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Full text of "Informationsdienst Sozialarbeit (1972 - 1980)"

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GaisbUhlstr.   28  y        Ursula  Harsch,  852  Erlangen-Fra 


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gelsangstr^3       Und  Elt6rnarbeitS 


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gsjahr  sucne.i  r.- 
t).  Hannelore  Warm* 


JiKF0  SOZIALARBEIT 
Heft  Z/4 

Sozialarbeit  zwischen 
Selbstorganisation 
und  BLirokratie 


Dieser  Informationsdienst  S0Z1ALARBEIT  wird  im  Sozialistischen  Bliro 
von  Gruppen,  die  im  Sozialisationsbereich  arbeiten,  herausgegeben. 
Der  Info  dient  der  Kommunikation  und  Kooperation  von  Genossen,  die 
mit  sozialistischem  Anspruch  im  Feld  der  sozialen  Arbeit  tatig  sind. 
Der  Info  erscheint  viermal  jahrlich  und  kostet  im  Abonnement  DM  lo.- 

Preis:  Einzel exemplar  DM  5.--;  Gruppen  bei  Abnahme  von 
mindestens  lo  Exemplaren  2o  %   Rabatt; 
Weiterverkaufer  (Buchladen,  Buchhandel)  4o  %  Rabatt; 
jeweils  zuztiglich  Versandkosten 

Herausgeber:  Sozialistisches  Bliro 

6o5  Offenbach  4,  Postfach  591 

Verleger:  Verlag  2ooo  GmbH  Offenbach 

Erste  Auflage,  Oktober  1973,  5ooo  Exemplare 

Alle  Rechte  bei  dem  Herausgeber 

Vertrieb:  Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  4, 

Postfach  591,  Hone  Str.  28  (Souterrain) 
Postscheckkonto  Frankfurt  Nr.  61041-604 

Presserechtlich  verantwortlich:  Uli  Single,  Offenbach 

Druck:  hbo-druck,  Bensheim 


INFO  SOZIALARBEIT  Heft  3/4 


I  N  H  A  L  T 

Vorbemerkung  zu  dieser  Ausgabe 

M.  Garrett: 

Sozialarbeit  -  In  wessen  Auftrag 

M.  McNay/C.  Stroud: 

Islington  -  Die  Vertrauensleute  legen 

ihren  Fall  dar 

"Case-Con"  Redaktionskollektiv: 
Kommentar 

AKSp  Dusseldorf: 

"FLirsorgezbgl  inge"  nehmen  ihre  Sache 

selbst  in  die  Hand 

KKS  Bielefeld: 

Das  Lehrstlick  Brackwede  oder  die 
objektiven  Grenzen  'fortschri ttl icher' 
Jugendamtspol itik  im  Recht 

Initiativgruppe  WegscheidestraBe  Ffm: 
Kampf  zwischen  El  tern  und  Arbeiter- 
wohlfahrt  urn   die  Spielstube 

Wohnkollektiv  Bochum,  Wittener  StraBe: 
Landschaftsverband  Westfalen-Lippe 
versucht  Wohnkollektiv  zu  reglementieren 

Peter  van  Spal  1 : 
Tommy  Weissbecker  Haus 

Zeitschriftenbibliographie  Jahrgang  1971 
zum  Themenbereich  "Heimerziehung" 

Karola  Pirl : 

Aufruf  zur  Mitarbeit  im  Knast 

Berufsverbot 

Kleinanzeigen 

Nachrichten 


Seite  3 
Seite  7 

Seite  13 
Seite  17 

Seite  21 

Seite  29 

Seite  51 

Seite  67 

Seite  73 

Seite  77 

Seite  85 
Seite  87 
Seite  89 
Seite  93 


INFORMATIONSDIENST    SOZIALARBEIT 


Dieser  Info  dient  der  Information  und  Zusammenarbeit  zwischen 
sozialistischen  Gruppen  und  einzelnen,  die  im  Sozial isations- 
bereich  arbeiten  und  wendet  sich  an  Sozialarbeiter,  Sozial- 
padagogen,  Heimerzieher,  Kindergartnerinnen,  Sozialplaner , 
Psychologen,   Erziehungsberatungsstellen,  Kriminologen,   Pfarrer, 
Berufsschullehrer,  Dozenten  und  Studenten  an  Fachausbildungs- 
statten  etc. 

Im  Mittelpunkt  des  ersten  Heftes   (November  1972)   steht  die  FLir- 
sorgeerziehung  mit  schwerpunktma'Biger  Orientierung  auf  das  Thema 
"Wohngemeinschaft  mit  Jugendl  ichen  in  der  bffentl ichen  Erzie- 
hung".  Folgende  Themen  wurden  behandelt:  Editorial   zur  Heraus- 
gabe  des   Info  -  Sozialarbeit  im  Kapitalismus  -  Der  Sozialarbei- 
ter -  Soziopsychische  Situation  der  Sozialarbeiter  -  Schlag- 
lichter  zur  Herkunft  der  "FLirsorge"jugendl  ichen  -  Konkretionen 
zum  Aufbau  eines  Jugendkol lektivs  -  Verein  soziale  Ougendhilfe: 
Konzeption  fiir  die  Einrichtung  einer  Wohngemeinschaft  mit  Min- 
derjahrigen  in  offentl icher  Erziehung  -  Verdeutl ichung  der  Klas- 
senlage  der  Sozialarbeiter  anhand  der  im  Kollektiv  gemachten 
Erfahrungen  -   "Die  Kol lektiv-Zeitung"  -  Solidaritat  mit  dem  Georg 
von  Rauch-Haus  -  Zunehmender  Druck  der  Sozialblirokratie  auf 
Jugendgemeinschaften  -  Buchbesprechungen  (Gefesselte  Jugend, 
Zur  Sozial isation  proletarischer  Kinder;  Material ien  zur  Lage 
der  Arbeiterjugend  in  Westberlin;  Geschichte  und  Funktion  der 
Sozialarbeit)   -  Nachrichten. 

Im  Info  Sozialarbeit  2  (Juni   1973)  wurde  schwerpunktma'Big  das 
Thema  "Sozialarbeit  in  Institutionen"  behandelt.   Die  einzelnen 
Themen:  Geschichte  des  AKS  (Arbei tskreis  Kritischer  Sozialar- 
beiter) Frankfurt  -  Probleme  der  Sozialarbeit  bei   freien  Tragern 
am  Beispiel   der  evangel  ischen  Famil ienberatung  Frankfurt  -  Kollek- 
tivpraktikum  im  Heim  -  Bericht  liber  die  Institutionalisierung 
der  Gemeinwesenarbeit  mit  Obdachlosen  in  Frankfurt  (Lehrbeispiel 
und  seine  Konsequenzen)   -  Diskussionsergebnis  der  4.  Redaktions- 
sitzung  zum  Info  2  -  Leserzuschriften  -  Material ien  zum  Thema 
"Jugendkollektive"  -  Hinweise  und  Materialien  aus  der  Sozial- 
arbeit -  Solidaritatserklarung  -  Kleinanzeigen. 


Vorbemerkungen  zu  dieser  Ausgabe 


Ursprlinglich  sollte  das    dieses  Heft    die  Arbeit  mit  psychisch  Kranken 
thematisieren.  Terminschwierigkeiten  der  Arbeitsgruppe  verzbgern  die- 
ses Vorhaben.  Aus  diesem  Grunde  haben  wir  uns  in  der  letzten  Redak- 
tionssitzung  am  7.7.73  in  Bochum  auf  folgende  Strukturierung  geeinigt: 

-  Drei  Aufsatze  aus  der  revolutionaren  Sozial  arbei  terzeitschri  ft 
"Case-Con"  schlieBen  an  das  Info  Heft  Nr.   2  "Sozialarbeit  in  Institu- 
tionen" an.  Sie  schildern  Konfliktverlauf  und  Konfliktverarbeitung 
aus  der  Sicht  der  Betroffenen,  der  Vertrauensleute  und  der  Case-Con- 
Herausgeber.  Die  Auswahl   und  Obersetzung  dieser  Berichte  erschien 
uns  m'cht  nur  wichtig  ftir  einen  beginnenden  Erfahrungsaustausch  mit 
auslandischen  Sozialarbeitergruppen,  sondern  auch  im  Hinblick  auf  tak- 
tische  und  organisatorische  Probleme  von  Sozialarbeitergruppen  wenn 

es  gilt,  KampfmaBnahmen  fur  von  Disziplinierung  betroffene  Kollegen 
durchzufiihren.  Der  geschilderte  Konflikt  zeigt  deutliche  Parallelen 
zu  den  geschi lderten  Auseinandersetzungen  im  Info  Heft  Nr.  2. Die  Be- 
richte verweisen  nicht  nur  darauf,  was  man  erreichen  kann,  wenn  man 
sich  gemeinsam  wehrt,  sondern  auch  auf  die  notwendige  Basisarbeit  in 
Dienststellen  und  Gewerkschaft  (Aufbau  von  Vertrauensleutekbrper) 
und  die  kritische  Auseinandersetzung  liber  bestehende  Personal-  und 
Dienstanweisungen. 

-  Drei  weitere  Berichte,  zusammengestellt  von  einzelnen  Sozialarbei- 
tergruppen, geben  die  Erfahrungen  wider,  die  im  Kampf  der  Betroffe- 
nen, die  ihre  Interessen  jeweils  selbst  in  die  Hand  genommen  haben, 
mit  den  freien/staatlichen  Tragern  der  Sozialarbeit  gemacht  wurden: 

"Fiirsorgezoglinge  nehmen  ihre  Sache  selbst  in  die  Hand",  ein  Erfah- 
rungsbericht  des  AKSp  Dlisseldorf  liber  den  Kampf  der  Jugendlichen  urn 
das  von  ihnen  besetzte  Jugendwohnheim  Markushaus. 

Konnten  bisher  alle  Versuche,  das  Wohnkollektiv  von  Seiten  des  Evan- 
gelischen  Gemeindedienstes  Dusseldorf  und  Jugendamtes.zu  zerschlagen, 
abgewehrt  werden,  so  zeigt  das  "Lehrstlick  Brackwede"  (KKS  Bielefeld) 
in  welcher  Weise  die  Allianz  von  Polizeiapparat  und  Ougendamt  die 
ersten  Versuche,  ein  selbstverwaltetes  Arbei terjugendzentrum  aufzu- 
bauen,  brutal  zerstb'rten.  An  diesem  Beispiel  sollen  die  objektiven 
Grenzen  einer  'progressiven  Jugendamtspolitik'  herausgearbeitet  wer- 
den. Das  Lehrstlick  zeigt,  welche  Widerspruche  zwischen  den  offiziellen 
Aussagen  des  Jugendamtsleiters,  derin  der  Sozialarbeiterb'ffentlichkeit 
Uber  ein  progressives  Image  verfu'gt,  und  seinen  tatsachlichen  Hand- 
lungs  vol  Izu'gen  liegen. 


In  welcher  Weise  die  Interessen  von  Eltern  und  Kindern  in  einer  Obdach-  3 


losensiedlung  vom  Ortsverband  Ffm.  der  Arbeiterwohlfahrt  wahrgenommen 
werden,  zei'gt  der  Bericht  der  studentischen  Initiativgruppe  Wegscheidestr./ 
FHS  Frankfurt. 

DaC  Frankfurt  kein  Linzelfall   ist,  zeigen  andere  Beispiele,  so  z.B. 
die  Klindigung  des  Mitarbeiters  der  AWO  in  Berlin  zum  31.  Mai  1973  we- 
gen  einer  Personalanzeige  im  Berliner  Extra-Dienst  (siehe  Heimerzie- 
her-Zeitschrift  Nr.  9/10  1973).   [mmer  dann,  wenn  Mitarbeiter  sich 
nicht  flir  die  Verwaltung  engagieren  und  deren  Selbsthilfe  fb'rdern, 
wird  versucht,  durch  Diffamierungen  und  Entlassungen  diese  Prozesse 
zu  verhindern.  Entscheidend  fiir  die  Einschatzung  von  Jugendamt  und 
freien  Verbanden  sind  eben  nicht    die  in  Fachzeitschriften  und  auf 
Tagungen  sich  progressiv  gebenden  Jugendamts-  und  Verbandsvertreter, 
sondern  deren  Verhalten  in  konkreten  Situationen.  Aber  noch  ein  ande- 
res  Moment  taucht  in  diesen  Konflikten  auf.  Sie  sind  nicht  isoliert 
zu  sehen  als  Konflikte  im  Sozialbereich,  deren  Ursachen  ira  unterschied- 
lichen  Arbeits-  und  Methodenverstandnis   liegen.  Diese  Konflikte  sind 
einzuordnen  in  die  bundesweiten  Versuche  der  Arbeitgeber,  fortschritt- 
liche  Jugendsprecher,  Vertrauensleute,  Lehrer,  Juristen  und  Sozialar- 
beiter  etc,    in  ihren  Tatigkeitsfeldern  zu  disziplinieren  bzw.   hinaus- 
zuwerfen.  Die  Ablehnungen  von  Bewerbungen,  Nichteinstellung  nach  der 
Probezeit,  befristete  Arbeitsvertrage,  Kundigungen,  Versetzungen,  poli- 
tische  Diffamierungen,  Disziplinierungen  durch  Rede-  und  Publizitats- 
verbot  etc.   sind  zwar  oft  durch  herrschaftssichernde  Arbeitsrechts- 
und  Dienstvorschriften  gedeckt,  verfolgen  aber  nur  das  Ziel,  solche 
Arbeiter  und  Angestellte,   die  versuchen,   ihre  eigenen  Interessen  und 
die  der  Kollegen  sowie  des  Klientels  zu  vertreten  und  sich  gegen  mise- 
rable Arbeitsbedingungen  wehren,  politisch  zu  disziplinieren,   urn  die 
Selbstorganisation  der  Betroffenen  im  Keim  zu  ersticken.  Der  Klassen- 
charakter  der  Arbeits-  und  Dienstvorschriften  wird  somit  offenkundig. 

Der  Info  enthalt  ausserdem  eine  Stellungnahme  des  Wohnkollekti  v 
Wittenerstr.   in  Bochum  auf  einen  Brief  des  Landschaftsverbandes  West- 
falen-Lippe,  einen  Bericht  von  Peter  van  Spall   Liber  das  Tommy  Weiss- 
becker  Haus  Berlin,  eine  Zeitschriftenbibliographie  zum  Thema  Heimer- 
ziehung,  einen  Aufruf  zur  Knast-Arbeit,  sowie  Kleinanzeigen,  Nachrich- 
ten  und  Redaktionsmitteilungen. 


Berichte  aus  der  Sozialarbeiter- 
zeitschrift  "Case-Con" 


Vorbemerkung: 

Der  Info  2  beschaftigte  sich  nrit  Konflikten  am  Arbeitsplatz.  Die 
folgenden  3  Artikel  dokumentieren  die  Auseinandersetzung  um  die  beab- 
sichtigte  Entlassung  einer  Sozialarbeiterin  aus  der  Sozial verwaltung 
in  Islington,  einer  Vorstadt  Londons,  jeweils  aus  der  Sicht  der  Be- 
troffenen, der  gewerkschaftlichen  Vertrauensleute  und  des  Herausgeber- 
kreises  des  "revolutionaren  Magazins  fur  Sozialarbei ter".  Myra  Garett 
war  Dozentin  fur  Methodenlehre  an  einer  Ausbildungsstatte  flir  Sozial- 
arbeit  und  hatte  ihrer  politischen  Oberzeugung  folgend  beschlossen, 
in  die  berufliche  Praxis  zuriickzukehren.   Ihre  Teamleiterin  empfahl 
der  Dienststellenleitung,  das  Arbeitsverhaltnis  mit  Myra  nach  Ablauf 
der  Probezeit  m'cht  zu  verlangern,  Durch  solidarische  und  militante 
Aktionen  konnte  Myra's  Arbeitsplatz  erhalten  werden.  Myra  gehbrt  zu 
der  wachsenden  Gruppe  sozialistischer  Sozialarbeiter  um  die  Zeit- 
schrift  "Case-Con"  (Verhohnepiepelung  von  Casework  und  anderen  Wort- 
verbindungen;   con=steuern) ,   die  fiir  eine  sozialistische   Umgestaltung 
der  Gesellschaft  eintreten.   Ihre  Mitglieder  sind  nraanisiert  in  der  Ge- 
werkschaft  NALGO,   National  Association  of  Local   and  Government  Officers, 
in  der  ein  Sozialarbei ter-Zweig  besteht.   Case-Con-Gruppen  bestehen 
in  fast  alien  englischen  GroBstadten.  Zentrale  Anschrift: 
Case  Con  Basement  Flat,   110  Lansdown  Way,  London  SH  8. 


Kontaktadressen  der  Gruppen,  die  an  diesem  Info  mitgearbeitet  haben: 

Verein  Soziale  Jugendarbeit,  463  Bochum,  Lennershofstr.   66 

Kontaktzentrum  Kritische  Sozialarbeit,  48  Bielefeld 

c/o  Friedhelm  Peters,  Karl-Eilers-Str.  8 

Arbeitskreis  Sozialpadagogik,  DLisseldorf 

c/o  Gerd  Rieger,  Oberkasselerstr.  7 

Arbeitskreis  Kritische  Sozialarbeit,  6  Frankfurt 

c/o  Giinter  Pabst,  Hamburger  Allee  47 
a  Initiativgruppe  Wegscheidestr./FHS  Frankfurt 
H6  Frankfurt,  Limescorso  5 


NO.  II   APRIL  73 


PRICE  lOp 


CON 


a  revolutionary  magazine  for  social  workers 


THE 
MANAGEMENT 
OF  NEED 


Myra  Garrett 
Sozialarbeit 


in  wessen  Auftrag? 


Meine  jlingsten  Schwierigkeiten  mit  meinem  Arbeitgeber  entstanden, 
well   ich  Dinge  tat,  die  als  unerwunschte,  schlechte  sozialarbei  teri - 
sche  Praxis  angesehen  wurden.  Ich  wurde  nicht  kritisiert  wegen  meiner 
UnterstLitzung  der  Gewerkschaftsbewegung,  wegen  meiner  "Case  Con"  oder 
anderen  politischen  Aktivitaten,  sondern  wegen  der  Art  und  Weise, 
wie  ich  meine  Arbeit  erledigte.  War  es  das  wirklich,  was  den  Konflikt 
ausmachte?  Ja,  denn  die  Art  und  Weise,  in  der  ich  meinen  Sozialarbei - 
terjob  ausfulle,  ist  mehr  und  mehr  eine  Widerspiegelung  meiner  politi- 
schen Oberzeugungen.   Deshalb  hat  das,  was  ich  auf  meiner  Arbeit  tue, 
meine  Einstellungen,  meine  Beziehungen  zum  Klientel,  mein  Auftreten  all- 
gemein,   politischen  Charakter.   So  wie  sich  meine  politische  Perspek- 
tive  klarer  herausbi ldete,  wuchs  meine  Fahigkeit,  meine  Arbeitssi tua- 
tion  zu  analysieren  und  stand  meine  Praxis  der  Sozialarbeit  zunehmend 
im  politischen  Zusammenhang.  Fur  mich  persb'nlich  ist  es  wichtig,  daB 
meine  politische  Tatigkeit.meine  Arbeit  und  somit  mein  Leben  soweit 
wie  mb'glich  Ubereinstimmt.  Wir  sind  uns  alle  der  Zwange  bewuBt.  Wir 
selbst  bezeichnen  uns  nicht  als  revolution^' re  Sozialarbeiter.  Wie  kb'n- 
nen  wir  uns  denn  einem  totalen  Wandel  der  sozialen  Ordnung  verpflich- 
ten  und  zur  gleichen  Zeit  unseren  Lebensunterhalt  damit  verdienen, 
indem  wir  die  gegenwartige  Ordnung  stabilisieren?  Das  ist  die  Frage, 
die  sich  jeder  von  uns  stellen  muB!  Es  ist  vol  1 ig  unzureichend,  einer 
Antwort  darauf  auszuweichen  dadurch,  daB  wir  unsere  revolutionaren 
politischen  Aktivitaten  in  den  Freizeitbereich  verlagern.  Worin  be- 
steht  denn  dann  der  Unterschied  zwischen  meiner  Arbeitsweise  und  der 
meines  konservativen  oder  "a-politischen"  Mitarbei ters?  Es  scheint 
hier  eine  Hilfe  zu  sein,  sich  die  Kritik  meiner  Vorgesetzten  an  meiner 
Arbeit  anzusehen.  Hier  liegt  der  Schlussel  fur  die  Strei tigkei ten. 
Es  sind  Kritiken,  die  ihr  sicher  schorl  vorher  gehort  habt  oder  von 
denen  sich  einige  auch  gegen  euch  gerichtet  haben  mogen.   Es  ist  drin- 
gend  notwendig,  bei  der  Oberprlifung  dieser  Kritikpunkte  sie  aus  dem 
Kontext  eines  persb'nlichen  Konflikts  herauszulosen  und  als  das  zu  sehen, 
was  sie  darstellen  -  namlich  einen  ideologischen  Konflikt.  Zugrunde- 
liegende  Annahmen  werden  bezogen  auf  Verhalten  und  Einstellungen  und 
diese  sind  letztlich  ideologischer  Natur.  Die  Kritik  basiert  natlirlich 
auf  einer  Ideologie,  die  Sozialarbeiter  und  Klient  in  die  gleiche 
Position  zwingt,  fur  Versagen  und  Unfahigkeit  individuell  verantwort- 
lich  zu  sein.  Fallbericht  (Einschatzung  des  Klienten)   und  Bewertung 
des  Arbeitsvollzugs  (Einschatzung  des  Sozialarbeiters)   kdnnen  unter 
dem  gleichen  Aspekt  betrachtet  werden,  unter  dem  individuelle  Unzulang- 
lichkeit  und  institutionelle  Unzulanglichkeit  verwechselt  werden.   Ich 
wurde  bewertet  wie  Sozialarbeit  traditionell  ihr  Klientel  einschatzt 
ohne  Blick  auf  den  institutionellen  Kontext  Oder  eine  kritische  Ein- 
scha'tzung  derjem'gen,  die  meine  Arbeit  zu  wu'rdigen  hatten. 


8 


Principels  before  people 

Der  1.  Kritikpunkt  hat  mit  meinem  "klar  ausgearbeiteten  politischen 
Standpunkt"  zu  tun,  demzufolge  die  Individuen  unter  einer  entfremdeten, 
hbchst  ungleichen  Gesellschaftsordnung  leiden.  Deswegen  bin  ich,  nach 
der  Meinung  meines  Teamleiters  ,nicht  in  der  Lage,  Leuten,  die  ihre 
Probleme  vorbringen,  im  geniigenden  MaBe  zuzuhb'ren  oder  ihnen  indivi- 
duell  voile  Aufmerksamkeit  zu  schenken,  die  sie  gerade  im  Stress  so 
dringend  brauchen.  Folglich  fehlt  mir  die  Sensibilit'a't  fur  die  "wirk- 
lichen"  Probleme  der  Klienten.  Was  niitzt  eine  weiterreichende  Perspekti- 
ve  einem  Individuum,  das  sich  in  der  Krise  befindet?  Ich  wiirde  antwor- 
ten,  daB  diese  Perspektive  von  nichts  anderem  herriihrt,  als  von  einer 
groBen  Anteilnahme  am  Leiden  der  Individuen.  Ich  wurde  als   "gefiihllose 
Person"  bezeichnet  und  dies  scheint  mir  eine  nette  Verwechslung  von 
Starke  i.S.v.   konsequentem  Handeln  mit  Mangel  an  Gefu'hl  zu  sein.   Meine 
Kalte  (konsequentes  Handeln)  wurde  wieder  meinen  politischen  Anschau- 
ungen  zugeschrieben. 


Potential  before  Pathology 

Weil   ich  auf  der  Meinung  bestand,  jeder  Klient  sei  ein  gleichwertiger 
Partner  in  einem  gemeinsamen  Unternehmen  oder  in  einem  Arbeitszusammen- 
hang  mit  mir,  warf  mir  mein  Teamleiter  vor,  daB  ich  die  Note  und  Pro- 
bleme des  Individuums  iibersehen  wiirde.  Mein  Grundsatz  "jeder  Klient 
ist  ein  potentieller  'Sozialarbeiter'"  wurde,  obwohl  es  sich  bestimmt 
nicht  urn  ein  revolutionares  Postulat  handelt,  hingestellt  als  unrealisti- 
sche  Forderung  an  Leute,  die  Unterstiitzung  und  Beistand  benbtigen. 
Meine  Erwartungen  wurden  von  meinen  Vorgesetzten  als  Naivitat  angese- 
hen,  in  Bezug  auf  die  potentielle  Destruktivitat  der  Menschen  im  all- 
gemeinen  und  der  Klienten  im  besonderen.   Ich  bezog  haufig  Stellung  zu 
der  Art  und  Weise,  in  der  wir  ernsthaft  die  Fahigkeit,  das  Potential 
und  die  Starke  jener  unterschatzten,  die  wir  unsere  Klienten  nennen. 
Ich  leistete  offen  Widerstand  gegen  Versuche,  mich  hinter  verschlosse- 
nen  Tiiren  in  ein  Getrtauschel  Liber  Interpretationen  des  Verhaltens  von 
Klienten  (oder  Kollegen)   hinainzuziehen;   ich  bin  uberzeugt,   daB  es 
weniger  richtig  ist,  Vermutungen  anzustellen  als  die  aktuell  Betrof- 
fenen  zu  fragen. 


People  before  social  workers 

Mir  wurde  ein  Mangel  an  Fahigkeit  vorgeworfan,  verniinftige  3eziehungen 
zu  Klienten  aufzubauen.  Meine  Meinung,  daB  Nachbarn,  Freunde  und  Fa- 
mi  lienmitglieder  (fur  die  Klienten)  wahrscheinlich  wichtiger  sind  als 
Sozialarbeiter,  wurde  als  ein  Versuch  hingestellt,  mich  vor  dero 
Engagement  und  der  Verantwortung  fur  die  Klienten  zu  dr'u'cken.  Es  war 
fur  mich  niemals  schwer,  Beziehungen  zu  Klienten  herzustellen.  Riick- 
blickend  scheint  es,  daB  diese  Beziehungen  zumindest  ebensoviel  mit 
meinen  Bediirfnissen  zu  tun  hatten,  wie  mit  den  Bedurfm'ssen  der  Klien- 
ten. Mein  in  gewisser  Weise  respektloses  Verhalten  in  Bezug  auf  das 
Unvermbgen  der  Sozialarbeiter,  Menschen,  die  von  einem  System  unter- 
driickt  werden  ,als  dessen  Agenten  wir  fungieren,  eine  verniinftige  Al- 
ternative anzubieten,  wurde  als  Verneinung  meiner  moralischen  Pflicht 


ARBEITSMATERIALIEN 
FOR  SOZIALISTISCHE  ARBEIT  UND  AKTION 


Sozialistisches  Bliro,  6o5  Offenbach  4,Postfach  591 


REIHE  BETRIEB  UND  GEWERKSCHAFTEN 

In  dieser  Reihe  publiziert  das   Sozialistisahe  Biivo 
in  Zusarrmenarbeit  mit  Gruppen,   die  sozialisti- 
sahe Betriebs-  und  Gewerkschaftsarbeit  machen, 
Materialien  zur  Auseinandersetzung  zwischen  Kapi- 
tal  und  Arbeit. 

REIHE  INTERNATIONALE  SOLIDARITA'T 

Mit  dieser  Reihe  will  das  Sozvalistische  Bilro  in 
Zusammenavbeit  mit  den  deweils  betroffenen  Aus— 
landergruppen  und  auslandisehen  Genossen  deren 
Arbeit  in  der  BRD  unter stiitzen,   politisch  und 
finanziell  helfen,  die   'OffentlioKkeit  informie- 
ren  und  zur  Praktizierung  Weltweiter  Solidaritdt 
unter  Soziaiisten  beitragen, 

REIHE  PLAKAT-BAUERNVERLAG 

Fur  Soziaiisten  existiert  ein  Mangel  an  Veroffent- 
liohungen  ilber  die  Agrarfrage,   Landjugendliche, 
oppositionelle  Bauern  und  Landwirtsohaftsstuden- 
ten  miiss.en}   vor  allem  wenn  sie  als  Gruppe  arbei- 
ten  wollen,    viel  Geld  und  Zeit  einsetzen3    urn  an 
die  wenigen  Arbeiten  zur  Agrarfrage  heranzu- 
korrmen.   Hier  setzen  wir  "an. 

REIHE  ROTER  PAUKER 

Kritische  Lehver  stehen  vor  der  Schwierigkeit , 
tagtaglich  unterriahten  zu  miissen,   vorhandene 
Unterriahtshilfen  wegen  ihres  ilberwiegend  apolo- 
getischen  Inhalts  dedoch  nur  selten  verwenden  zu 
konnen.  Mit  der  Reihe  Roter  Pauker  werden  Mate- 
rialmen aus  der  Unterrichtspraxis  dargestellt: 
einerseits  als  Arbeitshilfe  bei  der  Unterriohts- 
vorbereitung ,   andererseits  als  Gegenstand  kriti- 
saher  Reflexion  und  Diskussion. 


angesehen,  Menschen  in  Not  zu  helfen,  und  wurde  natlirlich  auch  als 
Verunglimpfung  des  Berufstandes  (Sozialarbeit)  ausgelegt.  Ich  behaup. 
te,  daB  meine  Fertigkeit,  Plane  auszuarbaiten,  weitaus  grb'Ber  ist  als 
meine  Fa'higkeit,  sie  in  die  Tat  umzusetzen.   Ich  bin  vielleicht  in 
der  Lage  genau  vorherzusagen,  was  unter  bestimmten  Urns tan den  gesche- 
hen  wird,  aber  ich  weifi  keinen  Weg,  jene  als  vorteilhaft  erkannten 
Umstande  herbeizufiihren.  Geben  wir  uns  nicht  einer  Illusion  hin,  wenn 
wir  glauben,  daB  eine  Beziehung  zwischen  Klient  und  Sozialarbeiter 
bedeutungsvoll  sein  kann,  weil  wir  nichts  anderes  anzubieten  haben? 


Workers  before  Structures 

Sicherlich  habe  ich  Autoritatsprobleme.   Ich  wurde  kritisiert,  weil 
ich  die  in  der  Berufsrolle  des  Sozialarbeiters  eingeschlossene  Auto- 
ritat verneinte  und  nicht  bereit  war,  die  Autoritat  meiner  Vorgesetzten 
hinsichtlich  ihrer  Verantwortlichkeit  flir  meine  Arbeit  zu  akzeptieren. 
Meine  Erklarungsversuche,  daB  meine  Autoritat  und  die  Autoritat  meiner 
Vorgesetzten  ungefa'hr  das  gleiche  bedeuten  -  namlich  soziale  Kontrol- 
le  -  wurden  als  das  Resultat  ungeloster  Autoritatskonflikte  gesehen. 
Stadtische  Sozialarbeiter,  wurde  mir  gesagt,  mu'ssen  die  durch  Struk- 
turen  gesetzten  Grenzen   (deren  gibt  es  sicher  mehr  als  Sozialarbeiter) 
erkennen  und  akzeptieren.  Die  Schwierigkeit  mit  mir  ist  die,  daB  ich 
keine  Lust  habe,  demlitig  auf  ein  Wohlwollen  von  oben  zu  warten.   Ich 
glaube  nicht,  daB  Leute,   die  Macht  haben,  diese  freiwillig  ohne  jeden 
Kampf  aus  der  Hand  geben,  und  ich  beteilige  mich  am  Kampf  urn  eine  Ar- 
beiterkontrolle  in  den  Seebohmwerken,  sowie  an  anderen  Orten,  wo  Ar- 
beitskraft  zu  Markte  getragen  wird. 

Es  gibt  eine  Menge  interessanter  Aspekte  zu  der  Kritik  an  meiner  Ar- 
beit. Einer  davon  ist,  daB  Kritik  mir  nicht  direkt  bekanntgegeben 
wurde,  wenn  die  "schlechte  Arbeit"  gerade  getan  war.  Mein  Chef,  der 
in  unseren  Anleitungsbesprechungen  keine  Kritik  a'uBerte,  schien  mit 
meiner  Ta'tigkeit  zufrieden  zu  sein.  Nachdem  sich  der  "special  anessment" 
(Spezialeinscha'tzungsausschuss)  mehrere  Stunden  damit  bescha'ftigte, 
nachdem  er  mehrere  Stunden  mit  dem  SonderausschuB  verbracht  hatte,  der 
gebildet  worden  war,  urn  meine  Arbeit  zu  beobachten,  wurden  die  Kriti- 
ken  genauer.   Daraus  kb'nnen  mehrere  Lehren  gezogen  werden: 

-  Nimm  nicht  an,  daB  NichtauBerung  von  Kritik  Zustimmung  bedeutet. 

-  Versuche, definitive  fluBerungen  deiner  Vorgesetzten  Liber  deine  "Fort- 
schritte"  und  "Eignung"  zu  bekommen,  damit  du  weiBt.wie  du  dran  bist. 
Auf  diese  Weise  kannst  du  vielleicht  die  Erfahrung  vermeiden,  die  ich 
machte,  als  ich  nach  einer  dreiwbchigen  Abwesenheit  zuruckkam  und  fest- 
stellen  muBte,  daB  mein  Teamleiter  meine  Entlassung  aus  dem  Team  em- 
pfohlen  hatte.   Das  Dokument,  welches  von  der  Teamleiterin  fur  die  Ver- 
waltung  vorbereitet  war,  za'hlte  eim'ge  "Fakten"  auf  Liber  die  Art  und 
Weise,  wie  ich  3  Falle  behandelt  (bzw.   falsch  behandelt)  hatte.  Es   lag 
auf  der  Hand,  daB  das  angegebene  Beweismaterial  vb'llig  unzureichend  war 
fur  meine  Entlassung.  Aber  wo  lagen  die  anderen  Beweise  und  GrLinde 

fur  ihre  Handlungsweise?  Verschiedene  Leute  sagten  mir,  es  gabe  einen 
geheimen  Beweis"  fiir  meine  Inkompetenz.  Generell  also  sahen  die  Leu- 
te in  der  Dienststelle  (im  Gegensatz  zu  meinen  Teamkameraden)  die  Ent- 
scheidung  der  Teamleiterin,  auf  Grund  ihres  konsequent-demokratischen 
■jQ    Rufs«  on"e  jeden  Beweis  als  gerechtfertigt  an.  Fur  die  meisten  Leute 


der  Dienststelle  blieb  der  Konflikt  eine  Auseinandersetzung  zwischen 
Personlichkeiten,  obwohl   in  dem  MaBe,  in  dem  ich  mit  mehr  von  ihnen 
direkten  Kontakt  bekam,  es  immer  schwieriger  wurde,  diese  Ansicht 
aufrecht  zu  erhalten.  Dies  ist  ein  konkretes  Beispiel  flir  die  extreme 
Gefahr  einer  individualistischen  Ideologie.  Die  Teamgenossen  haben  mich 
sofort  und  beharrlich  unterstiitzt.  Aber  die  Beliebtheit  der  Teamlei- 
terin verunsicherte  ihre  Position  und  ertnb'glichte  es  in  der  Tat,  daB 
ihre  Oberzeugung  als   "jugendlicher  Oberschwang"  eines  "jungen,   uner- 
fahrenen  und  leicht  beeinfluBbaren  Teams"  interpretiert  wurde.   Ich 
mb'chte  behaupten,  daB  dieses  Beispiel   klar  das  herablassende,  iiber- 
hebliche  Verhalten  aufzeigt,  welches  das  Management  gegenuber  dem 
Sozialarbeiter  und  der  Sozialarbeiter  gegenuber  dem  Klienten  an  den 
Tag  legt. 

Die  gesamte  Ideologie  der  Sozialarbeit  hat  mit  individuellen  Unzu- 
la'nglichkeiten,  Stress,  Bedlirfnissen,  Konflikten  usw.  beider,  des  So- 
zialarbeiters und  des  Klienten,  zu  tun.   Um  dem  entgegenzuwirken,  muB 
man  eine  kollektive  Perspektive  anstreben,  um  aus  dem  Sumpf  persbnli- 
cher  Pathologien  und  Gratifikationen  herauszukommen.  Radikale  Indivi- 
duen,  als  Klienten  oder  Sozialarbeiter,  sind  mbglicherweise  gefangen 
in  ihrer  eigenen  Individual i tat,  die  in  einem  Bemiihen  um  Selbstver- 
wirklichung  griindet.  Ware  ich  ohne  eine  solche  Perspektive  gewesen, 
hatte  ich  leicht  in  ein  Gefiihl   verfallen  kbnnen,   personlich  betroffen, 
verantwortlich,  unzureichend  zu  sein,  oder  -  was  vielleicht  noch  schlim- 
mer  ware  -  persbnliche  Macht  auszuliben.  Wahrend  ich  meine  eigene  Auto- 
ritat als  Individuum  nicht  verleugne,  gehe  ich  davon  aus,  daB  es  meine 
Oberzeugung  ist,  die  in  dem  MaBe  stark  und  widerstandsfa'hig  ist,  wie 
sie  eine  Analyse  der  Situation  ermbglicht,  in  der  wir  als  Individuen 
uns  selbst  finden.  Um  diese  Ansichten  in  die  Tat  umzusetzen,  stellte 
ich  bffentlich  Fragen:  Was  ist  das  Ziel   der  Bezirksfursorge  ("area 
social   services  team")?  In  welchem  Zusammenhang  stehen  unsere  Aktivi- 
taten  mit  diesem  Ziel?  Wo  liegen  unsere  Aktivitaten  mit  diesem  Ziel? 
Wo  liegen  unsere  genau  statuierten  Pflichten?  Wie  und  von  wem  werden 
Entscheidungen  getroffen  uber  Prioritaten,  Mittel  etc.?  Wie  kbnnen 
wir  Eingriffe  rechtfertigen,  wenn  wir  uber  keine  Mbglichkei  ten  verfii- 
gen,  den  wirklichen  Nbten  abzuhelfen?  Warum  sollten  wir  Schuldgefuhle 
haben,  wenn  wir  etwas  nicht  erreichen,  wozu  wir  nicht  ausgeru'stet  sind? 
Ist  jeder  von  uns  verantwortlich  fiir  die  Arbeit  des  anderen?  Was  hat 
das  Konzept  der  Verantwortlichkeit  zu  bedeuten?  Sind  einige  von  uns 
verantwortlicher  als  andere?  Wenn  ja,  warum?  Warum  werden  unsere  Mei- 
nungen  und  Fragen  von  der  Verwaltung  miBachtet?  Wie  bekommen  wir  die 
Mittel,  die  wir  brauchen?  Wie  teilen  wir  das,  was  wir  haben, mit  unseren 
Klienten?  Brauchen  wir  unsere  Klienten  mehr  als  sie  uns?  Dies  sind 
vertraute  Fragen,  die  wir  uns  ohne  Zweifel  alle  schon  selbst  gestellt 
haben.  Wir  mlissen  sie  oft  und  bffentlich  wiederholen. 

Es  waren  genau  diese  Fragen,  die  meine   "Schwierigkeiten"  auslosten 
und  die  Zweifel  an  meiner  "Eignung"  aufkommen  lieBen.  Von  dem  Zeitpunkt 
an,  als  diese  Zweifel   in  den  Kb'pfen  meiner  Vorgesetzten  herumzuspu- 
ken  begannen,  wurde  meine  Arbeit  genauestens  gepriift,  urn  einen  Beweis 
fiir  meine  Inkompetenz  zu  erhalten.  Meine  Mit-Arbei ter,  die  wohl  am 
ehesten  unter  meiner  "Inkompetenz"  gelitten  ha'tten,  hielten  standig 
daran  fest.daS  mein  Verhalten,  meine  Arbeit  und  mein  Benehmen  konstruk- 
tiv,  anregend  und  produktiv  waren.   (Tatsachlich  hatten  sie  von  mir         -<  -i 


noch  erwartet,  daB  ich  noch  viel  "militanter"  auftrat).  Unterstel  lungen  , 
lange  bezweifelt  von  den  Teammitgliedern,  wurden  bffentlich  entlarvt. 
Widerspruchl iche  Hittei lungen  mit  der  Tendenz  uns  zu  vereinzeln,  wur- 
den  als  das  gesehen,  was  sie  waren.  Was  vielleicht  das  wichtigste  war: 
Man  begann  die  Funktion  dieser  Erfindungen  und  Verwirrungen  dem  Ge- 
meinwesen  gegeniiber  zu  erkennen. 


Marie  McNay, Colin  Stroud 
ISLINGTON:  Die  Vertrauensleute 
legen  ihren  Fall  dar 


Autoritat  ist  das  zentrale  Thema! 

Ich  bin  uberzeugt,  Erfahrungen  als  Sozialarbeiter  mit  Autoritat  spie- 
geln  sich  in  unserem  Umgang  mit  dem  Klienten  wider.   Jeder  Fall   unbe- 
griindeter  Anerkennung  hb'herer  Autoritat,  jede  Konfliktvermeidung  zum 
personlichen  Vorteil   korrumpiert  uns   und  vergrbBert  die  Mbglichkeit, 
daB  wir  dasselbe  von  unseren  Klienten  erwarten.  Wenn  wir  in  unserer 
Arbeitssituation  entfremdet  sind,  unterdruckt  durch  eine  machtige  Bu'ro- 
kratie,   konnen  wir  uns  dann  anders  verhalten?  Selber  kontrolliert, 
kontrollieren  wir  der  Reihe  nach  unsere  Klienten  im  Interesse  unserer 
Bosse.  Wir  sind  dann  den  kulturellen  Mustern  angepasst,   die  die  der- 
zeitige  Gesellschaftsordnung  stlitzen. 


Fast  alle  Ideologien 
daB  wir  Agenten  der 
kratie  in  dem  Team, 
Kontrolle  durch  eine 
leiter  ist.    Ich  glau 
eine  Wahl  haben.  Wir 
fremdete  Macht,  wie 
auf  eine  Autoritat  h 
duen  respektiert.   Un 
zialarbeiter   liefern 
Praxis  umsetzen. 


liber  Sozialarbeit  sind  ei 
herrschenden  Klasse  sind. 
in  dem  ich  arbeitete,  war 

blirokratische  Machtstrukt 
be  nicht,  daB  wir  als  Sozi 

entlarven  Autoritat  als  d 
sie  fur  uns  selbst  erfahrb 
in,  die  die  Macht,  Starke 
sere  Erfahrung  und  auch  un 

uns  die  Munition.  Wir  mlis 


ne  Verschleierung  dessen, 
Der  Mythos  der  Demo- 
eine  Bemantelung  der 
ur,  deren  Teil   der  Team- 
alisten  in  diesem  Beruf 
ie  unterdrlickende,  ent- 
ar  ist  und  arbeiten  dann 
und  Wurde  aller   Indivi- 
sere  Ausbildung  als  So- 
sen  sie  nur  noch  in  die 


12 


Ich  gl 
in  den 
muBte 
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und  di 
taktis 
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groSer 
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aube  es  muBte  sich  einfach  ereignen.   Nach  all   den  Darstellungen 

letzten  Ausgaben  des    "Case  Con"   (rev.  Sozialarbeiter  Zeitung) 
die  Leitung  der  Sozialarbeiterabteilung  von  Islington  eingrei- 
■chlimm  dabei  war  vielleicht,   daB  sich  die  meisten  Boshaftigkeiten 
die  kleine  Gruppe  treuer  fJALGO-L&ute  riditete,   die  noch  im  Komi- 
r  Vertrauensleute   verblieben  waren.   Klar  wurden  Fehler  gemacht, 
e  Vertrauensleute  konnen  zu  einem  gewissen  Grad  flir  viele  der 
chen  Fehler  verantwortlich  gemacht  werden:  doch  Myra  Garratt  arbev 
iter  in  unserer  Abteilung.   Dieses  Ergebnis,  meinen  wir,  geht  in 
MaBe  a-jf  die  Eemuhungen  der  NALGO  und  des   Vartrauensleutekomi- 
uriick! 


Im  fulgenden  wollen  wir  die  Vorfalle  xurz  skizzieren: 


de  Direkter  empfahl,   Myras  Anstellung  nicht  zu 


rhob 

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stimmte   de 
d  auf  3  mon 


nd  forderte  die  Einsetzung  einer 
der  Probazeit  befassen  und  Krite- 
Qualifikation  ausarbeiten  sollte. 
ielt  dagegen,   daB  er  einen  unab- 
setzer.  wurde. 

usschuss   und  setzte  durch,  daB 
rundlage   gemacht  wurden.    Dem  Aus- 
der  Gewerkschaft  angehdren. 
ung  eines  eintagigen  Streiks  flach- 
r  Direktor  zu. 
atige  Probe  in  ein  anderes  Team 


1  .  Oer  stellvertreten 
verlangern. 

2.  Die  Gewerkschaft  e 
Arbei tsgruppe,  die  si 
rien  flir  die  Beur  teil 

3.  Der  Direkter  ignar 
hangigen  AusschuB  zur 

4.  Die  Gewerkschaft  a 
die  Kriterien  der  Arb 
schuss  sollte  auBerde 

5.  Den  Forderungen  wu 
druck  verliehen.   Dara 

6.  Myra  wurde  beurtei 
versetzt. 

Diese  Auseinandersetzung  war  sicher  eine  der  schwierigster ,  mit  denen 
sich  das  Vertrauensleutekommitee  jemals  beschaftigen  muBte. 
Wir  glauben,  daB  es  wert  ist,   naher  auf  einige  taktische  Schritte  ein- 
zugehen,  urn  anderen  Gruppen  vielleicht  Nutzen  aus   unseren  Erfahrungen 
zu  vermitteln.   Doch  zuerst  wollen  wir  einen  Mythos  zerstbren,  der  in 
letzter  Zeit  in  "Case  Con"  viel   Verbreitung  fand.  NALGO  ist  keine  revo- 
lutionare  Organisation,  sie  ist  reformistisch.und  so  ist  ihre  Starke 
so  machtig  (stark)  wie  die  Solidaritat  und  das  politische  BewuBtsein 
ihrer  Mitglieder.   Die  Gruppe  in  Islington  bildet  keine  Ausnahme.   Die 
Kampfe,   die  in  der  Vergangenheit  gewonnen  wurden,  sind  nicht  leicht 
erfochten  worden,  doch  gllicklicherweise  haben  die  intensiven  Bemuhungen, 
die  von  den  radikalen  Sozialarbeitern  in  die  Hand  genommen  und  vorange- 
trieben  wurden,  den  Konservatismus   und  die  Apathie,  wahrscheinlich  der 
Mehrheit,   unserer  Kollegen  Liberwunden.  Aber  wir  wollen  nicht  behaupten,"]  3 


daB  die  Mitarbeiter  der  Abteilung  immer  solidarisch  hinter  dem  Ver- 
trauensleutekomitee  stehen,  noch  die  Vertrauensleute  die  Sozialsta- 
tion  managen.  Wir  haben  viel  erreicht  in  Islington.  Das  Vertrauensleu- 
tekomitee  ist  der  einzig  wirkliche  Reprasentant  der  Abteilung  und  in 
diesem  Sinne  hat  es  dem  Management  die  Initiative  aus  der  Hand  genom- 
men.  Seit  der  Arbeitsaufnahme  des  Komitees  hat  das  Management  keine 
"Mitarbeiterversammlung"  mehr  einberufen.  Aber  dennoch  muB  sich  die 
Gewerkschaft  zum  Nutzen  des  Komitees  einsetzen  und  fur  Unterstutzung 
werben. 

Wahrend  unseres  Kampfes  urn  Myras  Job  wurden  wir  konfrontiert  mit  Mit- 
gliedern,  die  hin-und  hergerissen  waren  zwischen  ihrer  Loyal  itat  zu 
einer  popularen  Teamleiterin,  die  auf  Grund  ihrer  demokratischen  Ideen 
sehr  respektiert  wurde,  und  ihrer  Verpflichtung  einer  Gewerkschafts- 
genossin  gegeniiber,  deren  Anstellung  ganz  offensichtlich  unfairerweise 
bedroht  war.  Vervollstandigt  wurde  das  Dilenma  durch  die  vdllig  absur- 
de  Tatsache,  da|3  NALGO  die  Mitgliedschaft  erweiterte  und  deshalb  auch 
die  Interessen  fur  beide  -  Angestellte  und  Vorgesetzte  -  wahrzunehmen 
hat.  Obwohl  die  Vertrauensleute  im  Anfangsstadium  der  Auseinanderset- 
zung  entschieden  (und  zwar  zu  Recht),  daB  in  diesem  besonderen  Fall 
die  Teamleiterin  klar  die  Rolle  des  Managements  einnahm,  waren  wir  uns 
nichtsdestotrotz  bewuBt,  daB  es  sich  im  wesentlichen  um  eine  Auseinan- 
dersetzung  zwischen  zwei  Mitgliedern  handelte.  Am  Ende  fiihrte  diese 
auBergewbhnliche  Situation  zu  einer  fast  vblligen  Polarisierung  inner- 
halb  der  Mitgliedschaft  in  punkto  Loyalitat.  Folglich  muBten  die  Ver- 
trauensleute, die  gewiB  die  Pflicht  haben,  die  Ansichten  der  Mitglieder 
ihrer  Sektion  zu  vertreten,   immer  die  Unterstutzung  im  Hinblick  auf 
Aktionen,  welche  sie  befiirworten,  Liberprufen.  Unnbtig  zu  sagen,  daB 
dieses  Verfahren  oft  bedeutete,  daS  militante  Aktionen  zuriickgestell t 
wurden  um  eines  Kompromisses  willen,  der  fur  die  Mitgliedschaft  akzep- 
tabel  war.  AuBerdem  war  es  sehr  schwer  abzusehen,  was  eine  befriedi- 
gende  Lbsung  hatte  sein  kbnnen.  Es  sah  so  aus  als  ob  ein  nlitzliches 
Mitglied  der  Abteilung  und  der  Gewerkschaft  auf  der  Strecke  bleiben 
wiirde.  Folglich  wiirde,  obwohl  es  offensichtlich  unser  Ziel  war,  Myras 
Arbeitsplatz  zu  erhalten,  der  Preis  dafu'r  in  der  Tat  sehr  hoch  sein. 
Einer  der  entscheidenden  Faktoren  in  diesem  Meinungsstrei t  war  das 
Recht  des  Arbeitgebers,  Arbeiter  zu  entlassen   und  im  Besonderen  eine 
zur  Probe  Eingestellte,  die  kein  Recht  hat,   dagegen  Beschwerde  einzu- 
legen,  oder  auch  nur  zu  erfahren,  weshalb  ihre  Arbeit  nicht  zufrieden? 
stellend  war.  Seit  der  Zeit,  da  diese  Verfahrensweise  als   "Recht" 
des  Management  eingefuhrt  und  auch  praktiziert  wurde, ging  der  Kampf 
nicht  darum,  daB  das  Vertrauensleutekomitee  verlorenen  Boden  zuru'ck- 
gewinnt,  sondern  darum,  daB  das  Management  bestehende  Rechte  verliert. 
Der  Direktor  war  zwar  in  einer  Ausgabe  der  Market  Road  in  ein  schlech- 
tes  Licht  gesetzt  worden  und  nun  eifrig  benuiht  zu  beweisen,  daB  er 
befahigt  ist,  sein  Amt  zu  leiten.  Aus  diesem  Grunde  verfuhr  er  sehr 
rigide,  was  er  sonst  mbglicherweise  nicht  getan  hatte,  um  zu  versu- 
chen,  seine  Machtposition  zu  erhalten.  Es  ist  wichtig,  sich  Liber  den 
Druck  im  Klaren  zu  sein,  der  auf  alien  beteiligten  Parteien  lastet, 
um  in  der  Lage  zu  sein,  die  potentielle  Starke  einzuschatzen.  Es  ist 
ebenso  wichtig  zu  wissen,  wie  sich  die  Gewerkschaft  in  Verhandlungen 
verhalt,  da  sie  als  nicht-revolutiona're  Organisation  ihre  gewb'hnlichen 
Vorgehensweisen,  Konflikte  zu  Ibsen,  die  Wirkung  beeinflussen.  Wahrend 
14    die  Vertrauensleute  StreikmaBnahmen  besprachen,  spielte  der  zustandige 


Gewerkschaftssekretar  (Branch  secretary)  die  ubliche  Rolle.  Das  fiihr- 
te zu  ernsten  Differenzen  in  Fragen,  von  denen  man  schon  Einstimmig- 
keit  vermutete.   Die  Fehler  wurden  auf  beiden  Seiten  gemacht,  aber  sie 
ha'tten  vermieden  werden  kb'nnen,  wenn  ein  Mitglied  des  Vertrauensleute- 
komitees  den  Gewerkschaftssekretar  wahrend  seiner  Besuche  beim  Direk- 
tor begleitet  hatte.   Die  unterschiedlichen  Ansichten  ha'tten  sich  dann 
sicher  deutlicher  herausgestellt.  Auf  der  einen  Seite  fiihrte  der  Direk- 
tor, seinem  Ziel  angemessen,  sehr  selbstherrlich  den  lokalen  Verwal- 
tungsapparat,   von  dem  der  Gewerkschaftssekretar  ein  Teil  ist.  Auf  der 
anderen  Seite  faBten  die  Abteilung  und  die  Gewerkschaft  Stre-jkaktionen 
ins  Auge  -  einmalig  in  der  Geschichte  der  Abteilung.  Wenn  die  Gewerk- 
schaftsmaschinerie  in  einem  Fall  wie  diesem  benutzt  wird,  ist  Streik 
das  letzte,  nicht  das  erste  Mittel.  Die  Gewerkschaftsburokratie  ver- 
sucht  oft,  Konflikte  durch  Kompromisse  zu  Ibsen.   Es  wiirde  folglich 
den  Anschein  haben,  daB,  wenn  in  der  ersten  Resolution  der  Vertrauens- 
leute ein  eintagiger  Warnstreik  aus  Protest  gegen  die  Entscheidung  des 
stellvertretenden  Direktors  empfohlen  worden  ware,  die  Abteilung  be- 
gonnen  hatte,   sich  in  solchen  Aktivitaten  zu  engagieren,  die  fiir  die 
meisten  Leute  neu  waren.   Dessen  ungeachtet  war  die  Antipathie  sehr 
stark  dagegen,  wie  Myras  Fall   dargestellt  wurde  und  es  hatte  durchaus 
mbglich  sein  miissen,  die  Leute  in  einer  Aktion  gegen  die  unfaire  Ent- 
lassung  zu  vereinigen.  Es  war  ein  Fehler  der  Vertrauensleute,  daB  sie 
niemanden  gewahlt  hatten,  der  schon  in  der  ersten  Vol  1  versammlung  ihre 
Empfehlung  hatte  einbringen  kbnnen.  Die  Folge  war,  daB  es  in  grund- 
satzlichen  Fragen  keine  Verstandigung  gab  und  die  Versammlung  bald 
den  zentralen  Punkt  aus  den  Augen  verlor  und  sich  Fronten  bildeten. 
Eine  Streikforderung  im  Verlauf  der  Versammlung  wurde  ebenso  verworfen, 
wie  ahnliche  Forderungen  in  folgenden  Versammlungen.  Es  ist  mbglich, 
daB  das  GewerkschaftsbewuBtsein  noch  nicht  das  Niveau  erreicht  hat, 
wo  unverziiglich  Aktionen  zur  Verteidigung  eines  Mitgliedes  vorgenommen 
werden  kbnnen.  Aber  man  sollte  nicht  potentielle  Kraft  vergeuden,  in- 
dem  man  auf  Prinzipien  herumreitet  und  Solidaritat  testet.   Von  diesem 
Zeitpunkt  an  wurde  die  ganze  Kraft  von  der  Notwendigkei t  in  Anspruch 
genommen,  an  Lbsungen  zu  arbeiten  und  nicht  an  Grundsatzen.  Eine  die- 
ser  Lbsungen  war,  eine  Arbei tsgruppe  zu  bilden,  deren  Aufgabe  darin 
bestand,  die  Prozedur  der  Probezeit  zu  untersuchen  und  befriedigende 
(Beurtei  lungs-)Kriterien  zu  entwickeln.  Seitdem  niemand  mehr  die  Not- 
wendigkeit  einer  Beurteilung  Myras   leugnete,  war  es  sinnvoll,  Mittel 
und  Wege  zu  einer  gerechten  Beurteilung  zu  finden.  Der  Gedanke  zielte 
darauf  ab,  Myra  vor  den  Launen  des  stellvertretenden  Direktors  zu 
schiitzen  und  war  folglich  ein  einleuchtendes  Argument.   Das  Ergebnis, 
formuliert  von  einer  Gruppe,  der  auch  Mitglieder  des  Managements  angehbr- 
ten     war  vbllig  verheerend.   Es  hatte  den  Anschein,  daB  sie  sich  mehr 
mit  der  Verbesserung  von  Normen  beschaftigten  (und  diese  erweiterten 
den  Bereich  der  Eignungspriifung)  als  ir.it  der  Eingrenzung  der  subjek- 
tiven  Handhabung  von  Beurteilungen.   Der  Streitpunkt  ist,  daB  die  Probe- 
kandidaten  kein  Beschwerderecht  haben  und  keine  Nonnen  in  Oezug  auf  die 
Probezeit  zu  erwagen  sind,  die  darauf  hinauslaufen,  dem  Management  fiir 
willkiirliche  Entiassungen  verstarkt  freie  Hand  zu  Tassen.  Wahrend  die 
Entwicklung  von  Standards  eine  Aigelegenheit  des  Management  ist,  durfen 
Gewerkschafter  in  Ausiibung  ihrer  Funktion  nicht  die  Rollen  vertauschen 
und  ihl"e  Aufgabe  der  Interessenvertretung  vernachlassigen.   Im  Hinblick 
auf  da5  GewerkschaftsbewuStsein  wurde  es  ideal   sein,  eine  Organisation 
Zu  haben,  wo  die  Vertrauensleute  leicht  mit  den  Mitgliedern,  die  sie     -|  5 


vertreten,  kommunizieren  konnen.  In  Islington  vertreten  die  Vertrau- 
ensleute  noch  eine  zu  groBe  Anzahl  Mitglieder  und  kb'nnen  deshalb  kei- 
ne  kleinen  Versamml ungen  abhalten,  die  ein  Feed-back  ermbglicht  hat- 
ten.  Das  Feed-back  kam  ziemlich  zufa'llig  zustande  und  war  doch  ein  be- 
stinmender  Faktor  bei  der  taktischen  Planting.  Das  Kommunikationssy- 
stem  ist  ein  Feld,  mit  dem  wir  uns  in  naher  Zukunft  zu  beschaftigen  ha- 
ben.  In  dieser  Auseinandersetzung  kam  die  ganze  Frage  der  Probezeit 
in  den  Blickpunkt  und  die  Notwendigkeit  einer  Klarung  wurde  gesehen. 
Spa'ter  hat  die  Gewerkschaft  die  Absicht,  Beurteilungskriterien  aufzu- 
stellen,  auf  Antrag  des  Vertrauensleutekomitees  verworfen.   In  der  Tat 
wurde  auch  die  Konzeption  Liber  die  Probezeit  zuriickgewiesen  und  soli 
nun  auf  nationaler  Ebene  behandelt  werden.  Was  Myra  betrifft,  so  ist 
es  eine  Ehre  fur  sie,  daB  die  Situation  liberhaupt  geldst  wurde.  Ihre 
Erkenntnis,  den  Fall  der  Gewerkschaft  anzutragen,   lb'ste     einen  sehr 
notwendigen  Untersuchungsprozess  aus.  Es  gab  viele  Aufeinandersetzungen 
Liber  die  Taktik  und  nach  dem  ersten  Fehler,  die  Mi  1 i tanz  nicht  zu 
testen,  nahm  die  Streikbereitschaft  bestandig  ab.  Das  hb'chste  was  er- 
reichbar  schien,  war  die  Drohung  mit  Militanz,  um  Forderungen  zu  unter- 
stiitzen.  Aussenstehende  konnten  die  Spaltung  innerhalb  der  Abteilung 
nicht  verstehen.und  die  Slogans  von  politischer  Disziplinierung  hatten 
nicht  die  geringste  Glaubwiirdigkeit.  Es  ist  schade,  doch  unvermeidlich, 
daB  die  Polarisierung  in  dem  MaBe,  in  dem  die  Glaubwiirdigkeit  fehlte, 
grb'Ser  wurde. 

Es  ist  falsch,  zu  glauben,  man  kbnnte  einem  solchen  Fall  mit  einer 
Resolution  uber  die  Situation  gerecht  werden.  Militante  Taktiken  waren 
in  einigen  Punkten  nlitzlich,  doch  in  anderen  vbllig  unbrauchbar,  in 
denen  sie  Leute  nur  abstoBen.  Bei  alien  Anstrengungen  hat  ein  giinstiger 
Umstand  das  Resultat  ermbglicht. 

Myra  hat  als  eine  kompetente  Sozialarbeiterin  den  Sieg  selbst  davonge- 
tragen.  Ware  sie  nicht  kompetent  gewesen,  ware  sie  nicht  hier.   Wir 
sind  weit  davon  entfernt,  Leute  zu  beschlitzen,  die  nicht  fahig  sind, 
ihren  Job  auszufiihren. 


6 


Case  Con-Redaktionskollektiv 
Kommentar 


Der  Kampf  urn  Myras  Job  warf  Schlaglichter  auf  die  Probleme  der  Orga- 
nisierung  von  Sozialarbeitern  an  der  Basis  in  einer  Sozialabteilung 
und  machte  insbesondere  deutlich,  wie  nebulbs  die  Idee  des  militan- 
ten  Kampfes  ohne  bestandige  politische  Basisarbeit  ist. 

Der  Apparat  des  Vertrauensleute-Komitees  existierte  zwar,  spiegelte 
jedoch  in  einem  alarmierenden  Grad  die  Verwirrung  der  Sozialarbeiter 
liber  die  Natur  ihrer  Tatigkeit  und  ihrer  eigenen  Interessenwahrnehmung 
wider.  Jedem  Gewerkschafter.revolutionar,  sozialdemokratisch  Oder  kon- 
servativ,  war  in  dieser  Auseinandersetzung  klar:  Myras  Job  muB  ver- 
teidigt,   die  Entlassung  rlickgangig  gemacht  werden.  Aus  den  Mangeln  die- 
ser Perspektive  ergab  sich  alles  folgende.  Ohne  die  lauteren  subjek- 
tiven  Intentionen  der  Vertrauensleute  in  Zweifel  zu  Ziehen,  sie  wurden 
leichte  Beute  der  Case-Work-Ideologie  (casework  rationalisations), 
der  verbreiteten  Furcht  vor  einer  Zerstb'rung  des  Demokratie-Mythos 
der  Abteilung  und  der  individualistischen  Rollendefinitionen.  Das 
zentrale  Problem  war  -  trotz  militanter  Appelle  -  verdeckt,  um  zu  er- 
kennen,  daB  dies  ein  Rausschmi'6  war,  der  die  Starke  der  Gewerkschaft 
testen  sollte.  Die  revolutionare  Minderheit  beabsichtigte  flir  den  Fall, 
daB  die  Mehrheit  sich  des  wahren  Charakters  der  Ereignisse  nicht  be- 
wuBt  werde,  im  Vertrauensleute-Komitee  eine  militante  Leitung  durch- 
zusetzen,  die  die  Situation  klaren  und  Myra  Garett  verteidigen  wlirde. 
Der  taktische  Streikaufruf  ha'tte  nicht  aufgegeben  werden  mlissen  zu 
Gunsten  von  Verhandl  ungen.  Wo  die  Solidaritat  in  der  Abteilung  zuletzt 
schwach  war,  wo  die  Vertrauensleute  -  ohne  direkte  eigene  Schuld  - 
keine  Basisgruppe  hatten,   um  Aktionen  zu  tragen,   konnten  sie  wirklich 
glauben,  Myra  werde  ihren  Job  behalten  ohne  militante  Interventionen? 


Die  Intervention  von  Case  Con,  dem  Londoner 
Sozialarbeiter  innerhalb  der  NALGO  und  der 
ruf  zu  einer  Sol  idaritatsveranstal  tung,  die 
des  Direktors  gipfelte,  war  wichtig,  um  deu 
Arbeiter  der  Behb'rde  flihl ten, und  um  Solidar 
der  einzige  Weg,  um  Angriffe  auf  jeden  von 
auf  die  spezifische  Darstellung  von  McNay/S 
hat  nie  gesagt,  die  NALGO  sei   in  irgendeine 
ist  wie  a^e  Gewerkschaften  eine  defensive 
fangen  in  reaktionarer  Professionalisierung 
sichtsvoll  gegenliber  Bossen,  die  oft  Teil   i 
sind.  Gleichwohl  arbeiten,  organisieren  und 
in  ihr. 


Koordinierungskomi tee  der 
in  London  verbreitete  Auf- 

in  dem  Marsch  zum  Bliro 
tlich  zu  machen,  wie  andere 
i tat  zu  demonstrieren  - 
uns  zurlickzuweisen.   Um  kurz 
troud  einzugehen:   Case  Con 
r  Weise  revolutionar.  Sie 
Organisation.   Sie  ist  be- 
sideologie  und  ist  rlick- 
hrer  eigenen  Hierarchie 

diskutieren  (agitate)  wir 


Handelte  es  sich  lediglich  um  einen  zwischenmenschlichen  Disput?  Der 
ebenfalls  abgedruckte  Artikel   von  Myra  Garrett  ist  die  beste  Antwort      -Jy 


REIHE  BETRIEB  UND  GEWERKSCHAFTEN 

GEWERKSCHAFTL ICHE  VERTRAUENSLEUTE 

FOR  EINE  ANTIKAPITALISTISCHE  BETRIEBSSTRATEGIE 

Autorenkol lektiv  "express-international " 

Oiese  Schrift  wendet  sich  an  die  gewerkschaft- 
lichen  Vertrauensleute  in  den  Betrieben,  an  die 
aktiven  Gewerkschafter,  die  ihre  Kolleginnen 
und  Kollegen  daflir  gewinnen  wollen,  eine  ge- 
werkschaftliche  Politik  der  konsequenten  Ver- 
tretung  der  Interessen  der  Arbeiter  und  Ange- 
stellten  nachdriicklich  zu  unterstLitzen.  Die 
Schrift  ist  nach  langen  Diskussionen  aus  der 
Zusammenarbeit  von  gewerkschaftlichen  Vertrau- 
ensleuten,  Gewerkschaftsfunktionaren,  Bildungs- 
referenten  und  gewerkschaftlich  orientierten 
Wissenschaftlern  entstanden. 

Folgende  Themen  werden  behandelt:  Die  kapitali- 
stische  Organisation  des  Betriebes  -  Der  Doppel- 
charakter  der  Forderungen  -  Die  bisherige  ge- 
werkschaftliche  Betriebspolitik  -  Die  bisherige 
Arbeit  der  Interessenvertretung  im  Betrieb  - 
Management  und  Vertrauensleute  -  Betriebsnahe 
Gewerkschaftspolitik  -  Betriebsnahe  Tarifpolitik 
Betriebsnahe  Bildungsarbeit  -  Mitbestimmung  im 
Betrieb  als  Gegenmacht  -  Kontrolle  von  unten 
statt  Delegation  von  oben  -  Zukunftige  Rolle  und 
Organisation  der  Vertrauensleute  -  Durchsetzung 
dieser  Strategie. 


54  Seiten,  broscin'ert,  DM  2.5o 
Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  4 
Postfach  591,  Tel.  0611  -  832593 


darauf.  Die  liberal  1  auftretende  Polarisierung  wurde  verursacht  durch 
die  Art  und  Weise,  in  der  das  Management  und  die  Teamleiterin  in  ih- 
ren  Leitungspositionen  handelten.  Es  handelte  sich  (bei  dem  Entlassungs- 
beschluB)  exakt  um  eine  politische  MaBnahme  in  dem  Sinne  wie  Myra 
ihren  Job  mit  einer  bewuBten  politischen  Methode  anging.  Und  dies 
traf  die  Teamleiterin,  deren  eigene  radikale  Reputation  und  der  An- 
schein  demokratischer  Beteiligung  im  Team  auf  dem  Spiel  stand.  Die  Leu- 
te  sind  Agenten  (wodurch  auch  immer  bestimmt)  der  Politik.  Marys  Ein- 
treffen  brachte  auf  der  Ebene  des  Arbeitsbereichs  Erleichterung, 
machte  aber  die  Ohnmacht  der  Sozialarbeiter  deutlich,  im  Feld  den  an 
sie  gestellten  Erwartungen  entsprechen  zu  kb'nnen.  Die  Hilfsmittel  wer- 
den allenthalben  kontrolliert  und  allenthalben  wiederholt  sich  die 
Hierarchie.  Allein  der  Klient  bleibt  -  Klient.  Die  Frage  nach  der  Re- 
form des  status  quo  ist  die  Forderung  nach  einer  revolutionaren  Al- 
ternative. 

"In  jedem  Fall  wurde  ein  niitzliches  Mitglied  unterliegen".  Dieser  Satz 
negiert  den  entscheidenden  Grundsatz,  daB  ein  Mitglied,  dessen  Arbeit 
dem  Teamleiter  oder  irgendjemanden  zulie'be  bestritten  wird,  bis  zum 
Erfolg  verteidigt  werden  muB.  Die  Beurteilung  (ihrer  Arbeit):   Dieser 
Wirbel  ware  vermieden  worden,  ha'tten  ihre'Schirmherren'Myras  (berufliche) 
Kompetenz  von  Anfang  an  offen  anerkannt.  Die  militante  Gruppe  (be- 
trachtete  diese  Behauptung  als  Schwindel  und)  unterstiitzte  nicht  die 
Suche  (nach  Eignungskriterien) . 

Damit  die  Vertrauensleute  nicht  annehmen,   case  Con  kritisiere  sie  nur 
wegen  ihrer  Unentschlossenhei t,  miissen  wir  feststellen,  daB  sie  eben- 
so  isoliert  waren  wie  die  Militanten.  Dies  ist  zurlickzuflihren  insbe- 
sondere  auf  den  provinziellen  BewuBtseinsstand  und  das  Fehlen  einer 
geeigneten  Plattform  flir  eine  Oberzeugungsarbeit  und  eine  Mobilisie- 
rung.   Die  Lehre  aus  den  Vorfallen  in  Islington  ist  nicht  nur,  daB  wir 
die  gewerkschaftliche  Basis  unterstutzen  miissen:  wir  miissen  uns  selbst 
in  ihre  Entwicklung  einbringen.  Es  ist  so,  daB  die  Arbeit  konsoli- 
diert  werden  muB,  Leute  in  einen  politischen,  liberzeugenden  Arbeits- 
zusammenhang  zu  bringen,  der  kontinuierlich  Apathie  und  Unterwerfung 
(unter  Strukturen) -verursacht  durch  die  Hierarchien.flir  die  wir  ar- 
beiten  -  bekampft. 

Zusammenfassend  wollen  wir  feststellen,  daB  Myra  Garrett  ihren  Ar- 
beitsplatz  als  Sozialarbei terin  in  Islington  noch  hat.   Versetzt  in 
ein  anderes  Team  mit  ihrem  Arbei tsgebiet  und  mit  einer  3-monatigen 
Verlangerung  der  Probezeit,    -  um  das  Gesicht  des  Management  zu  wahren. 
Trotz  der  schrecklichen  Ungleichheit  der  Ereignisse  wie  Mdglichkei- 
ten,   ihren  Arbei tsplatz  zu  verteidigen,  und  der  Abhangigkei t  Myras 
von  einem  Prlifungstribunal    (entgegen  fortdauerndem  harten  Widerspruch 
einer  Minoritat  der  Militanten)   ist  dies  der  bestmbgliche,  erreichba- 
re  Teilerfolg.  Die  Vertrauensleute  haben,  daflir  verdienen  sie  Aner- 
kennung,  die  Verwicklung  der  Gewerkschaft  in  die  Prlifungskriterien 
auf  einer  folgenden  auBerordentlichen  Abteilungsversammlung  zurlickge- 
wiesen  und  es  ist  jetzt  die  Politik  von  NALGO  in  Islington,  flir  die 
vb'llige  Abschaffung  der  Probezeit  zu  arbeiten. 

Dies  ist  offensichtlich  erst  der  Anfang.  Wir  dlirfen  nicht  eine  Situa- 
tion dulden,  in  der  jemand,  der  bereits  bei  einer  stadtischen  Dienst- 
s tel  le  war,  flir  6  Monate  oder  ISnger  abhangig  ist  von  einer  Probezeit. 
Myra  ist  noch  in  Bewahrung  -  eine  Handhabung,  die  nicht  langer  uns  "|9 

aufgezwungen  werden  darf.  Gewerkschafter  miissen  immer  ihre  Arbei ts- 
kameraden  verteidigen  und  Nein  sagen  zu  jedem  HinausschmiB. 


PROBLI    4E 
DES  Kl     SSEN- 
KAMPF.         a 

PROKLA  8/9  (1973)  bringt  auf  ca.  250  Seiten:     * 


Robert  Katzenstein: 

Margaret  Wirth: 
Heide  Gerstenberger: 

Niels  Kadritzke: 

Autorrenkollektiv: 

Klaus  Busch: 


Riidiger  Baron: 
Ulf  Baumgartner: 


Zur  Theorie  des  Staatsmonopolistischen 
Kapitalismus 

Replik  auf  R.  Katzenstein 

Zur  Theorie  der  Konstitution  des  burger- 
lichen  Staats 

Faschismus  als  gesellschaftliche  Realitat 
und  als  unrealistischer  Kampfbegriff 

Sozialistische  Gewerkschaftsarbeit  und 
„Revolutionare  Gewerkschaftsopposition" 

Ungleicher  Tausch  —  Zur  Diskussion  iiber 
Internationale  Durchschnittsprofitrate, 
ungleichen  Tausch  und  komparativer 
Kostentheorie  anhand  der  Thesen  von 
A.  Emanuel 

Das  vietnamesische  Lehrstuck  des  klein- 
biirgerlichen  Antiimperialismus 

Anmerkungen  zur  Bauernpolitik  der 
Deutschen  Kommunistischen  Partei 


PROKLA  8/9  (1973)  ist  ein  Doppelheft  (DM  9,-)  und  in  alien  linken 
Buchladen  zu  erhalten  oder  direkt  vom  Verlag: 

* 

Politladen  852  Erlangen,  H!ndenburgstraBe17 


^ 


AKSp  Dusseldorf 
FLjrsorgezbg Tinge  nehmen  ihr 
Sache  selbst  in  die  Hand 


Selbstorganisierung  von  Jugendlichen  des  friiheren  sozialpadagogischen 
Wohnheims  in  Dlisseldorf-Gerresheim,  Katnperweg  1 78 


Vorbemerkung 


Die  Misere  der  Heimerziehung  ist  jedem  bekannt.  Eine  qualitative  Ver- 
besserung  der  Lebenssituation  von  Fursorgezogl ingen  hat  es  bisher  bei 
uns   noch  nicht  gegeben.  Alle  Bemiihungen  von  Sozialarbeitern,  Jugend- 
amtern  und  Regierung  haben  kaum  Erfolg  gezeigt.  Zurtt  erstenmal  haben 
jetzt  Flirsorgezb'glinge  selbst  die  Initiative  ubernotmien,  sich  aus 
ihren  Abhangigkeiten  und  der  Versorgungssituation  zu  Ibsen.  Sie  haben  ,-ihre 
Sozialarbeiter  rausgeschmissen  und  ihr  Heim  von  innen  heraus  besetzt. 
Das  alles  geschah  vor  ca.sechs  Monaten  (1.  April   73)   in  D'u'sseldorf- 
Gerresheim.    In  dieser  Stadt,  der  Verwaltimgs-  und  Bankenmetropole  am 
Rhein  und  Hauptstadt  von  NRW,  fehlt  es  an  linker  Gegendffentlichkeit. 
Es  existieren  kaum  linke  Gruppen,  die  den  Kampf  der  Jugendlichen  ha'tten 
unterstutzen  wollen.  Wir  sind  eine  Gruppe  von  Sozialarbeitern,  die  die- 
se  zwanzig  Fursorgezogl inge  in  ihrem  Kampf  urn  ein  Kollektiv  unterstiit- 
zen  und  in  ihren  LernprozeB  mi teinbezogen  waren  und  sind.  Ober  unsere 
Erfahrungen  wollen  wir  hier  kurz  berichten. 


Ende  Januar  1973  wurde  der  AKSp   (Arbeitskreis  Sozialpadagogik)  durch 
einen  ehetnaligen  Mitarbeiter  des  Dusseldorfer  Markushauses   (MH)  iiber 
die  bevorstehende  SchlieBung  des  Heimes  informiert:    'Der  Trager, 
Evangelischer  Gemeindedienst  (EGD),  blockiere  seit  langerer  Zeit  die 
vorgeschlagene  Konzeption  der  Sozialarbeiter,  die  eine  hb'here  Mi tar- 
beiterzahl,  Teamarbeit,  Mitbestimmung  der  Jugendlichen  und  die  Forde- 
rung  nach  hdheren  Pflegesatzen  vorsahe.  Daraufhin  habe  ein  Teil  der 
Sozialarbeiter  geklindigt.  Das  Verhaltnis  zwischen  den  verbleibenden 
Sozialarbeitern  und  den  Jugendlichen  verschlechtere  sich  von  Tag  zu 
Tag,  nicht  zuletzt  deswegen,  weil   sich  die  Jugendlichen  von  der  neuen 
Konzeption  eine  Verbesserung  ihrer  Lebenssituation  versprachen.   Unter 
dem  Vorwand  der  personellen  und  finanziellen  Misere  wolle  der  Trager 
jetzt  das  MH  zum  1.4.1973  schlieBen.  Ein  Teil  der  Jugendlichen  sei  vom 
EGD  flir  die  Unterbringung  in  Einzelzimmer  ausgesucht  worden,  wahrend 
die  anderen  auf  verschiedene  Heiroe,  die  grb'Btenteils  noch  autorita'rer 
qefuhrt  werden,  aufgeteilt  wu'rden.  Sicherlich  wurde  dem  EGD  die  Ar- 
beit mit  einem  Kinder-  oder  Altenheim  unproblematischer  und  kosten- 
sparender  werden,  als  die  Durchfu'hrung  der  von  den  Sozialarbeitern 


21 


geforderten  Konzeption   . 

Die  kurzfristige  Bekanntgabe  des  Kiindigungstermins  dlirfte  dem  EGD 
nicht  leicht  gefallen  sein,  da  er  vor  ca.  drei  Jahren  in  gleicher  Wei- 
se  mit  dem  Kinderheim  Oberlinhaus  verfahren  war,  was  staricen  Protest 
in  der  Offentlichkeit  hervorgerufen  hatte.  Der  AKSp  unterstiitzte  die 
damalige  Offentlichkeitsarbeit,  konnte  jedoch  nicht  verhindern,  daB 
die  Kinder  brutal  aus  ihrer  Umgebung  herausgerissen  und  auf  andere 
Heime  aufgeteilt  wurden.  Einige  von  ihnen  leben  jetzt  im  MH.  Diese 
wandten  sich  an  Genossen  des  AKSp,  die  ihnen  noch  aus  der  Oberlin- 
hausaffare  bekannt  waren. 

Der  AKSp  befasste  sich  schon  seit  langerer  Zeit  mit  der  Problematik 
von  Jugendwohnkollektiven  und  diskutierte  die  politische  Relevanz 
einer  Unterstiitzung  der  Jugendlichen  im  MH.  Da  die  Genossen  sich  dar- 
liber     uneinig  waren,  beschlossen  sie,  mit  den  Jugendlichen  und  den 
Sozialarbeitern  des  MH  zu  reden.  Die  Sozialarbeiter  des  MH  glaubten 
aufgrund  ihrer  Erfahrungen  nicht,  daB  die  Jugendlichen  ihre  Inter- 
essen  gegenuber  dem  Trager  kollektiv  vertreten  und  eine  Konfrontation 
mit  ihm  durchstehen  kdnnten. 

Die  Genossen  des  AKSp  befragten  die  23  Jugendlichen,  wie  sie  auf  die 
Kundigung  durch  den  EGD  reagieren  wollten,   Einige  hatten  die  Absicht, 
in  Einzelzimmer  zu  Ziehen,  andere  wollten  auf  Tramp  gehen,  wieder 
andere  hatten  vor,  zusammenzubleiben  und  eventuell  ein  Kollektiv  zu 
grlinden.  Ein  Teil  war  unentschlossen  und  rechnete  damit,  auf  irgend- 
welche  Heime  aufgeteilt  zu  werden. 

Der  AKSp  unterstiitzte  die  Bestrebungen  der  Jugendlichen,  gemeinsam 
ein  Kollektiv  zu  grunden  und  bot  ihnen  seine  praktische  Hilfe  an.  Es 
entwickelten  sich  spontan  neue  Aktivita'ten:  Zuerst  ging  eine  Gruppe 
Markushausler  geschlossen  in  eine  interne  Sitzung  des  EGD  und  forder- 
te  den  Leiter,  Pfarrer  Seidel,  auf,  daflir  zu  sorgen.bis  zum  1.4.73 
ein  Haus  fur  das  Kollektiv  zur  Verfiigung  zu  stellen,  da  sie  sonst  das 
MH  nicht  verlassen  wurden.  Sie  lieBen  sich  auf  keine  Diskussion  ein, 
lehnten  ab,  sich  zu  setzen  und  wehrten  die  Spaltungsversuche  des  EGD 
ab  ("Peter,  ich  muB  dich  gleich  mal  sprechen,   u.a.").  Nachdem  sie  ihre 
Forderungen  vorgetragen  hatten,  verliessen  sie  geschlossen  den  Raum. 

Die  Verwirrung  auf  Seiten  des  EGD  starkte  die  Jugendlichen  in  ihrer 
Solidaritat  und  flihrte  dazu,  daB  diejenigen,  die  zunachst  hofften, 
die  Heimsituation,  wie  sie  im  MH  gegeben  war,  durch  Unterbringung  in 
Einzelzimmer  hinter  sich  zu  bringen,  sich  der  Kollektivgruppe  an- 
schlossen.  Zusatzliche  Diskussionen  liber  die  Zukunft  und  Isolierung  in 
Einzelzimmern  bestarkte  sie  in  ihrem  EntschluB.  In  den  Vollversamm- 
lungen,  die  jetzt  fast  jeden  Tag  stattfanden,  wurde  den  Jugendlichen 
die  Notwendigkeit  klar,  die  Bevblkerung  zu  informieren,  um  auf  den 
EGD  Druck  ausuben  zu  kbnnen.  Wie  niitzlich  die  Verbreitung  von  Infor- 
mationen liber  das  MH  im  Stadtteil    "Siedlung  Freiheit'  sein  konnte, 
ha'tten  die  Hausbesetzungen  in  Frankfurt,  Berlin  etc.  bewiesen,  wo  ein 
Teil  der  Bevb'lkerung  praktische  Solidaritat  mit  den  Besetzenden  ge- 
zeigt  hatte.  Die  Nachbarn  wurden  die  Forderungen  sicherlich  unter- 
0  _    stlitzen,  da  man  von  einem  "christlichen"  Trager  wohl  erwarten  miisse, 
d.ii    daB  er  seine  gesellschaftlichen  Aufgaben  nicht  derart  unmenschlich 


erfiille.  Als  eine  Reporterin  das  MH  besuchte,  um  sich  zu  informieren, 
wurden  die  Jugendlichen  von  den  Sozialarbeitern  des  Hauses  daran  gehin- 
dert,  mit  ihr  zu  sprechen.  Sie  beklagten  sich  in  den  Vollversammlungen 
liber  das  autoritare  Verhalten  der  Sozialarbeiter,  die  Akten  vor  ihnen 
verschlossen  und  das  Telefon  kon troll ier ten.  Sie  forderten,  daB  keine 
A.ktivitaten,  die  ihre  Situation  betrafen,  ohne  sie  stattfinden  sollten. 
Die  Genossen  des  AKSp  waren  der  Meinung,  daB  die  konsequente  Unter- 
stiitzung der  Jugendlichen  notwendig  sei,  da  die  Jugendlichen  bereit 
waren,  aktiv  und  solidarisch  fur  ihre  Interessen  zu  kampfen.  Sie  be- 
grlindeten  den  Jugendlichen,  die  sich  gemeinsam  gegen  den  EGD  wehren 
wollten,  ihre  Unterstiitzung  mit  folgender  Erklarung:    'Wir  unterstiitzen 
euch  nicht,  weil  wir  euch  so  sympathisch  finden,  sondern  weil  euer 
Konflikt  ein  gesellschaftlicher  ist.  Viele  Menschen  in  der  BRD  sind 
nicht  in  der  Lage,  ihre  Mieten  zu  bezahlen  oder  leben  ohne  vernunfti- 
ge  Wohnung.   Viele  haben  schon  erkannt,  daB  sie,  wenn  sie  sich  nur  auf 
Parteien  und  Gewerkschaftsflihrer  verlassen,  nichts  erreichen  und  daB 
sie  die  Sache  selbst  in  die  Hand  nehmen  mlissen.  Wir  sehen  eure  Aktivi- 
tat  politisch  und  unsere  Unterstiitzung  stellt  einen  Teil  unserer  so- 
zialistischen  Praxis  dar.'  Als  die  Polit-Gruppe  Ton-Steine-Scherben 
in  Dusseldorf  auftrat,  besuchten  auch  einige  Markushausler  die  Veran- 
staltung  und  tauschten  mit  der  Gruppe  die  neuesten  Informationen  liber 
aktuelle  Ka'mpfe  von  Jugendlichen  aus.  Daraufhin  kamen  einige  Leute 
des  G.v.Rauchhauses  nach  Dlisseldorf  und  lebten  mehrere  Tage  im  MH. 
Das  Kollektiv  betrachtete  seinen  Kampf  nicht  mehr  isoliert  und  infor- 
mierte  sich  liber  die  Erfahrungen,  die  die  Rauchhaus-Leute  gesammelt 
hatten.  Sie  sammelten  Zeitungsartikel   liber  die  Auseinandersetzungen 
um  den  Kettenhofweg  in  Frankfurt  und  diskutierten  darliber.  AuBerdem 
schnitten  sie  die  Artikel  aus,  die  der  EGD  u'ber  sie  in  die  Zeitung 
setzte  und  klebten  sie  an  die  Wand.   Jeden  Abend  trafen  sich  die 
Jugendlichen  in  dem  ehemaligen  Sozialarbeiter-Teamraum,  diskutierten 
anfallende  Probleme  und  schrieben  darliber  selbst  Protokolle:   Der  Presse 
sollten  noch  keine  strategischen  Informationen  vermittelt  werden.  Frem- 
de  Leute  sollten  sich  in  Zukunft  im  Heim  bei  den  Jugendlichen  vorstel- 
len.   Sie  organisierten  einen  besseren  Informationsfl  uB  untereinander, 
so  daB  diejenigen,  die  auch  abends  arbeiteten,  am  nachsten  Morgen 
iiber  die  Beschllisse  der  Gruppe  informiert  waren.  Sta'ndig  wurden  die 
schwierigen  Probleme  einer  etwaigen  Hausbesetzung  diskutiert:  Was 
geschieht,  wenn  der  Strom  gesperrt  wird,  kein  Tropfen  Wasser  mehr 
flieBt,  kein  Heizoel  mehr  im  Tank  ist?  -  Wo  bekommen  wir  Hilfe...  in 
Jugendclubs,  Heimen,  Sozialarbeiterschulen? 

Die  Auseinandersetzung  mit  dem  Trager  des  Hauses  war  durch  die  Akti- 
vitat  der  Jugendlichen  bestimmt,  die  inmer  wieder  nach  Grlinden  der 
SchlieBung  und  nach  den  Bemuhungen  um  ein  neues  Haus  fragten.  Sie  leg- 
ten  die  Termine  fur  die  Gesprache  mit  dem  Trager  fest,  damit  diesem 
keine  Moglichkeit  gegeben  wurde,  die  Jugendlichen  zu  spa  1  ten,   und  die 
Gruppe  vollzahlig  anwesend  sein  konnte.  Sie  stellten  die  Tagesordnung 
auf  und  liberlegten  sich  vorher  die  Diskussionsfiihrung.Sie  verhandelten 
nur  im  MH,  da  "sie  ja  schlieBlich  keine  Autos  hatten,  mit  denen  sie 
durch  die  Gegend  fahren  kb'nnteti'.'Einige  Male  geschah  es,  daB  die  So- 
zialarbeiter des  EGD,  die  Jugendliche  als  ihre  Mundel  betreuten,  den 
Kollektivmitgliedern  in  vertraulichen  Gesprachen  das  Leben  im  Kollek- 
tiv ausreden  und  ihnen  "schb'ne  Zimmer"  anbieten  wollten.   In  den  Voll- 
versammlungen wurden  diese  Sozialarbeiter  dann  vor  dem  Plenum  hart 
angegriffen.  23 


24 


In  der  ersten  Besprechung  machten  die  Jugendlichen  dem  Tra'ger  klar, 
was  sie  unter  Selbstorganisation  des  Kollektivs  verstehen: 

1.  Selbstorganisation  stent  einen  ProzeB  dar.   Das  Leban  im  Kollektiv 
muB  gelernt  werden.  Voraussetzung  dafiir  ist  die  Legalisierung  aller 
FLirsorgezbglinge  durch  den  EGD. 

2.  Das  Kollektiv  wird  kein  Rentnerkollektiv.  Alle  gehen  arbeiten,   in 
die  Lehre  Oder  zur  Schule.  Jeder  tragt  zum  Unterhalt  des  Kollektivs 
bei. 

3.  Es  gibt  keine  Kontrolle,  Disziplinierung  oder  Reglementierung  durch 
irgendwelche  Sozialarbeiter.   Keine  Behbrde  darf  sich  in  die  inter- 

nen  Angelegenheiten  des  Kollektivs  einmischen.   Das  Hausrecht  hat  das 
Kollektiv.  Es  werden  keine  Diskussionen  Liber  padagogische  Fragen  im 
hergebrachten  Sinn  geduldet.  Bei  nicht  zu  lb'senden  Problemen  werden 
Sozialarbeiter  aufgesucht  und  ihrer  Leistung  entsprechend  bezahlt. 

4.  Das  Instandhalten  des  Hauses,  die  Organisierung  von  Essen,  wasche 
und  Finanzen  werden  selbst  geleistet. 

Die  Jugendlichen  forderten,  da3  wesentliche  Momente  dieser  Aufzahlung 
zwischen  ihnen  und  dem  EGD  vertraglich  geregelt  werden  mu'Sten.  Der 
EGD  legte  den  ersten  Vertragsentwurf  vor,  zu  dem  die  Jugendlichen  so- 
fort  einen  Gegenentwurf  erarbeiteten.  Der  EGD  war  nicht' bereit,  der 
Forderung  nach  einem  zwanzig  Leute  starken  Kollektiv  mit  ma'nnlichen 
und  weiblichen  Jugendlichen  zuzustimnen.  Er  sagte,  ihm  seien  die  recht- 
lichen  Bestimmungen  bezuglich  der  Aufsichtspflicht  und  des  Aufenthalts- 
bestimmungsrechts  unklar.  Die  Jugendlichen  aber  meinten,  daB  ein  Mi t- 
glieder  starkes  Kollektiv  deshalb  wichtig  sei,  weil  nur  so  den  Spal- 
tungsversuchen  und  eventuellen  Repressalien  sei tens  des  EGD  effektiv 
entgegengetreten  werden  konne.  Die  Genossen  des  AKSp  betonten  immer 
wieder,  daB  der  Landschaftsverband  Rheinland  der  Konzeption  dieser 
Wohngemeinschaft  niemals  zustimmen  wlirde,  es  sei  denn,  die  Kampfkraft 
des  Kollektivs   und  die  Solidaritat  der  Bevblkerung  ware  stark  genug, 
die  Erfiillung  dieser  Forderungen  zu  erzwingen.   Der  EGD  konnte  sich 
nun  nicht  mehr  zuriickziehen.  Die  Oberlinhausaffare  noch  in   den  Knochen, 
stimmte  er  verbal   alien  Forderungen  der  Jugendlichen  zu  und  versuchte, 
sie  durch  Hinhaltetaktik  zu  vertrbsten. 

Der  AKSp  forderte  den  EGD  und  auch  das  Jugendamt  Dusseldorf  zu  einer 
schriftlichen  Stellungnahme  auf.   Doch  erst  nach  zwei  Wochen  erklarten 
sie  sich  lediglich  zu  Gesprachen  bereit.   In  dieser  Zeit  versuchte  der 
EGD  permanent  mit  alien  Mitteln  die  Selbstorganisierung  der  Jugendli- 
chen zu  verhindern.  Er  sagte  zum  Beispiel  seine  finanzielle  Unterstut- 
zung  nur  fur  den  Fall   zu,  wenn  die  Jugendlichen  von  ihrer  Forderung 
nach  einem  zwanzig  Leute  starken  Kollektiv  Abstand  nehmen  und  der  Bil- 
dung  zweier  kleinerer  wohngemeinschaften  zustimmen  wiirden.  Aufgrund 
der  Hinhaltetaktik  und  des  Drucks  der  Illegalitat  beschlossen  die  Ju- 
gendlichen weitere  MSglichkei ten  zur  Publizierung  ihres  Kampfes  aus- 
zunutzen  und  nahmen  Kontakt  zu  Mitarbeitern  der  Fernsehsendung   "direkt" 
auf,  die  sie  schon  von  fru'her  kannten.  Die  Leute  von  "direkt"  hatten 
schon  fru'her  mit  der  Theatergruppe,  die  jetzt  den  harten  Kern  des 
Kollektivs  bildete,  Kontakt  gehabt.  Vor  einem  halben  Jahr  hatten  sie 
ein  Stuck  Liber  Lehrlingsprobleme  in  Sozialarbeiterschulen  und  Jugend- 
clubs  aufgefuhrt.  Jetzt  beschlossen  die  Jugendlichen,  einen  Film  Liber 
ihren  Kampf  urn  das  MH  zu  drehen,  nachdem  sie  vorher  lange  diskutiert 
hatten,  ob  dieser  zusatzliche  Krafte-  und  Zeitaufwand  sie  nicht  zu 
sehr  belasten  wurde.  Sie  wurden  sich  jedoch  klar  daruber,  daB  eine 


Otto  Jacobi/Wafther  Nfilller-  Jentsch/€berhard  Schmidt 

Gewerkschatten  und 
Klassenkampf 


ZUR  ZEIT 


Speben  erschienen  mit  Beitragen 
zur  aktuellen  Gewerksohaftspolitik, 
zur  Gewerkschaftstheorie,  z\ir  in- 
ternational'en  Gewerkschafts'be'we- 
gung,  sowie  eine  Dokumentation 
iiber  Tarifabschlusse,  Streiks, 
Mitgliederbewegung  und  wirtscha'ft- 
licke  Entwicklung. 
tu   beziehen  liber  Blicher-  &  Paper- 
vertrieb,  6o5  Offenbach  4,  Post- 
fach  591,  Preis  DM  4.8o 


Kritisches  Jahrbuch 


26 


solche  Publizierung  ihres  Kampfes  sehr  n'u'tzlich  sein  kb'nnte. 
Der  Jugendamtslei ter  des  Jugendamtes  Duisburg  sagte  einem  Jugendli- 
chen des  Kollektivs  vor  del-  Kamara  Hilfe  und  Legalisierung  zu.   In  der 
darauffolgenden  Woche  wurde  dieser  Jugendliche  wieder  zum  Jugendamt 
nach  Duisburg  bestellt.  Als  er  dort  ankain,  wurde  ihm  mitgeteilt,  daB 
er  sofort  in  ein  anderes  Heim  gesteckt  werden  wiirde.  Er  bestand  da- 
rauf,  sich.  zuerst  mit  dem  Kollektiv  in  Verbindung  zu  setzen,  konnte 
jedoch  nur  kurz  mitteilen,  daB  sie  ihn  festhielten,  da  sie  ihm  das  Ge- 
spra'ch  mit  Gewalt  unterbrachen.  Die  Jugendlichen  des  MH  organisier- 
ten  sofort  drei  Autos,   fuhren  nach  Duisburg  und  holten  ihn  in  das  MH 
zurlick.   Die  Kollektivmitglieder  starteten  von  nun  an  keine  Einzelak- 
tionen  mehr,  sei  es  die  Vermittlung  von  Informationen  an  Presse   und 
Sozialarbeiterschulen  oder  Gange  zu  den  Jugendamtern. 

Nachdem  der  EGD  das  Telefon  sperren  lieB,  weil   die  Jugendlichen  das 
BLiro  "erobert"  hatten  und  sich  am  Telefon  mit  "Markushaus-Kollektiv" 
meldeten,  intensivierte  das  Kollektiv  die  Offentlichkeitsarbeit.   Die 
Jugendlichen  fu'hrten  eine  Pressekonferenz  durch  und  fertigten  Flug- 
blatter  an.  Sie  besuchten  Sozialarbeiter  und  andere  Flirsorgeheime 
und  forderten,  das  MH  solidarisch  durch  direkte  Hilfe  zu  unterstutzen. 
Im  MH  selbst  wurden  die  letzten  verschlossenen  Raume  aufgebrochen  und 
die  Wasch-  und  Kochkliche  besetzt.   Dem  letzten  im  Haus  noch  verweilen- 
den  Sozialarbeiter  Liberreichten  die  Jugendlichen  symbolisch  die  schrift- 
liche  Ktindigung. 

Durch  die  intensive  Offentlichkeitsarbeit  solidarisierten  sich  Madchen 
und  Jungen  ans  anderen  Heimen   und  besuchten  das  Kollektiv.  Urn  flir 
den  Kundigungstermin,  an  dem  eine  groBe  "Besetzungsfete"  stattfinden 
sollte,  eine  Dokumentation  Liber  den  bisherigen  Verlauf  der  Aktionen 
verteilen  zu  kb'nnen,   arbeiteten  die  Jugendlichen  eine  ganze  Macht  hin- 
durch.  Auf  dem  Dach  hiSten  die  Jugendlichen  rote  Fahnen,  die  die  Ein- 
heit  des  Kollektivs  und  Solidaritat  mit  anderen  besetzten  Hausern  aus- 
driicken  soil  ten. 

Am  1.  April   fand  die  groSe  Besetzungsfete  statt,  die  von  dreihundert 
Leuten  besucht  wurde.   Das  Fernsehen  filmte,  Musikgruppen  spielten 
kostenlos.und  die  Jugendlichen  diskutierten  und  informierten.  Solida- 
ritatserkla'rungen,  die  aus  anderen  Stadten  eintrafen,  wurden  ausgestellt, 
die  Wande  mit  Parolen  beschrieben  und  mit  Photos  und  Zeitungsaus- 
schnitten  beklebt.  Oberall   standen  mit  roter  Farbe  gemalte  Spruche 
am  Haus:  Mut  und  Solidaritat,   damit  es  uns  besser  geht!   -  Kampf  - 
Auf  den  Mulltonnen  stand:  In  die  Mulltonnen  mit  dem  EGD! 

Das  Gefu'hl  der  Solidaritat  schlug  sich  im  gemeinschaftlichen  Leben 
nieder.  Das  Leben  im  Haus  wurde  jeden  Tag  reflektiert.  Auf  einer 
Wandzeitung  standen  die  anfallenden  Probleme  des  Tages.  Abends  waren 
sie  Grundlage  flir  die  Vollversammlung.Der  Hausputz  und  der  KLichen- 
dienst  wurden  gemeinsam  organisiert.  Darauf  legten  sie  besonderen  Wert, 
damit  das  Gesundheitsamt  oder  andere  Institutionen  keine  Vorwande 
finden  sollten,  das  Kollektiv  zerstdren  zu  ki5nnen.  Die  Jugendlichen 
zogen  in  den  Trakt  urn,  in  dem  frliher  die  Sozialarbeiter  gewohnt  hat- 
ten.  Alte,  unbrauchbare  Schranke  und  Gerumpel  wurden  verbrannt.  Sie 
gestalteten  alles  nach  ihrem  Geschmack,  stellten  Blumen  in  den  Tages- 
raum  und  schafften  in  ihren  Zimmern  eine  gemiitlichere  Atmosphare.   Die- 
ser Trakt  mit  seinen  kleinen  Raumen  erinnerte  sie  nicht  so  sehr  an 


das  alte  Heimleben  und  den  Bau  mit  seinen  langen  Gangen,  die  wie  Ge- 
fangnisflure  aussahen. 

Der  massive  Druck  der  Jugendlichen,   ihre  Verhandlungspraxis  und  vor 
alien  Dingen  die  errungene  Solidaritat  bewegte  den  EGD  zu  einer  neuen 
Taktik.  Mit  Hilfe  des  Jugendamtes  wollte  er  die  Jugendlichen  zu  Kom- 
promissen  bewegen.  Der  letzte  Versuch,  mit  Hilfe  des  Jugendamtes  die 
Selbstorganisierung  der  Jugendlichen  zu  verhindern,  scheiterte  jedoch 
an  der  Entschlossenheit  und  Beharrlichkeit  des  Kollektivs:   Das  Jugend- 
amt und  der  EGD,  die  sich  zu  einer  Sitzung  im  MH  um  ca.   20  Minuten 
verfrliht  hatten,  muBten  vor  dem  Haus  warten.  Als  der  Leiter  des  Jugend- 
amtes Korner  (SPD)  mit  einem  Tonband  das  Gesprach  aufzeichnen  wollte, 
wurde  das  Gerat  von  den  Jugendlichen  kontrolliert  und  durfte  nur  bei 
Reden  von  Mitgliedern  des  Jugendamtes  und  EGD  eingeschaltet  werden. 
Unverrichteter  Dinge  muBten  der  EGD  und  das  Jugendamt  wieder  abziehen. 
Als    "christlicher"  Trager  konnte  der  EGD  die  Jugendlichen  jedoch  nicht 
einfach  mit  Gewalt  aus  dem  Hause  holen  lassen.  Er  hoffte  jetzt,  das 
Kollektiv  wiirde  innerhalb  kurzer  Zeit  auseinanderfallen,  tauchte  des- 
halb  nicht  mehr  auf  und  uberlieB  das  Haus  erst  einmal   den  Jugendlichen. 
Er  schrieb  Rundbriefe  an  Eltern  und  Jugendamter,   in  denen  er  sich 
jeglicher  Verantwortung  fur  das  MH  entziehen  wollte.  Den  Jugendlichen 
wurde  klar,  daB  nicht  nur  der  EGD,  sondern  auch  die  Jugendamter  schon 
den  Versuch  ihrer  Selbstorganisation  zerstdren  wollten. 


Sie  standen  nun  vor  einer  doppelten  Aufgabe:  Einmal  muBten  sie  sich 
vor  Einqriffen  des  Jugendamtes  schUtzen,  welches  versuchte,  verein- 
!plt  Juqendliche  aus  dem  Kollektiv  zu  holen.  Andererseits  war  es  von 
aroBer  Notwendigkeit,  das  Kollektiv  nach  innen  zu  stabilisieren. 
Die  Mitarbeit  der  Genossen  des  AKSp  bekam  einen  neuen  Scnwerpunkt. 
Die  Jugendlichen  hatten  ihre  unmittelbaren  Autoritaten  abgeschafft: 
Sozialarbeiter,  Klichenpersonal ,  Hausmeister  und  vor  allem  den  Trager. 
Risher  wurden  sie  mit  Essen,  wohnung  und  Taschengeld  versorgt.  Nun  wa- 
ren sie  gezwungen,  selber  dafiir  zu  sorgen  und  sich  Arbeit  zu  sucnen. 


Heute  stellt  sich  dieses  Problem  neu  fur  sie  dar.   Ihre  grundlegende 
Situation, Lohnarbeiter  im  Kapi  talismus  zu  sein,  hat  sich  nicht  veran- 
dert.   Die  Auswirkungen  der  kapi talistischen  Widerspriiche  haben  sie    in 
ihrem  kleinen  Lebensbereich  erfahren.  Nun  stellt  sich  ihnen  die  Auf- 
gabe,  Einsicht  in  die  Totalitat  der  Gesamtgesel lschaft  zu  gewinnen,    urn 
dann  entsprechend  u'ber  den  bisherigen  Rahmen  handeln  zu  kbnnen. 

Biirgerinitiativen,  selbstverwaltete  Jugendzentren  und  andere  Hausbe- 
setzungen  sind  Ausdruck  der  Unzufriedenhei  t  mit  dem  System.  Sie  wehren 
sich  gegen  das  faule  KompromiI31ertum  der  Gewerkschaftsburokratie  und 
der  Sozialdemokratie.  Die  Arbeiterklasse  beginnt,  in  sie  das  Vertrauen 
zu  verlieren  und  entwickelt  immer  mehr  Initiativen  und  kampft  fiir 
seine  Interessen  und  Bedlirfnisse. 

Die  linken  Qrganisationen,  die  sich  ihnen  heute  von  au|3en  anbieten, 
mit  FiihrungsanspriJchen  auftreten  und  deren  politische  Inhalte  flir  sie 
nicht  nachvollziehbar  sind,  werden  dann  abgelehnt,  wenn  sie  sie  fiir 
ihre  organisationsspezifischen  Interessen  kadern  wollen. 

Alle  bisherigen  Versuche,  das  Kollektiv  zu  zerschlagen,  hatten  bis 
heute  keinen  Erfolg.   Deshalb  wurde  der  EGD  gezw'jngen,  die  Verhandlungen 
um  einen  Nutzungsvertrag  mit  den  Jugendlichen  wieder  aufzunehmen.   Die 
Sicherung  des  kollektiven  Lebens  und  die  Aufhebung  der  Illegalitat  durch 
einen  Vertrag  gibt  den  Jugendlichen  einen  besseren  Ausgangspunkt, 
langfristige  Perspektiven  zu  entwickeln,  damit  die  tatsachlichen 
Ursachen  UNSERER  Misere  von  ihnen  weiter  aufgedeckt  und  weiteres 
Handeln  mb'glich  wird. 


Bernd  Rabehl:  Geschichte  und 
Klassenkampf 

Aras  Oren:  Was  will  Niyazi  in  der 
NaunynstraGe 

F.  C.  Delius:  Unsere  Siemens-Welt 

Jahrbuch  zum  Klassenkampf  1973 

Peter  Schneider:  Lenz.  Eine 
Erzahlung  von  1968  und  danach 

D.  B.  Rjazanov:  Marx  und  Engels 
fur  Anfanger 

Yaak  Karsunke:  Joset  Bachmann/ 
Sonny  Liston 

Eschen/Plogstedt/Sami/Serge: 
Wie  man  gegen  Poiizei  und  Justiz 
die  Nerven  behalf 


Rotbiicher 


KKS  Bielefeld 

Das  Lehrstlick  Brackwede 

oder:   Die  objektiven  Grenzen  der  'fort- 

schrittlichen'  Jugendamtspolitik  im  Recht 


Es  geht  in  dem  folgenden  Bericht  nicht  darum,,  die  Aktivitaten  und 
Ereignisse,  die  sich  im  und  um  das  Arbeiterjugendzentrum  Brackwede 
(AJZ)   abgespielt  haben,  minutibs  wiederzugeben.   (1)   Vielmehr  kommt  es 
uns  bei    diesem  ersten  Versuch,  die  Ereignisse  interpretierend  dar- 
zustellen,  darauf  an,   das  Niederschlagen  dieses  Ansatzes  der  Selbst- 
organisation  von  Jugendlichen  durch  Sozialburokratie  und  Poiizei   als 
"systembedingte  ZwangsTa'ufigkeiten"  erkennbar  zu  machen,   die  sich 
aus  der  spezifischen  Stellung  des  Jugendamtes  innerhalb  der  kapi ta- 
listischen  Gesellschaft  und  der  im  engeren  Sinne  handlungskonsti tuie- 
renden  Grundlagen  des  Jugendamtes,  insbesondere  dem  Recht,  notwendig 
ergeben.  Da|3  sich  bei  diesem  ersten  Versuch,  den  es  weiter  zu  ent- 
wickeln gilt,  notwendig  Brliche  und  Verkurzungen  feststellen  lassen 
werden,    liegt  darin  begriindet,  daB  wir  erst  beginnen,   uns  mit  diesem 
Thema  zu  befassen. 


29 


I.  Vom  Jugendheim  zum  Arbeiterjugendzentrum  (AJZ) 


"Sechs  Tage  lang  gab  es  in  Brackwede  ein  Arbeiterjugendzentrum.  Ein 
Haus  der  offenen  TUr  wurde  besetzt  und  von  den  Jugendlichen  selbst 
verwaltet.   In  diesen  6  Tagen  wurden  Jugendliche,  die  das  Haus  besetz- 
ten,  zu  Kriminellen  abgestempelt.   In  diesen  6  Tagen  wurde  ein  progres- 
sives Jugendamt  von  diesen  Jugendlichen  zum  Handlanger  des  Kapita- 
lismus  abgestempelt....   In  diesen  6  Tagen  wuchs  unter  den  Jugendli- 
chen Solidaritat:  Solidaritat  zwischen  Arbeiterjugendlichen  und  Stu- 
denten, zwischen  Schlilern  und  Lehrlingen."  blatter,  nr.   270  (Zeit- 
schrift  des  bielefelder  jugendkulturringes) 


Das  Jugendheim  Brackwede  wurde  im  Juli   1972  als  stadtische  HOT  eroff- 
net.  Als  Heimleiter  fungierte  ein  Sozialarbei ter  (Rietschel),  der  zu 
den  Jusos  gehbrt  und  der  anfanglich  die  Anstrengungen  der  "nebenamt- 
lichen"  Mitarbeiter  (Schliler,  Studenten),  ein  Arbeiterjugendzentrum 
zu  errichten,  unterstutzte.   Die  Jugendliche,  die  ins  HOT  kamen,  stamm- 
ten  zum  ijberwiegenden  Teil  aus  den  untersten  Schichten  der  Arbeiter- 
klasse;  viele  von  ihnen  kommen  aus  kaputten  Familien,  haben  "Erfah- 
rung"  mit  Flirsorgeheimen,  sind  "ankriminalisiert",  ein  Teil   arbeitet 
nicht  regelmaBig  -  kurz:   im  blirgerlichen  Jargon  ist  ein  Teil  dieser 
Jugendlichen  eine  Rockerbande,  obwohl  dies  nicht  zutrifft.  Tatsache 
ist  vielmehr,  daB  der  GroSteil    dieser  Jugendlichen  aufgrund  ihrer 
restriktiven  Sozialisationsbedingungen  keine  oder  nur  eine  ungenugen- 
de  Qualifikation  ihrer  Ware  Arbeitskraft  erhalten  haben  und  deshalb 
kaum  eine  Chance  besitzen,  eine  langfristige  Arbeit,  die  einigerma&en 
bezahlt  wird,  zu  erhalten  und  die  -  aus  eben  diesen  Grunden  -  unter 
einem  hohen   'Kriminalitatsdruck'  stehen. 

Auf  diesem  Hintergrund  sind  die  folgenden  Daten  Liber  die  chronologi- 
sche  Entwicklung  des  Konflikts  mit  dem  Jugendamt,  die  wir  aus  einer 
Darstellung  der  ehemaligen  Mitarbeitergruppe  Ubernehmen,  zu  lesen. 
Wir  haben  diese  Darstellung  bewuSt  unverandert  gelassen,  urn  dem  Leser 
die  Mb'glichkeit  zu  geben,  die  Entwicklung  der  Aktivitaten  und  des 
BewuBtseinsstandes  sowohl  der  Mitarbeiter  als  auch  der  beteiligten 
Jugendlichen  anhand  der  zusaramengetragenen  Stichworte  nachzuvollzie- 
hen.  An  diese  Schilderung  schlieSt  sich  die  Plattform  des  Aktions- 
komitees  "Kampf  fiir  ein  Arbeiterjugendzentrum"  an. 


30 


» 


Chronologischer  Ablauf  der  Entwicklung  vom  Jugendheim  zum  Arbeiter- 
jugendzentrum 


1.   Phase  Juli-Dez.  72 

"Rietschel  nur   l/3-btelle  im  Jugendheim,  Mitarbeiterkreis  aus  ca. 
15  Schlilern,  3  FHS  u.  4  PH  od.  Uni studenten. 

Weitgehend  unpolitische,  hauptsachlich  techm'sch-organisatorische 
Aufgaben,  groGe  Fluktuation. 

Entwicklung  des     Orgahisationsmodells:  Kinder-,  Jugend-,  Hobbygruppe 
und  Mitarbeiterschulung. 

Kindergruppe:  Ansatz  zur  Sexualarbeit:    'KuBgruppe'   groBer  Anklang, 
standig  2U-30  Leute. 

Juqendgruppe:   ca.   10  -  15  Leute,   "Schlilerschule"  gelesen,  per  Diskus- 
sion  Auf I i stung  von  Problemstellungen;   schnelles  Abbrb'ckeln  des  In- 
teresses,  weil  zu  theoretisch. 

Hobbygruppe:  Gitarrengruppe,  Bastelgruppe,   Tanzgruppe,  dauernd  Disko- 
thek. 

Mitarbeiterschulung:   ungefahr  seit  Oktober  war  alien  Mitarbeitern  klar, 
"dali  gesel  Ischat'tliche  Bestimmung  der  Arbeit  notwendig.   Immer  noch 
keine  Zusammenarbeit  mit  den  Heimbesuchern. 

Wahl  eines  Leitungsteams  zur  Koordinierung  der  Arbeit,  zur  Anlei- 
tung  der  Mitarbeiter  und  zur  Regelung  von  Personal fragen. 
Versuch  der  Umsetzung  von  Theorie  und  Praxis.  Theoretische  Schulung 
(pol.-Ok.-Schulung,  Stalin)  jedesmal  gescheitert,  Weil  zu  schwierig 
(auch  drei  Jungarbeiter  arbeiteten  im  Mitarbeiterkreis  mit)   und  zu 
wenig  praxisbezogen. 
Anfang  Dez.   72 

Erste  tlesprache  Liber  die  Selbstverwaltung  der  Mitarbeiter.  Grund: 
drohende  SchlieBung  des  Heimes,  da  durch  kommende  Neuordnung  des  Bie- 
lefelder Raumes  der  Heimleiter  Rietschel   abgezogen  werden  und  Ersatz 
so  schnell   keineswegs  vorhanden  sein  wlirde. 
Mitte  Dez.   72  Vlotho-Seminar 
"Kbsprachen  mit  Rietschel,  Schmidt  und  Kleist. 

Hauptdiskussionspunkte:   Finanzierungsmoglichkei  ten,  Gewahrlei  stung 
des  organisatorischen  Ablaufs,  Verantwortungsfrage. 
Ergebnis:  Rietschel   fungiert  weiter  als  Heimleiter,  ist  aber  praktisch 
im  Jugendamt. 
ca.   20.12.72 

Erste  I  lung  der  Konzeption   (Legitimationspapier)  Eher  ein  konservati- 
ves,  denn  ein  fortschrittliches  Papier.  Jugendamt  stimmt  der  Konzep- 
tion und  der  darin  vertretenen  Selbstorganisation  der  Mitarbeiter  zu. 
20.12.72  -  4.1.73 

Interne  Weitertuhrung  des  Konzepts,   abgesprochen  auch  mit  Rietschel, 
Schmidt  (einmal  auch  mit  Sandmann)  in  der  StadtbrLicke. 
Ziel:   Selbstorganisation  der  Mitarbeiter  und  der  Jugendlichen  durch 
TrTnrTchtung  eines  Arbeiterjugendzentrums,  gegliedert  in  Jungarbeiter-, 
Lehrlings-  und  Schulerzentrum  sowie  Kinderarbeitsgruppen. 
Einzelgruppen  wahlen  Delegierte  in  a)  OrganisationsausschuB  b)  Lei- 

tungsausschuB. 

jegliche  Entscheidungsbefugnis  nur  bei  der  Hausversammlung. 

5  -7.1.73  Neuland  Bildungsstatte  bei   Bielefeld 

■vtra^schiedung  dieses  Konzepts  in  einem  Vorbereitungsseminar  unter 

Teilnahme  aller  Mitarbeiter  (Initiatoren)  sowie  Rietschel  und  Schmidt.  31 


32 


Daruber  hinaus  Bezahlung  der  Mitarbeiter  abgeschafft.   (JA  zunehmend 
skepti'sch) 

8.1 .73  Erb'ffnung  des  Heims  (als  Arbeiterjugendzentrum) 
Jugendamt  und  reaktionarer  Teil  des  Mitarbeiterkreises  legen  von  An- 
fang  an  Steine  in  den  Weg:  Finanzierung  funktionierte  nicht,  Intrigen 
gegen  uns  bei  Praktikanten. 

Hauptinhalt  der  praktischen  Arbeit:   Einzelfallhilfe  (Flirsorge,  Eltern, 
Arbeit,  Krankenhaus  etc.) 

Keine  Disziplinierung:  nachts  schlafen  zunehmend  mehr  und  mehr  Jugend- 
liche im  Heim,  vornehmlich  solche,  die  sonst  nirgend  hin  kbnnen. 
Chaotische  Phase:  Saufen,  Schlagereien,   Demolierungen  - 
Jedoch:  Ansatzweises  Erkennen  der  Unmbglichkeit  die»er  Phase.  Selbst- 
hi  |fe  der  Besucher:  z.B.  Kassenorganisation,  Aufraumen  etc. 
Suche  nach  Diskussionen  liber  Betrieb  und  Elternhaus. 
Interesse  flir  studentische  Funktion  im  HOT  etc. 

Gerade  in  dieser  vielversprechenden  Phase  Haufung  von  Anzeigen  und  Be- 
schwerden  beim  JA,  die  jedoch  sich  nicht  unterscheiden  von  Konflik- 
ten  in  anderen  Bielefelder  Jugendheimen  z.B.  Matthaus,  Ummeln,  Nieder- 
mlihlenkamp. 

Trotzdem  willkommener  AnlaS  fur  JA  zum  Eingreifen,  Angeblich  will  man 
mit  uns  verhandeln,  wir  bekommen  jedoch  die  Information,  daB  die  Ver- 
handlung  in  der  Ankundigung  der  Wiedereinsetzung  eines  hauptamtl ichen 
Jugendheimleiters  bestehen  werde. 

Daraufhin  entwerfen  wir  am  Abend  vor  dieser  Verhandlung  ein  Flugblatt, 
das  die  Forderung,  die  wir  gesprachsweise  von  den  Jugendl ichen  erfuh- 
ren,  artikulierte. 

Mit  20  Leuten  wurde  das  Flugblatt  diskutiert,   die  Jugendl ichen  stellten 
sich  voll  dahinter. 
yollversamnilung 

Bei  der  Vollversammlung  am  nachsten  Tag  waren  ca.  30  Jugendliche,  die 
Mitarbeiter  Schmidt  und  Rietschel   anwesend. 

Nach  kurzer  Zeit  kam  das  Gesprach  -  von  den  Jugendl ichen  selbst  ini- 
tiiert  -  auf  ihre  praktischen  Erfahrungen  mit  dem  JA  (Fiirsorge,   FE- 
Heime) 

Die  Darstellung  ihrer  Erfahrungen  ging  nicht  ohne  Emotionen  ab,    und 
als  die  Vertreter  des  JA  das  Wort  ergreifen  wollten,  wurden  sie  und 
ihre  fluBerungen   ('man  muB  ja  auch  bestimmte  Spielregeln  beachten1) 
spontan  mit  dem  vaterlich-fursorgerischen  Verhalten  der  FE  identi- 
fiziert. 

Da  die  Jugendlichen  hier  erstmals  die  Gelegenheit  hatten,   vor  JA-Ver- 
tretern  ohne  Angst  vor  Sanktionen  ihren  Emotionen  freien  Lauf  zu  las- 
sen,  lieBen  sie  die  JA-Vertreter  gar  nicht  mehr  zu  Wort  kommen. 
Wir  bezogen  eindeutig  die  Position  der  Jugendlichen.   Dieses  Verhal- 
ten wird  uns  heute  noch  vom  JA  als  manipulativ,  aufwieglerisch  vorge- 
halten.  Aber:  Niemand  kann  die  Jugendlichen  besser  agitieren,  als  ihre 
Erfahrungen  mit  der  Fiirsorge!!! 
2  Tage  spater 

trneute  Gesprache,  diesmal  mit  Schulz  u.  anderen  Vertretern  des  JA, 
Jugendliche  durften  kaum  teilnehmen. 

Das  JA  legte  ein  Disziplinierungspapier  vor,  setzt  Heimleiter  Rietschel 
wieder  ins  Haus,  -  wir  sind  ohnmachtig. 

In  alien  Gespra'chen  keine  inhaltliche  Gegen konzepti on,  nur:   so  nicht! 
12.2.73    HeimschHeBung 
ltn  Mitarbeiterkreis  Besetzung  diskutiert,  keine  Chance 


Hansgeorg   Conert 

Gewerkschaften 

heute 

Ordnungsfaktor 
oder  Gegenmacht? 

Funktion  und  Strategic 

der  Gewerkschaften  im  Spatkapit alismus 

Ein  kritischer  Beitrag  zur  Standort- 
bestimmung  der  Gewerkschaften  in  der 
BRD  heute.  Ausgangspunkt  ist  die  Er- 
wartungshaltung  der  Mitglieder  gegen- 
iiber  den  Gewerkschaften.  Es  wird  ver- 
deutlicht,  daB  organisierte  wie  auch 
nichtorganisierte  Lohnabhangige  von 
den  Gewerkschaften  die  Durchsetzung 
von  Anspriichen  erwarten,  die  den 
engen  Rahmen  der  vom  Profitziel  dik- 
tierten  Funktionsbedingungen  des 
Spatkapitalismus  sprengen .  Die  Ge- 
werkschaften stehen  vor  der  Entschei- 
dung:  integrieren  sie  sich  in  das 
System  des  organisierten  Kapitalismus 
oder  begreifen  sie  ihre  Aufgabe  als 
antikapitalistische  Gegenmacht  und 
gehen  zu  einer  Strategie  der  Durch- 
setzung systemverandernder  Reformen 
liber? 

Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  h 
Postfach  591,  Hohe  Str.  28  (DM  3 • 3o ) 


',. 


34 


Resignation  bezliglich  dieser  Arbeit 

Dokumentation,  theoretische  Analyse,  Pol .Ok. -Schulung. 

Pause  bis  20.2.   kaum,  nur  sporadische  Kontakte  zu  den  Jugendlichen 

19.2.73 

Neue  Westfa'lische   (NW)   -  SPD-nahe  Bielefelder  Zeitung: 

Protest  der  Jungen  Union  wegen  SchlieBung 

20.2.73 

NW:  Gegendarstellung  des  JA 

20.2.73 

NW:  SPD-Geschaftsfu'hrer  Hunger  wirft  der  Jungen  Union    "Aufberei  tung 

zum  Wahlkampfthema"  vor. 

24.2.73 

NW:  Wir  waren  liber  die  miesen   Darstellungen  anfangs  nur  sauer.    Reagie- 

ren  nun  spontaneistisch  mit  Gegendarstellung  ohne  Zielperspekti ve, 

es  sei  denn  Information. 

28.2.73 

NW:   JA'reagiert  in  infamster  Weise:   Manipulationsvorwurf . 

13.3.73 

MU J'  VH r  reagieren  erneut  in  der  Zeitung.  Fordern  bffentliche  Diskussion 
mit  JA  im  HOT.   Diskussion  wird  abgelehnt  (wegen  Wahlkampf ) .Wir  bekom- 
men  keinen  Raum  im  HOT. 
20.3.73 

Wir  sehen  es  inzwischen  als  unerla'Blich  an,  liber  den  richtigen  Sach- 
verhalt  zu  informieren. 

Besorgen  flir  23.3.   (Freitag)  einen  Raum  in  der  Gaststatte    'Tanneneck1. 
Entwerfen  erstes  Flugblatt:  Jugendheim-Report. 
21.3.73 

WiY  verteilen  das  Flugblatt  (noch  allein)   vor  Brackweder  Betrieben   und 
Schulen  und  verschicken  es  gezielt  an  Jugendvertreter. 
21.U.23.3.73 

Wir  vertei  I  en  in  Brackwede/TreppenstraBe  und  Bielefeld/BahnhofstraBe . 
Die  Veranstaltung  am  nachsten  Tag  ist  immer  noch  ohne  explizite  Ziel- 
perspekti ve  (es  sei   denn  Information) 
kurz  andiskutierte  Perspektive:  wir  kbnnen  Gruppen  bilden 
23.3.73  Tanneneck 
Verlauf  der  Veranstaltung: 

-  Lage  der  Arbeiterjugendlichen 

-  Konzept  und  Praxis  des  AJZ 

-  Theoretische  Einschatzung  aus  der  Praxis  heraus 
zur  Funktion  blirgerlicher  Sozialarbeit 

-  Arbeiterfeindliche  Politik  des  SPD-Jugendamtes 
ca.   70  Teilnehmer 

Diskussion:  spontane  Forderung:  Wiedereinrichtung  des  AJZ,  mbglicher- 
weise  Besetzung 

Bildung  des  Aktionskomitees   "Kampf  flir  ein  Arbei terjugendzentrum" 
Ende  Ma'rz/Anfang  April 

Das  Aktionskomi tee  "Kampf  fur  ein  Arbeiterjugendzentrum",   das  zur  Half- 
te  aus  Mitgliedern  verschied.   nicht-revisionistischer  Organisationen 
Bielefelds  und  zur  anderen  Halfte  aus  unorganisierten  Jugendlichen 
(z.T.  ehemalige  HOT-Besucher)   bestand,  erarbeitete  sich  eine   "Platt- 
form",  die  dazu  dienen  sollte,  die  Einschatzungen  und  Kampfformen 
und  -ziele  der  Beteiligten  zu  vereinheitlichen  und  flir  weitere  Orga- 
nisationen als  Grundlage  der  mdglichen  Mitarbeit  gelten  sollte. 


Plattform  des  Aktionskomitees  "Kampf  flir  ein  Arbeiterjugendzentrum" 


Das  SPD-Jugendamt  Bielefeld  hat  Ende  Januar  dieses  Jahres  den  Versuch 
abgew'u'rgt,  im  Jugendheim  Brackwede  ein  Arbeiterjugendzentrum  zu  er- 
richten.   Das  Arbeiterjugendzentrirm  Brackwede  sollte  von  Jungarbeitern, 
Lehrlingen,  Schiilern  und  anderen  fortschrittlichen  Menschen  selbst  auf- 
gebaut  und  geleitet  werden.   Im  Arbeiterjugendzentrum  sollte  der  Kampf 
aufgenommen  werden  gegen  die  Verschlechterung  der  Lebens-  und  Arbeits- 
bedingungen  der  werktatigen  und  schulpflichtigen  Jugend: 

Die  Arbeiterjugend  ist  ein  besonders  rechtloser  und  ausgebeuteter  Teil 
der  Arbeiterklasse;  sie  soil  durch  eine  Vielfalt  von  Gesetzen  vom  Be- 
triebsverfassungsgesetz  bis  zum  Jugendschutzgesetz  gefesselt  werden. 
Ihre  Arbeitskraft  wird  standig  liber  das  erlaubte  MaB  eingesetzt  und 
mit  einem  Lohn  bezahlt,  der  unter  dem  Existenzminimum  liegt.  Die  El- 
tern  der  Jugendlichen  sind  die  Leidtragenden  dieser  Ausbeutung:  sie 
mu'ssen  die  Ausbildung  der  Jugendlichen  tragen,  da  ihre  Kinder  nicht 
einmal  das  Nbtigste  zum  Leben  bezahlen  konnen.  Die  Familie   ,  die  die 
Kapitalisten  mit  groBen  Worten  verteidigen,   ist  von  ihnen  langst  ihrer 
wirtschaftlichen  Basis  beraubt  worden.  Die  meisten  Arbeiterfrauen  ralis- 
sen  arbeiten,  urn  der  Familie  mit  den  Unterhalt  zu  sichern. 

Das  Resultat:  Fast  ein  Viertel    aller  Hauptschulabganger  sieht  sich 
auBerstande,  eine  Lehre  zu  beginnen,  vor  allem  deshalb,  weil  die  El- 
tern  die  Ausbildung  nicht  bezahlen  konnen.   Die  Ausbildung  in  Handwerk 
und  Industrie  wird  standig  rationalisiert  und  verschlechtert.   Ein  er- 
heblicher  Teil   der  im  Handwerk  eingesetzten  Auszubildenden  muB  sofort 
nach  der  Lehre  den  Beruf  wechseln,  weil   das  Handwerk  die  Jugendlichen 
als  billige  Arbeitskrafte  einsetzt  und  standig  mehr  Lehrlinge  ein- 
stellt,  als  nach    der  Lehre  im  Beruf  eingesetzt  werden  konnen. 
Die  Zahl   derjenigen,  die  in  der  Industrie  eine  Ausbildung  erhalten, 
wird  standig  eingeschrankt.   Die  Zahl  der  Un-  und  Angelernten  nimnt 
standig  zu. 

GroBe  Teile  der  Arbeiterjugend  werden  in  Flirsorge-  und  Erziehungshei- 
me  gesteckt,  urn  sie  fur  die  kapitalistische  Produktion  gefligig  zu 
machen.  Die  Sozialbiirokratie  versucht  standig  in  der  blirgerlichen 
Jugendpflege,  der  Arbeiterjugend  eine  Interessenharmonie     zwischen  der 
Arbeiterschaft  und  den  Kapitalisten  zu  verkaufen  und  so  ihre  Lage 
zu  verschleiern. 

Arbeiterjugendzentrum  kontra  Unterdruckung  und  Diziplinierung  der 

Arbeiterjugend  in  der  kapitalistischen  Produktion! 

Existenzlohn  flir  Lehrlinge  600  DM! 

Streikrecht  flir  Lehrlinge! 

Arbeiterjugendzentrum  kontra  Unterdruckung  und  Disziplinierung  der 

Arbeiterjugend  in  stadtischen  Jugendheimen,  Erziehungsanstalten  und 

Jugendstrafanstalten! 

Im  Arbeiterjugendzentrum  soil  eingerichtet  werden: 
.  ein  Lehrlings-  und  Jungarbeiterzentrum  mit  Diskussions-  und  Aktions- 
qruppen  flir  GroB-  und  Handwerksbetriebe,   in  denen  man  sich  mit  ande- 
ren Lehrlingen  und  Jungarbeitern  liber  die  betrieblichen  MiBstande  klar-35 


36 


werden  und  etwas  dagegen  unternehmen  kann. 

-  eine  Filmgruppe,  in  der  Lehrlinge,  Jungarbeiter  und  Schuler  gemein- 
sam  einen  Film  iiber  ihre  Situation  drehen  kbnnen, 

-  eine  Zeitungsgruppe,  die  eine  Arbeiterjugendzeitung  herausgibt 

-  ein  Wohnkollektiv  fur  Lehrlinge  und  Jungarbeiter,  die  aus  ihren  mie- 
sen  Wohnlbchern  herauskommen  wollen, 

-  die  tatsachliche  Selbstorgam'sation  der  Jugendlichen  im  Arbeiterju- 
gendzentrum Brackwede. 

Mit  der  Verscharfung  der  Klassenauseinandersetzungen  seit  1967/68 
rlistete  die  BRD  sich  verstarkt,  urn  die  "innere  Sicherheit"  zu  erhalten, 
das  heiBt,  um  aufbrechende  Klassenkampfe  niederzuschlagen.  Zu  diesem 
Zweck  wurden  die  Notstandsgesetze  verabschiedet,  der  Bundesgrenzschutz 
zur  Burgerkriegsarmee  ausgebaut  und  weitere  Schritte  unternommen  bis 
hin  zur  Planung  eines  Berufsheeres.  Mit  dem  WehrkundeerlaB  soil   der 
Militarismus  in  den  Schulen  verankert  werden,  in  der  Bundeswehr,   in 
der  die  Kollegen  in  Uniform  einen  geringen  Lohn  bezahlt  bekommen,  soil 
jede  fortschrittliche  Bewegung  durch  Disziplinarstrafen  im  Keime  er- 
stickt  werden. 

Erhbhung  des  Solds  auf  die  Hone  eines  Facharbeiterlohnes ! 

Kampf  dem  Maulkorberlass 

Arbeiterjugendzentrum  kontra  mil itarische  Verhetzung  in  Schulen,  Hoch- 

schulen,   Presse,  Rundfunk  und  Fernsehen! 

Die  Bedlirfnisse  der  arbeitenden  Jugend  nach  Tanz,  Musik  und  Spielen 
werden  von  den  Kapitalisten  fiir  ihre  Profitmacherei  ausgenutzt.  Die 
sexuellen  Wlinsche  der  Jugendlichen  werden  durch  eine  ganze  Industrie 
Yon  Scheinangeboten  und  Programmen  burgerlichen  Konkurrenzdenkens  ver- 
zerrt. 

Arbeiterjugendzentrum  kontra  Verdummung  der  Arbeiterjugend  durch  die 
Verdummungs-  und  Unterhaltungsindustrie! 

Im  Arbeiterjugendzentrum  sollen  viele  Musik-  und  Tanzveranstaltungen, 
die  dem  Interesse  der  Jugendlichen  entsprechend,  stattfinden. 
Die  blirgerliche  Klassenschule  gewahrt  der  Arbeiterjugend  nur  eine 
auBerst  schlechte  Ausbildung.   Vollgestopft  mit  der  burgerlichen  Ideo- 
logic sollen  sie  zu  gefugigen  Arbeitern  gemacht  werden.   Oberfullte 
Klassen,  gro(3er  Lehrermangel ,   nicht  genligend  Lehrmittel,  dies  erwar- 
tet  die  Arbeiterjugend  hinter  den  Schultliren.  Die  reaktionare  Schul- 
blirokratie  versucht  den  Kampf  vieler  Schuler  durch  politische  Diszi- 
plinierung und  den  Abbau  demokratischer  Rechte  zu  untergraben.  Dazu 
komrnt  ein  umfangreiches  System  der  Spaltung  und  Auslese  in  Schulzwei- 
ge  und  Leistungsklassen. 

Arbeiterjugendzentrum  kontra  Verdummung  und  Disziplinierung  der  Ar- 
beiterjugend in  der  kapitalistischen  Klassenschule! 

Die  Bielefelder  SPD-Sozialbiirokratie  hat  versucht,  die  Einrichtung 
eines  selbstorganisierten  Arbeiterjugendzentrums  im  Brackweder  Jugend- 
heim  zu  verhindern.  AnschlieSend  wurde  das  Heim  geschlossen,  weil 
die  Arbeiterjugend! ichen  sich  weigerten,  einen  konventionellen  Heim- 
betrieb  zu  akzeptieren. 


Kampfen  wir  fiir  die  Durchsetzung  des  Arbeiterjugendzentrums  Brackwede! 


Prinzipien  der  Arbeit  der  Organisationen  im  Aktionskomitee 
"Kampf  fiir  ein  Arbeiterjugendzentrum" 

1.  Das  Aktionskomitee   "Kampf  fiir  ein  Arbeiterjugendzentrum"  hat  die 
Aufgabe,  geeignete  MaBnahmen  zur  Durchsetzung  des  Arbeiterjugendzentrums 
zu  ergreifen  und  bei  der  Errichtung  cf§s  Arbeiterjugendzentrums  initiie- 
rend  zu  wirken. 

2.  Die  Planung  und  Durchfiihrung  von  Veranstal  tungen  und  Verb'ffentli- 
chungen  in  der  Phase  des  Kampfes  fiir  ein  Arbeiterjugendzentrum  ist 
Sache  des  Aktionskomitees  und  sie  miissen  auf  den  Sitzungen  des  Aktions- 
komitees  beschlossen  werden. 

3.  Die  im  Kotnitee  beteiligten  Organisationen  treten  in  alien  Veran- 
staltungen  und  Verbffentlichungen  des  Komi  tees  nur  unter  dem  Namen 
des  Komitees  auf.  Die  Propaganda  fiir  eine  bestimmte  Organisation  soil 
unterlassen  werden. 

4.  Veranstaltungen  und  Verbffentlichungen  der  beteiligten  Organisa- 
tionen, die  im  Zusammenhang  mit  dem  Kampf  des  Arbeiterjugendzentrums 
stehen,  miissen  im  Aktionskomitee  besprochen  werden. 

5.  Keine  der  im  Komitee  arbeitenden  Organisationen  kann  gegenliber  den 
anderen  einen  berechtigten  Fiihrungsanspruch  ableiten. 

Fur  frei'e  politische  Bet'a'tigung  in  Schule  und  Betrieb! 
Kampf  der  politischen  Disziplinierung! 

Nachdem  das  Jugendamt  sich  standig  weigerte,   in  eine  Sffentliche  Dis- 
kussion  mit  dem  Aktionskomitee  "Kampf  fiir  ein  Arbeiterjugendzentrum" 
einzutreten,  kam  es  neben  mehr  Oder  weniger  informellen  Kontakten  und 
einer  Auseinandersetzung  in  der  ortl ichen  Presse  liber  den  Charakter 
von  Jugendarbeit  zu  keiner  Zusammenarbei t  mit  dem  Jugendamt,  das  ledig- 
lich  erklarte,  die  Konzeption  des  AJZ  sei  unannehmbar. . . 
So  kam  es  -  nach  einer  Solidari tatsfete  am  Karsamstag,   zu  der  ca. 
250  -  300  Jugendliche  aus  Bielefeld  und  Brackwede  kamen  -  zu  einer  Be- 
setzung  des  Jugendheims     Brackwede,  Die  Jugendlichen  hatten  erkannt, 
daB  sie  sich  nehmen  miissen,  was  sie  brauchen...    .  Sechs  Tage  konnte 
das  AJZ  gehalten  werden,  dann  wurde  es  von  mehreren  Hundertschaften 
der  Polizei   unter  Bereitstellung  von  Wasserwerfern  und  Einsatz  von 
Hundestaffeln  brutal   geraumt,  obwohl  das  AJZ  vorher  fur  die  Dffentlich- 
keit  gebffnet  wurde.   (2)  Dazu  aus  einem  Leserbrief  v.  4.5.   in  der  NW: 

"Die  Polizei  schleppt  die  Jugend  mit  Gewalt  aus  dem  Haus  der  Jugend: 
das  ist  der  Tatbestand,  und  der  beunruhigt  Sie  wie  mich,  denn  wir  wol- 
len in  einem  Rechtsstaat  und  nicht  in  einem  Polizeistaat  leben.  Nun 
heiBt  es:  Eigentum  -  aber  meine  Kinder  wollen  verdammt  nicht  einsehen, 
daB  das  Haus  der  Jugend  nicht  der  Jugend  gehbren  soil  -  und  ich  kann 
und  will   ihnen  nicht  das  Gegenteil  klar  machen.  Wenn  aber  die  Jugend 
durch  die  Polizei  aus  ihrem  eigenen  Haus  geworfen  wird,   ist  etwas 
schief  gelaufen.  Wir  soil  ten  uns  fragen:  was? 
Sprechen  Sie  einmal  mit  Arbeiterkindern  und  fragen  Sie  sie,  ob  sie  sich  gy 


SOZIALISTISCHES    BURO    +   VERLAG    2000   GMBH 
ALLE    LIEFERBAREN    TITEL:    HERBST    1973 


Ansatzpunkte  sozial  istischer  Politi'k  in  der  BRD  -  Thesen  der 

Arbeitsgruppe  Sozial istisches  Biiro,  DM  2.-- 
Kofler/Buro:  Vom  Handelskapitalismus  zum  Neo-Imperialismus  der 

Gegenwart.   Eine  Einfuhrung  in  die  Entwicklung  der  blirgerlichen 

Gesellschaft,  DM  5.— 
Conert:  Die  politischen  Grundrichtungen  innerhalb  der  deutschen 

Sozialdemokratie  vor  dem  ersten  Weltkrieg,  DM  5.-- 
Evers/Lehmann:  Politisch-Bkonomische  Determinanten  flir  Planung  und 

Politik  in  den  Kommunen  der  BRD,  DM  lo.-- 
Autorenkollektiv 'Assiste/itenpool :   Bedingungen  und  Perspektiven  der 

Stadtteilarbeit.  DM  4.-- 
Van  Spall:  Obersicht  deutschsprachiger  Periodika  der  unabhangigen 

sozial istischen  Linken,  DM  2.5o 

REIHE  BETRIEB  UND  GEWERKSCHAFTEN 
Conert:  Gewerkschaften  heute  -  Ordnungsfaktor  oder  Gegenmacht?  DM  3.3c 
Kosack/Castles:  Auslandische  Arbeiter  und  Klassenkampf ,  DM  4.— 
Redaktionskollektiv  "express":  Gewerkschaftliche  Vertrauensleute  flir 

eine  antikapital  istische  Betriebsstrategie,  DM  2.5o 
Betriebsratswahl  Merck  1972.   Eine  Dokumentation,  DM  4.-- 

REIHE  INTERNATIONALE  SOLIDARITY 
Dokumente  zur  Entwicklung  in  Chile,  DM  5.-- 
Wenzel/Krippendorff/Agnoli :  Klassenka'mpfe  und  Repression  in  Italien. 

Am  Beispiel  Valpreda,  DM  5.— 
Brasilien-Report,  DM  2.5t> 

Industrial isierung,  Fremdkapital   und  Zwangsarbeit  in  Sudafrika.DM  4.- 
Portugal  und  die  NATO,  DM  4.— 

REIHE  ROTER  PAUKER  -  MATERIALIEN  FOR  LEHRER 

Unterrichtseinheit  (LIE)  Arbeit,  DM  4.-- 

UE  Verbal tenssteuerung  -  Abw&ichendes  Verhalten,  DM  4.— 

UE  Lehrlingsausbildung  in  der  BRD,  DM  3.5o 

UE  Lateinamerika,  DM  4.-- 

Disziplinierung  von  Lehrern.  Materialien,  Analysen,  Hinweise  zum 

Berufsverbot,  DM  4.— 
Materialien  zur  Arbeitsfeldanalyse  des  Lehrerberufs,  DM  4.— 
Materialien  zur  Geschichte  der  politischen  Lehrerbewegung  I 

(1789  -  1933),  DM  2.5o 
Materialien  zur  Schulbuchproduktion.  Analyse,  Tendenzen,  Alternativen, 

DM  4.— 

PLAKAT-BAUERNVERLAG 

Alavi:  Theorie  der  Bauernrevolution,  DM  4.— 
Rechtziegler:  Westdeutsche  Landwirtschaft  im  Spatkapitalismus,  DM  5.— 
Bauer  was  nun?  Beitra'ge  zur  Agrarfrage  in  der  BRD,  DM  4.-- 
Kemper:  Marxismus  und  Landwirtschaft,  DM  5.— 

Bergmann:  Agrarpolitik  und  Agrarwirtschaft  sozialistischer  Lander  , 
DM  lo.— 

AuBerdem  BUcher-  &  Paperliste  mit  Liber  3oo  ausgewa'hlten  Titeln 

flir  die  theoretische  Arbeit,  flir  die  Praxis  in  strategisch  wichtigen 

Feldern,  Erfahrungsberichte  projektbezogener  Aktivitaten  etc. 

Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  4,  Postfach  591,  Hone  Str.  28 


in  den  ublichen  JH  wohlfuhlen  oder  nicht  und  weshalb  nicht.  Der  Kun- 
diae  weiB  daB  die  Arbeiterjugend  in  normalen  Jugendheimen  mehr  oder 
weniger  an  die  Wand  gedruckt  wird."  Helmut  Ostermeyer,  Jugendnchter 


II.  Die  Aktivitaten  des  Jugendamtes 

Urn  die  MaBnahmen  des  Jugendamtes,  die  im  folgenden  naher  untersucht 
werden  sollen,  uberhaupt  richtig  einordnen  zu  konnen     erscheint  es 
uns  wichtig,  sich  bestimmter  Grundsachverhalte,  die  die  Handlungsvoll- 
zuge  eines  Jugendamtes  primar  bestimmen,  zu  vergegenwartigen: 

1.   Das  Jugendamt  ist  eine  Institution  des  Staates   (im  weiteren  Sinne) 
uiid  dem  Oberbau  zuzuordnen, 

Marx  beqreift  die  Struktur  jeder  Gesellschaft  durch  die  verschiedenen 
Ebenen  und  Instanzen  konstituiert,  die  durch  eine  spezifische  Deter- 
mination einander  zugeordnet  sind:  die  okonomische  Basis   (Einheit  der 
Produktivkrafte  und  der  ProduktionsverfiaTtnisse)  und  der  Oberbau, 
"der  selbst  zwei   Ebenen  oder  Instanzen  umfasst:  die  juristiscn-politi- 
sche   (Recht  und  Staat)   und  die  Ideologie".   (3)  Die  Begriffsbestiimiung 
Basis  -  Oberbau  verweist  darauf,  daB  die  Instanzen  des  Oberbaus  nicnt 
in  letzter  Instanz  determinierend  sind,  sondern  bestimmt  sind  durch  die 
Wirksamkeit  der  Basis,  "daB,  wenn  sie  auf  ihre  Weise  determinierend 
sind,   sie  es  also  als  determiniert  durcTPdie  Basis 


sina,    s.e  «  a,3U  a, o  uc, -  Tsind)   "   (3)  D.h. 

es  gibt  I.)  eine   'relative  Autonomie'   des  Oberbaus  gegenuber  der  Ba- 
sis    2.)  eine  Ruckwirkung  des  Oberbaus  auf  die  Basis  und  3.)  sind 
beide  Prozesse  bestimmt  durch  die  Entwicklungsprozesse  der  okonomi- 
schen  Prozesse. 

2     Das  Jugendamt  ist  eine  Erscheinungsweise  der  (Sozial-)BUrokratie 
uiid  eingeordnet  in  eine  umfassendere  Burokratie  (Institutionen  der 
Stadt,  des  Landes,  des  Bundes) 

Max  Weber  hat  bekanntlich  die  innere  Struktur  des  staatlichen  Gewalt- 
aDDarates  unter  dem  Modell  einer  biirokratischen  Verwaltung  subsumiert, 
die  qleichermaBen  Inbegriff  formaler  Rationali tat  wie  gesel lschaftli- 
rher  Herrschaft  sei .  Prazisiert  wird  diese  Bestimmung  der  Biirokratie 
durch  die  als  Grundkategorien  "rationaler  Herrschaft"  defimerten  Pro- 
,"',e     namlich:    kontinuierlicher  regelgebundener  Betrieb  von  Amtsge- 
=rhSften     Abgrenzung  der  Kompetenzen  durch  Arbeitsteilung,   gestufte 
Rafphlsaevalt  und  Gehorsamspflicht,  Konzentration  der  Betnebsmitte  . 
4n  Hiinden  einer  nicht-blirokratischen  Spitze  bzw.  Trennung  der  Be- 
Iriebsmittel  von  den  Beamten,  Anstellung  nach  Qualification  in  besol- 
Zter,  hauptberuflicher  Tatigkeit  mit  geregelter  Laufbahn  sowie 
crhriftliche  Fixierung  der  Verwaltungsvorgange.   (4)   "Kennzeichnend 
,n3  verb  ndend  fur  dil  verschiedenen  empirischen  Kritenen     die  Weber 
auswShlte,  ihr  gemeinsames  begriffliches  Element,  ist:  die  Ausubung 
ton  Kontrolle  auf  der  Basis  von  Wissen,  orgamsiert  durch  abstrakte 
toSeS  und  gerichtet  auf  maximale  EffektlvitSt  "   (5)  Diese  burokrati- 
Trhl  Struktur  mit  den  eben  aufgezShlten  Merkmalen  hat  nun  bestimmte 
A^swirkungen  auf  das  konkrete  Handeln  der  Individuen  und  -  was  uns         dy 


hier  primar  interessiert  -  die  Zwecke  der  Institution:  Wichtig  ist, 
daS  in  der  bu'rokratie-spezifischen  formellen  Gehorsamshierarchie  eine 
MaBnahme  m'cht  kraft  ihres  bestimmten  und  konkreten  Inhalts,  sondern 
kraft  ihres  formellen  Charakters  als  Befehl  befolgt  wird,  woraus   - 
mit  U.K.  PREUSS  -  folgendes  zu  schliefien  ist:    'Wenn  das  System  des  Ge- 
horsams  gegeniiber  Befehlen  die  Form  der  wirksamsten  Durchsetzung  kon- 
kreter  Zwecke  ist  -  und  wenn  die  Erfolgskontrol  le  in  der  Biirokratie 
lediglich  darauf  zielt,  die  Durchsetzung  eines  Befehls  in  der  Hierar- 
chie  von  oben  nach  unten  festzustellen  -  so  wird  der  konkrete  Zweck, 
den  ein  Befehl   verfolgt,  lediglich  zur  konkreten  Erscheinungsform 
eines  allgemeinen  Zweckes,  der  sich  in  der  abstrakten  Form  des  Befehls 
ausdrlickt,  Aber  nur  dadurch,  daB  jeder  konkrete  Zweck  die  Form  eines 
Befehls  annimmt  und  so  an  den  zentralen  blirokratischen  Herrschafts- 
apparat  riickgebunden  ist,   ist  gewahrleistet,  daB  die  konkreten  Zwecke 
sich  nicht  verselbstandigen  und  konkreten  Bediirfnissen  antworten,    son- 
dern daB  sie  ausschlieSlich  den  in  der  zentralisierten  politischen 
Gewalt  erscheinenden  allgemeinen  Zweck  erfiillen.    ...  Dieser  ist  nun 
m'cht,,  wie  allgemein  angenommen  wird,  das  Gemeinwohl,  denn  dies  ist 
ein  kqhkreter  Zweck,  zielend  auf  einen  konkreten  Zustand,  der  je 
nach  Situation  und  Interpretation  zwar  ganz  verschieden  aussehen  kann, 
gleichwohl  aber  immer  etwas  Konkretes  ist.  Der  allgemeine  Zweck,  der 
zugleich  die  Abstraktion  von  alien  konkreten  Elementen  gesellscfiaft- 
licher  Beziehungen  darstellt,   ist  Herrschaft.'    (6)  Das  Jugendamt  ist 
also  eine  Institution  der  Herrschaftsausiibung,  eingebettet  in  liber- 
geordnete  Instanzen  ebensolcher  Herrschaftsausiibung,  die  alle  ihrer- 
seits  begriindet  sind  in  der  b'konomischen  Herrschaft  des  Kapitals,  der 
Herrschaft  der  im  Kapital   vergegenstandl  ichten  toten  Arbeit  liber  die 
Tebendige  Arbeit. 

3.   Das  Jugendamt  handelt  wie  alle  staatlichen  Institutionen  nach  MaB- 
gabe  und  auf  der  Srundlage  bestehender  Gesetze. 

Die  Gesetze,  aus  denen  sich  die  Aufgaben  des  Jugendamtes  ergeben,   sind: 
das  Grundgesetz  fur  die  BRD   (GG) ,  das  Jugendwohlfahrtsgesetz   (JWG) , 
das  Burgerliche  Gesetzbuch   (BGB),  das  Gesetz  Liber  die  Vermittlung  an 
Kindesstatt  (KAnnVerm.G) ,  das  Jugendgerichtsgesetz  (JGG),  das  Bundes- 
sozialhilfegesetz  (BSHG),  das  Gesetz  zum  Schutz  der  Jugend  in  der 
Offentlichkeit  (JgSchG),  das  Jugendarbeitsschutzgesetz  (JASchG)   sowie 
eim'ge  weitere  Bundes-  und  Landesgesetze.  Dieser  Punkt  ist  insofern 
wichtig,  da  bei   der  weiteren   Interpretation  der  Aktivitaten  des  Biele- 
felder  Jugendamtes  im  Konflikt  mit  dem  AJZ  flir  das  Jugendamt  die  wie- 
derherstellung  des  "rechtma'Bigen  Zustandes"  zur  obersten  Handlungsma- 
xime  wurde.   Wie  gerade  hierdurch  -  in  Verbindung  mit  den   unter  1.   und 
2.  dargestellten  Punkten  -  der  Klassencharakter  der  burgerlichen  Ge- 
sellschaft  in  die  spezifischen  Reaktionen  der  Sozialarbeiter  des  Ju- 
gendamtes in  der  Auseinandersetzung  mit  dem  AJZ  transformiert  wird  und 
darliber  hinaus  als  Strukturelement  behordlicher  Jugendarbeit  zum  Aus- 
druck  kommt,  soil   im  SchluBkapitel  naher  beleuchtet  weraen.  Befassen 
wir  uns  vorher  noch  mit  den  konkreten  Handlungen  und  Widersprlichen  der 
Jugendamtsvertreter  und  deren  spezifisch  falschem  BewuStsein  (auch 
liber  ihre  eigene  Lage),  wie  es  sich  in  dem  Konflikt  mit  dem  AJZ  zeigte. 

An  zwei  Punkten,  die  flir  uns  einsichtig  waren,  sollen  die  Handlungen 
4  0     und  die  Handlungsstrategie  des  Jugendamtes  untersucht  werden: 


1.  am  Verhalten  der  Jugendamtsvertreter  bei   den  Verhandlungen  mit 

2     an  den  konkreten  MaBnahmen  der  politischen  Disziplim'erung  gegenuber 
Sozialarbeitern,  die  im  AJZ  mitgearbeitet  haben. 

1  Zwei  Tendenzen  lassen  sich  aus  der  Strategie  des  Jugendamtes,  die 
es  wahrend  der  Besetzung  einschlug,  herauskristallisieren:  einmal 
das  Interesse  des   (sozialdemokratischen)  Jugendamtes,  es  m'cht  zu 
einer  gewaltsamen  Raumung  durch  die  Polizei   und  damit  evtl .   zu  einer 
StraBenschlacht  und  einer  noch  weiteren  Politisierung  und  Polansie- 
rung  insbesondere  unter  den  Jugendlichen  in  Bielefeld  kommen  zu  las- 
sen  und  zum  anderen  das    Interesse,  die  "Rechtma'Bigkei t  des   lllega- 
len  Zustandes"  wiederherzustellen,  allerdings  nicht  Uber  eine  Legal  l- 
sierung  der  Hausbesetzung,  sondern  Liber  die  Raumung  des  Hauses.  DaB 
nach  der  der  Besetzung  vorausgegangenen  Verscharfung  des  Konflikts 
und  der  relativ  hohen  Mobilisierung  der  Jugendlichen  beide  Vorstel- 
lungen  sich  einander  ausschlieBen  muBten,  weil   gerade  die  "Wiederher- 
stellung  des  rechtmaBigen  Zustandes"  an  einem  abstrakten  -  und,  was 
SDater  zu  zeigen  sein  wird,   klassenspezifischen  -  Postulat  onentiert 
ist     das  den  konkreten  Bediirfnissen  der  Jugendl  ichen  entgegensteht, 
konnte  von  der  Position  des  Jugendamtes  nicht  gesehen  werden.  Aus  dem 
gleichen  Grund  konnte  auch  die  Perspektive,  den  Jugendlichen  das  be- 
setzte  Haus   (oder  ein  anderes)   zu  liberlassen,  nicht  aufkommen. 

Ein  weiterer  wichtiger  Punkt  der  zur  Strategie  der  burgerlichen  Par- 
teien  und  des  Jugendamtes  gehbrte,  war  die  Verbreitung  der  sogenannten 
"Radelsflihrertheorie",  die  in  der  Auseinandersetzung  mit  dem  AJZ 
mehrere  Funktionen  hatte:  einerseits  konnte  dadurch  versucht  werden, 
das  AJZ  zu  spalten,  hier  die  gute  und  nur  verfuhrte  Masse  der  Jugend- 
lichen    unter  denen  eine  "erschreckend  hone  Anzahl   von  Jungarbei tern 
und  Lehrlingen  war"   (Zitat:   Neue  Westfalische) ,  dort  die  bosen  Kommu- 
nisten  und  sonstigen  Radikalen,  die  die  Jugendlichen  zu  einer  radika- 
len  und  starren  Politik  gegen  das  Jugendamt  verfuhren.  Dies  wurde  zu- 
aleich  auch  als  Legitimation  zur  Rechtfertigung  des  Verhandlungsab- 
bruchs  herangezogen.  Andererseits   lieferte  die  Radelsfuhrertheone 
den  Sozialarbeitern  im  Amt  auch  die  Mbglichkeit,  sich  kerne  allzu  weit- 
aehenden  Gedanken  Uber  ihre  Praxis  zu  machen:    die  Jugendlichen  hatten  ja 
nicht  etwa  das  Haus  besetzt,   urn  kollektiv  ihre  Lage  zu  verbessern  und 
eine  bessere   'Jugendarbeit'   zu  konkretisieren,  hatten  mcht  etwa  ver- 
sucht   Bedingungen  zu  schaffen ,  von  denen  aus  sie  den  Kampf  gegen  die 
kaDitalistische  Unterdruckung  aufnehmen  wollten,  sondern  waren  "Opfer 
Piner  kommunistischen  Verfuhrung",  vor  der  es  sie  zu  bewahren  gilt.. . 
Im  Verlauf  der  Verhandlungen,  die  in  drei  Phasen  wahrend  der  Zeit  von 
<;amstaq,   21.4.   -  Donnerstag,  26.4.     stattfanden,  verschob  sich  - 
cicherlich  auch  aufgrund  der  Interventionen  des  Rates  und  der  burger- 
lichen Parteien,  die  letztlich  darin  mundeten,   daB  dem  Jugendamt  die 
KomDetenz  liber  die  Fragen  betreffs  AJZ  entzogen  wurde  -  die  Argumen- 
tation und  das  Interesse  des  Jugendamtes  von  dem  o.g.  ersten  Punkt 
Pkeine  Polizei  -  wir  mu'ssen  uns  doch  so  einigen  konnen")  eindeutig 
zu  dem  zweiten  Punkt:  Wiederherstellung  der  offentlichen  Ordnung  not- 
falls  mit  Polizeigewalt. 

2  Parallel   zu  dieser  Betonung  des  ordnungsrechtl ichen  Aspekts  gingen 
und  gehen  bis  heute  konkrete  MaBnahmen  der  politischen  Unterdruckung 


41 


42 


und  Disziplinierung  einher: 

-  nach  Aufforderung  durch  den  Oberstadtdirektor  fertigen  die  Mitarbei- 
ter  des  Jugendamtes  eine  Namensliste  von  Sozialarbeitern  und  SA-Stu- 
denten  an,  die  im  besetzten  Haus  erkannt  wurden.  Diese  Liste  gent  u'ber 
den  Oberstadtdirektor  an  die  Polizei; 

-  eine  "schwarze  Liste"  von  Sozialarbeitern, die  schon  aufgrund  ihrer 
Ausbildung  zu  den   (nicht  vorhandenen)    "Radelsfiihrern"  gezahlt  werden,   wird 
damit  gleichzeitig  erstellt; 

-  damit  wird  praktisch  ein  Berufsverbot  fiir  Sozialarbeiter  im  gesamten 
Bielefelder  Raum  ausgesprochen,  das  nie  b'ffentlich  diskutiert  werden  wird, 
da  es  ja  nicht  offiziell  bekannt  ist.  Aufgrund  der  starken  Verflechtung 
auch  der  privaten  Trager  der  Sozialarbeit  mit  dem  Jugendamt  auf  formel- 
ler  und  informeller  Ebene  kann  dieses  Berufsverbot  als  total  gelten; 

-  Studenten,  die  ein  Praktikutn  beim  Jugendamt  der  Stadt  Bielefeld  machen 
wollten,  muBten  sich  schriftlich  von  dem  "Aktionskomi tee  Kampf  flir  ein 
Arbeiterjugendzentrum"  und  der  Hausbesetzung  distanzieren  und  erklaren, 
nicht  an  der  Aktion  teilgenommen  zu  haben; 

-  die  Namen  der  Verhandlungspartner,  mit  denen  das  Jugendamt  wahrend 
der  Besetzung  verhandelt  hat,  werden  (soweit  bekannt)  der  Polizei  mit- 
geteilt. 

Wie  verhalten  sich  nun  diese  geschi lderten  Erfahrungen,  die  wahrend  des 
Konflikts  JA  -  AJZ  gemacht  wurden,  mit  vorhergehenden  Erfahrungen  und 
Selbstdarstellungen  des  "progressiven"  Bielefelder  Jugendamtes?  Das 
Jugendamt  in  Bielefeld  hat  sich  das  Image  geschaffen,  in  seinen  Ein- 
stellungen  und  den  daraus  folgenden  Handlungsstrategien   "progressiv" 
zu  sein.   Durch  Verbffentlichungen   in  Fachzeitschriften  wird  dieses   Image 
sorgfaltig  gepflegt  und  ausgebaut,  wie  z.B.   zuletzt  in  der  NEUEN  PRAXIS, 
Heft  2/73  durch  den  Amtsleiter  Paul  Hirschauer  in  einem  Artikel  Liber 
'Jugendarbeit  im  kommunalen  Gemeinwesen1 . 

Dort  wird  hervorgehoben,    'daB  die  Tatigkeit  eines  JA  nicht  rein  reaktiv 
(Versorgung),  sondern  besonders  auch  auf  prophylaktischer  Ebene  zu 
geschehen  hat.  Dies  erfordert  gegenuber  der  Offentlichkeit  und  besonders 
Politikern  die  Schaffung  von  ProblembewuBtsein  (Aufklarung  an  Hand  von 
Daten  liber  bestimmte  Situationen  und  Verdeutlichung  der  zu  Grunde  liegen- 
den  Zusammenhange  -  Situationsanalyse)  uber  z.B.   "die  systemabhangige 
Zwangslaufigkeit  von  Versorgungsleistungen."  Durch  das  Anbieten  von 
Analysen,  die  den  Personen  von  Administration  und  politischen  Vertre- 
tungskdrperschaften  die  Mbglichkeit  gibt,  na'here  Einsicht  in  ihnen  zu- 
meist  nicht  bekannte  Probleme  und  daraus  ableitbare  Handlungsstrategien 
zu  gewinnen,   soil   bei   den  Verantwortlichen  Liber  ein  verandertes  BewuBt- 
sein  die  Voraussetzung  fiir  eine  bessere  politische  und  materiel  le  Ar- 
beit des  JA  geschaffen  werden. 

Notwendigerweise  gehbrt  dazu  die  Befassung   und  Auseinandersetzung  mit 
den  neuesten  Erkenntnissen  der  Wissenschaften  und  deren  Erprobung  in 
der  Praxis  durch  Experimente,  was  ein  gewisses  Risiko  zwangslaufig  mit 
sich  bringt. ' 

Diese  Erkenntnisse  und  tlberlegungen  schlagen  sich  auch  nieder  in  den 
Forderungen,  die  Hirschauer  einer  effektiven  politischen  Bildungsarbeit 
zu  Grunde  legt:   "Wenn  politische  Bildung  effektiv  sein  soil,  muB  sie 
letztlich  politische  Aktionen  anstreben,  auch  wenn  -  was  selbstverstand- 
lich  zu  erwarten  ist  -  diese  politischen  Aktionen  sofort  in  Widerspruch 
zu  herrschenden  Gegebenheiten,  Personen  oder  Verhaltm'ssen  fu'hren." 


rliner 


1. 


"rzieher 
itschrift 


Zeitschrift  von  Erziehern  fiir 
ErzieherinBeruf  u.  Ausbildung 


Die  Zeitschrift  versteht  sich  als  Forum  von  Praktikern  fur  Praktiker, 
wo  hin  und  wieder  mal  Theoretiker  das  Sagen  haben.  Hier  sind  wir 
schon  beim  Kern  der  Sache:  diese  Zeitschrift  steht  und  fallt  mit  der 
Bereitschaft  ihrer  Leser,  Korrespondenzen  und  Beitrage  -  vor  allem 
aus  dem  Heimalltag  -  zu  schreiben.  Diese  Zeitschrift  kann  und  soil 
dazu  beitragen,  daB  die  Kollegen  durch  sich  selbst  erkennen,  daB  der 
oa'dagogische  MiBerfolg  nicht  ihr  personliches,  individuelles  Versa- 
qen  ist  Ein  weiterer  Zweck  unserer  Zeitschrift,  als  Zeitschrift  der 
betroffenen  Autoren  und  Leser,  mul3  es  sein,  klarzumachen ,  daB  fur  die 
desolate  Heimsituation  nicht  der  Zufall  verantwortlich  ist  Oder  die 
UnfShigkeit  der  Senatsburokratie,  sondern  daB  diese  Situation  und 
deren  Entwicklung  zwangslaufig  in  ihrem  gesamtgesel  lschaftlichen  Zu- 
sammenhang  zu  sehen  ist.  In  diesem  Sinne  sollen  Model  le  der  Verbes- 
serung  vorgestellt  und  diskutiert  werden.  Erfahrungen  sollen  verall- 
aemeinert  werden,  wie  man  die  Lage  der  Heimkinder  und  -jugendlichen 
hier  und  heute  verbessern  kann.  Dabei  wird  immer  klarer  werden,  woran 
Verbesserungen  scheitern  und  welche  Schritte  zwangslaufig  bei  eimger 
Konsequenz  daraus  abgeleitet  werden  miissen.  Weiter  wird  es  Sinn  die- 
ser  Zeitschrift  sein,  Erkenntnisse  zu  verallgemeinern  und  alien  zu- 
□anqlich  zu  machen,  die  abstrakte  Tatsache,  daB  Einigkeit  stark  macht, 
deutlich  und  konkret  werden  zu  lassen.  Mancher  BLirokratensumpf  wird 
sich  gefallen  lassen  mussen,  seine  schillernden  Farben  hier  wiederzu- 
finden  -  rucksichtslos.  Die  Verquickung  von  Parteien,  Gewerkschafts- 
burokraten  und  Verwaltung  wird  aus  dem  intimen  Damnerlicht  der  Abspra- 
che  an  den  Tag  gebracht  werden.  Wenn  diese  Zeitschrift  ein  Mittel 
sein  soil,  die  Unkenntnis  voneinander  aufzuheben  sowie  die  Isolierung 
und  das  individuelle  Austragen  von  Konflikten,  wenn  dadurch  also  - 
zusatzlich  zur  fachlich  lebendigen  Diskussion  -  solidansches  Ver- 
halten mbglich  werden  soil,  dann  mussen  wir  uns  beteiligen.  Unsere 
Probleme  sollen  hier  abgehandelt  und  ihre  Wendung  hier  besprochen 
werden;  wir  haben  die  gleichen  Probleme  -  wir  mussen  sie  gemeinsam 
ldsen. 


Die  hez  erscheint  monatlich.  1/2  Jahr  kostet  DM  9,60  im  voraus. 
Kiindigung  1  Monat  vor  Ablauf,  sonst  VerlKngsrung  urn  den  gleicher 
Zeitraum. 

Einfach  Postkarte  an:  hez/D.  Tartsch(Hrsg .)  1  8erlin  61,  Urbanstr.  126 
postscheckkonto  Berlin  West  Nr.  358636-109 


44 


Weil   "bisher  Jugendlichen  eingeraumte  Felder  politischen  Handelns,  z.B. 
Jugendvertreter  im  Betrieb,  Schiilermitverwaltungen  und  Mitbestimmungs- 
formen  in  Hausern  der  Offenen  Tiir  im  Endeffekt  nichts  anderes  als  Spiel - 
wiesen  demokratischen  oder  politischen  Verhaltens  (si rid) " ,  deshalb, 
so  Herschauers  Forderung  "mlissen  aus  Spielwiesen  Trainingsfelder  wer- 
den,  die  politisch.es  Handeln  auf  den  konkreten  Fall  hin  ermb'glichen". 
Die  sich  daraus  ergebenden  Konsequenzen  fur  das  eigene  Handeln  im  Amt 
und  fur  die  Personen  bei  anderen  Anstellungstragern  sowie  die  Notwendig- 
keiten  fiir  Gesellschaft  und  Staat  fiihrt  H.  so  aus:   "auch  sie  miissen   den 
Konflikt  wollen  und  sie  miissen  bereit  sein,  das  Risiko  des  Experiments 
und  der  veranderten  Verhaltnisse  einzugehen."  DaB  dies  ein  Dilemma  fur 
den  einzelnen  Sozialarbeiter  bedeutet,  ist  H.  durchaus  klar,  da   "der  Mit- 
arbeiter  Handlungszwangen  unterworfen  ist,  die  von  Dienstherren  und  Ju- 
stiz  ausgehen,  von  Institutionen  und  Personen,  die  inn  im't  Sanktionen 
belegen  kb'nnen".   Die  Folgen  fiir  die  betroffenen  Jugendlichen  sieht  H. 
ebenfalls,  indem  er  ausfiihrt:   "agieren  Jugendliche  politisch,  so  geraten 
sie  fast  immer  in  den  Bereich  der  Illegalitat".  Die  entstehenden  Kon- 
flikte,  Spannungen  jnd  Risiken  sind  auf  systemimmanente  Zwangsla'ufigkei  ten 
zuriickzuflihren,  was  H.  durchaus  sieht. 

Wie  sieht  nun  der  hohe  theoretische  Anspruch  aus,  wenn  er  mit  der  Wirk- 
lichkeit  konfrontiert  wird,  hier  mit  den  konkreten  Fall  des  AJZ  in  Brack- 
wede?  Man  geht  zwar  im  Januar  das  Risiko  der  Verwirklichung  eines  neuen 
Ansatzes  in  der  Jugendarbeit  (Selbstorganisation)  ein,   la'Bt  den  sich  an- 
fanglich  zwangslaufig  schwierig  gestaltenden  ProzeB  (vgl.   S.  37  +  S.   41) 
jedoch  nicht  weiterlaufen,   sondern  unterbindet  ihn  durch  die  SchlieBung 
des  Hauses.  Damit  wird  der  eingeleitete  LernprozeB  bei  Jugendlichen   und 
Mitarbeitern  zwar  fiir  das  JA  als  zerschlagen  angesehen,  zeigt  in  der 
Folgezeit  jedoch  durch  organisierte  Gegenreaktionen,  wie  weit  die  Teil- 
lernprozesse  schon  fortgeschritten  sind  in  den  gemeinsamen  Aktionen  von 
Jugendlichen  und  Mitarbeitern.   Von  Seiten  des  JA  will  man  sich  jedoch 
unter  keinen  umsta'nden  auf  die  Weiterfiihrung  des  begonnenen  Experiments 
einlassen.   In  den  gemeinsamen  Aktionen  von  Jugendlichen  und  Mitarbei- 
tern bildet  sich  politisches  BewuBtsein  auf  dem  "Trainingsfeld"  der 
politischen  Auseinandersetzung  mit  den  Behbrden.   Politisches  Handeln 
findet  statt  im  gemeinsamen  Kampf  -fiir  die  Errichtung  eines  unabhangigen 
und  selbstverwalteten  Arbei terjugendzentrums.   Doch  die  Aktionen  werden 
von  Seiten  des  JA  nach  au|3en  hin  nicht  ernstgenommen,  die  Verhandlungen 
verlaufen  ergebnislos;  die  Folge:   politisches  Handeln  in  Form  der  Be- 
setzung  des  Hauses.  Nun  ist  das  JA  seinem  eigenen  theoretischen  Anspruch 
nach  iiberrollt     worden,  es  reagiert  darauf  zunachst  abwartend,   urn    auf 
dem  Verhandlungsweg  die  Konfliktsituation  zu  Ibsen  -  in  seinen  Forde- 
rungen  gegenuber  den  Besetzern  auBert  sich  das  darin,   daB  man  den  Zu- 
stand  fordert,  der  im  Januar  bestand  (das  Haus  als  stadtisches  HOT 
weiterlaufen  zu  lassen),  d.h.  praktisch  die  Riickgangigmachung  von  Lern- 
prozessen,  die  das  JA  selbst  (unbeabsichtigt)   gefb'rdert  hat  auf  dem 
"Trainingsfeld"  der  Auseinandersetzung  mit  ihm  selbst.  Als  die  Jugend- 
lichen jedoch  konsequent  auf  die  Durchsetzung  ihrer  Interessen  bestehen, 
reagiert  das  JA  durch  Sanktionen,  indem  es  sich  auf  die  Seite  von  Pol i - 
zei  und  Justiz  stellt  und  diesen  das  Handeln  LiberlaBt,  das  Ergebnis: 
die  Jugendlichen  werden  aus  ihrem  Haus  geschleppt  und  unter  Anklage 
des  Hausfriedensbruch,  Landfriedensbruch,  Sachbeschadigung  und  Nbtigung 
gestellt. 


Hier  sind  eine  Rei 
Auseinanderfallens 
Handeln  der  Jugend 
legen,  die  im  Juge 
dagegen,  daB  sie  e 
die  sie  hier  spiel 

-  zu  sagen,  warum 
Fachzeitschriften 
nicht  mbglich  sein 

-  ihr  tatsachliche 
aus  den  Bedingunge 
arbeiten  miissen,  a 

-  die  Initiative  p 
sta'ndnis  als  Sozia 


he  von  Fragen  zu  stellen  nach  den  Hintergrunden  des 

von  theoretischem  Anspruch  und  dem  tatsachlichen 
amtsvertreter  in  der  Praxis:   "Die  Kritik  an  den  Kol- 
ndamt  arbeiten,  richtet  sich  in  diesem  Zusammenhang 
s  versaumt  haben,  ihre  eigene  Position  und  die  Rolle, 
en  miissen,  klar  zu  verdeutlichen.  Es  wurde  versaumt: 
das,  was   theoretisch  von  ihnen  unterstiitzt  und  in 
sogar  gefordert  wird,   ihrer  Meinung  nach  praktisch 
sol  1 ; 

s  Verhalten  (das  Zusammenspiel  mit  der  Polizei  z.B.) 
n,  unter  denen  sie  in  diesem  Gesell schaftssystem 
lien  Beteiligten  durchsichtig  zu  machen; 
raktisch  zu  unterstiitzen,  was  von  ihrem  Selbstver- 
1 arbei ter  notwendig  gewesen  ware. 

Sozialarbeiter 


nicht  hbren. 


nicht  sprechen 


Durch  ihr  Schweigen  zu  den  genannten  Punkten  und  ihr  tatsachliches  Ver- 
halten haben  sie  sich  praktisch  auf  die  Seite  derer  gestellt,  die  gegen 
die  Interessen  der  Jugendlichen  sind,  die  diese  im  Dienst  der  Aufrecht- 
erhaltung  des  kapitalistischen  Systems  unterdriicken."  (aus  einer  Stel- 
lunqnahme  des  KKS  Bielefeld  in  der  NW  vom  19.5.73). 
DaB  H   's  SuBerungen  Liber  den  Charakter  der  politischen  Aktionen  von 
Juaendlichen,  die  "zwangslaufig  in  Widerspruch  zu  herrschenden  Gegeben- 
heiten     Personen  oder  Verhaltnissen  fiihren"  durchaus  funktional   im  Sinne 
der  Aufrechterhaltung  des  kapitalistischen  Systems  gebraucht  werden, 
zeiqt  sich  an  den  AuBerungen  nach  der  Besetzung  und  Raumung  des  AJZ: 
aus  "politischen  Aktionen  zur  Gesell schaftsveranderung"   (Aufsatz  in 
Her  HP)  werden  "begrenzte  Regel verletzungen" ,  (vgl.   Interview  mit  den 
'Rla'ttern',  Nr.  270),  die,  so  kbnnte  man  fortfahren,  im  Sinne  einer 
fiinktionalen  Gesellschaftstheorie  als  begrenzte  Normenbruche  aufzufas- 
sen  sind,  welche  -  wenn  sie  in  begrenzten  Feldern  von  verschiedenen       ^-O 


Gruppen  vorgenommen  werden  -  letztlich  zu  einer    Veranderung  des  allge- 
meinen  Normensystems  fUhren  kbnnen  und  so  wesentliches  Moment  der  ge- 
sellschaftlichen  Veranderung  darstellen.  Da  die  okonomischen  Grundlagen 
des  Kapitalismus  bei  einer  solchen  Betrachtungsweise  auBerhalb  der 
Oberlegungen  bleiben,  muB  eine  solche  Auffassung  notwendigerweise   funk- 
tional   im  Sinne  der  Anpassung  Uberholter  Vernal tnisse  an  veranderte 
Bedlirfnisse  des  Systems  selber  wirken. 

Dieser  Absatz  ist  allerdings  nun  nicht  so  zu  interpretieren,  daB  eine 
bestinmte  Person  sich  als  Handlanger  des  Kapitals  versteht,  sondern  es 
soil   deutlich  werden,  daB  -  auf  Grund  der  materiellen  Bedingungen  des 
Handelns  in  Jugendamtern  z.B.   -  ein  bestimmtes  notwendig  falsches  Be- 
wuBtsein  liber  Mag! ichkei ten  und  Charakter  der  von  dort  initiierten  MaB- 
nahmen  vorherrscht,  das  durchaus  mit  dem  subjektiven  Willen,  fortschritt- 
liche  Arbeit  zu  leisten,  einhergehen  kann  (d.h.,  wir  konzidieren  durch- 
aus, daB  das  Jugendamt  bemiiht  ist,  fortschrittlich  zu  arbeiten).  Wel- 
cher  Art  dieses' falsche  BewuBtsein'  ist,  wodurch  es  gefb'rdert  wird  und 
sich  erhalten  kann  und  worin  der  Klassencharakter  der  MaBnahmen  des  JA 
besteht,  wird  im  folgenden  Kapitel  zu  zeigen  sein. 


46 


fur  sozialistische 

jetriebs-und 
Gewerkschaftsarbeit 

"express"  ist  die  erste  unabhangige  Gewerksahafts- 

zeitung  in  der  BED. 

"express"  bvingt  kritische  Beitrdge  zur  aktuellen 

GeWerkschaftspolitik,  die  man  nicht  in  der  offi- 

zieVlen  Gewerkschaftspresse  findet. 

"express"  berichtet  ausfilhrlieh  iiber  Streiks, 

Betriebskampfe  und  politisohe  Aktionen  der  Lohn- 

abhangigen  im  In-  und  Ausland. 

"express"  verdffentlicht  Analysen  zur  sozialen 

Lage  und  zum  BewuBtsein  der  arbeitenden  Klasse. 

"express"  diskutiert  Alternaiiven  zur  gewerk- 

sahaftliohen  Strategic  und  Politik. 

Verlag  2ooo  GmbH,   60S  Offenbach  4,  Postfach  591 


III.   Das    'Recht'   als  Bezugspunkt  klassenspezifischen  Handelns  und 
ideologischen  BewuBtseins 

Das  Niederschlagen  des  Versuchs  der  Selbstorganisation  von  Jugendli- 
chen im  AJZ  beruhte  im  wesentlichen  darauf,  daB  'geltendes  Recht1 
durchgesetzt  wurde,  was  zur  Folge  hatte,  daB  Jugendamt,  Polizei   und 
Justiz  Hand  in  Hand  gegen  die  Jugendlichen  vorgingen.  Die  Unrechtma'Big- 
keit  des  Verhaltens  der  Jugendlichen  (was  als  Anklage  gegen  ca.   150  Mit- 
glieder  des  AJZ  fixiert  ist  als:    (schwerer)  Landfriedensbruch,   (schwerer) 
Hausfriedensbruch,  Sachbeschadigung  und  manchmal   Nb'tigung)  bestand 
darin,  daB  sie  ein  Haus  besetzten,  das  bffentliches  Eigentum  ist.  Die- 
se  Hausbesetzung  selbst  war  Ergebnis  vorhergehender  Lern-  und  Politi- 
sierungsprozesse,   in  denen  eine  antikapitalistische  Haltung  gewonnen 
wurde,  was  sich  in  dem  Insistieren  auf  eine  an  konkreten  Bediirfnis- 
sen  ausgerichtete  Handlungsweise  ausdruckte.  Die  Hausbesetzung  selbst 
war  nur  ein  Moment  dieser  Handlungsweise. 

Die  Entwicklung  eines  antikapi talistischen  BewuBtseins  fiihrte  zwangs- 
laufig  dazu,  konkrete  Bediirfnisse  gegeniiber  abstrakten  Regeln,  Gesetze 
und  Handlungen,  die  auf  solchen  beruhen,  gewaltsam  durchzusetzen,  nach- 
dem  auf  dem  Verhandl ungswege  aufgrund  der  Berufung  des  Jugendamtes 
auf  seine  Handlungsmbgl  ichkei  ten  (als  durch  Gesetze  bestimmte  -  vergl. 
Ha)   diese  nicht  durchgesetzt  werden  konnten.   Gewalt  stand  so  gegen 
Gewalt. 

Worin  besteht  aber  nun  die  Gewalt  und  der  Klassencharakter  des  burger- 
lichen  Rechts,  das  primar  Eigentums-  und  Vertragsrecht  ist,  (7)   und  wel- 
che  Auswirkungen  hat  die  spezifische  Ideologie,  die  aus  dem  Recht  selbst 
entspringt?  Urn  diese  Frage  beantworten  zu  kb'nnen,  m'u'ssen  wir  uns  zuerst 
klarmachen,  daB  das  Recht  in  der  Produktionssphare  entsteht,   und  es 
deshalb  nicht  die  allgemeine  Tatsache,  "daB  alle  warenbesitzer  sich  in 
ihren  okonomischen  Transaktionen  als  gleich  betrachten  und  gegenseitig 
anerkennen  miissen  (8)   (dasjenige  ist),  worauf  das  burgerliche  Recht 
arundet,   sondern  ein  diesen  Transaktionen  zugrundeliegender  sie  bedin- 
aender  Austauschprozess  ganz  besonderer  Art:  das  Austauschverhaltnis 
*       zweT  besonderen  Pnvateigentumern,  den  Lohnarbeitern  und  den  Kapi- 
talisten  -  ein  produktionsvermittelter  Austausch,   aus  dem  das  ganze 
hUraerliche  Recht  seine  geschichtliche  Substanz  und  Geltung  bezieht"  (9) 

ein  bloBer  Schein,  da,  betrachtet  man  den  kapitalistischen  Akkumula- 
tionsprozess  insgesamt,  der  sich  in  der  Distribution  vollziehende  Aus- 
tausch von  flquivalenten  "der  als  die  ursprungliche  Operation  erschien, 
die  das  Eigentumsrecht  juristisch  ausdrUckte,  sich  so  gedreht  (hat), 
daB  auf  der  einen  Seite  nur  zum  Schein  ausgetauscht  wird,  indem  der 
neaen  lebendiges  Arbeitsvermogen  ausgetauschte  Teil   des  Kapitals,  erstens 
Selbst  fremde  Arbeit  ist,  angeeignet  ohne  Kquivalent,   und  zweitens 
Z.it  P,inem^uFpTus~vom  Arbeitsvermogen  ersetzt  werden  muB,  also  in  facto 
TPTcnT'fortgegeben  wird,  sondern  aus  einer  Form  in  die  andere  verwandelt 
W1'rd     Das  Verhaltnis  des  Austausches  ist  also  ganzlich  weggefallen, 
oder'ist  bloBer  Schein.  Ferner  erschien  ursprunglich  das  Eigentumsrecht 
nearlindet  auf  die  eigene  Arbeit.  Eigentum  erscheint  jetzt  als  Recht  auf 
fremde  Arbeit  und  als  Unmoglichkeit  der  Arbeit,  sich  ihr  eigenes  Pro- 
dukt  anzueignen.  Die  vbllige  Trennung  zwischen  Eigentum  und  mehr  Reich- 
turn  und  Arbeit  erscheint  jetzt  als  Konsequenz  des  Gesetzes,  das  von      47 


Fiir  eine  neue 

sozialistische 


Linke 


Analysen 


HerausL 
Sozialistischen  Biiro 


*  ZUR  ZEIT 


Mil  BettrBgen  von  U.  Blttarll,  E.  Brumlop,  A.  Buro, 
S.  Coalles,  N.  Conerl,  F.  Deppe,  G.  FOlberlh,  H.  Halber- 
•tadt,  H.  Hannower,  M.  Hartlaub,  M.  Holy,  E.  Jahn, 
A.  KIBnne,  K.  Kolb,  G,  Koaack,  8.  LawlladnroH,  L.  Mal- 
ar, W.  Michel,  H.  MUller,  O.  Nagl,  J.  Perala,  0.  Poppln- 
ga,  H.  Roth,  G.  SchSfer,  K.'  SchSfer,  K.J.  Schmidt, 
H.  Schneider,  D.  Sanghaaa,  E.  Senghau-Knobloch, 
W.  Streack,  B.  Tib!,  K.  Vack,  R.  Vaml,  E.  Welck, 
G.  Zwsranz  u.  a. 

Fischer  Taachenbuch  1404,  DM  5.80.  ErhWtllch  (Iber  dan 
Buchhandel  Oder  gegan  Voreintandung  von  DM  5.80  In 
Brlelmarken  bel  Sozlaliatiachaa  BDro,  605  ONenbach  4, 
Poallach  591. 


ihrer  Identitat  ausging."   (10) 

Das  bedeutet,  daB  das  Recht  1.   auf  bloBem  Schein  griindet,   2.  durch  die 
Rechtsinstitute  die  wesentlichen  Vermittlungen  des  gesamtgesellschaft- 
lichen  Reproduktionsprozesses  geleistet  werden,  wobei   das  konstituie- 
rende  Moment  dieser  Vermittlung  in  der  Al lgemeinheit  des  Aquivalenz- 
prinzips,  d.h.  die  naturwu'chsige  Gesetzma'Bigkeit  des  Warentausches 
beruht,   also  auf  einem  Abstraktionsprozess ,   3,    "die  klassenneutrale 
Geltung  von  rechtlichen  Normen  und  ihre  bestandige  Manifestation  in 
realen,   von  gleichen  freien  Subjekten  vollzogenen  Tauschvorgangen" 
die  Ursache  fur  den  auf  der  Oberflache  der  kapitalistischen  Gesell- 
schaft  entstehenden  "realen  Schein"  von  "Gleichheit,  Freiheit  und  Ge- 
rechtigkeit"  ist,   (11)   und  4.   im  wesentlichen  die  Funktion  hat,   (kapi- 
talistisches)  Eigentum  zu  schiitzen.   Diese  Tatbestande  bezeichnen  im 
ubriqen  genau  den  Punkt,  an  dem  b'konomische  Verh'a'ltnisse  in  juristische 
umschlagen  und  umgekehrt.   So  erweist  sich  also  "die  biirgerliche  Rechts- 
form     die  den  Schein  der  Gleichstellung  aller  Mitglieder  der  Gesell- 
schaft  durch  eine  universelle,  die  Klassengrenzen  nicht  beriicksichti- 
gende   Geltung  von  Rechtsnormen  erzeugt,   als  eine  Bedingung  des  Uider- 
spruchs  von  Lohnarbeit  und  Kapital"  und  als  Klassenrecht  (12).   Diese 
Tatsache  driickt  sich  bereits  durch  die  Existenz  dieser  bestimmten  Rechts- 
form  und  im  Begriff  des  Rechtsstaates  aus,  der  die  Tatsache  verbirgt, 
"daB  die  Rechtsform  nur  ein  Oberbaureflex  der  in  der  okonomischen  Basis 
sich  entwickelnden  Vorherrschaft  der  burgerlichen  Klasse  ist."   (13) 

Fassen  wir  noch  einmal  zusammen:   Die  Rechtsform  der  blirgerlichen  Ge- 
sellschaft  und  die  rechtlichen  Bestimnungen   im  einzelnen  haben  die 
Funktion,  die  Reproduktionsbedingungen  kapitalistischer  Produktionsfor- 
men  zu  sichern,  was  inhaltlich  vor  allem  die  Garantie  burgerlichen 
Privateigentums  in  all   seinen  Formen  und  all   seinen  Entwicklungen  und 
der  Institutionen ,  die  sich  auf  seiner  Grundlage  entwickeln:   letztlich 
die  Total itat  der  praktischen  zwischenindividuellen  Verhaltnisse  in 
ihrer  Ausformung  bis  zur  letzten  Konsequenz  der  ihr  innewohnenden  Mdg- 
lichkeiten,  bedeutet. 

Wenn  das  Jugendamt  nun  primar  daran  orientiert  sein  muB,   -  gema'B  dem 
prinzip  der  Rechtstaatlichkei t  -  auf  der  Grundlage  von  Gesetzen  zu 
handeln,   findet  es  sich  einerseits  standig  im  Widerspruch  zu  vielleicht 
vorhandenen   'emanzipatorischen  padagogischen  Strategien',  die  einzelne 
Sozialarbeiter  evtl.  verwirklichen  mb'chten,  und  handelt  andererseits 
faktisch  tatsachlich  als  Handlanger  des  Kapitals,  was  sich  auf  der  kon- 
kreten  Handlungsebene  daran  zeigen  laBt,  daB  es  -  wie  im  Beispiel  AJZ 
Brackwede  -  gegenuber  konkreten  Bediirfnissen  von  Jugendlichen  die  ab- 
strakte  "Rechtma'Bigkeit  eines  Zustandes"  durchsetzen  tnuB,  d.h.   'ille- 
aale  Zustande',  die  das  Institut  (Privat-)   Eigentum  bedrohen,  in  recht- 
mSBiae  Zustande  zuriickfuhren  muB,  wobei  das  zuruckfiihren  wdrtlnch  zu 
nehmen  ist.  Sozialarbeit  -  im  Verbund  mit  Polizei   und  Justiz  -  dTente 
L7U     einer  Bewegung,  die  aufgrund  spezifischer  Handlungen  das  kapi- 
talistische  System  in  Frage  stellte,  die  Spitze  abzubrechen  und  zu 
nreintegrieren". 

Fiir  die  Sozialarbeiter  (das  gilt  allgemein)   hat  die  spezifische  Ideo- 
loaie  der  Gleichheit  und  Freiheit  des  Individuums  etc.,   die  auf  der 
Grundlage  des  standig  im  Austauschprozess  produzierten  realen  Scheins  49 


von  Gleichheit,  Freiheit  und  Gerechtigkei t  entsteht  und  als    'Recht  l 
fixiert  i st,  die  Folge,  daB  sie,  -  trotz  bestimmter  Einsichten  Liber 
die  gesellschaftliche  Bedingtheit  der  sozialen  Probleme,  mit  denen 
sie  sich  befassen  -,  ihr  eigenes  Handeln  nur  schwer  als  klassenspezi- 
fisches  Handeln  erkennen  konnen  bzw,  nur  schwer  die  Grenzen  ihrer  Mog- 
lichkeiten  sehen  konnen,  was  zu  illusionaren  Vorstellungen  Liber  sozial- 
arbeiterische  Praxis  fiihrt  und  der  Aufrechterhaltung  der  "Sozialstaats- 
illusion"  dient. 


(4) 


(8) 


(1)  s.  hierzu  die  Dokumentation  des  AJZ.  Bestellungen  Liber: 
Buchladchen  J.  Granier,  48,  Bielefeld,  Welle  9 

(2)  s.  hierzu  wiederum  die  Dokumentation  des  AJZ 

(3)  L.  Althusser  -  Ideologie  und  ideologische  Staatsapparate,  in: 
Marxismus  und  Ideologie,  dtsch  Berlin  1973,  S.   121 
vergl.  Max  Weber  -  Wirtschaft  und  Gesellschaft,  Studienausgabe , 
Kbln/Berlin  1964,  S.    164  ff 

(5)  K.  Heymann       -  BLirokratisierung  der  Klassenverhaltnisse  im  Spat- 
kapitalismus,  S.    102,  in:   Negt/Meschkat  (Hrsg.):   Gesellschaftsstruk- 
turen,   Ffm.1973 

(6)  vergl.  U.K.  PreuB  -  Gesellschaftliche  Bedingungen  der  Legalitat, 
in:  Legal i tat  und  Pluralismus.  Beitrage  zutn  Verfassungsrecht  der 
BRD,  Ffm.1973 

(7)  vergl.   dazu  die  wesentlichen  Bestimmungen  der  bLirgerlichen  Verfas- 
sungen,  die  alle  das  Eigentumsrecht  und  die  persbnliche  Freiheit  = 
Macht  jedes  Individuums  Liber  sich  selbst,  d.h.   Liber  seine  Fahigkei- 
ten,   seine  Leistungen  und  Liber  sein  Eigentum  zu  verfiigen,  als  Grund- 
rechte  verankern. 

d.h.  sie  erkennen  im  Tausch  einander  als  gleiche  an,  da  sie  alle 
Eigentumer  von  Waren  sind.  Gleichzeitig  -  und  das  ist  ebenso  wich- 
tig  -  realisieren  sie  im  Tauschakt  auch  individuelle  Freiheit.   Da- 
durch,  daB  alle  Waren  (betrachtet  man  die  Wertform  als  Ausdruck  der 
qualitativen  gesellschaftlichen  Gleichheit  der  produzierten  Giiter, 
sie  alle  enthalten  ein  bestimmtes  Quantum  an  abstrakter  Arbeit) 
qualitativ  gleich  sind,  alle  Warenbesi tzer  sich  zueinander  als 
gleiche  verhalten,  entauBern  sie  sich  freiwillig  ihrer  jeweiligen 
Waren  "" 

(9)  0.  Negt  -  Thesen  zur  marxistischen  Rechtstheorie,  in:   Kritische 
Justiz  1/73,  S.   13 

(10)K.  Marx  -  Grundrisse   ....  MEW  Bd  13,  S.   362 

(11)F.  Werkentin/M.  Hofferbert/M.Baurmann  -  Kriminologie  als  Polizei- 
wissenschaft,  in:  Kritische  Justiz  3/72,  S.   226 

(12)dadurch,  daB  Klassenunterschiede  gerade  nicht  thematisiert  werden, 
zeichnet  sich  bLirgerliche   (Rechts-)Ideologie  aus   und  gewinnt  seine 
Persistenz  gerade  dadurch,  daB  die  antagonistischen  Klassenverhalt- 
nisse  durch  den  Schein  der  wirklichen  Verhaltnisse  selbst  geleugnet 
werden  konnen,  da  diese  das  Wesen  der  Dinge  nur  in  •  verkehrter  und 
verschleierter  Form  sichtbar  werden  lassen. 

(13)Werkentin/Hofferbert/Baurmann  -  a.a.O.  S.  226  f 


50 


Initiat-ivgruppe  WegscheidestraBe  Ffm. 
Kampf  zwischen  Eltern  und  Arbeiterwohlfahrt 
un  die  Spiel stube 


Ausgangspunkt  des  Konflikts 


Mitte  April  kundigte  der  Kreisvarband  der  Arbeiterwohlfahrt  Ffm.  (AWO) 
der  Leiterin  der  Spielstube  der  Obdachlosensiedlung  WegscheidestraBe, 
Frl  K.,  die  gerade  seit  dem  1.  Januar  tatig  war.  Die  Hauptursache  war, 
dafiVri.  K.  die  Aktivitat  der  Eltern  anregte  und  die  Gr'u'ndung  eines 
Bewohnerrates  unterstutzte.  Dieser  stellte  z.B.  die  Forderung  nach  Ein- 
bau  von  Duschen  und  einem  Abenteuerspielplatz.  Das  war  der  "fortschritt- 
lichen"  AWO  schon  zu  fortschrittlich.  Sie  drohte  Frl.  K.  schon  fr'Jh 
deshalb  mit  Entlassung  und  sprach  sie  dann  aus:  "Die  von  uns  gewiinsch- 
te  Elternarbeit  wurde  wem'ger  in  Bezug  auf  Spielstubenarbeit,  sondern 
in  Gemeinwesenarbeit  umfunktioniert."  (Brief  des  AWO-Geschaftsflihrers 
Stegmann  an  den  Stadtrat  Berg  (SPD)  vom  2.  Mai.  Theoretisch  gibt  die 
AWO  ihre  Zustimmung  zur  Gemeinwesenarbeit.  "Nicht  soziale  Harmonie, 
sondern  Aufdeckung  sozialer  Widerspruche  sowie  BewuBtmachung  und  Ober- 
windung  derselben  sollte  Ziel  der  Gemeinwesenarbeit  sein"  (Sozialarbei- 
tertagung  der  AWO  1972).  In  einer  Tagung  im  FrLihjahr  1971  stellten  die 
Mitarbeiter  in  sozialen  Brennpunkten  Hessens  an  ihre  Arbeitgeber  die 
Forderung, Kinderarbeit  und  Elternarbeit  im  Sinne  der  Gemeinwesenarbeit 
zu  vereinigen.  Herr  Stegmann  und  Fr.  Alfhart  nahmen  als  Vertreter  der 
AWO  Ffm  teil  und  akzeptierten  dieses.  Mit  ihrer  Ablehnung  der  Gemeinwe- 
senarbeit bildet  die  AWO  Ffm  das  Rlicklicht  der  hessischen  Sozialbliro- 
kratie.  Ein  ErlaB  des  hessischen  Sozialministers  sieht  die  Bildung  von 
Bewohnerraten  in  alien  Obdachlosensiedlungen  vor  und  der  Sozialdezernent 
Berg  stellte  am  1.2.73  in  Ffm  die  ersten  Gemeinwesenarbeiter  ein. 

Gemeinwesenarbeit  bedeutet  flir  die  AWO:  Widerspruch,  Forderungen,  uner- 
wlinschte  Unruhe.  Die  demokratische  AWO  aber  will  "Zusammenarbeit"  und 
"ein  gutes  Arbeitsverhaltnis".  Mit  anderen  Worten,  Frl.  K.  soil  sich 
nicht  auf  die  Seite  der  Arbeiterfamilien  stellen,  sondern  sich  der 
Einstellung  des  Geschaftsfiihrers  Stegmann  anschlieBen:  "Das  sind  primi- 
tive Leute,  denen  darf  kein  Wein  und  kein  Bier  hingestellt  werden." 
CAuBerung  Stegmanns  gegenLiber  Mitarbeitern  der  Spielstube  vor  einem 
Elternabend).  So  ist  es  kein  Wunder,  daB  die  AWO  in  erster  Linie  auf 
die  Zusammenarbeit  Frl.  K.s  mit  ihrem  Vorstand  und  nicht  auf  die  Zusam- 
menarbeit Frl.  K.s  mit  den  Bewohnern  Wert  legt.  "Insgesamt  war  die 
Zusammenarbeit  mit  der  Geschaftsfiihrung  sehr  mangelhaft  und  lieB  trotz 
tiler  Ermahnungen  immer  mehr  nach."  (Brief  der  AWO  vom  2.  Mai).  Die 
AWO  versuchte  naturlich  diese  Hauptursache  zu  leugnen:  "Die  AWO  unter- 
stu'tzt  die  Forderung  nach  Gemeinwesenarbeit.  Es  ist  nur  kein  Geld  da." 
CVorstandsmitglied  See,  pers.  Referent  des  SPD-Stadtrats  Berg).  Sie 
stellte  die  Sache  so  dar,  als  habe  Frl.  K.  ihre  Pflichten  gegenuber  ^ 


den  Kindern  vernachlassigt,  als  sei  es  deshalb  auch  im  Interesse  der 
Eltern,  Frl.  K.  zu  entlassen.  Dabei  griff  sie  tief  in  die  Trickkiste. 


Vorwlirfe 

1.   telefonische  Beschwerden 

vieler  Eltern  Liber  Spielstube 

2. a)  mehrmals  unplinktlich 


b)   Versuch  Weihnachtsgeschen- 
ke  zu  Libergeben,  aber  nie 
jemand  da 

3.  eigenmachtig  einen  Tag  frei- 
genommen 

4.  Rolladen,   Balkontlir  zerstdrt 

5.  Fensterscheiben,  Waschbecken 
kaputt 

6.  Raume   "Restlos  verschrautzt" 


7. 


Aber... 

AWO  hat  nie  Namen  genannt,  nie  haben 

Eltern  offentlich  Kritik  an  Frl.   K. 

geauBert.  Eine  schriftliche  Beschwe) — 

de  gibt  es  nur  von  Ende  1972. 

ja,  wegen  Verkehrsstauungen  jnd  Aus- 

fall  des  Wagens.  Oft  friiher  gekom- 

men,  spater  gegangen,  viele  unbezahl- 

te  Oberstunden  z.B.  am  Wochenende  mit 

Kindern  ins  Theater 

Frl.   K,   trat   ihren  Dienst  am 

1 .  Oanuar  an. 

Arztbesuch  am  morgen,  nachmi ttags 
Abfeiern  von  Oberstunden,  mit  den 
Mitarbeitern  abgesprochen 
Von  Unbekannten  auBerhalb  der  Ar- 
beitszeit  von  Frl .  K. 
durch  Unachtsamkeit  der  Kinder,   od, 
durch  Unbekannte.    In  jeder  Spielstu- 
be gibt's  Bruch. 

durch  Mitarbeiter  und  Frl.  K.  erst 
im  Marz  renoviert,  guter  Zustand. 
AWO  versaumt  monatelang  Reparaturen. 
AWO  vertraut  Putzfrau  keinen  Schlu's- 
sel  an,  so  daB  keine  Reinigung  nach 
Weggang  der  Kinder  mb'glich. 
wegen  Entlassungsdrohungen.  Absicht, 
Anschuldigungen  aus  dem  Weg  zu  raumen, 
GWA  nach  DienstschluB  gemacht. 
Es  hat  nie  eine  bestanden. 


52 


unangemeldetes  Erscheinen 
auf  einer  Vorstandssitzung 

8.  Kinder  vernachlassigt 

9.  durch  Frl .  K.  wurde  Zusammen 
arbeit  mit  Eltern  gestdrt. 

(Aus  diesen  Vorwlirfen  entstanden  bei  den  umliegenden  Bewohnern  von 
Sozialwohnungen  wilde  Geru'chte:  Die  Leiterin  sei   oft  besoffen  gewesen, 
die  gesamte  Inneneinrichtung  sei  zerstdrt  worden  usw.)  Frl.  K.  wurde 
auf  den  Elternabend  vom  16.4.   vertrdstet.   Zwei  Stunden  vorher  erhielt 
sie  die  Kundigung  und  sofortiges  Hausverbot,  so  daB  sie  auf  keiner 
Versammlung  die  unverschamten  Angriffe  der  AWO  zurlickweisen  konnte. 
(Vorstandsmitglied  Alfhart  (SPD):   "Wir  wollen  nicht,  daB  etwas  Nachtei- 
liges  uber  Frl.  K.   in  die  Presse  kommt  und  sie  Schwierigkeiten  in  ihrer 
beruflichen  Laufbahn  bekommt."  (Versammlung  vom  9.5.)  Im  Interesse  von 
Frl.  K.  wird  ihr  Redeverbot  erteilt:  perfekte  Heuchelei   und  Beschoni- 
gung  von  UnterdriickungsmaBnahmen.  Um  ihr  den  weiteren  Lebensweg  zu  er- 
leichtern,  hat  die  AWO  Frl.  K.  auch  eine  Anzeige  wegen  Hausfriedens- 
bruch  und  Diebstahl  ins  Haus  geschickt,  weil  sie  die  Raume  der  Spiel- 
stube spater  doch  betreten  hat.  So  schreibt  dann  selbst  die  Frankfurter 
Allgemeine  Zeitung  (FAZ): 

"Nachdem  sich  nam! ich  alle  Begriindungen  fur  die  Entlassung  der  Leite- 
rin der  Spielstube  als  letzten  Endes  unhaltbar  erwiesen  hatten,  blieb 
als  einziger  konkreter  Vorwurf  iibrig,  daB  sich  die  Padagogin  nicht  nur 
um  die  Kinder  gekiirmiert  habe,  sondern  auch  um  deren  Eltern  und  die 


ubrigen  Bewohner  der  wahrhaft  nicht  komfortablen  Siedlung."   (11.5.1973) 

Die  AWO  machte  sich  auch  bald  keine  groBe  MLihe  mehr,   ihr  Kartenhaus  von 
Verleumdungen  aufrechtzuerhalten.  Als  die  SPD-Stadtverordnete  Lizzy 
Alfhart     Vorstandsmitglied  der  AWO  und  Prasidentin  des  Hess.  Landes- 
wohlfahrtsverbandes  ihren  ersten  Auftritt  hatte,  erkla'rte  sie  nur  noch 
kurz  und  b'u'ndig:   innere  Ordnung"  nicht  eingehalten. . . "normaler  Fall"... 
"keine  Zusammenarbeit  mb'glich"...    "Tiefer  Bruch"...   "Eltern  miissen  sich 
damit  abfinden".  Auch  das  anwesende  Betriebsratsmitglied  plapperte  nach: 
"gedeihliche  Zusammenarbeit  nicht  gegeben".   Eine  Versammlung  mit  An- 
Wesenheit  von  Frl.  K.   lehnte  die  Dame  Alfhart  als   unermudl iche  Kampfe- 
rin  fur  die  freiheitlich-demokratische  Grundordnung  ab.   Sie  bezog  den 
Standpunkt:   Wir  sind  der  Arbeitgeber.  Wir  bestimmen,  wen  wir  entlas- 
sen. Diskussionen  daruber  halten  nur  auf.  Selbstverstandlich  redete 
sie'nach  auBen  mit  Engelszungen:   "Ich  flihle  mich  nicht  als  Arbeitgeber." 
"Wir  haben  schon  immer  Solidaritat  mit  den  Lohnabhangigen  geubt"  usw.usf. 
Die  AWO,  die  grdBtenteils  mit  den  Steuergroschen  der  Arbeiter  finan- 
ziert  wird,   schloB  nach  der  Kundigung  am  16.4.  die  Spielstube.  Sie 
setzte   15  Arbeiterkinder  auf  die  StraBe,   ungeachtet  der  Tatsache,  daB 
einige  Mutter  nur  arbeiten  kdnnen,  wenn  ihre  Kinder  in  der  Spielstube 
sind.   Bis  heute  hat  sie  keine  Fachkraft  als  Ersatz  gefunden.  Als  Grund 
der  SchlieBung  schob  sie  die  Notwendigkeit  der  Renovierung  vor.    In 
Wirklichkeit  wollte  sie  nur  die  Eltern  gegen  Frl.   K.   aufbringen,  die  ja 
angeblich  fur  die  Unbrauchbarkeit  der  Ra'ume  verantwortlich  sei.  Ferner 
wollte  sie  Zeit  gewinnen  und  ihre  unsinnigen  Vorwlirfe  von  wegen  rest- 
loser  Verschmutzung  durch  unndtige  Renovierung  untermauern. 

Diktatorisches  Auftreten  gegenuber  ihren  Angestellten  hat  die  AWO   immer 
schon  praktiziert.  Nicht  umsonst  wechselte  die  Leitung  der  Spielstube 
in   3  Jahren  xmal .  Das  Verhaltnis  zur  friiheren  Leiterin  Frl,  H.  erhellt 
eine  Episode  nacn  der  Kundigung  von  Frl.   K.  Als  Frl.  H.   auf  der  Bewoh- 
nerversammlung  forderte,  daB  Frl.   K.   anwesend  sein  und  zu  den  Vorwlir- 
fen  Stellung  nehmen  miisse,   antwortete  Stegmann:    "Sie  sind  hier  ganz 
ruhig.   Nur  die  Eltern  sollen  hier  reden.  Wenn  Sie  reden  wollen,  muB 
ich  Sie  bitten,  den  Rain  zu  verlassen.  Sie  sind  hier  nur  Gast". 
Auch  gegenuber  Frl.  R.,  einer  noch  angestellten  Mi tarbeiterin  spielt 
Stegmann  den  Geschaftsflihrer.  Da  sie  ab  Mitte  August  eine  Fachschule 
besuchen  will,   ihre  Kundigungsfrist  aber  6  Wochen  bis  Quartalsende 
lauft,  konnte  sie  die  Frist  nicht  einhalten.  Stegmann  in  einem  Brief 
an  Frl.  R.:    "der  Vorstand  hat  beschlossen,  daB  sie  zum  1.7.  klindigen 
miissen!"  Daruberhinaus  hat  die  AWO  einen  befristeten  Arbei tsvertrag 
anqeboten,  aber  weder  liber  den  Inhalt  etwas  verlauten  lassen  wollen, 
noch  rechtzeitig  eine  schriftliche  Zusage  gegeben.  Stattdessen  hat  die 
A  iq  [rri,   R.  mit  Versetzung  gedroht  wegen  mangelnder  Auslastung  der 
Snielstube.  Der  Mdglichkeit  einer  vorzeitigen  Entlassung  ist  damit  Tlir 
und  Tor  gedffnet.  Auch  Frl.  R.   ist  bei   Eltern  und  Kindern  schon  zu 
beliebt. 


53 


Understand  der  El  tern 


Die  Eltern  wehren  sich  dagegen,  daB  die  AWO  in  verbandsegoistischer 
Weise  Liber  ihre  Kb'pfe  hinweg  und  gegen  ihre  Interessen  handelt.  Auf  einem 
Elternabend  nach  der  Kiindigung  der  Leiterin  der  Spielstube  Inge  K. 
stellten  sie  folgende  Forderungen  auf: 

-  sofortige  Erbffnung  der  Spielstube  mit  Inge  K. 

-  Mitbestimmung  in  personellen  und  finanziellen  Fragen. 

Diese  Forderungen  iiberreichten  sie  bei  einem  Go-in  der  Geschaftsstelle 
der  AWO  mit  den  Kindern  in  Form  eines  Briefes,  den  25  Eltern  unterschrie- 
ben  hatten,  das  sind  TOO  %  der  Eltern,  die  ihre  Kinder  in  der  Spielstu- 
be haben.  Zitat  eines  Elternteils:   "Fur  nrich  za'hlt  nur  eines.  Die  Kin- 
der sind  gern  in  die  Spielstube  gegangen,  und  das  bedeutet  doch,  daB 
FrJ.K.   in  unserem  Interesse  gearbeitet  hat.  Deshalb  soil  sie  auch  blei- 
ben."  (FR  24.4.)  Um  den  Forderungen  Nachdruck  zu  verleihen,  errichteten 
die  Eltern  einen  Notdienst,  der  von  Studenten  der  Fachhochschule  fur 
Sozialarbeit  Ffm  unterstlitzt  wurde,  und  an  dem  sich  die  Eltern  aktiv 
beteiligten.  Der  Notdienst  fand  jeden  Tag  statt  und  machte  den  Kindern 
sehr  viel  SpaB,  weil  sie  bfters  mit  Autos,  z.B.  in  den  Zoo,  den  Palmen- 
garten,   zum  Monte  Scherbelino  usw.   fahren  konnten.  Als  dann  am  10.5.    die 
Spielstube  von  der  AWO  ohne  Fachkraft  wieder  gedffnet  wurde,  konnte  so- 
mit  der  angedrohte  Boykott  der  Spielstube  wahrgemacht  werden.   Die  Raume 
der  AWO  blieben  leer.     LieBen  sich  die  Eltern,  Kinder  und  der  Notdienst 
noch  am  ersten  Tag   (2.5.)  aus  den  Ra'umen  durch  Herrn  Stegmann  raus- 
schmeiBen,  so  drehten  sie  am  4.5.  den  SpieB  urn.    und  lie&en  Stegmann  erst 
gar  nicht  mehr  rein  mit  der  Begrundung,  daB  sie  das  Vertrauen  in  die 
AWO  verloren  hatten. 

Durch  Offentlichkeitsarbeit  (Flugbla'tter  verteilen,  Presse  informieren) 
machten  die  Eltern  auf  ihre  Situation  aufmerksam.  Sie  erhielten  zahl- 
reiche  Sol idaritatsschreiben   (Jugendhauser  Frankfurts,  Arbeitskreis 
Kritische  Sozialarbeit  (AKS),  Sozialarbei ter  aus  Sozialen  Brennpunkten 
Hessens,  Gemeinwesenarbeiter  Frankfurts,  Sozialarbeiter  und  Sozialpada- 
gogen  in  der  Gewerkschaft  OTV,  einzelne  SPD  Ortsvereine,  Fachhochschulen 
fur  Sozialarbeit  Hessens,  sowie  eine  Reihe  einzelner  Sozialarbeiter 
und  Personen),  Angebote  der  praktischen  Mithilfe  aus  der  Bevblkerung, 
sowie  Geldspenden,  Spielsachen  und  Blicher, 

Bei  einem  2.  Go-in  auf  einer  vorstandssi tzung  der  AWO  wurde  den  Eltern 
klar,  daB  ausschlieBlich  durch  Verhandlungen  mit  der  AWO  keine  Moglich- 
keit  besteht,  ihre  Forderungen  durchzusetzen,  was  am  9.5.  auf  einem 
Elternabend  mit  der  AWO  nochmals  ganz  deutlich  wurde. 
Die  Bemuhungen  von  Seiten  der  Eltern  urn  einen  neuen  Trager  fur  die  Spiel- 
stube scheiterten.  Der  Kinderschutzbund  lehnte  aus  finanziellen  Gru'n- 
den  ab.  Der  evangelische  Volksdienst  zeigte  zu  Anfang  eine  positive 
Einstellung,  nachdem  aber  Gesprache  mit  der  AWO  stattgefunden  hatten,  zog 
er  sich  aus  unbekannten  Grunden  wieder  zuru'ck. 

Mit  Beihilfe  des  Bewohnerrats  der  MiihlbruchstraBe  wurde  am  21.5.  mit 
83.3  %iger  Wahlbeteiligung  (wahlbeteiligt  waren  alle  Bewohner  der  Ober- 
5  4     gangswohnungen  Wegscheidestr.  uber  18  Jahrei)  ein  Bewohnerrat  gewahlt, 


Spielstube  der   Arbeiterwohlf ahrt 


Besetzt 


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• 

55 


der  sich  aus  7  Mitgliedern  zusammensetzt.   Nach  den  Empfehlungen  des 
Hessischen  Sozialministers  mu(3  der  Bewohnerrat  bei  alien  Angelegen- 
heiten  hinzugezogen  werden.  Samtliche  Verhandlungen  liefen  von  nun  an 
liber  den  Bewohnerrat.     In  einem  Brief  an  die  zustandigen  Stellen  wurden 
die  Forderungen  nochmals  aufgefiihrt.  Sollten  diese  nicht  bis  24.5.  er- 
flillt  werden,  wird  am  25.5.  die  Spielstube  besetzt  und  der  AWO  der  Zu- 
tritt  verweigert.  Die  Bewohner  sind  zu  diesem  Schritt  gezwungen,  urn  die 
Notlage  der  Kinder  mbglichst  rasch  zu  vermindern. 


MaBnahmen  der  Arbei terwohlfahrt 


56 


Aus  alien  Mandvern  der  AWO  zur  Konfl iktbereinigung  i st  ersichtlich, 
daB  es  ihr  nicht  urn  eine  Interessenvertretung  der  El  tern  oder  Bewohner 
der  Wegscheidestr.   geht,  sondern  sie  versucht,  ihre  Vorstel lungen   und 
Prinzipien  den  Bewohnern  aufzuzwingen.  Dies  la'Bt  sich  besonders  deut- 
lich  erkennen  an  den  praktischen  Versuchen  der  AWO,  die  Solidarity 
zwischen  Bewohnern,  Angestellten,  dem  Notdienst  und  der  entlassenen 
Fachkraft  zu  sabotieren. 

a)  Durch  das  ausgesprochene  Hausverbot  von  Frl .  K.     sollte     eine 
Isolierung  zwischen  ihr  und  den  Bewohnern  erreicht  werden.  Es  sollte 
ihr  unmdglich  gemacht  werden,  den  Konfl ikt  aus  ihrer  Sicht  zu  beurtei- 
len  und  der  Gefahr  einer  gemeinsamen  Front  der  Betroffenen  begegnet 
werden.  Das  Ziel  der  AWO,  eine  einseitige  BeeinfluBung  und  eine  Ver- 
drehung  der  wirklichen  Geschehnisse,  scheiterte  klaglich.  Die  Eltern 
erkannten  diesen  Spal tungsversuch   (Bewohnerversammlung  am  Tag  der  Ent- 
lassung  von  Frl.   K.)   und  verlangten  eine  Oiskussion  nnt  Anwesen- 

heit  von  Frl.   K.   Die  AWO  aber  erkla'rte,   wenn  Frl.  K.   anwesend  sei ,  wurde 
sie  den  Raum  verlassen. 

b)  Der  Notdienst,  entstanden  als  Teil   des  Kampfes   (Boykott  der  Spiel- 
stube) gegen  die  AWO,  diente  genau  wie  die  Initiati  vgruppe  Wegscheidestr 
(bestehend  aus  Eltern  und  Studenten  der  FHS  -  Frankfurt)  der  AWO  als 
Mittel  der  Hetze  und  Luge,    urn  die  Einheitlichkeit  des  Kampfes  zu  unter- 
laufen.   So  wurde  unter  anderem  auf  der  von  der  AWO  abgehaltenen  Bewoh- 
nerversammlung  am  9.5.   (den  Jugendlichen  und  Studenten  wurde  gewalt- 

sam  der  Eintritt  verwehrt)  falschlicherweise  behauptet,  der  Brief  der 
Bewohner  an  die  AWO,  in  dem  sie  die  Kundigungsgru'nde  zurlickwiesen  und 
Forderungen  formulierten,  sei   von  einer  Handvoll   Studenten  erstellt  und 
den  Bewohnern  vorgesetzt  worden.   Anderer  Ansicht  waren  die  Bewohner 
selbst,  die  klipp  und     klar  sagten,  daB  der  Brief  von  ihnen  stamrne  und 
die  aufgestellten  Forderungen  ihre  Forderungen  seien,  wahrend  die  Stu- 
denten sie  lediglich  unterstiitzten.  Die  Beispiele  lieBen  sich  noch  er- 
weitern  bis  hin  zu  EinschlichterungsmaBnahmen  liber  Strafanzeigen  wegen 
Hausfriedensbruch  und  angeblichen  "Diebstahls"  flir  einen  Teil  des  Not- 
dienstes.  Was  versteht  die  AWO  unter  Diebstahl?  Mitarbeiter  des  Not- 
dienstes  trugen  aus  der  Spielstube  der  AWO  Spielmaterialien  in  den 
Jugendclub  der  AWO  im  selben  Haus,  urn  mit  den  Kindern  zu  spielen.  Ob- 
wohl  Herr  Stegmann  das  Spielmaterial  selber  wieder  in  den  Schranken  der 
Spielstube  yerschloB,  stand  auf  den  Strafanzeigen,  das  entwendete  Spiel- 
material   sei  zur  polizeilichen  Vernehmung  mitzubringen.   Der  tiefere  Sinn 


dieser  MaBnahmen  liegt  darin,  einen  Keil  zwischen  Studenten  und  Bewoh- 
ner zu  treiben,  indem  einerseits  vorbehaltlos  und  direkt  Studenten 
unter  Druck  gesetzt  werden  und  andererseits  auf  die  Forderungen  der 
Bewohner  mit  Beschwichtigungen  und  Hinhaltungen  geantwortet  wird. 

c)   Ein  weiterer  wesentlicher  Aspekt  besteht  im  Versuch  der  Spaltung  der 
Eltern  durch  die  AWO,  in  der  auch  andere  Institutionen  eine  gewichti- 
ge  Rolle  spielen  (z.B.  Amt  fiir  soziale  Wohnungsvergabe) .  Entweder  be- 
drohte  man  Mitarbeiter  des  Bewohnerrates  daunt,  daB  sie  keine  neue  Woh- 
nung  in  klirzester  Zeit  bekamen,  oder  versuchte  sie  mit  groBziigigen  Ange- 
boten  an  Wohnraum  zu  kaufen.  Versuche  der  AWO,  Eltern  fur  ihre  Dienste 
in  der  Spielstube  zu  gewinnen,  hatten  einen  geringen  Erfolg  (materiel- 
ler  Anreiz,   10  DM  flir  3  Stunden).  Oedoch  beendete  der  einzige  auf  diese 
Weise  geworbene  Elternteil   schnell  seine  Arbeit,   als  er  sah,  daB  keine 
Kinder  in  die  Spielstube  kamen,  die  Eltern  die  Drohung  des  Boykotts 
wahrmachten.  Die  Nichteinbeziehung  aller  Bewohner  in  die  Diskussion  urn 
die  Spielstube,   sondern  nur  derjenigen,  die  ihre  Kinder  in  die  Spielstube 
schickten,  zeigt  noch  einrcal  besonders  krass  die  Versuche  der  Isolie- 
rung von  Teilen  der  Bewohner,  Auf  der  Bewohnerversammlung  am  Klindigungs- 
abend  erkla'rte  Stegmann,  er  werde  sich  nur  mit  den  Eltern   unterhalten, 
die  ihre  Kinder  in  der  Spielstube  hatten.  Nicht  aber  mit  den  anderen 
Bewohnern,  die  bloB  Ga'ste  seien.  Setzt  man  die  praktisch  gemachten  Er- 
fahrungen  der  Bewohner  in  Zusammenhang  mit  dem,  was  AWO,  Stadt  und  an- 
dere  Institutionen  vorgeben  zu  wollen,  erkennt  man  das  Phrasenhafte  und 
Hinterhaltige  dieses  Geredes.  Ausspruche  wie:   "Wir  wollen  doch  nur  Ihr 
bestes"   und  "Alle  MaBnahmen  sind  doch  nur  im  Interesse   Ihrer  Kinder", 
werden  angesichts  der  Realita't  zu  zynischen  Ausrutschern,  Dem  "fort- 
schrittlichen"  Gerede  der  AWO  stand  eine  abwartende  Haltung  der  Stadt 
gegenliber,  die  sich  dadurch  erkla'ren  lieB,  daB  eine  intensive  Verbin- 
dung  zwischen  Stadt  und  AWO  (personelle  Verflechtung)  besteht.  Deut- 
lich  zu  sehen  an  der  Reaktion  von  Sozialdezernent  Berg,   auf  die  Forde- 
rung  nach  Finanzierung  des  Notdienstes,  die  er  nicht  etwa  mit  den  Eltern 
besprach,  sondern  nur  in  der  Presse  eine  kurze  Mitteilung  hinterlieB. 
Berg  machte  in  der  FR  vom  2.5.73  "darauf  aufmerksam,  daB  die  Stadt  mit 
alien  Einrichtungen  der  freien  Wohlfahrtspflege  in  Partnerschaft  zusam- 
men  arbeite,   ihnen  jedoch  in  keiner  Weise  etwas  anordnen  kbnne."  Auch 
bei   der  Forderung  nach  Raumlichkei ten  flir  den  Notdienst  flihlt  sich  nie- 
mand  von  diesen  Institutionen  zustandig.  Es  wurden  uns  erst  Hoffnungen 
gemacht  (Faller),  dann  aber  bis  zur  Klarung  des  Konfliktes  vertrbstet. 
Hinhalteversuche,  wie  auch  der  des  Evangelischen  Volksdienstes   (als 
evtl .  neuer  Trager  der  Spielstube),  dienen  dazu,  erst  einmal  die  Bewoh- 
ner zu  beruhigen,  sie  durch  Zurlicknahme  von  Zusicherungen  (B  rem)   in 
eine  resignative  Haltung  zu  treiben,  urn  dann  umso  leichter  die  eigenen 
Vorstel  lungen  durchzusetzen.  Es  ist  ersichtlich,  daB  die  AWO  auf  der 
einen  Seite  gerne  als  progressiver  Verband  gesehen  werden  will   und  dies 
auch   in  Worten  ausdrlickt,  auf  der  anderen  Seite  aber  den  Worten  Taten 
fehlen  la'Bt,  bzw.   sogar  im  direkten  Widerspruch  dazu  gera't,   indem  von 
Vertretung  der  Interessen  gesprochen  wird  und  genau  den  Interessen  der 
Eltern  und  Kinder  widersprochen  wird.   Indem  von  Solidaritat  gesprochen 
wird  und  Solidaritat  der  Eltern  mit  hinterlistigen  Mitteln  begegnet  wird. 
Lizzy  Alfahrt  auf  der  Bewohnerversamml ung  vom  9.5.73:  "Wer  ist  mehr 
verpflichtet  als  die  AWO, mit  den  Bewohnern,  mit  den  Lohnabhangigen 
Solidaritat  zu  Liben." 

57 


Auf  die  Forderung  na 
scheinbar  Zjgestandn 
FR  v.  3.5.73  Richard 
dings  nicht  nit  Frl. 
nach  finanzieller  Mi 
Weise  geantwortet: 
ihnen  das  Geld  nicht 
Nicht  die  Eltern  und 
der  besseren  Durchse 


ch  personeller  Mitbestimnung  der  Bewohner  werden 
isse  gemacht,  die  sich  aber  selbst  entlarven. 

Stegmann  auf  diese  Frage:   "Konnen  Sie  haben,  aller- 

K.,  die  ist  fur  uns  gestorben!"  Auf  die  Forderung 
tbestimmung  der  Bewohner  wird  in  diskriminierender 
Die  Leute  konnen  ja  gleich  fragen,  ob  die  Stadt 

direkt  auszahlen  soil." 

Kinder  interessieren,  sondern  nur  die  Mb'glichkeit 
tzung  von  blirokratischen  MaBnahmen. 


58 


Am  Freitag,  den  25.5.73,  wurde  die  Spielstube  besetzt,  nachdem  die  AWO 
auf  den  Brief  des  Bewohnerrates  iiberhaupt  nicht  reagiert  hatte.  Stegmann 
stieB  nur  dunkle  Drohungen  aus:   "Jetzt  ist  SchluB.   Jetzt  fallt  der  Hammer. 
Er  wie  Herr  Faller,  der  Leiter  des  Jugendamtes,  drohte  mit  der  Polizei, 
und  Stegmann  kLindigte  Anzeigen  besonders  gegen  die  Bewohner  an.    (Faller- 
"Als  Mensch  stehe  ich  auf  Ihrer  Seite,  aber  als  Beamter  muB  ich  Sie 
darauf  hinweisen...    usw.    usf.)    Viele  Bewohner,  besonders  die  Frauen  betei- 
ligten  sich  an  der  Besetzung,  Transparente  wurden  gemalt  und  aus  den 
Fenstern  gehangt.  Als  am  Nachmittag  die  Polizei  kam,  eilten  auch  solche 
Bewohner  in  die  Spielstube,   urn  sie  zu  verteidigen,  die  vorher  eher  ab- 
seits  gestanden  hatten.  Aber  die  Polizei   schn'eb  nur  die  Parolen  der 
Transparente  ab  und  versuchte  auszuhorchen,  wer  sie  aufgeha'ngt  hat.   Urn 
die  Bewohner  der  umliegenden  Sozialwohnungen  zu  informieren,  wurde  ein 
Flugblatt  geschrieben.  Nachdem  am  Montag,  den  28. 5., die  Spielstube  wei- 
ter  besetzt  wurde,  bot  die  AWO  Verhandlungen  an. 

Am  gleichen  Tag  fand  eine  Sitzung  des  Sozialausschusses  der  Stadt  Frank- 
furt statt.  Auf  ihr  stellte  sich  heraus,  daB  Frau  Alfhart,   die  wiederum 
erklarte,  daB  keine  Zusammenarbeit  zwischen  dem  Vorstand  der  AWO  und 
Frl.  K.  moglich  sei,  Frl.  K.   Iiberhaupt  nicht  kannte.  Man  warf  ihr  so  ab- 
surde  Sachen  vor,  daB  sie  den  Kindern  bei  einem  Go-in  in  das  AWO-Biiro 
Pistolen  in  die  Hand  gedriickt  habe  usw.  Bedeutsam  an  dieser  Sitzung 
war,  daB  der  Arbeitskreis  Soziales,  der  die  Vergabe  der  Mittel  an  die 
Wohlfahrtsverbande  fur  die  Stadtverordnetenversamml ung  vorstrukturiert, 
die  AWO  aufforderte,   die  Entlassung  wieder  rlickgangig  zu  machen.  Diese 
Tatsache  und  die  interne  Information  vom  gleichen  Tag,  daB  die  AWO  die 
Spielstube  abgeben  wolle,  haben  wir  zu  wenig  beriicksichtigt.  Wenn  wir 
das  den  Bewohnern  breit  dargelegt  hatten,  dann  ware  ihnen  die  AWO  nicht 
so  stark  vorgekommen,  dann  hatte  ihnen  auch  die  Perspektive  vor  Augen 
gestanden,  daB  die  Stadt  die  dann  frei  werdenden  Gelder  unter  anderer 
Regie  weiter  an  die  Spielstube  hatte  geben  miissen. 

Die  AWO  schlug  eine  neue  Taktik  ein.  Nachdem  sie  vorher  .jede  Mitbestim- 
mung  abgelehnt  hatte,  sicherte  sie  auf  einmal   Mi  tbestinmunq  in  personel- 
len  und  finanziellen  Fragen  zu,  kLindigte  die  Einstellung  einer  weiteren 
Fachkraft  an  und  versprach  die  Riicknahme  der  Strafanzeigen.  Allerdings 
dachte  sie  nicht  an  die  Riicknahme  der  Entlassung  von  Frl.   K. 
Viele  Bewohner  wurden  dadurch  unsicher,  ob  sie  den  Kampf  fortsetzen 
sollten..Am  Mittwoch,  den  30.5. .versammelten  sich  etwa  15  Bewohner  und 
beschlossen  schliefilich,  zunachst  hart  zu  bleiben  und  die  Vorschlage 
der  AWO  zuruckzuweisen.  Sie  zweifelten  an  der  Ehrlichkeit  der  AWO,  weil 
diese  ja  am  Bei'spiel   von  Frl.   K.   gezeigt  hatte,  wie  sie   "Mi tbestimmung" 
und  "Zusammenarbeit"  versteht.   Nachwievor  aber  hielt  die  AWO  gegen  den 
Willen  der  Bewohner  an  der  KLindigung  fest.  Auf  der  Verhandlung  vom 
Dienstag  hatte  sie  sogar  ein  neues  Argument  aufgetischt,  nachdem  die 


alten  bankrott  waren.  Frl.  K.  habe  namlich  mit  dem  Briefkopf  der  AW0- 
Spielstube,  also  im  Namen  der  AWO,  Forderungen  der  Bewohner  an  die  AWO 
verschickt  (wie  zum  Beispiel  Abenteuerspielplatz,  Duschen  usw.)  Solche 
Ei'genma'chtiakeit  kb'nne  kein  Arbeitgeber  dulden.  Zweck  dieser  Argumen- 
tation war,"daB  die  Bewohner  sich  mit  dem  Standpunkt  des  Arbeitgebers 
identifizieren  sollten.  Bei  einigen  Bewohnern  hatte  das  auch  gewissen 
Erfolg.  Damit  bekraftigte  die  AWO  noch  einmal,  daB  AWO  und  Interessen 
der  Bewohner  zwei  Paar  Schuhe  sind,  denn  sonst  hatte  sie  ja  die  Initia- 
tive von  Frl.  K.  begru'Bt  und  sich  ihr  sogleich  angeschlossen  trotz 
ihrer  "Eigenmachtigkeit".  Weil  die  AWO  aber  kein  Verein  zur  Uohlfahrt, 
sondern  zur  Niederhal tung  der  Arbeiter  ist,  deshalb  unterdriickte  sie 
auch  diese  Initiative  fiir  die  Interessen  der  Bewohner,   indem  sie  Frl.K. 
entlieB. 

Am  Freitag,  den  1.5.,fiel   dann  die  Entscheidung.  Die  AWO  marschierte 
mit  den  Herren  See  und  Zahn  und  2-3  weiteren  VorstandsgrbBen  auf.  Herr 
See  gab  zu,  daB  es  ein  Fehler  gewesen  sei,  nicht  vor  der  Entlassung  mit 
den  Bewohnern  diskutiert  zu  haben  (urn  ihre  Zustinmung  dazu  zu  erlangen 
d.V.)   Die  Herren  sahen  sich  wieder  gezwungen,  die  Entlassung  von  Frl.   K. 
zii   '"' beg r linden".  Jetzt  lieBen  sie  alle  anderen  Vorwande  fallen.   Sie  sag- 
ten:    "Jeder  Arbeitnehmer  muB  tun,  was  der  Arbeitgeber  sagt.  Sonst  be- 
steht  kein  Vertrauensverhaltnis  mehr."  Frl.   K.  aber  sei  mit  ihrem  Brief 
im  Namen  der  AWO  zu  selbstiindig  vorgegangen.  Einer  der  Herren  verglich 
die  AWO  mit  den  Farbwerken  Hoechst,   in  denen  so  etwas  auch  nicht  moglich 
sei.    (Die  fortschrittliche  AWO  argumentierte  haarklein  wie  die  katholi- 
sche  Caritas,  die  als  Begrundung  fiir  die  Entlassung  einer  Sozialarbei- 
terin  beim  ArbeitsgerichtsprozeB  ausfiihrte: "Dadurch,  daB  die  Klagerin... 
stets  nur  die  Interessen  der...  Spanier     vertreten  hat,  entstanden  bei 
diesen  vb'llig  falsche  Vorstellungen  u'ber  die  Aufgaben  und  Moglichkeiten 
des  Verbandes,   die  in  dieser  Folge  starke  Differenzen  zwischen  der 
spanischen  kath.   Kolonie  und  dem  Caritasverband  und  sogar  eine  ausge- 
sprochene  Frontstellung  der  Spanier  ausgelbst  hat..  Der  Klagerin  ware 
es  ein  leichtes  gewesen,  diese  Verhartung  zwischen  den  Beteiligten  zu 
verhindern,  wenn  sie  die  ihr  zugewiesene  Aufgabe  richtig  erkannt  und 
durchgefuhrt  hatte,  namlich  zwischen  den  Interessen  der  Spanier  und 
denjenigen  des  Verbandes  zu  vermitteln  und  im  Zweifelsfall  denjenigen 
ihres  Arbeitgebers,  gema'ss  der  Treuepfl icht,  die  ihr  obliegt,  den  Vor- 
zug  zu  geben...  Kein  Arbeitgeber  kann  es  hinnehmen,  daB  seine  Ange- 
stellten  bestimmen,   in  welcher  Form  das  von  ihm  bestimmte  Ziel   seiner 
Arbeit  erreicht  wird.   Der  Arbeitgeber  allein  hat  das  Recht  zu  bestim- 
men    wie  und  in  welcher  Form  seine  Unternehmensaufgaben  erreicht  werden 
soll'en.  Wenn  der  Arbeitnehmer  mit  diesen  Vorstellungen  nicht  konform 
neht     ist  er  gezwungen,   seine  Vorstellungsn  einem  anderen  Arbeitgeber 
oder'in  selbsta'ndiger  Arbeit  durchzusetzen.. .  Es  kommt.  daher  nicht  da- 
rauf an,  welches  Programm  fur  die  Betreuung  von  Gastarbeitern  richtig 
Dde.r  falsch  ist,  sondern  allein  darauf, 'u'r  welches  der  Arbeitgeber 
sich  entschieder,  hat.  Die  bei   ihm  Angestallten  haben  sich  dieser  Ent- 
scheidung zu  beugen.")   (Aus  dem  ArbeitsgerichtsprozeB,  Caritas  Pforz- 
heim, Mai   1971) 

Der  AWO-Vorstand  behauptete  schlieBlich  schlankweg,  er  habe  aus     sozia- 
ier  Verantwortung"  und  aus  "Sorge  urn  die  Bewohner"  dem  Frl.   K.  gekiin- 
digt.   Ein  Bauarbeiter,  der  in  der  Siedlung  wohnt,  faBte  den  Standpunkt 
der  AWO  so  zusammen:  "Ich  kann  in  meinem  Betrieb  auch  nicht  machen,  was 
ich  will.  Wenn  der  Chef  zehnmal  zu  mir  sagt:    ' Du  Arschloch!1   passiert     O'd 


nichts.   Wenn  ich  das  einmal   sage,  dann  flieg'   ich."  Es  kam  zu  turbu- 
lenten  Szenen,  als  die  anwesenden  Bewohner  und  die  sie  unterstiitzenden 
Studenten  und  andere  Personen  die  Unverschamtheiten  der  AWO  angn'ffen. 
Die  Herren  der  AWO  zeterten:    "Einige  Leute  drangen  sich  zwischen  uns 
und  die  Bewohner.  Wenn  die  Studenten  nicht  waren,  dann  ware  alles  schon 
beigelegt.   Fremde  haben  die  Kinder  geschadigt,  indem  sie  die  Spiel stube 
boykottiert  haben.   Die  Bewohner  werden  manipuliert."  Solche   "Argumente" 
zogen  allerdings  nicht,  weil  ja  jedem  klar  war,  wer  auf  der  Seite  der 
Bewohner  gestanden  hatte.   Viele  Bewohner  sahen  jedoch  nicht  mehr,  wie 
sie  die  AWO  dazu  zwingen  kb'nnten,  die  Entlassung  von  Frl.   K.   ru'ckgangig 
zu  machen,  Sie  waren  der  Meinung,  da6  die  AWO  nie  nachgibt.  Sie  sahen 
in  einem  eigenen  Verein  keine  sichere  Perspektive  (ein  Mitglied  des  Re- 
wohnerrats:    "Da  mu|3te  man  viel  zu  viel  Arbeit  reinstecken.   Ich  kann 
doch  nicht  den  Kitt  vom  Fenster  essen.")  Auf  der  anderen  Seite  gaben 
die  Zugestandnisse  der  AWO  ihnen  die  Mb'glichkeit,  den  Kampf  mit  dem 
BewuBtsein  einzustellen,  daB  sie  doch  etwas  erreicht  ha'tten.   Der  Be- 
wohnerrat  stimmte  also  trotz  allem  dem  Vorschlag  der  AWO  mit  5  zu  2 
Stimmen  zu.   Kaum  war  das  geschehen,  zog  der  AWO-Vorstand  eine  vorformu- 
lierte  "gemeinsame  Presseerklarung"  aus  der  Tasche:   "Die  AWO  erklart 
ausdriicklich  ihre  Solidaritat  mit  den  Interessen  der  Bewohner  und  der 
Kinder  der  Wegscheidestr.  Als  Spitzenverband  der  Wohlfahrtspflege  wi  rd 
sie  sich  gemeinsam  mit  dem  Bewohnerrat,  den  Eltern  und  Kindern  der  Weg- 
scheidestr. rait  Nachdruck  daflir  einsetzen,  da©  die  Stadt  Frankfurt  a.M. 
und  das  Land  Hessen  die  Voraussetzungen  flir  eine  Verbesserung  der  Le- 
bensbedingungen  der  Menschen  in  den  sozialen  Brennpunkten  schaffen. 
Bewohnerrat  und  AWO  werden  kunftig  gemeinsame  politische  Aktionen  planen 
und  durchfuhren,   um  der  sozialen  Diffamierung  der  Bewohner  der  Ober- 
gangswohnung  entgegenzutreten." 


Photo:    G. 

Pabst 

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Dieser  Vorschlag  wurde  vom  Bewohnerrat  abgelehnt  aus  folgenden  Grlinden: 
"Der  Kampf  um  die  Spielstube  hat  die  unterschiedli  chen   Interessen  der 
AWO   und  der  Bewohner  gezeigt.   Die  von  den  Bewohnern  formulierten  For- 
derungen  konnten  in  diesem  Kampf  teilweise  erkampft  werden,  ohne  daB 
eine  grundsatzliche  Einigung  bes.    (im  Falle  Inge  K.)  erzielt  werden 
konnte.    Die   unterschiedlichen  Standpunkte  bleiben  auch  weiterhin  be- 
stehen.    Die   von   der  AWO  erklarte  Bereitschaft,   klinftig  gemeinsame   poli- 
tische Aktionen  zu  planen  und  durchzufuhren ,  setzen  wir  unsere  Skepsis 
entgegen.  Wir  bezweifeln,  daB  die  AWO  in  der  Lage  ist,  gegen  die  Situa- 
tion im  Wohnungswesen  erfolgreich  vorzugehen.   Die   in  ihrem  Vorschlag  be- 
tonte  Solidaritat  muB  sich  erst  in  Zukunft  erweisen.   Die  Vergangenhei t 
kann  kein  Zeugnis  der  Solidaritat  ablegen." 


Die  nach  wie  vor  bestehenden  Interessengeg 
der  Frage  der  Mitbestimmung.  Die  AWO  schlu 
triebsrat  der  AWO  und  der  Bewohnerrat  glei 
sollten.  Das  hatte  aufgrund  der  Abhangigke 
AWO  bedeutet,  da6  der  Bewohnerrat  nichts  z 
Bewohnerrat  dagegen  schlug  paritatische  Mi 
4  Vertretern  des  Bewohnerrates,  4  der  AWO 
Liberstehen  sollten.  AuBerdem  soil  der  Bewo 
personellen  und  finanziellen  Fragen  haben. 
Bewohnerrat  flihrt  zur  Zeit  Gesprache  mit  S 
an  der  Spielstubenarbeit  in  der  Wegscheide 
geauBert  hat,  keine  Sozialarbeiter  mehr  ei 


ensatze  zeigen  sich  auch  in 
g  vor,    daB  die  AWO,   der  Be- 
chberechtigt  mitbestirrmen 
it  des  Betriebsrats  von  der 
u  sagen  gehabt  hatte.   Der 
tbestimmung  vor,  wonach 
(einschl.  Betriebsrat)   gegen- 
hnerrat  ein  Vetorecht  in  alien 
Praktisch  heiBt  dies:   Der 
ozialarbeitern,  die  Interesse 
str.   haben,  obwohl   die  AWO 
nzustellen.   Die  Bewohner 


Sozialistische 


bringt  monatlich  auf  efwa  24  Seiten  Aktionsmodelle,  Beitrage  zur 
sozialistischen  Theorie  und  Strategie,  Berichte  aus  derlinken  inter- 
national. Jinks"  ist  illusionslos,  undogmatisch  —  eine  Zeitung  fur 
Theorie  der  Praxis  und  fur  Praxis  der  Theorie. 

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Bezugspreis,  jshrlich,  DM15.—  +  DM  2.40  Versandkosten 

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Verlag  2000  GmbH,  605  Offenbach  4,  Postfach  591. 


61 


wollen  die  pad.   Betreuer  fiir  ihre  Kinder  selbst  bestimmen.  An  diesem 
Bei spiel  wird  sich  zeigen,  ob  die  AWO  zugesicherte  Mitbestimmung  in 
personellen  Fragen  praktisch  zulaBt. 

Die  Ereigm'sse  nach  der  Versammlung  am  Freitag  zeigten  noch  einmal  , 
daB  die  AWO  langst  nicht  so  stark  war,  wie  es  schien.  Am  Sonntag,   dem 
3.6.  ,wurde  in  Koblenz  die  Sozialarbeitertagung  der  Arbeiterwohlfahrt 
abgeschlossen.  Arno  Kosmale,  Ministerialrat  in  Bundesministerium  fur 
Fanrilie  jiielt  eine  schbne  Rede.  Er  sagte:   die  AWO  mlisse  das  Vorhandene 
nicht  nur  verbessern,  sondern  sogar  prinzipiell  verandern.  Er  forderte 
die  On'entierung  der  AWO  an  politischen  Zielen  wie  dem  der  "Gesellschaft 
der  Gleichen".   Er  forderte,  die  AWO  mlisse  sich  zuerst  mit  jenen  solida- 
risieren,  die  schwach  sind  und  schlieBlich  posaunte  er  aus:    "Die  AWO 
ist  eine  sozialistische  Organisation."  Diese  Phrasen  nahmen  ihm  viele 
Sozialarbeiter  nicht  mehr  ab,  weil   sie  u.a.  am  Beispiel   der  Wegscheidestr., 
liber  das  die  Tagungsteilnehmer  breit  informiert  worden  waren   (150  Ex. 
der  Dokumentation  wurden  verkauft)  gesehen  hatten,  wie  die  Wirklichkeit 
aussieht.  Dreiviertel   der  Delegierten  stimmten  einer  Resolution  zu, 
in  der  die  Kiindigung  von  Frl .  K.  verurteilt  wurde.  Die  Resolution 
stellte  heraus,  daB  die  AWO  deshalb  die  Kiindigung  ausgesprochen  hatte, 
weil   Frl.   K.   "die  Aufgabe  der  Sozialarbeit  im  Interesse  der  Betroffe- 
nen  wahrgenommen  hat".  Auch  Bundesgeschaftsfiihrer  Haas  konnte  dieses 
Ergebnis  nicht  mehr  mit  der  Unwahrheit  verhindern,   "daB  die  Eltern  der 
Entlassung  zugestimmt  hatten".  Der  "fortschri ttliche"  Cheftheoretiker 
der  AWO,  Wolfgang  Bauerle,  enthielt  sich  vornehm  der  Stiinme.  Schon  eine 
Woche  vorher  hatte  er  auf  Anfrage  des  AKS  Frankfurt  erklart,  er  wisse 
nichts  von  dem  Konflikt  in  der  WegscheidestraBe  (obwohl    timSchreiben 
des  Bewohnerrates  und  des  AKS  Frankfurt  liber  den  Konflikt  zugegangen 
sind),  und  auBerdem  kbnne  der  Bundesvorstand  darauf  keinen  EinfluB 
nehmen,  weil   jeder  Kreisverband  selbst  verantwortlich  sei .   Zwei   Tage 
spater,  am  Dienstag,  den  5.6.,  trat  Lizzy  Alfhart  von  ihrem  Vorstands- 
posten  im  Frankfurter  Kreisverband  zurlick.  Die  Frankfurter  Rundschau 
flihrte  das  auf  die  traurige  Rolle  zurlick,  die  sie  im  WegscheidestraBen- 
Konflikt  eingenommen  hat.  Auch  der  Geschaf tsflihrer  Stegmann  kundigte. 


SchluSfolgerung: 


Den  Bewohnern  der  WegscheidestraBe  steht  in  diesem  Konflikt  direkt  der 
burgerliche  Staat  gegenliber.   Denn  die  AWO  ist  keine  selbstandige  Orga- 
nisation, kein  wirklich  "freier"  Trager.  Sie  ist  finanziell   vom  Staat 
abhangig  und  personell   und  politisch  eng  mit  der  SPD  verbunden.  Dieser 
Staat  ist  keine  unabhangige,  liber  den  Klassen  stehende  Instanz,  die 
sich  das  Wohl   des  ganzen  Volkes  zur  Aufgabe  gemacht  hat.   Er  ist  viel- 
mehr  ein  Klassenstaat,  ein  Staat  der  Kapitalistenklasse.  Keine  MaB- 
nahme  der  Arbeiterwohlfahrt  gegen  die  Bewohner  der  Wegscheidestr.   ist 
richtig  zu  verstehen,  wenn  man  nicht  sieht,  daB  die  Aufrechterhaltung 
der  Diktatur  des  Kapitals  auch  die  Hauptaufgabe  der  Wohlfahrtsein- 
richtungen  des  Staates  ist. 

Zunachst  einmal   ist  das  Kapital   die  direkte  Ursache  der  Obdachlosigkei t 
von  Teilen  der  Arbeiterklasse  und  kleiner  Selbsta'ndiger  (Handler, 
Schausteller  usw.)  In  einer  Gesellschaftsordnung,  in  der  die    breite 
g2    Masse  vom  Arbeitslohn  ausschl ieBlich  abhangt,  flihrt  jede  Erschlitterung 


der  wirtschaftlichen  Entwicklung  zur  Obdachlosigkei t.  So  warf  die  Welt- 
wirtschaftskrise  1929-33  Hunderttausende  von  Familien  in  Deutschland 
aus   ihren  Wohnungen,  die  sich  dann  in  Bretterbuden  und  Laubenkolonien 
zusammendrangten.   Die  Kriege,  die  die  deutsche  Bourgeoisie  aus  impe- 
rial istischen  Interessen  flihrte,  machten  ebenfalls  Hunderttausende 
obdachlos. 

Aber  auch  in  "normalen  Zeiten",  in  Zeiten  der  Hochkonjunktur,  ist  die 
Zunahme  der  Obdachlosigkeit  unvermeidl ich.  Zum  groBen  Erstaunen  der 
blirgerlichen  Wissenschaft  wuchs  die  Zahl   der  Obdachlosen  auch  Ende 
der  50er  und  in  den  60er  Jahren  stetig  an,  obwohl  die  Kriegsfolgen 
weitgehend  beseitigt  waren.   Der  einfache  Grund  ist,  daB  mit  der  Ent- 
wicklung der  kapital istischen  Produktion  die  Maschinerie  standig  verbes- 
sert  wird,  d.h.  Handarbeit  durch  Maschinenarbei t  ersetzt  wird,  so  daB 
notwendig  eine  Reservearmee  von  Arbeitslosen  entsteht,  die  entweder 
vorubergehend  oder  dauernd  aus  der  Produktion  ausgestoBen  werden.  Aus 
einer  Befragung  von  75  Obdachlosen  im  Offenbacher  Marioth  vom  Jul i    1970 
ergab,  daB  16  %  (=  12  Personen)  arbeitslos  waren  und  daB  62,5  I  (=47 
Personen)  schon  ofter  arbeitslos  gewesen  sind.   (Rudolph  Bauer.  Studie 
fur  einen  sozialen  Entwicklungsplan  im  Bereich  der  Mariothsiedlung, 
Juli    1970  Offenbach  S.  49)  Diese  Unsicherheiten  treffen  insbesondere 
die  untersten  Schichten  der  Arbeiterklasse,  Bauarbeiter,  Tagelohner, 
Mbbelpacker  usw.  AuBerdem  gibt  es  die  nicht  zu  jnte>-scha'tzende  Gruppe 
der  Zigeuner,  die  sich  als  Musiker,  Artisten  und  Handler  kaum  iiber 
Wasser   halten  kdnrien. 

Wenn   "endlich  der  Hausbesitzer,   in  seiner  Eigenscha~t  als   Kapitalist 
?icht  nur  das  Recht,  sondern  vsrmbge  der  Konkurrenz  gewissermaBen  auch 
die  Pflicht  hat,  aus  seinem  Hauseigentum  rlicksichtslos  die  hbchsten  Miet- 
preise   herauszuschlagen"   (Engels,     Zur  Wohnungsfrage,  Ausgew.  Werke 
Marx/Engels,  Bd.   1  Berlin   1968  S.  549),  wie  soil  dann  Obdachlosigkeit 
vermieden  werden  kbnnen?  Die  Einweisung  der  Obdachlosen  in  Notunter- 
klinfte  hatte   It.  Statistik  folgende  Grlinde   (30.6.1973):   etwa  50  %  wegen 
Unfahigkeit,  die  Miete  zu  zahlen,  etwa  25  %,  die  ohne  "Verschulden" 
vom  Vermieter  geklindigt  bekamen   (Eigenbedarf  usw.)   und  etwa  20  %,  die 
wegen  Zerstbrung  von  Wohnraum  (Sanierung,  Baufall  igkei t,  Feuer  usw.) 
ihre  Wohnung  verlassen  muBten  und  keinen  Ersatz  fanden. 
Inzwischen  weiB  jeder,  daB  das  Kapital    lieber  in  Luxus-  und  Eigentums- 
wohnungen  investiert,  selbst  wenn  Zehntausende  spater  leerstehen,  daB 
die  Sanierung  billige  Wohnungen  durch  profitablere  Geschafts-     und  Ap- 
nartementhochhauser  ersetzt,   daB  die  Mieten  rlicksichtslos  gesteigert 
werden  usw.  All   das  wird  notwendig,  weil  die  Konzentration  der  Industrie 
in  den  groBen  Stadten  den  Bodenwert  steigert.   Die  bestehenden  Hauser 
entsprechen  nicht  mehr  dem  gestiegenen  Bodenwert  und  werden  saniert. 
Auf  der  anderen  Seite  aber  setzt  das  Kapital  jeder  Lohnerhbhung  den 
heftigsten  Widerstand  entgegen  (aus  Grunden  der  "Stabilitat"  seiner 
Profite).  Wie  soil   da  nicht  Obdachlosigkeit  entstehen? 
"In  einer  solchen  Gesellschaft  ist  die  Wohnungsnot  kein  Zufall,  sie 
ist  eine  notwendige  Institution,  sie  kann  mitsamt  ihren  Riickwirkungen 
auf  die  Gesundheit  usw.  nur  beseitigt  werden,  wenn  die  ganze  Gesellschafts- 
ordnung, der  sie  entspringt,  von  Grund  aus  umgewalzt  wird. 

Der  "SoziaV'staat  steht  dieser  objektiven  Entwicklung  ohnmachtig  gegen- 

u'ber.   Die  Kapitalistenklasse  kann  und  will  Obdachlosigkeit,  d.h.   die 

elende  Lage  von  Teilen  der  Arbeiterklasse,  nicht  beseitigen.   Die  burger- 63 


64 


lichen  Ideologen  erklaren,  daB  es  "in  jeder  Gesellschaft    ...   eirie  be- 
stimmte  Zanl  von  Menschen  geben  wird,  die  nicht  gewillt  Oder  rn'cht    in 
der  Lage  sind,  sich  in  die  Normal  gesellschaft  einzugliedern"   (Deutscher 
Stadtetag,  Hinweise  zur  Obdachlosenhilfe,  Kbln  1968  S.   10)  Sie  halten 
die  kapitalitstische  Gesellschaft  flir  die  einzig  mogliche  Gesellschafts- 
ordnung. 

Die  Bourgeoisie  verweigert  den  Menschen,  die  sie  ins  Elend  hinabstb'Bt, 
bewuBt  auch  noch  die  minimal sten  Voraussetzungen  einer  menschenwlirdi- 
gen  Existenz.  Der  Sozialstaat  setzt  sich  liber  aller  Regeln  des  Grund- 
gesetzes  hinweg,  auf  das  er  gegeniiber  "Verfassungsfeinden"   so  gern 
pocht,  Was  grb'Beren  Hunden  It.  Tierschutzgesetz  zusteht,  ein  Kafig 
von  6  qm,  das  gesteht  der  "SoziaV'staat  vielen  obdachlosen  Arbeitern 
nicht  zu.   Er  verschlechtert  die  sanitaren  Bedingungen  (keine  Duscien, 
Bader,  zu  wenig  Waschgelegenheiten,  Klos  usw.),  er  unterwirft  die  Ob- 
dachlosen eineiH  "besonderen  GewaltverhSItnis",  Die  Murichener  "Unter- 
kunftsanlagensatzung"  verbietet  z.B.  allgemein  das  Waschewtschan  und 
-trocknen  in  den  Wohnungen,  das  Halten  von  Hunden,  die  Obernachtung 
von  Besuchern.  Sie  gestattet  dagegen  Rehbrdenbesuche  ohne  Anmeldung 
selbst  zur  Nachtzeit.  Sie  gestattet  Aus-  und  Umquartierung  vegen  jedes 
VerstoBes  gegen  die  Satzung  und  aus  Griinden  des  "allgemeinen  Wohls" 
(vgl.  Arbeitskreis  junger  Kriminologen  ftandgruppenarbeit,  MUndien   1973 
S.    77-93) 

Die  Logik  der  Bourgeoisie  bringt  ein  Obervarwaltungsrat  der  Stadt  Mtil- 
heim/Ruhr  treffend  zun  Ausdruck:    "Ei-Ziehuny,  auch  die  sozialpadagogische 
Hilfe  (!!!   d.V.),   kann  auf  das  warnende  Seispiel   nicht  verzichten.  Das 
Vorhandansein  einer  solchen  (Primitiv)-Unterkunft  und  die  bestandige 
Drohung  nach  dorthin  zuriickkehren  zu  miissen,  ist  haufig  das  letzte  Mit- 
tel,  die  in  besseren  Unterkunften  Lebenden  vor  einem  Wiecerabgleiten  zu 
bewahre:i."    (Blatter  fur  Wohlfahrtspflege  Nr.  6/70  S,    198) 

Ihter  diesenVoraussetzungen  fangt  nun  die  So/.ialarbei t  ihr  Geschaft  an. 
Sie  hat  nicht  die  Aufgr.be,  die  Verhal tnisse  zu  andern,   sondern  die 
Menschen.  Uie  soil  das  geschehen?  Durch  Aktivierung  der  "Selbsthi Ife- 
krafte".  Derselbe  Staat,  der  durch  tausend  burokratische  MaBnahmen 
tagta'glich  die  Obdachlosen  erdruckt  und  verwaltet,  der  sie  gegen  ihren 
Willen  jahrelang  in  Drecklb'chern  festhalt,    (vgl.  die  Beispiele  des  zahen 
Kampfes  gegen  die  Sozialblirokratie,  die  E.  Richter  in  seinem  Buch 
"die  Grupps"  anfuhrt  S.   253-260)   gewahrt  den  Obdachlosen  gna'dig   "ein 
Trainingsfeld  flir  die  Eigenaktivita't"  (Deutscher  Stadtetag  S.   23)  So 
diirfen  denn  auch  die  Bewohner  einen  Rat  wahlen,  sie  durfen  Liber  ihre 
eigene     Unterdrlickung  mitbestimmen,  sie  diirfen  Feste  feiern.Kurse  ein- 
richten,  sie  durfen  in  behbrdlichen  Spielstuben  selbst  ihre  eigenen 
Kinder  beaufsichtigen,  sie  durfen  sich  mit  staatTTcH&ti  Wohlwollen  flir 
Telefonhauschen,  Beleuchtung,  Duschen,  Spielplatze  usw.  einsetzen  und 
diirfen  besonders  alles  kostenlos  selber  machen,  was  die  Stadt  Geld  ko- 
sten  wlirde  (Renovieren  usw,)  All  das  hat  den  Zweck  "bei  einer  inner 
grb'Ber  werdenden  Zahl  von  Obdachlosen  eine  optimistischere  Grundhaltung 
zu  fbrdern  und  die  Bereitschaft  zur  aktiven  Bewaltigung  anstehender  Pro- 
bleme  zu  festigen  (Deutscher  Stadtetag  S.  22)   Dieselbe  Bourgeoisie, 
die  rucksichtslos  Hunderttausende  von  Menschen  ins  Elend  stb'Bt,  reicht 
ihnen  "briiderlich"  die  Hand  zur  "Zusammenarbeit",  stellt  sich  als  "Part- 
ner" der  Obdachlosen  hin. 

Lizzy  Alfhart:   "Angetreten  ist  die  AWO  vor  mehr  als  50  Jahren  mit  dem 
Willen,  die  Armenpflege  dieser  Zeit...  zu  ersetzen...  durch  die  Idee 


der  Solidarity. "   (AWO  Kreisverband  Ffm.,   1973  S.   3)  Allerdings .:  die 
"Solidaritat"  zwischen  Unterdriickern  und  Unterdruckten. 
In  den   "Hinweisen  zur  Obdachlosenhilfe"   hat  der  Deutsche  Stadtetag 
die  Bedeutung  der  Spielstuben  so  eingeschatzt.   "Wesentlicher,  viel- 
leicht  bedeutendster  Ansatzpunkt  einer  Wiedereingliederung  der  gesamten 
Familie  sind  die  vielfaltigen  Einrichtungen  der  Kinderhilfe. . ." 
Was   sind  die  Leitlinien? 

"Hinflihren  zur  Gemeinschaftsfahigkeit ,  zur  Konzentration,  zur  Spiel-, 
Pflege-  und  Arbeitshal tung,  Gewohnung  an  Sauberkeit  und  Ordnung." 
(Kbln     1968,  S.   19)   (Das  ist  schlimmster  Zymsmus,  wenn  man  bedenkt, 
daB  in  der  Wegscheidestr.  52,  54,  56  keine  einzige  Dusche  oder  Bad  vor- 
handen  ist). 

Die  AWO  hat  in  der  Wegscheidestr.   klar  gezeigt,  daB  sie  nur  gewillt 
ist,  die  Gemeinschaftsfahigkeit  der  Arbeiterfamilien  mit  dem  Vorstand 
der  AWO  zu  fordern,  nicht  aber  die  Solidaritat  der  Bewohner  unterein- 
ander.  Oberbiirgermeister  Rudi  Arndt,  der  Schirmherr  des  Kreisverbandes 
Ffm  der  AWO,  schrieb  in  seinem  GruBwort  zum  AWO-Somnerfest  1972: 
"Materielle  Hilfe  flir  alle  Menschen,  die  im  Schatten  stehen  und  die 
oleichzeitige  Entfaltung  ihres  politischen  BewuBtseins,  damit  sie 
selbst  eingreifen  konnen  in  die  Fortentwicklung  unserer  Gesellschaft, 
das   sind  die  beiden  Bereiche,  in  denen  die  AWO  wesentliche  Beitrage 
leistet  zur  Denokratisierung  der  Sozialarbeit. . ."   (S.   1), 
Die  Bewohner  der  Wegscheidestr.  wollten  "selbst  eingreifen     in  die 
"Fortentwicklung  unserer  Gesellschaft",  allerdings  von  ihrer  Interes- 
senlaqe  aus.   Die  Reaktion  der  AWO  hat  bewiesen,  daB  nur  die   "Selbst- 
hi lfekrafte"  geschatzt  werden,  nur  die  "aktive  Bewaltigung  anstehender 
Probleme",  die  vom  Standpunkt  der  Bourgeoisie  aus  annehmbar  ist.d.h. 
vom  Standpunkt  der  Zusammenarbeit,  der  freiwilligen  Unterordnung. 
"Demokratisierung  der  Sozialarbeit",  d.h.   fur  die  AWO  in  Wirklichkeit 
nicht  Entscheidungsfreiheit  der  Volksmassen,  sondern  daB  die  Volks- 
nassen  willkurliche  Entlassung,  Drohungen  gegen  Bewohner,  Anzeigen, 
Hausverbot,  Spaltung  und  Diskriminierung  als  Ausdruck  sozialer  Gerech- 
tigkeit  anerkennen. 
Oer  Liberalismus  des  "SoziaV'staates  endet  schnell ,  wenn  der  objekti- 

Interessengegensatz  zwischen  den  Klassen  auch  in  den  Obdachlosen- 
siedlungen  aufbricht.  Die  Entlassung  der  Sozialarbeiterin  Inge  K. 
zeiqt  flir  die  Sozi  alarbei  ter:  . 

1      daB  der  bu'rgerliche  Staat  nicht  gewillt  ist  und  nicht  sein  kann, 
die   interessen  der  obdachlosen  Teile  der  Arbeiterklasse  und  des  Klein- 
burqertums  zu  vertreten; 

0  daB  die  soziale  Hlille  von  Mitbestimmung  und  Zusammenarbeit  sofort 
fiillt     wenn  die   Interessen  der  Bourgeoisie  auch  nur  geringfugig  ver- 
iPtzt'werden.  Dann  kommt  der  wirkliche  Charakter  des  Sozialstaates 
zum  Vorschein,  namlich  ein  Teil  der  burgerlichen  Unterdrlickungsmaschi- 

nprie  zu  sein;  .      ,.  ,-        ,     j-     r 

1  daB  der  "Spielraum"  des  Sozialarbeiters ,  in  diesen  Fesseln  die  In- 
teressen des  Klientels  zu  vertreten,  sehr  gering  ist,  daB  "sozialisti- 
crhe  Sozialarbeit"  vom  burgerlichen  Staat  nicht  bezahlt  wird; 

4     daB  die  Obdachlosen  sich  im  Kampf  gegen  den  "Uohlfahrts"staat  zu- 
sannenschlieBen  miissen,  urn  eine  Knderung  ihrer  Lage  zu  erreichen. 

Der  Konflikt  hat  noch  einmal  bewiesen,  daB  die  Sozialarbeiter  nicht 

die  Hauptkraft  sind,  die  eine  Knderung  der  Lage  der  Obdachlosen  her-      65 


beifuhren  konnen.   Die  bei   der  AWO  angestellten  Sozialarbeiter,   Prakti- 
kanten  usw,  haben  eine  vollig  untergeordnete  Rolle  gespielt.  Entweder 
tiaben  sie  versteckt  Oder  offen  gegen  die  Bewohner  gearbeitet,  Oder 
haben  si'ch  versteckt  mit  ihnen  solidarisch  erklart,   indem  sie  uns   fn- 
formi'erten  Oder  sonst  wie  unterstiitzten.  Andere  Sozialarbeiter  in  Ffm, 
Hessen  und  im  Bundesgebiet  haben  sich  mit  wenigen  Ausnahmen   (AKS) 
nur  verbal   solidarisch  erklaren  konnen,  Der  Konflikt  in  der  Wegschei- 
destr.  hat  keine  Antwort  darauf  gegeben,  wie  Sozialarbeiter  im  Dienst 
der  Arbeiterklasse  handeln  konnen.  Es  wurden  keine  Schritte  unternom- 
men,  die  Frankfurter  Arbeiterklasse  fur  den  Kampf  der  Obdachlosen  zu 
gewinnen.  Dagegen  viele  Schritte,  urn  andere  Sozialarbeiter  zu  gewinnen 
So  fanden  die  Bewohner  der  Wegscheidestr.  hauptsachlich  Unterstutzung 
bei   den  Teilen  des  Kleinburgertums  und  der  Intelligenz,  die  sich  be- 
rufsma'Big  mit  Sozialarbeit  beschaftigen  und  Teilen  der  linken  SPD. 
Die  Arbeiterklasse  ist  jedoch  die  soziale  Kraft,  die  am  entschlossen- 
sten  den  Kampf  zur  Beseitigung  der  Verhaltnisse  fuhren  muB,  unter  denen 
auch  die  Obdachlosen  leiden.   Erst  die  Verschmelzung  mit  dem  Kampf, 
den  Zielen  und  den  Organisationen  der  Arbeiterklasse  wird  den  obdach- 
losen Teilen  der  Arbeiterklasse  die  Mbglichkeit  erb'ffnen,  mit  der  Um- 
wa'lzung  der  gesamten  Produktionsverhaltnisse  auch  ihre  elende  Lage 
grundlegend  zu  a'ndern.    (vgl.   SVI ,  Materialien  zur  Sozialarbeit/- 
Padagogik  Nr.    2  Berufsperspektive  I  1973  S.   34-43  und  S.   67-74 
Bestellung  an  SVI  e.V.  56  Wuppertal,  Friedrich-Engels-Allee  164  a). 


66 


REIHE  ROTER  PAUKER 

MATERIALIEN  ZUR  UNTERRICHTSPRAXIS 

Heft  6,  Unterrichtseinheit  "Lateinamerika" 

Die  UE  Lateinamerika  wurde  im  Friihjahr  197t  an 
der  Ernst-Reuter-Schule  Frankfurt  erarbeitet  und 
im  Unterricht  (7.  Klassen  Gesellschaftslehre )  er- 
probt.  Diese  UE  setzt  sich  weder  zum  Ziel,  den 
Schiilern  eine  Theorie  des  Imperialismus  zu  ver- 
mitteln,  noch  kann  sie  sich  auf  der  abstrakten 
Ebene  imperialistischer  Erscheinungsformen -die 
Abhangigkeit  von  Weltmarktpreisen  und  Verschlech- 
terung  der  'terms  off  trade' .Technologietransfer , 
Kreditverschuldang  usw.  bewegen.  Sie  beschrankt 
sich  vielmehr  darauf,  am  Bei spiel  der  Staaten 
Brasilien,  Peru,  Chile  und  Kuba  anhand  zweier 
Froblemkreise  (Landverteilung  und  Rohstoffkon- 
trolle)  wesentliche  Ursachen  der  Unterent wick- 
lung  und  die  unterschiedlichen  politischen  Wege 
zu  deren  Bewaltigung  aufzuzeigen. 

6o  Seiten,  broschiert,  DM  k, — 

Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  k;   Postfach  591 


Wohnkollektiv  Bochum,  WittenerstraBe 
Landschaftsverband  Westfalen-Lippe  versucht 
Wohnkollektiv  zu  reglementieren! 


Die   Jugendwohngerneinschaft  Wittenerstr.   in  Bochum 
le  Jugendarbeit)  gibt  in  unregelma'Bigen  Abstanden 
gie   erarbeitete  Kollekti vzei tung  heraus,  die  u.a 
andere  Kollektive  im  Bundesgebiet  verteilt  wird. 
v.    19.4.1972  gibt  Berichte  von  Jugendlichen  wiede 
Erlebnisse  in  Heimen  und  vor  Gerichten  schildern; 
im  Info  Sozialarbeit  Heft  Nr.   1   "Fursorgeerziehun 
erfuhr  so  Anf.sng  1973  zi.satzliche  bundesweite  Ver 
tete  der  Landschaftsverband  sofort  und  versuchte 
Trager.die  freie  MeinungsauBerung  der  Jugendliche 
Die   Jugendlichen  der  Wohngemeinschaft  haben  diese 
energisch  zuruckgewiesen. 


(Trager  Verein  Sozia- 
eine  in  eigener  Re- 
im  Ortsteil   und  an 
Die  Kollekti vzeitung 
r,  in  denen  sie  ihre 
diese  Zei tung  wurde 
g"  abgedruckt  und 
breitung.  Danach  schal- 
ir,  einem  Brief  an  den 
n  zu  unterdriicken. 
Versuche  bewuBt  und 


Wir  werden  die  Jugendlichen  durch  eine  weitere  Verdffentlichung  dieser 
Auseinandersetzung  unterstutzen  und  drucken  hier  Auszlige  aus  ihrer 
Zeitschrift  ab: 


Alle   haben  Pressefreiheit  nur  wir  nichtl 


In  der  Wittenerstr.   462  wohnen  6  Jugendliche  in  einem  Fursorgekol lekti v. 
Wir,   die  Jugendlichen,  stehen  unter  FE  oder  FEH  und  kommen  alle  aus 
Heimen.   Unser  Kollektiv  soil  ein  Gegenmodell  gegen  die  Ublichen  Heime 
sein.    Das  Kollektiv  wird  vom  Verein  flir  soziale  Jugendarbeit  geleitet, 
finanziert  wird  es  von  den  Landesjugendamtern.  Der  Verein  hat  bestimm- 
te  Auflagen  vom  Jugendamt,  nach  denen  er  arbeiten  muS.  Geschieht  dieses 
nicht,   so  werden  die  Gelder  gestrichen  und  das  Kollektiv  wird  geschlos- 
sen.   Dann  mu'Sten  die  Jugendlichen  ins  Heim  zurlick. 
Das'Kollektiv  besteht  schon  seit  3  Jahren.   In  dieser  Zeit  wurden  die 
Leute  ofter  ausgewechselt,  da  einige  nach  Hause  gingen  oder  auch  straf- 
fallig  wurden.  Manche  muBten  zurlick  ins  Heim,  andere  mieteten  sich  ge- 
meinsam  eine  Wohnung  und  grlindeten  ein  neues  Kollektiv.  Sie  lieBen 
ihre  FE  auflbsen  und  wurden  dadurch  unabhangig,   so  daB  sie  endlich  so 
zusammen  leben  konnten,  wie  sie  wollten. 

Das  Kollektiv  hat  bis  jetzt  auf  dem  Gebiet  der  Resozialisierung  mehr 
Erfolge  aufzuweisen  als  irgendein  anderes  Heim.  Das  gibt  uns  die  Mbg- 
lichkeit, Liber  unsere  Situation  nachzudenken  und  zu  diskutieren,  z.B. 
wie  wir  eigentlich  ins  Heim  gekommen  sind  und  welche  Rolle  wir  in  der 
Gesellschaft  spielen.  Mir  ist  es  doch  klar,  warum  man  mich  im  Heim  so 
kurz  gehalten  hat.  Als  ich  wieder  raus  kam,  sollte  ich  meine  Schnauze 
nicht  aufmachen;  im  Kollektiv  dagegen  kann  ich  mich  so  entwickeln,  daB 
ich  mich  wehren  kann,  wenn  mir  etwas  nicht  paBt.  QJ 


Ira  Kollektiv  haben  wir  schon  bfter  mal  Veranstaltungen  gemacht,  die 
sehr  gut  besucht  waren.  Uir  haben  z.B.  iiber  Drogenprobleme  gesprochen, 
well  man  danrit  imnier  wieder  konfrontiert  wird,  Oder  wir  haben  Fil- 
me  gezeigt  und  anschlieBend  darliber  diskutiert.  Wir,  das  Kollektiv 
Bochum,   haben  einmal   alle  Kollektive  aus  MRU  eingeladen  und  Erfahrun- 
gen  ausgetauscht.  Wir  haben  jetzt  noch  Kontakt  zu  ihnen  und  informie- 
ren  uns  gegenseitig  liber  gemeinsame  Probleme. 

Bei   uns  im  Kollektiv  haben  wir  einen  Aufgabenplan  aufgestellt,  da  wir 
vorher  sehr  viele  Schwierigkeiten  mit  dem  Saubermachen  hatten.  Die 
Kollektivzeitung  wird  von  uns  ganz  allein  gemacht.  Auch  die  Ideen  sind 
von  uns,  vom  padagogischen  Personal  dlirfen  lediglich  Berichte  und 
Informationen  kommen.  Der  Redaktionsstab  besteht  ausschl ieBlich  aus 
Kollektivmitgliedern.  Der  abgedruckte  Brief  ist  eine  glatte  Erpressung 
gegen  den  Redaktionsstab  und  das  padagogische  Personal.  Aber  wir  las- 
sen  uns  nicht  erpressen,  besonders  nicht  von  solchen  Leuten,  die  ver- 
suchen,  uns  zu  unterdrlicken.   Wir  haben  es  s&tt,   uns  etas  vorschrei- 
ben  zu  lassen.und  wir  werden  uns  mit  Ha'nden  und  Fu!ler.  wehren,  denn 
wir  wolltn  end! ich  frei  sein. 

Das  FE-Kollektiv  wird  von  3  Leuten  betreut,  die  Angestellte  des   Ver- 
eins  sind.  Es  sind  Padagogen,  die  nur  als  Berater  im  Kollektiv  er- 
wiinscht  sind.   Das  Jugendamt  sollte  seine  Finger  nicht  in  die  padago- 
gische Arbeit  stecken,  wie  es  zum  Teil  versucht  wurde.   So  hat  das  Ju- 
gendamt beispielsweise  verhindert,  daB  Jugendliche  neu  ins  Kollektiv 
aufgenommen  wurden.   Ihnen  war  jedes  Mittel   recht,  denn  sie  haben  so- 
gar  den  Eltern  der  Jugendlichen  davon  abgeraten,    ihre  Kinder  hierhin 
zu  bringen.  Ein  anderes  Beispiel:  Es  wurden  Gelder,  die  flir  die  Innen- 
ausstattung  notwendig  sind,  hinausgeschoben,  so  daB  man  nicht  die  Mog- 
lichkeit  hatte,  die  Raume  so  einzurichten,  wie  man  es  gerne  wollte. 
Wir  haben  uns  dann  behelfsmaBig  eingerichtet  und  muBten  die  Mb'bel   zum 
Teil   vom  Sperrmlill   holen. 

Leute  vom  Jugendamt,   vor  alien  Dingen  CDU-Leute,   haben  si  ch  daruber 
aufgeregt,  daB  bei   uns  auf  der  Toilette  ein  Marienbild  hing,  was   sie 
als  Gotteslasterung  empfanden.   Es  ist  doch  wohl  die  Sache  jedes  ein- 
zelnen,  was  er  sich  aufs  Klo  hinhangt,  und  ich  weiB  auch  nicht,  was 
das  mit  padagogischer  Arbeit  zu  tun  hat.  Oberhaupt  mbchten  wir  uns 
eine  Lebensform  schaffen,  die  uns  gefallt  und  nach  der  wir  auch   leben 
kdnnen.   Im  Heim  haben  wir  diese  Mbglichkeit  nicht  gehabt  und  wLirden 
sie  auch  nicht  bekommen.  Das  Kollektiv  ist  flir  uns  der  einzige  Ort, 
urn  sich  wirklich  frei  zu  entfalten.    Ich  wlinsche  mir,  daB  es  bald  kei- 
ne  Heime  mehr  gibt,   sondern  nur  noch  Kollektive,  in  denen  wir  leben 
kdnnen. 


Brief  des  Landschaftsverbandes  Westfalen-Lippe  an  den  Verein  Soziale 
Jugendarbeit  Bochum 


68 


Vor  einigen  Tagen  erhielt  ich  die  Kollektivzeitung  der  Wohngemeinschaft 
in  Witten  vom  19.4.1972  zugeschickt.  Ich  war  nicht  wenig  erstaunt  liber 
den  Inhalt  und  frage  mien,  was  eine  solche  einseitige  Darstellung  der 
Jungen  liber  die  Heimerziehung  flir  einen  Sinn  haben  kann.  Es  ist  sicher 
wichtig,  daB  die  Jugendlichen  zu  ihrer  eigenen  Vergangenheit  kritisch 
Stellung  nehmen,  und  zwar  in  Gruppensitzungen  und  in  Einzelgesprachen. 
Wenn  aber  eine  Zeitung  ausschlieBlich  mit  unreflektierten  und  ungepru'f- 


ten  Beitragen  gegen  die  Heimerziehung  erscheint,  so  liegt  zumindest 
der  Verdacht  nahe,  daB  hier  bewuBt  gegen  die  Offentliche  Erziehung 
polemisiert  wird. 

Sie  selbst  und  Ihre  Mitarbeiter  wissen  doch  inzwischen  nur  zu  gut, 
wie  solche  Berichte  oft  zustande  kommen,  vor  allem,  mit  welcher  Moti- 
vation. Ich  erinnere  an  Ihr  Schreiben  vom  23.3.1972,  in  dem  es  u.a. 
hei'Bt:  "...Wir  bemuhen  uns  doch  inzwischen  auch  Entweichern  nicht  al- 
les  zu  glauben,  was  sie  liber  Heime  erzahlen!"  Die  gleichen  Jugendli- 
chen, die  diese  Zeitung  verfaBt  haben,  flihrten  ja  seinerzeit  auch 
liber  die  Wohngemeinschaft  Beschwerde  und  sprachen  von  zum  Teil  chaoti- 
schen  Zustanden.  Hatte  das  Landesjugendamt  alien  Angaben  dieser  Art 
im  Laufe  der  Zeit  Glauben  geschenkt,  so  bestande  Ihre  Einrichtung 
heute  wohl  nicht  mehr. 

Die  Zeichnungen  in  der  Kollektivzeitung  geben  allerdings  zu  denken 
und  lassen  evtl .  Ruckschllisse  auf  das  Leben  in  der  Wohngemeinschaft 

zu.  .  ,  ... 

Es  wird  dabei   keineswegs  verkannt,  daB  die  Heimerziehung  weiterhin  re- 
formbedlirftig  ist  und  daB  viele  Jugendliche  eine  geradezu  tragische 
Vergangenheit  haben.   Es  ware  aber  doch  absurd,  ohne  die  Zusammenha'n- 
ge  aufzuzeigen,  gerade  die  Menschen  anzugreifen,  die,  wenn  auch  oft 
mit  unzureichenden  Mitteln,  aber  zum  Teil  unter  Verzicht  auf  ihr  Pri- 
vatleben,   ihre  Hilfe  anbieten,  um  noch  grdBeres  Ungluck   und  Unrecht 
zu  vermeiden.   Ihre  Mitarbeiter  haben  im  letzten  Jahr  selber  des  dfte- 
ren  gebeten,  einige  Jugendliche  in  Heimerziehung  zuriickzunehmen,  weil 
sie  mit  der  ihnen  gebotenen  Freiheit  nicht  fertig  wurden.    Ich  erwarte 
von  den  Verantwortlichen  einer  Wohngemeinschaft,  daB  sie  die  Jugend- 
lichen dazu  motivieren,  nicht  nur  "anzuklagen",  sondern  auch  konstruk- 
tiv     und  zukunftsorientiert  mitzuarbei ten  und  die  Hilfen  anzunehmen, 
die   ihnen  auch  in  einer  verbesserungsbedurftigen  Gesellschaftsstruk- 
tur  immer  noch   in  beachtlicher  Weise  angeboten  werden. 
Ich  bitte  Sie  daher,   im  Interesse  der  Jugendlichen  und  nicht  zuletzt 
auch  im  Interesse  einer  weiteren  guten  Zusammenarbei t  mit  Ihnen  von 
der  Verdffentli chung  derart  negativ  gefarbter  Berichte  gegen  die 
Heimerziehung  abzusehen. 

Meine  Mitarbeiter  und  ich  wurden  es  sehr  bedauern,  wenn  die  sich  seit 
kurzer  Zeit  anbahnende  positive  Zusammenarbei t  mit  Herrn  Brand  und 
Herrn  Kurzeja  durch  VerstdBe  gegen  unsere     Vereinbarungen  beeintrach- 
tigen  wlirde.  .        ....  , 

Ich  ware  Ihnen  dankbar,  wenn  Sie  mir  jeweils  eine  Ausfertigung  der 
Kollektivzeitung  zusenden  wurden. 

Mit  freundlichem  GruB 

i.A.    (Abel)   Landesoberverwaltungsrat 


Stellungnahne  der  Jugendlichen 


1     Der  Brief  ist  an  den  Verein  "Soziale  Jugendarbeit  e.V."  gerichtet, 
obwohl  er  die  Zeitung  ("Kollektiv-Zeitung")   nicht  gemacht  hat,  sondern 
das  Kollektiv. 

2.   Die  Wohngemeinschaft  ist  nicht  in  WITTEN,  wie  im  Brief  angegeben 
ist,  sondern  in  Bochum,  Wittener  Str. 


69 


3.   Zu  dem  Vorwurf  der  "einseitigen  Darstellung  der  Jungen  uber  die 
Heimerziehung..."  Es  ist  zynisch,  von  Einseitigkeit  zu  reden,   da 
w  i  r    doch  die  Erfahrungen  im  Heim  lange  Zeit  haben  ertragen  mu'ssen. 
Wir  konnen  das,  was  wir  geschrieben  haben,  m'cht  schb'ner  darstellen, 
weil  das  dann  gelogen  ware. 

Uns  wird  vorgeschlagen,  zwar  zu  kritisieren,  jedoch  in  GRUPPENsitzungen 
und  in  EINZELgesprachen.  Das  heiBt  doch,  in  diesem  Rahmen  wird  es  vom 
Landesjugendamt  erlaubt,  aber  wenn  wir,  wie  wir  es  getan  haben,   an  die 
tJffentlichkeit  gehen,  dann  wird  uns  eine  Zensur  vorgesetzt.  HeiBt 
es  nicht  OFFENTLICHE  ERZIEHUNG?  "Offentliche  Erziehung"  meint  bisher 
nur,  daB  sie  mit  "dffentlichen  Mitteln",  d.h.   nit  den  Steuergroschen, 
finanziert  wird.  Wir  jedoch  meinen,  daB  dariiber  hinaus  die  Offent- 
lichkeit  genau  informiert  werden  muB,  wie  die  padagogische  Arbeit  in 
den  Heimen  und  auch  in  dem  Kollektiv,  in  dem  wir  leben,  aussieht.   Das 
unbedingte  Recht  hat  die  Bevb'lkerung,  weil  es  ja  ihre  Sonne  und  ihre 
Tochter  sind,  mit  denen  etwas  "getnacht"  wird,  und  weil   sie  es  ja  auch 
sind,  die  diese  Einrichtungen  bezahlen! 

4.  Mit  welcher  Motivation  diese  Berichte  zustande  kommen,  wissen  wir 
selbst  am  besten:  wir  haben  es  alles  erlebt,  und  nicht  Herr  Abel   von 
LJA!   Man  kann  doch  nicht  die  Aussagen  in  der  Kol lektivzeitung  verbin- 
den  mit  dem,  was  einige  Vereinsmitglieder  uber  die  Erzahlungen  anderer 
Jugendlicher  Liber  die  Heime  sagten! 

5.  Es  ist  doch  unbestreibar,  daB  die  Hauptseite  der  padagogischen  Arbeit 
im  Kollektiv  positiv  ist.  Oder  flatten  sonst  die  Jugendlichen  eine 
eigene  Zeitung  machen  konnen?  Gibt  es  Heimzei tungen,  die  die  dort  le- 
benden  Jugendlichen  selbst  schreiben  konnen  ohne  Zensur??   Im  Landes- 
jugendwohlfahrtsausschuB  haben  Frau  Schulte  und  Herr  Garske  vom  LJA 

im  Oktober  1972  selbst  deutlich  gesagt,  daB  die  Wohngemeinschaft 
Bochum  sehr  positiv  eingescha'tzt  wird.   Die  dort  versammelten  Teil- 
nehmer  waren  weiterhin  von  der  dortigen  Arbeit  beeindruckt. 

6.  Wir  mu'ssen  Abel   den  Vorwurf  machen,  daB  er  "einseitig"  ist.  Warum 
lassen  die  Zeichnungen  "Rlickschliisse  auf  das  Leben  in  der  Wohngemein- 
schaft zu"?  Hat  er  nicht  begriffen,  daB  diese  Zeichnungen  die  Vorur- 
teile  in  bezug  auf  das  Leben  einer  Wohngemeinschaft  aufzeigen  sollen? 
Die  Bewohner  von  Bochum-Laer  und  OPEL-Arbei ter  erkannten  die  Zeich- 
nungen klar  als  Satire... 

7.  In  der  "Einfiihrung  zum  JugendWohlfahrtsGesetz"  werden  Reformen  ge- 
fordert.  Die  tatsachlich  wahrnehmbaren  Reformen  in  den  Heimen  sieht 
jedoch  so  aus,  daB  man  die  Gitter  beseitigt  und  Panzerglasfenster 
einsetzt.  Was  heiBt  hier  "...tragi scire  Vergangsnheit. . ."?  Das  ist 
zynisch.  Tragisch  sind  sie,  gewiB.  Aber  warum?  Sie  sind  doch  nur  Sympto- 
me  unserer  Gesellschaft.  Die  Ursachen  werden  nicht  beka'mpft  und  beho- 
ben.  Stattdessen  wird  gejammert  -  tragisch!!   Wieso  haben  nur  "viele 
Jugendliche"  eine  tragische  V'ergangenheit  erlebt,  wie  es  Abel   schreibt? 


uuycuuMwiK     eine    tragi  scne  «er  gangenneit  erleDt,  wie  es  ADe  I    scnreioi 
Das  sind  doch  keine  Einzelschicksale,  sondern  das  geschieht  tagtag- 
lich  mit  sehr  vielen  Jugendlichen,  beinahe  mit  alien!  Sie  werden  doch 
ausgebeutet  im  Betrieb,   fertiggemacht  in  Schulen,  damit  sie  spuren. 

7H    r'  Es  wird  aeschrieben,  das  die  "Mittel  unzureichend  sind".  Unsere 
/U    Gesellschaft  erarbeitet  Reichtu'mer,  die  jedoch  nur  in  die  Taschen  weni- 


qer  Leute  flieSen.  Der  Sozialetat  ist  minimal.  Es  ist  doch  nicht  ver- 
wunderlich,   daB  in  diesem  System  fur  die  Heime  kaum  Geld  fur  eine  bes- 
sere  Ausbi'ldung  ihrer  Erzieher  etc.  bereitgeste  1 1 1  wird.    Klar,   daB 
die  Heimerzieher  sich  "hingeben  mussen",  auf  "ihr  Pnvatleoen"  ver- 
zichten,   damit  die  Misere  noch  irgendwie  ertraglich  bleibt.   Die  Heime 
mussen  doch  so  bleiben  wie  sie  sind,  damit  sie  immer  einen  Drohcha- 
rakter  haben  fur  Jugendliche,  die  sich  nicht  so  leicht  anpassen  las- 
sen  wo  11  en! 

9  Sicher  wurden  von  den  im  Kollektiv  arbeitenden  Padagogen  Jugendli- 
che wieder  ins  Heim  zuruckgeschickt.  Aber  nicht  aus  dem  Grund,  weil 
sie   "mit  der  Freiheit  nicht  fertig  wurden...",  sondern  weil  sie   i;n 
Heim  schon  so  kaputtgingen,  daB  sie  danach  mit  der  Freiheit  nicht  fer- 
tig wurden!  .    ,         ......         ,  „  ,,    . 

Im  Kollektiv  wird  auf  der  Basis  der  gegenseitigen  Kntik  und  Selbst- 
krl-tl-k  gearbeitet  und  gelebt.  Erst  dadurch  kam  unser  zukunftsonen- 
tiertes  Handel n  zustande.  Warum  besuchen  wir  nun  Schulen,  Betnebe, 
Krankenhauser,  in  denen  wir  arbeiten,  lernen?  GewiB  halten  wir  auch 
die  Gesellschaft  fur  verbesserungswiirdig:  gerade  wir  konnen  das  doch 
zurecht  sagen!  Aber  Liber  die  herkbmmlichen  Parteien  allein  geht  das 
woh.1   kaum,  denn  dann  sahe  es  z.B.   in  den  Heimen  anders  aus... 

10  Abel   schreibt  ultimativ,  daB  wir  "von  einer  Veroffentlichung  dep- 
art neqativ  gefarbter  Berichte  gegen  die  Heimerziehung'    absenen  soil- 
ten     Waren  wir  Oder  Abel    im  Heim?  Wir  verbitten  uns  diesen  strengen 
Eingriff,  der  ja  mit  einer  Zensur  gleichzusetzen  ist. 

11  Zuletzt  laden  wir  Vertreter  des  Landesjugendamtes  (Abel,  Schulte) 
ins  Kollektiv  ein,  urn  mit  ihnen  konstruktiv  Liber  Heimerziehung  und 
das  Wohnkollektiv  Bochum,  Wittener  Str.  462,  zu  diskutieren. 


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REIHE  ROTER  PAUKER 

MATERIALMEN  ZUR  UNTERRICHTSPRAXIS 

Heft  2,  Unterrichtseinheit  "Arbeit" 

Ausfuhrliche  Darstellung  dieser  Unterrichtseinheit  im  Unter- 
richf^esellschaft/Politi*",   die  im  Herbs t   1971  *xe  Gesamt- 
schule  Frondenberg,   die  Kapitalinteressen  heimischer  Fxrmen 
fmd  die  Diisseldorfer  Schulpolitiker  ungevohnlich  heftig  auf- 
~*te     Die  Schrift  vermittelt:   Sachanalyse ,   didaktische  Analyse, 
Unterrichtsziele,  Unterrichtsinhalte,  Verlaufsplanung  und  samt- 
liche  Arbeitsblatter- 

88  Seiten.  broschiert,  DM  5.— 

Verlag  2ooo  QnbH,  6o5  Offenbach  4,  Postfach  591  


71 


Der  Konflikt  zwischen  Landschaftsverband  und  dem  Verein  Soziale  Jugend- 
arbeit  spitzt  sich  zu.   Die  folgende  Presseerklarung  erreichte  uns  am 
10.10.73: 


Presseerklarung  vom  9.10.73 


Eine  Reihe  von  intensiven  Besprechungen  zwischen  dem  Verein  flir  Sozia- 
le Jugendarbeit  e.V.,  der  das  Liber  Bochum  hinaus  bekannte  Fursorgekol- 
lektiv  an  der  Wittener  StraBe  tragt,  und  dem  Landesjugendamt  bzw.  Lan- 
desjugendwohlfahrtsausschuB  stent  bevor.  Notwendig  wurden  diese  Ge- 
sprache,  well  das  LJA  seit  Mai  dieses  Jahres  durch  willkiirliche  finan- 
zielle  MaBnahmen  die  padagogische  Arbeit  des  Vereins  behindert.  So  konn- 
te  der  Verein  bis  heute  m'cht  einen  notwendigen  zweiten  Sozialarbei  ter 
einstellen.  Seit  fast  einem  halben  Jahr  schmort  in  der  Ka'mmerei  des 
Landschaftsverbandes  die  Entscheidung  iiber  die  Erhbhung  von  Pflegesat- 
zen.HoherePflegesatze  werden  in  der  Sache  vom  Deutschen  Paritatischen 
Wohlfahrtsverband  und  den  Pa'dagogen  in  LJA  unterstlitzt,  aber  von  BLiro- 
kraten  verzbgert. 

Regelma'Bige  monatliche  Abschlagzahlungen  sind  seit  Mai  d.J.   urn  die  Half- 
te  geklirzt  worden  mit  einer  Begrundung,  die  anstelle  padagogischer  rein 
profitorientierte  Mafista'be  zugrunde  legt.  Von  den  jetzt  bezahlten  Ab- 
schla'gen  konnen  gerade  eben  die  anfallenden  Kosten  der  Jugendlichen  ge- 
deckt  werden.  Den  Angestellten,  deren  Zahl  vom  LJA  vorgeschrieben  ist, 
wird  offenbar  zugemutet,   von  "Luft  und  Liebe"  und  auf  Kredit  zu  exi- 
stieren. 

Offenbar  wollen  die  Finanztechnokraten  im  LJA  dieses  einzige  Wohnkollek- 
tiv  von  ma'nnlichen  Jugendlichen  in  der  bffentlichen  Erziehung  in  West- 
falen  -  entgegen  positiven  SuBerungen  einzelner  Pa'dagogen  im  LJA  und 
vor  allem  im  LandesjugendwohlfahrtsausschuB  -  kaputt  machen. 
Dagegen  wird  der  Verein  sich  zu  wehren  wissen.    Es  wird  endlich  Zeit, 
daB  auch  hier  die  Verwaltung  den  Interessen  der  Betroffenen  unterge- 
ordnet  wird  und  nicht  umgekehrt. 

Der  Verein  Soziale  Jugendarbeit  e.V.  wendet  sich  an  die  Offentlichkeit 
auch  mit  der  Bitte  um  Spenden:   auf  das  Konto  93  77  11   bei  der  Westfa- 
lenbank  AG  Bochum. 

Auf  Anfragen  wegen  anderer  Formen  der  Unterstiitzung  gibt  der  Verein  gem 
Auskunft. 


Verein  Soziale  Jugendarbeit  e.V. 
Tel.  70  25  76. 


Bochum-Querenburg,  Lennershofstr.  66   (8), 


Peter  van  Spall 
Tomn\y  Weissbecker-Kaus 


72 


Ober  2000  Jugendliche  sind  allein  in  Ifestberlin  ohne  Arbeit,  Wohnung 
und  Papiere.  Die  meisten  dieser  "Trebeganger"  stantnen  aus  sozial   gefahr- 
deten  Familien  und  Erziehungsheimen,  Jugendgefangnissen  und  Nerven- 
kliniken.   Sie  sind  von  dort  ausgerissen,  um  nicht  mehr  unterdru'ckt 
zu  werden  und  endlich  ihre  eigene  Identitat  zu  finden,  die  dort  auf- 
qrund  extrem  autoritarer  Strukturen  nur  zerstdrt  wird.  Das  ist  bei 
unseren  gesellschaftlichen  Verhaltm'ssen  natiirlich  sehr  schwer.  Das 
Fehlen  von  Verstandm's  und  Liebe  wird  daher  von  ihnen  oft  durch  die 
Fluent  in  harte  Drogen  und  zweifelhafte  "Bekanntschaften"  kompensiert, 
die  sie  noch  tiefer  in  die  Sackgasse  hineinfuhren.  Es  gibt  gegenwar- 
tig  wohl  nur  einen  Ausweg  aus  dieser  flir  Trebeganger  fatalen  Situation: 
die  Schaffung  von  selbstverwalteten  wohnkollektiven,   in  denen  Treber 
und  sozialpolitisch  motivierte  Jugendliche  ihre  Lebenspraxis  entspre- 
chend   ihren  Bedlirfnissen  und  weitgehend  unabh'a'ngig  von  staatlicher 
Kontrolle  organisieren. 

Das  Wohnkollektiv  des  Westberliner  Tommy  Weissbecker-Hauses  hat  ge- 
meinsam  mit  anderen  Jugendlichen  eine  solche  Arbeit  beginn°n  konnen. 

Wie  kam  es  dazu: 

In  dem  vom  Verein  SozialpadagogischeSondermaBnahmen  Berlin  e.V.  unter- 
haltenen  autonomen  Jugendzentrum  "Drugstore"  wurde  vor  etwa  einem 
Jahr  eine  "wohngruppe"  gebildet,  die  aus  Trebern  unci  politisch  enga- 
qierten  Jugendlichen  bestand  und  ein  Wohnhaus  fiir  die  "Randgruppen- 
arbeit"  erkampfen  wollte.  Offenbar  erhielten  allma'hlich  viele  Treber 
von  diasem  Plan  durch  Mundpropaganda  Kenntnis.   Es  kamen  imner  mehr 
von  ihnen  in  den  von  der  Staatsburokratie  nicht  kontrollierten  be- 
liebtsn  Treffpunkt,  so  daB  er  Mitte  Februar  in  ein  Notquartier  fur 
Treber  umfunktioniert  werden  kennte.  Etwa  achtzig  uberwiegend  wohnungs- 
lose  Jugendliche  erklarten  den   "Druastore"  am  19.   Fsbruar  nir  besetzt. 
Die  Vereinsgruppen  solidarisierten  sich  mit  dieser  Aktion.   In  den  da- 
rauf  folgenden  drei  wochen  konntan  die  Treber  dort  kostenlos  essen 
und  auf  Matratzen  schlafen.   In  dieser  Zeit  kam  es  auch  zu  Verhandlun- 
aen  mit  den  Vertretern  der  Administration,  die  anfangs  nicht  mitziehan 
wollte     dann  aber  wegen  der  Solidaritat  der  Aktion  und  unter  dem 
Druck  der  tjffentlichkeit  -  Funk,  Fernsehen  und  Presse  benchteten  aus- 
fjjhrlich  Liber  diese  Aktion!   -  nicht  nur  die  Aktion  im  nachhinein  lega- 
"Hsieren  mu^te,  sondern  auch  das  von  den  Jugendlichen  seit  langem  ge- 
forderte  Haus  in  der  Kreuzberger  WilhelmstraBe  9,  ein  seit  Monaten  leer- 
stehendes  dem  Grundstlicksamt  gehbrendes  Gastarbeiterwohnheim  fur  die- 
sen  Zweck  zur  Verfugung  stellte. 

7ur  Zeit  bewohnen  etwa  funfzig  Jugendliche,  darunter  einige  Absolven- 
ten  von  Sozialarbeiterfachschulen,  drei  Etagen  dieses  Mohnheims.  Das 
vierte  Stockwerk  soil  nach  der  Renovierung  nach  der  Meinung  des  Kol-      73 


Leo  Kofler /Andreas  Buro: 

m  Neo'ImP^ali8muS  der  Qegenwart 

di7h^nfU^mg  in  Me  Entwicklung 
Zl  t     9erUQhen  Gesellechaft 

Wlck?ung  IlJ'bSJS^fl'1!!  erste  Ei"fllhrung  in  die  Ent 
«ine  Liicke  in  £r  l  ^hen  Gesellschaft  und  schlieSt 


""-Kiung  der  hilrno*i  •  l  "■•3UC  ^mrunrung  in  aie  t" 

«ine  Lucke  in  der^n^encGPsellschaft  ""d  schl1eB 
be9innt  das  Wissen  "  Schulungsl1teratur.  Allzu 

PitaHsti<rh.^:fn._y?n .aungen  Sozialisten  iiber  die 


oft 


ka- 


be9innt  das  Wissen  ll   ■  Schul"ngsl1teratur.  Allzu 
PitalTstisch.by;|"  y°"  J"ngen  Sozialisten  iiber  die 
wart,  und  das  Sll^6  G?selTschaft  in  der  Gegen- 
s^n  reduziert  s"cR?Wose  geschichtliche  Schuiwis 
steigungen.  Der  lit  aI  Date"  Uber  Kriege  und  Thronbe- 
s"ch,  tausend  Jahr!  clfT-  2r°schtire  unternomnene  Ver" 
zustellen,  zwinat  dJn  Ch  fhte  auf  wenigen  Seiten  dar- 
zieren,  EinzelheitPn  f«  T1t,9roben  Strichen  zu  skiz- 
schiede  zwischen  H^2U  assen'  dl'e  vielfaltigen 
llnniQ,-,.L?',cnen  den  einzelnon  <:<-=>,<-=„     Aio  zeit 


,Vfren«  tmzelheitpn  f«»*     ,a  ooen  strichen  zu  ski^- 
Unterschiede  zwfschen  Zl™  asSen'  dl"e  vielfaltigen 
liche  Ungleichheit  in  a      eclnz^^n  Staaten,  die  zeit; 
beiseite  zu  schieLn  „  T  Entwicklung  der  Gesellschaft 
und  *u  daruber  h?n!,n  "nd.auc".  selbst  wenn  der  BTick  at 


zieren 

Unt 

lic„e  ungieichheit   in   7""  ':"n'(-inf«>  Staaten  ,  die  « 
beiseite  zu  schieLn  ,    /  Entwicklung  der  Gesellsch-. 
und  ™  darUbir  ffi Zi^'  Selbst  wenn  der  BTick  ab 
schaften  in  den  MittS.^  eur°Pa'ischen  Gesell- 
So  che  Vergroberunq  Sr  S-*^?s  B"ckfeldes  zu  rllelcen.  : 
telle,  sie  hilft  z!nSrE.?1rkl!chkei't  hat  nicht  nur  Nach 
und  die  gro(5e  Linie  der  I  3U-h'  0berblick  zu  gewinnen 
n.  uer  tntw1cklung  zu  erkennen. 

Uiese  Schrift     da*- 

Parteiisch  geschrfeben*1^  Zwe1fel  gelassen,  1st 
^druckten,  der  JJJg.  S  e  stent  auf  der  Seite  der  Un- 
rechtlgten,  denen  d"e  Chan^1gten-  der  Nicht-Gleichbe- 
sonlnchkeit  in  dieser  S<?f  2i""  Ent™tung  ihrer  Per' 
die  Volker  der  arSM?  "SChaft  und  "  in  Bezu*  a"f 
schen  und  imperial isti^L'I  ^n  diesen  kapitalisti- 
w  ^  D^ese  Schrift  "I?  in  Gefel  Schaften  verwehrt 
J      jenen,  die  sich     n  h*.    f"  kn'tischen  jungen  Leuten, 
m  fen!3116"  "-erJJSdJS  und     !n2te"  Jahren'politisiert 
empfehlen.  en  Ufid  Lehrenden  zur  Lekture  zu 


^tivs  als  "Durchgangsstation"  fur  neue  T^e^^"itere  Uohngemein- 
^9t,  Uber  den  ju=enadsenator  grote  ««»hnuS^«Kr-Haus  wird  nach 

SSf^Wch  einen  KoordinationsausschuB       re         e     Berlin  e.V.   und 
&rten  des  ^reins  Sozialpadagogische  HaBnaM  ^  des 

g  Wohnkollektivs  sowie  je  ei.en  Vertreter  des  J«9     1(jb  a.V.  besteht, 
Werger  Grundstucksamtes  und  des  Berliner  J^nKollektiv  einen 
Z  Wizieller  Mieter  des  Hauses  ist  und  in  t  «n  Pr0b1eme,  e 


^oerger  GrundstUcksamtes  und  aes  »^i'»-    -   -  Koliektiv  ei"e" 
omzieller  Mieter  des  Hauses  ist  und  in  t  «n  Pr0b1eme,  ein 

■^ietvertrag  abgeschlosser>  hat.  Alle  JaUSintt ^  llversainmlung .  de. 
^Blich  der  Neuaufnahmen  etc.  entscheidet  dae  laufend  Aus- 

kollektivs  in  eigener  Verantwortung.  0>^  h     in  einer  Wohn 


schu 

einande 


c.qener  Verantwortung.  °aDeL^uUch"" ^n  einer  ... 
I^ersetzungen  m  t  Sir  Burokratie,  da  der  Versuch.  eig8nVeran* ort- 
R5ln*chaft  dieser  Grbftenordnung  unbea ufsicht i9J      1scha  Provokation 
f B?.?W"»enzuleben,  letztlich  eben  doch  eine  po      von  d      ^ 
siL6lrl6  Gesellschaft  darstellt,  deren  Auff^sung         de$  burger 
teden  Weologie  der  Kleinfamilie.-  der  Keimze  vorstellen 

U    S^aats!   "  aepragt  ist  und  die  sich  daher  auc 
<an".  da|3  progressive  Jugendliche  anders  leben 

S!;rKend  die   sP^nghaft  ansteigende  «1^»^tou2rh1n terzieh ungen 
^erger  Staatsanwalt  Graffke  ist  die  BRD  n     ^e1nand  fur  die  P^ 


S  k-V0"  70  M^.  DM  sogar  einmal  fiihrend!   -  ansc  werden  imme>- 

2%**r«tte  immer  noch  kein  relevantes  Problem  dem  ^el  der  Dis 

K52!p  Aktionen  gegen  linke  Emanzipation  gruppen  Ue1ssbecker-Haus. 

1  J.   Ouni   tn;™^m   ia  Dn     /Kten  nnt  geiuy<=     ,,.„.„  abzunoicn. 


gegen    unite  tniai^'K-----    -h  beim  weiss"=y"- u  um 


|^9rund  der  Pol  izeiaktionen  wandten  sich  zwanz|5;  ^      h e«t  -J- 
fesern  nit  einer  ErHHnmg  an  die     W^        uutan  hoch  an 
m,!r  sind  der  Auffassung,  daB  ■»«&r'iii  ihrer  selbstcew 
muR.  daft  sie  sich  aus  eigener  Kraft  beitliih-n, 


75 


Gemeinschaft  ihre  Probleme  zu  Ibsen.  Sie  haben  genauso  ein  Wohnrecht 
wie  jeder  andere  auch.  Durch  den  Schularbeitszirkel   n m  Weissbecker- 
Haus  haben  wir  mit  den  Bewohnern  schon  langere  Zeit  gute  Kontakte. 
Seit  einiger  Zeit  arbeiten  wir  zusammen  in  einer  Burgerinitiati  ve, 
die  in  der  FriedrichstraBe  einen  Abenteuerspielplatz  durchsetzen  will 

Anschrift  fur  Interessenten:  Tommy-Weissbecker-Haus,   1  Berlin  61, 
Wilhelmstr.   9.   Tel.    (030)   2  51   90  83 


76 


RICHTUNGSKAMPFE  IN  DER  SPD 

Hansgeorg  Conert: 

Die  politischen  Grundrichtungen 

innerhalb  der  deutschen 

Sozialdemokratie 

vor  dem  Ersten  Weltkrieg 

llo  Seiten,  broschiert,  DM  5. — 

Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  It,  Postfach  591 

Mit  der  Broschiirenreibe  RICHTUNGSKAMPFE  IN  DER  SPD 
sollen  die  Richtungen  in  der  deutschen  Sozialdemokratie 
analytisch  dargestellt  und  politisch  eingeschatzt 
verden.  Die  erste  Broschure  beschreibt  die  politischen 
Grundrichtungen  innerhalb  der  SPD  vor  dem  Ersten 
Weltkrieg.  Weitere  Veroffentlichungen  sind  iiber  die 
Zeitraume  Erster  Weltkrieg  bis  191*5  und  Nachkriegszeit 
geplant.  Neben  den  historischen  Darstellungen  sind  in 
dieser  Reihe  jedoch  insbesondere  aktuelle  Hefte 
vorgesehen,  in  denen  die  Richtungsauseinandersetzungen 
in  der  heutigen  SPD  und  deren  Stellenwert  fur  die 
Rekonstruktion  einer  neuen  sozialistischen  Bewegung 
in  der  BRD  untersucht  werden  sollen.  Die  Hefte  verden 
jeweils  in  der  vom  Sozialistischen  Biiro  herausgegebenen 
Zeitung  "links"  und  in  dem  zweimal  jahrlich  erscheinen- 
den  Verlagsprospekt  des  Verlag  2ooo  GmbH  angekiindigt. 


Zeitschriftenbibtiographie  Jahrgang  1971 
zum  Themenbereich  "Heimerziehiing" 


Immer  wieder  erhalten  wir  Woche  fur  Woche  Zuschriften  von  Gruppen,  So- 
zialarbeitern  und  Studenten,  in  denen  sie  urn  Materialien,  Literaturan- 
gaben   zu  den  verschiedenen  Themenbereichen  anfragen.   Diesem  Wunsch  nach 
Information  und  Austausch  sind  wir  in  der  Vergangenheit  nachgekommen, 
indem  wir  eine  Zusammenstellung  der  uns  bekannten  neuen  Materialien  aus 
der  Sozialarbeit  abdruckten.  Dieses  Verfahren  werden  wir  auch  weiter- 
hin   beibehalten  und  bitten  daher  alle  Interessierten,  uns  liber  ihre  Ar- 
beiten (Graduierten-/Diplomarbeit,  Konfliktberichte,  Zeitungen,  Mate- 
rialzusammenstellung  etc)  zu  berichten. 

Dariiberhinaus  sollen  in  Zukunft  systematische  Obersichten  zu  den  ein- 
zelnen  Themenbereichen   (z.B.   Heimerziehung,  GWA  und  Stadtteilarbeit, 
Resozialisierungsbereich  etc.)  erarbeitet  werden. 

Wir  beginnen  in  diesem  Heft  mit  einer  Zeitschriftenbibl iographie  zum 
Themenbereich  "Heimerziehung";  zusammengestellt  von  Glinther  Pabst, 
6   Frankfurt,  aus  verschiedenen  deutschsprachigen  sozialpadagogischen 
Zeitschriften  des  Jahrganges  1971. 

In  einem  der  nachsten  Hefte  folgt  die  Zeitschriftenbibliographie  fur 
das  Jahr  1972. 


Verfasser 


Titel 


Zeitschrift/Heft 


Auersch 

Autorengruppe 
Autorengruppe 


Autorenkollektiv 


Badenhob 
Bauerle 

Baron 
Bartel 


Bartl 


Eine  subsidare  AuBerung 
zum  Heimbericht 
Heimerziehung 
Merkmalszusammenhange  b. 
hilfreichen  Gesprachen  v. 
Psych,   u.   Erz.  mit  Jgdl . 
Materialien  zum  Kampf  d. 
Arbeiterbewegung  gegen  die 
burgerliche  FLirsorgeerzieh. 
Erziehung  in  Kollektiv 
Die  Situation  der  Heimerz. 
in  der  BRD 
Verwahrlosung 
Heimtrager  u.   -bewohner 
Leidtragende  d.  wirtschaftl 
Entwicklung 

Vom  Waisenhaus  zur  b'ffentl . 
Jugendhilfe 


Soziale  Arbeit  Nr.12 

Unsere  Jugend  Nr.    5 

Zeitschr.f .Entw.- 

u.Padag.Psychologie 

Heft  2 

Erziehung  &  Klassen- 

kampf  Heft  Nr.  4 

AFET-Brief  Nr.  1/2 
Soziale  Arbeit  Nr.9 

Jugendwohl  Nr.  1 
Bl.d.  Wohlfahrts- 
pflege  Nr.  6 


Berichte  u.  Dokumen- 
te  Hbg. 


77 


Bettelheim 
Biesenbach 

Birke 

Boehnisch/Bolz 

Borcherding 

Bonnekamp 

Bonhoeffer 

Bohnenkamp 
Burggraf 

Burchhardt 

Bundesfiihrung 
Bund  D.Pfadfinder 


78 


Dehn 

Denninger 

Deym 

Diirr 
Dunovsky 

Endres 

Eyferth 
Fait 

Federn 
Fiedler 


Niemals  allein:  Kibbuz- 

Kinder 

Gedanken  zur  Zusammenarbeit 

v.  Ju-wohnheimen  rrn't  Heimen 

d.  Jugendfiirsorge 

Unterschicht-Subkultur 

Das  Kind  zw.Heim,  Eltern- 
haus  u.  Verwaltung 
Polit.-institut.Erfahrun- 
gen  u.  Perspektiven  zur  Ar- 
beit mi  t  Jugendkollektiven 
Heimerzieher  reflektieren 
Liber  schichtspezif. Seria- 
lisation 

Von  der  antiautorita'ren 
zur  sozialen  Erziehung 
Zerbrechen  die  Heime  a.d. 
modernen  Arbeitszeitregel . 
Verhaltenstherapie 
Unruhe  d.  Jugend 

Kooperation  i.d.Heimer- 

ziehung 

Jugendkol lektive 

Klassenspezif. Erziehung 
T-geld  u.Arbeitspramien- 
ordnung  i ,Erz, heimen 
Jugend  u.  Drogen 
Sozialisierung  nicht  Kri- 
minalisierung 
Offene  erzieherische  H11- 
fen  Club  K  91 
Jugendfiirsorge  u.   Grund- 
gesetz 

Herabsetzung  d.Volljhk. 
u.Auswirkung  auf  die  Ar- 
beit im  Jugendwohnheim 
Kleine  Heime  denken  nach 
Die  Fursorge  f.  auBerhalb 
ihrer  Familien  aufgewach- 
sene  Kinder  i.d.CSSR 
Antiautoritare  Oder  nicht- 
autoritare  Heimerziehung 
Heimerziehung  i.  Bayern 
Aufgabe  d.Heilpadagogik 
i, progress iver  Heimer- 
ziehung 

DrogenmiBbrauch  b.Jgdl. 
aus  einer  sozialpa'd. 
Sicht 
Neue  Wege  d. Heimerziehung 


d.AFET  Nr,    1/2 
Jgd.-Beruf-Gesell- 
schaft  Nr.   3 

Unsere  Jugend  Nr.   5 
Heilpad.Forschung 
Nr.  3 

Pad. Rundbrief  Nr.  4 

Neue  Praxis  Nr.    1 
Heilpadagogik  Nr.l 


Praxis  d.Kinder- 

psych-u.psychiatrie 

Nr.  6 

Pad. Rundschau  Nr.   3 


Spiegel  Nr.   11 

Fichtner 

Die  Heimstatt 

Flosdorf 

Nr.  3/4 

Nachrichtendienst 

Flosdorf 

d.D.Vereins  Nr.    2 

Frankhauser 

Bl.d.Wohlfahrts- 

pflege  Nr.   7 

Neue  Praxis  Nr.    2 

Frommann 
Frommann 

Sozialpadagogik 

Grams 

Nr.  6 

Grauert 

Bl.d.Pestalozzi- 

Frb'bel-Verb.Nr.   6 

Grothe  u.a. 

Unsere  Jugend 

Nr.  5 

Harder 

Unsere  Jugend  Nr. 10 

Bl.d.Pestalozzi- 

Frbbel-Verb.Nr.   4 

_ 

Bl.d.Wohlfahrts- 

pflege  Nr.   5 

Hillig/Weitz 

Briefe  Nr.   132/133 

Briefe  Nr.   130/131 

Hohne 

Caritas-Nachrichten 

Nr.   2 

DBJR  -  Info 

Hbrrmann 

Nr.   3/4 

Holzer 

Bl.d.Wohlfahrts- 

pflege  Nr.   2 

Mitgl ieder-Rundbrief 

Horns tein 

Huber 


HLibner 

Huennekens 

Huppertz 

Iben/Klliwer 


Heimerziehung  i.Konzept 
einer  neuen  Jugendpolitik 
Gesellschaftl .Aspekte  der 
Heimerziehung 

Kath. Heimerziehung 
Erfahrungen  m.Drogen- 
konsumenten  i .  einem 
Erziehungsheim 
Konflikt  i.  Heim 
Das  Kind  zw.Heim,  Eltern- 
haus  u.Verwaltung 
Berechnung  d.Heimerzieher- 
schllissel   in  Heimen 
Rolle  d.Psychologen  im 
Kinderdorf 

Aus  der  Arbeit  eines 
Planungsteams 
Jugendfiirsorgerische  Ar- 
beit mit  einem  16  j . 
Verwahrlosten 
Lehrlinge  -  Stiefkinder 
d.  Nation 

Zur  Lei terfunktion 
A.S.Makarenkos  i ,d. 
Dzerzinsky-Kommune 
Zur  Rolle  d.Leistungsmo- 
tivation  im  Arbei  tsverhal- 
ten  dissozialer  Jugendl. 
Hochspezial .Heimerziehung 
-  viele  Pflegestellen 
Jugenddisozialita't 


D.Kind   im  wandlungspro- 

zess  d.heutigen  Gesell- 

schaft 

Moderne  Internatserziehung 

-  gesellschaftl .Erziehung 

d,  Jugend 

Nachgeh. Fursorge  f.   heim- 

entlassene  Jugendliche 

Drogenproblematik  im 

Jugendalter 

Heimkinder  mbgen  wir  nicht 

Erhebung  liber  evang.Kin- 

der-u.Erziehungsheime 

i.d.BRD  und  West-Berlin 

Zur  Verwirklichung  demo- 

krat.Lebens-u.Erziehungs- 

formen  i.Einrichtungen  d. 

Jugendhilfe:aus  padag.u. 

psychoanalyt. Sicht 


Bulletin  d.BReg. 
Nr.   102 

Jugendwohl   Nr.   7/8 
Sozialarbeit  Nr.7/8 
NDV  Nr.  8 
Jugendwohl   Nr.   9 
Kindergarten  Nr.   10 


Neue  Praxis  Nr.   1 

Sozialpadagogik 

Nr.  6 

Neuer  Rundbrief  Nr.l 

Bl.d.Wohlfahrts- 

pflege  Nr.  5 

Neuer  Rundbrief  Nr.l 

Praxis  d.Kinderpsych. 
u.psychiatrie  Nr.   1 

Hess. Jugend  Nr.   2 

Bildung  u. Erziehung 
Nr.   1 

Unsere  Jugend  Nr.4 


Soziale  Arbeit  Nr. 1 

Mt.schr.f .Krimin. 
u.Strafrechts reform 
Nr.  5 
Welt  d.Kindes  Nr.5/6 


Eltern-Forum  Nr.l 

Sozialarbeit  Nr.ll 

Unsere  Jugend  Nr.9 

Jugendwohl   Nr.  3 
Innere  Mission  Nr.7 


Mitgl ieder-Rund- 
brief d.  AFET  Nr.5/6 


79 


80 


Junge 
Junge 

Just 

Kern 

Kiehn 

Kiphard 

Klbnne 

Klliwer 

Kluge 


Koester 

Korff 

Korte 
Korz 

Krappmann 

Kratzmeier 

Krebs 

Krusch 

Lander 

Lange 

Laubsch 

Leber 

Leber 


Fluent  v.d.Heimen 
Schweizer  Kinderheim- 
Report 

Behandlung  aggressi'ver 
Kinder 

Heimerziehung :Gedanken 
aus  der  Sicht  d.Versor- 
gers 

Das  sozialpad.Zentrum  zur 
Durchfuhrung  dffentlicher 
Jugendhilfe 

Erziehung  zur  sozialen 
Reife 

Zur  Klassenanalyse  d. 
Subkultur 

Behandlung  u.MaBnahmen  f. 
jg.Menschen  gegenliber 
Drogen 

Leistungsrlickstande  u. 
Lernversagen  eine  abhan- 
gige  Variable  v.Erzie- 
hungsschwierigkeiten  u. 
Schwersterziehbarkeit 
Das  Kinderheim  in  recht- 
licher  u.  arztlicher  Sicht 
SOS-Kinderddrfer  in  d. 
Welt 

Schwarze  Schafe  i.  Heim 
Verwaltete  Jugend:  Zu  was 
erzieht  die  bffentl. Er- 
ziehung? 

Familienerziehung.Sozial- 
schicht  u.Schulerfolg 
Antiautoritare  Erziehung 
Chaos   oder  Chance 
Vorbereitung  d.   familien- 
gelbsten  Jgdl.auf  das 
selbstandige  Leben 
D.koordinierte  Arbeit  zu 
hbherer  Effektivitat  b.d. 
Erziehung  gefahrdeter 
Burger 

Tanz  unter  heim-u.heilpad. 
Aspekten 

D.EUernrecht  u.d.L/ohl  des 
fremdversorgten  Kindes 
Heimerziehung  im  Urteil 
der  Betroffenen 

Die  Rolle  sogen.Erzie- 

hungsheime  in  unserer 

Gesellschaft 

Von  der  FE  zur  Sozfal- 

therapie 


Jugendwohl   Nr.4 
Jugendwohl  Nr.7/8 
Caritas  Herkblatt   2 
Jugendwohl  Nr.3 

Sozialarbeit  Nr.    n 


Jugendwohl   Nr.   6 

Sozialpadagogik  Nr.2 
Deutsche  Jugend  Nr.6 
Neues  Beginnen  Nr.6 


Die  Rehabilitation 
Nr.  4 


Deutsches  Srzteblatt 

Nr.   14  u.   17 

Prakt.Psychologie 

Nr.   9 

Unsere  Jugend  Nr.10 

Gewerkschaftl . 

Monatshefte  Nr.    11 

betrifft  Erziehung 

Nr.   3 

Schule  u.Psycholo- 

gie  Nr.  4 

Jugendhilfe  Nr.9 

(DDR) 

Jugendhilfe  Nr.   10 
(DDR) 


Pad. Rundbrief  Nr.7/8 

Recht  d. Jugend  u. 

d.Bildungswesen  Nr.12 

Unsere  Jugend  Nr.5 

Bl.d.Wohlfahrtspfle- 

ge  Nr.  5 

Neue  Praxis  Nr.l 


Archiv  v.Wissenschaft 
u. Praxis  d.soz.Arb.Nr,  1 


Lessing 
Liebel 

Liebel 
Liegle 
Luecken 
Maier 

Marzahn 

Marzahn 

Marciniak 
ii 

u 

Martin 

Mehringer 
Metzger 

Meves 
Meyer-Kulenkampff 

Minz 

Mollenhauer 
Moltke 

Miiller-Schbll 


Jugend  i .d.Klassenge- 
sellschaft 

uberlegungen  zum  Praxis- 
verstandnis  antikap. 
Jugendarbef t 
Erfahrungen  iriit  Jugend- 
wohnkollektiven 
Kollektiverziehung: 
Kibbuz 

Jugendfursorge  u.  Grund- 
gesetz 

D.gegenwarti'ge  FE  und 
eine  Alternative:   d. 
Frankfurter  Model  1 
Entwicklungstendenzen  i.d. 
bffentlichen  Erziehung 
Zur  Bedeutung  d.revolutio- 
naren  Padagogen 
Heimerziehung  darf  nicht 
in  die  Sackgasse 
Ersatzdienstleistende  als 
Heifer  in  der  Heimerzieh. 
Planung  sozialpad.Heime 
Aus  der  Arbeit  im  Heli- 
pad.Kinderheim  "Sonnen- 
schein"  -  Versuch  einer 
Situations-u.Bedarfsana- 
lyse 

Heilen  statt  strafen  - 
nicht  leichter  geworden 
Ober  die  Auswirkung  d. 
Verpflanzung  eines  Kin- 
des in  eine  fremde  Umge- 
bung 

Neurol .Verwahrlosung  - 
Teilaspekt  d.Jugendpro- 
blems 

Erziehungsplanung  u. Heim- 
erziehung 

Statistik  Liber  die  Durch- 
flihrung der  FE/FEH 
Familienanaloge  Heimer- 
ziehung Mbglichkeiten  u. 
Grenzen 

Herabsetzung  d. Vol Ijk. al- 
ter Konsequenzen  f.d.Ge- 
fahrdetenhi lfe 
Erlauterungen  zum  Kurs  d. 
Akadenrie  f .Jugendarbeit 
Liber  die  Leitung  v.Erzie- 
hungsheimen 

Zur  Lage  der  Heimerziehung 
Rauschmi  ttel gefahrdung 
der  Jugend 


Deutsche  Jugend  3 
Deutsche  Jugend  1 


Links  -  Soz.Zeitung 
Nr.  6 

betrifft  Erziehung 
Nr.   1/2  u.   Nr.4 
Mitglieder-Rundbr. 
d.AFET  Nr.    1/2 
Zeitschrift  f.prakt. 
Psychologie  Nr.  3 

Neuer  Rundbrief 
Nr.   2 

Erziehung  u.Klassen- 
kainpf  Nr.   1 
Sozialpadagogik  Nr.2 

Unsere  Jugend  Nr.5 

Innere  Mission  Nr.4 
Archiv  f.angewandte 
Sozialpadagogik  Nr.4 


Unsere  Jugend  Nr.l  1 
Unsere  Jugend  Nr.4 


Zt. f.prakt. Psycho- 
logie Nr.   1/2 

Unsere  Jugend  1 

Mitgl ieder-Rundbr, 

d.AFET  Nr.   3 

Neuer  Rundbrief  Nr.l 


Neues  Beginnen  Nr.2 


Archiv  Nr.   1   f.  angew. 
Sozialpadagogik 


Diak.  Werk  Nr.4 
Nachrichten  d.Dt. 
Vereins  Nr.ll  81 


! 


8  Miinchen  80  Josephsburgstr.  16 


Was  wir  brauchen,  miissen  wir 
uns  nehmen.  Multinationale  Be- 
triebsarbeit  der  Gruppe  .ArbeL. 
tersache"  in  Miinchen     frSg^Ji 

Die  EntwickJung  eines  Ansatzes 
von  revolutionary  Betriebsarbeit 
seit  1970.  Dargestellt  werden 
einerseits  politische  Grundposi- 
tionen:  die  Notwendigkeit  fur 
efne  wirklich  multinationale  Or- 
ganisierung/die  Untersuchungs- 
arbeit/Arbeiterautonomie/Ex- 
terne  Arbeit  etc.  Andererseits 
die  wichtigsten  Kampagnen  und 
Ereignisse  im  Betrieb  bis  1972. 

180  S.     DM6.80 
'CnSteineScherben' 


1972, 
LP-s 
w33/30  Best.Nr.  LI 


Politrock    Album    2 
20.- 


Marxistische  Aufbauorganisation  I 
Frankfurt.  Die  Krise  der  kommu-l 
nistischen  Parteien/Probleme  der  | 
gegenwartigen  Revisionsmuskri- 
tik. 

Das  Problem  der  ..Revisionismus-| 
kritik"  als  Problem  des  Verhalt- 
nisses  von  burgerlicher  und  prole-| 
tarischer  Revolution  -  anhand 
der  Darstellung  der  KPD-Politik 
von  1945-1953.(1.  Demokrati- 
scher  und  sozialistischer  Kampt 
der  KPD  nach  1945.  2.  Burgerli- 
che  und  proletarische  Revolu- 
tion in  der  Theorie  Lenins.  3. 
Zur  Analyse  der  westdeutschen 
Studentenbewegung.) 
309  Seiten DM  16.80  | 

SUHALLPLA]  1  m\ 


[  '  Irland. 
^   Latein 


[Index 

von  derl 


^m 


tPolitrockgruppe  I 


/LP  33/30 

LBest.  Nr.  L28  DM  15.00! 


Zur  Zeit  lauft  gegen  die  Mit- 
glieder  des  Trikont-Verlags 
ein  Verfahren  wegen 
„Staatsverleumdung".  Anlafi 
ist  die  Platte  WIR  BEFREI- 
EN  UNS  SELBST  von  der 
Gruppe  Arbeitersache 
Miinchen,  wo  wahrheitsge- 
raafi  gesagt  wird,  daii  in  die- 
sem  Staat  Menschen  am 
Fliefiband  kaputgemacht 
werden,  Hausbesitzer  Leute 
terrorisieren,  Jugendliche 
Lunterdriickt     werden. 


Arbeitersache 

Wir   . 
befreicn 

tins 

SELBST 

LP  33/30  DM  15,OOJ 


Neill 

Neises 
Neises 
Neuhofer 

R'a'ber 

Ramb 

Rave-Schwenk 

Reather 


Ringshausen 
Rudolf 


Ruge 


Rutschmann   u.a. 

Seibert 

Solar 


Schafers 
Schaffner 

Scherpner  u.a. 
Scholz 

Schmid 


Alternativen  zur 

Heimerziehung 

Heimerziehung  in  Theorie 

u.  Praxis 

Antropol .Grundlagen  anti- 

autorita'rer  Erziehungsmo- 

delle 

Das  Kind  zw.Heim,Eltern- 

haus  u.   Verwaltung 

Das   "nicht-gruppenhaft" 

organisierte  Heim 

Wie   kbnnen  Heimerzieher 

den  Status  des  Sozialpa- 

dagogen  erwerben 

Der  alte  u.neue  Erzieher 

im  Heim 

Erziehungserfolg  i.Inter- 

nat 

Die  Grenzen  d.Erziehbar- 

keit  aus  medizin.Griinden 

Gruppengesprache   rait  Jgdl . 

u.Erziehern  in  einem  FE- 

Heim 

Hat  sich  die   FEH   bewahrt? 


Der  evang. Erzieher  i.Wandel 
Erziehung  zur  Selbster- 
ziehung 

Brauchen  wir  die  Theorie 
f.d.prakt.Realisierung  d. 
Heimordnung 

Planung  sozialpad.Heime 
Jugendkollekti v  u.   FE 
Besuchspatenschaften   - 
Faktor  d. Heimerziehung 
O'ffentliche  Erziehung   u. 
Grundgesetz 

Heimerziehung  i.gesell. 
poll t.Wandel 
(Jber  einige  aktuelle  u. 
zukunftige  Probleme  in 
der  Heimerziehung  mannl. 
Jugendlicher 
Jugendhilfe  u. Grundgesetz 

Entwicklungschancen  v.Kin- 
dern  rait  unterschiedl .Ge- 
schwisterzahl   u.    Sozial- 
gruppenzugehbri  gkei  t 
Heim  u.Eltern  als  Partner 


Neuer  Rundbrief  Nr,2 

Neuer  Rundbrief  Nr.l 

Bl.d.Pestalozzi- 
Frdbel -Verb.Nr,5 

DPWV-Nachrichten  Nr.5 

Unsere  Jugend  Nr.10 

Unsere  Jugend  Nr.6 


Prakt.Psychologie 

Nr.    10 

Heim  u.Anstalt  Nr.4 

Archiv  f.angewandte 
Sozialpad  ,Nr.  2 
Gruppendynamik  Nr.4 


Zentralbl .f .Jugend- 

recht  u.-wohlfahrt 

Nr.    1 

Ev.   Erzieher  Nr.9 

Jugendhilfe  Nr.   10 

(DDR) 

Jugendhi lfe  Nr.   5 

(DDR) 

Sozialpadagogik  Nr.4 
Deutsche  Jugend  Nr.3 
Zei  tschr.f  .Fursorge- 
wesen  Nr.l 
Soziale  Arbei  t  Nr.9 

Jugendwohl  Nr.  9 

Sozialarbeit  Nr.ll 


Mitgliederbrief  d. 

AFET  Nr.    1/2 

Neuer  Rundbrief  Nr.4 


Unsere  Jugend  Nr.5 
Bl.d.Wohlfahrtspfle- 


ge  Nr.   5 


83 


Schramli 

Thiersch 

Tamborini 
Walther 

Wendt 
Wendt 

Werkentin 

Wei  land 

Widemann 
Wintsch 


Hinweise: 


Sinnvolle  Hilfe  a.d. 
Erziehungstieime 
Zur  Situation  d.Heim- 
erziehung 

Drogenmi'Bbrauch  i.Heim 
Heimerziehung  oder  Wohn- 
gemeinschaft 
Padagogik  d.Emanzipation 
Method,  und  organisato- 
rische  Veranderungen  in 
der  Heimerziehung 
Krinrinalitat  u.  Verwahr- 
losung  in  der  Klassenge- 
sellschaft 

Berufspad.Forderungsmog- 
lichkeiten  im  FEH/FE-Heim 
Heimwechsel 
Autoritat  i.d. Heimer- 
ziehung 


Sozialarbei  t  Nr,  1  1 

Neues  Beginnen  Nr.5 

Unsere  Jugend  Nr.2 
Neuer  Rundbrief  Nr.2 

Sozialpadagogik   Nr.5 
Blatter  der 
Wohlfahrtspflege   Nr  .    5 

Erziehung  u.   Klas- 
senkampf  Nr.   4 

Sozi'ale  Arbei  t  Nr.  1  2 

Neuer  Rundbrief  Nr .  1 
Zentralbl.f .Jugend- 
recht  Nr.5 


1.  Eine  Zeitschriftenbibliographie  zum  Thema  "Heimerziehung"  aus  den 
Jahren  196S  bis  1970  ist  erhaltlich  bei  der  "Internationalen  Gesell- 
schaft  fur  Heimerziehung",  6  Frankfurt,  Heinrich  Hoffmann  StraSe. 

2.  Alle  aufgeflihrten  Artikel    und  Berichte  kbnnen  gegen  eine  kleine 
Geblihr  beim  "Deutschen  Zentralinstitut  fur  soziale  Fragen",   1  Berlin 
Miquelallee  83,  entliehen  werden. 


33, 


84 


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INFORMATI0NSDIENST  ARBEITERBILDUNG 

Dleser  Informationsdienst  ist  fur  Sozialisten  in  der  Bildungs- 
arbeit,  in  den  Gewerkschaften,  in  den  Volkshochschulen,  an 
Bildungsstatten,  in  Jugendverbanden,  Jugendgruppen  und  pol it i - 
schen  Gruppen. 

Einzelpreis  DM  3.--,  Jahresabonnement  DM  lo.— 

Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  4,  Postfach  591 


Aufruf  zur  Hitarbeit  im  Knast! 


Eine  wesentliche  Funktion  des   Info  Sozialarbeit  besteht  in  der  Informa- 
tionsweitergabe  von  Genossen  an  Genossen  im  Bereich  der  Sozialarbeit. 
Wir  verbffentlichen  deshalb  auch  den  folgenden  Aufruf,  der  uns  eine 
im  Knast  arbeitende  Genossin  kurz  vor  Fertigstellung  des  Info  zuschick- 
te,   ohne  daB  er  im  Redaktionskol  lektiv  ausfiihrlich  diskutiert  werden 
konnte.    (Red.) 


Karola  Pirl 

Kommt  in  den  Knast 


"Klassenjustiz",   "Anpassungsinstitution",   "Ausbeuterbetriebe" ,  "pa'da- 
gogisches  Personal   als  Feigenblatt" ,  "Jobs  fur  gescheiterte  Existen- 
zen,   die   ihre  Machttriebe  austoben  wollen",  "Alibi funktion  fur  die  Ge- 
samtgesellschaft". .. 

So   und  ahnlich  tont  es,  wenn  Genossen  liber  die  Zustande  in  den  bundes- 
republikanischen  Gefangnissen  diskutieren.  Und  die  Folgen  solcher  Em- 
pb'rung?  Es  werden  z.B.  Flugblatter  gegen  die  Behandlung  einiger  pro- 
mi  nenter,  politischer  Gefangener  verteilt.  Gut  -  die  Linke  der  ganzen 
Welt  hat  Angela  Davis  befreit  -  na  und?  Was  ist  aus   ihren  unbekannten 
Freunden  geworden,  die  immer  noch  "sitzen"?  Glauben  wir  wirkl ich.z.B. 
an  Ulrike  Meinhof  die  Fragwiirdigkeiten  der  Justiz  nachweisen  zu  konnen? 
Sie  ist  privilegiert  und  macht  Schlagzeilen  in  jeder  Zeitung,  wenn 
ihr  Unrecht  geschieht.  Sicher  sollten  wir  zu  diesen  Vorgangen  nicht 
schweigen.  Aber  es  wird  Zeit,  daB  wir  begreifen,  daB  ca.  90  %  aller 
Gefangenen  in  der  BRD  auf  Grund  ihrer  sozialen  Herkunft  und  der  damit 
verbundenen  miesen  Bildungs-  und  Ausbildungssituation  die  politischen 
Gefangenen  sind,  die  auf  unsere  Solidaritat  und  unsere  konkrete  Hilfe 
angewiesen  sind.  Sie  haben  keine  Staranwalte  sondern  Pf lichtverteidi- 
ger,  die  meist  -  Ausnahmen  gibt  es  selten  -  eine  halbe  Stunde  vor  Pro- 
zeBbeginn  die  Akten  fliichtig  durchblattern.  Wenn  kbrperlich,  geistig 
und  sozial   Kranke  in  den  Knast  kommen,  weil  es  kaum  Alternativen  gibt, 
gibt  es  keine  Pressekonferenz.  Wer  sollte  die  Fehlurteile  anklagen? 
Gefangene,  die  nie  gelernt  haben,  ihre  Rechte  zu  erkennen  und  durchzu- 

setzen?  ,  . 

Unsere  Analysen  und  Parolen,  Protestma'rsche  und  Aufrufe  konnen  an  der 
Gesamtsituation  in  den  Gefangnissen  kaum  etwas  andern.  Sie  gehen  von 
gesellschaftlichen  Zusammenhangen  aus,  die  in  der  Subkultur  der  unter- 
sten  Unterschicht  genauso  wenig  verwandt  werden  kbnnen,  wie  man  jeman- 
den,  der  Hungers  stirbt  durch  Kaviar  helfen  kann.  Z.B.   genugt  es  nicht, 
eine  Zusammenstellung  der  faschistischen  Literatur  in  den  Gefa'ngnis-       85 


bibliotheken  zu  machen.    Effektiv  fur  die  Gefangenen,  jetzt  und  heute, 
kann  dies  nur  dann  werden,  wenn  Bibliothekare  auf  BAT  II  verzichten   und 
in  den  Gefangnisbu'chereien  arbeiten.  Menschen,  die  nur  gelernt  haben, 
Unterhaltungskitsch  zu  konsumieren,  miissen  erst  einmal  die  Chance  be- 
kommen,  erkennen  zu  kb'nnen,  da8  Biicher  eine  Mb'glichkeit  sind,   sich  mi  t 
der  eigenen  Situation  auseinanderzusetzen.  Das  heiBt  konkret:  Es  muB 
erst  einmal  eine  unterschichts-spezifische  Bildung,  die  zur  Selbst- 
hilfe  fiihrt,  entwickelt  werden.  AuBer  Paulo  Freire,  einem  katholischen 
Priester  in  Lateinamerika,  der  eine  politische  Alphabetisierungs-Me- 
thode  entwickelt  hat  und  mit  Erfolg  praktiziert,  gibt  es  kaum  entspre- 
chende  Ansatze.  Diesen  weiBen  Fleck  kbnnen  wir  nicht  mit  unseren  eige- 
enen  Bedlirfnissen  Libertunchen. 

Aber,  argumentieren  die  Genossen:  die  Zustande  in  den  Gefangnissen   und 
Obdachlosensiedlungen,  Fiirsorge-Erziehungs-Heimen  und  Landeskranken- 
ha'usern  sind  ja  nur  ein  Nebenwiderspruch  innerhalb  des  Hauptwiderspruchs 
zwischen  Kapital   und  Arbeit.  Wenn  erst  die  Produktionsmittel   verstaat- 
licht  sind   ...  Gegenfrage:  Soil  bis  zu  diesem  Tag  X  an  den  Bedlirfnis- 
sen der  Minderheiten,  die  insgesamt  eine  Mehrheit  sind,  vorbeigegangen 
werden?  Wenn  die  Betroffenen,  die  Experten,  nicht  selbst  die  Fragwur- 
digkeiten  unseres  Gesellschaftssystems  erkennen  und  mit  ihren  Bundnis- 
partnern  verandern,  werden  sie  an  der  Unmenschl ichkeit  ihrer  Situa- 
tion kaputt  gehen.  Sie  werden  in  einem  anderen  Gesell  schaftssystem  wie- 
der  die  Nachhut  bilden,  wenn  wir  ihnen  nicht  heute  helfen,  sich  selbst 
zu  helfen. 

Wir  kbnnen  und  diirfen  die  sozialen  Strafeinrichtungen,  z.B.  die  Gefang- 
nisse,  nicht  auf  Dauer  Funktionstragern  uberlassen,  die  aus  Angst  vor 
Neuerungen  am  Alten  festhalten.   Nutzen  wir  die  ersten  Schritte  der  Ver- 
besserung,  Veranderung  und  Infragestellung  der  vorgegebenen  Situation 
in  den  Justizvollzugs-Anstalten.  Sie  kdnnen  auch  deshalb  nicht  durch- 
gesetzt  werden,  weil   eine  standige  Oberforderung  aller  Mitarbeiter  auf 
Grund  von  Personalmangel  besteht.  Und  schlieBlich  haben  Beamte  und  An- 
gestellte  zwar  gelernt,  fur  ihre  Gehalter  zu  ka'mpfen,  aber  noch  nicht 
fur  die  Interessen  derer,  fur  die  sie  da  sein  sollen.  Wenn  es  mehr 
Engagierte  in  den  "Erziehungs"-Institutionen  der  Unterschicht  gabe, 
ha'tten  wir  dort  die  Chance,  Alternativen  zu  entwickeln  und  durchzu- 
setzen,  ein  Gegengewicnt  zu  werden  und  die  Wenigen  zu  unterstiitzen, 
die  bereits  auf  diesem  Weg  sind. 

Wenn  wir  in  die  Gefangnisse  gehen,  werden  wir  uns  zunachst  an  vorge- 
gebene  Spiel regeln  halten  miissen,  um  iiberhaupt  etwas  erreichen  zu  kbn- 
nen. Aber  selbst,  wenn  wir  gangige  Verbal tensweisen  zum  Teil   Liberneh- 
men  miissen,  werden  wir  auf  dem  Hintergrund  einer  politischen  Analyse 
arbeiten  und  daran  standig  unsere  Arbeit  messen  kbnnen.   Nutzen  wir  den 
Freiraum,  den  uns  die  bestehenden  Verordnungen  bieten  und  der  bis  jetzt 
kaum  ausgeschbpft  ist. 

Oberwindet  die  Angst!  Planstellen  gibt  es  genug  fur:  Aufsichtsbeamte 
(Handwerker,  Facharbeiter) ,  Srzte,  Lehrer,  Psychologen  und  Sozialar- 
beiter. 


Wer  an  einer  Zusammenarbeit  und  einem  Erfahrungsaustausch  interessiert 
ist,  schreibt  an  Karola  Pirl,  c/o  Redaktion  Info  Sozialarbeit,  605  Of- 
gg    fenbach  4,  Postfach  591. 


Berufsverbot 


Konmentarlos  drucken  wir  hier  die  Antwortschreiben  des  Evangel ischen 
Madchenheimes  Ratingen  und  der  Katholischen  Fachschule  fur  Sozial- 
padagogik  Kbln  auf  eine  Bewerbung  ab.  Die  Bewerberin  bat  um  Nichtver- 
Hffentlichung  ihres  Namens,  was  bei  der  derzeit  stattfindenden  Kam- 
pagne  gegen  fortschrittliche  Arbeiter,  Lehrer  und  Sozialarbeiter  etc. 
zu  verstehen  ist. 

DUssel thaler  Anstalten  (Graf  v.d.  Recke-Stiftung) 
Madchenheim  Ratingen,  403  Ratingen,  Diisseldorfer  Str.   130-134 

5.3.73 

Bet rifft:  Bewerbung  -  Ihr  Schreiben  vom  25.2.  - 

^eTTr  geehrtes  l-'raulein. . .! 

Aufgrund  Ihres  obigen  Schreibens  mussen  wir  Ihnen  imtteilen,  daB  wir 

keine  Mitarbeiter  einstellen,  die  konfessionslos  sind. 

Mit  freundlichem  GruB! 


Kath.  Fachschule  fur  Sozialpadagogik 

Fachrichtung  Jugend-  und  Heimerziehung  .  staatlich  anerkannt 

5  Kbln  41,  KlosterstraBe  79,  Telefon  41  45  66        29.3.73 

Sehr  geehrtes  Fraulein ! 

Wir  danken  fur  Ihr  Schreiben  vom  15.3.1973  und  mochten  Ihnen  dazu 
mitteilen,  daB  unsere  Fachschule  bemuht  ist,  in  der  Ausbildung  die 
christlichen  Erziehungsziele  aufzuzeigen;  deshalb  ist  es  fraglich, 
ob  Sie  als  Konfessionslose  damit  Libereinstimmen  konnen. 

Mit  freundlichem  GruB! 


Kath.  Fachschule  flir  Sozialpadagogik 

Fachrichtung  Jugend-  und  Heimerziehung  .  staatlich  anerkannt 

5  Kbln  41,  KlosterstraBe  79,  Telefon  41  45  65        25.5.1^73 

Sehr  geehrtes  Fraulein....!  .   . 

AUf  Ihr  Schreiben  vom  14.5.73  miissen  wir  Ihnen  mitteilen,  dass  mzwi- 
schen  beide  Kurse  besetzt  sind.  Deshalb  eriibrigt  sich  es  wohl  auch, 
auf  die  Frage  nach  den  christlichen  Erziehungszielen  einzugehen. 

Mit  freundlichem  GriiBen! 


87 


. 


INFORMATIONSDIENST 

des 

Sozial is  tisch  en 

Lehrerbundes 


Sozialistische  Lehrer  arbeifen  heuie  vereinzelf,  in  kleinen  oder 
grofoeren  Orten,  an  Grund-,  Haupt-,  Real-  und  Berufsschulen,  an 
Gymnasien  und  Gesamtschulen  ohne  ausreichenden  Kontakt  un- 
tereinander.  Sie  werden  oft  konfrontierf  mit  Problemen  und  Kon- 
flikten,  mit  denen  andere  Gruppen  schon  ihre  Erfahrungen  ge- 
sammelt  haben.  Fur  diese  Genossen  und  Gruppen  reicht  der 
bisherige  informelie  Erfahrungsaustausch  nicht  mehr  aus. 

Um  diese  Liicke  zu  schliefjen,  geben  der  SOZIALISTISCHE  LEH- 
RERBUND  (SLB)  und  das  Sozialistische  Biiro  gemeinsam  den 
INFORMATIONSDIENST   des    SOZIALISTISCHEN    LEHRERBUNDES 


Der  SLB-INFO  soil  der  Information  und  Kooperation  zwischen 
sozialistischen  Lehrern  und  deren  Organisierung  dienen.  Er  behan- 
delf  auf  ca.  60  Seiten  je  ein  bestimmfes  Schwerpunktlhema  und 
enthalt  aktuelle  Nachrichten,  Materialien,  Berichte  iiber  Schulkon- 
flikte  usw.  .  .  . 

Der  INFO  erscheinf  viermal  im  Jahr  und  kostet  im  Abonnement 
DM  10. — ,  Einzelheft  DM  3. — ,  Probeheff  Sozialistisches  Biiro, 
605  Offenbach  4,  Postfach  591  (nur  gegen  Bezahlung,  DM  3. —  in 
Briefmarken  beilegen  oder  wir  schicken  eine  Voraus-Rechnung). 


Kleinanzeigen 


Sozialarbeiter  Arbeitskreis  Soziale  Brennpunkte  Marburg  e.V.  sucht 
dTringend    I    oder  2  Sozialarbeiter  fur  Stadtteil/Gemeinwesenarbeit  im 
Waldtal,   Marburg.  Weitere  Informationen  und  Bewerbungen:  AKSB,   355  Mar- 
burg,  Ginseldorfer  Weg  28,  Tel.    (06421)  6  41   25. 

Jugendbi  Idungsreferent  Jugendverband  in  Baden-Wiirttemberg   sucht  einen 
Jugendbi  Idungsreferenten.  Der  Bewerber  sollte  einen  AbschluB  als  Dipl. 
Soziologe,   -Politologe  o.a.  besitzen  und  in  der  Lage  sein,  die  Arbeit 
eines  Teams  inhaltlich  anzuleiten  und  zu  koordinieren.   Verglitung  nach 
BAT.   Bewerbungen  an:  Hans  Baab,  5751  Gonbach,   Im  Vogelsang  5. 
Gruppenbetreuer  (Sozialarbeiter  oder  -padagoge)   gesucht  fur  eine  Grup- 
"p'e    von    lb-20  Zivildienstleistenden.  Aufgabe  u.a.   praxisbezogene  p'a'da- 
gogische  Reflexion  mit  der  Gruppe.  Viel    Eigeninitiative,   da  Modell- 
charakter.  Bezahlung  nach  BAT  5b/4b  und  andere  Leistungen.   Kontakt- 
adresse:  Gruppe  der  ZDL,  35  Kassel ,  Goethestr.   96,  Tel.    (0561)   3  60  15. 
Sozial arbeiter/Sozial padagoge 

TUr  die  Arbeit  in  einem  Jugendzentrum  "Haus  der  offenen  Tur"  in 
Saarbru'cken-Burbach  gesucht.   Beschaftigung  mit  ca.   200  Besuchern  pro 
Abend,  audi  Straffallige.  Bezahlung  nach  BAT  mit  zusatzlichen  Sozial- 
leistunqen.    c/o  Josef  Mittmann,  66  Saarbrucken  5,   Bergstr.    58 
Sozialarbeiter  mit  staatlicher  Anerkennung  fur  die  padagogi sche  Be- 
Treuung  eines  Wohnkollekti  vs  gesucht.   Erfahrung  in  der  Arbeit  mit 
proletarischen  Jugendlichen   erwunscht.   Bezahlung  nach  BAT  4a   und   Fahr- 
geld.   Ab  sofort  oder  spa'ter.   Verein  fur  Soziale  Jugendarbei  t,   463  Bo- 
chum,   Lennershofstr.    66 

Buchladenkollektiv  sucht  ab  sofort  undogmatische(n)   Genossen(in)    flir 
Verbindliche  Mitarbeit  fur  mindestens  ein  Jahr  im  Kollektiv. 
Naheres:   Buchladen  Roter  Stern,   355  Marburg,  Am  Gru'n   28. 
Sozialpadagogin  mit  Vordiplom  mdchte  ab  Oktober/November  ein  halbes 
TjiTTFn'n i  einem  Wohnkol  lektiv  fur  ehemalige  Heimjugendliche  arbeiten: 
Anna  Wild,   7415  Wannweil,  Hauptstr.   27. 

Initiativgruppe  sucht  Sozialpadagogi  n/Sozialarbei  terin  flir  Projekt 
7Tnare'rarbeit  in  Notunterkunften  in  Frankfurt.  Anfrage  sobald  wie 
mbglich  uber  Telefon  0611/441522. 

Jugendzentrum  Dokuntentation  iiber  die  Auseinandersetzungen  um  das 
TUSendzentrum  Siegen.  Hausbesetzung,  Demonstration,  StraBentheater , 
Unterschriftenaktion,   l/erhandlungen  usw.   sowie  Analyse.   64  Seiten 
mit  Fotos,   Karikaturen,  Dokumenten.   Bezug   (DM  2.50  in  Briefmarken 
beifugen)  liber  E.W.  Birkenstock,  59  Siegen,  Flirst-Moritz-Str.    1, 
Telefon  0271/52566 

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TuTfrTt  mbglichst  politisch  engagierte  Leute,  2  zusammenhangende  Zim- 
mer,   vielleicht  Paar  oder  Mutter  mit  Kind.  Anfragen  an  Sozialisti- 
sches Buro,  Chiffre  WG. 


89 


Ersatzdienstleistende  Die  Selbstorganisation  der  Ersatzdienstleisten- 
den  mochte  mal  wieder  auf  ihren  Info  aufmerksam  machen.  Da  wir  EDL 
untereinander  sehr  isoliert  sind,   ist  ein  solcher  Info  wichtig.   Wer 
sich  den  Info  einmal  anschauen  mochte,  schreibe  an  Selbstorganisation 
Regionalzentrale  Frankfurt,  Vertrieb  EDL-Info,  6  Frankfurt,  Oederweg   153, 
Gesundheitspolitisches  Forum  Funktion  der  Zeitschrift  soil   sein,   die 
Strategien  der  verschiedenen  auf  dent  Gesundheitssektor  arbeitenden 
Gruppen  zu  verbffentlichen  und  auf  breitester  Ebene  zu  diskutieren, 
um  so  zu  fiir  jeden  einzelnen  verwertbaren  Ergebnissen  zu  kommen. 
Probeexemplar  (DM  1.-  in  Briefmarken  beilegen)  iiber  Vertrieb  Gesund- 
heitspolitisches  Forum,  c/o  Fachschaft  Pharmazie,  355  Marburg, 
Marbacher  Weg  6. 

Volkspreisheft  "Was  hat  der  Arbeiter  von  der  sozialen  Marktwirtschaft" . 
Linze  I  exemplar  DM  -.50   (zuzliglich  Porto  und  Verpackung  bis   10  Stuck 
DM  1.-),  ab  10  Exemplare  je  DM  -.40  (plus  Porto  und  Verpackung  DM  1.50, 
30-50  Stuck  DM  2.-),  ab  50  Exemplare  je  DM  -.30  (plus  Verpackung  DM  2.-), 
Bestellungen  an:  Betrieb,  5  Kb'ln  60,  Merkenicher  Str.   99.  Vorauszahlung 
auf  Postscheckkonto  Kb'ln  282870-504. 

Ersatzdienst  KdVer  sucht  einen  Ersatzdienstplatz,  der  als  sozialpada- 
gogische  Arbeit  anerkannt  wird  (fiir  Diplom  als  erstes  Staatsexamen 
fur  das  Lehramt  an  berufsbildenden  Schulen  sozialpadagogischer  Fachrich- 
tung).   ED-Gruppen  bzw.  ED-Stellen,  die  einen  solchen  Ersatzdienstplatz 
vermitteln  kbnnen,  schreiben  bitte  an  Sozialistisches  Bliro,  Chiffre  ED. 
Jugendarbeit  Wir  suchen  einen  engagierten  Mitarbeiter  fiir  die  Kinder- 
und  Jugendarbeit  im  Raum  Herford.  Spatere  Weiterarbeit  in  Jugendzentrum 
ist  gegeben.  Mdglichst  sofort.  Kontaktadresse:  Hermann  Strohrneier, 
48  Bielefeld,  Im  Balgenstlick  19,. 

Emanzipation  und  politische  Arbeit  Protokoll   und  Kritik  des  Frankfur- 
t'e'r"S"eminars  vom  27./Z8.4./3  (siehe  "links"  Mr.  45).  Bezug(DM  1.50 
in  Briefmarken  beilegen)   iiber  Heinz  Funke,  6  Frankfurt,  Marquartstr.    6 
Knast-Hilfe  Wer  kann  mich  unterstlitzen?  Ich  brauche  juristische  Stu- 
diumliteratur  (3.   und  4.  Semester),  Schreibzeug  aller  Art,   Farbband, 
einen  Parker  und  eine  Jeans  (Gr.   48).  Meine  Adresse:  Harry  Eisermann, 
31  Celle,  Justizvollzugsanstalt,  Postfach  910. 

Spanienhilfe  Die  Kommission  zur  Hilfe  fiir  die  politischen  und  sozialen 
Gefangenen   in  Spanien  bemliht  sich  angesichts  der  Entwicklung     in  Spanien 
noch  intensiver  als  bisher,  den  spanischen  Unterdruckten  die  Hilfe 
und  Unterstiitzung  internationaler  Solidaritat  zuteil  werden  zu  lassen. 
Wer  bei  dieser  Solidaritat  helfen  will,  fordere  bitte  Informations- 
material  an  Liber  Hannelore  Koob,  8  Munchen  50,  Dachauer  Str.   288  a/1 
(bitte  DM  2.—  in  Briefmarken  beilegen). 

SpielstraBe  Darstellung  eines  Experimentes  Bauspielplatz/SpielstraGe 
in   "Politische  Bildung  und  sozialistische  Erziehung"  3/73,  herausge- 
geben  vom  Referenten  fLir  politische  Bildung,  SJD  "Die  Falken",  LV 
Hessen,  6233  Kelkheim,  Hauptstr.  12 

Wohnungssituation  Im  Obdachlosenbereich  arbeitende  Projektgruppe  sucht 
dringend  eine  ausfiihrliche  Analyse  zur  Wohnungssituation  der  arbeiten- 
den Bevblkerung  in  der  BRD.   Wer  hat  schon  eine  derartige  Analyse  erar- 
beitet  und  stellt  sie  uns  zur  Verfligung?  Adresse:  Projektgruppe 
Bellenacker  der  ESG  Karlsruhe.,  75  Karlsruhe!,  GartenstraBe  29  a. 
Mitarbeiter  in  der  Jugendarbeit  Wir  suchen  Sozialarbeiter,  Sozialpa- 
dagogen,  Lehrer.DiplomnSdagogen  oder  Bewerber  mit  anderen  vergleich- 
baren  AbschlLissen  in  padagogischen/politischen  Fachgebieten  als  Refe- 
30     rent  in  der  Jugendbildungsarbeit,  als  Referent  fiir  Padagogik  und  als 


Referent  fiir  Offentlichkeitsarbeit.  Weitere  Informationen:  Sozialisti- 
sche Jugend  Deutschland  "Die  Falken",  Landesverband  NRW,  465  Gelsen- 
kirchen,  Bahnhofstr.  74-76. 

Arbeiterbroschure  Was  hat  der  Arbeiter  von  der  sozialen  Marktwirtschaft? 
Aus  dem  Inhalt:  Arbeitsbelastung,  Arbeitsunfalle,  Profit,  Preise, 
Lbhne,  Einkommensvertei lung,  Vermb'gensverteilung,  Nacht-  und  Schicht- 
arbeit,  Grund  und  Boden,  Wohnen,  Angaben  weiterfiihrender  Literatur. 
Volkspreisheft,  24  Seiten,  Stiick  50  Pfennig,  10  Stuck  DM  2.50  und  Por- 
to. Bezug:  Plakat,  c/o  Peter  Grohmann,  7  Stuttgart  1,  Kernerstr.   31. 
Reader:  Jugendwohnkollektive  Die  Entwicklung  der  Jugendwohnkollektive 
wird  in  ihrem  politischen  Zusammenhang  dargestellt,  neue  Tendenzen 
werden  herausgearbeitet.  Dabei  wird  gezeigt,  daB  eine  wirksame  Hilfe 
auch  in  Jugendwohnkollektiven  nicht  moglich  ist,  solange  nicht  inhalt- 
lich  und  methodisch  an  der  gesamten  Lebenssituation  Jugendlicher  an- 
gesetzt  wird.  Der  Reader  enthalt  eine  Reihe  bisher  schwer  zugangli- 
cher  Texte  sowie  eine  ausfiihrliche  Literaturliste.  Preis  DM  8.-, 
Bezug  iiber  Victor  Gollancz-Stiftung  e.V.,  6  Frankfurt,  Wilhelm- 
Leuscher-Str.   25. 

Stadtteilarbeit  Als  Ergebnis  der  letzten  Plenen  des  SZ  Stuttgart  hat 
sich  ein  AK  Stadtteilarbeit  gebildet.  Er  will   in  moglichst  enger  Zu- 
sammenarbeit  mit  den  Mitgliedern  des  parteifreien   linken  Blindnisses 
im  Stuttgarter  Kommur.al  pari  anient  (Gruppe  Eugen  Eberle)  vor  allern  jene 
Genossen   in  die  Arbeit  einbeziehen,  die  im  Reproduktionsbereich  tatig 
sind.  Der  AK  wird  zjsarrmen  mit  der  "Plakaf'-Betriebsgruppe  bei  Daim- 
ler-Benz ab  Herbst  1973  eine  Zeitung  "stuttgart-plakat"  herausgeben. 
Uie  erste  Nummer  (Zeitungsformat  4  Seiten)   erscheint  zum  Schwabischen 
Sonntag  (2.  September),   "stuttgart-plakat"  soil  monatlich  herauskom- 
men,  im  StraRenverkauf  vertrieben  werden  und  Probleme  der  Produktion 
mit  solchen  des  Reproduktionssektors  verbinden.   Die  wichtigsten  The- 
men  der  ersten  Ausgabe:  Organisierte  Mieter;  Sanierung  in  Bad  Cann- 
statt;  Auslander  in  Stuttgart;  Blirgerini tiative  Karl-Olga-Kranken- 
haus;   Burgerhausinitiative;   Teuerungswelle  u.a. 
Adresse:  AK  Stadtarbeit  im  Sozialistischen  Zentrum  Stuttgart, 
7  Stuttgart  1,  Hasenbergstr.  95a. 

Kontakt  gesucht  FHS-Studenten  suchen  Kontakte  zu  GWA-  u.  Stadtteilgrup- 
pen   und  Material   zum  Thema   "Stadtsanierung,  Probleme  und  Einwirkungs- 
mbqlichkeiten  fur  soziale  Arbeit." 
Burkhard  Maus,  506  Bensberg-Refrath,  Neuer  TraSweg  36. 
Material   gesucht  Erfahrungsberichte/Materialien  zum  Thema  "Sozialar- 
TjeTt  'wHhrend  und  nach  dem  Jugendstrafvollzug"  gesucht:  Klaus  Pohlmann, 
5  Kbln  41,  Luxemburger  Str.    154. 

ntudiumsinformationen  FachoberschLilerin  sucht  Informationen  und  Kon- 
faTt'e  zu  rachhochschulen  (Nurnberg,  Wiirzburg,  liegensburg,  Frankfurt 
oder  Darmstadt)  zwecks  spateren  Studiums:  Birgit  Bautz,  54  Koblenz, 

2aum  Aachen'wir  suchen  dringend  Leute,  die  zu  politischem  Engagement 
■Vn-eTnerniBdachlosensiedlung  in  Stolberg,  bes.  Gruppenarbeit  mit 
Sonderschulkindern,  bereit  sind.  ,«.■■«  <rm 

Auskunft:  Ingrid  Liike,  51  Aachen-Brand,  An  der  Rennbahn  6,  Tel  .56  603. 
Tnitiativgruppe  Gefangenenarbeit  Holger  Horst,  78  Freiburg,  Hasla- 
cRers'tr.   176  a  sucht  Kontakte  zu  Gruppen,  die  im  Resozialisierungs- 

bereich  arbeiten.- 

Suche  Material ien,  Erfahrungsberichte,  Konzeptionen  fur  den  Aufbau 

eTner  Arbeit  in  einer  Obdachlosensiedlung  -  Ulrich  Ernst,  433  Mulheim,  91 

Bruchstr.  97. 


Sozialarbeiterin  sucht  fur  ihre  Graduierungsarbeit  zum  Thema  Zeugnis- 
verweigerungsrecht  fur  Sozialarbeiter  entspr.  Literaturangaben,  Ar- 
beitspapiere,  Gerichtsurteile,  Rechtsverordnungen  etc.  Ansprechen  mb'ch- 
te  sie  auch  das  Theologen,  Arzte,  Juristen  und  Journalisten  zugestan- 
dene  Aussageverweigerungsrecht.  Wer  kann  mir  Hinweise  aus  diesen  Be- 
reichen  geben,  wer  kennt  Sozialarbeiter,  denen  aufgrund  ihrer  Aussage- 
verweigerung  Gerichtsverfahren  angedroht  wurde? 
Elfi  Thurow-Linzer,  5  Kb'ln  41,  Siebengebirgsallee  108 
Padagogisch-soziale  Aktionsgemeinschaft  sucht  politisch  engagierten 
Sozialarbeiter  (in)  fur  die  Arbeit  in  einem  Saarbrlickener  Obdachlosen- 
ghetto.  Das  Projekt  "Vorschul-  und  Erwachsenenarbeit"  wird  wissenschaf  t- 
lich  begleitet.  Vergutung  BAT  IVb.   Pad.  SAK  e.V.,  66  Saarbriicken,  Feld- 
mannstr.   92 

Sozialpadagoge  gesucht  fur  die  Arbeit  in  unserem  Jugendzentrum.  Nahere 
Informationen:  Verein  Jugendarbeit  e.V.,  Thomas  Schenk  ,  5608  Radevorm- 
wald,  Ritter  von  Halt  Str.  40 


Nachrichten 


Wir   suchen   zum   1.11.1973    oder   spater   einen 

SOZIALARBEITER (IN) 

fiir  die   Leitung  unserer   im  Friihjahr    1974   an- 
laufenden    "Of fenen-Tur -Arbeit"    in 

Hannover . 

Wir  arbeiten  im  Team.  Zum  Team  gehoren  weiter 
ein  Jugendleiter  und  ehrenamtliche  Mitarbei- 
ter . 

Wir  erwarten  Ideen  und  Eigeninitiative  fiir 
eine  neu  zu  konzipierende  offene  Jugendar- 
beit, organisatorisches  Geschick,  Kontakt- 
freudigkeit  und  nach  Moglichkeit  praktische 
Erfahrung  in  der  "Of fenen-Tur-Arbeit" . 

Wir  bieten  Bezahlung  nach  BAT,  13.  Monats- 
gehalt,  4  Wochen  Mindesturlaub,  Bildungsur- 
laub  und  Fortbildungsmoglichkeiten. 

Bewerbungen  mit  ublichen  Unterlagen  sind  zu 
richten  an: 

Sozialistische  Jugend  Deutschlands  -  Die  Falken  - 
Unterbezirk  Hannover,  3  Hannover,  Maschstr . 22-24 
Telefon  0511/883244 


Zum  Thema  "Jugendarbeit"  sind  zwei  Hefte  erschienen: 
Krit.   Blatter  aus  Westfalen  -  AMOS  - 
Redaktion:   Bochum,  Lennershofstr.   66 

Material ien  zur  Heimerziehung  Nr.   1:  Dokumentation  Hauptpflegeheim 
Ollenhauerstr.  -  zu  beziehen  bei  HEZ  1  Berlin  61,  Urbanstr.  126  - 
Laden 

Im  Deutschen  Jugendinstitut  erschien  jetzt  ein  Forschungsbericht 
von  Gunter  Steinvorth  "Diagnose  Verwahrlosung"  -  eine  psychologische 
Analyse  von  Jugendamtsakten  aus  Nordrhein-Westfalen  und  Bayern.  Sie 
gibt  Auskunft  darliber,  wie  die  Jugendamter  Verwahrlosung  diagnostizie- 
ren,  welche  Kriterien  eine  Rolle  spielen  und  wie  sich  diese  Krite- 
rien   zu  den  von  der  wissenschaftl ichen  Forschung  herausgearbeiteten 
Erkenntnissen  uber  Genese  u.   Problematik  der  Verwahrlosung  verhalten. 

In  ihrer  fieihe"Politische  Bildung  Sozialistische  Erziehung"  Nr.  3 
haben  die  Falken  -  Sozialistische  Jugend  Deutschland  -  Landesverband 
Hessen,  6233  Kelkheim,  Hauptstr.   13  HH  Informationen,  Seminarbenchte 
jnd  Anrequngen  zum  Thema  "Spielstrasse  u.  Bauspielplatz"  veroffent- 

licht. 

Mit  theoretischen  und  praktischen  Fragen  der  politischen  Jugend- 
bildungsarbeit  beschaftigen  sich  die  "Emlichheimer  Blatter"  heraus- 
qegeben  von  der  Jugendbildungsstatte  Emlichheim,  4459  Emlichheim, 
Postfach  1220.   Bisher  sind  5  Nummern  erschienen  einschl ieBl ich  eines 
Sonderdruckes  "Die  gesellschaftliche  Funktion  der  Gruppendynamik" 
(Zur  Analyse  und  Kritik  sozialpsychologischer  Erziehungstheorien). 

Eine  Sammlung  verschiedenster  Entwiirfe,  Stellungnahmen  und  Reso- 
lutionen  zum  Berufspraktikum  (x  vom  Verband  der  Praxisberater  bis 
zur  OTV  x)    hat  der  SVS-Bundesverband  in  einer  Sonderausgabe  der  Zeit- 
schrift  "Unruhe  Nr.   2/73"   herausgebracht.  Anschrift  der  Redaktion: 
Klaus  Burianski  28,  Bremen  1,  Am  Dobben  69. 

Eine  Dokumentation  zur  27.   o.  Mitgliederversarnnlung  des  SVI ,  der 
u  a     die  Sozialarbeiterstudenten  an  den  Fachhochschulen  vertritt, 
vom*April   1973  hat  der  SVI  in  seiner  Nunmer  "SVI-Aktuel 1"  herausge- 
geben.  Die  Dokumentation  gibt  Auskunft  liber  die  Auseinandersetzung 
des  SVI  mit  den  MSB  und  SHB   (MF)-Asten.  Weitere  Broschtiren  beschafti- 
gen sich  mit  der  Wissenschafts-  und  Bildungspoli tik     sowi'e  der  Berufs- 
perspektivendiskussion  von  Sozialarbeiter  und  Sozialpadagogen. 
Anschrift:  SVI   56  Kuppertal    2,  Fr.-Engels-Allee  164  a 

In  Frankfurt  erschien  die  2.  Nummer  "Die  LOG-Zeitung"  u.a.  mit 
einem  Artikel   uber  Selbstmord  und  uber  innere  Berufsverbote  bei  SPD- 
Organisation:   "Das  Herz  der  Arbeiterwohlfahrt  schlagt  auf  dem  rechten 
Fleck".  Redaktion:  Rieta  Hau,  6234  Hattersheim,  Lindenstr.   26. 


93 


. 


Reihe  Internationale  Solidaritat,  Heft  7 
Dokuraente  zur  Entwicklung  in  Chile 


Solidaritat  mit  dem  chilenischen  Volk  zu  praktizieren     kann  nicht 
nur  heiBen,  dessen  Kampf  gegen  die  Militardiktatur  und  fur  den 
Sozialismus  politisch  und  materiel!  zu  unterstu'tzen,  sondern  muB 
zugleich  bedeuten,  in  alien  Teilen  der  Bevblkerung  der  BRD  und 
Westberlins  eine  breite  Diskussion  Liber  die  Klassenkampfe  in  Chile 
einzuleiten.  Diese  Diskussion,  in  der  es  darum  gent,  die  chileni- 
schen Erfahrungen  kritisch  zu  hinterfragen  und  ihre  Bedeutung  fur 
die  Entwicklung  der  Klassenkampfe  in  Westeuropa  zu  untersuchen, 
bedarf  zunachst  einmal  der  umfassenden  und  grlindlichen  Information 
Liber  die  tatsa'chlichen  Ereignisse,  Bedingungen  und  WidersprLiche  des 
revolutionaren  Prozesses,  der  1970  mit  dem  Wahlsieg  der  Unidad 
Popular  in  Gang  gesetzt  wurde.  Die  "Dokumente  zur  Entwicklung  in 
Chile"  sollen  dazu  Materialien  liefern.   In  den  vier  Kapiteln 
(Chile  1970  -  1973,  Volksmacht  in  Chile,  Das  Militar  in  Chile,  Hin- 
tergrLinde  und  Verlauf  des  Putsches)  werden  vorwiegend  Texte  aus 
Chile  selbst  verbffentlicht,  und  zwar  deshalb,  weil  wir  meinen, 
daB  die  Diskussion  sich  vor  allem  an  den  konkreten  Kampf erfahrun- 
gen der  chilenischen  Arbeiter  und  Bauern  und  an  den  verschiedenen 
politisch-strategischen  Positionen,  wie  sie  innerhalb  der  Linken 
in  Chile  bestanden  und  weiterhin  bestehen,  orientieren  sollte.  Fur 
diejenigen,  die  den  revolutionaren  UmwandlungsprozeB  kapitalisti- 
scher  Gesellschaft  nur  als  einen  heroischen  Kraftakt  der  Arbeiter- 
klasse  bzw.   ihrer  Avantgarde  begreifen  kbnnen,  muB  die  chilenische 
Erfahrung  unverdaulich  bleiben,  la'Bt  sich  doch  an  der  Entwicklung 
der  Rolle  von  Poder  Popular,  d.  h.  der  autonomen,  von  der  Regierung 
unabhangigen  und  dem  burgerlichen  Staat  entgegenstehenden  Volks- 
macht, erkennen,  daB  die  Einheit  der  Arbeiterklasse,  das  BewuBtsein 
und  die  Einsicht  in  die  Notwendigkeit  einer  radikalen  Umwalzung  Er- 
gebnis  eines  revolutionaren  Prozesses  sind  und  nicht  dessen  Voraus- 
setzung.  Erst  in  dem  MaBe,  wie  die  Politik  radikaler  Reformen,  die 
die  revolutionaren  Aktionen  der  Arbeiter  und  Bauern  sichern  und  er- 
weitern  soil,   an  die  Grenze  stbBt,  die  ihr  von  der  kapitalistischen 
Gesellschaftsform  gesetzt  sind,  gelangen  die  Arbeiter  als  Klasse  zu 
Einsichten  in  den  Klassencharakter  des  burgerlichen  Staates.    In 
diesem  Zusammenhang  ist  der  qualitative  Sprung,  den  die  Herausbil- 
dung  einer  autonomen  Bewegung  der  chilenischen  Arbeiterklasse  dar- 
stellt,  einerseits  ein  Resultat  des  von  der  Unidad  Popular  verwirk- 
lichten  sozio-b'konomischen  Reformprogramms  und  bedeutet  anderer- 
seits  dessen  revolutiona're  Aufhebung  in  Richtung  auf  einen  Kampf, 
der  die  tatsachliche  Eroberung  der  Macht  durch  die  Arbeiterklasse 
zum  Ziel   hat.  Aus  dieser  Dialektik  von  Reform  und  Revolution,  durch 
die  der  Klassenkampf  in  Chile  exemplarisch  gepragt  ist,  gilt  es  zu 
"ernen. 

112  Seiten,  broschiert,  DM  5.-- 

Verlag  2ooo  GmbH,  6o5  Offenbach  4,  Postfach  591 


Redakti  onsmi  ttei  1  ung 


Auf  der  5.  Redakti onskonferenz  am  7.7.73  in  Bochum  wurde  fur  die  Info- 
Reihe  folgende  vorlaufige  Planung  vorgenommen: 

1973 

Info  Nr.   5 

Thema :  Arbeit  mit  Psychisch  Kranken 

ITer  Info  wird  zusammengestellt  von  SPAK-Gruppen 

Koordination:   Hans  Groffebert,  78  Freiburg,  Gerberau  28  a 

1974 

Thema:  Jugendhilferecht/Vorbereitung  auf  den  Jugendhilfetag  im 

TTerUsl  1974 

Koordi  nation:  Aktiv  R  16  W.  Herrmann,  5  Kbln,  Weinsbergerstr.   126 

Thema:   Zur  Organisationsfrage  von  politischen  Sozialarbeitergruppen 
'(VeFIrbeitung  der  Diskussionsergebnisse  vom  Februar  73  und  Oktober  73) 
Koordination:   Sozial  istisches  Biiro,  Offenbach 

Thema :  Jugendclubarbeit/Jugendzentren 

Koordination:  AKSp  Diisseldorf,  Gerd  Rieger,  4  Diisseldorf,  Oberkasse- 

Terstr.    / 

Thema:  AuBerinstitutionelle  Sozialarbeit/Stadtteilarbeit/Rote  Hilfe 
Kc"o?dTnation:     Verein  Soziale  Ougendarbeit,  463  Bochum,  Lennershofstr.66 

Thema:   Forschungsprojekte  im  Sozialbereich 

feorHTnation:   KKS  Bielefeld,  Friedhelm  Peters,  48  Bielefeld,  Karl-Eilers- 

Wir  bitten  alle  interessierten  Sozialarbeiter/Sozialpa'dagogen  etc. 

und  Arbeitsgruppen,  die  zu  diesen  oder  anderenThemen  Material   gesammelt 

haben  bzw.  bereit  sind  mitzuarbeiten,  sich  an  die  jeweilige  Koordi- 

nationsadressen  zu  wenden.dami t  wir  mit  der  Erarbeitung  rechtzeitig 

beginnen  und  eine  intensive  Diskussion  stattfinden  kann.  Trotz  der 

thematischen  Vorplanung  werden  wir  natiirlich  nicht  auf  aktuelle  Be- 

richte  verzichten;  bitte  sendet  Eure  Mitteilungen  und  Berichte  an 

das  Sozialistische  Biiro,  605  Offenbach  4,  Postfach  591   -  die  Redak- 

tionskonferenz,  zu  der  die  jeweiligen  Verfasser  und  ca.   20  Gruppen 

eingeladen  werden,  diskutiert  und  entscheidet  liber  den  jeweiligen  Ab- 

druck.  ,.., , 

Der  Info  Sozialarbeit  kann  nur  dann  seine  Funktion  erfullen,  wenn 

sich  viele  Gruppen  und  Einzelne  aus  dem  Sozialbereich  an  der  Dis-     g5 

kussion  und  Herausgabe  beteiligen. 


. 


Geschichte  und  Funktion 
der  Sozialarbeit 


/Uo/ 


r 


INFORMATIONSDIENST 
SOZIALARBEIT 


AuszLige  aus  Vorwort  und  Inhaltsverzeichnis 

Das  vorliegende  Papier,  der  Versuch  einer  material istischen   histori- 
schen   "Analyse"  und  Funktionsbestimmung  der  Sozialarbeit  ist  ein 
Novum  in  ihrer  Geschichte  -  zumindest  seit  der  offenbar  zur  Vergessen- 
heit  gewordenen  Auseinandersetzung  urn  eine  "Fursorge"-Selbstorganisa- 
tion  der  Arbeiter  nach  dem  1.  Weltkrieg.   Damals  standen  sich  revolu- 
tionare  Krafts, 2. B.   Clara  Zetkin,  die  das  Konzept  der  "Roten  Arbeiter- 
hilfe",  eine  Organisation  praktischer  Selbsthilfe  und  Solidaritat  im 
alltaglichen  Klassenkampf ,   vertraten,  und  Revisionisten  in  der  SPD  urn 
die  spatere  AWO-Begrunderin  Marie  Juchacz  gegeniiber,  die  aus  humani- 
stischer  Gesinnung  die  schl immsten  Auswirkungen  kapital isti scher  Aus- 
beutung  mit  Hilfe  einer  caritativen  Wohlfahrtsorganisation  verhindern 
wollte. 

Das  vorliegende  Papier  zeigt,  daB  diese  historisch  zuriickl  iegende  Al- 
ternative auch  heute  nicht  an  Aktual  itat  eingebu'Bt  hat;  es   stellt  sich 
dar  als  ein  Arbeitsergebnis  einer  immer  groBer  werdenden  Zahl   von 
Sozialarbeitern,  die  begreifen,  daB  s.ie  bisher  bewuBtlos  und  ohnmach- 
tig  an  den  Symptomen  eines  Ausbeutungssystems,  der  kapital  istischen 
Gesellschaft,  kuriert  haben  und  die  begriffen  haben,  daB  die  Vernach- 
lassigung  ihres  Arbeitsfeldes   (die  vielfach  beklagte  Situation  fehlen- 
der  Mittel,   fehlenden  Personals  und  mangel hafter  Ausbildung)   strukturell 
bedingt   ist   in  einem  gesellschaftl ichen  System,  in  dem  Profit  und 
private  Aneignung  von  Reichtum  an  erster  Stelle  und   "Kosten"   verursachen- 
de  "soziale  Fragen"  an  allerletzter  Stelle  rangieren. 

Aus  dem   Inhalt:   Zur  gesell schaftlichen  Situation  der  Armenpflege   in 
der  feudalen  Gesellschaft  -  Sozialarbeit  im  Umbruch  zur  kapitalisti- 
schen  Gesellschaft  -  Marx'  Analyse  der  burgerl ichen  Gesellschaft  und 
ihre  Bedeutung  fur  eine  Analyse  der  Sozialarbeit  -  Bismarck'sche 
Sozialpolitik  und  Sozialarbeit  -  Geschichte  der  Sozialarbeit  1880  -   1930 
Sozialarbeit  im  Faschismus  1933  -  1945  -  Geschichte  des  Jugendhilfe- 
rechts   (das  RJWG   1923,   Jugendhilfe-Recht    im  Faschismus,   Diskussion  urn 
die  Novel le  1953,  Diskussion  urn  das  JWG  1961)   -  Ausgewahlte  Literatur 
zur  Sozialarbeit. 

Ca.  7o  Seiten,  vervielfaltigt  mit  festem  Umschlag.  DM  3.-- 

Bezug  liber  AKS,  c/o  Gu'nter  Pabst,  5  Frankfurt,  Hamburger  Allee  47 

Sozialistisches  Bliro,  6o5  Offenbach  4,  Postfach  591 


rf^ 


Inhalt:  Zur  Organisierung  -  Funktion 
der  Sozialarbeit  -  Disziplinierung 


m 


der  Familienfiirsorge  Neukolln  - 


6  Falle  von  Disziplinierung  -  Hinweise 


5 


Offenbach,  Dezember  1973/Januar  1974 
Doppelnummer,  Preis  DM  5.--