
Behbrde)  verhindert  worden,  und  zwar  mit  folgenden  Begrlindungen: 
"1.  Den  "linken"   Inhalt  kbnne  er  nicht  mit  seiner  Position  als  Heim- 
leiter und  Herausgeber  vereinbaren. 

2.  Artikel   §  218  spricht  die  Heimbesucher  nicht  an,  da  unter  den  Be- 
suchern  keine  "Frauen"  sind. 

3.  Vorwurf:  Werbung  fur  die  DKP  auf  der  Veranstaltung  der  SDAJ  fur 
die  Blirgerschaftswahlen  betrieben  zu  haben. 

4.  das  hohe  Niveau  der  Zeitung  findet  keine  Resonanz  bei  den  Besu- 
chern. 

5.  An  einigen  Schulen  wird  die  Zeitung  erst  gar  nicht  verteilt,  son- 
dern  gleich  von  den  Schulleitungen  vernichtet." 

Die  Jugendlichen  weisen  diese  Begrlindungen  zuriick  als  Versuche,  eine 
kritische  Zeitschrift  fur  die  Jugendhausbesucher  mundtot  zu  machen: 
"-  Kritische  Meinungen  werden  von  den  Herrschenden  als  links  diffa- 

miert.   Die  SPD  -  Behbrde  scheut  kein  Mittel,  auch  die  Heimleitung 

unter  Druck  zu  setzen.   (Entlassung) 

-  Der  Heimleiter  verschlieBt  sich  davor,  daB  das  §  218-Problem 
sich  auch  jlingeren  Leuten  stellt. 

-  Der  SDAJ  Wahl veranstaltung  blieb  die  eingeladene  SPD  u.  CDU  fern. 
So  konnte  nicht  Liber  deren  Argumente  berichtet  werden. 

-  Die  Diskussion  liber  bestimmte  Artikel  mit  Besuchern,  Mitarbeitern 
und  Redaktionsmitgliedern  zeigt,  daB  die  Zeitung  Resonanz  erhalt. 

-  Gelder  des  HdJ  werden  durch  Vernichtung  der  Zeitung  sinnlos  ver- 
schwendet." 

Der  Heimleiter  hat  angekiindigt,  die  nachste  Nummer  unter  seiner  Lei- 
tung  entstehen  zu  lassen  und  an  der  Redaktionssitzung  teilzunehmen. 
Die  Redaktion  ist  unentschlossen,  ob  sie  unter  diesen  Bedingungen 
weiter  arbeiten  soil . 

(Information:  Redaktion  Jugendzeitung,  H.d.J.   Flachsland,  2  HH  33, 
Bramfeldstr.  9) 


Fall   3:  0.  Bujard  als  Fachhochschullehrer  abgelehnt 


Die  Personalmisere  in  den  Fachbereichen  Sozialpadagogik  und  Sozial- 
arbeit  der  Kblner  Fachhochschule  ist  offensichtlich  (Fachbereich 
Sozialarbeit:   17  besetzte  Stellen,  15  offene  Stellen;  Fachbereich 
Sozialpadagogik:  12  besetzte  Stellen,  18  offene  Stellen). 
Die  Grlinde  flir  diese  Situation  liegen  nicht  etwa  darin,  daB  es  an 


54 


geeigneten  Bewerbern  mangel te.  Schon  seit  langem  werden  Dozentenbe- 
werbungen  von  der  Verwaltung  und  den  zustandigen  Gremien  in  Hoch- 
schule  und  Ministerium  so  schleppend  behandelt,   daB  viele  Dozenten 
nach  Fristen,  die  nicht  selten  ein  Jahr  liberschreiten,   langst  eine 
andere  Tatigkeit  aufgenommen  haben.  Zum  anderen  liegen  sie  in  unver- 
sta'ndl  ichen  Entscheidungen  des  Senats,  deren  letzte  wohl   kaum  zu 
liberbietende,  die  Ablehnung  des  Bewerbers  Otker  Bujard  ist.   Bujard, 
ehemaliger  Pfarrer,  wurde  bekannt  durch  seine  Arbeit  im  Arbeitskreis 
Notunterkunfte  (Kbln).    Die  "Praxis  von  Bujard  und  die  aus  derselben 
resultierenden  Verbffentlichungen  erweisen  ihn  als  einen  Fachmann, 
dessen  gesamte  Arbeit  die  gegenseitige  Abhangigkeit  und  Durchdrin- 
gung  von  sozialer  Praxis  und  sozialwissenschaftl icher  Theorie  ab- 
bildet." 

Am  2.5.73  bewarb  sich  Otker  Bujard  am  Fachbereich  Sozialarbeit  um 
die  Stelle  eines  Fachhochschullehrers.  Nach  der  Anhbrung  empfahl   ihn 
der  BewerberausschuB  ohne  Gegenstimme  dem  Fachbereich.   Der  Fachbe- 
reich schlug  einstimmig  seine  Einstellung  dem  Senat  der  FHS  vor; 
ausschlaggebend  waren  die  Erfahrungen,  die  Kollegen  und  Studenten  mit 
Bujard  wahrend  seiner  2jahrigen  nebenamtl ichen  Tatigkeit  am  Fachbe- 
reich gemacht  hatten.  Am  21.1.74  wurde  die  Bewerbung  im  Senat  verhan- 
delt.   Der  Senat  lehnte  mit  der  Begrlindung  ab,  Otker  Bujard  habe 
zwar  einen  HochschulabschluB  in  Theologie,  nicht  aber  in  einem  sozial- 
wissenschaftl ichen  Fach,  einem  Fach  also,   in  dem  er  zu  lehren  beab- 
sichtige.   Die  Argumentation  fuBt  auf  der  Einstellungsverordnung  von 
NRW,   in  der  es  heiBt:   "AbschluB  eines  den  wahrzunehmenden  Lehraufga- 
ben  entsprechenden  Studiums  an  einer  wissenschaftl ichen  Hochschule 
durch  Ablegung  einer  Hochschulprufung  Oder  einer  ersten  Staatsprlifung 
flir  eine  Laufbahn  des  hbheren  Dienstes."  Was  der  Senat   (anscheinend) 
nicht  behandelte:  Otker  Bujard  bringt  neben  den  in  der  FH-Praxis  ■ 
bereits  erwiesenen  padagogischen  Fahigkeiten  eine  liber  5jahrige  wis- 
senschaftsbezogene  Praxis  mit,  und  ein  von  der  VW-Stiftung  finan- 
ziertes,  als  "Zusatzstudium"  gedachtes  Soziologiestudium.  Auf  die 
einstimmige  Ablehnung  durch  den  Senat  (er  habe  nur  Formal ien  zu 
prlifen)  erfolgte  eine  Sol  idarisierung  von  170  Studenten  und  einigen 
Dozenten,  die  eine  erneute  Behandlung  der  Bewerbung  von  Bujard  for- 
derten. 

Die  zweite  Ablehnung  erfolgte  am  4.2.74  und  setzte  sich  damit  liber 
die  Einstellung  des  Fachbereichs  hinweg.  Als  Vorwand  flir  die  politi- 
sche  Disziplinierung  von  Bujard  und  des  Fachbereiches  Sozialarbeit 
muBte  die  vorgeschobene  Begrlindung  der  mangelnden  fachl  ichen  Voraus- 
setzungen  herhalten. 

Der  Fall   Bujard  macht  deutlich,  daB  nicht  nur  ein  Personal  fall   ver- 
handelt  wurde,  sondern  ein  Fall   politischer  Disziplinierung,   der 
sich  einreiht  in  eine  Kette  von  Berufsverboten  fur  Einzelpersonen. 

(Dokumentation  zum  Fall   Bujard) 


55 


Fall  4:  Weitere  Verscharfung  der  Sozialarbeiter-Ausbildung 


Die  Urawandlung  der  Hbheren  Fachschulen  fiir  Sozialarbeit  in  Fach- 
hochschulen  hat  nur  scheinbar  eine  Statusaufbesserung  der  Sozialar- 
beiter-Ausbildung gebracht.  Das  Festhalten  an  der  hohen  Semester- 
wochenzahl,  die  negative  zahlenma'Bige  Entwicklung  des  Studenten-Do- 
zenten-Vernaltm'sses,  die  Beibehaltung  einer  Vielzahl  von  Leistungs- 
nachweisen  und  Priifungen  in  Einzeldisziplinen  aufgrund  sich  ver- 
scharfender  Priifungsordnungen  hat  dazu  gefuhrt,  daB  der  Anspruch  auf 
mehr  Wissenschpftl ichkeit  in  der  Ausbildung  Papier  geblieben  ist. 
Besonderer  Ausdruck  restriktiver  staatlicher  Ausbildungspolitik 
sind  die  in  fast  alien  Bundeslandern  feststellbaren  Versuche  der 
Kultusblirokratien,  das     Berufspraktikum    aus  der  Kom- 
petenz  der  Fachhochschulen  in  die  Zustandigkeit  der  Verwaltungen  zu 
verlagern  und  damit  die  Sozialarbeiterausbildung  zeitlich  zu  verklir- 
zen. 

Den  Hintergrund  dieser  Bemlihungen  bilden  nicht  nur  bildungsbkonomi- 
sche  Oberlegungen,  sondern  das  ausdrlickl  iche  Interesse  der  Ministe- 
rien     sowie  der  koraraunalen  und  freien  Trager  der  Sozialarbeit,  die 
politische  und  fachliche  Kontrolle  Liber  die  Sozialarbeiter-Ausbil- 
dung zu  erhalten.   Treten  Gewerkschaften  (DTV  und  GEW),  die  meisten 
Berufsverbande,  (fast)  alle  Ausbildungsstatten,  verschiedene  Anstel- 
lungstrager  fur  die  einphasige  Ausbildung  ein,  so  fiihren  der  Ge- 
setzentwurf  der  NRW-Landesregierung  (Gesetz  liber  die  staatliche 
Anerkennung  von  Sozialarbeitern/Sozialpadagogen  grad.   DS  7/3685) 
und  die  Leitsatze  des  Berliner  Senats  zum  Berufspraktikum  (v.   10.8.73) 
selbst  die  (mit  Ausnahrae  von  Baden-Wlirttemberg  und  Bayern)  noch 
existierende  zweiphasige  Ausbildung  ad  absurdum. 

In  NRW  haben  nach  Warnstreiks  Studenten,  Praktikanten  und  Dozenten 
am  30.5.   in  Dlisseldorf  gegen  eine  vom  Hochschulministerium  geplante 
Rahmenpriifungsordnung  und  gegen  ein  Gesetz  demonstriert,  das  die 
Durchfuhrung  des  Berufspraktikums  sogenannten  "Seminaren"  Libertragt. 
Diese  sollen  bei  jedem  Landschaftsverband  eingerichtet  werden.   Die 
"Seminare"  sind  ferner  an  Richtlinien  und  Weisungen  des  Sozialmini- 
steriums  gebunden,  das  die  Ausbildungsordnung  fiir  das  Berufsprakti- 
kum und  das  Kolloquium,  Grundsatze,  Verfahren  und  Zusammensetzung 
des  "Seminars"  durch  Rechtsverordnung  regelt.   In  dem  vorgesehenen 
Beirat  (er  wird  vom  Arbeits-  und  Sozialministerium  ernannt  und  hat 
nur  beratende  Funktion),  sind  die  Dozenten  der  FHS  hoffnungslos 
in  der  Minderheit  und  Vertreter  der  Praktikanten  oder  Studenten  kon- 
sequent  unberucksichtigt.  Die  staatliche  Anerkennung  wird  in  Zukunft 
nur  derjenige  erhalten,  der  u.a.  §  4  "sich  nicht  eines  Verhaltens 
schuldig  gemacht  hat,  aus  dem  sich  die  Unzuverlassigkeit  zur  Ausiibung 
des  Berufs  ergibt."  Damit  Sozialarbeiter  auch  in  anderen  Bundeslan- 
dern nach  dem  Gusto  der  NRW-Regierung  ausgebildet  werden,   ist  in  dem 
Gesetzentwurf  ein  NRW-Berufsverbot  fur  Sozialarbeiter  anderer  Bun- 
deslander  aufgenommen.   Eine  nach  Inkrafttreten  des  Entwurfs  ira  Gel- 
tungsbereich  des  GG  erteilte  staatliche  Anerkennung  wird  namlich  nur 
dann  als  gleichwertig  anerkannt,  "wenn  sie  aufgrund  von  Vorschriften 
erteilt  worden  ist,  die  §  1  dieses  Gesetzes   (und  der  darin  enthal- 
tenen  Vorschriften,  d.V.)  entsprechen". 

-  56   - 


Auch  der  Berliner  Entwurf  sieht  die  Einrichtung  von  (Bezirks-) 
Seminaren  vor.  Sie  bestehen  aus  je  einem  Ausbil dungs! eiter  der 
Jugend-,  Sozial-  und  Gesundheitsbehbrden  und  zwei   Vertretern  der 
Berufspraktikanten  mit  beratender  Stimme.   Die  Dominanz  der  Verwal- 
tung  kommt  schlieBlich  darin  zum  Ausdruck, daB  das  Verwaltungsprakti- 
kum  auf  ein  3/4  Jahr  ausgedehnt  werden  soil.   Davon  sollen  "jeweils 
3  Monate  dauernde  Praktika  im  behbrdlichen  Jugend-,  Sozial-  und  Ge- 
sundheitswesen"  abgeleistet  werden.   Denn:  Die  Verwaltung  ist  ... 
an  Absolventen  interessiert,  die  gegeniiber  alien  Belangen  des  Ju- 
gend-,  Sozial-  und  Gesundheitswesens  aufgeschlossen  sind."   Im  Unter- 
schied  zu  NRW,  das  sich  in  seinem  Gesetzentwurf  auf  Disziplinierungs- 
maBnahmen  beschrankt,  sehen  die  Berliner  Leitsatze  minimale  Verbes- 
serungen  vor.   Die  Praktikanten  sollen  wbchentlich  zu  Unterrichtsver- 
anstaltungen  der  Seminare  (regelma'Bige  Teilnahme  ist  Pflicht)  heran- 
gezogen  werden,   die  Praxisanleiter  "wenigstens  1/3  ihrer  Arbeitszeit 
der  Anleitung  von  Praktikanten  widmen  kbnnen".  Allerdings  sind  zur 
Gewahrlei stung  dieser  Voraussetzungen  keine  finanziellen  Mittel   vor- 
gesehen. 

Beide  Entwurfe  (Berlin  und  NRW)  stimmen  darin  uberein,  daB  der 
unterstlitzenswerte  Gedanke  einer  praxisorientierten  wissenschaftli- 
chen  Ausbildung  ins  Gegenteil   verkehrt  wird.   Durch  die  Trennung  des 
Praktikums  von  den  Inhalten  der  Fachhochschul-Ausbildung  wird  ein 
politisches  und  fachliches  Disziplinierungsinstrument  geschaffen  und 
die  Ausbildungsdauer  effektiv  verkurzt.   Das  Praktikum  dient  der  An- 
passung  der  Absolventen  an  die  BedLirfm'sse  der  Verwaltung. 

Das  jedoch  liegt  nicht  im  Interesse  der  "Klienten"  und  der  Sozial- 
arbeiter und  Studenten,  die  sich  an  deren  Bedlirfnissen  und  Interessen 
orientieren.  Deshalb  muB  der  Kampf  fur  ein  einphasiges,  mindestens 
8-semestriges,  Theorie  und  Praxis  integrierendes  Studium  fortgeflihrt 
werden.   Wir  schlagen  vor,  daB  Sozialarbeiter,  Praktikanten  und  Stu- 
denten liber  ihren  Kampf  gegen  die  Verscharfung  der  Ausbildungs-  und 
Arbeitsbedingungen  von  Sozial arbeitern/-padagogen  in  diesem  Info 
berichten  und  damit  zu  einer  Koordinierung  des  Widerstands  gegen  die- 
se repressive  "Sozialstaats"-Politik  beitragen. 

Fall    5:    Politische  Prozesse  gegen  das  Arbeiterjugendzentrum 
Bielefeld 


Ostern  1973  war  das  stadtische  Haus  der  Offenen  Tur  Brackwede  von 
ca.   200-250  Jugendlichen  besetzt  und  nach  6  Tagen  von  starken  Pol i- 
zeikraften  auf  Antrag  des  Oberstadtdirektors  der  Stadt  Bielefeld  ge- 
raumt  worden.    (Vgl.   hierzu  Info  Sozialarbeit  3/4  ""Das  Lehrstuck 
Brackwede"  -  Ziele  und  Entwicklung  des  AJZ  -)   Das  AJZ  sollte  zerschla- 
gen  werden.  Allein  es  klappte  nicht  -  das  AJZ  (in  anderen  Raumen) 
und  als  Bewegung  gibt  es  bis  heute. 

Am  27.5.74  fand  nun  nach  zweimaliger  Verschiebung  unter  massivem 
Polizeieinsatz  und  den  "ublichen"  Durchsuchungen  der  ProzeB-Zuschau- 
er  der  erste  sogenannte  "HausbesetzerprozeB"   im  Bielefelder  Amtsge- 
richt  statt.  Angeklagt  waren  die  ersten  9  (4  Studenten,   3  Arbeiter, 
2  Sozialarbeiter)  von  ca.   100  wegen  "gemeinschaftlichen  Hausfriedens- 
bruch"  und  in  5  Fallen  wegen  "versuchter  Nbtigung";  bei    ihnen  sollte 
die  Rodelsflihrertheorie  praktiziert  werden. 


57 


In  dem  11  Stunden  dauernden  Verfahren  ging  es  urn  die  Frage  (und  da- 
rum  war  die  Verurteilung  auch  abzusehen),  ob  die  Jugendlichen  in  den 
stadtischen  "Hausern  der  Jugend"  selbst  bestimmen  konnen.  was  sie 
machsn  wcl  1  en  Oder  ob  stadtische  Angestellte  bestimmen  kb'nnen,  was 
Jugendl iche  machen  sollen.   Es  ging  urn  die  Frage,  ob  "Selbstorganisa- 
tion"  rechtens  und  vereinbar  ist  mit  diesem  Staat. 
Die  Genossen,  die  auf  der  Anklagebank  saBen,  schilderten  die  Lage  der 
Arbeiterjugendlichen  und  die  Situation  der  Jugendarbeit  in  Bielefeld. 
Sie  begrundeten  die  Notwendigkeit  eines  Arbeiterjugendzentrums  und 
die  Notwendigkeit  der  Hausbesetzung  aufgrund  der  sich  hinziehenden 
Verhandlungen  mit  den  stadtischen  Gremien     und  nachdem  die  Verwal- 
tung  keine  Bereitschaft  zeigte,  den  berechtigten  Forderungen  der  Ju- 
gendlichen nach  einem  selbstverwalteten  Jugendzentrum,  nachzukommen. 
Siegriffen  Stadtverwal tung,  Polizei   und  Justiz  als   "wahre  Hausfrie- 
densbrecher"  an,  da  "sie  uns  aus  unserem  Haus  getrieben  haben". 

Der  Darstellung  der  Genossen  hatten  Anklagebehbrde  und  Stadt  nichts 
enLgegenzusetzen:  die  Zeugen  der  Anklage  konnten  ihre  Darstellung 
nicht  widerlegen,  die  Vertreter  der  Stadtverwaltung  (des  Rates  und 
des  Jugendamts)  muBten  eingestehen,  daB  sie  Uberhaupt  keine  Vorstel- 
lungen  hatten,  wie  Jugendarbeit  aussehen  sollte. 
Konkret  bewiesen  wurde  -  was  alle  wuBten  und  niemand  bestreitet  -, 
daB  es  im  stadtischen  Haus  der  Offenen  Tur  Brackwede  5  Tage  lang  ein 
selbstverwaltetes  AJZ  gegeben  hatte,  daB  Jugendliche  in  einem  stadti- 
schen Haus,  das  sie  gebffnet  hatten,  solange  Selbstverwaltung  prakti- 
zierten,  bis  sie  unter  brutalem  Pol izeieinsatz  rausgeschmissen  wur- 
den.  DaB  die  Jugendlichen  mit  UnterstLitzung  u.a.   von  fortschrittl  i- 
chen  Sozialarbeitern  wahrend  der  Besetzung  noch  mit  der  Stadt  ver- 
handelten,  bezeichneten  Staatsanwal tschaft  und  Richter  als  Notigung ! 
Wie  zu  erwarten  -  ProzeBergebnis:  Verurteilung  aller  Angeklagten  zu 
DM  2.700.-  Geldstrafe  (4  x  500,  2  x  200,   3  x  100  DM)   plus     Gerichts- 
kosten. 

Uenn  auch  die  Polizei,  die  dem  ProzeB  nachfolgende  spontane     Demon- 
stration zum  AnlaB  nahm,  eine  Auseinandersetzung  zu  provozieren 
(ein  Demonstrant  wurde  von  einem  Polizeimotorrad  angefahren)   und 
ihre  Starke  vor  dem  neuen  AJZ  demonstrierte  und  versuchte,  die  Be- 
vblkerung  einzuschlichtern  und  gegen  das  AJZ  einzunehmen,  so  wird  es 
fur  die  Stadt,  Polizei  und  Justiz  immer  schwieriger,  ihre  Position 
gegenuber  dem  Recht  der  Jugendlichen  auf  selbstverwaltete  Jugendzen- 
tren  zu  behaupten.   Neben  Nachbarn  des  AJZ  haben  nun  als  erste  60  Wis- 
senschaftler  der  Hochschulen  bffentlich  gegen  die  Urteile  protestiert 
und  die  voile  UnterstLitzung  des  AJZ  durch  die  Stadt  gefordert;  ein 
bekannter  Jurist  hat  bffentlich  Zweifel   Liber  die'Praxis  des  Urteils- 
spruchs  und  der  Kriminalisierung  geauBert. 

Genossinnen  und  Genossen,  Kollegen  die  Prczesse  werden  teuer,  wenn 
alle  90  weiteren  Prozesse  so  durchgeflihrt  werden,  ist  einschlieB- 
lich  Gerichts-  und  Anwaltskosten  mit  einer  Summe  von  Liber  20. 000. -DM 
zu  rechnen.  Da  wir  auch  das  AJZ  bisher  alleine  finanzieren  mu'ssen, 
sind  wir  auf  Eure  UnterstLitzung  angewiesen.An  den  Strafen  zeigt  sich, 
was  das  Ziel   der  Prozesse  ist:   Die  Zerschlagung  des  AJZ.   Wir  wehren 
uns  dagegen.   Spendet  auf  das  Konto  des  AJZ-Vereins  Kt.Nr.   80  812 
Sparkassc  Bielefeld  Stichwort:   ProzeBhilfe  -  Solidaritat  ist  eine 
Waffe  -. 


-   58 


hei 


zjeher   .„ 
eitschrift 


1.  Zeitschrift  von  Erziehern  fur  Erzieher  in  Beruf 
und  Ausbildung.  Als  Forum  von  Praktikern  fur  Prak- 
tiker  will  die  Heimerzielier-Zeitschrift  (hez)  die 
Heimsituation  analysieren,  die  praktischen  Erfah- 
rungen  der  Kollegen  verallgemeinern,  liber  Konflik- 
te  mit  der  Sozialblirokratie  berichten,  Model le 
diskutieren  und  relevante  Informationen  weitergeben. 

Themenschwerpunkte  des  Heftes  6/74: 

-  Organisationsstruktur  und  Arbeitsweise  der  UTV 

-  Selbstverstandnisdiskussion  der  HEK 

-  Jugendhilfetag  geplatzt 

-  Repression  gegen  Jugendzentren 

Bezug:  HEZ,  1  Berlin  61,  Urbanstr.  126,  Flur 


ARCH  + 

Studienhefte  fiir  Plcmungspraxis  und  Plonongstheorle 


Redaktion:  Klaus  Brake  (Berlin)  J  Wolfgang  Ehrlinger  (Stuttgart) 
/  Helga  Fassbirtder  (Berlin)  /  Christoph  Feidrkeller  (Stuttgart)  / 
Mark  Festor/Nikotaus  Kuhnert  (Aachen)  /  Jorg  Pampe  (Stutt- 
gart) /  Renate  Pelzinger  (Bar Mn)  /  Hninrich  Stoffl  (Wien) 

arch*  ist  eine  : 
tie  or.ngt  Erfahri. 
und  untersucnungan  oner: 

—  die  im  Bau-und  Planungsprozea  auftretanaen  tecrmoiogischen 
ond  organisatorischen  Foinun  (wie  z.B.  die  der  Industrialisierung 
des  Bauens/dar  Organisation.  Instrumente,  Metnodenuna  theore- 
tischen  Grundlagen  der  Pianung/der  Arbeilssitualion  und  Qualifi- 
katidn  won  Architaktan  und  Stadtplanem  etc.); 

—  die  mit  ihm  zusammrjnnangenden  soziaien  Foigen  (wie  r.B.  die 
der  ST3dtentwlcklunB/der  Bodenpolitik/der  Wohnungstrage/aer 
Planungsideoldgien); 

—  und  die  den  Bau-und  PianungsprozeA  beitimmenden  Okono- 
mischen  und  colitischen  Faktoren  (wie  z.B.  die  de»  Bauauitrags- 
Struklur/der  Bauproduktion/der  staat  lichen  Rahmenbfldingungen 

arch-  bezietit  dies*  Baiuage  aul  die  Bereiche  ..Stadtteilarbeit" 
/„B#ru*spra«ij'V., Ausbildung"  und  ordnet  s.e  e,n  in  die  Analyse 
ihrer  gesellschaniicrien  Beaingungen. 


ARCH'  soil  Diskusiionen  unterstiHren,  die  sich  m,l  Fragen 
Produktion  und  Planurtg  gebauter  Umwelt  im  Zusarnmennar 
iCMialistischer  Polilik  auseinandarsetzen. 

ARCH'  erscheinl  viermal  .m  Jatir  (197-1  im  5.  Jahrg^g,. 
Preis  tur  ein  Jahresabonnement  DM  30,-.  Der  Preis  lur  ein 
Einzefheft  bet'Sgt  DM  a, SO. 

ARCH*  erscheinl  im  VS  A  vef  lag  *  vertrieb,  1  Berlin  36, 

Erkelenzdamm  7,  Postfach  307. 


Ed,! 


Sabine  Kraft/Ren, 


nger:  Baukrise  73/74  —  Entwick- 
lungstendenien  im  Wohnungsbau  una  die  Rede  von  der  Ver- 
besserung  der  Lebensaualitat 

—  Lonnabhangigkeit  stall  Partnerscnaft:  Auswirkungen  der 
Baukrise  auf  die  ArbeitsbMirVgurvgen  in  Berliner  Arehilektur- 
und  ingenieurbiiros  I  Bedmgunqen  gewerktcnaftl* 


r   Gesc 


a  des  Arc 


-     Helga  Fassbinder:  Der  so; 
fOrderungsge^U  —eine  knuscbe  Untersuchung  aus  dem 
Vergiekh  zum  Sozialplan  bei  unternenmenisanierung  nacn 
dem  BetriebsverfassungsgeseU 


ARCH+  23  (3/1974)  wschemt  .m  Oktober  1974  mit  Beitrlgen 
zu  Ptanungsflllen  und  beruMicher  bzw.  politischer  Arbeit  in 
der  Stedt-  und  Regiortaiplanung,  sowic  zu  deren  geseiitchaft- 
licrien  Bedingungerv 

—  Gemeinden  in  Forderoeoieten  —  Auiwirkungen  aul  die 
kommunaie  Eniwickiungspianung  una  aui  die  Stand orte  in 
den  Zentren 

—  Bedingungen  gegenwirt  ger  inTrasiruktur.  und  RaumorJ. 
nungtpolitik 

—  Zur  Funktion  ioiiaiwissenscnaftlicher  Forschung  baim 
SozialDlan  nach  dam  StadtcbaufOrdeturtgigevetz 

—  Zur  Kritik  der  bliigeriicrian  UmweltOkonomie 

—  Qobietsrelorm  und  Burgenniliativen 

—  BUrgerinitialiven  und  Gawerkicneltan 

—  Stadl-  und  Ragionalplaner  im  blfenllichen  Dianst 


Fall  6;  Schbneberger  Jungarbeiter  und  Schulerzentrum  von  Raumung 
bedroht 


Dem  Schbneberger  Jungarbeiter-  und  Schulerzentrum  (SJSZ),  dem  einzi- 
gen  selbstverwal teten  Jugendzentrum,  das  aus  einem  staatlichen  Frei- 
zeitheim  hervorgegangen  ist,  droht  die  Raumung  durch  das  SPD-Bezirks- 
amt. 

Im  Marz  1972  wurde  das  SJSZ  von  Lehrlingen  und  Schlilern  besetzt,  nach- 
dera  alle  Verhandlungen  mit  dem  Bezirksamt  iiber  die  Selbstverwal tung 
ohne  Ergebnis  blieben.  Hit  der  Besetzung  wurde  erreicht,  daB  das 
Bezirksamt  mit  dem  SJSZ  einen  Nutzungsvertrag  abschloB. 
Mit  der  Kundigung  dieses  Vertrages  sollen  die  Organisationsansa"tze_ 
zerschlagen  werden.  Dem  Bezirksamt  paBt  es  nicht,  daB  vom  SJSZ  Akti- 
vitaten  ausgehen,  die  auf  MiBstande  in  den  Schulen  und  Betrieben  auf- 
merksam  machen. 

Die  Raumung ski  age  gegen  das  SJSZ  ist  der  vorlaufige  Hbhepunkt  einer 
Entwicklung  staatlicher  Jugendpolitik  in  Berlin,  die  entweder  ver- 
sucht,  selbstverwal tete  Jugendzentren  fur  eine  "modernisierte  Jugend- 
pflege"  zu  integrieren  oder  -  wo  ihr  dies  nicht  gelingt  -  zu  Metho- 
den  der  Liquidierung  von  Selbstorganisationsansatzen  Iibergeht. 
Gerade  diese  letzte  Spielart  sozialdemokratischer  Jugendpolitik  kommt 
in  Berlin  immer  mehr  zum  Durchbruch.  In  den  letzten  6  Monaten  haufen 
sich  immer  mehr  Disziplinierungs-  und  Kontrollversuche,  Polizeiein- 
satze  in  Freizeitheimen,  die  Raumungen  und  Zerstbrungen  von  Jugend- 
wohnkollektiven  und  Jugendzentren  (u.a.  Putte  und  Kinderhaus  vom 
SJSZ  -  siehe  Info  Sozialarbeit  Nr.  5  und  6). 

Informiert  Euch  iiber  das  SJSZ  -  Fordert  die  Zeitung  an  und  verteilt 
sie  in  den  Dienststellen  und  Ausbildungssta'tten  -  Schickt  Solidari- 
tatsadressen  an  das  Bezirksamt  Schbneberg,  1  Berlin  41,  Breslauer 
Platz  Abt.  Jug.  6  und  den  Senator  fur  Familie,  Jugend  u.  Sport, 
SJSZ,  1  Berlin  62,  Belzigerstr.  4-6  -  Unterstlitzt  das  SJSZ  mit  Geld- 
spenden:  Berliner  Commerzbank,  Zweigstelle  Schbneberg  -  Kto.Nr. 
159310200. 


Fall  7:  Jugendzentrum  Oetinger  Villa/Darmstadt  soil  liquidiert  werden 

Im  September  73  billigte  der  Magistrat  Satzung  und  Vertrag  fur  ein 
Jugendzentrum  in  Selbstverwal tung  -  auch  in  Darmstadt  wollte  man 
sich  reformfreudig  geben  und  etwas  fur  die  Jugend  tun.  Der  eigens 
daflir  gegrundete  Tr'a'gerverein  "Jugendzentrum  e.V."  stellte  zwei  haupt- 
amtliche  Mitarbeiter  (1  Psychologen  und  1  Sozialarbeiterin)  ein,  die 
die  Erbffnung  vorbereiten  und  ein  Konzept  entwickeln  sollten.  Blirger- 
liche  Presse  und  CDU  betrieben  allerdings  von  Anfang  an  unverhohlen 
ihre  jugendfeindliche  Politik,  um  ein  Jugendzentrum  in  Selbstverwal- 
tung  zu  verhindern;  SPD-Magistrat  zwar  verbal  reformfreudig.versuch- 
te  die  Konkretisierung  des  Selbstverwal tungsansatzes  durch  Verzbge- 
rungstaktik  zu  unterlaufen:  Nutzungsvertrag  und  Bestatigung  der  haupt- 
amtlichen Mitarbeiter  wurden  immer  wieder  hinausgezogen. 


60 


Mit  der  Erbffnung  der  Oetinger  Villa  sollte  gleichzeitig  das  Ju-Haus 
Martinsviertel  geschlossen  und  abgerissen  werden;  nur  -  die  Jugend- 
lichen  aus  dem  Martinsviertel  wehrten  sich  gegen  den  Abriss,  sie  for- 
derten  einen  Nutzungsvertrag,  einen  hauptamtlichen  Mitarbeiter  und 
die  Obernahme  aller  Kosten  durch  die  Stadt.  Nach  Ablehnung  der  For- 
derungen  kampfte  ein  Aktionskomitee  mit  InfOrmationsstanden  und  Un- 
terschriftensammlungen  (ca.  4.500)  fiir  die  Erhaltung  des  Jugendhau- 
ses  Martinsviertel.   Der  Stadtjugendring  und  der  Verein  Jugendzentrum 
e.V.    unterstutzen  die  Forderungen  der  Jugendlichen;  der  Verein  be- 
schloB  sogar  die  aktive  Mitarbeit  der  hauptamtlichen  Mitarbeiter  im 
Aktionskomitee  und  stellte  DM  1.000  flir  ein  Filmprojekt  und  eine 
Jugendhauszeitung  zur  Verfiigung:   Gel  der  von  Jugendlichen  fur  Jugend- 
liche. 

Die  politischen  Parteien,  alien  voran  die  CDU,  k'bnnen  sich  allerdings 
eine  solche  praktische  Solidaritat  nicht  vorstellen,  sie  nahmen  die 
Geldspende  zum  AnlaB  total   zuzuschlagen: 

-  dem  Verein  wurden  alle  Geldmittel   gesperrt; 

-  den  hauptamtlichen  Mitarbeitern  wurde  gekiindigt. 
Ausschlaggebend  flir  die  Kundigung  des  Psychologen  war  zusatzlich  sei- 
ne KBW-Mitgliedschaft.   Die  biirgerliche  Presse  konnte  die  "Entlarvung 
eines   Kommunisten"  mit  folgender  Schlagzeile  feiern:   "DKP  hilft  der 
CDU,   Kommunisten  zu  entlarven  (vgl.   FAZ  v.   4.6.74). 

Die  SPD  behauptet  zwar  weiterhin,  daB  sie  am  Selbstverwaltungskcn- 
?ept  festhalte,   knlipft  aber  daran  Bedingungen,  die  genau  diese  Selbst- 
verwal tung  massiv  einengen. 

Die  Jugendlichen,  unterstutzt  vom  Stadtjugendring,  beharren  dagegen 
auf  ihren  Forderungen: 

-  Einstellung  und  Entlassung  der  Mitarbeiter  durch  den  Verein 

-  Selbstverwal tung  unter  der  Regie  des  Jugendzentrums  und  der  Mit- 
arbeiter (dazu  gehbrt  auch  die  Raumverteilung) 

-  Selbst'a'ndige  Verfiigung  uber  die  Geldmittel. 

Schickt  Eure  Solidaritatsschreiben  an  den  Darmstadter  Magistrat, 
61   Darmstadt,  Schul-  u-   Jugenddezernent  R.   Staudt, 
Stadtjugendring,  61   Darmstadt,  Landgraf-Georg-StraBe  119. 


-Anzeige- 


In    einem   seit  mehreren  Jahren   laufenden   Pro.jekt  GEMETNWESEMARBEIT 
ist  at)   sofort   eine  Stelle  fiir   einen 

sozialaebeiter(in)/sozialpadagoge(ih) 

zubesetzen. 

Arbeitsfeld:    Raum  Darmstadt-Meubaugebiet-Sozialer  Wohnungsbau  mit 
typischen  Defiziten  an  Nachfolgeeinrichtungen- 
Zusammenarbeit  mit  Bewohnergruppen  und   Institutionen 
Erwachsenen-, Kinder-  und   Intergruppenarbeit ; 

Bezahluns      :    BAT  IV  b  Oder  a  -   je  nach  Qualif ikation  - 

Bewerbungen:    sind   zu  richten  an:    Info  Sozialarbeit   im  Sozialist   - 
ischen  Biiro,   6o5   Offenbach   1*.   Postfach   591 


Fall  8:  Fachhochschul lehrer  an  der  FHSS  Frankfurt  abgelehnt 


Handelt  es  sich  in  Kbln  noch  um  einen  einzigen  Fall  (0.  Bujard),in 
dem  die  Berufung  zum  FHS-Lehrer  abgelehnt  wurde,  so  schlug  in  Frank- 
furt der  hessische  Kultusminister  gleich  6  mal  zu.  Zwei  Psychologin- 
nen,  einer  Dipl .-Padagogin/Sozialarbeiterin,  einem  Sozialmediziner 
und  zwei  Sozialpadagogen  wurde  aus  formalen  Grlinden  (wegen  "fehlen- 
der  Praxis  nach  DiplomabschluB)  die  Berufung  verweigert.  In  einer 
sehr  ausflihrl  ichen  Stellungnahme  hat  die  FHS  die  Argumente  des 
KuMi  zuriickgewiesen  und  deutlich  gemacht,  daB  hinter  dieser  formalen 
Grlinden  eine  Berufungs-  besser  Ablehnungspraxis  steht,  die  politische 
Ursachen  hat.  Untersucht  man  namlich  die  spezifische  Qual ifikation 
aller  Bewerber  -  soweit  es  die  nachgewiesene  Praxis  anbelangt  - 
so  zeigt  sich,  daB  sich  alle  dadurch  auszeichnen,  daB  sie  vorwiegend 
in  Bereichen  experimenteller  sozialarbeiterischer  Praxis  gearbeitet 
haben,  die  liber  tradierte  Normen  und  Zielvorstellungen  der  Sozial- 
arbeit  hinausgingen.  Diese  experimentelle  -  keineswegs  institutions- 
unabhangige  -  Praxis  muBte  haufig  auBerhalb  der  etablierten  Institu- 
tionen  der  Sozialarbeit  geleistet  werden,  da  diese  zu  Neuerungen  ent- 
weder  nicht  in  der  Lage  waren  oder  sich  dagegen  sperrten  (vergl . 
Heimerziehung  oder  Vorschulerziehung  im  Rahmen  von  Gemeinwesenarbei t) . 

Diese  Fahigkeit  aller  Bewerber,  sich  mit  starkem  person! ichen  Enga- 
gement fur  eine  von  der  offiziellen  "Fachl ichkeit"  noch  nicht  aner- 
kannte,  an  den  Interessen  der  Klienten  orientierten  Sozialarbeit 
einzusetzen.ist  es  offenbar,  was  sie  dem  HKM  als  ungeeignet  ftlr  eine 
Lehrtatigkeit  an  der  Fachhochschul e  erscheinen  la'Bt  und  was  zu  die- 
ser  beispiellosen  Serie  von  Ablehnungen  gefiihrt  hat. 

Diese  Haltung,  trotz  alien  verbalen  Engagements  fur  Reformen  diejeni- 
gen  zu  diskriminieren,  die  ausgefahrene  Gleise  der  Sozialarbeit  ver- 
lassen  haben,  steht  nicht  isoliert.  Sie  findet  ihre  Entsprechung  etwa 
im  Referentenentwurf  zum  neuen  Ougendhilferecht,  dessen  skandaloser 
§  15  fordert,  Jugendhilfe  auf  der  Grundlage  "gesicherter  Methoden... 
der  Sozialarbeit  zu  leisten."  In  der  Erla'uterung  dieser  Bestimmung 
im  Diskussionsentwurf  wurde  gesagt,  es  gehe  dabei  um  eine  "weitge- 
hende  Absicherung  gegenuber  zu  experimentierfreudigen  Theoretikern". 
Dieser  Politik,  verkrustete  Strukturen  der  Sozialarbeit  vor  Verande- 
rungen  zu  schlitzen,  schlieBt  sich  das  HKM  mit  seiner  Ablehnungspraxis 
an. 

Ein  weiteres  Indiz  dafu'r  ist  die  schon  vorher  kritisierte  Tatsache, 
daB  flir  Bewerber  neuerdings  nur  noch  Praxis  nach  dem  Studium  und  nicht 
mehr  vor  oder  wahrend  des  Studiums  akzeptiert  wird.  Offenbar  halt 
das  HKM  eine  flinfjahrige  berufliche  Sozialisation  flir  unerlaBlich, 
weil  die  Erkenntnisse  uber  das  Denken  und  Verhalten  eines  Bewerbers 
sicherer  werden,  je  langer  er  unter  der  Aufsicht  eines  Tragers  der 
Sozialarbeit  gearbeitet  hat. 

(aus:  Stellungnahme  des  FHS,  Fb.  Sozialarbeit,  6  Ffm. ,  Limescorso  5) 


LESERBRIEF/REDAKTIONSMITTEILUNG 


Brief  des  Jugendamtsleiter  der  Stadt  Bielefeld/Stellungnahme  des 
KKS  Bielefeld 


Vorbemerkung: 

Im  Info  Sozialarbeit  lir.    3/4  Sozialarbeit  zwischen  Selbstorganisa- 
tion  void  Biirokratie  haben  wir  mit  dem  Beitrag  des  KKS  Bielefeld  am 
Beispiel  des  AJZ  Brackuede  versucht,   die  objektiven  Grenzen  einer 
"progressiven"  Jugendamtspolitik  herauszuarbeiten. 
Auf  diesen  Artikel  hat  nun  der  Jugendamtsleiter  der  Stadt  Bielefeld 
mit  einem  Brief  an  dae  Sozialistische  Biiro  reagiert. 
Tupisch  fur  den  Stil  Hirschauers  ist,   daB  er  sich  nicht  mit  den 
Autoren  und  ouch  nicht  mit  dem  Inhalt  des  Avtikels  auseinandersetzt. 
Die  Moglichkeit  hatte  er  gehabt,   denn  so  anonym  wie  er  es  hinstellt, 
ist  der  KKS  nicht  -  auf  Seite  4  ist  die  Kontaktadresse  angegeben. 
Seine  Vnterstellung ,  wir  wollten  mit  diesem  Artikel  die  Kollegen 
diffamieren  und  manipulieren,   weisen  wir  zuriick.    Wer  den  Artikel 
genau  gelesen  hat,  wird  feststellen,   daB  es  wis  nicht  um  eine  Diffa- 
mierung  der  Kollegen  ging;  allerdings  zeigt  das   "Lehrstiick  Brackwede", 
daB  jeder  Sozialarbeiter  einmal  in  die  Situation  kommt,   wo  er  sich 
entscheiden  muli  auf  Welcher  Seite  er  steht:   in  Solidaritat  zu  den 
Jugendlichen  oder  auf  Seiten  des  Unterdruckungsapparates.    Wir  Ver- 
kennen  nicht,    da!3  dies  oft  einer  schwierigen  Gratwanderung  gleich 
komrat,   will  man  nicht  seinen  Arbeitsplatz  Verlieren. 


Abschrift  des  Briefes  der  Stadt  Bielefeld 
Hirschauer  -  an  das  Sozialistische  Biiro: 


Jugendamtsleiter 


Betr.:  Info  Sozialarbeit  Heft  3/4; 

hier:  KKS  Bielefeld  "Das  Lehrstiick  Brackwede" 

Mit  immer  starker  nachlassendem  Interesse  habe  ich  und  mit  mir  die 
informierten  Kollegen  des  Jugendamtes  Bielefeld  den  Beitrag  des 
anonymen  KKS  Bielefeld  "Das  Lehrstiick  Brackwede"  gelesen. 
Es  ist  mu'Big,  die  verzerrte  Darstellung  der  Tatsachen  richtig  zu 
stellen.  Her  es  ndtig  zu  haben  scheint,  Adressaten  dieses  Artikels 
zu  manipulieren,  mag  das  mit  sich  ausmachen.  Offenbar  bedurfen  die 
Autoren  dieses  Beitrages  der  Selbstbestatigung  eigener  Theorien  oder 
der  Wunschvorstellung  von  Handlungsablaufen,  um  sich  nachtra'glich 
zu  besta'tigen,  daB  alles  so  war,  wie  sie  wiinschten,  daB  es  gewesen 
ware. 


-  62  - 


63 


Ich  mochte  nur  an  einem  Beispiel  deutlich  machen,  daB  die  Autoren 
liigen  und,  davon  bin  ich  iiberzeugt,  wider  besseren  Wissens  lligen. 
Auf  Seite  42  wissen  die  Autoren  (wir  erfahren  es  durch  diese  Ver- 
bffentlichung),  daB  von  Mitarbeitern  des  Jugendamtes  eine  Namens- 
liste  von  Sozialarbeitern  und  Sozialarbei ter-Studenten  dem  Ober- 
stadtdirektor  zur  Verfugung  gestellt  haben  und  diese  Liste  dann  uber 
den  Oberstadtdirektor  an  die  Polizei  ginge. 

Weder  die  Liste  existiert,  noch  die  Aufforderung  des  Oberstadtdirek- 
tors   (und  was  daraus  folgt  eine  Weiterleitung  an  die  Polizei). 

Die  Autoren  liigen,  wenn  sie  eine  "schwarze"  Liste  von  Sozialarbei- 
tern, die  als  "Radelsfuhrer"  gezahlt  werden,  als  erstellt  betrachten. 
Weder  ist  eine  schwarze  noch  eine  andere  Liste  angefertigt  worden. 
Dies  ist  im  iibrigen  in  2  bffentlichen  Veranstaltungen  behauptet  und 
jeweils  widerlegt  worden. 

Die  Autoren  liigen,  wenn  von  einem  praktischen  Berufsverbot  fur  So- 
zialarbeiter,  das  nie  b'ffentlich  diskutiert  werde,  gesprochen  wird 
und  wegen  der  Verflechtungen  sogar  von  einem  total  en  Berufsverbot 
gesprochen  wird.   Da  die  ersten  Behauptungen  nicht  stimmen,  stimmt 
auch  diese  nicht.  Offenbar  haben  es  die  Autoren  (oder  der  von  uns 
vermutete  Autor)  aber  nbtig,  sich  selbst  und  die  Leser  der  Broschiire 
politisch  so  zu  stimulieren. 

Die  Autoren  liigen,  wenn  sie  behaupten,  daB  Studenten,  die  ein  Prak- 
tikum  beim  Jugendamt  machten,  sich  schriftlich  distanzieren  und  er- 
klaren  muBten,  nicht  an  der  Aktion  der  Hausbesetzung  in  Brackwede 
beteiligt  gewesen  zu  sein.   Die  Wahrheit  ist,  daB  in  einer  Versamm- 
lung  der  Mitarbeiter  des  Hauses  der  Offenen  Tiir  Brackwede  von  Prak- 
tikanten  und  Studenten,  die  sich  von  den  Initiatoren  der  Hausbeset- 
zung distanzierten,  verlangt  wurde,  daB  diejenigen,  die  wahrend  der 
Hausbesetzung  im  Hause  waren  und  sich  bei  einigen  Veranstaltungen 
nicht  eindeutig  verhalten  hatten,  schriftlich  erklarten,  daB  sie  sich 
von  den  Aktionen  der  Hausbesetzung  distanzieren  sollten,  da  sie 
anderenfalls  nicht  bereit  seien,  in  Gegenwart  dieser  Studenten  und 
Kollegen  zu  diskutieren  und  andererseits  auch  nicht  bereit  seien,  mit 
diesen  Kollegen  weiter  zusammen  zu  arbeiten  (hier  mu'Bte  einiges  dazu 
ausgefiihrt  werden,   in  welcher  Weise  nicht  nur  die  "Sozialb'u'rokraten" 
vom  Jugendamt,  sondern  auch  die  ehrenamtl ichen  Mitarbeiter  des  Hauses 
permanent  diskriminiert  und  bffentl ich  diffamiert  worden  sind). 
Im  Zusammenhang  mit  dieser  Veranstaltung  habe  ich  verlangt,  daB  die- 
jenigen, die  in  irgendeiner  Weise  mit  der  Hausbesetzung  selbst  aktiv 
oder  passiv  zu  tun  hatten,  sich  auBern  und  erklaren  sollten,  ob  sie 
in  Solidaritat  mit  den  iibrigen  Mitarbeitern  im  Hause  wei terarbei ten 
wollten  und  sich  daher  von  der  Praxis  einiger  weniger  Mitarbeiter 
und  der  Initiatoren  der  Hausbesetzung  distanzierten.   In  der  Tat  haben 
alle  Anwesenden  sich  distanziert  und  zur  weiteren  Mitarbeit  bereit 
erklart.   Eine  schriftliche  Erklarung  gibt  es  nicht.   Die  Autoren  haben 
Recht  (und  genau  in  diesem  Falle  schreiben  sie  das  einschrankende 
"soweit  bekannt"  dazu),  wenn  sie  feststellen,  daB  die  Namen  der 
Verhandlungspartner  der  Polizei  mitgeteilt  wurden.   Dies  war  auch  nicht 
schwierig,  sie  waren  ja  der  Polizei  ohnehin  bekannt.  Was  soil  es 
also. 

Gestatten  Sie  mir  die  abschlieBende  Frage,  welchen  Sinn  Sie  als  Her- 

-   64   - 


SOZIALISTISCHES    BORO   +  VERLAG    2000   GMBH 
ALLE    LIEFERBAREN   TITEL:    FRUHJAHR    1974 

Ansatzpunkte  sozialistischer  Politik  in  der  BRD  -  Thesen  der 

Arbeitsgruppe  Sozialistisches  Biiro,  DM  2.--   (Stand  von  1970) 
Kofler/Buro:   Vom  Handelskapitalismus  zum  Neo-Imperialismus  der 

Gegenwart.   Eine  Einfiihrung  in  die  Entwicklung  der  biirgerlichen 

Gesellschaft,  DM  5.— 
Conert:  Die  politischen  Grundrichtungen  innerhalb  der  deutschen 

Sozialdemokratie  vor  dem  ersten  Weltkrieg,  DM  5. — 
Schafer:  Die  Kommunistische  Internationale  und  der  Faschismus,  DM  5. — 
Evers/Lehmann:   Politisch-Dkonomische  Determinanten  fur  Planung  und 

Politik  in  den  Kommunen  der  BRD,   DM  lo.— 
Autorenkollektiv  Assistentenpool :  Bedingungen  und  Perspektiven  der 

Stadtteilarbeit,  DM  4.— 
Van  Spall:  Dbersicht  deutschsprachiger  Periodika  der  unabhangigen 

sozialistischen  Linken,  DM  2.5o 

REIHE  BETRIEB  UND  GEWERKSCHAFTEN 

Redaktionskollektiv  "express":  Spontane  Streiks   1973  -  Krise  der 

Gewerkschaftspolitik,  DM  6.-- 
Politisches  Ende  der  EVA?  Dokumentation  zum  Medienverstandnis  der 

Gewerkschaften,  DM  3.— 
Conert:  Gewerkschaften  heute  -  Ordnungsfaktor  oder  Gegenmacht,  DM  3.— 
Redaktionskollektiv  "express":  Gewerkschaf tliche  Vertrauensleute 

fur  eine  antikapitalistische  Betriebsstrategie,  DM  2.5o 
Betriebsratswahl  Merck  1972.   Eine  Dokumentation,  DM  4.-- 

REIHE   INTERNATIONALE  SOLIDARITAT 
Dokumente  zur  Entwicklung  in  Chile,  DM  5.-- 
Wenzel/Krippendorff/Agnoli:   Klassenkampfe  und  Repression  in  Italien. 

Am  Beispiel  Valpreda,  DM  5.— 
Brasilien-Report,  DM  2.5o 

Industrialisierung,  Fremdkapital   und  Zwangsarbeit   in  Sudafrika,  DM  4.— 
Portugal   und  die  NATO,  DM  4.— 

REIHE  ROTER  PAUKER 

Unterrichtseinheit  (UE)  Arbeit,  DM  4.-- 

UE  Verhaltenssteuerung  -  Abweichendes  Verhalten,  DM  4.-- 

UE  Lehrlingsausbildung  in  der  BRD,  DM  3.5o 

UE  Lateinamerika,   DM  4.— 

Disziplinierung  von  Lehrern.  Materialien,  Analysen,  Hinweise  zum 

Berufsverbot,  DM  4.— 
Materialien  zur  Arbeitsfeldanalyse  des  Lehrerberufs,  DM  4.— 
Materialien  zur  Geschichte  der  politischen  Lehrerbewegung  I 

(1789  -   1933),  DM  2.5o 
Materialien  zur  Schulbuchproduktion.  Analyse,  Tendenzen,  Alterna- 

tiven,  DM  4.-- 
UE  Bundeswehr  und  Rustung  in  der  BRD,  DM  5.— 
UE:   Arbeiterliteratur,  DM  5.-- 

PLAKAT-BAUERNVERLAG 

Alavi:   Theorie  der  Bauernrevolution,  DM  4.-- 

Rechtziegler:  Westdeutsche  Landwirtschaft  im  Spatkapi talismus,  DM  5.-- 

Bauer  was  nun?   Beitrage  zur  Agrarfrage   in  der  BRD,   DM  4.-- 

Kemper:   Marxismus  und  Landwirtschaft,  DM  5.-- 

Bergmann:   Agrarpolitik  und  Agrarwirtschaft  sozialistischer  Lander,  DM   la. 

Hampicke:   Zur  Kritik  der  biirgerlichen  Agrarbkonomie,  DM  6.— 

Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  4,  Postfach  591 


ausgeber  und  die  Autoren  der  Beitrage  Ihrer  Informationen  darin 
sehen,  Leser  aufgrund  vorgefertigter  und  manipulierter  Informationen 
gezielt  zu  stimulieren  und  welchen  Sinn  Sie  darin  sehen,  ohne  RUck- 
versicherung  beim  anderen  Teil   die  Kolleginnen  und  Kollegen,  die 
eben  "die  andere  Seite"  sind,  zu  diffamieren. 

Mi  t  freundlichen  GrliBen 
i.A.   (Hirschauer) 
Jugendamtsleiter 

Durchschrift  des  Briefes  schicke  ich  Arno  Klb'nne,  Paderborn. 


Stellungnahme  des  KKS  Bielefeld  zum  vorstehenden  Hirschauer-Brief : 

Ura  es  gleich  zu  sagen,  Hirschauer  hat  uns  an  einer  schwachen  Stelle 
erwischt,   und  wir  mlissen  selbstkritisch  eingestehen,  daB  unsere  Dar- 
stellung  liber  die  konkreten  MaBnahmen  seitens  des  Jugendamtes  ihm 
dazu  einen  guten  Ansatzpunkt  boten,  sich  der  inhaltlichen  Diskussion 
zu  entziehen.  Dieser     pol   itische     Fehler  la'Bt  sich  aber  des- 
halb  nicht  entschuldigen. 

a)  zu  den  3  ersten  Punkten,  die  zusammengehbren  (Namensl iste,   "schwar- 
ze  Liste",  Berufsverbote),  die  Hirschauer  bestreitet: 
Unser  Problem  und  unser  Fehler  bestehen  darin,  daB  wir  nicht  bewei - 
sen  kbnnen,  ob  es  die  angesprochene  Liste  gibt  Oder  nicht.   Es  steht 
aTTerdings  fest,  daB  in  einer  Dienstbesprechung  im  Jugendamt  am 
22.5.73  liber  die  Anfertigung  einer  Namensl  iste  gesprochen  wurde  und 
man  sich  darauf  einigte,   "nur"  diejenigen,  die  der  Polizei  ohnehin 
bekannt  seien  und  keine  Namen  von  Jugendlichen  aufzuflihren.   Dies  be- 
zieht  sich  auf  den  Personenkreis  der  an  der  Hausbesetzung  beteilig- 
ten  Sozialarbeiter,  der  vorher  im  HOT  Brackwede  beschaftigten  neben- 
amtlichen  Mitarbeiter  (Studenten)  sowie  alle  wahrend  der  Verhandlun- 
gen  im  besetzten  Haus  erkannten  Jugendamtsmitarbeiter. 

Der  "PferdefuB"  steckt  in  der  Formulierung  -  die  Hirschauer  auch  in 
seinem  Brief  nicht  bestreitet  -,  "die  der  Polizei  ohnehin  bekannt 
waren".   Der  Polizei  waren  zu  dem  Zeitpunkt  (22.5.),  nach  der  Rau- 
mung  des  besetzten  Hauses   (26.4.),  die  Namen  von  144  der  158  bei  der 
Raumung  vorlaufig  Festgenommenen  bekannt.  Diese  144  waren  alle  er- 
kennungsdienstl ich  behandelt  und  so  jederzeit  (Fotos!)   identifizier- 
bar.  Die  Polizei   "kannte"  alle  und  wollte  "Radelsfuhrer"  geliefert 
haben. 

In  der  Praxis  hat  sich  das  Jugendamt  daran  gehalten,  keine  Namen  von 
Jugendlichen  zu  nennen,  aber  es  hat  bestimmte  Namen  der  Polizei 
weitervermittelt  und  aus  den  144  Namen  bestimmte  Personen  selektiert. 
Ob  die  von  uns  genannte  Liste  nun  aufgrund  einer  Anforderung  durch 
den  Oberstadtdirektor  Oder  durch  die  Polizei  Oder  Liberhaupt  nicht 
angefertigt  wurde,  bleibt  deshalb  politisch  gesehen  letztlich  belang- 
los. 
Wir  wissen  nun  in  der  Tat  nicht,  ob  die  Absicht,  eine  Namensl iste 


-  66 


anzulegen,  ausgeflihrt  worden  ist  oder  (warum)  nicht.  Da  wir  aber 
davon  ausgehen  muBten,  daB  die  geauBerten  Absichten  auch  in  die  Tat 
umgesetzt  wlirden,  konnten  wir  auch  folgern,  daB  damit  gleichzeitig 
eine  "schwarze  Liste"  existiert,  die  fiir  die  Betroffenen  Folgen 
(sprich:  Berufsverbote)  bezilglich  ihrer  Arbeitsmbglichkeiten  im  Bie- 
lefelder  Raum  haben  wurde,  zumal  gegen  das  AJZ  und  die  daran  betei- 
ligten  Sozialarbeiter  und  Studenten  noch  Prozesse  ausstehen. 
Diese  Prozesse  beginnen  am  27.5.1974,  und  dort  sind  auch  bereits 
Sozialarbeiter  (die  allerdings  im  Moment  nicht  als  Sozialarbeiter  ar- 
beiten),  betroffen.  Wir  werden  sehen,  ob  die  beschriebenen  Folgen 
eintreten  ... 

b)  Was  die  anderen  Punkte  betrifft,  so  bestatigt  der  abgedruckte 
Brief  Hirschauers  unsere  Aussagen,  bis  auf  die  -  sicherlich  aus  tak- 
tischen  Grlinden  kurzfristig  entschiedene  -  Anderung,  sich  mit  einer 
mlindlichen  Distanzierung  von  der  Hausbesetzung  zufriedenzugeben. 

Am  interessantesten  ist  fur  uns  allerdings,  daB  der  (College  Hirsch- 
auer in  seinem  Brief  auf  die  pol itische  Argumentation  unseres  Bei- 
trags  nicht  eingeht,  sondern  stattdessen  versucht,  Liber  die  Diffa- 
mierung  unserer  Position  eine  inhaltliche  Auseinandersetzung  zu  ver- 
meiden,  urn  den  fundamentalen  Unterschied  zwischen  sozialistischer 
und  sozialdemokratischer  Politik  mbglichst  nicht  zu  thematisieren. 
Dieser  Unterschied  ist  einer  urns  Ganze  -  und  das  mbchte  er  gerne 
undiskutiert  lassen.  Um  mit  Andre  Gorz  zu  sprechen:  "Die  groBe 
Spezialitat  der  sozialdemokratischen  Gruppen  ist,  unter  Beweis  zu 
stellen,  daB  alle  Probleme  gelbst  Oder  ertraglich  gemacht  werden 
kbnnen  und  alle  materiellen  Bediirfnisse  im  Rahmen  des  Systems  selbst 
zu  Ibsen  sind,  wenn  man  sich  nur  Zeit  la'Bt  und  Disziplin  wahrt.  Es 
besteht  keinerlei  Veranlassung,  "die  Bude  in  die  Luft  zu  jagen" 
(analog:  ein  Haus  zu  besetzen)  oder  eine  Kraftprobe  anzustrengen; 
es  genligt,  so  sagen  sie,  sich  geduldig,  realistisch  und  verantwor- 
tungsbewuBt  zu  zeigen  und  im  librigen  den  Staatsmannern  zu  vertrauen. 
Wenn  jeder  auf  seinem  Platz  bleibt,  wird  es  der  neokapitalistische 
Staat  schon  alien  recht  machen."  Es  gabe  demnach  also  keinen  Grund, 
zu  solchen  Aktionsformen  wie  der  Hausbesetzung  eines  Jugendheims  in 
Brackwede  zu  gelangen.  Was  diesen  Kampf  um  ein  Arbeiterjugendzen- 
trum  betrifft,  den  wir  vorbehaltlos  unterstlitzen,  so  ist  festzuhal- 
ten,  daB  er  einen  fundamentalen  Unterschied  zur  blirgerlichen  Jugend- 
pflege  darstellt,  dem  der  inhaltliche  Unterschied  zwischen  sozial- 
demokratisch-kapitalistischen  und  antikapitalistischen  Reformen  ent- 
spricht  und  damit  notwendig  einem  Unterschied  in  der  Methode.  "Der 
Gehalt  an  Freiheit  in  den  Reformen  kommt  nur  zur  Erscheinung,  wenn 
er  in  den  Massenaktionen  immer  schon  pra'sent  ist.  Auf  der  methodi- 
schen  Ebene  liegt  der  Unterschied  zwischen  technischen  und  demokra- 
tischen  Reformen  darin,  daB  jene  einfach  institutionell  abgewickelt 
und  diese  im  lebendigen  Zugriff  kollektiver  Aktionen  inauguriert 
werden"  (A.  Gorz).  Man  wird  auch  nur  dann  den  Einsatz  wagen,  der  das 
Risiko  -  z.B.  vorbestraft  zu  werden  -  rechtfertigt,  wenn  die  Aktionen 
des  Kampfes  selbst  schon  die  Erfahrung  der  Selbstorganisation,  der 
kollektiven  Initiative  und  Entscheidung,  kurz:  die  Erfahrung  der  mbg- 
lichen  Emanzipation  vermitteln.  Das  dies  der  Fall  ist,  zeigt  sich  an 
den  Aktionen  der  Jugendlichen  bis  heute. 

KKS  Bielefeld,  gez.  C.  Herde,  F.  Peters 


-  67 


2.   Arbeitsseminar  "Jugendzentren"  25. -27.10.74  in  Diisseldorf 


Bereits  im  Info  Nr.  3/4  und  Info  Nr.  5  haben  wir  auf  das  flir  Herbst 
1974  geplante  Arbeitsseminar  zum  Thema  "Jugendzentren"  hingewiesen. 
Ziel  dieses  Arbeitsseminars,  wie  auch  der  anderen  Arbeitsseminare 
mit  anderen  Schwerpunkten,  ist  es,  eine  kontinuierliche  Diskussion 
Liber  eine  sozialistische  Strategie  (hier  im  Reproduktionsbereich) 
zu  unterstlitzen  und  weiter  voranzutreiben.  Aus  einem  liberregionalen 
Diskussionszusammenhang  kbnnten  so  neue  Perspektiven  flir  die  Praxis 
entwickel t  werden. 

Flir  dieses  Arbeitsseminar  ware  deshalb  notwendig,  daB  mbglichst  alle 
interessierten  Gruppen  oder  Einzelpersonen  Berichte  aus  ihrer  Praxis 
verfassen,  insofern  sie  das  erwa'hnte  Thema  betreffen  oder  bestimmte 
Teilfragen  dieses  Bereiches  ansprechen. 

Wichtig  erscheint  uns,  daB  alle  Berichte  an  den  konkreten  Erfahrun- 

gen  aus  der  Praxis  anknlipfen,  um  nicht  in  eine  "rein  theoretische 

Diskussion"hineinzugeraten. 

Der  Aufbau  eines  Berichtes  kbnnte  beispielsweise  so  aussehen: 

Darstellung  einer  Initiative  flir  ein  selbstverwaltetes  Jugendzentrum 

(ggf.  mit  der  Perspektive  der  Initiatoren  darstellen). 

-  unter  welchen  Bedingungen  konnte  beispielsweise  ein  Haus  in  Selbst- 
verwaltung  erkampft  werden? 

-  aus  welchen  Jugendlichen  setzte  sich  die  Initiative  zusammen? 
(wurden  sie  von  Studenten  oder  Pa'dagogen  unterstlitzt  -  wie?) 

-  geographische  Lage,  Stadtteil 

-  wie  ging  die  Entwicklung  weiter, nachdem  ein  Haus  erkampft  oder 
erhandelt  wurde?  (innere  Struktur,  Organisation,  Beziehung  zur 
Offentlichkeit,  Bevblkerung). 

Quer  zu  einer  dokumentarischen  Darstellung  kbnnten  beispielsweise 
folgende  Fragestellungen  angesprochen  werden: 

-  wie  reagierte  der  Staatsapparat  (Stadtverwaltung,  Jugendamt  etc.), 
Verba'nde  auf  die  Initiative  (Behinderung  oder  linterstiitzung)? 

-  ggf.  Lernprozesse  der  Sozialarbeiter  und  ihre  Rolle  innerhalb  einer 
Initiative  oder  des  Jugendzentrums 

-  welche  Lernprozesse  machten  die  Jugendlichen,  wie  organisierten 
sie  sich  (was  lauft  im  Jugendzentrum)? 

-  wie  wird  die  politische  Funkt.ion  und  der  Stellenwert  solcher 
Initiativen  eingescha'tzt? 

Die  verfaBten  Berichte  konnten  dann  im  Herbst  auf  dem  Arbeitsseminar 

diskutiert  werden. 

Die  Berichte  sowie  die  Diskussion  Liber  diese  Berichte  werden  im  Info 

Sozialarbeit  Nr.  S  abgedruckt. 

Damit  wir  das  Arbeitsseminar  ausreichend  organisieren  und  vorberei- 

ten  konnen,  bitten  wir  darum,  uns  Bericht  und  Anmeldungen  an  die 

Kontaktadresse:  Gerd  Rieger,  4  Dusseldorf  11,  Oberkasseler  Str.  7 

zu  schicken. 


68 


NACHRICHTEN/TERMINE 


1.)  Kurzprotokoll  vom  "KNAST-TREFFEN"  in  Munchen 

Zu  der  vom  SSHK  Munchen  organisierten  "Knastgruppentagung"vom 

19. -21. IV. 74  kamen  ca.  26  Genossen  als  Vertreter  der  verschiedensten 

in  der  BRD  ta'tigen  Knastgruppen. 

Aus  den  Berichten  der  verschiedenen  Gruppen  ergab  sich,  daB  alle 
ihre  Arbeit  in  oder  auBerhalb  des  Gefa'ngnisses  mit  einem  politischen 
Anspruch  begonnen  hatten.  Dieser  politische  Anspruch  wurde  immer  mehr 
zuruckgeschraubt  und  in  der  praktischen  Arbeit  z.T.  aufgegeben.  Da- 
raus  ergab  sich  die  Fragestellung:  kann  Arbeit  im  Gefa'ngnis  Liberhaupt 
politisch  sein,  bleibt  sie  nicht  nowendig  im  "Caritativen" ,  "Humani- 
ta'ren"  stecken,  und  tra'gt  so  dazu  bei,  das  System  aufrechtzuerhalten? 
Man  war  sich  einig,  daB  es  nicht  Aufgabe  von  Sozialisten  sein  kann, 
Arbeiten  zu  libernehmen,  die  von  den  zustandigen  Institutionen 
(Justizministerium,  Anstaltsleitung,  freie  Trager)  gtleistet  werden 
mlissen.  Dies  kbnnte  dazu  flihren,  daB  sie  zum  einen  durch  ihre  Tatig- 
keit  Llicken  in  der  Institution  flillen  statt  sie  sichtbar  werden  zu 
lassen,  und  zum  anderen  solchen  Institutionen  durch  ihre  Tatigkeit 
zu  helfen,  Gelder,  die  flir  solche  Arbeit  gestellt  werden  mu'Bten, 
einzusparen.  Hilfe  flir  die  Gefangenen  heiBt  in  erster  Linie,  Druck 
auf  diese  Institutionen  auszuliben,  damit  sie  ihre  Arbeit  im  Interes- 
se  der  Gefangenen  wahrnehmen,  deren  BeHlirfnissen  entgegenkommen  und 
deren  Rechte  beachten. 

Die  Offentlichkeitsarbeit  bietet  eine  Mdglichkeit,  Druck  auf  solche 
Institutionen  auszuliben,  und  ?war  indem 

-  Informationen  aus  dem  Knast  herausgetragen  werden; 

-  sie  Massenmedien,  kritischen  Ausbildern,  Jugendzentren  etc.  und 
mit  Knastarbeit  Beschaftigten  zuganglich  gemacht  werden; 

-  ein  mbglichst  uberregionales  Informationsorgan  geschaffen  wird. 
Es  war  jedoch  klar,  daB  dieser  Druck  nur  sehr  beschrankt  wirksam 
werden  kann.  Konsens  dieser  Diskussion  war,  daB  Knastarbeit  Teil  der 
gesamten  politischen  Bewegung  sein  muB.  Eine  konkrete  Analyse,  ob 
und  in  welcher  Form  Gefangenenarbeit  innerhalb  und  auBerh?lb  des 
Knast  politisch  relevant  ist,  bzw.  seir  kann,  konnte  nicht  mehr  ge- 
klart  werden,  wurde  aber  als  eine  dringend  nachzuholende  Notwendig- 
keit  gefordert. 

Die  Diskussion  ergab,  belegt  durch  zahlreiche  Erfahrungen  der  vertre- 
tenen  Gruppen,  daB  politische  Arbeit  im  Gefa'ngnis  sehr  beschra'nkt, 
wenn  nicht  gar  unmbgl^ch  ist,  da  Struktur  und  Eigenart  des  Gefa'ng- 
nisses einer  politischen  Arbeit  per  se  entgegenstehen.  Da  die  Ge- 
fa'nqnisstrukturen  ein  Zerrbild  unserer  kapitalistischen  Gesellschaft 
sind,  ist  es  politisch  wichtig,  Ansatze  zu  solidarischem  Handeln 
innerhalb  des  Gefa'ngnisses  von  auBen  zu  unterstlitzen.  Der  Schwerpunkt 

-  69  - 


einer  politischen  Arbeit  kann  nur  auBerhalb  des  Gefangnisses  liegen, 
was  aber  nicht  bedeutet,  daB  die  Arbeit  im  Knast  Liberfllissig  bzw. 
unterschatzt  wird,  nur  hat  sie  einen  anderen  Stellenwert,  der  be- 
stimmt  wird  durch  die  Arbeit  auBerhalb  des  Gefangnisses. 

Die  in  Miinchen  angeschnittenen  Punkte  sollen  auf  einer  Tagung  An- 
fang  Oktober  anhand  von  Tatsachenmaterialien  genauer  analysiert 
werden,  um  zu  Kriterien  fur  eine  politische  Knastarbeit  zu  kommen. 
Kontaktadresse  1st  der  SSHK  8  Miinchen  80,   Postfach  801769. 
Urn  den  InformationsfluB  zwischen  den  Gruppen  aufrechtzuerhal ten, 
wird  der  SSHK  Miinchen  in  seiner  Zeitung  "KNAST"  standig  Berichte  aus 
den  verschiedenen  Gruppen  verbffeiitlichen;  dort  wird  auch  ein  aus- 
fuhrliches  Protokoll  iiber  die  Tagung  abgedruckt  werden. 


2.)  Homosexuellen  Aktion  Hamburg   (HAH)-Vorbereitung  auf  den 
Jugendhilfetag 

"Wir  von  der  Homosexuellen  Aktion  Hamburg  -HAH-  halten  die  tagliche 
Diskriminierung  homosexueller  Ougendlicher  und  Homosexueller,  die 
im  Erziehungsbereich  arbeiten,  fur  ein  so  wichtiges  Problem,  daB  wir 
anla'Blich  des  Jugendhilfet?gs  diesen  Punkt  in  Zusammenarbeit  mit 
einigen  Jugendverbanden  in  die  Diskussion  bringen  wollen. 
Dazu  brauchen  wir  mbglichst  vie!   Dokumentationsmaterial  aus  den  Be- 
reichen  Schule,  Lehre,  Betrieb,  Familie,  Kirche  und  JugendarbeU. 
Wir  wissen  aus  eigener  Erfahrung,  daB  die  Unterdriickung  Homosexueller 
so  wirksam  ist,  daB  man  eher  seinen  Mund  halt.   Dadurch  andert  sich 
aber  nichts! 

Wir  fordern  deshalb  alle  homosexuellen  (seien  es  Manner  oder  Frauen) 
Schliler,  Auszubildende,  Jungarbeiter,   Lehrer,  Erzieher,  Sozialar- 
beiter,  Jugendpfle^er,  Jugendgruppenleiter  und  andere  =uf: 
Schickt  uns  Material  Liber  konkrete  Falle  von  Diskriminierung  an 
HAH,  p. A.   I.utz  Fbrster,  D-2000  Hambu-g  50:   Postfach  500461. 
Weitere  Informationen  sind  telefonisch  zu  bekommen  liber 
Gdtz  B..  Telefon  040-511   S5  06". 


3.)  Offener  Brief  des  KV  der  Jugendzentren  Rems-Murr  an  das 
Koordinationsbliro  in  Neustadt 

Der  Kreisverband  (KV)  ist  ein  ZusammenschluB  von  21   JZ-Initiativ- 
Gruppen  im  Rems-Murr-Kreis   (bei  Stuttgart).   Er  wurde  vor  2  Jahren 
gegrlindet,  urn  Erfahrungen  der  verschiedenen  Gruppen  untereinander 
auszutauschen,  gemeinsame  Aktionen  zu  planen  und  durchzufiihren.  Der 
Kreisvrband  arbeitete  auch  mit  dein  Koordinationsbliro   (KB)  in  Neustadt 
zusammen,  ist  aber  heute  mit  dessen  Politik  nicht  mehr  einverctanden: 

"In  der  letzten  Zeit  verstarkt  sich  bei  uns  der  Eindruck,  daB  das 
Koordinationsbliro  (KB)  versucht,  sich  an  die  Spitze  der  Jugendzen- 
trums-(JZ)Bewegung  in  der  BRD  zu  stellen,  insbesondere  wurde  das 
deutlich  in  den  Artikeln  im  SPIEGEL  (3/74)  und  ELAN  (2/74). 
Wenn  aber  das  KB  ohne  Mandat  eine  einheitliche  Linie  der  JZ-Bewegung 
vertritt,  la'uft  das  auf  eine  recht  gefa'hrliche  Politik  hinaus.  Wir 
sehen  hier  die  konkrete  Gefahr,  daB  die  JZs  im  Sinne  einer  bostimm- 
ten  politischen  Richtunn  beeinfluSt  werden. 

-    70   - 


Wir  sind  nicht  bereit,  diesen  Weg  des  KB  zu  unterstUtzen. 

Unsere  Bedenken  werden  noch  durch  einige  andere  Tatsachen  verstarkt: 

1.  Wie  aus  dem  vorletzten  Rundbrief  des  KB  hervorgeht,  wird  der  Do- 
kumentationsversand  in  der  nachsten  Zeit  eingestellt  und  nur  noch 
inhaltliche  Arbeit  geleistet.  Das  wurde  uns  auch  bei  einera  Besuch 
in  Neustadt  von  Mitgliedern  des  KB  bestatigt. 

Als  aber  das   KB  vor  liber  einem  Jahr  seine  Arbeit  aufnahm,  haben 
wir  auf  einer  gemeinsamen  Sitzung  mit  Vertretern  des  KB  verein- 
bart,  daB  vom  KB  keine  inhaltliche  Arbeit  geleistet  wird,  sondern 
es  sich  auf  das  Sammeln  und  die  Weitergabe  von  Informationsmate- 
rial  beschrankt.  Wir  finden  es  nicht  richtig,  daB  dieser  Info- 
Versand  einfach  eingestellt  wird,   ohne  daB  dafu'r  eine  Rucksprache 
mit  den  einzelnen  JZs  stattfand. 

2.  Genauso  aufgesetzt  war  auch  die  Einberufung  eines  zentralen  JZ- 
Tages,  denn  wir  waren  uns  damals  einig,  daB  eine  bundesweite  Ar- 
beit und  Aktion  erst  sinnvoll   ist,  wenn  es  eine  Vielzahl   von 
funktionierenden  Dachverba'nden  auf  Kreis-  und  Regionalebene  gibt. 
Dieser  Grundsatz  wurde  vom  KB  erheblich  verletzt. 

Wir  mbchten  hier  klarstellen,  daB  wir  nicht  grundsatzlich  gegen 
die  Einrichtung  eines  KBs  sind,  aber  nur  unter  der  Bedingung,  daB 
es  auf  seine  koordinierende  Funktion  beschrankt  bleibt,  und  nicht 
versucht  wird,  vom  KB  aus  der  JZ-Bewegung  ein  Selbstverstandnis 
aufzudrlicken,  das  sie  gar  nicht  hat. 

3.  Wie  uns  bei  unserem  o.g.   Besuch  von  Vertretern  des  KB  gesagt  wur- 
de, arbeitet  das  KB  nicht  mehr  in  der  brtlichen  Initiative  mit 
und  verlagert  seine  Aktivitaten  auf  die  Arbeit  in  anderen  Organi- 
sationen,  d.h.,  man  verzichtet  auf  eigene  Erfahrungen  und  be- 
schrankt sich  auf  die  Erfahrungen  Dritter,  was  natlirlich  noch 
weniger  eine  Rechtfertigung  fiir  die  gegenwartige  Politik  des  KB 
sein  kann. 

Wir  fordern  das  KB  auf,  zu  diesem  Offenen  Brief  Stellung  zu  be- 
ziehen,  urn  liber  diese  Punkte  eine  Diskussion  innerhalb  der  JZ- 
Bewegung  in  der  BRD  in  Gang  zu  bringen. 

Verabschiedet  auf  der  Sitzung  des  Kreisverbandes  Rems-Murr  vom 

23.   April    1973" 

(Informationen:   KV  d.  JZ  Rems-Murr  c/o  Eberhard  Kbgel ,  7055  Stetten, 
Postfach  1172) 


4.)   Berufspraktikanten  sind  Studenten 

Berufspraktikanten  "sind  wahrend  ihrer  gesamten  Ausbildungszeit  von 
4  Jahren,  d.h.  auch  wahrend  der  Zeit  ihres  einja'hrigen  Berufsprakti- 
kums  als  Student  (inn)en  anzusehen".  Dies  hat  das  Verwaltungsgericht 
Kassel   am  27.11.73  (AZ  III  E  87/73)  bestatigt.   Nach  der  in  Hessen 
noch  gliltigen  Ausbildungs-  und  Priifungsordnung  von  1968  dauert  die 
Sozialarbeiterausbildung  4  Jahre.  Das  Berufspraktikum  ist  ein  Teil 
der  wissenschaftlichen  Grundausbildung.  Grundlage  der  Entscheidung 
war  die  sich  aus  der  Ausbildungs-  und  Priifungsordnung  ergebende 
"enge  Verbindung,  die  wahrend  des  Berufspraktikums  zwischen  dem  Prak- 
tikanten  und  der  Schule  fortbesteht"  und  "die  auffallige  Verbindung 
von  Theorie  und  Praxis".   Konsequenz  der  Entscheidung:  Auch  Berufs- 
praktikanten haben  Anspruch  auf  einen  Studentenausweis. 
(aus  GEW-Zeitschrift,  Erziehung  und  Wissenschaft,  Nr.   4/74  Beilage) 

-   71    - 


NEUER    INFO    IM    SOZIALISTISCHEN   BURO    - 
INFORMATIONSDIENST   GESUNDHEITSWESEN 

Auf  der  ersten  Arbeitstagung   zur  Konstituierung   eines 
Artoeitsfeld.es   Gesundheitswesen   im  Sozialistischen 
Biiro  wurde  u.a.    beschlossen,   wie  in  anderen  Arbeits- 
feldern  bereits   praktiziert,    einen  Info  Gesundheits- 
wesen aufzubauen.   Die  erste   (noch  vorlaufige)  Aus- 
gabe   soil   einer    (gewiss   noch  unvollstandigen)   Be- 
standsaufnahme  der  bisherigen  theoretischen  und  prak- 
tischen  Aktivitaten  dienen.   Der   erste  Info  bringt: 

-  Arbeitsberichte  von  Uni-Gruppen  aus  Marburg,  Frank- 
furt, Munster  und  Mainz; 

-  einen  Praxisbericht  aus  Miinchen  der    "Sozialmedi- 
ziner   Hasenbergl"    (stadtteilarbeit ) ; 

-  einen  Beitrag   eines  Berliner  Genossen  zur   Strate- 
gie  im  Gesundheitswesen; 

-  Einschatzung  und  Konsequenzen  aus  der  OTV-Tarif- 
runde  im  Gesundheitswesen  in  Westberlin; 

-  Brief e  und  Kurzberichte  aus   Erlangen,   Essen,   Wiirz- 
burg,   Papenburg  und  Miinchen; 

-  Aufruf  zur  Bildung  einer  Projektgruppe  Arbeits- 
medizin 

Der  Info  Gesundheitswesen  (Heft  1)  kann  gegen  Vor- 
einsendung  von  DM  3.—  in  Briefmarken  bezogen  werden 
durch  VeHag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  4,  Postfach  591 


PROBLEME 
DES  KLASSEN- 
KAMPFS      u/12 

ca.  350  Seiten 


• 


Rib* 


'  Spo 


9,00  DM 


Erhaltlich  in  den  Buchladen  oder  direkt  beim  Verlag 
POLITLADEN  ERLANGEN  852  Erlangen   Postfach  2849 

Abonnamanw  unrf  nur  dir.kt  vom  Varlag  bazuhbar  Abo-Pr*,i  )Ur  6  EinfachheHa  Ibtw. 
2  Efnfadf  und  2  Doppaihafia)  ill  DM  27.00  inkluuve  Vanandkoitan  Lutipoitabonna- 
minii  inur  tudfhtlb  Mnttlauropis:  DM  32,00.  Ox  Liefemng  wird  autyanomman,  10 
bald  Oar  Abo-Batrag  bt  im  V*rl*g  aingagingen  ist,  Dabei  Ml  aniugaban.  ab  walcham  Halt 
»"  Zuwndung  gtwunicht  wird,  wobai  'fuhanmoglicbar  Abo-Bagmn  d«  lulawt  etich.e- 
nana  Hatt  ut. 

Baiahlung  doieh  Uberwanung  an  Pcl.tladan  GmbH.  852  Erlangan,  Konto  Nr.  3234-B50 
Pomchaekaml  Numbarg  odt>  Konio  Nr  1190  Raiflaiiankatw  EMaltrich/Obartrankan. 
AullandluUrwatiungan  biti*  nur  par  Poit.  d*  Bankufcarwenungan  mil  Gabuhran  belailel 


Halbheiten  in  der  Uberwindung  des 
Leninismus.  Zur  Leninkntik  des 
Projekts  Klassenanalyse, 

N  ,   K  tdtntke 

Kritik  der  Sozialfaschismus-Theone 

W  .   0  lie, 

Zur  Theorie  des  StaatskapiTalismus. 
Probleme  von  Theorie  und  Geschichte 

BruhrW  Wolfing/  Koch: 

Das  Geld  im  Imperialismus 

E  .  A  itvatar 

Vorwort  zu  den  Aufsatzen  von  Massa- 
rat  und  Tahmassebi 

M .  M  atiarai 

Energiekrise  oder  die  Krise  des  Kapita- 

lismus 

A      T  ahm  aneb. 

Zur  Situation  der  erddlexportierenden 
Lander  des  Nahen  Ostens 


MATERIALIEN 


1.) 


2.) 


3.: 


4.) 


5.) 


Der  REFERENTENENTWURF  PES  NEUEN  OUGENDHILFEGESETZES  ist  erschie- 
nen;  die  Bundesregierung  hat  davon  nur  eine  geringe  Anzahl  der 
Offentlichkeit  zur  Verfugung  gestellt. 

Der  Nachdruck  ist  zu  erhalten  gegen  Voreinsendung  von  DM  2.-- 
+  Porto  beim  Bund  Deutscher  Pfadfinder,  6  Frankfurt,  Hamburger 

AT  lee  47        

Bei   entsprechend  groBer  Nachfrage  ist  geplant,  auch  den  Begrlin- 

dungstext.ca.  200  Seiten,  noch  zu  drucken.  Vorbestellungen  an 

obige  Adresse. 

BERICHTE  UND  LITERATURHINWEISE  aus  dem  Bereich  der  Gemeinwesen- 

arbeit  zusammengestellt  von  der  AG  GWA  bei  der  Victor-Gollancz- 

Stiftung,  6  Frankfurt,  Milhelm-Leuschner-Str.   25. 

I.Zt.   sind  folgende  Titel   zura  Selbstkostenpreis  zu  erhalten: 


a) 
b) 
c) 
d) 

e) 


DM  8. 


DM  5.— 
DM  7.— 

DM  5.— 

DM  2.50 


Literaturzusammenstellung  zur  GWA  1970/71 

Kommunale  Sozial-  und  Infrastrukturpolitik 

GWAT-Bericht  1970/71,  Haselbergl /Miinchen 

Liste  von  Filmen  Liber  Probleme  des  Reproduk- 

tionsbereichs 

Literaturliste  zur  GWA-Obdachlosigkeit- 

Sozialplanung  und  Sozialarbeit 
KNAST-ZEITUNGEN 

'-  DISKUS  70  Nr.   1/74  u.a.  Strafvollzug  durch  die  Senatsbrille, 
Arbeit  hinter  Gitter,  Briefe,   Interviews,  Informationen 
ca.   50  S.   Bezug:  Diskus  70,  28  Bremen  21,  Sonneraannstr.   2; 

-  KASCHOTT  Nr.   10  u.a.   Resozial isierung,  Arbeitszwang,  Beamte 
hinter  Gitter,  Ausbeutung  der  Gefangenen  durch  Staat  und  Pri- 
vatwirtschaft,  Leserbriefe,   Informationen,  Lohnpfandung 

ca.   30  S. 

Bezug:  Redaktion  Kaschott,  334  Wolfenblittel ,  Ziegenmarkt  10; 

-  KNAST  +  RANDNOTIZEN  Nr.   5  u.a.   Schwule  im  Knast,  Rundfunk  im 
Knast,  Sozialarbeit:  Arbeit  mit  proletar.   Kindern,  Folter 
i.d.   BPD,  Bericht  liber  andere  Knast-Zeitungen,  Briefe,  Infor- 
mationen ca.   55  Seiten 

Bezug:   SSHK  e.V.  8  Miinchen  80  Postfach  801769 

DM  1 ,50  +  Porto 
TREBESPIEGEL 

Die  Zeitschrift  des  SSB  e.V.  1   Berlin  30,  Potsdamer  Str.   180/11 
bringt  Berichte  Liber  die  Trebeproblematik  und  aus  der  Heimerzie- 
hung; 

SEX-POL-INFO  Nr.   20  berichtet  Liber  Zusammenhange  zwischen 
Sexual i tat,  Politik  und  Herrschaft.  Abo.   DM  4.-- 
Bezug:   SEX-Pol-Info,  21   Hamburg  90,  Wetternstr.   19 
PSCHA  HH  379519-200 

W0HNGRUPPENPLATTF0RM  u.a.  Materi alien  zum  Thema  wohngemeinschaf- 
ten,  sowie  die  "Montagsnotizen"  mit  Berichten  zum  Frankfurter 


-    73 


8.: 


Emanzipationskongress;  Bezug:  Humanes  Wohnen  e.V.  2  Hamburg  67, 
Buckhorn  3 
)  KRIMINALS0ZI0LOGISCHE  BIBLIOGRAPHIE,  die  1973  v.  Ludwig-Boltzmann 
Institut  f.  Kriminalsoziologie  in  Zusammenarbeit  mit  der  AG  f. 
Rechtssoziologie  gegriindete  Zeitschrift  bringt  Buchbesprechungen, 
Tagungsberichte  und  Bibliographien.  Die  Zeitschrift  erscheint 
4  x  im  Jahr  Bezug:  A  -  1016  Wien,  Postfach  1 
"BIBLIOGRAPHIE  ZUM  THEMA  ARBEITSIMMIGRANTEN" 
-  die  umfassendste  Zusammenstellung  zu  diesem  Gebiet,  u'ber  600 
Titel.  Im  gleichen  Heft:  Gesundheitsprobleme  auslandischer  Ar- 
beitnehmer. Sonderdruck  des  JOURNAL  G  DM  4.— 
Bezug:  Kulturkomitee  f.  ausl .  Arbeitnehmer,  7  Stuttgart  1, 
Schlosserstr.  36 

9.)  Sind  die  Berufsverbande  und  Gewerkschaften  am  Nachwuchs  inter- 
essiert?  Auswertung  einer  bffentlichen  Umfrage  zur  Qrganisations- 
struktur,  Zielsetzung,  gewerkschaftliche  und  fachpol  itische  For- 
derungen  in  Unsere  Ougend  Nr.  5/74 

10. )BERLINER  HEIMERZIEHERZEITSCHRIFT  Nr.  4/April  1974 

u.a.  1.  Mai  19/4,  Holizei  gegen  Jugendzentren,  Comic  f.  Kinder, 
Die  Situation  des  Beamten,  Haushaltsplan  1974,  Preis  DM  1.50 
Bezug:  HEZ  1  Berlin  61,  Urbanstr.  126 

ll.)ESG-INFO  3.  ILLEGALITY  UND  VERELENDUNG 

Politisch-bkonomische  Untersuchung  des  Problems  der  illegal  en 
Beschaftigung  auslandischer  Arbeiter.  Bezug  (DM  1.--  in  Brief- 
marken  beilegen):  Evangelische  Studentengemeinde,  3392  Clausthal- 
Zellerfeld,  Graupenstr.  la. 

12.)Die  neueste  Ausgabe  der  Zeitschrift  "Erziehung  und  Klassenkampf " 
(Nr.  14)befaBt  sich  ausschlieBl ich  mit  Hochschulproblemen  und 
vor  allem  Studentenorganisationen  und  studenti'scher  Politik. 
Erhaltlich  im  linken  Buchhandel  bzw.  uber  Verlag  Roter  Stern, 
6  Frankfurt, Postfach  8ool47. 

13.) Eine  Tonkassette  fur  ttirkische  Arbeiter  hat  das  Kulturkomitee  fur 
auslandische  Arbeitnehmer  gemeinsam  mit  dem  tiirkischen  volks- 
sanqer  Sefile  herausgebracht.  Zur  Kassette  gehbrt  auch  eine  Bro- 
schure  mit  den  Texten.  Die  Lieder  befassen  sich  mit  der  Situation 
der  turkischen  Arbeiter  und  Bauern.  Kassette  und  Band(72  Seiten) 
kosten  einschlieBl ich  Porto  und  Versand  DM  13.  —  .  Bestellungen 
an  Kulturkomitee  fur  auslandische  Arbeitnehmer,  7  Stuttgart  1, 
Schlosserstr.  36. 
14.)Auslanderrecht.  Textsammlung  mit  alphabetischem  Wegweiser  durch 
das  qesamte  Auslanderrecht.  Herausgegeben  von  Rechtsanwalt 
Hans  Heinz  Heldmann.  272  Seiten,  Taschenbuchformat,  Bezug  gegen 
DM  10.--  in  Briefmarken.  RA  Heldmann,  61  Darmstadt,  Jahnstr.  103. 
lb.  J  Journal  G  -  Dokumentation  zu  Problemen  auslandischer  Arbeitneh- 
mer; Heft  3/74  Schwerpunktthema:  Zur  Situation  nach  dem  Anwerbe- 
stopp.  Zu  beziehen  bei  Kulturkomitte  fur  auslandische  Arbeitneh- 
mer, 7  Stuttgart  1,  Schlosserstr.  36. 
16.)  Material ien  des  Bundes  Deutscher  Pfadfinder  zur  Theorie  und 

Hi-axis  demokratischer  Jugendarbei t:  Nr.  11  Jugendarbeit  und  staat- 
liche  Jugendpolitik;  gegen  Voreinsendung  von  DM  3.—  +  Porto  zu 
erhalten  bei  BDP,  6  Frankfurt,  Hamburger  Allee  47. 
Stadtteilzeitung  Neuperlach/Munchen  bescha'ftigt  sich  mit  dem 
Ihema  Lehrlingsausbi idung  und  bringt  Informationen  aus  dem  Stadt- 
teili  Kontaktadresse:  Redaktionsteam  c/o  Renate  Kotzam,  8  Mun- 
chen  83,  Karl  Marx  Ring  51  (Stadtteilburo) . 


17 


74  - 


KLEINANZEIGEN 


Sozialpadagogin  (ehem.  Erzieherin),  25  mit  Interesse  an  Stadtteil- 
und  Teamarbeit  sucht  zum  1.11.1974  Stelle  im  Bereich  der-  offenen 
Arbeit  mit  alteren  Schulkindern.  Angebote  an  Info  Sozialarbeit  im 
Sozia'listischen  BUro,  605  Offenbach  4,  Postfach  591 
Abiturientin  mochte  auf  der  FHS  Sozialpadagogik  studieren  und  sucht 
fur  ein  Vorpraktikum  (1/2  Jahr)  eine  Praktikumsstelle  in  einem 
Erziehungsheim  oder  einer  Jugendwohngemeinschaft  im  Raum  Gbttingen/ 
oder  Giessen.  Angebote  an  Info  Sozialarbeit 
GWA  in  Obdachlosensiedlung:  Wir  suchen  Kontakt  zu  einem  (einer) 
Sozialarbeiter(in)  der  interessiert  ware,  im  Team  eine  Intensivarbeit 
mit  einzelnen  Familien  (keine  Fafu)  zu  leisten. 

Kontaktadresse:  R.  Prelle,  6  Frankfurt,  Breitlacher  Str.  38  Tel. 788767 
Internationale  Jugendgemeinschaftsdienste  e.V.-Gesellschaft  fur 
Internationale  und  politische  Bildung  -  sucht  zum  Herbst  einen 
Jugendbi 1  dungs ref erenten ,  dessen  Aufgaben  vor  allem  im  Bereich  der 
Tnnal tl ichen  Oua 1  if lzierung  der  Teilnehmer  an  Gemeinschaftsdiensten 
liegen.  Er  oder  sie  braucht  dazu  praktische  Erfahrungen  in  der  auBer- 
schulischen  politischen  Jugendarbeit,  Kenntnisse  der  gegenwartigen 
Diskussion  in  diesem  Bereich,  Kontakt-  und  Kooperationsbereitschaft, 
organisatorische  Fahigkeiten,  ein  abgeschlossenes  Universitatsstudi- 
um  entsprechender  Richtung.  Nahere  Ausklinfte  bei:  IJGD,  53  Bonn, 
Kaiserstr.  43 

Wir  mb'chten  eine  sozialistische  Kindergruppe  aufbauen  und  suchen 
Kontakte  zu  bestehenden  Gruppen.  Kontaktadresse:  Wolfgang  Langer, 
3  Hannover,  Kleestr.  12 

Die  Kooperative  Jugendberatung  Neuperlach  sucht  ab  sofort  hauptberuf- 
Tiche  Mitarbeiter  (Sozialarbeiter/Sozialpadagogen  grad.)  mbglichst 
mit  Erfahrung  in  der  Jugendarbeit.  „.„-0 

Angebote  an:  Kooperative  JB,  8  Munchen  83,  Quiddestr.  17  Tel. =674938 
Der  soziale  Friedensdienst  Kassel ,  eine  Model leinrichtung  der  ev. 
■Ri'rche  f.d.  Zivildienst  mit  z.Zt.  25  ZDL,  sucht  einen  hauptamtl ichen 
Geschaftsfuhrer  fur  die  Funktion  des  Beauftragten  gegeniiber  dem  Bun- 
"desamt  f.d.  Zivildienst,  den  Zivildienstleistenden  und  den  Einsatz- 
stellen.  Voraussetzungen:  sozialpadagogische  Ausbildung,  politisches 
Interesse,  Bezahlung  nach  BAT,  Zusatzversicherung,  Hilfe  bei  der 
Wohnungssuche.  Bewerbungen  an:  Sozialen  Friedensdienst  Kassel, 
z  Hd.  Herrn  KeBler,  35  Kassel,  Sta'ndeplatz  4 

Sozialpadagogen  (2)  suchen  mbglichst  in  Berlin  eine  Stelle  in  einem 
Juqendzentrum:  Jurgen  KUppers  u.  Elisabeth  Bouten,  51  Aachen, 
Frankenstr.  Z  - 

Sozialwissenschaftler,  die  liber  Freizeit-  und/oder  Gesamt-Ganztags- 
schule  theoretisch  arbeiten  und  durch  Informationsaustausch  die  wis- 
senschaftliche  Konkurrenz  etwas  abbauen  wollen,  schreiben  bitte  an: 
Wolf  Blass,  2  Hamburg  55,  Schenfelder  Landstr.  151  a 


-  75 


FHS-Studentin  sucht  fur  ihre  Examensarbeit  Kontakte,  Material ien, 

Erfahrungsberichte  und  Literatur  zum  Thema:   Die  Bedeutung  der  bild- 

nerischen  Erziehung  (bildnerisches  Gestalten)  bei  Kindern  im  Alter- 

zwischen  5  und  14  Jahren.   Inwieweit   I  a  [it  sich  diese  Bedeutung  auf 

verhaltensgestbrte  Kinder  ubertragen? 

Si  grid  Hulverscheid,  59  Siegen,  Marburger  Str.   3.    IC 

Ich  suche  Anregungen,  Projektberichte,  Literaturhinweise,  Konzep- 

tionen,  praktische  Erfahrungsberichte,  kurzum  soviel  Material  wie 

mbglich  iiber  Kinder-  und  Jugendarbeit  in  einer  Obdachlosendiedlung. 

Dietrun  Feth,  68  Mannheim  42,  Gerarer  Ring  2/112. 

FHS-Studentin  sucht  fur  Examensarbeit  zum  Thema  "Kommunale  Sozial- 

arbeit"  Literatur  und  Erfahrungsberichte,  besonders  aus  dem  Bereich 

der  Familienflirsorge.  Marlies  Grafe,  8  MLinchen  60,  Landsberger  Str. 51 9 

Material   und  Kontakte  gesucht  zum  Thema  "Hauptschlilerarbeit  im 

Freizeitbereich".  Jugendzentrum  c/o  Inge  Nosal,  6833  Kirrlach, 

Ostendstr.   2 

Erfahrungeberichte  und  Material  gesucht  zum  Thema   "Arbeit  mit  Lehr- 

1 i ngen  im  Frei zei tbereich" .  Sozialpadagogik-Student  Kalle  Altenbrun- 

ner,  34  Gbttingen,  Rastenburger  Weg  2. 

Sozialarbeiterstudenten    der  KFH  fiir  Soziales  suchen  Kontakte,  Mate- 

rialien  zu  AKS-Gruppen  zu  folgenden  Projekten:  Jugendwohngemeinschaf- 

ten,  Lehrlingsarbeit,   Kinderladen,  Jugendzentren. 

Adresse:  Michele  Landezki ,  5  Kbln  1,  Fleischmengergasse  2. 

Dringend  Untersuchungen  Liber  sozialen  Wohnungsbau  gesucht. 

G'unter  Fries,  61   Darmstadt,   Rhbnring  59 

Material  gesucht  zu  Jugend-  und  Erwachsenenbildung  (Berufsfeld  der 

Sozialarbeit/Sozialpadagogik)  und  zum  Projektstudium  an  Ausbildungs- 

statten  fiir  EA/SP  (Uni/GHS/FHS) .   Kosten  werden  erstattet. 

Zuschriften  an  R.  Ha'hner,  59  Siegen,  Leystr.  6. 

Suche  dringend  Material  iiber  Lehrgange,  Unterrichtseinheiten  Oder 

Erfahrungen  mit  Hauptschlileri'nnen/-schulern  in  Jugendclubs  bzw. 

-verbandsarbeit  in  Bezug  auf  Geschl echterrol 1 entrennung ,  bei  denen 

versucht  wurde,  geschl echtsspezi f i sche  Verha I tenswei sen  anzuknacken, 

bzw.   die  Unterdriickung  von  Madchen/Frauen  insbesondere  zu  thematisie- 

ren.   Die  Zusammenstellung  dieser  Erfahrung  werde  ich  fiir  Interessier- 

te  zuganglich  machen:   Christa  Wolff,  34  Gbttingen,  Kreuzbergring  12, 

Telefon  0551/58437 

Die  Cabora-Eassa-Gruppe  Frankfurt  sucht  Mitarbeiter.  Unsere  Arbeit: 

a)  Materielle  llnterstu'tzung  der  Befreiungsbewegungen  in  den  portu- 

giesischen  Kolonien  (FRELIMO,  MPLA,   PAIGC),  besonders  technische 

Hilfe.  b)  Uffentlichkeitsarbeit  und  Gegeninformationen.  Dazu  sind 

u.a.   2  Filme  iiber  die  FRELIMO  vorhanden.  c)  Mitaufbau  der  Solidari- 

tatsbewegung  fiir  die  Befreiungsbewegungen  im  slidlichen  Afrika  in 

der  BRD.  Meldet  euch  bitte  bei  Reinhold  Einloft,  6  Frankfurt, 

Robert  Mayer  Str.   31,  Tel.:  0661/903291 

Fur  Schwerpunktarbeit  im  Jugendzentrum  Porta   (Porta  Westfalica, 

Ostwestfalen)  und  Koordinierung  von  Jugendarbeit  in  der  Stadt  wird 

Sozialarbeiter  bzw.   -padagoge  gesucht.   Naheres  iiber: 

Wolfgang  WeiB,  4952  Hausb  erge,  Ortsstr.   21,  Tel.   0571/7672 

Sozialpadac|oge,  Berufserfahrung  mit  Erwachsenenbildung,  Jugendarbeit, 

zielorientierter  repressionsarmer  Vorschularbeit  und  praktische 

Erfahrung  in  Gruppendynamik  sucht  ab  sofort  oder  zum  1.7.1974  neue 

Tatigkeit  im  Raum  Hamburg.  Peter  Walpurgis,  2  Hamburg  50,  Fischers 

Allee  72. 


-  76 


Sozialarbeiter/Sozial padagoge  fiir  Behindertenarbeit  im  Projekt 
"Wohngruppe  Wimmel straBe"  gesucht.  Naheres  Liber  Aufgabenbereich, 
Bezahlung  etc.:   B.  Schlirmeyer,  35  Kassel ,  Wimmelstr.   6 
Sozialzentrum  Frauensteiner  StraBesucht  dringend  padagogische  Fach- 
kraft  fiir  Spiel stubenprojekt  in  sozialem  Brennpunkt  in  Wiesbaden. 
Bewerbungen  sind  zu  richten  an:  Sozialzentrum  Frauensteiner  StraBe, 
62  Wiesbaden-Dotzheim,  Frauensteiner  Str.   112,  Tel . :06121/421039 
Die  "Arbeitsgruppe  Knast"  an  der  Fachhochschule  Sozialpadagogik 
in  Darmstadt  sucnt  zu  anderen  im  Reso-Bereich  arbeitenden  politischen 
(nicht  karitativen)  Gruppen  Kontakt  zwecks  Kommunikation  und  Zusam- 
menarbeit.  Die  Gruppe  will  mit  bffentlichen  Aktionen  und  Veranstal- 
tungen  auf  MiBstande  und  Repressionen  im  Strafvollzug  aufmerksam 
machen  und  beabsichtigt,  auch  einen  Beitrag  zur  Berufsperspektive 
(fast  alle  Mitglieder  studieren  Sozialpadagogik)  innerhalb  der  Grup- 
pe zu  leisten. 

Kontaktadresse:   "Arbeitsgruppe  Knast"  FH  Darmstadt,  61   Darmstadt, 
SchbferstraBe  c/o  Helmut  Ortner  FB  Sozialpadagogik. 
Auf  dem  Emanzipations-Seminar  in  Frankfurt  wurde  uns  in  der 
Arbeitsgruppe  "Kinder"  klar,  dafi  es  nbtig  ware,  einmal  alle  prakti- 
schen  Erfahrungen  und  Theorieansatze  zusammenzutragen  und  auszutau- 
schen.  Wir  wollen  also  eine  Tagung  vorbereiten,  die  vielleicht  im 
Herbst  an  der  Uni  Hannover  stattfindet.  Weitla'uf iges  Zfel  der  Tagung: 
Beitrag  zu  einer  sozialistischen  Padagogik.  Wir  sind  dabei   auf  sure 
Unterstiitzung  angewiesen.   Bitte  gibt  uns  Tips,  Adressen,  Themenvor- 
schla'ge,   Beitra'qe  usw.   Wir  suchen  noch  Leute,  die  helfen,  die  Tagung 
inhaltlich  vorzubereiten.  Der  Erfolq  dieser  Sache  ha'ngt  von  eurem 
Echo  ab:    Kontaktadressen:    Use  Kruger,   1    Berlin  61,  Tempelherrenstr.3 
oder  Wolfgana  Hermes,   1   Berlin  36,  Forsterstr,   3,   Telefon  030/612  42  52. 
Folk-Magazin  -  Zeitschrift  fur  Kabarett,  Song,  Chanson,  Folklore, 
pb'litisches  Lied,   Kinderlied,  Randgebiete.   Probeheft  gegen  Voraus- 
zahlung  von  DM  1 .--:   Edition  Venceremos,  609  Russelsheim,  Bodenheimer 

Str.  2. 

Suche  fiir  eine  Untersuchung  Materialien  (Streikberichte,  Erfahrungs- 
berichte, Dokumente,  Resolutionen  usw.)  zum  Thema  "Politisches  und 
qewerkschaftliches  Verhalten  der  auslandischen  Arbeiter  und  ihr  Ver- 
haltnis  zu  den  Gewerkschaften  in  Europa".  Martin  Frey,  507  Berg. 
Gladbach,  Haus  Lerbach. 

Eine  neue  Auf  1  age  der  Broschlire  "Kriegsdienstyerweiqerunq  -  ein 
Grundrecht"  der  AGG  (Arbeitsgemeinschaft  der  katholischen  Hochschul- 
gruppen  und  Studentengemeinden)  ist  erschienen.  Bei  dieser  neuen 
Auflage  wurden  die  Aufmachung  verbessert  und  Fehler  berichtngt. 
Die  Broschiire  entha'lt:  Entwicklung  des  Rechts  auf  KdV;  Der  formale 
Weg  zur  Anerkennung;  Der  Ersatzdienst;  Anschriften.  Die  Broschu're 
kostet  DM  2.—  (in  Briefmarken  beilegen)  und  kann  bezogen  werden 
iiber  Arbeitskreis  Bundeswehr  und  KdV,  54  Koblenz,  Schiitzenstr.  40. 
Suche  dringend  Material  und  Projektberichte  fiir  Diplomarbeit  iiber 
padagogische  Handlunqsstrategien  mit  Betroffenen  (besonders  Kinder, 
Alte,  Auslander)  bei  stadtebaulichen  Problemen  (v. a.  Sanierung). 
Dorothee  Prause,  74  Tubingen,  Zwehrenbuhlstr.  43,  Telefon  07122/ 

cyyo 

In  der  Philosophischen  Fakultat  der  RWTH  Aachen  ist  ab  sofort  die 
Stelle  eines  wissenschaftlichen  Rates  und  Professors  fur  Erziehungs- 
wissenschaft  zu  besetzen.  Interessenten  sollten  die  Ausschreibungs- 
unterlagen  "s'ofort  anfordern  bei  Dekan  der  Philosophischen  Fakultat 
der  RWTH  Aachen,  51  Aachen,  Karmanstr.  19. 


-  77 


Wir,  ein  Team  von  Sozialarbeitern,   Studenten  und  Honorarkraften 

in  der  Drogenberatung  Wiesbaden  suchen  flir  sofort  oder  spa'ter 

einen  Sozialarbeiter  (in),  der  (die)  daran  interessiert  ist,  mit  uns 

im  Team  neue  Mbglichkeiten  des  Abbaus  der  Drogenabhangigkeit  zu  ent- 

wickeln  und  zu  verwirklichen, 

Drogenberatung  62  Wiesbaden,  Karl-Glassing-Str.   5,  Tel.:  306503 

Material  qesucht  zum  Thema  "Ausbildung  der  Erzieher  im  Vorschulbereich" 

auch  Literaturhinweise,  Reinhold  Bauer  44,  Miinster,  Schillerstr.31 . 

Wir  sind  eine  Initiativgruppe,  die  flir  ein  freies  Juqendzentrum  in 

Witten  kampft.  Die  Stadt  Witten  hat  2  Sozialarbeiterstel len  frei . 

Wir  mbchten  gern,  daB  Sozialarbeiter  die  Stellen  kriegen,  die  an 

einer  Zusammenarbeit  mit  uns  und  an  der  Arbeit  in  einem  Jugendzen- 

trum  interessiert  sind.   Nehmt  mit  uns  Kontakt  auf:   Hans-Leo  Bobber, 

6804  Nerdecke  2,  Weg  zum  Poethen  81. 

Jugendzentrum  Neuhausen  in  MLinchen  sucht  einen  Sozialarbeiter  mit 

praktischer  Erfahrung.   Schreibt  oder  telefoniert  an  JZ  NeuFausen, 

3  Munchen  2,   Lothstr.    54/  089  -   183212. 

Suche  systematische,  theoretische  und  empirische  Neuverbffentlichun- 

gen  zum  Bereich  "Humanisierung  bzw.   Pemokratisierung  der  Arbeitsbe- 

dingungen"  zur  Auswertung  flir  eine  sozio-politische  Examensarbeit: 

Walter  Sandritter,  68  Mannheim  25,  Ludwig  Richter  Str.   7. 

Ich  bin  bis  6.8.1975  in  Haft.   Bereits  seit  14  Monaten  habe  ich  keinen 

Kontakt  zur  AuBenwelt.   Wer  ist  bereit,  mit  mir  zu  korrespondieren 

(mbglichst  Umkreise    Bremen  und     Bremerhaven). 

Gerd  Bunting,   285  Bremerhaven,   Nordstr.    12/JVA. 

Projektgruppe  der  FHS-Sozialarbeit  Esslingen  sucht  Material   zum 

Thema  Beziehunq  Sozialarbeiter/Klientel    im  Gesamtzusammenhang  der 

Funktion  der  Sozialarbeit.  Unterlagen  bitte  senden  an: 

Susanne  Gb'tz,  7257  Ditzingen  4,  Rossggerweg  3. 

Wer  hat  Interesse  an  der  Grlindur.g  eines  autonomen  Disku«si"ns-  und 

Informationszentrums  in  Bremen  flir  Schuler,   Lehrlinge  und  Jungar- 

beiter?  Kontaktadresse:   Horst-Dieter  Stbhr,   28  Bremen-Walle, 

Dithmarsche  Freiheit  21. 

Linker  Buchladen  sucht  zum  1.9.1974  Buchhandler  (in).Evtl ■   auch  nur 

fur  6  Mot 

Str.   34. 


fur  6  Monate.   Zuschriften  an:  Probuch  GmbH,  89  Augsburg,  Gb'gginger 


bur 


□as  unabhangige  Jugendzentrum  KornstraBe  in  Hannover  sucht  ab  sofort 
eine    padagogisch  ausgebildete  Fachkraft  als  Kollektivberater  fiir 
ein  Arbei terjuqend- Wohnkol  1  ekti v ■   Kontaktadresse:  Verein  fiir  ange- 
wandte  Sozialarbeit,  3  Hannover,"  Kornstr.   28  -  30,  Tel .: 0511/71 5033. 
Unser  Team,  das  in  MLinchen  versucht,  eigene  padagogische  Vorstellun- 
gen  in  der  Arbeit  innerhalb  einer  Institution  durchzuflihren,  sucht 
ab  sofort  einen  mannlichen  Mitarbeiter,  der  bereit  ist,  im  Team 
offene  Arbeit  mit  zum  Teil   qefahrdeter  Kindern  und  Jugendlichen   in 


einem  Arbei terviertel  mit  Randqruppenproblematik  zu  leisten.    Inter- 

'"'"  "'  nala 
605  Offenbach  4,   Postfach  591. 


essenten  wenden  sich  an  Info  Sozialarbeit  im  Sozialistischen  BLiro, 


Projektgruppe  der  FHS-Sozialarbeit  Esslinqen  sucht  Material   zum 
Thema     Beziehunq  Sozialarbeiter  -Klient"  im  Gesamtzusammenhang  der 
Funktion  der  Sozialarbeit.   Susanne  Gbtz,  7257  Ditzingen-4,  Rosegger- 
weg  3. 

Sozialarheiter(in)   mnglich«;t  mit.  Heimerfahrung  flir  ein  Jugendwohn- 
kollektiv   im  Munsterland  gesucht.   Bezahlung  nach  BAT  IV/Wohnung  wird 
gestellt;  Anfragen  bei   Info  Sozialarbeit  im  Sozialistischen  Biiro, 
6o5  Offenbach  4,   Postfach  591. 

-  78  - 


SOZIALISTISCHE  AKTI0N  JUGENDHILFETAG 


Erklarung  zur  Absage  des  5.  DJHT  durch  die  AGJ 


Der  seit  2  Jahren  mit  erheblichen  Steuermitteln  von  der  AGJ  vorberei- 
tete  5.  DJHT  wurde  kurzfristig  unter  fadenscheinigen  Begriindungen  im 
Hinblick  auf  die  Sozialistische  Aktion  abgesagt.  Die  in  der  Sozia- 
listischen Aktion  zusammenarbeitenden  Sozialarbeiter/Sozialpadagogen 
verurteilen  diese  Absage. 

Die  Sozialistische  Aktion  hat  sich  im  Januar  1974  in  Bielefeld  kon- 
stituiert  und  arbeitet  seither  in  regionalcn  Vorbereitungsgruppen  und 
auf  Uberregionalen  Koordinationstreffen.  In  einem  Aufruf  und  einem 
"Offenen  Brief  an  die  AGJ"  hat  die  Sozialistische  Aktion  ihre  Ziel- 
vorstellungen  und  Forderungen  in  Bezug  auf  diesen  Jugendhilfetag  for- 
muliert;  die  Streichung  der  Teilnehmergeblihren  sollte  einer  groBen 
Anzahl  von  Sozialarbeitern/Sozialpadagogen  aus  der  Praxis  die  Teil- 
nahme  am  5.  DJHT  ermbglichen  und  zum  anderen  die  Struktur  des  Jugend- 
hilfetags  so  beeinflusst  werden,  daB  mit  dem  v«rbalen  Anspruch  der 
AGJ  "ein  offenes  Forum  fiir  die  Diskussicn  der  Jugendhilfepraxis 
herzustellen"  ernst  gemacht  wird  undpolitisch  brisante  Themen  nicht 
ausgeblendet  bleiben.  Die  Sozialistische  Aktion  geht  davon  aus,  daB 
geplante  Vera'nderungen  im  Bereich  des  Jugendrechts  nur  sinnvoll  dic- 
kutiert  werden  kbnnen,  wenn  von  der  Analyse  der  derzeitigen  Jugend- 
hilfepraxis mit  all  ihren  Problemen,  Behinderungen  und  Disziplinie- 
njngen,  sowie  der  allgemeinen  Situation  der  Arbei ter jugendlichen  und 
ihrer  Familien,  Fragen  des  Berufsverbots,  der  politischen  Justiz  etc. 
ausgegangen  wird. 

Der  Durchsetzung  dieser  Forderungen  haben  sich  hunderte  vonSozial- 
arbeitern/Sozialpadagogen  aus  der  gesamten  BRD  und  Westberlin  an- 
geschlossen.  Selbst  aus  den  Reihen  der  AGJ-Mitgliedsverbande  massier- 
ten  sich  die  Forderungen,  den  Jugendhilfetag  offen  zu  gestalten  und 
eine  breite  Meinungs-  und  Willensbildung  der  erwarteten  3  000  Teil - 
nehmer  zu  ermbglichen.  Diesen  Forderungen  ist  der  AGJ-Vorstand  durch 
die  Absage  des  Jugendhilfetages  bewuBt  ausgewichen.  DaB  dabei  mehr 
als  53.000  DM  Steuermittel  in  der  Vorbereitungsarbeit  verschleudert 
wurden,  bereitet  dem  AGJ-Vorstand  offensichtlich  kein  Kopfzerbrechen. 

Mit  der  Absage  des  5.  DJHT  hat  die  AGJ  nicht  nur  vor  der  zu  erwarten- 
den  Kritik  der  Praktiker  kapituliert,  sondern  auch  deutlich  gemacht, 
daB  es  ihr  mit  dem  Jugendhilfetag  lediglich  um  eine  schein-demokra- 
tische  Legitimation  staatlicher  Jugendpolitik  und  um  die  Sicherung 
der  Loyal  itat  der  "Fachbasis"  gegeniiber  dem  burgerlichen  Staat  ging. 
Nicht  die  "Gefahr  einer  Sprenung  des  5.  DJHT"  ware  fur  die  AGJ  und 
die  Spitzen  der  Burokratie  zu  beflirchten  gewesen  -  denn  durch  eine 

-  79  - 


KoT?Siso^,rCh  di?  Sozia^tische  Aktion  nur  von  der  Masse  der_ 
zuna  Uber  S?I  f    "i^ern  die  ""stehende  politische  Auseinanderset 
am  qeD?antpn   !  U9e^-11lfepraxis  in  v^bindung  mit  einer  harten  KritiK 
SnSat  «n  h!    9en1hllferecht«  das  kaum  dazu  beitragen  wird,  die 

ziel  e  Fining-1?5  durc5  die  ^ektion  der  Teilnehmer  (hohe  finM- 
ein"L*!Sl2,SB8  Un2  Abhs"9igkeit  von  DienstbefreTungen  soil  ten 
,t    P     We*to     sch?f^n)  und  die  Auswahl  der  Redner;  nur  die 
verschlPiPrn °^  komraen,  die  der  AGJ  politisch  genehra  sind  und  die 
a*s  ein    ncJ.helf!^  daB  Ju9endhi1fe  zukiinftig  mehr  noch  als  b«her 
Konf?  ktp  SJ?ment  ?eS  Staates  zur  Politischen  Kontrolle  soz  aler 
abhSnaiop  EES^J?*  Werden  kann"  Als  e1ne  vo"  d^  Bundesregierung 
fKEffi'S  Jnstitution  wendet  die  AGJ  mit  h«.  Absage  die  1hr»irjgft» 

diszi«lin^tZt  f5rner^1e  Absage'  um  kritische  Sozialarbeiter  zu 
Sozial   st Urh»nUS^-U  d1ffa™'e™,  indem  sie  behauptet,  die  in  der 
"die  frP1W??,£kH10",  rePrasentierten  Sozialarbeitergruppen  wll*" 
treutln  lin£l lch  demokratische  Ordnung  unseres  Staates"  und  die  be 
S     §*?  "nd  Jugendliche  "in  Wahrheit  doch  nur  fur  die  Durch- 
hat  s?rh  SlTatf1!1/      Shen  Ziele  miBb*-auchen".  Hit  dieser  Erklarunfl 
dem  HamLrnL  DJ;-?r?tand,ZL,m  Vo^eiter  der  Krafte  gemacht,  die-sel* 
schen  nnH  ^-  aM-aIener1aB  f°>-tschrittliche  Padagogen  mit  juristi 
hat  auch  h      IrV  /1Ch?"  ^itte1n  und  Berufsverboten  bedrohen.  .Damit 
sche  Aktion"        '^f  seine  im  "0ffenen  Brief  an  die  Sozialisti 
D01iti,rhp  n,-3  ?ek-ndl9te  Stellungnahme  zum  Thema  "Berufsverbote, 
pontische  Disziplmierungen"  abgegeben. 

mit  KM  ^^ialarbeitern/Sozialpadagogen,  die  gemeinsam 
"ektlw  a    B      W    betreuten"  Arbeiterjugendlichen  und  -fanrillen  k° 
d  "I"6  ?egen  den  P°litischen  und  administrative*  «■ 

qeoen  2aS  "kT^3  -Ur0kratien  durchzusetzen  versuchen,  ist  letztH-n 
dKkkunq  der  Arh  l!     u?lbSt  9erichtet  und  ein  Moment  in  der  Unter- 
aruckung  der  Arbeiterklasse  durch  den  biirgerlichen  Staat. 

qinnenSundM?ipChL,nf  ma,nBvr  der  AGJ  wil"d  allerdings  von  den  Kolle- 
d™zia?is?    r^n  durchschaut  werden,  die  Diffamierungen:   der  In 
nSdaqooen  w?rn  n-eLAktl2n  zu«™enarbeitenden  Sozialarbeiter/Soziai 
paaagogen  wirdmcht  verfangen 

voren'halten^rHp^5396  deS  5"  DJHT  de"  Praktikern  eine  Moglichkf 
arTikulterln  ^SA"  geme  nsamen  mteressen  und  Forderungen  zu 
schaffen  um'an?  nf  !".S1?.sich  andere  Artikulationsraoglichkeiten 
„  f!6"!  um  auf  die  Situation  der  Jugendhilfe  d-e  miserablen  Ar- 
n!erunqennu9ndn9RprUfd  d1f  v^"harfte  Elg'ement  erung  durch  DiszipH' 
SJW  Berufsverbote  aufmerksam  zu  machen  und  liber  die  kon- 
trollierend.  und  disziplinierende  Funktion  der  Jugendhilfe  aufkla'ren- 

SofilyDadIqonpna!1SHiSChen  Aktion  ^usammenarbeitenden  Sozialarbeiter/ 
zCm  anderen  a?^  tJt*  I™  einen  die  regionale  Arbeit  verstSrken  und 
rum  herzul?el  In     l?=r|bUU9e2  unte^tUtzen,  ein  breites  Diskussion*f° 
und  Elternaruinp;      6  fo»;dert.  deshalb  alle  fortschrittlichen  JuS^d 
i"  entsprechendpn,T^?-^-erbande  und  Sozialarbeitergruppen  etc,  auf. 

SWS  ^EKi&E  PRAXIS     DIE  DEN  INTER; 
ESSEN  DER  UNTERPRIVILEGIERTEN  KINDER  UND  J§gENDLKHEn'w?RKUCH  NOTZT! 

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