THE GETTY RESEARCH INSTITUTE LIBRARY Halsted VanderPoel Campanian Collection
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EIN JAHRHUNDERT
KUNSTARCHÄOLOOISCHER
ENTDECKUNGEN
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ADOLF MICHAELIS
EIN JAHRHUNDERT
KUNSTARCHÄOLOOISCHER
ENTDECKUNGEN
ZWEITE AUFLAGE
MIT EINEM BILDE C. T. NEWTONS
VERLAO VON E. A. SEEMANN IN LEIPZIG 1908
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ADOLF MICHAELIS
EIN JAHRHUNDERT
KUNSTARCHÄOLOOISCHER
ENTDECKUNGEN
ZWEITE AUFLAGE
MIT EINEM BILDE C. T. NEWTONS
VERLAG VON E. A. SEEMANN IN LEIPZIG 1908
Das Recht der Übersetzung wird vorbehalten
Druck von Ernst Hedrich Nachf., O. m. b. H., Leipzie
THE GETTY CENTER LIBRARY
MEINEN LIEBEN JUGENDFREUNDEN UND STUDIENGENOSSEN
ALEXANDER CONZE
(BERLIN - ITALIEN - GRIECHENLAND) UND
EUGEN PETERSEN
(KIEL — BONN — ROM)
IN LIEBE UND TREUE GEWIDMET
AUGUST 1905
VORWORT
] ies Büchlein gab, als es zuerst vor zwei Jahren unter dem Titel »Die archäologischen Entdeckungen des neun- zehnten Jahrhunderts« erschien, im wesentlichen den In- halt einer Vorlesung wieder, die ich im Winter 1904/5 gehalten hatte. Dabei hatte ich die Grenzen des vorigen Jahrhunderts gelegentlich überschritten. Dies gilt auch für die neue ergänzende und berichtigende Auflage, deren veränderter Titel diesem Über- greifen in das zwanzigste Jahrhundert gerecht werden soll. Aller- dings muß ich bemerken, daß die Durchsicht des Buches schon im Mai 1907 abgeschlossen war und der Druck demnächst er- folgte. Eine langwierige Erkrankung hat die Ausgabe des Buches so lange verzögert und die Berücksichtigung dessen, was seitdem entdeckt und erforscht worden ist, unmöglich gemacht.
Die »Archäologie des Spatens« und ihre Ergebnisse bilden den Gegenstand der Darstellung. Dabei ist »Archäologie« durch- weg im Sinne von »Kunstarchäologie« gefaßt; Kulturerzeugnisse ohne ausgesprochenen Kunstcharakter werden nur gelegentlich herangezogen. Aus dem gleichen Grunde blieb die Epigraphik ausgeschlossen, Münzen und Gemmen dagegen nur deshalb, weil sie sich nicht wohl unter den Gesichtspunkt der Entdeckungen bringen lassen. Eine andere Einschränkung beruht darauf, daß meine eigenen Studien sich nur auf die Kunst der klassischen Völker erstrecken und ich die übrigen Gebiete meist nur aus zweiter Hand kenne. Daher die Verschiedenheit der Behandlung. Für mich war die Hauptsache, das Aufkommen und die Aus- breitung und Vertiefung unserer Kenntnis der griechischen Kunst zu schildern.
VIII Vorwort
Die Blätter zu veröffentlichen hat mich vor allem der auf- fallende Umstand veranlaßt, daß der anziehende Gegenstand noch keine zusammenfassende Schilderung gefunden hat. In diese Lücke einzutreten schien mir die Aufgabe eines Archäologen zu sein, der an den Ausgrabungen keinen eigenen Anteil hat nehmen können, aber seit einem halben Jahrhundert diesen Unternehmungen mit Interesse gefolgt ist und auch darüber hinaus noch einige unmittelbare Kunde hat gewinnen können. Hinter den Schnittern muß auch der Garbenbinder seines bescheidenen Amtes walten. Sollten die deutschen Ausgrabungen und Forschungen in der Darstellung bevorzugt erscheinen, so liegt der Grund nur darin, daß mir hier die Quellen reichlicher flössen.
Als Leser habe ich mir nicht sowohl die Archäologen von Beruf, denen ich kaum Neues zu bieten habe, gedacht, sondern teils Studenten der Altertumswissenschaft, vor allem aber den größeren Kreis derer, die sich ein Interesse für antike Kunst bewahrt haben. Hauptsächlich aus diesem Grunde ist in der neuen Auflage die der ersten beigegebene »Quellenangabe« als entbehrlich fortgeblieben. Andrerseits sind diesen Lesern zu- liebe behufs bequemer Orientierung am Rande kurze Hinweise auf Abbildungen hinzugefügt worden, soweit diese entweder in dem von mir umgearbeiteten »Handbuch der Kunstgeschichte des Altertums« von Anton Springer (8. Auflage, 1907) oder in Franz Winters »Kunstgeschichte in Bildern« (Band I, 1900) bequem zur Hand sind. Auf die Abbildungen des ersten verweisen die Zahlen am rechten, auf die Tafeln der letzteren die Zahlen am linken Rand; eine vergleichende Tabelle am Schlüsse des Bandes soll den Besitzern älterer Auflagen des »Handbuches« deren Benutzung ermöglichen.
Bei der neuen Auflage habe ich viele Winke und Ratschläge von Freunden und Kritikern mit Dank benutzt; besonders bin ich den Herren Sal. Reinach, Dr. Borchardt und Dr. Messerschmidt für wertvolle Mitteilungen (zu S. 204 ff. 254 ff. 261 ff.) zu Dank verbunden. Einen besonderen Schmuck erhält die neue Auflage durch das schöne Bildnis C. T. Newtons, das dem Buche hat vorgesetzt werden können. Die Zeichnung ist von Newtons
Vorwort IX
kunstfertiger Gattin bald nach seiner Rückkehr aus dem Süden angefertigt worden. Gern spreche ich auch hier der Besitzerin der Originalzeichnung, Frau Furneaux in Oxford, einer Schwester Frau Newtons, für die gütigst gewährte Erlaubnis zur Veröffent- lichung, sowie dem freundlichen Vermittler, meinem Freunde Herrn Sidney Colvin in London, meinen herzlichen Dank aus. Es möge gestattet sein, einige Worte aus Newtons Schreiben vom 2. Februar 1877, mit dem er der Straßburger Philosophischen Fakultät für den ihm verliehenen Doktorgrad dankte, mitzuteilen: »/^ isfrom Germany that I always sought that sound and thorough information on every branch of archaeological and philological study which no other coantry has produced in this generation; it is to Germany that I have always looked for encouragement and for appreciation of laboar which has occupied me for many years and which I now feel not to have been in vain.«
Straßburg, Februar 1908. AD. MICHAELIS
In neugriechischen Namen ist e (y)) und ei wie i, b wie w aus- zusprechen.
INHALT
Seite
I. Unsere Kenntnis antiker Kunstwerke bis zum Schlüsse des 18. Jahrhunderts 1
Kunstwerke im mittelalterlichen Rom. — Die Samm- lungen im 16., 17. und 18. Jahrhundert. — Zerstreuung römischer Antiken. — Das Kapitolinische Museum. — Winckelmann. — Herculaneum. Pästum. — Die Society of Dilettanti. Stuart und Revett. — Das Pioclemen- tinische Museum.
II. Die napoleonische Zeit 13
Die Entdeckung Ägyptens. — Pompeji. — Das Mus^e Napoldon.
III. Die Wiedergewinnung Griechenlands 26
Lord Elgin und britische Reisende. — Ägina und Bassä. — Das Britische Museum. — Sicilien. — Die Aphrodite von Melos. — Das befreite Griechenland.
IV. Die Grabstätten Etruriens und die antike Malerei 54
Die römischen Hyperboreer. Eduard Gerhard. — Wand- gemälde etruskischer Gräber. — Griechische Vasen. — Das Alexandermosaik und andere Einzelfunde. — Die Sammlung Campana. — Das Archäologische Institut. — Die Katakomben.
V. Entdeckungen im Osten 82
Ägypten. — Assyrien. — Lykien. — Charles Newton: Mausoleum, Knidos, Branchidä. Ephesos. — Napo- leon III.: Kleinasiatische Felsreliefs, Makedonien, Thasos.
— SüdruBland.
VI. Griechische Heiligtümer 106
Rückblick. Neue Ziele. — Samothrake, Kabirion. — Delos. — Olympia. — Dodona, Asklepieion, Amphiara- eion, Eleusis, Epidauros. — Kos, Tenos, Heräon, Ägina.
— PtoTon, Delphi. — Ergebnisse.
Inhalt XI
V». Antike Städte 153
Pompeji. — Pergamon. — Ägä, Assos, Neandreia, Lesbos, Smintheion, Myrina. — Magnesia, Priene, Milet, Samos. — Lykien, Pamphylien, Pisidien. — Ephesos.
— Thera, Lindos. — Ergebnisse.
VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit 200
Geometrischer Stil. — Prähistorische Forschung. — Heinrich Schliemann : Troja, Mykenä, Tiryns. — Home- rische Kunst. — Kreta.
IX. Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern . . 228
Griechenland: Ionische Vasen. — Tanagra. — Die Archäologische Gesellschaft in Athen. — Die Auf- deckung der Akropolis. — Andere griechische Fund- stätten. — Italien: Griechische Tempel. Altionische Skulpturen. — Altitalische Tempel. — Römische Funde.
— Pompeji, Boscoreale, Berthouville, Lauersfort, Hildesheim.
X. Einzelentdeckungen in den Außenländern .... 254
Ägypten, Abessinien. — Babylonien, Sendschirli, Palästina.
— Persien. — Gräber: Kypros, Sidon, Petra, Nemrud Dagh, Sardes, Gordion. — Baalbek. — Nordafrika, Spanien. — Die nördlichen Provinzen.
XI. Entdeckungen und Wissenschaft 288
Die ältere Archäologie. — Bedingungen einer neuen Betrachtungsweise. — Stilistische Analyse. — Beispiele neuer Ergebnisse: Skulptur, Malerei, Baukunst. — Schlu ßbetrachtung.
Chronologische Übersicht 334
Register 344
Vergleichung der Abbildungen in der 8. Auflage von Springer-Michaelis »Handbuch« mit denen der 7. und 6. Auflage 362
I
UNSERE KENNTNIS ANTIKER KUNSTWERKE
BIS ZUM SCHLÜSSE DES ACHTZEHNTEN
JAHRHUNDERTS
enn sich auch am Schlüsse des vergangenen Jahrhunderts die Gunst des weiteren Pubhkums, wenigstens in Deutsch- land, mehr und mehr den Altertumsstudien entfremdet hat, so trifft doch dieser Wandel des Interesses in geringerem Maße die Archäologie, da auf dem Gebiete der antiken Kunst Jahrzehnte hindurch eine bedeutende Entdeckung der anderen ge- folgt ist und auch weitere Kreise zu fesseln vermocht hat. In der Tat darf man die Archäologie zu den Eroberungswissenschaften des 19. Jahrhunderts zählen, denn nie vorher ist mit solchem Eifer und so zielbewußt dahin gestrebt worden der Erde ihre Schätze alter Kunst wieder abzugewinnen, und nie vorher hat ein so reicher und so mannigfacher Ertrag die Arbeit des Spatens belohnt. Die letzten Phasen dieser Tätigkeit stehen dem heutigen Geschlechte noch in lebendiger Erinnerung, aber es wäre unrecht darüber die Mühen und Erfolge früherer Generationen zu ver- gessen, die bis an den Anfang des Jahrhunderts zurückreichen. Diese ganze Forscherarbeit den Lesern vor Augen zu stellen ist der Zweck der folgenden Blätter. Es sollen darin wenn auch nicht alle, so doch alle erheblichen Entdeckungen des 19. Jahr- hunderts auf diesem Gebiet an ihren Platz gestellt werden. Aber nicht auf die Einzelentdeckungen soll das Hauptgewicht fallen, sondern es gilt den an ihrer Hand gemachten Fortschritt in unserer Kenntnis der gesamten antiken Kunst aufzuzeigen und klar zu machen, wie jede Entdeckung die Wissenschaft nicht bloß mit
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Fnideckungen. 1
2 I. Unsere Antikenkenntnis vor 1800
neuen Kenntnissen bereichert und gefördert, sondern auch ihr beständig neue Probleme gestellt hat.
Um den ebenso dem Umfang wie der Art des Stoffes nach völlig veränderten Zustand unserer Kenntnisse und Anschauungen, wie sie sich im Laufe des vorigen Jahrhunderts entwickelt haben, deutlich zu machen, wird es am geeignetsten sein kurz zu schildern, wie es damit bis zum Ausgange des 18. Jahrhunderts bestellt war. Wir müssen bis in die ersten Zeiten der Wiederentdeckung der antiken Kunst, bis in die Zeit der Renaissance zurückgehen. Dabei liegt es in den gegebenen Verhältnissen, daß zunächst Rom im Mittelpunkte der Betrachtung stehi
Aus den Überresten einer alten Beschreibung der Stadt Rom, die bis in Kaiser Konstantins Zeit zurückreicht, erfahren wir, daß bald nach Beginn des 4. Jahrhunderts, ehe Rom zugunsten Kon- stantinopels geplündert und in den Wirren und Nachwehen der Völkerwanderung wieder und wieder verwüstet ward, die Stadt noch eine schier unglaubliche Masse öffentlich aufgestellter Statuen besaß. Zwei Kolosse von ungewöhnlicher Größe (der eine maß 34 Meter) und 22 große Reiterstatuen werden aufgezählt, femer 80 vergoldete und 73 goldelfenbeinerne Götterbilder, dazu 3785 eherne Bildnisstatuen (die marmornen werden gar nicht einmal genannt) — wo bleiben da unsere Siegesalleen und unsere denk- malfreudigsten Städte! Wenn wir nun aber am Ausgange des Mittelalters, um die Mitte des 15. Jahrhunderts, einen Hauptver- treter der Renaissance, Poggio Bracciolini, befragen, so vernehmen wir die laute Klage, daß von allen den zahllosen Herrlichkeiten nur noch fünf Marmorstatuen, vier auf dem Monte Cavallo und 85 eine am Forum, und die eine eherne Reiterstatue übrig seien, in 853 der man damals meistens Konstantin, der gelehrte Poggio da- gegen richtig einen älteren römischen Kaiser (mit Unrecht freilich Septimius Severus statt Marcaureis) erblickte. Dazu kamen die gewahigen Baureste, die für die Renaissance vorbildlich werden 29 f. sollten, vor allem das Pantheon, das Colosseum und das Mar- 839
823
26 cellustheater, die mächtigen Gewölbe der Thermen Caracallas, 76i
Antiken im mittelalterlichen Rom 3
31 Diocletians und Konstantins, Reste von Tempeln, Säulen, Ehren- sss bögen usw.
In seinen Bauwerken zeigte sich das alte Rom noch immer von seiner großartigen Seite. Aber auch auf dem Gebiete der Plastik stand es nicht ganz so schlimm, wie wir nach Poggios etwas rhetorisch zugespitzten Klagen erwarten sollten. Gab es doch damals drei Orte in Rom, an denen sich antike Bildwerke angesammelt hatten, zum Teil Werke, die nie unter die dichte mittelalterliche Schuttdecke geraten waren.
Auf dem Quirinal standen noch auf ihrer spätantiken Basis die großen Marmorbilder der Dioskuren neben ihren Pferden, die dem Berge den Namen Monte Cavallo gaben. An sie und ihre inschriftlich bezeugten Urheber Phidias und Praxiteles hatte sich mittelalterliches Sagengespinst angesetzt, das auch einen Brunnen und eine von einer großen Schlange umwundene Frauenstatue mit umwob. An die Basis der beiden Kolosse aber war eine
86 Halle angeklebt, mit drei Statuen Konstantins und seiner Söhne geschmückt, die wahrscheinlich aus den benachbarten Thermen Konstantins stammten. Die Halle diente zum Rechtsprechen; hier wie anderswo brachte der Aberglaube Werke der Vorzeit, die man mit einer gewissen unheimlichen Scheu betrachtete, in Ver- bindung mit Gerichtsgebräuchen. Endlich gehörten auch zwei kolossale liegende Flußgötter, vermutlich Reste vom Schmuck einer großen Brunnenanlage Trajans (heutzutage schmücken sie die Treppe des Kapitolspalastes), zu dem Antikenbestande des Monte Cavallo; zugleich mit den Dioskuren zählten sie zu den Wahr- zeichen Roms, deren Andeutung auf den alten Stadtbildern oder Stadtplänen nicht leicht fehlt.
Eine Sammlung ganz anderer Art umgab den päpstlichen Palast am Lateran. Hier stand auf dem weiten, freien Platze
85 jenes eherne Reiterstandbild Marcaureis, in dem bald die Volks- 353 sage den Ritter oder den großen Bauer erblickte, der einst vor dem benachbarten Tor einen orientalischen Fürsten durch List gefangen genommen und dadurch Rom gerettet habe, bald deutete man den Reiter auf Konstantin, den Begründer des staatlichen Christentums. Auch dies Bildwerk war im 10. Jahrhundert Zeuge
'4 J« Unsere Antikenkenntnis vor 1800
gerichtlicher Vorgänge gewesen; einmal hatte man einen rebelli- schen Stadtobersten vor dem Pferd aufgehängt, ein andermal die Leiche eines Gegenpapstes daneben hingeworfen. Ebenso er- fahren wir, daß ein anderes lateranisches Erzwerk, die berühmte Wölfin, außen an einem Turm des Palastes aufgestellt, im Mittel- 339 alter eine gewöhnliche Gerichtsstätte bezeichnete; eine alte Ab- bildung stellt daher die Wölfin umgeben von zwei abgehauenen 39 Händen dar. Der Dornauszieher, der Opferdiener (Camillus), ein Kolossalkopf und eine Weltkugel vervollständigten die lateranische Sammlung von Erzwerken; vermutlich hatten sie alle, ohne unter die Erde zu geraten, die Zerstörungen des Mittelalters überdauert.
Auch das Kapitol besaß schon im Mittelalter seine Antiken- sammlung. Auf dem Kapitolsplatze, der damals der Stadt als Marktplatz diente, standen die Grabsteine der Gemahlin und eines Sohnes des Germanicus, die, aus dem Mausoleum Augusts her- vorgeholt, nunmehr mit ihrer Höhlung als städtische Normal- maße für Korn und Salz dienten. Auf der Treppe zum Kapitols- palast mit seinem großen Gerichtssaale bot die von Michelangelo bewunderte Gruppe des ein Pferd zerreißenden Löwen (heute im oberen Hofe des neuen kapitolinischen Museums aufgestellt) ein Symbol strafender Gerechtigkeit. Hier wurden die Todesurteile verkündet, die meistens auf dem nahen tarpejischen Felsen voll- streckt wurden; Cola di Rienzi fand 1354 seinen Tod unmittelbar an der Löwengruppe. Sarkophagreliefs säumten die große Treppe zur Kirche Araceli. Neben ihrem Seiteneingange stand ein Obe- lisk; unten am Forum lag der Flußgott, der als Marforio zu- sammen mit Pasquino später seine Rolle im römischen Volksleben spielen sollte.
So erinnerten diese drei hochgelegenen Plätze an die antike Skulptur. Einzelne Werke gab es auch sonst noch hie und da öffentlich aufgestellt oder in Kirchen geborgen; manche Straßen- namen erinnern noch heute an Antiken, denen sie ihren Ursprung verdanken. Aber freilich, was wollte das alles heißen gegenüber der ehemaligen Fülle!
Erst in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts erwachte in Rom der Sammeleifer, der in Florenz schon etwas früher,^
Roms Antiken im Mittelalter und im Cinquecento 5
wenn auch mit geringerem Erfolg, aufgekommen war. Die Über- weisung der lateranischen Erzwerke an das Kapitol durch Papst Sixtus IV. legte 1471 den Grund zu der dortigen Sammlung, die allmählich wuchs und namentlich den öffentlichen historischen Bildwerken des alten Rom Unterkunft bot, 1506 richtete Sixtus Neffe, Julius II., den Statuenhof im belvederischen Lusthause des 58 vatikanischen Palastes ein; die berühmten Meisterwerke, der Apoll, 520
71 der Laokoon, die Ariadne, wenig später Nil und Tiber, der Torso, 694 75 rückten hier den künstlerischen Gesichtspunkt in den Vordergrund.
Dem Beispiele der Päpste folgten zunächst die Kardinäle (Valle, Cesi, Grimani, Carpi usw.), später auch andere Große. Um den kostbaren Besitz zu mehren, wurden vielfach eigene Ausgrabungen angestellt; in den Caracallathermen traten zur Zeit Pauls III. die
72 große Stiergruppe und der kolossale ausruhende Herakles ans 693 Licht und kamen in den Besitz der päpstlichen Familie Farnese. Julius III. war der letzte Papst, der seinen humanistisch-antiquarischen Neigungen in der Villa Papagiulio ein Denkmal setzte. Dann trat die kirchliche Reaktion ein. Der belvederische Statuenhof ward geschlossen. Seltener fanden sich Kardinäle, die, wie Ferdinando de' Medici, Ippolito d'Este, der Kardinal Montalto (Sixtus V.), ihre Villen zu Schatzkästen antiker Kunst ausgestalteten (der Mediceer
60 erwarb unter anderem die Niobegruppe). Dafür erwachte in bürger- sis liehen Kreisen der Wetteifer; verschiedene Mitglieder der Familie Mattei ragen darunter hervor. Aber nicht bloß in großen Samm- lungen fanden sich die Antiken zusammen, sondern ein großer Teil der immer frischen Ausbeute des Bodens verteilte sich in dekorativer Verwendung durch die Stadt: Fassaden, Höfe, Treppen, Galerien, Säle, Brunnen schmückten sich mit Statuen, Büsten, Reliefs, Sarkophagen, die durch die Art, wie sie angebracht waren, sich der zeitgenössischen Kunst anschmiegten und so erneutes Leben gewannen.
Auch das 17. Jahrhundert ist noch eine Zeit eifrigen Suchens und Sammeins. Bleibt auch der belvederische Statuenhof nach wie vor in einen Dornröschenschlaf versunken, seine kostbaren Statuen hinter hölzernen Stalltüren verborgen, so entbehrt doch keine Papstregierung der Sammellust eines Kardinalnepoten, und
6 I. Unsere Antikenkenntnis vor 1800
in ununterbrochener Folge füllen sich die Paläste und Villen der Aldobrandini, Borghese, Ludovisi, Barberini, Pamfili, Chigi usw. mit Antiken. Über welche Einflüsse ein Kardinalnepot verfügte, davon gibt Kardinal Ludovico Ludovisi ein erstaunliches Beispiel, indem er binnen Jahresfrist (1622/23) eine Sammlung von mehr als 300 Antiken zu bilden wußte — und was für eine Samm- lung! Vielleicht die vornehmste, die Rom je gesehen hat, die 70 griechische Originalwerke wie den sterbenden Gallier und die 677 zugehörige Galliergruppe umfaßte! Es war schwer, mit den all- 678 mächtigen Papstfamilien zu wetteifern, und doch gelang es bei- spielsweise den Giustiniani aus Genua, binnen kurzer Zeit drei bedeutende Sammlungen anzulegen, in ihrem städtischen Palaste beim Pantheon und in ihren beiden Villen am Lateran und vor Porta del Popolo. Auch gründete Papst Innocenz X., dessen Züge Velasquez in seinem meisterhaften Bilde festgehalten hat, um die Mitte des Jahrhunderts das neue kapitolinische Museum, und der gelehrte Jesuitenpater Athanasius Kircher aus Fulda legte den Grund zu der kostbaren Sammlung italischer Altertümer im Palaste seines Ordens, dem Collegium Romanum.
So hatten sich zwei Jahrhunderte lang ungezähhe Antiken in Rom angesammelt, während von Funden außerhalb Roms wenig verlautet. Im Gegenteil hatte Rom schon früh angefangen von seinen Schätzen nach auswärts zu spenden. Venedig, Paris und Madrid, München und Prag waren in den Besitz römischer Antiken gelangt; auch hatte Florenz bereits damit begonnen die berühmtesten Statuen der Villa Medici an den Arno herüberzuholen. Aber mit ganz neuem Nachdruck setzte diese zentrifugale Bewegung im 18. Jahrhundert ein. Die römischen Familien verarmten mehr und mehr und schätzten die ererbten Antiken als ein Mittel ihre Finanzen zu verbessern. Die Giustiniani begannen, Chigi und Albani folgten. Zunächst bildeten die Höfe von Madrid und Dresden die Käufer, bald aber traten vor allen reiche Engländer auf den Plan und legten durch Vermittelung von Kunsthändlern den Grund zu größeren oder kleineren Sammlungen, die auf den Landsitzen Großbritanniens sich der Kenntnis und Benutzung der Kunstfreunde entzogen. Andere Schätze folgten ihren Besitzern
Roms Antiken im Iß. und 17. Jahrhundert. Winckelmann 7
ins Ausland; die farnesischen Antiken siedelten nach Neapel, die Masse der mediceischen nach Florenz über. So ward freilich die Anschauung antiker Bildwerke über den Bereich Roms hinaus verbreitet, Rom selbst aber lief Gefahr seine alte Alleinherrschaft auf diesem Gebiete zu verlieren. Dieser Gefahr vorzubeugen sollte die neue Ausgestaltung und Bereicherung des kapitolinischen Museums dienen, das im Jahre 1734 neueröffnet ward, vorzugs- weise das Werk zweier Päpste, Clemens XII. und Benedicts XIV., und ihrer energischen Ratgeber. Ihm schloß sich ein Menschen- alter später die einzige private Neuschöpfung dieses Jahrhunderts an, die Villa des Kardinals Albani, mit ihren ebenso auserlesenen wie geschmackvoll über alle Räume verteilten antiken Bildwerken. Das war im großen ganzen der Antikenbesitz, über den Winckelmann verfügte, als er um die Mitte des 18. Jahrhunderts nach Rom kam und den bisher ungeordneten Stoff zu seiner Kunstgeschichte zusammenfügte. Die römischen Sammlungen boten ihm fast das ganze Material. Aber was war es, das sie enthielten? Einige wenige Originalwerke aus spätgriechischer Zeit,
70 wie die Galliergruppen und den Laokoon; eine Reihe charak- 677 teristischer Reliefs, Statuen und Büsten aus der römischen Kaiser- zeit — alles andere waren keine Originale, sondern römische Kopien griechischer Werke aus den verschiedensten Epochen, zum großen Teil Arbeiten geringer Kunsthandwerker, aus denen Charakter und Reiz der zugrunde liegenden Originale nur schwer zu entnehmen waren. Selbst so berühmte Werke wie der bel-
58 vederische Apollon hoben sich doch nur durch den Grad der 520 Güte der Nachbildung aus der Masse hervor. Und all das war zerstreut über die verschiedenartigsten Aufbewahrungsorte, oft in wahren Schlupfwinkeln verborgen, so daß eine vergleichende Betrachtung überaus erschwert war. Auch die Nachrichten der alten Schriftsteller über antike Kunst lagen nirgend geordnet vor, sondern mußten ebenfalls erst aus allen Ecken zusammengesucht werden; nur für die Künstler selbst gab es einen Künstlerkatalog von Junius. Bedenkt man dies alles, so treten alle Unvollkommen- heiten in Winckelmanns Kunstgeschichte zurück vor der staunen- den Bewunderung, daß es dem Feuereifer, dem eindringenden
8 I. Unsere Antikenkenntnis -vor 1800
Kunstverständnis und der aus dem bunten Schein und aller Entstellung zum inneren Sein und zu dessen geschichtlichem Zusammenhange hindurchdringenden Sehergabe des märkischen Schustersohnes binnen weniger Jahre gelang, seinen Bau aus solchem Material haltbar und auf längere Zeit ausreichend auf- zuführen.
Indessen an zwei Stellen hatte doch Winckelmann über den römischen Gesichtskreis hinausblicken können. Im königlichen Palaste zu Portici wurden in ängstlicher und eifersüchtiger Hut die Schätze aufbewahrt, die der Boden von Herculaneum ge- spendet hatte. Bekanntlich war den ersten Nachgrabungen im
81 Jahre 1711, denen die »Herculanerinnen« in Dresden entstammen, 804 bald ein Verbot gefolgt diesen Spuren weiter nachzugehen. Erst im Jahre 1738 nahm die Regierung selbst die Ausgrabungen wieder auf und setzte sie nun über ein Viertel Jahrhundert, bis 1766, fort. Den Glanzpunkt bezeichnete um 1753 die Aufdeckung der Villa dei papiri, in der nicht bloß die Bibliothek des für epikureische Philosophie interessierten Besitzers, sondern auch etwa hundert Werke der Plastik zum Vorschein kamen, neben Marmor- werken namentlich eherne Statuen und Büsten. Handelte es sich auch hier wiederum nur um Kopien älterer Werke, so bot doch die bisher nirgends geschaute Menge von Erzbildem einen ganz neuen Eindruck und wies nachdrücklich darauf hin, wie unvoll- kommen das Erz der Originale in den üblichen Marmorkopien zu seinem Rechte kommt. Außerdem aber eröffnete die Fülle antiken Erzgerätes einen Einblick in die reiche Formenschönheit, mit der das antike Kunsthandwerk das ganze Leben einer alten Stadt, selbst einer Provinzialstadt zweiten oder dritten Ranges, ge- schmückt hatte. Nicht minder erschlossen die Malereien der Wände, die rein dekorativen sowohl wie die größeren Gemälde, der Forschung ein ganz neues Feld. Denn wie weniges der Art bot Rom: einige verloschene Reste in den sogenannten Titus- 8i6ii7 thermen (richtiger dem Goldenen Hause Neros) und die soge-
95 nannte aldobrandinische Hochzeit! Somit gewährten die Alter- ix
Herculaneum. Pästum. Griechenland 9
tümer von Herculaneum nach verschiedenen Seiten Eindrücke und Aufschlüsse, welche den engen Kreis römischer Anschauungen ganz wesentlich erweiterten. Ein großes Kupferwerk machte diese neue Welt bald weiten Kreisen zugänglich. Eines freilich hatte Herculaneum nicht bieten können, das zusammenhängende Bild einer antiken Stadt. Dazu war die zu Stein verhärtete Aschen- decke zu dicht; sie erlaubte nur hie und da ein einzelnes Stück der alten Stadt in der Tiefe zu untersuchen und seine Schätze wie aus einem Bergwerk ans Licht zu fördern.
Über Neapel hinaus hatte Winckelmann noch einen Schritt 12 weiter gen Süden getan, nach Pästum mit seinen alten Tempeln, 250/51
331
das erst kurz zuvor entdeckt worden war, so offen es auch vor Aller Augen lag. Hier hatte er sich das erste und einzige Mal in seinem Leben auf griechischem Boden befunden, griechische Architektur geschaut Mit der Klarheit seines Blickes und der Wärme seines Empfindens hatte er die Orundverschiedenheit griechischer und römischer Baukunst alsbald erfaßt, und was er hier auf einem Gebiete griechischer Kunst erkannt hatte, das hellte ihm auch andere Seiten derselben Kunst auf. Zum erstenmale hielten die ernsten, einfach großen Gebilde der älteren griechischen Kunst ihren Einzug in den Bereich geschichtlicher Kunstbetrach- tung. Wir erkennen in Goethes italienischer Reise, wo er Pästum besucht, den gleichen überwältigenden Eindruck einer Erscheinung wie aus einer anderen, bisher nur geahnten Welt; vollends in Sicilien, das Winckelmann nicht besucht hat, fühlte sich Goethe ganz griechisch, ganz homerisch angeregt.
Indessen war die griechische Kunstwelt schon damals nicht ganz unerschlossen. Eben um die Mitte des Jahrhunderts be- gannen Kleinasien und Griechenland in den Gesichtskreis der gebildeten Welt zu treten. Beidemale war es England, von wo die Erkundung ausging. Dort hatte schon zur Zeit Karls L Lord Arundel seinen Blick auf Griechenland gerichtet, und findige Agenten waren für ihn tätig gewesen um griechische Skulpturen für seine Sammlung zu erwerben, die dann ungünstige Schick- sale erlebte, bis sie schließlich zum größten Teil sich in Oxford wieder zusammenfand. Etwa hundert Jahre später ward 1733 in
10 I. Unsere Antikenkenntnis vor 1800
London von vornehmen Herren die Society of dilettanti ge- gründet, zunächst um gemeinsame Erinnerungen an Italien und die übrigen Länder des üblichen grand tour zu pflegen, bald aber auch um ihre Unterstützung ernsteren Unternehmungen zu- zuwenden. Zu den Kreisen der Dilettanti gehörten fast alle jene Sammler, die in Rom einen großen Teil der antiken Kunstwerke aufkauften um ihre englischen Landsitze damit zu schmücken. Zu den Dilettanti gehörten aber auch James Dawkins und Robert Wood, die um die Mitte des Jahrhunderts zuerst die Ruinen von Palmyra und Baalbek, jene großartigen Schöpfungen sss/s orientalisch-römischer Baukunst im 2. und 3. Jahrhundert nach Christo, der kunstsinnigen und wissenschaftlichen Welt zugänglich machten.
Wichtiger noch ward eine andere Expedition, die um die gleiche Zeit von England ausging um Athen wiederzugewinnen. Athen war während des ganzen Mittelalters fast verschollen ge- wesen. Der Besuch des Marquis de Nointel, des französischen Botschafters bei der Hohen Pforte, im Jahre 1674, dem wir die 44 fälschlich unter dem Namen Carreys bekannten Zeichnungen ver- 399 danken, und die Reise des Lyoner Arztes Jakob Spon und seines Gefährten George Wheler im Jahre 1676 hatten gerade noch rechtzeitig stattgefunden, um uns manche Kunde aufzubewahren, die sonst mit dem unglückseligen Bombardement der Akropolis durch Morosinis Truppen im Jahre 1687 ganz verloren gegangen wäre. Wieder war Athen ganz in das Dunkel zurückgetreten, bis 1751 der Maler James Stuart und der Architekt Nicholas Revett dorthin kamen um die bisher nie ordentlich erforschten Reste der Baukunst und Skulptur in dreijähriger Arbeit zu ver- messen und abzuzeichnen. Damals stand noch manches aufrecht, was seitdem verschwunden ist (z. B. der ionische Tempel am 220 Ilissos, das Monument des Thrasyllos an der Akropolis); anderes war besser erhalten als heute. Stuarts und Revetts athenische Unternehmung war der ergebnisreichste und wichtigste aller bis- herigen Entdeckungszüge; sie würde aber ganz anders gewirkt haben, hätte sich nicht die Herausgabe des großen Werkes der Antiquities of Athens so überaus lange hinausgezögert: von den
Athen und lonien. Das vatikanische Museum 1 1
beiden Athen behandelnden Bänden erschien der eine erst 1790, der andere gar erst 1816. Kein Wunder, wenn die Dilettanti, die die Herausgabe unterstützten, ungeduldig wurden und 1764 auf ihre Kosten eine »ionische« Expedition entsandten, der außer Revett der Gelehrte Richard Chandler und der vortreffliche Zeichner William Pars angehörten. Ihr verdanken wir außer einer athe- nischen Nachlese die erstai Aufnahmen von Tempelresten an der ionischen Küste Kleinasiens (in Samos, Priene, bei Milet), eine bedeutente Erweiterung unserer Kenntnis der ionischen Baukunst. Auch die dorischen Tempelruinen auf Ägina und auf Kap Sunion traten ans Licht. So ergänzten die Anüquities of lonia in er- wünschtester Weise das ältere Werk, und indem ihre beiden Bände verhältnismäßig rasch erschienen (1769 und 1797), ver- dunkelten sie fast das Interesse an jenem.
Winckelmann, dem früh Geschiedenen, war es nicht vergönnt gewesen einen Blick in das gelobte Land griechischer Kunst, wie es sich hier durch englische Tatkraft aufgetan hatte, zu werfen. Aber sein Ansehen war so überwältigend, daß die nächsten Gene- rationen lieber bei ihm stehen blieben, als daß sie sich die neu gewonnenen Anschauungen zunutze gemacht hätten. Winckel- manns Kunstgeschichte blieb auf lange Zeit der Kanon für die Kenntnis und die Beurteilung der griechischen Kunst, so deutlich das Werk auch seinen Ursprung auf italienischem Boden, seine Beschränkung infolge des benutzten, fast ausschließlich römischen Materials zu erkennen gab. Aber wie viele waren es denn, deren Blick damals weiter reichte? Vollends gewann der römische Geist noch einmal völliges Übergewicht in der Bildung des vati- kanischen Museums durch die beiden Päpste Clemens XIV. und Pius VI. Das »pioclementinische« Museum war eine glän- zende Erweiterung des alten belvederischen Statuenhofes. Das beste, was sich in Rom und Umgebung durch Kauf, Schenkung, Ausgrabungen erwerben ließ, sammelte sich in den Prachtsälen, deren Bau mit der Bereicherung des Inhalts gleichen Schritt hielt. 1770 begonnen, erreichte das Museum seinen Abschluß im Jahre
12 I- Unsere Antikenkenntnis vor 1800
1792, wo der erste Katalog erschien. Der bedeutendste Archäolog Italiens, Ennio Quirino Visconti, besorgte das Prachtwerk, das mit päpstlicher Munifizenz hergestellt ward. Es nahm für die Er- klärung der antiken Skulpturen etwa dieselbe Stelle ein, wie Winckelmanns Lebenswerk für die Kunstgeschichte. So schien das vatikanische Museum den glänzenden Abschluß der auf italienische Quellen gegründeten Archäologie bilden zu sollen. Diesen Platz behauptet es bis auf den heutigen Tag; wenn es beim weiteren Publikum vielfach auch jetzt noch als das vor- nehmste aller Antikenmuseen gilt, so beweist das nur, wie zähe noch immer die Winckelmannsche Tradition im stillen nachwirkt.
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II
DIE NAPOLEONISCHE ZEIT
m die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts gewann der Mann, der jenen Jahrzehnten überhaupt seinen Stempel auf- drückte, auch bedeutenden Einfluß auf die Archäologie, so daß wir auch hier von einer napoleonischen Zeit sprechen können. Der Einfluß äußerte sich in drei Richtungen, durch die wissen- schaftliche Aufschließung Ägyptens, durch Ausgrabungen in Pom- peji und durch die Gründung des Musee Napoleon.
Ägypten war in früherer Zeit nur von wenigen Reisenden aufgesucht worden, unter denen Richard Pococke (1737 — 38) hervorragt. Was man von ägyptischer Kunst kannte, das waren einzelne Statuen, die namentlich in Rom zum Vorschein gekommen waren und auf dem Kapitol ihr Unterkommen gefunden hatten: die prächtigen Löwen, die ältere Besucher Roms noch als Schmuck der Kapitolstreppe gekannt haben, einige Ptolemäer, aber auch eine Statue der Mutter Ramses IL, aus der Glanzzeit des Neuen Reiches. Dazu eine Anzahl Reliefs, zahlreiche Skarabäen, endlich einige Obelisken mit ihren Hieroglyphen — das waren etwa die Materialien, aus denen Winckelmann seine Würdigung der Kunst der Ägypter hatte schöpfen können. Die Obelisken fanden dem- nächst ihren kundigen Bearbeiter in dem tiefgründigsten Gelehrten der nachwinckelmannschen Generation, Georg Zoega, einem gleich Winckelmann nach Rom verschlagenen Sohne des Nordens. Sein schwergelehrtes Buch über die Obelisken bot zum erstenmal eine stilistisch genaue Wiedergabe der Hieroglyphen, die es er-
14 n. Die napoleonische Zeit
laubte bedeutende zeitliche Unterschiede festzustellen; so gelang Zoega der Nachweis, daß die Hieroglyphenschrift nicht, wie man bis dahin glaubte, mit der persischen Eroberung Ägyptens auf- gehört habe. Ferner unterschied Zoega bildliche und lautliche Zeichen und stellte damit eine der Haupteigentümlichkeiten ägyp- tischer Schrift fest. Endlich bestätigte er die Beobachtung Bar- thelemys, daß die sogenannten Kartuschen, eine Art linearer Umrahmung von oblonger Form, Königsnamen umschlössen — bekanntlich der Ausgangspunkt für Champollions Entzifferung der Hieroglyphenschrift. Die Ägyptologie war hierdurch und durch Zoegas Untersuchungen über das Koptische, die jüngste Entwickelungsstufe der altägyptischen Sprache, so weit gefördert worden, wie es ohne eine ausgedehntere Kenntnis der Monumente selbst erreichbar schien.
Zoegas Werk erschien 1797, um dieselbe Zeit, wo der acht- undzwanzigjährige Bonaparte seinen Siegeszug durch Oberitalien mit dem Frieden von Campo Formio beendigte, um dann in aller Heimlichkeit seinen Zug nach Ägypten vorzubereiten, der gegen Englands indisches Reich gerichtet war. Bekanntlich ge- sellte der junge General seiner kriegerischen Expedition eine Anzahl von Männern der Wissenschaft bei, die das Wunderland des Nils nach allen Seiten, Natur, Kunst und Leben umfassend, erforschen sollte. Zum erstenmale seit Alexander dem Großen ward hier ein Feldzug zugleich zu einem Eroberungszuge für die Wissenschaft gemacht. Am 19. Mai 1798 brach Bonaparte von Toulon auf. Von Civitavecchia stieß der nur wenig ältere Desaix zu ihm. Am 1. Juli gelang es ihnen, den Nachstellungen der englischen Flotte zum Trotz, in Alexandrien zu landen, und die Armee drang nunmehr in raschem Zug am Rande der Wüste bis Gise vor, wo sie am 21. Juli unter Bonapartes Führung den berühmten Sieg über die Mameluken am Fuße der Pyramiden erfochi Am folgenden Tage zog die Armee in Kairo ein; zehn Tage später sah sie sich durch Nelsons Vernichtung der fran- zösischen Flotte bei Abukir (1. August) von der Heimat abge- schnitten. Nichtsdestoweniger ward in Kairo alsbald das Ägyp- tische Institut gegründet, das die wissenschaftliche Erforschung
Der Zug nach Ägypten 15
des Landes in die Hand nehmen sollte. Zu seinen bedeutendsten Mitgliedern zählten Dolomieu, der Mineraloge, und Denon.
Dominique Vivant Denon, damals 51 Jahre alt und daher den Leitern des Feldzuges an Alter erheblich überlegen, stand ihnen an Unermüdlichkeit und Energie nicht nach. Er war kein Gelehrter, sondern ein Künstler. Ein bewegtes Leben hatte ihn, zum Teil in diplomatischer Tätigkeit, zu Friedrich dem Großen, zu Voltaire in Ferney, zu Katharina IL und an den Hof von Neapel geführt; der ehemalige Günstling der Frau von Pompadour war schließlich zu Robespierre, sodann zu Bonapartes Gemahlin Josephine in Beziehung getreten. Er war ganz der geeignete Mann für einen künstlerischen Streifzug im Gefolge des Heeres. Kaum in Kairo angelangt, treibt es ihn hinaus zu den Pyramiden. Die Nacht bringt er in Gise zu; am anderen Morgen eilt er zur Pyramide des Cheops und dringt in ihr Inneres ein. Der nahe 43 große Sphinx regt ihn sofort zur Stilbetrachtung an. Als ge- 43 wandter Zeichner bringt er alle Eindrücke hier wie auf der ganzen Reise flugs aufs Papier.
Bonaparte wies Denon der Armee von Desaix zu, bei dem Denon einem lebhaften Kunstinteresse begegnete. Desaix erhielt die Aufgabe Murad Bey und seine Truppen den Nil hinauf zu verfolgen, Denons Reisebeschreibung gewährt uns ein lebendiges Bild des abenteuerlichen Zuges. Denon, immer zu Pferd, be- währt sich als unermüdlichen Zeichner. Bald unterbrechen ihn Scharmützel mit den Mameluken, bald studiert er die alten Bau- reste; bald reizt das Stimmungsvolle der Landschaft seinen Griffel, bald fesseln ihn die fremdartigen Szenen des Volkslebens; dann wieder vertieft er sich in das Studium der Hieroglyphen. In Sakkära bietet die in Stufen ansteigende Pyramide etwas Neues. 41 Ein etwas längerer Halt in Dendera gibt die Möglichkeit die dortigen bedeutenden Reste aus der Spätzeit etwas genauer zu betrachten. Der kleine Hathortempel , wohlerhalten, aber halb 65 verschüttet; der größere Tempel, stärker zerstört, aber reich an Schmuck; der berühmte Tierkreis — alle diese Herrlichkeiten er- schlossen sich zuerst Denons künstlerischem Blick. Die aus- gedehnte Ruinenstätte Thebens konnte nur flüchtig in Augenschein
15 n. Die napoleonische Zeit
genommen werden, weil ernsthaftere Kämpfe den Aufenthalt störten; doch zogen die Reste eines Ramseskolosses, drei Meter hoch, Denons Aufmerksamkeit auf sich. In Edfu gewährte der Horostempel den ersten Einblick in eine vollständige Tempelanlage, 648 wenn auch wiederum erst aus ptolemäischer Zeit. So ging der Zug flußaufwärts bis nach Assuan (Syene) und dem ersten Katarakt. In Elephantine stand noch die mit Pfeilern umgebene reizvolle Kapelle Amenophis III.; ihre Kenntnis verdanken wir, da sie 1822 n abgebrochen worden ist, ausschließlich der französischen Expedition. Ihren äußersten Punkt erreichte diese an der Nilinsel Philä, 878 die ebenso durch ihre Lage wie durch ihre Baureste einen glän- zenden Abschluß des Zuges darbot Eine Inschrift vom 3. März 1799 verewigte das Ereignis. Dann ging die Rückfahrt auf dem Nil abwärts, auch jetzt noch immer von Gefechten unterbrochen. Nur im hunderttorigen Theben ward ein längerer Halt gemacht, und die weitzerstreuten Reste der alten Hauptstadt konnten ein wenig eingehender gemustert werden. Natürlich bildeten die schon im Altertum berühmten Memnonskolosse, in denen Denon ss die Bilder ägyptischer Prinzessinnen erkennen wollte, einen Haupt- gegenstand des Interesses.
So verlief dieser erste wissenschaftliche Vorstoß in das Innere des Pharaonenreiches. In Kairo entfaltete das Institut mehrere Jahre hindurch eine rege Tätigkeit, bei der Gelehrte, Offiziere, Ingenieure zusammen arbeiteten um reichen Stoff zu sammeln. Auch von Altertümern ward zur Stelle gebracht was sich ohne große Schwierigkeit erwerben ließ. Denn Ausgrabungen wurden überhaupt nicht angestellt; Beobachtung und Sammeltätigkeit mußten sich also auf diesem Gebiete an das halten, was offen dalag oder was durch Zufall ans Licht gebracht ward, wie z. B. die bei Befestigungsarbeiten aufgedeckte dreisprachige Inschrift von Rosette, die durch die Wiedergabe des gleichen Textes in hieroglyphischer, demotischer und griechischer Schrift so wesent- lich zur Entzifferung der ägyptischen Sprachdenkmäler beitragen sollte. Sonst umfaßte die Altertümersammlung siebenundzwanzig Bildwerke, meistens Bruchstücke von Statuen, aber auch einige Sarkophage. Das Schicksal der Sammlung war eigentümlich.
Ergebnisse des Zuges nach Ägypten 17
Nachdem Bonaparte schon im Oktober 1799 nach Frankreich zurückgekehrt und sein Nachfolger Kleber am 14. Juni 1800 durch Meuchelmord gefallen war, sahen sich die Franzosen im Jahre 1801 gezwungen Ägypten zu räumen. Zu den nur mit großem Widerstreben zugestandenen Kapitulationsbedingungen gehörte auch die Auslieferung der gesammelten Altertümer an England; statt in Paris fanden sie also im Britischen Museum ihren Platz. Aber die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Forschungen verblieben den Franzosen. Eine Redaktionskommission in Paris besorgte in langjähriger Arbeit die Abfassung und Herausgabe der bändereichen Description de l'Egypte, des auf lange hinaus grundlegenden Werkes für die Kunde des Nillandes. In den dem Altertum gewidmeten Bänden trat zuerst die bisher unbe- kannte ägyptische Architektur in ihrer Großartigkeit und Ein- fachheit ans Licht; die Skulptur und die Malerei erschienen als ergänzende Künste im Dienste der Baukunst. Die Perioden der ägyptischen Kunst waren noch nicht geschieden; was die Ab- bildungen brachten, gehörte fast ausnahmslos der Spätzeit an. Indessen hatte doch Denon beispielsweise drei Arten von Hiero- glyphen (vertieft, flach erhaben, en creux) richtig unterschieden, wenn er sie auch chronologisch falsch anordnete. Das Haupt- ergebnis der dreijährigen Expedition war und blieb die An- schauung ägyptischer Kunst auf dem Grunde ägyptischer Natur; eine wirklich geschichtliche Auffassung blieb späteren Zeiten vorbehalten.
Das zweite Verdienst erwarb sich die napoleonische Zeit um die Aufdeckung Pompejis. Hier war es nicht Napoleon selbst, der den Anstoß gab, sondern andere Mitglieder seiner Familie, besonders seine Lieblingsschwester, die ebenso schöne und ge- scheite wie herrschsüchtige Caroline.
Die Ausgrabungen in Herculaneum (S. 8), die wegen der Dicke und Härte der bedeckenden Bimstein- und Aschenschicht fast unübersteiglichen Hindernissen begegnet waren, hatte man seit 1766 eingestellt. An Herculaneums Stelle war Pompeji ge-
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 2
13 n. Die napoleonische Zeit
treten, auf dessen Trümmer man im Jahre 1748 durch Zufall gestoßen war. Bekanntlich ist die Schuttdecke in Pompeji viel weniger tief. Zuerst freilich waren es nur lässig betriebene Ver- suchsgrabungen gewesen, im Südosten beim Amphitheater und im Nordwesten in den Resten einer Villa, die natürlich für die Villa Ciceros erklärt ward, da man aus dessen Briefen wußte, daß er in Pompeji einen Landsitz besessen hat Erst in den sechziger Jahren, nach endgültiger Aufgabe HercularLeums, war etwas mehr Ernst gemacht worden. Damals^ ward der Spaten im Südwesten der Stadt angesetzt und das Theaterviertel frei- 21 gelegt: die beiden Theater und das dreieckige Forum mit seinem altertümlichen Tempelrest, die Kapellen der Isis und des ver- meintlichen Äsculap (Zeus Milichios). Dazu kam neben der »Villa Ciceros« die zweite große Villa zum Vorschein, die auf den Namen des Arrius Diomedes getauft ward, ein vorbildliches Beispiel einer städtischen Villa oder Oartenwohnung. So ging es langsam und bedächtig dreißig Jahre lang; vier, acht, höchstens dreißig Arbeiter waren dabei angestellt. Als Kaiser Joseph II. im Jahre 1769 die Ausgrabungen besuchte, äußerte er sich sehr unverhohlen über die neapolitanische Lässigkeit, ohne daß dieser Tadel eine Wirkung gehabt hätte. Dazu kam die üble Gewohn- heit, daß man anfangs alle ausgegrabenen Häuser, wenn man sie ihres wegnehmbaren Schmuckes beraubt hatte, wieder verschüttete. Aber auch als dies aufhörte, hatten die Grabungen doch wesent- lich das Gepräge des Raubbaues. Gegen die Architektur, gegen das Ganze des Gefundenen, war man gleichgültig; nur was für das Museum brauchbar war, fand Interesse. So wurden die Gemälde ausgesägt, die Erzgeräte und kleineren Fundstücke fortgeschafft, die leeren Wände und ihre Dekoration dagegen dem Verfall überlassen. Im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts brachten vollends die politischen Verhältnisse alle Arbeiten ins Stocken.
So stand es in Pompeji, als am Schluß des Jahres 1798 der König von Neapel nach Palermo übersiedelte und in Neapel alsbald die parthenopäische Republik gegründet ward, unter Leitung des französischen Generals Championnet. Dieser in-
Ausgrabungen in Pompeji 19
teressierte sich persönlich für die pompejanischen Ausgrabungen; ein paar damals aufgedeckte Häuser am Südrand in der Theater- gegend, die in mehreren Stockwerken den steilen Südabhang Pompejis überragen, tragen noch heute seinen Namen. Die Rückkehr der Borbonen brachte freilich eine kurze Unterbrechung, aber 1806 setzte Napoleon seinen ältesten Bruder Joseph, den unbedeutendsten und gleichgültigsten der Brüder, als König von Neapel ein. , Dem König selbst lagen wissenschaftliche Interessen fern, reger waren ^sie bei seinem Minister Miot. Dieser veran- laßte denn auch 1807 den tüchtigen neapolitanischen Gelehrten Michele Arditi einen neuen Plan für die Ausgrabungen zu ent- werfen. Danach sollte zunächst das ganze Stadtgebiet Pompejis vom Staat erworben, sodann die Aufdeckung von zwei Punkten im Nordwesten aus nach einheitlichem Plane, nicht mehr wie bisher sprungweise, bald hier bald da, durchgeführt werden. Endlich sollten größere Mittel bereitgestellt werden, 500 Dukaten im Monat (jährlich 18000 Mark), damit eine größere Zahl von Arbeitern, 150, regelmäßig angestellt werden könnte. Mit diesem Plan war eine feste Grundlage für die weitere Arbeit gewonnen.
Eine bedeutende Förderung erfuhren diese Pläne, als im Jahre 1808 dem auf Spaniens Thron versetzten Joseph Bonaparte sein Schwager Joachim Murat als König von Neapel folgte und dessen Gemahlin, Königin Caroline, ein reges Interesse für die pompejanischen Ausgrabungen faßte. Sie bewährte dies durch häufiges persönliches Erscheinen in Pompeji, das anspornend auf den Gang der Arbeiten wirkte; oft brachte sie ganze Tage im vollen Sonnenbrande bei den Ausgrabungen zu, feuerte mit Wort und Wink die trägen Arbeiter an und sparte bei günstigem Er- folge nicht mit Belohnungen. Ferner wurden die Mittel derart gesteigert, daß bis mehr als 600 Arbeiter zugleich tätig sein konnten. So ward zunächst die Gräberstraße fast vollständig freigelegt: ein geschlossenes ernstes Bild, das noch heute seines tiefen Eindruckes auf jeden Besucher sicher ist. Nicht minder bedeutsam war die Aufdeckung des Forums. Zum erstenmal trat hier die Gesamtanlage eines antiken Stadtmarktes in erkennbaren
20 H- Die napoleonische Zeit
Umrissen zutage: der Markt geschlossen, für Wagenverkehr unzugänglich, von Säulenhallen rings umgeben, mit Denkmälern 24 angefüllt; der große Tempel im Hintergrunde; hinter den Hallen 24 allerseits andere Tempel oder öffentliche Gebäude, unter denen die überaus stattliche Basilika hervorragte. So belohnten be- sog deutende Ergebnisse die größeren Anstrengungen. Die Königin hielt auch mit eigenen Zuschüssen nicht zurück; den französischen Architekten Fr. Mazois, der in jenen Jahren sein großes grund- legendes Werk über Pompeji vorbereitete, unterstützte sie mit 15000 Francs. Für die Besuche der hohen Herrschaften wurden schon damals bestimmte Ausgrabungen im voraus sorgsam vor- bereitet. Noch im Herbst 1814, als schon der Kongreß in Wien tagte, ward der Besuch der Königin erwartet, freilich vergebens. Im April 1815 erschien noch der Prinz Achille mit dem mittler- weile bereits entthronten Könige von Westfalen; im Juni zog König Ferdinand wieder in Neapel ein. Die borbonische Regierung setzte zunächst das Werk fort, und das greifbare Ergebnis war die Verbindung zwischen den beiden Ausgrabungsgruppen an der Gräberstraße und dem Forum. Der hübsche Tempel der Fortuna Augusta und die Bäderanlage unweit des Forums, eine lebendige Illustration unserer Kunde vom antiken Badewesen, boten Glanzpunkte dieser Bemühungen. Aber nur allzubald riß der natürliche neapolitanische Schlendrian wieder ein und Pom- peji versank von neuem in tiefen Schlaf.
Was in der französischen Zeit gewonnen war, ist immerhin erheblich genug: der Einblick in eine römische Provinzialstadt mit einigen Mittelpunkten ihres Verkehrs und mit dem geschmack- vollen Reichtum ihrer künstlerischen Ausstattung. Hatte sich auch Herculaneum im ganzen als wohlhabender, in der Qualität seiner künstlerischen Habe feiner erwiesen, so erlaubte doch erst Pompeji das ganze Stadtbild zu erfassen. Dies erschien zunächst als ein einheitliches, gleichmäßiges Ganze, und man ahnte noch nicht, daß, was man pompejanisch nannte, meist der Charakter der letzten, der Verfallzeit Pompejis war. Eine solche geschichtliche Be- trachtung sollte erst später eintreten; einstweilen sorgten die Prachtwerke von Mazois -Gau, Zahn, Ternite sowie populäre
Gründung des Antikenmuseums in Paris 21
Werke von William Gell und anderen dafür, daß Bulwers Roman The last days of Pompei (1834) ein gut vorbereitetes Publikum vorfand.
Persönlicher als in Pompeji war Napoleons Anteil an der Begründung eines großen Museums in Paris, ja die Anfänge dieses Unternehmens reichen noch bis über die ägyptische Ex- pedition zurück.
Schon in den Zeiten der Renaissance hatte die Hauptstadt Frankreichs und ihre Umgebung begonnen sich mit Antiken zu schmücken. Um nur ein paar hervorragende Stücke zu nennen, so besaß schon Franz I. außer Erznachgüssen berühmter Antiken die Diana mit der Hirschkuh, für die Heinrich IV. die Salle des antiques im Louvre herrichten ließ. Ludwig XIV. erwarb den 79 »Germanicus« und den »lason« aus der Villa Montalto (S. 5).
66
Aber die Antiken waren zerstreut, um den königlichen Schlössern zum Schmucke zu dienen; Fontainebleau, St. Cloud, Versailles, dazu die Stadtpaläste des Louvre und der Tuilerien hatten je ihr Teil, und Schlösser wie das Palais Cardinal (Richelieu) in Paris oder das Chäteau d'Ecouen der Montmorency wetteiferten mit jenen. Freilich ward dieser ganze Besitz an Skulpturen weit überstrahlt von dem Pariser Cabinetdes medailles mit seinen Münzen, Gemmen, Bronzen, einer Sammlung allerersten Ranges.
Den antiken Skulpturen einen neuen Mittelpunkt in Paris geschaffen zu haben ist das Werk Napoleons. Wie er bei der wissenschaftlichen Zugabe seines ägyptischen Zuges dem trefflichen Beispiel Alexanders des Großen gefolgt war, so griff er hinsicht- lich der Kunstwerke auf die minder löbliche Sitte der römischen Feldherren zurück, die die eroberten Länder zu plündern und die erbeuteten Kunstschätze nach Rom zu bringen pflegten. Dies Beispiel schwebte dem jugendlichen Sieger schon im Jahre 1796 vor, als er am 23. Juni in die Bedingungen des Waffenstillstandes von Bologna den Artikel VIII aufnahm: Le Pape livrem ä la Republique frangaise cent tableaux, bustes, vases ou statues, au choix des commissaires qui seront envoyes ä Rome, parmi lesquels
22 !'• Die napoleonische Zeit
objets seront notamment compris le buste en bronze de Junius 773 Brutus et celui en marbre de Marcus Brutus, tous les deux places au Capitole, et cinq cents manuscrits au choix desdits commissaires. Die Hervorhebung der Büsten des Vertreibers der Könige und des Mörders Cäsars ist für den Republikaner bezeichnend. Ver- gebens widerstrebte der Papst; die harte Bestimmung ging im Februar 1797 in den Vertrag von Tolentino über. Unter den Antiken traf die Auswahl die berühmtesten Hauptstücke des vati- kanischen Belvedere und des dortigen Musensaales; das Kapitol büßte etwa ein Dutzend seiner besten Statuen ein, darunter den
70 >sterbenden Fechter« und den Dornauszieher. Es blieb aber 677 39
nicht dabei; unter mehr oder weniger fadenscheinigen Vorwänden
wurden auch Privatsammlungen in Mitleidenschaft gezogen, die des Herzogs von Braschi, eines Verwandten des Papstes, und vor allem die reiche Villa des Kardinals Albani (S. 7). Ihr gesamter Antikenbesitz ward konfisziert, und 517 Stück, in 288 Kisten verpackt, warteten am Tiber um nach Paris verladen zu werden. Infolge von Verhandlungen traf dies Schicksal schließlich nur 70 Antiken, natürlich nicht gerade die schlechtesten.
Im November 1801 — am 18. Brumaire des Jahres IX, genau zwei Jahre nach dem Staatsstreich — ward das Musee central im Louvre mit 117 Stücken eröffnet. Zwei Jahre vorher war Visconti, der inzwischen einer der Konsuln der römischen Republik gewesen war, nach Paris übergesiedelt und lieh für fast zwei Jahrzehnte den dortigen Museen und der französischen Ar- chäologie überhaupt den Glanz seines wissenschaftlichen Namens. Er verfaßte auch die Kataloge des rasch sich vergrößernden Museums. Aber der eigentlich treibende Geist war hier wie in Ägypten Denon. Er begleitete die Armeen und traf die Auswahl 77 der fortzuführenden Kunstwerke. Florenz mußte seine mediceische Venus, Venedig seine vier Erzrosse von der Markuskirche, Mantua seine berühmten Büsten des Euripides und des »Virgil«, Verona seinen Augustus Bevilacqua, Modena und Turin andere Stücke hergeben. Wie einst bei der Erweiterung des Belvedere zum pioclementinischen Museum, so reihte jetzt sich im Louvre ein Antikensaal an den anderen. 1806 ward die ganze borghesische
Erweiterangen des Musde Napolion 23
Antikensammlung einverleibt, die Napoleon seinem Schwager, dem Fürsten Camillo Borghese, abgekauft hatte. Bald gesellte 66 sich auch deutsche Beute hinzu, der betende Knabe aus Berlin, 547 der der Victoria vom Brandenburger Tore das Geleite gab, eine Athena aus Kassel, der vermeintliche Sarkophag Karls des Großen aus dem Dome zu Aachen und andere Werke, im ganzen 20 bis 30 Stück. In Wien wählte Denon 1809 aus dem Antiken- kabinett 24 Gegenstände aus, unter denen nur der angeblich ephesische Amazonensarkophag von Wert war; die kostbaren Cammeen des Kaiserhauses waren rechtzeitig nach Ungarn in Sicherheit gebracht worden. Oft sich erneuernde Kataloge gaben von der Erweiterung der Räume des Museums und von der Be- reicherung ihres erlesenen Inhaltes Kunde. Im Jahre 1815 waren 384 Nummern erreicht. Der freie Zutritt für das Publikum, die Einrichtung einer Gießerei zur Herstellung von Abgüssen nach den Bildwerken des Museums, die Vorbereitung und Herausgabe großer Kupferwerke, das alles trug dazu bei, den Nutzen und den Glanz des Musee Napoleon zu erhöhen und die Stimmen derer zu übertönen, die an der Art, wie das Museum großenteils zusammengebracht war, Anstoß nahmen. Wie würde sich wohl 1871 die gebildete Welt empört haben, wenn in die Bedingungen des Frankfurter Friedens die Herausgabe der Aphrodite von Melos und einiger Hauptbilder des Salon carre aufgenommen worden wäre.
Die Antikenabteilung des Musee Napoleon trug ganz und gar römisches Gepräge. Die vornehmsten Stücke der römischen Sammlungen mit Ausnahme der Sammlung Ludovisi waren hier vereinigt, aber die Fülle der Anschauung, wie sie Rom mit seinem ganzen antiken Charakter geboten hatte, war doch nicht erreicht. Daß Neapels eigenartige Schätze fehlten, beraubte das Museum eines Vorzugs, den es im Besitz jener Gemälde und Bronzen vor Rom gehabt haben würde. Immerhin waren die klassischen Zeiten der griechischen Kunst in so vielen mehr oder weniger guten Kopien, die Zeiten des Hellenismus, zum Teil auch die römische Kunst in so vortrefflichen Originalwerken vertreten, daß Viscontis Ansicht begreiflich wird, die antike Kunst habe
24 II- Die napoleonische Zeit
sich von Phidias bis Hadrian auf gleicher Höhe gehalten. Es war der erste Versuch die Gesamtanschauung Winckelmanns und seiner Nachfolger durch eine andere zu ersetzen. Daß diese eine historische Unmöglichkeit in sich schloß — man denke nur: sechs Jahrhunderte voll des größten Wechsels der Völker, der Örtlichkeiten, aller politischen und Kulturverhältnisse, und dabei die Kunst stets in gleicher Höhe wie über den Wolken wandelnd! — darüber täuschte der große Name Viscontis hinweg. Das Musee Napoleon war die Bildungsanstalt der damaligen Archäologen; für diese war Visconti, der Hofarchäologe Napoleons, das Orakel. In Deutschland ward Friedrich Thiersch, der um jene Zeit die An- tiken in Paris studierte, zum Verkündiger jener unhistorischen Lehre. Mit dem Sturze Napoleons im Jahre 1815 brach auch seine stolze Schöpfung zusammen. Es war nur gerecht, daß das, was durch Kriegsrecht zusammengebracht war, nun auch nach Kriegs- recht seinen ursprünglichen Besitzern zurückgegeben ward. Der Kardinal-Staatssekretär Consalvi vertrat die Rechte Roms; Wilhelm von Humboldt und der Herzog von Wellington bemühten sich mit Erfolg den begreiflichen Widerstand der französischen Kommissäre, vor allem Denons, zu brechen. Der Vatikan erhielt sein Eigen- tum fast vollständig zurück; daß die Tiberstatue ihren alten Ge-
75 nossen, den Nil, allein an den Tiberstrand zurückwandern lassen 663 mußte, war ein kleinlicher Zug. Übrigens waren die Kosten des Rücktransportes so groß, daß die päpstliche Regierung sie nur mit einer kräftigen Beihilfe Englands erschwingen konnte. Aus demselben Grunde begnügten sich die Erben Kardinal Albanis von den siebzig entführten Stücken nur vier zurückzu- schaffen, die übrigen wurden in Paris versteigert und kamen meistens entweder wieder in den Louvre oder in die Münchener Glyptothek. Im kapitolinischen Museum ward den heimgekehrten Marmoren ein eigener Saal eingeräumt, wo sie sich um den
70 »sterbenden Fechter« scharten. Nur die Sammlung Borghese 677 blieb als käuflich erworbener Besitz in Paris zurück und bildete den Kern des nunmehrigen Musee royal, dessen erster Katalog im Jahre 1817 als letzte Arbeit Viscontis (er starb im folgenden Jahre) erschien.
Ende des Musie Napoleon 25
Das Musee Napoleon ist das letzte großartige Beispiel eines Museums römischen Stils. Es bezeichnet das Ende des ganzen bisherigen Museumswesens. Das napoleonische Kaisertum hatte sich als Erben der römischen Cäsaren dargestellt. Auch die Philologie und die alte Geschichte hatten jahrhundertelang Rom und die römische Literatur einseitig gepflegt; eben jetzt erfuhr die Geschichte Roms ihre großartige Erneuerung durch Barthold Georg Niebuhr. Aber am Horizont zeigte sich schon das Auf- leuchten einer anderen Zeit. Gleichzeitig mit dem römischen Musee Napoleon entwickelte sich in London das Britische Museum zum vornehmsten Mittelpunkte griechischer Kunst.
III
DIE WIEDERGEWINNUNG GRIECHENLANDS
s liegt in der alten Stammverwandtschaft und der geistigen Veranlagung begründet, daß den Italienern und den Fran- zosen das römische Altertum mit allen seinen Kulturäuße- rungen näher steht als das griechische. Während die griechische Literatur jenen Nationen lange Zeit wesentlich in römischer Über- setzung oder Umbildung zugänglich war und auch die Sprache der Kirche das Übergewicht des Lateinischen förderte, hielten die deutschen Schulen und Universitäten, zum Teil unter dem Einflüsse der protestantischen Theologie, am Studium des Griechischen fest. So kam es, daß, als die Zeit erfüllet war und gegen Ende des 18. Jahrhunderts die geistige Magnetnadel immer stärker nach Griechenland als dem Mittelpunkte des Altertums wies, Deutsch- land den hervorragendsten Anteil an der Neugestaltung der Alter- tumswissenschaft im griechisch -humanistischen Geiste gewann. Friedrich August Wolf und August Böckh, Gottfried Hermann und Immanuel Bekker waren die Führer in Deutschland; ihnen zur Seite standen in England Richard Porson und Peter Paul Dobree; Frankreich war durch Jean Fran^ois Boissonade und den dort angesiedelten Griechen Adamantios Koraes vertreten. Wie in Deutschland, so gehörte auch in England das Griechische zur allgemeinen Bildung und bildete wenigstens teilweise die Grundlage des Interesses, das zahlreiche britische Reisende nun- mehr statt nach Italien nach Griechenland führte, wobei freilich bald auch die politischen Verhältnisse und die Schwierigkeiten, denen Briten im französischen Italien ausgesetzt waren, ein Wort mitsprachen. Von den Reisenden am Schlüsse des 18. Jahr-
Lord Elgins Unternehmungen in Athen 27
hunderts mögen Richard Worsley und Edward Daniel Clarke, beide zugleich Sammler, genannt werden; in der archäologischen Literatur ward die gleiche Zeit in England durch das Erscheinen des zweiten Bandes der Antiquities of Athens (1790), der Athen und die Akropolis behandelte, des Museum Worsleianum (1794) und des Schlußbandes der Antiquities of lonia (1797) bezeichnet. Auf dem Boden der so neu angeregten Interessen erwuchs das Unternehmen, das dem Beginn des neuen Jahrhunderts seine bedeutendste Signatur geben sollte. Im Jahre 1799 ward der erst 33 Jahre alte Lord Elgin, aus einer alten schottischen Familie, als britischer Botschafter nach Konstantinopel entsandt. Der ihm nahestehende Architekt Thomas Harrison, durch das Studium der obigen Werke angeregt, bat den Lord für den Abguß eines 16 ionischen Eckkapitells (bekanntlich einer etwas irrationalen Bildung) 237 und einiger Skulpturen Sorge zu tragen. Bei dem jugendlichen Earl fiel dies bescheidene Samenkorn auf einen fruchtbaren Boden und reifte in ihm den Plan durch Abgüsse und Zeichnungen in großem Umfange der britischen Kunst einen Dienst zu leisten. Der Versuch Staatsgelder dafür flüssig zu machen scheiterte an Pitts bei den kriegerischen Zeitverhältnissen begreiflicher Ab- lehnung. Somit sah sich Lord Elgin auf sich selbst angewiesen. Durch Vermittelung seines überaus tätigen Sekretärs W. R. Hamilton, des späteren Präsidenten der öeographical Society, gelang es in Italien einen ganzen Stab von Künstlern zusammenzubringen, den Maler Tita Lusieri, den Zeichner Fedor, einen Kalmücken, die Architekten Balestra und Ittar und zwei Oipsformer. Im Mai 1800 trafen die Künstler, während der Botschafter gerades- wegs nach Konstantinopel gegangen war, in Athen ein, wurden aber durch allerlei Schwierigkeiten der türkischen Lokalbehörden am Arbeiten gehindert. Nur Zeichnen ward ihnen auf der Akro- polis erlaubt, auch dies bloß gegen ein tägliches Eintrittsgeld von 5 Pfund; die Burg war ja damals noch eine Festung. So verloren die Künstler volle neun Monate, bis Klebers Tod und die erfolgreichen Verhandlungen der Engländer in Ägypten, die schließlich den Abzug der Franzosen zur Folge hatten (S. 17), dem britischen Botschafter größeren Einfluß auf die Hohe Pforte
28 m» Die Wiedergewinnung Griechenlands
verstatteten. Lord Elgin nutzte die günstigere Lage der Dinge dahin aus, daß er zunächst im Mai 1801 seinen Leuten freien Eintritt in die Burg und die Erlaubnis Gerüste zu errichten und Abgüsse zu nehmen verschaffte. Aber die Plackereien der geld- gierigen Türken hörten deshalb nicht auf. Lord Elgin über- zeugte sich selbst hiervon bei einem Besuch Athens und lernte zugleich sowohl die hohe Schönheit der Denkmäler wie die Ge- fahren kennen, die ihnen durch mutwillige Zerstörung, durch Zerstreuung, durch Verschleuderung an Fremde beständig drohten. Beim Niederreißen zweier Häuser am Parthenon, die Lord Elgin gekauft hatte, ergab sich bei dem ersten eine reiche Ausbeute von Fragmenten der Giebelfiguren, bei dem anderen nichts, well alles, was dort einst gelegen hatte, in den Kalkofen gewandert war. Diese Erfahrungen und die ähnlichen Beobachtungen des Gesandtschaftspredigers Phil. Hunt, der sich mehr in Athen als in Konstantinopel aufhielt, veranlaßten Lord Elgin sich einen neuen Firman zu verschaffen, der seinen Leuten außer Gerüsten und Abformungen auch Messungen und Graben nach Funda- menten und Inschriften gestattete; ferner »sollte niemand sie hin- dern, wenn sie einige Steinblöcke mit Inschriften oder Figuren darauf wegzunehmen wünschten«.
Die letztere Bestimmung war es, die den Unternehmungen eine neue Wendung gab. Hunt verstand sich darauf in diese Worte den gehörigen Sinn hineinzuinterpretieren. Mit Hülfe eines Bakschisch in Gestalt von englischen Waren erlangte er vom Gouverneur die Erlaubnis eine Metope vom Parthenon herab- zuholen, eine Erlaubnis, die übrigens vor mehr als zehn Jahren schon einmal zugunsten des französischen Botschafters, des Grafen Choiseul-Gouffier, mit Bezug auf eine Platte des Frieses erteilt worden war. Dieser erste Erfolg bewog Lord Elgin den früheren Firman erweitern zu lassen durch die Erlaubnis noch andere Skulpturen vom Tempel herabzunehmen. Nun begann jene viel- berufene Tätigkeit auf der Burg, wo 3 — 400 Arbeiter etwa ein Jahr lang beschäftigt waren den bildlichen Schmuck des Parthenon fortzuschaffen. Ein Dutzend Giebelfiguren, 15 Metopen, 56 Fries- platten waren die Beute. Die letzteren wurden zum größten Teil
Lord Elgins Unternehmungen in Athen 29
rings um den Tempel auf dem Boden oder unter Häusern auf- gesammelt, die Statuen aus den Giebelfeldern herabgeholt, ohne daß die Architektur deshalb geschädigt zu werden brauchte; die Metopen dagegen konnten aus ihrem Gefüge nur durch Zer- störung des darüberliegenden Kranzgesimses entfernt werden — ein schwerer Vorwurf gegen die Leiter des Unternehmens. Daß 16 am Erechtheion außer einer Säule der Osthalle eine der Jung- 441 frauen von der Korenhalle weggenommen und durch einen plumpen Pfeiler ersetzt ward, war ebenfalls nicht ohne Barbarei durchzuführen (guod non fecemnt Gothi, fecemnt Scott hieß es); die Friesstücke des Niketempels dagegen und einzelne Skulpturen der Unterstadt Athen wurden durch die Wegnahme lediglich der Zerstörung oder Verschleuderung entzogen. Eine bedeutende Zahl von Abgüssen, z. B. von den Friesen des sogenannten Theseus- tempels, und ein reicher Schatz von Zeichnungen vervollständigten die Ausbeute.
Das alles war erreicht, als Lord Elgin 1803 von seinem Posten abberufen ward und seine Heimreise über Athen antrat. Lusieri, den er als seinen Agenten dort zurückließ, konnte bald 200 Kisten mit der kostbaren Ladung auf verschiedenen Schiffen abschicken. Eines der Schiffe, die Brigg Mentor, scheiterte und sank mit zwölf Kisten am stürmereichen Kap Malea; es bedurfte dreijähriger Bemühungen durch geübte Taucher von den klein- asiatischen Inseln, um alle Kisten glücklich zu bergen. Was noch in Athen unter Lusieris Obhut verblieben war, ward 1807, als die Pforte England den Krieg erklärte, von den Franzosen mit Beschlag belegt und nach dem Piräeus verbracht; der Mangel einer Schiffsgelegenheit, Englands Herrschaft zur See, der rasche Friedensschluß bewahrten die Skulpturen vor dem Schicksal, das einst die französische Beute in Ägypten betroffen hatte, dem Feind in die Hände zu fallen (S. 17). Erst im Jahre 1812 konnte Lusieri die letzten achtzig Kisten nach England absenden.
Wir dürfen hier von den Fragen absehen, ob Lord Elgin recht tat seine offizielle Stellung zugunsten seiner Privatunter- nehmungen auszunutzen, ob Hunts Interpretation des groß- herrlichen Firman sinngemäß war, ob die Arbeiter immer mit der
30 HI. Die Wiedergewinnung Griechenlands
gebotenen Vorsicht und Schonung verfuhren; wir dürfen auch die Erwägung beiseite lassen, daß die kostbaren Skulpturen in der Tat vor der Gefahr der Zersplitterung und der Vernichtung gerettet, daß sie den Beschädigungen entzogen wurden, die un- gefähr zwanzig Jahre später zwei neue Bombardements der Akro- polis und insbesondere der Westseite des Parthenon zufügten. Wir haben hier nur zu fragen, ob durch Lord Elgins Vorgehen die Wissenschaft benachteiligt oder gefördert worden ist, und da kann die Antwort nicht zweifelhaft sein. Erst durch die Bergung der durch die Gleichgültigkeit und die Habgier der türkischen Besitzer schwer gefährdeten Reste und durch ihre Ausstellung an einem leicht zugänglichen Orte haben die Marmorwerke aus der Schule des Phidias den Einfluß auf die Entwickelung der Archäologie, auf die Gewinnung eines festen Mittelpunktes und Maßstabes für die Betrachtung der griechischen Kunstgeschichte gewonnen, den sie in dem damals weltfremden Athen, im Bereich einer türkischen Festung, in der unerreichbaren Höhe der Giebel- felder oder zerstreut über mehr oder weniger unzugängliche Schlupfwinkel, niemals hätten ausüben können. Die griechische Kunstgeschichte würde noch ein halbes Jahrhundert oder mehr der mächtigen Förderung entbehrt haben, die sie durch die Elgin marbles in London erhalten hat So hat die Wissenschaft also allen Grund Lord Elgin dankbar zu sein.
Während in Athen daran gearbeitet ward, wie es einst von Lord Arundel (S. 9) geheißen hatte, to transplant old Greece into England, und zugleich der Architekt William Wilkins die athenische Architektur studierte, rüsteten sich andere britische Reisende das ganze Griechenland wissenschaftlich zu er- forschen. Der bedeutendste von ihnen war der damalige Haupt- mann William Martin Leake. Er hatte den Schiffbruch des Mentor (S. 29) mitgemacht und dabei alle Papiere verloren, die er von einer Bereisung Kleinasiens mitgebracht hatte. 1804 kam er von neuem nach Athen, um im Auftrage der britischen Re- gierung das griechische Festland zu bereisen. So ist er der
Griechische Entdeckungen 31
Begründer der wissenschaftlichen Geographie Griechenlands ge- worden. Zugleich durchwanderten der redselige Edward Daniel Clarke, Edward Dodwell, ein sinniger Altertumsfreund, von dem italienischen Zeichner Pomardi begleitet, und der trockene, aber unermüdliche William Gell die griechischen Landschaften. Pau- sanias, der Beschreiber Griechenlands aus der Zeit der Antonine, war ihr Führer, wie er es einst für Spon und für Chandler ge- wesen war, allein der Blick der jetzigen Reisenden war offener und freier, sowohl für die Zustände der Gegenwart wie für die Überbleibsel der Vergangenheit, die ihnen in überraschender Fülle und Neuheit entgegentraten. Am meisten packten sie die Reste uralter Baukunst in der Argolis. Tiryns ward entdeckt, mit seinen gewaltigen Kyklopenmauern, aus kolossalen Blöcken 191 9 aufgetürmt, und mit seinen unterirdischen Galerien, Gewölben 193 von zunächst rätselhafter Bestimmung. Mykenä, die Burg der
7 Atriden, erschien mit ihrem Löwentor und mit dem berühmten 206
8 unterirdischen Kuppelgrabe, dem »Schatzhause des Atreus«, in 203 dem Lord Elgins Vertreter eine Versuchsgrabung angestellt hatten; Ausgrabungen lagen den Reisenden selbst fem. So traten zuerst die durch die homerische Poesie und uralte Sagen geheiligten Stätten in greifbaren Überresten aus dem Dunkel der Vorzeit ans Licht. Von den alten Burgmauern von Mykenä und Tiryns ging das Interesse über zu den zahllosen, zum Teil trefflich er- haltenen Städtemauern späterer Zeiten, die durch ganz Griechen-
12 land zerstreut sind. Dazu kamen die schönen Tempelruinen in 205 15 Korinth, in Ägina, in Bassä bei Phigalia, die bisher nur mangel- 436 haft erforscht waren. Gerade diese Überreste vollendeter Baukunst veranlaßten die Gesellschaft der Dilettanti in den Jahren 1812 und 1813, um die Zeit von Napoleons Zug nach Rußland, eine •neue Expedition nach Kleinasien und Attika auszurüsten; an ihrer Spitze stand Gell, ihm zur Seite die Architekten John P. Gandy und Francis Bedford. Ihre Unedited Antiquities ofAttica, die schon 1817 dem letzten Bande der Antiquities of Athens auf dem Fuße folgten, darin die Aufnahme der Mysterienheiligtümer von Eleusis und der 4i6 Tempelgruppe von Rhamnus, bezeichneten einen bedeutenden Fort- 219 schritt in unserer Kenntnis der griechischen Architektur.
32 m« Die Wiedergewinnung Griechenlands
In ähnlicher Richtung bewegten sich die Studien anderer britischer Architekten, C. R. Cockerell und J. Fester, in Athen, wo sie um 1810 mit Lord Byron zusammentrafen. Technische Fragen beschäftigten sie begreiflicherweise angesichts der beispiel- losen technischen Vollendung, die in den Bauten der Akropolis ihnen entgegentrat. So maß z. B. Cockerell die vor ihm schon von Wilkins beobachtete Entasis der dorischen Säulen, jene leichte Anspannung des Umrisses, die am Parthenon, bei einem unteren Säulendurchmesser von 1,90 Metern, jederseits nur um 17 Milli- meter aus der graden Linie vorspringt und doch so wesentlich zur Belebung des Eindruckes beiträgt. Zu den beiden englischen Archi- tekten, die noch im Anfange der zwanziger Jahre standen, stieß im September 1810 eine Gruppe etwas älterer Männer, die sich in Rom zusammengefunden hatten und nun nach Griechenland übersiedelten. Es waren zwei dänische Gelehrte, Peter Oluf Bröndstedt und sein Schwager Koes, der estländische Baron Otto Magnus von Stackeiberg, ein feinsinniger Kunst- und Altertums- freund mit schöner künstlerischer Begabung, der Nürnberger Architekt Freiherr Haller von Hallerstein und der schwäbische Kunstliebhaber Linkh, ein Wirtssohn aus Cannstatt. Bald schlössen sich alle in engem Freundesbunde zusammen, der nach der schwärmerischen Weise jener Zeit auch seiner Symbole und Ab- zeichen nicht entbehrte; ein besonders nahes Verhältnis entspann sich zwischen den beiden Architekten Haller und Cockerell.
Der ganze Verein strebte nach denselben Zielen, aber die Freunde suchten es auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Während Stackeiberg mit den beiden dänischen Gelehrten Kleinasien auf- suchte, begaben sich die beiden Deutschen und die beiden Eng- länder im April 1811 nach der Insel Ägina, um die Ruinen 12 des vermeintlichen Zeustempels genauer zu untersuchen. In einer' Höhle am Tempel schlugen sie ihr Quartier auf. Indem die Architekten ihre Vermessungen vornahmen, stießen sie an einer der Giebelseiten auf einen behelmten Kopf. Dieser Spur be- schlossen sie nachzugehen. Dreißig Arbeiter wurden angeworben, und in sechzehntägiger Arbeit ward eine Menge von Bruchstücken zutage gefördert, aus denen sich später fünfzehn Statuen, fünf vom
Ägina 33
östlichen und zehn vom westlichen Giebel, haben wieder zu- sammensetzen lassen. Die glücklichen Finder erwarben den ganzen Schatz von der Stadt Ägina als Besitzerin des Bodens um eine geringe Summe, 6 — 800 Mark; dieÄgineten werden die Marmor- fragmente wohl vorzugsweise nach ihrem Werte für die Kalk- bereitung abgeschätzt haben. Die kostbaren Bruchstücke wurden dann über Athen nach Zante, dem damaligen Mittelpunkte des Handelsverkehrs in jenen Gegenden, geschafft, aber bald, weil sie hier bei den unsicheren Kriegsläuften gefährdet erschienen, nach Malta in englische Obhut verbracht. Der öffentliche Verkauf war jedoch schon vorher für den November 1812 nach Zante ausge- schrieben worden, Frankreich und England bewarben sich, letz- teres mit unbeschränkter Vollmacht für seinen Abgesandten, der sich aber irrtümlicherweise nach Malta als dem Aufbewahrungsorte der Marmore begab. So gelang es dem Kronprinzen Ludwig von Bayern diese in Zante für den verhältnismäßig niedrigen Preis von 120000 Mark zu erwerben und damit seiner geplanten Glyptothek den festesten Grundstein zu sichern. Die Zusammen- setzung und Ergänzung der Bruchstücke ward der Leitung Thor- valdsens übergeben. So großen und nicht unverdienten Ruf auch diese Restauration lange genossen hat, so hat geschärfte Beobachtung und vertiefte Stilkritik doch auch hier das Mißliche eines solchen Unternehmens, zumal ohne wissenschaftlichen Beirat, klargemacht. Über die ergänzenden Ausgrabungen, die neuerdings unter Furtwänglers Leitung an Ort und Stelle stattgefunden haben, soll unten (Kap. VI) berichtet werden.
Damals, als diese Bildwerke gefunden wurden, boten die Er- gebnisse namentlich nach zwei Richtungen Neues. Erstens zeigte sich, daß die einzigen bis dahin bekannten Giebelgruppen, die des Parthenon, kein so ausschließlicher Schmuck der größten Tempel waren, wie man bis dahin wohl angenommen hatte; auch kleinere Tempel hatten die gleiche Zierde ihrer Stirnseiten besessen. Der Gegenstand der neugefundenen Gruppen wies auf die home- 37 rische Poesie, die Kämpfe vor Troja. Die Komposition der 349 Gruppen aber erschien von unerwarteter Strenge, ihr Stil — und das war das zweite Neue — ein Beispiel einer älteren und merk-
Michaelis, Ein lahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 3
34 ni. Die Wiedergewinnung Griechenlands
lieh von der attischen abweichenden Plastik. Es war die dorische Kunst, die hier zum erstenmal in den Gesichtskreis trat Sie wirkte so befremdlich, daß der feinsinnige Bildhauer Martin Wagner, der den glücklichen Kauf für seinen Kronprinzen abgeschlossen hatte, sich an die ägyptische Kunst erinnert fühlte — eine Erscheinung, die sich auch weiter noch viel- fach beim Auftreten neuer Werke der altertümlichen griechischen Kunst wiederholte.
Das Glück war aber den Reisenden, den beiden Engländern und den beiden Deutschen, noch weiter hold. Von Ägina be- gaben sie sich hinüber nach dem Peloponnes. Im Juli 1811 kamen sie im südwestlichen Winkel Arkadiens zu dem Apollon- tempel von Bassä, im Gebiete der Stadt Phigalia, im Volks- munde »zu den Säulen« Cq 'vobq oxüXout;) genannt Der Tempel ist durch seine herrliche Lage ausgezeichnet, hoch im Gebirge, mit freiem Ausblick nach Süden über das reiche messenische Land mit seinem Bergmittelpunkt Ithome, fern bis zum weiten Meer. 15 Dazu kamen die mannigfachen Besonderheiten des Baues, im 436 Grundplan, in der Verwendung ionischer Halbsäulen inmitten eines 233 dorischen Tempels usw. Für die Architekten, Haller, Cockerell und Foster, gab es also reiche Arbeit Beim Durchstöbern der übereinandergehäuften Blöcke gerieten sie auf den Unter- schlupf eines Fuchses, und als sie diesem nachspürten, trat ihnen eine Friesplatte entgegen, die dem Tiere zum Lager gedient hatte. Also wiederum Skulptur am Tempel! Ausgrabungen waren nicht gestattet, aber natürlich gaben die Freunde nach dem Er- folg in Ägina die Hoffnung nicht auf auch hier zum Ziele zu gelangen. Der preußische Maler Georg Gropius, der als öster- reichischer Vizekonsul in Athen lebte und jenem Freundeskreise nähergetreten war, führte die Verhandlungen mit dem damaligen Machthaber in Morea, Veli Pascha in Tripolitza, und es gelang ihm gegen Zusicherung der Hälfte der Ausbeute die Erlaubnis zu Ausgrabungen zu erreichen.
Mit dieser Botschaft stieß Gropius im Juli 1812 in An- drltzena zu den schon früher von Athen aufgebrochenen Freunden. Diesmal fehlte Cockerell, der nach Sicilien abgereist war; dafür
Bassä 35
hatte sich Stackeiberg den drei Mitgliedern der früheren Reise- gesellschaft, Haller, Foster und Linkh, angeschlossen. So zogen sie, insgesamt 14 Personen, auf die luftige Berghöhe und schlugen dort in Zelten und Laubhütten ihr Lager auf; »Fran- kenstadt« ((^parpiouTzoliq) ward die Niederlassung getauft. Die Zahl der Arbeiter schwankte zwischen 60 und 120. Hallerstand als Leiter der Ausgrabungen an der Spitze, ihm zur Seite Stackel- berg als Zeichner. Ein lebhaftes Treiben entfaltete sich auf der entlegenen Höhe. Besuche, Spielleute, Feste unterbrachen die emsige Arbeit; auch eine Bekanntschaft mit Räubern fehlte nicht. Vergebens spürte man Resten von Giebelgruppen nach; der Tempel hatte offenbar keine besessen. Außer ein paar Bruch-
53 stücken von Metopen waren etwa 30 Meter Fries, die sich all- 456 mählich zu 23 Platten zusammensetzen ließen, der Lohn zwei- monatiger Mühen. Nun aber galt es sich mit Veli Pascha abzu- finden. Zu ihm war der Ruf von gefundenen Silberschätzen gedrungen; dazu hatten die frischen Brüche des grobkörnigen Marmors den Anlaß gegeben. Wie groß war seine Enttäuschung, als ihm eine der Platten zur Ansicht geschickt ward! Es blieb ihm nichts übrig, als den Kunstkenner zu spielen und die schöne Ausführung der Schildkröten — dafür hielt er die großen runden Schilde der Krieger — zu loben. Unter diesen Umständen, und da überdies seine Abberufung unmittelbar bevorstand, war es nicht schwer dem Pascha seine Hälfte und die Erlaubnis zur Mitnahme der Marmore für mäßigen Entgelt (8000 Mark) abzu- kaufen. In mühsamem Transport durch das unwegsame Gebirge und trotz der Schwierigkeiten, die von den Lokalbehörden aus- gingen, zogen die schweren Blöcke und die zahllosen Fragmente hinab zum Strande, um gleich den Ägineten nach dem gegen- überliegenden Zante verbracht zu werden. Alles bis auf ein
17 sehr merkwürdiges korinthisches Kapitell, das einzige im Tempel, 437 war glücklich verladen, als die Soldaten des neuen Pascha am Ufer eintrafen um die Abfahrt zu hindern. Dies gelang ihnen freilich nicht, die Reisenden mußten aber mit ansehen, wie die Türken in blinder Wut das Kapitell in Stücke schlugen, das wir daher nur aus Zeichnungen kennen! In Zante sah Martin
36 in. Die Wiedergewinnung Griechenlands
Wagner, als er den Ankauf der äginetischen Statuen besorgte, die Skulpturen und machte danach Zeichnungen, die er dem- nächst zum Mißfallen der Entdecker veröffentlichte. Der Verkauf fand 1814 statt. Diesmal war der britische Abgesandte zur Stelle und erstand den Fries für 300000 Mark, die drittehalb- fache Summe des für die Ägineten gezahlten Preises.
Die Wissenschaft erhielt durch die Entdeckungen in Bassä 15 eine neue Bereicherung. Die komplizierte Anlage des Tempels, 436
bei der auf eine ältere kleine Kapelle hatte Rücksicht genommen 15 werden müssen, die fremdartigen Einzelformen der ionischen 233 17 Säulen, zu denen sich auch jenes korinthische Kapitell, das älteste 437 von allen bekannten, gesellte, die Verbindung aller drei Baustile an demselben Tempel, alles das erregte die Aufmerksamkeit um so lebhafter, als der Baumeister dieses Tempels, Iktinos, derselbe Athener war, der den kanonischen Musterbau, den Parthenon, er- richtet hatte. Andere Probleme stellte der Fries. Er hatte sich im Innern des größten Tempelraumes über den ionischen Säulen hingezogen; wie hatte er sein Licht bekommen? Die Frage der Beleuchtung der Tempel, die Beschaffenheit der sogenannten Hypäthraltempel, war damit auf die Tagesordnung gesetzt, von der sie für viele Jahrzehnte nicht verschwinden sollte. Alle mög- lichen und unmöglichen technischen Lösungen wurden vorge- schlagen und eifrig darüber gestritten, bis endlich dank einer Untersuchung Dörpfelds (1891) die Überzeugung durchgedrungen istj daß Beleuchtung eines geschlossenen Raumes durch blen- dendes Oberlicht den griechischen Tempeln fremd war; auch in Bassä handelte es sich um keinen gedeckten, sondern um einen hofartigen, oben offenen Raum, wie er sich noch in manchen anderen Tempeln, z. B. dem Didymäon bei Milet, hat nach- weisen lassen. Aber auch der Fries selbst, seine häufig an Attisches anklingenden Motive, und andererseits der abweichende Stil der derberen Ausführung heischten eine Erklärung, über die bis zum heutigen Tage keine volle Einigkeit erzielt worden ist. Stackeiberg, der dem Friese die größte Aufmerksamkeit schenkte und ein großes Werk über ihn allmählich reifen ließ, glaubte ihn dem begabtesten Schüler des Phidias, Alkamenes, zuschreiben
Bassä. Hypäthraltempel. Die E^in marbles 37
zu dürfen; wenige haben darin die Lösung des Rätsels zu er- blicken vermocht.
Die Funde von Ägina und Bassä waren glücklich in München und London geborgen, aber wie sah es inzwischen mit Lord Elgins Erwerbungen aus?
Lord Elgin war im Jahre 1803 von seinem Posten abbe- rufen worden. Auf der Rückreise suchte er in Rom Canova auf, legte ihm Zeichnungen seiner Skulpturen vor und trug ihm deren Ergänzung an. Aber Canova erwarb sich den Ruhm höchster Einsicht, indem er den Antrag ablehnte und erklärte, Werke von solchem Range dürften überhaupt nicht ergänzt werden. Damit war von der damals angesehensten Kunstautorität eine neue Richtschnur bezeichnet, ganz abweichend von dem in Italien üblichen Verfahren; der Rat war zu neu um gleich überall be- folgt zu werden, aber der Zukunft sicher. Die Archäologen werden darüber Canova viele süßliche Umbildungen antiken Geistes verzeihen.
Lord Elgin ward auf seiner Weiterreise wider alles Völker- recht von den Franzosen gefangen genommen und drei Jahre in Festungshaft gehalten. Er bot sofort aus der Haft der eng- lischen Regierung seine Sammlung an, aber ohne Erfolg. Wo waren überhaupt seine Kisten? Als Elgin 1806 ins Vaterland zurückkehrte, mußte er sie in den verschiedenen Häfen, wohin die einzelnen Fahrzeuge sie gebracht hatten, zusammensuchen und mühsam ein Unterkommen für sie beschaffen. Ehe die Kisten aber auch nur geöffnet waren, fand ihr noch unbekannter Inhalt die erbittertste Befehdung von selten Richard Payne Knights, des damals anerkanntesten Kunstorakels in England, der die Bildwerke vom Parthenon für Handwerkerarbeiten, zum Teil aus römischer Zeit, erklärte. Hinter Payne Knight stand die ganze vornehme und einflußreiche Gesellschaft der Dilettant! (S. 10). Solch ge- hässigem Unverstände gegenüber schlug Lord Elgin den Weg der öffentlichen Ausstellung seiner Schätze ein. Nur wenige er- faßten die Offenbarung, unter ihnen niemand mit tieferer Über-
38 HI- Die Wiedergewinnung Griechenlands
Zeugung und glühenderem Enthusiasmus, als der junge Maler Benjamin Robert Haydon. Welche Revolution in seinen An- schauungen durch die athenischen Marmore erregt ward, mag eine Stelle aus seiner Selbstbiographie zeigen. Sie fällt in das Jahr 1808. Haydons Freund, der Maler David Wilkie, hatte eine Entrittskarte zur Sammlung bekommen und holte ihn dahin ab.
»Wir gingen nach Park Lane, Durch die Eingangshalle gelangten wir in einen offenen Hof und betraten einen feuchten, schmutzigen Schuppen, in dem die Skulpturen für Auge und Hand erreichbar auf- gestellt waren. Das erste, worauf mein Blick fiel, war der Unterarm einer Figur in einer der Frauengruppen, an dem die beiden Knochen des Unterarmes, obwohl in weiblicher Form, doch deutlich sichtbar waren. Ich war erstaunt, denn ich hatte nie eine Andeutung davon in einem antiken weiblichen Arme gesehen. Ich warf einen Blick auf den Ellenbogen und sah dessen äußeren Knorren deutlich auf den Umriß einwirken, wie es in der Natur der Fall ist. Ich sah, daß der Arm in Ruhe und die weichen Teile abgespannt waren. Jene Vereinigung von Natur und Ideal, deren Notwendigkeit für die erhabene Kunst ich so tief gefühlt hatte, hier lag sie greifbar vor aller Augen. Mir klopfte das Herz! Hätte ich nichts weiter gesehen, ich würde genug geschaut haben um mich für mein ganzes Leben an die Natur zu halten. Aber
45 als ich mich nun zum »Theseus« wandte und gewahr ward, wie jede Form durch Ruhe oder Bewegung sich änderte — als mein Blick auf
46 den >Ilissos« fiel und ich sah, wie der Bauch sich vorwärts wölbte, 402 weil die Gestalt auf dieser Seite lag — und weiter, als ich in der
44 kämpfenden Figur einer Metope bemerkte, wie bei der momentanen 395 Bewegung des Auslegens der Muskel unter der einen Achselhöhle sichtbar ward, während er in der anderen ohne solchen Anlaß fehlte — kurz als ich den heroischsten Stil mit allem wesentlichen Detail des wirklichen Lebens vereinigt sah, da war es aus, ein für allemal! Nie
46 werde ich die Pferdeköpfe vergessen, die Füße in den Metopen! Ich 404 hatte ein Gefühl, als ob mir tief im Herzen eine göttliche Offenbarung aufgegangen wäre, und ich wußte, diese Werke würden endlich die Kunst Europas aus ihrem Schlummer in finsterer Nacht erwecken.«
Drei Monate brachte Haydon damit zu nach den Skulpturen zu zeichnen, um dann sein Urteil in den Worten zusammenzufassen: »Ich sah, daß in diesen Werken alles Wesentliche ausgewählt, alles Überflüssige beiseitegelassen war; daß zuerst alle Ursachen der Bewegung erkannt und dann gerade die erlesen waren, die für irgend eine Handlung erfordert wurden; daß sodann Haut das Ganze bedeckte
Schicksale der Elgin marbles in London 39
und daß die Wirkungen der Bewegung und der Abspannung, des Strebens und des Gleichgewichts in der Haut sichtbar wurden. Ich glaube zuversichtlich, daß die Überführung dieser Werke hierher der größte Segen ist, der je diesem Lande widerfuhr.«
So dachten freilich die anderen nicht. Die Mißstimmung in den maßgebenden Kreisen blieb bestehen, und die griechischen Götter hausten in den Nebeln der Themsestadt ziemlich unbe- achtet. Dennoch blieb Lord Elgin Anerbietungen gegenüber, die ihm zugunsten dos Musee Napoleon gemacht wurden, fest. 1811 knüpfte er dagegen Verhandlungen mit dem Unterhause an; sie zerschlugen sich. Da trat ein neuer Gegner auf, einer der ge- fährlichsten. Im Frühjahr 1811 erschien Lord Byrons »Fluch Minervas«, eine Frucht seines athenischen Aufenthaltes (S. 32), und im Sommer des nächsten Jahres entlud gar Childe Harold die ganze Schale seines Zornes gegen den Schotten, den Pikten, den Tempelräuber. Alles verschwor sich gegen die athenischen Fremdlinge, die von einem Orte zum anderen wandern und sich eine Unterkunft erbetteln mußten. Als 1814 der Fries von Bassä nach London gelangte, erhob Payne Knight von neuem seine Stimme zu parteiischem Lobe dieser Reliefs gegenüber den Skulp- turen vom Parthenon.
Die rechte Anerkennung der letzteren kam — von Haydon und seinen wenigen Gesinnungsgenossen abgesehen — zuerst von Fremden. Von den Friedensverhandlungen in Paris aus begab sich Kronprinz Ludwig von Bayern im Sommer 1814 nach London und war von der Schönheit der athenischen Marmore so ergriffen, daß er für den Fall, daß die Stimmung in England nicht um- schlagen sollte, eine bedeutende Summe für den Ankauf bei seinem Bankier anwies. Ihm folgte Visconti, der damals führende Archäologe, zugleich der erste, der auf die Sammlung ein ernstes fachmännisches Studium verwandte. Sein uneingeschränktes Lob war den Gegnern höchst unbequem. So hielt Lord Elgin, der mittlerweile in finanzielle Verlegenheit geraten war, den Zeitpunkt für gekommen seine Schätze dem englischen Volke, in dessen Interesse er sie von Anfang an gesammelt hatte, zum Kauf an- zubieten. Napoleons Rückkehr von Elba, die hundert Tage, die
40 II'' I^ic Wiedergewinnung Griechenlands
Schlacht von Waterloo, die Vertagung des Parlaments brachten einen Aufschub — zu Lord Elgins Gunsten, denn nicht bloß hatte Visconti inzwischen zwei Vorträge in der Pariser Akademie gehalten, die Lord Elgin sogleich drucken ließ, sondern im No- vember 1815 traf auch Canova, der in Paris für die Rückgabe der entführten Kunstwerke (S. 24) tätig war, in London ein. Seine rückhaltlose Anerkennung der athenischen Kunstwerke brachte auch die Feinde und Neider zum Verstummen. So be- gannen im Februar 1816 die denkwürdigen Verhandlungen, in denen eine Parlamentskommission als Kunstareopag unter An- hörung von Zeugen und Sachverständigen vierzehn Tage lang über Phidias Meisterwerke zu Gericht saß. Payne Knight schätzte die Giebelstatuen auch jetzt noch ebenso gering wie den Fries, während die Bildhauer (z. B. Flaxman) und die Maler die Werke weit über alle oder fast alle anderen Antiken stellten; Haydon hatte man aus Rücksicht auf Payne Knight und seine vornehmen Gönner nicht zugezogen. Am 7. Juni 1816 bestätigte das nur noch spärlich besetzte Parlament gegen den matten Widerspruch der Liberalen (denn auch dies war zur Parteifrage geworden) den Ankauf der ganzen Sammlung für 35000 Pfund. Lord Elgin hatte auf jede bestimmte Forderung verzichtet. Die ziem- lich obenhin festgestellte Schätzungssumme deckte nicht einmal seine baren Auslagen; rechnet man die Zinsverluste hinzu, so ward ihm noch nicht die Hälfte seiner Ausgaben ersetzt Seine Ernennung zum Verwaltungsrat {Trustee) des Britischen Museums war eine Art Ehrenerklärung gegenüber den Anfeindungen, denen er so lange ausgesetzt gewesen war. Ehrenvoller war noch, daß sein Name unlöslich mit den Elgin marbles verbunden ist Für das Britische Museum waren diese Schätze gewonnen. Dieses war seit 1 753 aus höchst bescheidenen Anfängen erwachsen, aber nicht als höfisches Kabinett, wie fast alle anderen größeren Antikensammlungen, sondern als Nationalmuseum. Die Erwer- bung einer bedeutenden Sammlung griechischer bemalter Vasen aus Unteritalien, die der britische Gesandte in Neapel, William Hamilton, gebildet hatte (1772), die ägyptische Beute von 1801 (S. 17), die Übernahme einer bedeutenden Sammlung römischen
Die Erwerbung der Elgin marbles für das Britische Museum 4 1
Stils von Charles Townley (1805), endlich der Ankauf des Frieses von Bassä (1814) bezeichnen die Stufen des allmählichen Auf- schwunges. Jetzt, mit der Einverleibung der Elgin Marbles, stieg das Museum mit einem Schlag auf die höchste Stufe. Durch die Qualität dieser Erwerbung hatte es sowohl das eben in der Auf- lösung begriffene Musee Napoleon wie die römischen Museen derart überflügelt, daß es nicht zu befürchten brauchte diesen Rang jemals zu verlieren.
Als die athenischen Skulpturen, von Minervens Fluch erlöst, endlich im Nationalmuseum ihren festen Platz gefunden hatten, 47 wurden sie rasch populär, namentlich der Fries. Die Kühe der athenischen Hekatombe erregten das Entzücken der englischen 46f. Viehzüchter; die Reiter bewogen einen Reitlehrer, seine Schüler 397 statt einer Reitstunde lieber für eine Stunde auf deren Betrachtung zu verweisen, so meisterlich schienen sie ihm auf den sattellosen Pferden zu sitzen. Schnell verbreitete sich der Ruf der neuen Schätze auch über den Kanal. Von Paris eilte 1818 Quatremere de Quincy herbei, ein hochangesehener Veteran der Archäologie, der kurz vorher eingehende Studien über Phidias und die Oold- elfenbeinkunst herausgegeben hatte. In seinen Briefen an Canova, dem beredtesten Zeugnis der beginnenden Geschmackswandlung, äußert sich eben wie bei Haydon immer von neuem der Eindruck einer ganz neuen Offenbarung. Er vergleicht die einzelnen Statuen mit den berühmtesten Antiken; stets schlägt der Vergleich zu- gunsten jener aus. Aber noch höher steht ihm das hier allein vorliegende Ganze von Originalwerken ersten Ranges — wie ein- heitlich und wie reich! In manchen Beobachtungen berührt er sich unmittelbar mit Haydon. Den Körpern, sagt er, liege, wie nirgends sonst, die vollendetste Einsicht in den Knochenbau zugrunde. Daher die Mischung von sicherer Leichtigkeit und ge- diegener Kraft: »diese Körper können sich bewegen, sie scheinen sich zu bewegen«. Dazu das bald feste bald weiche Fleisch, die bald angespannten bald ruhenden Muskeln, die elastische, überall sich anschmiegende Haut, jenes in Worten unfaßbare, aber dem Gefühl unmittelbar zugängliche Spiel unendlicher feinster Be- wegungen der Oberfläche, bis in jede Einzelheit wahr und von
42 IIl- Die Wiedergewinnung Griechenlands
Leben erfüllt! »Ich habe nichts in seiner Art so Lebendiges ge- 46 sehen wie den Pferdekopf. Das ist nicht mehr eine Skulptur; 404
das Maul wiehert, der Marmor lebt, man glaubt ihn sich bewegen 46 zu sehen . . . Und der Flußgott — man meint, er werde sich 402
erheben; man meint, er erhebe sich schon; man wundert sich,
daß er immer noch da liegt.«
Ebenso groß erscheint Quatremere die Gewandung, Nichts
von jener vermeintlichen Steifheit, von jener etwas herben Hoheit,
sondern auch hier der unbegreiflichste Reichtum spielender Phan-
45 tasie und natürlichsten Lebens. Bald schmiegen sich die Falten 401
46 leicht und fein den Körpern an, bald wehen sie, vom Wind auf- gebauscht, in mächtigem Schwünge zurück, bald umhüllen sie den Körper in großen Massen, die wieder eine unendliche Fülle reichster Einzelmotive umschließen. »Der Reiz dieser Gewand- statuen ist wie der der Grazie. Er ist die Verzweiflung derer, die überall nach dem Warum fragen. E bella perche e bella, das ist in solchen Dingen der beste Grund; hiervon wird der Kenner nie mehr verstehen als der Laie.«
So wirkten die Originale auf den feinen Kunstkritiker. Der Bildhauer Joh. Heinr. Dannecker konnte nur nach einigen durch Haydon vermittelten Abgüssen urteilen, wenn er schrieb: »Für mich ist es das höchste, was ich je in der ganzen Kunst gesehen habe; sie sind wie auf Natur geformt, und doch habe ich nie das Glück gehabt solche Naturen zu sehen.« Der Altmeister in Weimar mußte sich vollends nur mit Zeichnungen begnügen; diese aber wirkten auf ihn mit solcher Gewalt, daß er nach London statt nach Italien zu ziehen wünschte (denn da »sei doch allein Gesetz und Evangelium beisammen«) und daß er den Plan zu einem Verein deutscher Bildhauer entwarf, der das Britische Museum zum regelmäßigen Studienplatz für diese machen sollte. Es hat etwas Rührendes, wenn der Siebzigjährige, in dessen Geistesentwickelung Italien eine so entscheidende Rolle gespielt hatte, nunmehr sich »glücklich preist auch dies noch erlebt zu haben«. Eine vollkommene Revolution des Geschmackes vollzog sich; das Land der Griechen, das einst Winckelmann mit der Seele gesucht hatte, lag jetzt offen da vor den Blicken aller, die
Wirkung der Elgin marbles. Die Münchener Glyptothek 43
Augen hatten zu sehen. »Die Kunstgeschichte«, urteilte Welcker, »hat einen neuen Mittelpunkt und für immer den richtigen Maß- stab für die Hauptverhältnisse gefunden.« Wäre es so bald dazu gekommen, wenn die Elgin marbles auf der türkischen Festung in Athen verblieben wären?
Das einzige Museum, das sich, wenn auch in weitem Ab- stände, mit dem Britischen Museum vergleichen konnte, war die Münchener Glyptothek, die König Ludwig im Jahre 1830 er- öffnete. Denn auch hier waren es die Originalwerke griechischer Kunst, die der Sammlung ihren Stempel aufdrückten. Dadurch aber, daß der königliche Sammler von Anfang an den historischen Gesichtspunkt festgehalten hatte und diesen die ganze Anlage der Glyptothek hatte bestimmen lassen, betonte die Münchener Sammlung noch stärker als das Britische Museum das Moment, das die Zukunft der Museen beherrschen sollte: anschauliche Darstellung der Entwickelung der antiken Kunst.
Von Athen aus ward auch eine genauere Erkundung des griechischen Westens, der in den älteren Zeiten das Mutterland an Reichtum und Bedeutung überflügelt hatte, angebahnt. Die griechischen Überbleibsel Unteritaliens, an der langgestreckten Küste weithin zerstreut, hatten bisher mit Ausnahme Pästums (S. 9) wenig Aufmerksamkeit erregt. Da begab sich zu Anfang des Jahrhunderts der schon aus Athen uns bekannte Architekt William Wilkins (S. 30) dorthin und legte 1807 das Ergebnis seiner Untersuchungen in dem großen Kupferwerke der Anti- quities of Magna Graecia nieder. Ihm folgte 1812 Cockerell, der sich Sicilien für seine Studien ausersehen hatte (S. 34). Sicilien ist bekanntlich von allen griechischen Ländern das an Tempelruinen reichste. Am augenfälligsten treten diese in Gir- genti, dem alten Akragas, dem Beschauer entgegen, wo nicht weniger als sieben Tempel, freilich in sehr verschiedenen Er- haltungszuständen, den Architekten zur Erforschung einladen. Hier setzte Cockerell ein. Namentlich die Ruinen des mächtigen Zeustempels reizten zum Entwurf einer Wiederherstellung. Die 364/65
44 I^I- Die Wiedergewinnung Oriechenlands
rings geschlossene Mauer mit Halbsäulen anstatt des üblichen offenen Säulenkranzes, die ebenfalls abweichende Anlage der Cellamauer mit ihren vorspringenden Pilastern, die Reste kolos- saler Giganten als Gebälkträger, deren ursprünglicher Platz schwer zu bestimmen war, das alles bot neue Tatsachen und neue Pro- bleme. Cockerell suchte sich später (1830) im Ergänzungsbande einer neuen Auflage der Antlquities of Athens mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.
Viel unscheinbarer als in Girgenti liegen die Ruinen in Selinunt, der westlichsten Griechenstadt an der Südküste Siciliens, zutage, da die karthagische Zerstörung von 409 hier gründlicher aufgeräumt hat. Nichtsdestoweniger haben sich auch hier auf den beiden Höhen, die den einstigen Hafen umgeben, Reste von mindestens sieben Tempeln erhalten, unter denen namentlich zwei
12 (gewöhnlich mit B und C bezeichnet) in sehr alte Zeit — man 248/49 glaubte zuerst, bis ins Ende des 7. Jahrhunderts — hinaufreichen. Hier gruben im Winter 1822/23 die englischen Architekten Samuel Angell und William Harris; letzterer erlag als Opfer seiner Arbeit dem tückischen Fieber. Am dankbarsten erwies sich der Tempel C. Alles an ihm zeigte eine vom Gewöhnlichen ab- 248 weichende, altertümliche Anlage; die große Länge von 17 Säulen auf 6 Frontsäulen, nach Osten eine doppelte Querreihe von Säulen statt der üblichen einfachen, dafür ein Pronaos ohne Säulenstellung, endlich ein besonderes Hintergemach hinter der Cella, lauter Dinge, die die attische und ostgriechische Architektur bisher nicht aufgewiesen hatte. BesonderesAufsehen erregten aber die zahlreichen
40 Bruchstücke hochaltertümlicher Metopenreliefs, von denen sich drei 288 (Perseus und Medusa, Herakles und die Kerkopen, ein Viergespann) aus 32, 48, 45 Fragmenten wieder zusammensetzen ließen.
Mehr noch als .der plumpe hochaltertümliche Stil der Skulptur zogen die vielen Spuren ursprünglicher Bemal ung die Auf- merksamkeit auf sich und regten die Frage der Bemalung der Skulptur an. Diese erweiterte sich aber zu der anderen Frage nach der Bemalung der Architektur, die zunächst ganz in den Vordergrund trat. Sie ward schon im nächsten Winter von dem in Köln geborenen, in Paris wirkenden Architekten Jacques Ignace
Girgenti und Selinunt. Polychromie 45
Hittorff auf einer Reise durch Sicilien, wo er von seinem Schüler Ludwig Zanth und von Wilhelm Stier begleitet ward, eifrig ver- folgt. Die farbige Architektur der normannischen Bauten Siciliens mag mitgewirkt haben; genug, Hittorff kam zu dem Ergebnis, daß die griechische Architektur ganz und gar farbig gewesen sei, eine Überzeugung, die er alsbald in der Architecture antique de la Sicile (1826/30), später (1851) in erweiterter Gestalt in der Architecture polychrome chez les Grecs darlegte. Inzwischen hatte auch Gottfried Semper, der in den Jahren 1830/32 den Süden bereiste, aus der Untersuchung der Reste die gleiche Überzeugung von einer durchgängigen Bemalung der antiken Architektur ge- wonnen und sich in diesem Sinne ausgesprochen. Das lief durchaus den hergebrachten Ansichten zuwider und begegnete daher lebhaftem Widerspruch. In der Tat haben manche Be- obachtungen Hittorffs und Sempers vor einer genaueren Prüfung nicht standgehalten, und die aprioristische ästhetische Forderung, daß, wenn überhaupt Farbe angewandt worden sei, alles farbig gewesen sein müsse, ist durch sichere Tatsachen widerlegt worden; in solchen geschichtlichen Fragen entscheidet eben nicht die Theorie, sondern das Faktum. Aber trotzdem waren Hittorffs und Sempers Anregungen äußerst dankenswert und ihre Behaup- tungen bedurften nur einer Einschränkung. Diese haben die nachfolgenden Untersuchungen gebracht, und heutzutage besteht vi so wenig ein Zweifel darüber, daß die griechische Architektur der Bemalung nicht entbehrte, wie über deren Grenzen, wobei immer noch Material, landschaftlicher Brauch und Zeitgeschmack mitberücksichtigt sein wollen. Für Sicilien kommt dabei auch die später (1881) von Dörpfeld und Borrmann nebst Genossen gemachte Beobachtung in Betracht, daß gewisse Teile des Ober- baues mit farbigen Tonplatten und Tonkasten verkleidet waren. 256 Auf dem Ton sind die eingebrannten Farben nahezu unver- gänglich, und so hat sich hier jene ernste Färbung (gelblich, schwarz und rot) erhahen, der die übrige Farbenstimmung des Baues entsprochen haben wird, gegenüber dem lichteren Blau und Rot auf dem leuchtenden Marmorgrunde der attischen Bauten.
46 ^^I- Die Wiedergewinnung Griechenlands
Die von Fremden begonnene Untersuchung der griechischen Bauwerke Siciliens ward mit Glück von Einheimischen fortgeführt. Namentlich erwies sich der Herzog von Serradlfalco, dem der junge Architekt Saverio Cavallari zur Seite stand, als einsichtiger Mäcen. Am bedeutendsten unter den neuen Funden waren zwei halbe und vier ganze Metopen, beide von Tempeln des östlichen 40 Stadthügels von Selinunt. Indem an den vier Metopen vom 366 Heräon die nackten Teile der weiblichen Figuren aus Marmor, alles übrige aus Tuff (mit mancherlei Farbspuren) hergestellt war, ergab sich eine neue Technik farbiger Skulptur, die sich mit dem Gebrauche der Tonmalerei nahe berührte.
Etwa gleichzeitig (1828) erforschte der junge Herzog von Luynes mit Hülfe des Architekten F. J. Debacq die altertümlichen Tempelreste von Metapont, der alten Achäerstadt am Meer- busen von Tarent, die sich ernst aus der sumpfigen Umgebung, der fieberbrütenden anticamem del diavolo, herausheben. Für die oben erwähnten Fragen hatte ein Stück von einer tönernen Rinnleiste mit ausdrucksvollem Löwenkopf wegen seiner wohl- vi erhaltenen Farben besonderes Interesse.
Alle diese eifrigen Forschungen im griechischen Westen lieferten die wertvollste Ergänzung der Untersuchungen in Attika und dem Peloponnes. Namentlich die Baukunst in ihren älteren Perioden lag bedeutend klarer vor Augen, und zwar ebenso der im all- gemeinen parallele Entwickelungsgang des Dorismus im Westen und Osten, wie die zahlreichen Besonderheiten, die man zunächst leicht geneigt war in ihrer Bedeutung zu verallgemeinern. Wie vielgestaltig die griechische Kunst sogar bei einer so gleichförmigen Schöpfung, wie es der dorische Tempel zu sein scheint, auftreten kann, dafür mußte sich der Blick erst allmählich schärfen. Auch hier galt es, nicht vorzeitig Theorien und Systeme aufzustellen und sich dadurch die Einsicht in die Mannigfaltigkeit der Er- scheinungen zu versperren, sondern ruhig das Tatsächliche zu beachten und den Blick für die wirkliche geschichtliche Ent- wickelung offen zu halten.
Selinunt. Metapont. Die Aphrodite von Melos 47
Inzwischen war Griechenland in seine türkische Stille zurück- versunken. Die Mitglieder jenes internationalen Freundeskreises, dem die Aufdeckung und Bergung der Skulpturen von Ägina und Bassä verdankt ward, hatten Athen verlassen. Cockerell und Fester waren nach England zurückgekehrt, wo jener eine bedeutende praktische und wissenschaftliche Tätigkeit entfaltete, dieser in be- scheidenerer Weise in Liverpool wirkte. Stackeiberg war 1813 in die Hände von Piraten gefallen, aus denen ihn sein Freund Haller von Hallerstein mit Aufopferung befreite. Haller selbst, fiel 1817 in Thessalien dem Fieber zum Opfer. Stackeiberg und Linkh waren inzwischen nach Rom übergesiedelt, wo sich etwas später auch Bröndsted niederließ. In Griechenland unterbrach ein einziges Begegnis archäologischer Art die allgemeine Ruhe, die 73 Entdeckung der Aphrodite von Melos. es
Es handelt sich hier um einen zufälligen Fund, dessen romantische Einzelheiten in ein gewisses Dunkel gehüllt sind. Trotz eifrigen Nachstöberns in Berichten aller Art ist es bis auf den heutigen Tag, zumal da wichtige Beweisstücke verschwunden sind, nicht gelungen volle Klarheit über die Tatsachen zu erzielen. Folgendes scheint der Sachverhalt zu sein. In den ersten Monaten des Jahres 1820 fand der Bauer Georgios in Melos die Statue der Aphrodite in mehreren Stücken. Französische Seeoffiziere, darunter der später berühmte Weltumsegler Dumont d'Urville, be- trachteten sie; der französische Agent Brest meldete den Fund an den französischen Konsul David in Smyrna. Dieser berichtete darüber an den Botschafter in Konstantinopel, den Marquis de la Riviere, der bereit war das ihm gepriesene Stück zu kaufen. Inzwischen aber hatte bereits ein griechischer Priester die Statue von der Gemeinde Melos gekauft, um sie einer einflußreichen Persönlichkeit in Konstantinopel zu schenken; gekauft, aber noch nicht bezahlt, als im Mai der Sekretär der französischen Bot- schaft, de Marcellus, in Melos eintraf und die Statue von der- selben Gemeinde für eine geringe Summe, 550 oder 750 Francs, erwarb, um sie alsbald fortzuführen. Der Priester klagte in Konstantinopel, aber die Strafe von 7000 Piastern, zu der die Gemeinde verurteilt wurde, ward auf Betreiben des Botschafters
48 in. Die Wiedergewinnung Griechenlands
niedergeschlagen. Dieser selbst sammelte im November einige weitere Bruchstücke in Melos auf und schenkte dann den ganzen Fund dem Könige Ludwig XVIII., der ihn dem Museum des Louvre überwies. Hier ward die Statue im Mai 1821 aufgestellt Sie ist, wohl um das kostbare Material des parischen Marmors zu schonen, wie das bei Werken späterer Zeit öfters vorkommt, in verschiedenen Stücken gearbeitet worden, deren Anschlußflächen in der üblichen Weise hergerichtet sind. Der Körper selbst ist in zwei Hälften zerlegt, deren Fuge auffälligerweise nicht mit der Grenze des Nackten und der Gewandung zusammenfällt, sondern unschön die Falten des Mantels quer durchschneidet; ein be- sonderes Stück ist an der rechten Hüfte eingefügt. Die Arme waren angestückt, aber nur vom linken waren ein Teil des Ober- armes und die Hand mit einem Apfel aufgelesen worden; deren Arbeit schien der Schönheit des Körpers so wenig zu entsprechen, daß der Verdacht einer späteren Ergänzung auftauchte. Unten neben dem linken Fuß zeigte die Basis in ihrer ganzen Tiefe eine abgeschrägte Anschlußfläche, an die nach dem völlig unver- dächtigen Zeugnis des damaligen Direktors des Louvre, des Grafen Clarac, ein Marmorblock von leicht abweichendem Korn genau anschloß. Dieser reichte grade bis unter den etwas erhöhten Fuß der Statue, trug auf seiner vorderen Fläche die Inschrift des Künstlers Alexandros (die ersten drei Buchstaben fehlten, lassen sich aber sicher ergänzen) aus Antiocheia am Mäandros, einer in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts gegründeten Stadt: die Inschrift selbst wies durch ihren Schriftcharakter etwa um 100 vor Christo. Der Block hatte auf seiner Oberfläche ein vier- eckiges Zapfloch, in das nach einer in Melos selbst genommenen Skizze eines Dilettanten eine jugendliche Herme von mäßiger Arbeit paßte, die in der Tat mit der Statue von Melos nach Paris gekommen ist. Leider ist der wichtige Inschriftblock im Louvre früh verschwunden — seit Clarac (1821) hat ihn niemand mehr gesehen — und dadurch ist den verschiedensten Vermutungen und Kombinationen Tür und Tor geöffnet worden, so daß der Streit noch heute nicht geschlichtet ist. Doch scheint kaum ein ernster Zweifel bestehen zu können, daß die Statue wirklich das
Die Aphrodite von Melos. Der griechische Aufstand. Olympia 49
Werk jenes Alexandros ist. Ihm fällt der geschmacklose Zusatz der Herme (eine ergänzende Kopie des französischen Bildhauers Claude Tarral macht das deutlich) und wohl auch der Apfel (griechisch ^fikov) als redendes Symbol der Insel Melos zur Last; andererseits aber verdanken wir ihm auch die vorzügliche Wieder- gabe des Körpers und des Kopfes nach dem Originale, einer Schöpfung hoher Kunst, etwa aus der Epoche eines Skopas. Die hier durchleuchtende Schönheit der ursprünglichen Erfindung und die in den Hauptsachen vortreffliche Arbeit am Körper (die Gewandung ist viel geringer, die Rückseite ganz unfertig) hat der »hohen Frau von Milo« schnell ihren hervorragenden Platz erworben und mit Recht gesichert; es wird, vielleicht neben dem Hermes von Olympia, kaum eine antike Statue geben, welche so rasch und so bleibend populär geworden wäre.
Kurz bevor die Melierin ihren Platz im Louvre fand, war der griechische Aufstand ausgebrochen. Seine Wechselfälle brachten zunächst der Akropolis von Athen eine doppelte Be- schießung, im Winter 1821/22 durch Voutier und die Phil- hellenen, fünf Jahre später durch die Türken unter Reschid Pascha. Die Westfront des Parthenon litt stark unter den Schüssen der Kanonen, das Erechtheion ward durch Bomben zusammenge- 48 schössen und verlor von neuem eine der Korenstatuen. In ui Morea hauste seit 1825 Ibrahim Pascha, bis der überraschende Seesieg von Navarino einen Umschwung vorbereitete. So rückte 1828 ein französisches Heer unter Maison ein, wiederum wie einst in Ägypten von einem wissenschaftlichen Stabe begleitet. Die erste Karte der Halbinsel ward durch Vermessungen vorbereitet, daneben alles, die natürlichen Verhältnisse wie die Überreste der Kunst und Kultur, untersucht.
Besonders ergiebig gestaltete sich eine Schürfung, die im Mai und Juni 1829 am Zeustempel in Olympia vorgenommen ward. Seine spärlichen Überreste waren schon 1787 von dem fran- zösischen Konsul Fauvel, 1801 aufs neue von dem englischen Geographen Leake erkannt worden. Jetzt suchten der Architekt Abel Blouet und der Archäologe J. J. Dubois in sechswöchiger Arbeit die beiden Fronten des Tempels ab; fanden sie auch keine
Michaelis, Ein jahrliundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 4
50 JJI« Die Wiedergewinnung Griechenlands
Spur der Giebelstatuen, so stießen sie doch auf Reste der Herakles- 40 metopen, vor allen auf die Prachtmetope, die den Helden im Kampfe 355 mit dem kretischen Stiere darstellt. Teils die Hitze, mehr aber noch ein Verbot des tyrannischen Präsidenten Kapodistria, bei dem ein patriotischer Grieche die Fremden denunziert hatte, setzten den Ausgrabungen ein frühes Ziel. Immerhin ward das Museum des Louvre um ein paar Reliefs bereichert, die wiederum einen neuen Stil, abweichend vom attischen und äginetischen wie vom selinuntischen, ans Licht stellten und von neuem die reiche Mannig- faltigkeit der griechischen Plastik bezeugten. Die lebhaften Reste von Bemalung, die sich an den Reliefs erhalten hatten, bereicherten die in Sicilien gemachten Beobachtungen über die Farbigkeit der griechischen Skulptur.
Im Februar 1833 traf der neue König des befreiten Hellas, der bayrische Prinz Otto, in Nauplia ein, und alsbald räumten die Türken die Akropolis von Athen, um einer bayrischen Be- satzung Platz zu machen. Die Burg sollte aufhören als Festung zu dienen und ganz den archäologischen Studien übergeben werden. Freilich zunächst bedrohten sie die Künstler; der bayrische Architekt Leo von Klenze »restaurierte« einige Säulen 14 des Parthenon mit traurigem Flickwerk und der preußische 390 Architekt Karl Friedrich Schinkel ersah sich gar den Felsen Athenas zum Sitz eines feenhaften Königspalastes, dessen Hof der Parthenon schmücken sollte! Nützlicher war die Reinigung der Burgfläche von Häusern und Schutt und die Aufräumung des Aufganges zu den Propyläen, Arbeiten, die unter Leitung des überaus tätigen holsteinischen Gelehrten Ludwig Roß als Konservators der Altertümer ausgeführt wurden. Dabei gelang ihm und seinen architektonischen Beiständen, Eduard Schaubert aus Schlesien und Christian Hansen aus Kopenhagen, eine wirk- liche Wiederherstellung: Block für Block wurden aus der türkischen Bastion, die einst gegen Morosini errichtet worden war (S. 10), 16 die Bestandteile des kleinen Tempels der Athena Nike heraus- 410 geschält und daraus der Tempel auf seiner turmartigen Warte über dem Burgeingange neuaufgebaut (1835). Auch sonst brachten die Aufräumungen viel Verborgenes zutage, zahlreiche
Die Akropolis. Die Archäologische Gesellschaft 51
Inschriftblöcke, die die Kunstgeschichte bereicherten und berich- tigten, und viele Bruchstücke von Skulpturen, besonders vom Friese des Parthenon, darunter namentlich eine ungewöhnlich
46 gut erhaltene Platte aus der Oöttergruppe des Ostfrieses. 398
Zum Schaden der archäologischen Interessen sah sich Roß schon im Jahre 1836 genötigt seine Stelle niederzulegen. Sie ging auf Kyriakös Pittäkes über, einen fleißigen und wachsamen, aber ungebildeten und kleinlichen Hüter der ihm anvertrauten Schätze. Er setzte die Aufräumung der Burg fort und barg die Skulpturen übereinandergeschüttet in den türkischen Zisternen; aus den zerstreuten Blöcken des Erechtheion richtete er dessen Mauern wieder auf und stellte die Korenhalle wieder her; unter- ui halb der Propyläen sorgte er für eine plumpe Aufgangstreppe. Im übrigen erschöpfte sich sein Interesse in der Herausgabe neugefundener Inschriften. Die epigraphischen Interessen standen zunächst auch ganz im Vordergrunde für die Archäologische Gesellschaft, die im April 1837, fast gleichzeitig mit der Gründung der Universität, im Parthenon eröffnet ward; fast drei Jahrzehnte dauerte es, ehe sie archäologische Aufgaben in Angriff nahm. So ward der bemerkenswerteste Skulpturfund dieser Zeit (1846) dem Zufall verdankt, und seine Ausbeute, der hoch-
38 archaische sogenannte Apoll on von Tenea, gelangte alsbald 292 in den Besitz des österreichischen Gesandten Prokesch von Osten, der die Statue sieben Jahre später der Münchener Glyptothek überließ. Inzwischen waren es ebenfalls Fremde, die sich archäo- logischen Arbeiten widmeten. Der englische Architekt F. C. Penrose nahm 1846/47 in Verbindung mit G. Knowles mit un- übertrefflicher Genauigkeit den Parthenon und die Propyläen auf; besonderes Aufsehen erregte Penroses minutiöse Feststellung der Horizontal kurven an den Stufen und dem Gebälke des Par- thenon, die sein Landsmann J. Pennethorne 1837 zuerst bemerkt hatte. Ungefähr zu gleicher Zeit war der französische Architekt A. Paccard mit einer Restauration des Parthenon beschäftigt, die dem groß angelegten, aber leider im Beginn stecken gebliebenen Werke des Grafen Leon de Laborde über diesen Tempel und seine Skulpturen zugute kommen sollte. Um das Erechtheion
4*
52 in. Die Wiedergewinnung Griechenlands
bemühte sich bald darauf in gleicher Weise der Architekt J. M. Tetaz, ohne doch das Lösungswort für den Rätselbau zu finden.
Während so auf der Burg Engländer und Franzosen an der Arbeit waren und aus Deutschland stammende Universitätslehrer, der schon genannte L. Roß und H. N. Ulrichs, eifrig die griechischen Länder in weitem Umfange bereisten, Roß nament- lich die griechische Inselwelt bis nach Rhodos, ja bis nach Kypros, der Wissenschaft neu erschloß, spielte hinter den Kulissen ein reges diplomatisches Getriebe zwischen den Schutzmächten Rußland, England und Frankreich. Dem Gesandten der letzteren Macht, dem alten Philhellenen Piscatory, gelang es endlich im September 1 846 die Gründung einer Französischen Schule durchzusetzen, mit dem Sitz in Athen und mit der Aufgabe die Sprache, die Ge- schichte, die Altertümer Griechenlands an Ort und Stelle zu erforschen. Es vergingen einige Jahre, ehe bemerkenswerte Re- sultate sich zeigen konnten. Die Leitung war zunächst nicht zielbewußt genug; die vielen Reisen der Mitglieder brachten mehr allgemeine Orientierungen. Großes Aufsehen erregten die Auf- deckungsarbeiten, die ein Zögling der Schule, der spätere Minister des Inneren Emest Beule, im Winter 1852/53 unterhalb des Propyläenaufganges vornahm. Sie führten, nachdem schon der Architekt Titeux die Reste einer späten Treppe ermittelt hatte, zur Entdeckung des unteren Abschlusses durch die »porte Beule<e^, 389 die man zunächst nicht abgeneigt war der perikleischen Periode zuzuschreiben; fortgeschrittene Untersuchung hat darin einen Flickbau etwa antoninischer Zeit zwischen zwei älteren Türmen erkannt. Neben Beule, dessen Buch über die Akropolis (1853) zwischen Wissenschaft und Popularisierung die Mitte hält, traten früh Leon Heuzey und Georges Perrot als hervorragende Be- obachter und Forscher hervor; Heuzeys Buch über den Olymp und Akarnanien (1860) war die erste wissenschaftliche Leistung von Bedeutung, die von der französischen Schule ausging. Beiden Männern werden wir später wieder begegnen.
Die Französische Schule in Athen 53
Die erste Hälfte des Jahrhunderts hatte die griechischen Länder Europas der Wissenschaft erschlossen, die Grundlagen neuer Erforschung waren gewonnen. In der damals eingetretenen Pause neuer Ausgrabungen hatte die zünftige Archäologie Zeit das bisher Gewonnene zu bearbeiten und die Bruchstücke einst- weilen, so gut es gehen wollte, zu einem Ganzen zusammen- zufügen.
IV
DIE GRABSTÄTTEN ETRURIENS UND DIE ANTIKE MALEREI
n den vorigen beiden Kapiteln war fast ausschließlich von Architektur und Skulptur die Rede; die Malerei war nur in den Wandgemälden Herculaneums und Pom- pejis gelegentlich hervorgetreten (S. 8). In diesen erblickte man damals im wesentlichen Belege der Kunst der römischen Kaiser- zeit, der sie ja in der Tat meistens ihre Entstehung verdanken. Drüber hinaus zum Griechischen führte nur die Betrachtung des Inhaltes, bekanntlich zum größten Teil griechischer Mythen; nur in einzelnen Fällen wurden die Gemälde an literarisch bekannte Werke der griechischen Malerei angeknüpft, wie beispielsweise eine kleine reliefartig komponierte Darstellung der Marsyasfabel an ein Gemälde des Zeuxis. Was von den Malereien auf griechischen Tongefäßen, meist unteritalischen Fundortes, in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts veröffentlicht vorlag, war nicht eben viel, überdies stilistisch ungetreu abgebildet William Hamiltons in Neapel erworbene, dann 1772 an das Britische Museum verkaufte Vasensammlung (S. 40) hatte wohl auf Wedg- woods Geschirrfabrikation Einfluß gewinnen können, so daß »griechische«, »etruskische« oder gar »pompejanische« Vasen ein beliebter Modeartikel wurden, aber die wissenschaftliche Ver- wertung für die griechische Malerei und ihre Entwickelungs- geschichte ward verschüttet unter einem Wüste dilettantischer und phantastischer Traumgebilde, die lediglich dem Inhalte der Darstellungen galten und darin mystische Geheimnisse verborgen wähnten, wie sie der damals herrschenden Vorliebe für Creu-
Überreste antiker Malerei. Die Römischen Hyperboreer 55
zersche Religionsmischerei und pseudowissenschaftliche Romantik entsprachen.
Eine Änderung sollte von einer Seite kommen, von der man sie am wenigsten erwarten konnte. Nicht auf griechischem, sondern auf dem »barbarischen« Boden Etruriens sollte die griechische Malerei ihre Auferstehung feiern, und Rom war der Ort, von wo diese neue Wendung beobachtet werden sollte.
In Rom hatte sich 1816 Stackeiberg niedergelassen, um bei reicheren Hilfsmitteln und in angeregter Umgebung sein Werk über den Apollontempel von Bassä und andere Früchte seines griechischen Aufenthaltes ausreifen zu lassen. Bald schloß er innige Freundschaft mit seinem »Pylades« August Kestner, dem vierten Sohn von »Goethes Lotte«, der in Rom als hannoverscher Diplomat lebte und starke künstlerische Neigungen hatte, auch ein eifriger Sammler war. Zu ihnen gesellte sich einige Jahre später der bedeutend jüngere Eduard Gerhard aus Posen, ein tüchtiger Schüler Böckhs, daneben von Creuzer beeinflußt. Ein Augen- leiden hatte ihn zuerst 1820 nach Italien geführt und ihm die brennende Sehnsucht der Rückkehr hinterlassen. Diese fand 1822 statt. Damals war noch der Neubegründer der römischen Geschichte, Niebuhr, preußischer Gesandter am päpstlichen Stuhle, der zweite jener stattlichen Reihe (Humboldt, Niebuhr, Bunsen), durch die nach einem geistreichen Worte Amperes nicht Preußen bei der Kurie, sondern die Wissenschaft bei dem alten Rom vertreten war. So ward denn auch Gerhard für die von Niebuhr geplante »Beschreibung der Stadt Rom« gewonnen. Aber be- deutendere Früchte sollte die Freundschaft Gerhards mit Stackel- berg und Kestner zeitigen; sie ward durch Bröndsted, Stackeibergs griechischen Genossen, vermittelt, der damals einige Jahre als dänischer Geschäftsträger in Rom lebte. Als dann 1823 noch der Schlesier Theodor Panofka, ein ebenso begabter und an- regender wie methodeloser Gelehrter, hinzukam, schlössen sich die vier Freunde zu einem Vereine »Römischer Hyperboreer« zusammen, die gemeinsam bald Pausanias oder Sophokles lasen, bald die weitzerstreuten Antiken Roms und der Umgegend er- forschten.
56 IV. Die Grabstätten Etruriens und die antike Malerei
Die vier Hyperboreer waren gar ungleiche Genossen. Kestner stand den wissenschaftlichen Studien am fernsten, ließ sich aber gern für alles Schöne und Erhabene begeistern. Stackeiberg war die künstlerischste Natur, mit einem starken Zusätze grübelnder Mystik, ein feiner, oft allzu eleganter Zeichner. Panofka wußte durch die Lebhaftigkeit seiner Einfälle anzuregen und gewann leicht Einfluß auf weitere Kreise, namentlich auf Franzosen, die an seinen jeux d'esprit Gefallen fanden. Die gründlichste wissen- schaftliche Kraft unter den Vieren war Gerhard. Mochte auch die Unbefangenheit seiner wissenschaftlichen Forschung durch ein frühzeitig festgestelltes System beeinträchtigt werden: was ihm seine große Bedeutung gab, war die klare Einsicht in die Be- dürfnisse der Wissenschaft und das mit zäher Energie gepaarte Organisationsgeschick, mit dem er Personen und Mittel für seine Ziele zu gewinnen und zu verwenden verstand. Gerhard war es vor allen, der mit Staunen den ungeheuren Reichtum noch vorhandener bildlicher Zeugnisse des Altertums wahrnahm, die vor ihm vielleicht nur Zoega allseitig erkundet hatte; vollends als zu den römischen Antiken bald die noch so wenig bekannten Schätze Neapels, Großgriechenlands, Siciliens traten. Was wollten dieser Fülle gegenüber die wenigen Denkmäler bedeuten, die entweder in den populären Bilderbüchern Millins und Hirts oder selbst in der noch leicht übersehbaren wissenschaftlichen Literatur, zu- letzt den Werken Viscontis und Zoegas, abgebildet vorlagen! So gestaltete sich die neugewonnene Einsicht in »die grenzenlose Erweiterungsfähigkeit des archäologischen Materials« nach Gerhards epigrammatischer Weise zu dem Spruche: monumentomm artis qui unum vidit nullum vidit, qui milia vidit unum vidit Hier galt es vor allem Abhilfe zu schaffen.
Dies geschah in zwiefacher Weise. Einmal kam es darauf an, den Antikenbesitz der Museen durch zuverlässige und sach- kundige Kataloge festzustellen, eine Aufgabe, deren sich Gerhard allein für den Vatikan, zusammen mit Panofka für das wenig be- kannte Neapler Museum unterzog. Die zweite und, weil sie zeichnerischer Kräfte bedurfte, schwierigere Aufgabe bestand im Zusammenbringen und Veröffentlichen von Abbildungen, die den
Gerhard. Aufnahme des Materials. Etrurien 57
Kreis der Anschauungen über den bisher vorhandenen Rahmen hinaus erweitern sollten. Gerhard wußte teils in Berlin, wo eben an der Vollendung des Museums gearbeitet ward, Mittel zur Beschaffung eines Apparates von unedierten Zeichnungen flüssig zu machen, teils gewann er den Cottaschen Verlag zur Herausgabe eines großen, auf 500 Foliotafeln berechneten Werkes »Antike Bildwerke«, das leider, nicht durch Gerhards Schuld, abgebrochen ward, ehe es ein Drittel des geplanten Umfanges erreicht hatte. Dabei traten wohl manche Schwächen von Gerhards wissenschaftlicher Richtung hervor, das ausschließliche Interesse für den Inhalt der Kunstwerke, besonders den mythologischen, und die Vorliebe für manche entlegene Gattungen, wie z. B. oft recht formlose Tonfiguren, denen man wenigstens den Vorwurf »nur schön zu sein« nicht machen konnte. Aber darüber darf der Grundgedanke nicht übersehen werden: es galt der Archäologie eine neue, breitere Grundlage zu schaffen.
Während solche Pläne in Gerhards Sinne keimten und all- mählich reiften, lernte er 1824 zuerst Etrurien kennen. Das Land der alten Etrusker war seit fast hundert Jahren bei den Altertumsforschern in Verruf gekommen durch die überschweng- lichen Bemühungen einer lokalpatriotisch beschränkten Clique, der sogenannten Etmscheria, ihre Heimat als ein Musterland aller Vollkommenheiten in alter Zeit hinzustellen. Die Hochflut dieser Bewegung war längst vorbei; zwei achtbare Gelehrte, Giuseppe Micali und Francesco Inghirami, bemühten sich eben jetzt die antiken Denkmäler Etruriens zusammenzustellen und in angemessenere Beleuchtung zu rücken. Gerhard war aber doch erstaunt über den unerwarteten Reichtum des Landes an Kunst- werken im öffentlichen und im Privatbesitz. Besonders waren es zwei dem alten Etrurien eigentümliche Gattungen von Kunst- werken, die, so unscheinbar und künstlerisch meistens unerfreulich sie auch waren, doch durch ihren Inhalt sein Interesse erregten: die Metallspiegel mit eingeritzten Zeichnungen auf der Rückseite 736/37 und die mehr oder weniger kubischen Aschenkisten {urne) mit 746
58 IV. Die Grabstätten Etruriens und die antike Malerei
meistens mythologischen Reliefs, nicht selten in vollem Farben- schmuck. Von beiden Gattungen sammelte er Zeichnungen, von jenen auch sehr viele Originale, die sich jetzt im Berliner Museum befinden.
Zu diesen beiden, bisher wenn auch nicht ganz unbekannten, so doch wenig beachteten Denkmälerklassen gesellte sich nun im Jahre 1827 etwas ganz Neues. In Corneto, dem alten Tar- quinii, traten in mehreren neu geöffneten Grabkammern farben- reiche Wandgemälde zutage. Die Kunde gelangte schnell nach Rom. Gerhard war in Deutschland, aber Stackeiberg und Kestner, denen sich der bayrische Architekt Jos. Th. Thürmer anschloß, eilten hinaus und verwandten mehrere Wochen darauf die ganzen figurenreichen Wände von vier Grabkammern in farbigen Zeich- nungen zu kopieren; die größte der Kammern, die sogenannte grotta dal corso delle bighe, fiel Stackeiberg als dem geübtesten 727 Zeichner zu. Leider scheiterte die alsbald in Angriff genommene Herausgabe der 44 großen Tafeln, nachdem sie bereits auf Stein gezeichnet waren, an der gleichen Nachlässigkeit, wie die Voll- endung von Gerhards antiken Bildwerken. Die farbigen Original- blätter sind auf allerlei Umwegen in den Besitz des Kunstarchäo- logischen Instituts der Universität Straßburg gelangt; nur ganz unzulängliche Abbildungen sind erschienen. Die Gemälde selbst aber sollten nicht lange allein bleiben. Bald traten in Corneto 93 neue Grotten mit Wandmalereien hinzu; dann öffneten sich ahn- 725/26 93 liehe Gräber in Chiusi, in Veji, später in Cerveteri und Orvieto. 721/22
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So fand sich allmählich eine lange Reihe von Wandmalereien zusammen, die in leidlicher Vollständigkeit die Entwickelung dieses Zweiges der etruskischen Kunst etwa von dem Anfang des 6. bis zum 4. Jahrhundert vor Augen stellten. Allerlei Einzelheiten und Roheiten, dazu der oftmals stark hervortretende Naturalismus, der an den verismo der toskanischen Kunst des Quattrocento erinnerte und als bodenständig erscheinen durfte, ließen zunächst in diesen Malereien nur das etruskische Element hervortreten, zumal da die beliebten Szenen des täglichen Lebens den Gedanken an die mythischen Stoffe der griechischen Kunst fern hielten. Aber in allerlei Abstufungen brach sich mehr und
Etruskische Grabgemälde. Das Archäologische Instihit 59
mehr die Überzeugung Bahn, daß den etruskischen Bildern fast durchweg griechische Vorbilder und griechische Anregungen zugrunde lagen. Diese Erkenntnis war um so wichtiger, als uns von rein griechischen Wandmalereien so gut wie nichts erhalten ist. Es eröffnete sich also hier ein Einblick in die Entwicklung der griechischen Malerei, wenn auch sozusagen in einem etrus- kischen Spiegel gebrochen. Aber je mehr die Nachrichten über die griechische Malerei erforscht, je mehr auch noch auf anderen Wegen eine Anschauung ihrer Werke eröffnet ward, desto deut- licher stellte sich heraus, daß die Hauptstadien ihrer Entwickelung während ungefähr zwei Jahrhunderten sich in der Tat in jenem etruskischen Seitenzweige wiederholten. So warfen die etruskischen Gräber Licht in eine dunkle Partie der griechischen Kunst. Das Licht sollte bald noch heller leuchten.
Während der Erdboden sich den Römischen Hyperboreern günstig erwies, plante Gerhard im Einverständnis mit dem ebenso kunstsinnigen wie freigebigen Herzog von Luynes, als dieser auf einer italienischen Reise (1825) jenem Kreise näher getreten war, eine neue wissenschaftliche Organisation. Es galt nichts geringeres, als einen internationalen Verein aller Archäologen zu gründen, mit wissenschaftlicher Zeitschrift und großer Veröffentlichung von Denkmälern. Paris sollte der Mittelpunkt sein. Allein der Plan scheiterte an allerlei Hindernissen und schien aufgegeben. Ger- hard war jedoch nicht der Mann etwas als richtig und nützlich Erkanntes so leicht fallen zu lassen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz hielt er, der seit Stackeibergs Fortgang (1828) allein mit Kestner in Rom zurückgeblieben war, an dem Grundgedanken fest und wußte die italienische Reise des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen im Jahre 1828 dazu zu benutzen, daß unter dessen Protektorat und unter Bunsens Mitwirkung an Winckelmanns Geburtstage (9. Dezember) 1828 in Rom die Gründung des »Institutes für archäologische Korrespon- denz« beschlossen ward. Bunsen, damals preußischer Gesandter, Gerhard und Kestner, Carlo Fea (dessen Knabenzeit noch in
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Winckelmanns Zeit zurückreichte) und Thorvaldsen, einst der Zögling Zoegas, waren die fünf Begründer, die am 21. April (dem »Geburtstage Roms«) 1829 die erste Sitzung des neuen Institutes zusammenberiefen. Es ist nicht dieses Ortes, die Ge- schichte dieser Anstalt zu verfolgen, die etwa dreißig Jahre hin- durch als bloß privater Verein durch ihre regelmäßigen Publi- kationen, durch ihre Sitzungen, durch eine Fülle ausgestreuter Anregungen den größten Einfluß auf die archäologische Wissen- schaft ausgeübt hat. Die besten Kräfte aller Länder gehörten dem Institut an, aber seine Seele war Eduard Gerhard, der von nun an allgemein als der rechte Organisator der Archäologie angesehen ward. Auch als Konservator seiner Anstalt bewährte er sich in mancherlei auftauchenden Gefahren.
Es war ein freundliches Geschick, das dem neugeborenen Institut alsbald ein überaus wertvolles Angebinde in die Wiege legte. Wiederum öffneten sich die Gräberfelder des südlichen Etruriens und spendeten, außer neuen Wandmalereien, eine Unzahl bemalter Tongefäße, die wir gewohnt sind mit italienischem Namen als Vasen zu benennen. Bemalte Vasen, zum Teil mit griechischen Inschriften, waren schon seit lange nichts Unbekanntes. Hauptsächlich Unteritalien hatte aus seinen Gräbern viele zu- tage gefördert (vgl. S. 40). Namentlich war Apulien mit seinen 92 großen Prachtvasen aus Canosa, Ruvo und anderen Fundorten 524/25 hervorgetreten. Im Jahre 1828 nun, zu derselben Zeit, wo in Corneto die ersten Wandgemälde ans Licht traten, waren in dem benachbarten Vulci, auf einem Gute Lucian Bonapartes, des Fürsten von Canino, zum erstenmale Gräber mit bemalten Vasen zum Vorschein gekommen. Die ersten Ergebnisse waren heim- lich beiseite geschafft worden, aber bald ward in der weitaus- gedehnten Nekropole der alten Stadt Vulci von den glücklichen Besitzern des Bodens nach Vasen geschürft. Der Erfolg grenzte ans Unglaubliche. Gerhard war sofort zur Stelle. Ein Bericht, den er im Mai 1829 an den Preußischen Staatsanzeiger sandte, bietet eine anschauliche Schilderung.
»Eine verödete, zwischen den kleinen Städten Canino und Montalto gelegene Strecke von fast sechs Miglien Weges hat sich erst im Verfolg
Die Vasenfunde von Vulci 61
der besprochenen heimlichen Funde als ein großer etruskischer Gräber- platz, vielleicht einer alten Stadt Vulci, bekundet, dessen unscheinbare, mehr oder weniger dicht unter der Oberfläche befindliche Grotten von den schönsten griechischen Vasen und Vasenbildern erfüllt sind. An allen Punkten dieser ausgedehnten Strecke, an der außer dem Prinzen von Canino noch zwei Besitzer, die Herren Candellori und Feoli, be- teiligt sind, ist bisher unablässig und mit glücklichstem Erfolge nach- gegraben worden; mit größtem Aufwand und reichster Ausbeute von dem Prinzen, der den größten Teil jener Grundstücke besitzt. Außer den Hirten der ganzen Gegend waren seit dem November vorigen Jahres täglich hundert Arbeiter mit regelmäßigen Ausgrabungen be- schäftigt, die unter seiner persönlichen Leitung geführt wurden. Eine bedeutende Anzahl bemalter Gefäße und Schalen war die tägliche Frucht dieser Ausgrabungen; viele fanden sich heil, die Mehrzahl der übrigen ward unverzüglich an Ort und Stelle zusammengesetzt. Der Bericht- erstatter, der als Augenzeuge spricht, kann des wunderbaren Schauspiels nicht vergessen, das ihm zuerst auf der Höhe von Campomorto (dem Ausgrabungsorte des Herrn Feoli) aus dem Anblick der in der nahen Ebene vom mächtigen Grabhügel in ihrer Mitte [la Cucumella] nach jeder Seite hin vielfach zerstreuten Ausgrabungen erwuchs und bei näherer Betrachtung auf die überraschendste Weise gesteigert wurde. Zwischen den einzelnen Scharen fern her gekommener Arbeiter, meistens Abbruzzesen und Romagnolen, die unter verschiedene Befehlshaber ihrer Provinz verteilt blieben, bildeten drei Zelte den Mittelpunkt für den unablässigen Zufluß frisch gefundener, noch von der Erde be- deckter und befeuchteter Vasen und Vasenscherben. In dem Zelte, das dem Prinzen und seiner Familie tagtäglich diente, wurden sofort Versuche der Zusammensetzung angestellt, die vereinten Stücke gesondert nach Musignano, dem Landhause des Prinzen, geschickt und mehreren, nach längerer Übung bereits wohlerfahrenen Restauratoren übergeben. Deren Arbeit schritt Tag und Nacht vorwärts; der Referent sah mit Staunen eines Morgens zwei große und schöne Vasen zusammengesetzt, deren Scherben er am Nachmittag vorher auf dem Ausgrabungsplatz erblickt hatte. Der Prinz gab sich diese ganze Zeit hindurch einzig den merkwürdigen Entdeckungen seines Bodens hin, der ihm innerhalb wenig Monaten eine der auserlesensten Vasensammlungen lieferte, die wir überhaupt kennen, und die Betrachtung jener wunderbaren Er- scheinungen und Denkmäler fesselte ihn hinlänglich, um sich auch in das Gebiet ihres erklärenden Verständnisses zu begeben.«
Die leise Ironie dieser letzten Wendung würdigt, wer weiß, daß der Fürst von Canino, von seinem Hauskaplan Padre Maurizio inspiriert, beispielsweise in dem Dionysos einer Schale, der im
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Schiffe mit rebenumsponnenem Mast übers Meer fährt, den Wein- erfinder Noah erkannte, den Namen des Töpfers Exekias für hebräisch (Ezechiel) erklärte und in den Sprüngen, die der Firnis am Rande der Schale beim zu scharfen Brennen des Tons erlitten hat, hieroglyphische Zeichen, vermutlich aus der Zeit der Sintflut, erblickte.
Der Generalbericht, den Gerhard 1831 über diese ganzen Funde in den Schriften des Instituts erstattete, der als Muster ebenso knapper wie vollständiger und klarer Berichterstattung be- rühmt gewordene Rapporto volcente, legte einen neuen festen Grund für die Wissenschaft von den antiken bemalten Vasen. Diese neue Klasse von Denkmälern aber trat für längere Zeit in der Archäologie so stark in den Vordergrund, daß der Spott über das Istituto dei vasi und die science des pots casses nicht wohl ausbleiben konnte; vielleicht ist er noch heutzutage nicht ganz verstummt oder wieder aufgelebt. Was war es denn, das diesen unscheinbaren Erzeugnissen des Kunsthandwerkes einen so großen Wert verlieh?
Zunächst eben der erneute Einblick in die Vollendung des antiken Kunsthandwerks, die schon bei der Entdeckung von Herculaneum überrascht hatte (S. 8). Wenn es sich aber dort um das verfeinerte Erzgerät der hellenistischen Zeit gehandelt hatte, so kam hier attisches Tongerät in seiner vornehmen Einfachheit zum Vorschein. Eine große Mannigfaltigkeit herrscht in den Formen, die je nach dem Zwecke der Gefäße — zum Aufbe- wahren, zum Mischen, zum Schöpfen, zum Trinken des Weines — in große Klassen geteilt werden können, darin aber bedeutende Ver- schiedenheit im einzelnen aufweisen und die zeitliche Entwickelung der einzelnen Gattungen deutlich verfolgen lassen. Was aber allen diesen Gefäßen ihren besonderen Stempel aufdrückt, das ist die unlösliche Verbindung größter Zweckmäßigkeit mit mög- lichst einfacher, möglichst dem Zwecke sich anschmiegender Form. Wie der Natur abgelauscht, ohne eine Spur jener Willkür in der Formgebung, die dem modernen Kunsthandwerk so leicht an- haftet, stellt sich eine solche griechische Vase als ein harmonischer Organismus dar, und wenn irgendwo, so ist hier das Wort an
Die Bedeutung der griechischen Vasen 63
seiner Stelle: »Des Körpers Form ist seines Wesens Spiegel; durchdringst du sie, löst sich des Rätsels Siegel«.
Mehr noch als die Form, bot der Inhalt der bildlichen Darstellungen, die die Gefäße zu schmücken pflegen, den Archäo- logen aller Nationen reichen Stoff für wissenschaftliche Erforschung, ja diese Seite trat, der gesamten damaligen Richtung der Wissen- schaft gemäß, zunächst stark in den Vordergrund. Und in der Tat war die Bereicherung der mythologischen Darstellungen außer- ordentlich groß. Nicht bloß erschienen bereits geläufige Mythen in neuen Wendungen, so daß ihre allmähliche Entwickelung oder ihre älteren verschollenen Formen sich verfolgen ließen, sondern es traten auch nicht wenige Mythen, von denen die literarische Überlieferung keine oder nur eine blasse oder irreführende Spur darbot, unerwartet als überaus populäre Sagen ans Licht. So er- hielt die Disziplin, die man als Kunstmythologie zu bezeichnen pflegt, völlig neuen Umfang und neue Bedeutung. Auf Mytho- logie war ja die damalige Wissenschaft, nicht bloß Gerhard (S. 57), vorzugsweise gestellt. Erst allmählich, zunächst nur von einzelnen, wurden auch die zahlreichen Darstellungen näher gewürdigt, die uns einen reichen und vielfach höchst anziehenden Einblick in das tägliche Leben der Athener gewähren.
Einen dritten Gesichtspunkt stellte alsbald Gerhards Rapporto volcente ins Klare, indem er die Wichtigkeit des neuen Materials für die Geschichte der antiken Malerei hervorhob. Die Geschichte der älteren Malerei ist für uns wesentlich Geschichte der Ton- malerei; bemalte Tonplatten, wie sie als Wandverkleidung in ein 722 paar altertümlichen Grabkammern Cerveteris zum Vorschein ge- kommen sind, vertreten die ältesten Tafelbilder. Vor Gerhards kritischem Blicke schieden sich die Vasenmalereien deutlich in vier zeitlich aufeinander folgende Hauptgruppen: eine älteste 88 »orientalisierende« Gattung; einen Silhouettenstil mit schwarzen 275
Vf. 3
88|9o Schattenrissen auf rotem Grunde; rote Figuren auf schwarzem 319 f. Grunde in mancherlei Abstufungen; dazu kommt, in Etrurien 332/35 92 nicht vertreten, desto häufiger in Unteritalien (Apulien und Lu- 524/25 canien), eine malerische, mit zahlreicheren und bunteren Farben auf der Grundlage des rotfigurigen Stiles sich entwickelnde
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Gattung. Diese Einteilung gilt, so vieles auch im einzelnen genauer erkannt worden ist und so sehr sich auch unsere Kenntnis der älteren Stile erweitert hat, bis auf den heutigen Tag. Aber noch eine vierte wichtige Frage heischte Antwort: durfte man denn die in etruskischen Gräbern gefundenen Vasen- gemälde für Erzeugnisse der griechischen Malerei halten und sie für deren Entwickelungsgeschichte verwerten? Trotz dem griechi- schen Stil, dem griechischen Inhalt, den griechischen Inschriften ward dies keineswegs sogleich allgemein anerkannt. In Griechen- land selbst waren damals erst vereinzelte Vasenfunde gemacht worden; das meiste davon ward erst 1837 aus Stackeibergs Nach- laß von Gerhard veröffentlicht. Freilich für etruskischen Ursprung erklärte sich nur der Lokalpatriotismus einzelner italienischer Ge- lehrten: aber waren es etwa griechische Ansiedler in Etrurien, von denen diese Gefäße herrührten? Oder waren sie auf dem Wege des Imports von Griechenland (an Athen dachte zuerst, wenn auch schwankend, Karl Otfried Müller) dorthin eingeführt worden? Diese und ähnliche Fragen wurden eifrig erörtert und in gar verschiedenen Schattierungen beantwortet. Das klärende Wort kam von philologischer Seite, von Gustav Kramer (1837), der wegen seiner Strabonstudien sich längere Zeit in Rom auf- gehalten und mit dem Archäologischen Institut Fühlung gewonnen hatte. Von dem paläographischen Charakter der Inschriften aus- gehend sprach er die »orientalisierenden« Vasen größtenteils den Korinthern, die schwarz- und rotfigurigen den Athenern zu, ja auch die Herkunft der sogenannten unteritalischen Vasen male- rischen Stils suchte er in Athen. Kramer fand vielfachen Wider- spruch; den Archäologen galt er nicht als zünftiger Beurteiler. Seinen Ansichten verschaffte erst siebzehn Jahre später Otto Jahn allgemeine Geltung durch die ausführliche Nachprüfung in der Einleitung zu seiner »Beschreibung der Münchener Vasensamm- lung« (1854), nur daß Jahn mit den meisten Fachgenossen die Heimat der malerischen Vasengattung von Athen nach Unter- italien verlegte. Für die Chronologie der Vasen glaubte Jahn nach dem damaligen Stande unserer Kenntnis von griechischer Paläographie annehmen zu dürfen, daß die schwarzfigurige Klasse
Die Vasenklassen. Das pompejanische Alexandermosaik 65
einer Periode angehöre, deren untere Grenze, nach der Schrift zu schließen, bis etwa zum Beginne des peloponnesischen Krieges reiche, daß die rotfigurige Art aber lange nebenher gegangen sei. Ihre Anfänge sollten danach schon vor die Perserzeit (480) fallen ; der »strenge« Stil beherrsche im ganzen das 5. Jahrhundert, der »schöne« Stil komme etwa mit dem Ende dieses Jahrhunderts auf und herrsche im vierten.
Diese Andeutungen werden genügen das Interesse zu erklären, dem die Vulcenter Funde und was sich daran anschloß überall in der archäologischen Welt begegneten. Aber bei alledem blieb es doch nur bescheidenes Kunsthandwerk und konnte die Sehn- sucht nach einer Anschauung der großen griechischen Malerei nicht stillen. Auch diesem Wunsche ward seine Befriedigung 94 durch die Entdeckung des großen Mosaiks der Alexander- 559 Schlacht in der casa del Fauno (oder wie man damals sagte, der casa di Qoethe) in Pompeji. Die Aufdeckung fiel in das gleiche Jahr 1831, in dem Gerhards Rapporto volcente erschien. Freilich war es kein eigentliches Gemälde, sondern nur die ver- mutlich alexandrinische Kopie eines solchen in Mosaik, aber die Komposition bot das Muster eines Schlachtbildes dar, insofern nicht ein Überblick über die Bewegungen großer Massen (die niemals ein deutliches Bild gewähren können) angestrebt, sondern der entscheidende Moment des Zusammenpralls zwischen Alexander und dem Großkönig gewählt und zu deutlichstem Ausdruck ge- bracht worden ist; die folgende Niederlage kann keinem Beschauer zweifelhaft sein. Es ist ein Bild großen Stils, dessen Eindruck in Goethes Worten, kurz vor seinem Tode niedergeschrieben, zu treffendem Ausdruck kommt: »Mit- und Nachwelt werden nicht hinreichen solches Wunder der Kunst richtig zu kommen- tieren, und wir genötigt sein nach aufklärender Betrachtung und Untersuchung immer wieder zur einfachen reinen Bewunderung zurückzukehren. «
Während um die Wende des 3. und des 4. Jahrzehnts Italien der Archäologie so bedeutenden neuen Stoff bescherte, boten die
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 5
66 IV. Die Grabsiätten Etniriens und die antike Malerei
nächsten Jahrzehnte dort nur Einzelfunde. Zu den Männern, die in Toscana seit lange mit dem größten Eifer und mit gün- stigstem Erfolg Ausgrabungen betrieben, gehörte Alessandro Frangois (1796/1857). In zahlreichen Nekropolen Etruriens hatte er seinen Spaten angesetzt; zehn Jahre lang untersuchte er für Noel des Vergers, den Schwiegersohn des bedeutenden Pariser Verlegers Firmin Didot, die alten Orte der Maremmenküste; mit ungewöhnlichem Geschick und sicherer Methode wußte er die richtigen Plätze zu bestimmen oder überhaupt zuerst die Lage der Nekropolen (z. B. in Pisa und in Volterra) aufzufinden. Seine beiden glücklichsten Entdeckungen lagen auf dem zuletzt be- trachteten Gebiet antiker Malerei. Im Jahre 1844 fand er in einem Grabe bei Chiusi, der altetruskischen Hauptstadt Clusium, in zahllose Stücke und Stückchen zersplittert und durch das ganze große Grab verstreut, ein Prachtstück antiker Töpferkunst 88 und Tonmalerei, die nach ihm benannte Fran^oisvase, die 316/17 einen Hauptschmuck des Etruskischen Museums in Florenz aus- macht und auch aus der Zertrümmerung, die ihr kürzlich bar- barische Roheit bereitete, fast vollständig wieder hervorgegangen ist Man muß den Bericht des trefflichen Mannes lesen, um der Mühen, der Leiden und Freuden inne zu werden, unter denen der Fund gewonnen und gesichert ward. Das große, Vs Meter hohe Gefäß ist das Hauptbeispiel einer bis dahin kaum bekannten altattischen Vasengattung, etwa aus solonischer Zeit, und bildet den Übergang von der korinthischen zur schwarzfigurigen Klasse (S. 63). Füllte es somit eine Lücke in der Geschichte der Vasen- kunst aus, so boten auch die vielen Streifen, mit denen der Bauch des Gefäßes umzogen ist, eine überraschende Fülle aus- führlicher mythologischer Schilderungen in sorgfältigster Aus- führung dar. Sie warfen Licht auf verlorene wichtige Kunst- werke der gleichen Periode, die sogenannte Lade des Kypselos und den Thron des Apollon von Amyklä bei Sparta, die wir beide nur aus der Beschreibung bei Pausanias kennen. Indem nun zu der korinthischen hölzernen Lade und dem ionischen Steinbildwerk in Lakonien auch ein attisches malerisches Hand- werkserzeugnis ähnlicher Art trat, zeigte sich auf das deutlichste^
Alessandro Frangois. Odysseebilder 67
wie in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts durch ganz Griechen- land und durch alle Kunstarten hindurch das Bedürfnis sich geltend machte die gestaltenreiche Fülle des Mythenschatzes in fester künstlerischer Form auszuprägen und über die Darstellung mythischer Einzelszenen hinaus diese, ebenso wie das Epos Einzelgedichte zu größeren Epen zusammenfaßte, in größeren Szenenreihen auszugestalten.
Der andere Fund gelang Frangois gegen das Ende seines Lebens, indem er 1857 gemeinsam mit Noel des Vergers in Vulci eine Grabkammer mit reichem und mannigfachem Gemäldeschmuck 731/32 entdeckte; er hatte die Stelle nach einer Gruppe von Eichen ver- mutet, deren Nährboden, im Gegensatz zu dem rings anstehenden Felsboden, auf eine alte Kulturstätte schließen ließ. Die Bilder dieser grotta Frangois sind dadurch so berühmt geworden, daß sie in durchgeführtem Parallel ismus blutigen Szenen aus der griechischen Heldensage ähnliche Szenen aus etruskischen Sagen gegenüberstellen. Diese Bedeutung ward freilich erst erkannt, als Otto Jahn die etruskischen Inschriften der letzteren Hälfte las und deutete. So trat Macstrna (Mastarna), der Servius Tullius der Römer, mit seinen Genossen Caile und Avle Vipinas (Vi- benna) ans Tageslicht, und auch die aus römischer Königslegende wohlbekannten Namen Tanchvil (Tanaquil) und Cneve Tarchnu Rumach (Gnäus Tarquinius aus Rom) fehlten nicht. Durch die Anknüpfung an etruskische Sage standen diese Bilder zunächst ganz vereinzelt da; erst später haben sich einige ähnliche Dar- stellungen gefunden.
Einen anderen Beitrag zur Anschauung griechischer Malerei lieferte die Hauptstadt Rom, indem 1848 beim Abbruch eines ärmlichen Häuschens in der Via Graziosa am Esquilin eine lange bemalte Wand zum Vorschein kam, die etwa 1900 Jahre lang ihren Farbenschmuck frisch bewahrt hatte. Rote, perspektivisch gemalte Pfeiler bildeten eine Art Galerie, von der aus sich zwischen den Pfeilern der Blick in eine weite, zusammenhängende, mit 95 Szenen der Odyssee belebte Landschaft öffnete; die Szenen 763 reichten von dem Lästrygonenabenteuer bis zur Hadesfahrt. Eine landschaftliche Komposition von solcher Ausdehnung, ihre illu-
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sionistische Verwendung als Durchblick aus einer nur gemalten Galerie, das Wandelbild der von Feld zu Feld sich weiter ent- wickelnden Irrfahrten des Odysseus — all das war neu und harrte einstweilen der Einordnung in einen Zusammenhang, der sich erst später infolge weiterer Entdeckungen und eindringender Forschungen aufhellen sollte (s. u. Kap. VII).
In ganz anderer Richtung, weit zurück ins graue Altertum, führte eine Entdeckung, die schon im April 1836 bei Cerveteri, dem alten etruskischen Cäre, gemacht ward. Der Erzpriester Regulini und der General Galassi hatten das Glück auf ein Grab von ebenso eigentümlicher Anlage wie ungewöhnlichem Inhalt zu stoßen. Ein langer Gang, nach dem System vorkragender horizontaler Steinlagen eingewölbt, gab sich schon hierdurch als sehr altertümlich kund, noch mehr aber trug das reiche Metall- gerät, das ihn füllte, Erz, Silber und Gold, ein solches Gepräge. In Formen und Ornamenten wies es auf orientalischen Ursprung oder orientalische Vorbilder. Man dachte an die alte Handels- tätigkeit der Phönizier, wie sie uns die homerischen Gedichte schildern, und da manche Einzelheit geeignet war homerisches Gerät zu erklären, so gewann das Grab Regulini-Galassi eine bedeutende Wichtigkeit bei den Bemühungen uns von der homerischen Kunst ein bestimmteres Bild zu machen, ein Bild, das erst durch die an Schliemanns Namen geknüpften Entdeckungen (Kap. VIII) berichtigt und erweitert worden ist. Der ganze In- halt des Grabes gelangte in das Etruskische Museum, das eben in jenem Jahre Papst Gregor XVI. im Vatikan eröffnete, um einen großen Teil der Ausbeute Etruriens aus dem letzten Jahrzehnt darin zu vereinigen.
Auch die Skulptur entbehrte in dieser Zeit nicht ganz be- deutsamen Zuwachses. In den dreißiger Jahren fand sich auf einem Besitztum der Familie Antonelli bei Terracina eine wohl- erhaltene Porträtstatue, die die Besitzer 1839 dem Papste Gregor XVI. 62 schenkten. In ihr ward alsbald Sophokles erkannt. Es ist die 521 vornehmste Bildnisstatue, die aus dem Altertum auf uns gekommen ist, ein vollendetes Charakterbild des Lieblingstragikers des peri- kleischen Athen, die Mitte haltend zwischen der idealen Wieder-
Grab Regulini-Galassi. Sophokles. Apoxyomenos. Campana 69
42 gäbe eines Periklesbildnisses und der naturalistischen Durchbil- 422
62 düng einer Demosthenesstatue. Der Sophokles war für den Papst 555 der würdige Anlaß zur Gründung eines neuen großen Antiken- museums im lateranischen Palaste; einen weiteren Anstoß dazu gab ein kolossales Athletenmosaik, das schon 1 824 in den Cara- 857 Callathermen aufgedeckt worden war. Kaum minder bedeutend war die 1849 im Trastevere gemachte Entdeckung einer Athleten-
63 Statue, in der nach kurzem Schwanken der Apoxyomenos Lysipps 536 erkannt ward. Die gute Kopie bot uns die erste sichere An- schauung lysippischer Kunst und bildete so für lange die feste Grundlage für ein genaueres Studium des letzten großen Meisters und Gesetzgebers griechischer Plastik. Sie erhielt einen hervor- ragenden Platz als Abschluß des vatikanischen Braccio nuovo.
Während so neue päpstliche Museen entstanden oder alte bedeutenden neuen Zuwachs erhielten, erblickte Rom gleichzeitig die Bildung einer neuen Privatsammlung, vielleicht der reich- haltigsten, die im 19. Jahrhundert entstanden ist. Die Erschei- nung bietet Interesse genug um hier verfolgt zu werden, wenn es sich auch nur zu kleinem Teil um neue Entdeckungen handelt Giovanni Pietro Campana gehörte einer wohlhabenden römischen Bürgerfamilie an, die seit der Mitte des 1 8. Jahrhunderts die Lei- tung des römischen Leihhauses, des Monte di pietä, in Händen gehabt hatte. Giampietro war der Dritte in dieser Reihe. Gregor XVI. berief 1832 den erst Fünfundzwanzigjährigen, der kaum seine Studien beendet hatte, auf jenen Posten und fand sich in seinen Erwartungen nicht getäuscht, da es dem ener- gischen Jüngling binnen kurzem gelang das durch die Zeitver- hältnisse herabgekommene und verschuldete Pfandinstitut zur be- deutendsten Depositenbank Roms auszugestalten.
Campana hatte schon in jungen Jahren an einer kleinen, vom Großvater Giampietro (einem Günstlinge des Papstes Pius VI.) ererbten Antikensammlung und an einer Münzsammlung seines Vaters Prospero seine Neigung für die antike Kunst und für das Sammeln genährt. Ein nicht unbedeutendes väterliches Vermögen erlaubte ihm dieser Neigung zu fröhnen; eine kleine Villa in der Nähe des Laterans beherbergte seine Schätze. In seiner neuen
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Stellung begann aber Campana das Sammeln in rasch steigendem Maße. Schon in den dreißiger Jahren genossen seine wenig zu- gänglichen Sammlungen einiges Ansehen. Bald ging er vom bloßen Sammeln zu eigenen Ausgrabungen über. In Ostia er- wiesen sich diese 1834 wenig ergiebig, dagegen gelang 1840 die Aufdeckung eines großen Massengrabes (Columbarium) aus 786 früher Kaiserzeit in der Vigna Codini, nahe beim Grabmal der Scipionen. Im Winter 1842/43 grub Campana inVeji eine hoch- altertümliche Grabkammer mit den ältesten aller bekannten etrus- kischen Wandmalereien aus, 1845 ein geringeres Grab auf dem 721 Monte Abatone bei Cerveteri, dem alten Caere. An diesem Ort erzielte er bald seine größten Erfolge. Das Jahr 1 850 brachte so- 23 wohl die grotta dei rilievi zu Tage (eine große Grabkammer, die mit ihrem gemalten Reliefschmuck das getreue Abbild einer Wohnung des Lebenden, mit naturalistisch durchgeführter Nachahmung des gesamten Mobiliars und Hausgerätes, wiedergab) wie das soge- nannte »lydische Grabmal«, einen großen bemalten Tonsarko- 740 phag, die Nachbildung eines Bettes, auf dem das hochaltertüm- liche Paar gelagert ist. Dies lange geheim gehaltene Prachtstück etruskischer Tonbildnerei erhielt 1856 ein Seitenstück an den ebenfalls sehr altertümlichen bemalten Tonplatten, mit denen ein anderes Grab in Cerveteri geschmückt war (vgl. S. 63); der ge- 722 brannte Ton hatte die Malereien vor den Zerstörungen geschützt, denen Wandgemälde durch die Einflüsse der Feuchtigkeit und Luft ausgesetzt zu sein pflegen. Cerveteri bot Campana auch reiche Vasenschätze, darunter die bisher einzigen Beispiele einer merkwürdigen Klasse (»Cäretaner Vasen«), deren ionischer Ur- 312 Sprung erst spät erkannt worden ist (vgl. Kap. IX). Zu dem Ertrage der eigenen Ausgrabungen kamen sodann Ankäufe in allen Teilen Italiens; z. B. kaufte Campana dem Grafen von Syra- kus, dem liberalen Bruder des neapolitanischen »av? Bomba«, den Ertrag seiner Ausgrabungen in Cumä ab, darunter die »Königin der Vasen«, eine Hydria mit einer Darstellung der eleusinischen Gottheiten in bemaltem und vergoldetem Relief. Sogar Griechen- land soll Campana in den Bereich seiner Erwerbungen gezogen haben.
Sammlung Campana 71
So entstand im Lauf eines Vierteljahrhunderts ein Museum von wunderbarer Vielseitigkeit. Die Marmorabteilung (über 500 Stück) enthielt freilich meistens gewöhnliche römische Ware, aber auch einzelne gute Stücke; am höchsten stand wohl ein schönes Niobidenrelief. Leider hatte Campana nach römischer Unsitte die zerbrochenen Statuen und Reliefs durch den Bildhauer Filippo Onaccarini (denselben, der die gleiche verwüstende Tätigkeit später im Museum Torlonia ausgeübt hat) willkürlich ergänzen und schließlich alles mit einem stumpfen weißen Brei, der »Gnac- carinischen Brühe«, überziehen lassen, so daß die Marmore ihren künstlerischen Reiz und ihre wissenschaftliche Verwertbarkeit großenteils eingebüßt haben. Besondere Popularität genoß die Sammlung römischer Tonreliefs, die Campana selbst herausgab und die dieser ganzen Gattung den Namen »Campanareliefs« ein- getragen haben. Es waren römische Dekorationsstücke auf Grund hellenistischer Vorbilder, für den Schmuck von Backsteinbauten besonders geeignet. Freilich tat es auch hier der Echtheit und Zuverlässigkeit vieler Stücke argen Abbruch, daß Campana selbst eine Tonfabrik besaß; bei der dort vorgenommenen Ergänzung der meistens nur als Bruchstücke zum Vorschein gekommenen Originale verloren diese natürlich viel von ihrem Werte, ja oft entstanden ganz wertlose Pasticci oder gar vollständige Fälschungen. Als stark beteiligt an diesen Operationen wird der geschickte und bei mancherlei Fälschungen tätige Restaurator Pennelli bezeichnet, der auch die Sammlung Campana später nach Paris begleitete. Den Tonreliefs standen zahlreiche, ebenfalls vielfach ergänzte Ton- figürchen zur Seite; die Zahl der gesamten Terrakotten belief sich auf rund 1 900. Von auserlesenem Werte war die aus etrus- kischen und unteritalischen Ausgrabungen gewonnene Vasensamm- lung von nicht weniger als rund 3800 Stück, die sämtliche da- mals bekannte Vasenklassen und manche unbekannte in großen- teils vorzüglichen Exemplaren umfaßte. Hier war eben alles in Massen vertreten: gegen 600 Bronzen, 460 Glasgefäße, nahezu 1600 Stück Goldgeschmeide, Gemmen, erlesene Münzen, unter den letzten beiden Klassen viele ausgezeichnete Stücke! So ging das Sammeln in immer rascherem Tempo weiter. In den fünf-
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ziger Jahren trat eine neue Leidenschaft hinzu, für die mittel- alterliche und moderne Kunst Italiens. Rasch waren über 1000 Gemälde beisammen, vom 13. bis zum 1 7. Jahrhundert, natürlich gern mit hochtrabenden Namen bezeichnet; sie füllten drei Stock- werke eines großen Hauses in der Via del Babuino. Etwa 700 Majoliken, meistens gröberer Art, ergänzten die Gemäldegalerie. Alle diese Schätze, mit Ausnahme der »Campanareliefs«, führten ein sozusagen verborgenes Dasein. Nur auserlesenen Freunden und wohlempfohlenen Fremden öffnete der mittlerweile Marchese gewordene Besitzer seine Sammlung, und selbst diesen nur einzelne Abteilungen. So blieb z. B. Heinrich Brunn, dem Sekretär des Deutschen Archäologischen Institutes, der bei der Abfassung der Vasenkataloge hilfreiche Hand geboten hatte, die Existenz des etruskischen Tonsarkophags und der bemalten Ton- platten (S. 70) lange verborgen, und von der kolossalen Ge- mäldegalerie erfuhr man überhaupt erst, nachdem 1857 die Kata- strophe über den Sammler hereingebrochen war. Die Sammel- leidenschaft hatte nämlich Campana weit über die Grenzen seines eigenen Vermögens hinausgelockt; seine Stellung als Leiter der großen Depositenbank hatte ihn verführt, zuerst mit Zustimmung der Behörde und gegen Verpfändung eines besonders wertvollen Teils seiner Sammlung 90000 Mark, dann nach und nach gegen bloße Hinterlegung von Quittungen bis etwa 2^/^ Millionen der Kasse zu entnehmen. Nach der Ansicht kundiger und vorurteils- freier Beurteiler war dies in dem guten Glauben geschehen, daß diese Anlehen durch den Wert seiner Sammlungen (die von dem offiziellen Archäologen Pietro Ercole Visconti auf 4 Millionen Mark geschätzt wurden) mehr als gedeckt seien. Um indessen den steigenden Verlegenheiten zu entgehen, hatte Campana um die Mitte der fünfziger Jahre nach verschiedenen Seiten Verhand- lungen wegen Verkaufs seiner Sammlungen oder eines Teiles von ihnen angeknüpft und zu diesem Zweck eingehende Ver- zeichnisse anfertigen lassen, die erst 1858 nachlässig gedruckt wurden. Aber die Verhandlungen hatten noch zu keinem Ende geführt, als plötzlich im Oktober 1857 Papst Pius IX. von Bologna aus gegen die ungerechten Verwalter öffentlicher Kassen eine
Zerstreuung der Sammlung Campana 73
drohende Erklärung erließ; bald nach seiner Rückkehr nach Rom ward unangemeldet eine Untersuchung im Monte dl pietä ange- stellt und am 28. November der Marchese ins Gefängnis abge- führt. Als ich vierzehn Tage später nach Rom kam, war die Aufregung in der ganzen Stadt noch groß und überall ward das Für und Wider erörtert. Campana ward im folgenden Jahre zu den Galeeren verurteilt, aber im Januar 1859 zur Verbannung be- gnadigt; der römische Gassenwitz ließ ihn in Neapel, wohin er sich begab, Direktor des (wegen mancherlei Unregelmäßigkeiten übel beleumdeten) Museo Borbonico werden. Die großen Samm- lungen Campanas, die eingezogen worden waren, fanden erst nach mehrjährigen Verhandlungen ihre Käufer. Im Februar 1861 erwarb Rußland für 520000 Mark einen Teil der Marmorwerke (darunter das Niobidenrelief) und Bronzen, sowie 518 zum Teil sehr wertvolle Vasen; um seiner Zufriedenheit mit dem Kauf Ausdruck zu verleihen, fügte der Papst, wie man wenigstens da- mals in Rom erzählte, die schöne Reliefhydria von Cumä (S. 70) als Zugabe bei. Nunmehr entschloß sich auch Napoleon III., der von Ham her der Marchesa zu Dank verpflichtet war, nach langem Zögern den Rest der Sammlung für ungefähr 8^/2 Mil- lionen Mark anzukaufen und als Musee Napoleon III. nach Paris verbringen zu lassen. So kam der Louvre in den Besitz der etruskischen Prachtstücke (S. 70), der Gläser, der Goldsachen, der Terrakotten, der Campanareliefs, von etwa 300 Marmoren, endlich von 3400 Vasen, die die schöne, bereits vorhandene Samm- lung auf einen ungewöhnlichen, für manche Klassen auf den ersten Rang erhoben. Geringere Stücke oder Serien wurden an kleinere staatliche, departementale oder Universitätsmuseen abge- geben. Nachträglich gelangten auch noch einzelne, nicht immer unbedeutende Gruppen von Vasen von Rom aus auf Schleich- wegen in die Museen von Florenz, Brüssel, Genf. Der Sammler überlebte seinen Sturz noch um mehr als zwei Jahrzehnte eines unsteten Wanderlebens; 1880 starb er in dürftiger Lage in Rom, seiner Heimat, die ihn längst vergessen hatte.
74 IV. Die Grabstätten Etruriens und die antike Malerei
Die meisten der oben (S. 66 ff.) aufgeführten Einzelfunde er- hielten ihre erste Veröffentlichung und Erklärung in den Schriften des Archäologischen Instituts. Unter der Leitung deutscher Sekretäre, mit pekuniärer Beihilfe der preußischen Regierung und des Herzogs von Luynes (S. 59), waren etwa zwanzig Jahre hindurch deutsche, italienische und französische Gelehrte an seinen Arbeiten beteiligt, bis in dem bewegten Jahre 1 848 die französische Sektion ihre Tätigkeit einstellte und den anderen beiden Nationen das Institut überließ, das außer durch seine Publikationen auch durch wöchentliche Sitzungen und durch eine allmählich wachsende Bibliothek mehr und mehr der Mittelpunkt der archäologischen Studien in Rom ward. In besonderem Maß erfuhren dies die jüngeren deutschen Gelehrten, die seit dem Ende der dreißiger Jahre Rom um gelehrter Zwecke willen aufsuchten. An deutschen Universitäten vorgebildet, wo besonders Welcker in Bonn, Karl Otfried Müller in Göttingen, Gerhard in Berlin Archäologie lehrten, fanden sie in dem Sekretär des Instituts, Emil Braun, einen geist- vollen, wenn auch nicht streng wissenschaftlichen Führer. Braun gehörte übrigens zu den Ersten, die den Nutzen archäologischer Übungen erkannten. Jahn, Brunn, Stephani, Wieseler, Stark und andere erfuhren solchen Einfluß. Als dann nach kritischen Jahren 1856 Heinrich Brunn an Brauns Stelle trat, war inzwischen eben durch jene ältere Generation das Studium der Archäologie an den deutschen Universitäten zu größerer Blüte gelangt, und die bald in ganzen Scharen zuströmenden »ragazzi« fanden im In- stitut unter Brunns Leitung eine Art archäologischer Oberuni- versität. Eine reichlichere Unterstützung seitens des preußischen Staates und die Einrichtung einiger Reisestipendien förderten die Zwecke des Instituts. Dieses aber erschöpfte seine Tätigkeit weder in der Anleitung der archäologischen Jugend noch in der Herausgabe der regelmäßigen Publikationen {Monumenü, Annali, Bullettini), sondern es griff auch auf die beiden Auf- gaben zurück, die ihm gewissermaßen als Erbteil Gerhards (S. 56 f.) überkommen waren.
In erster Linie galt es die Katalogisierung des zerstreuten Antikenbesitzes wiederaufzunehmen. Zöglinge des Instituts waren
Tätigkeit des Archäologischen Institutes. Kataloge 75
es, die in Rom das lateranische Museum (Benndorf und Schöne), die Sammlung Ludovisi (Schreiber), die zerstreuten Antiken Roms (Matz und von Duhn), neuerdings auch das vatikanische Museum (Amelung und Petersen) bearbeiteten. In Neapel verzeichnete Heibig die Gemälde, Heydemann die Vasensammlung. Die zahl- reichen Museen Oberitaliens wurden von Dütschke, Florenz über- dies von Amelung beschrieben. In Athen inventarisierte Kekule das Theseion, Heydemann die kleineren Sammlungen; hier nahmen auch Mitglieder der französischen Schule, Collignon (Vasen), Martha (Terrakotten), de Ridder (Bronzen), an dieser mühsamen Aufgabe teil. In München katalogisierte Jahn die Vasensammlung, Brunn die Glyptothek; in Berlin sorgten Gerhard, Friederichs, Wolters, Conze, Furtwängler, in Petersburg Stephani für wissen- schaftliche Kataloge. Die Skulpturen Spaniens beschrieb Hübner, die zerstreuten Bildwerke Großbritanniens Michaelis. Alle diese Arbeiten, Werke geduldigen und entsagungsvollen Fleißes, bilde- ten die notwendige Ergänzung zu der Tätigkeit des Spatens. Wenn zumeist Deutsche daran teilgenommen haben, so liegt das wohl zum Teil im deutschen Charakter und in der wissenschaft- lichen Erziehung unserer Universitäten begründet (liegt doch auch die mühsame Beschaffung des handschriftlichen Apparates für die kritischen Ausgaben der klassischen Schriftsteller vorzugsweise in deutschen Händen), aber auch das Vorbild Gerhards und die Einwirkung des Instituts haben ihren Teil daran. So sind ja auch die französischen Teilnehmer an diesem Werke Zöglinge der Französischen Schule in Athen, während die Italiener, denen lange eine gleiche Schulung fehlte, sich von dieser Aufgabe fast gänzlich fern halten; Giuseppe Valentinelli (Venedig), Giovanni Jatta (Ruvo) und Antonio Sogliano (Pompeji) bilden seltene Aus- nahmen. England geht seine eigenen Wege, aber das Britische Museum sorgt wenigstens für tüchtige Kataloge, unter denen die der Münzsammlung, unter Pooles und Heads Leitung angefertigt, eine besonders hohe Stelle behaupten.
Auch eine zweite Reihe von Aufgaben des Instituts liegt ganz in der Richtung Gerhards. Dieser hatte, älteren Vorgängen folgend, die Notwendigkeit erkannt, gleichartige Kunstwerke in möglichst
76 IV. Die Grabstätten Etruriens und die antike Malerei
vollständigen Abbildungswerken zu sammeln. Für die etrus- kischen Spiegel hatte er dies selbst besorgt; bei den griechischen Vasen hatte die Überfülle des Stoffs zu einer Auslese gezwungen; bei den etruskischen Aschenkisten war es beim Sammeln von Zeichnungen geblieben. Das Vorbild des Corpus inscriptionum Graecarum, dem mittlerweile die methodischer angestellten Vor- arbeiten für die Sammlung der lateinischen Inschriften gefolgt waren, konnte die Unentbehrlichkeit solcher Stoffsammlungen handgreiflich machen. So nahm denn Brunn die Sammlung der etruskischen Aschenkisten oder »Urnen« mit neuem Material wieder auf, und als das Institut, 1874 in eine Anstalt des deutschen Reiches umgewandelt, über reichere Mittel verfügte, schlössen sich andere Unternehmungen an: Reinhard Kekule übernahm unter Mitwirkung Hermann von Rohdens und Franz Winters die Samm- lung der antiken Terrakotten, Friedrich Matz und nach dessen frühem Tode Garl Robert die Bearbeitung der römischen Sarko- phage, Alexander Conze führte im Verein mit anderen die von ihm im Auftrage der Wiener Akademie unternommene Heraus- gabe der attischen Grabreliefs aus. Die Wahl der Denkmäler- gattungen hing davon ab, ob sich ein geeigneter Bearbeiter fand und bereit erklärte. Die umfangreichsten Gattungen, Statuen und Büsten sowie Vasen, stehen noch aus. Die vom Institut in An- griff genommenen Serien zeigen aber, daß ohne sehr bedeutende Mittel und ohne einen Stab arbeitslustiger und opferbereiter Be- arbeiter dergleichen Unternehmungen unausführbar sind. Bisher ist das Institut auf diesem Wege allein vorgegangen, es erstrebt aber durchaus kein Monopol; andere Anstalten und andere Na- tionen finden hier ein weites Feld für gemeinsame Arbeit Für die Skulpturen veranstaltet einstweilen Paul Arndt mit einer Anzahl von Mitarbeitern eine vorbereitende photographische Sammlung.
Im Zusammenhang hiermit mag auch darauf kurz hinge- wiesen werden, daß das Archäologische Institut in Rom auch die Wiege der heutzutage so blühenden römisch-epigraphischen Studien ist. Durch den Grafen Bartolommeo Borghesi waren sie beim Institut eingebürgert worden; unter seiner Ägide hatte
Serienpublikationen. Epigraphik. De Rossi 77
schon in den dreißiger Jahren Olaus Kellermann sich ihnen ge- widmet und führten in den vierziger Jahren Theodor Mommsen und Wilhelm Henzen jene epigraphischen Reisen und Studien durch, aus denen das Corpus inscriptionum Latinarutn hervor- gehen sollte. Daß dieses aber in möglichst vollkommener Weise unter Mommsens Oberleitung hat ausgeführt werden können, daran gebührt wiederum ein nicht geringes Verdienst der klaren Einsicht und zähen Energie Eduard Gerhards, der nicht müde ward bei der Berliner Akademie diesen Plan zu vertreten und hartnäckigem Widerstände gegenüber ihm zu seinem endlichen Siege zu verhelfen. Die ganze Arbeit, die sich ein halbes Jahr- hundert hindurch um die Vollendung dieses großen Werkes gruppiert hat, an deren Durchführung eine große Anzahl tüchtiger jüngerer Kräfte teilgenommen hat und deren römischen Teil seit Henzens Tode Christian Hülsen versieht, hat bekanntlich eine völlige Neugestaltung der römisch-antiquarischen Studien zuwege gebracht.
An den Vorbereitungen zum Corpus wie an den Sitzungen und Arbeiten des römischen Instituts war seit etwa 1850 der römische Edelmann Giambattista de Rossi, der schon früher Mommsen und Henzen nahegetreten war, lebhaft beteiligt. Der Archäologie noch näher verwandt als der Epigraphik ist das Hauptgebiet seiner Studien, die christlichen Altertümer, die das Archäologische Institut von Anfang an, um alle unliebsamen Berührungen mit vatikanischen Behörden und Gelehrten zu ver- meiden, von seinem Bereich ausgeschlossen hatte. Hier wird es genügen, auf den ganz neuen Weg hinzuweisen, den diese Disziplin infolge von de Rossis Neuentdeckung der römischen Katakomben eingeschlagen hat.
Die Katakomben, die unterirdischen »Ruheplätze« (Coemete- rien) der römischen Christen aus den ersten drei Jahrhunderten, die in großer Zahl rings um die Stadt zerstreut liegen, waren seit dem 16. Jahrhundert Gegenstand von Nachgrabungen und Forschungen gewesen; schon 1632 erschien die grundlegende
78 IV. Die Grabstätten Etruriens und die antike Malerei
Roma sotterranea des Maltesers Antonio Bosio, ein Werk mehr als dreißigjährigen Fleißes. Aber es hatte ein eigentümlicher Unstern über diesen älteren Bemühungen gewaltet: nirgends war man zu den Gräbern berühmter Märtyrer und Heiligen vorge- drungen, obschon man doch von vielen wußte, in welcher Kata- kombe sie beigesetzt waren und daß sie dort im frühen Mittel- alter die Verehrung der herbeiströmenden Pilger und Gläubigen genossen hatten. Eine der berühmtesten Grabstätten war eine Katakombe an der Appischen Straße, die bald nach dem dort 258 als Märtyrer getöteten und begrabenen Papste Sixtus IL, bald nach der Heiligen Cäcilie, bald nach Callistus, dem eigent- lichen Ordner der weitläufigen Anlage, benannt ward. Man suchte sie allgemein bei der Kirche San Sebastiano, wo zwar eine Kata- kombe sich befand, aber keine Spur von Gräbern jener großen Heiligen erschien. Und so stand es überall; bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts blieb die Kenntnis der Katakomben auf die gewöhnlichen Gänge mit ihren einfachen Grabnischen und auf deren gelegentliche Erweiterungen zu reicher geschmückten Grab- kammern beschränkt.
Im Jahre 1841 ward die Aufsicht über die Katakomben von Papst Gregor XVI. dem gelehrten Jesuiten Giuseppe Marchi über- tragen, der nun ihre Durchforschung ernsthaft wieder aufnahm. Er beseitigte beispielsweise den weitverbreiteten Irrtum, daß die Christen für ihre Begräbnisplätze alte Puzzolangruben benutzt hätten, indem er nachwies, daß die Gänge der Katakomben nie im Bereiche der weichen Puzzolanerde, sondern immer in Tuff- schichten sich finden und daß auch hier nicht etwa alte Stein- brüche zu neuer Verwendung gekommen, sondern daß die weit- verzweigten, engen und meistens sich in rechtem Winkel schnei- denden Gänge eigens für die Ruheplätze der Toten angelegt worden sind. Aber Marchi war nur der Vorläufer eines Größeren, des jungen de Rossi, der ihn auf seinen Entdeckungszügen zu begleiten pflegte. Dieser überragte den Führer an Weite des Blickes, an Energie wissenschaftlicher Forschung und an scharf- sinniger Kombination. Ein gründliches Studium der frühmittel- alterlichen Pilgerbücher (unter denen das Itinerar im Kloster Ein-
Die Katakomben 79
siedeln besonders wertvoll und berühmt ist) in Verbindung mit einer planmäßigen Durcharbeitung der übrigen frühchristlichen und kirchlichen Literatur ließ ihn ganz neue Einblicke in die Lage und örtliche Aufeinanderfolge der Katakomben gewinnen. Auf diesem Wege gelangte er zu der Überzeugung, daß die Six- tuskatakombe etwas näher bei der Stadt als bei San Sebastiano angesetzt werden müsse. So suchte er denn die ganze Gegend sorgfältig ab und ward im Jahre 1849 durch den Fund einer zerbrochenen Marmorplatte belohnt, deren erhaltene rechte Hälfte die Worte . . nelius martyr enthielt. Daß der 251 getötete heilige Cornelius in einer Abteilung der Sixtuskatakombe begraben lag und dort besondere Verehrung genossen hatte, wußte de Rossi aus der Literatur; er durfte also hoffen auf der richtigen Spur zu sein. Auf diesen glücklichen Fund hin bewog der sieben- undzwanzigjährige Gelehrte den Papst Pius IX. die Vigna, in der das Fragment gefunden worden war, anzukaufen und erhielt vom Papste den Auftrag weitere Nachforschungen und Ausgra- bungen anzustellen.
So begannen jene glänzenden Entdeckungen, die Jahr für Jahr ein neues Kapitel christlicher Archäologie erschlossen. Es stellte sich bald heraus, daß im 4. Jahrhundert, nach Freigebung des christlichen Kultus, zur Regelung des Katakombenbesuches der Pilger, die mehrere Jahrhunderte hindurch in dichten Scharen zu den Gräbern der Märtyrer wallfahrteten, von dem Papste Damasus große ummauerte Schachte mit breiten Treppen angelegt worden waren, die die geringeren Gräberreihen rück- sichtslos durchbrachen, um die Pilger möglichst graden Weges zu den Gräbern der Hauptmärtyrer und Heiligen zu leiten. Durch besondere, auf Bogen ruhende Lichtschachte erhielten diese unter- irdischen Haupträume Luft und reichliches Licht. Zufällig war man bei früheren Ausgrabungen nie auf einen solchen Schacht gestoßen, sondern wenn man in den engen Gängen auf eine Mauer geraten war, hatte man hier das Ende der unterirdischen Gräberstadt vermutet und von weiterem Suchen abgelassen; hätte man einmal eine solche Mauer durchbrochen, so wären de Rossis Entdeckungen schon Jahrhunderte früher gemacht worden.
80 IV. Die Grabstätten Etruriens und die antike Malerei
Die erste große Orabkammer, zu der de Rossi gelangte, war die des heiligen Cornelius; und wirklich fand sich hier, um den Indizienbeweis vollgültig zu machen, die linke Hälfte jener Marmorplatte mit dem Namensanfang Cor und dem Titel ep(iscopiis). Daß diese Kammer weitab von der Hauptkammer, der des heiligen Sixtus, lag, wußte de Rossi aus den Angaben der Pilgerbücher. Es begann also ein eifriges Suchen in dem Gewirre der in meh- reren Stockwerken übereinander sich hinziehenden engen Gänge, die alle erst von ihrem Schutte befreit werden mußten. Zuerst fand sich die Grabkammer des heiligen Eusebius. Endlich mehrten sich die eingekratzten Inschriften, in denen fromme Pilger ihre Empfindungen und Hoffnungen den Wänden anvertraut hatten, und die Erwartung des glücklichen Pfadfinders ward hochge- spannt, als er nahe bei einer Tür drei Anrufungen an »Sustus« fand. In der Tat bildete die Tür den Eingang zum Hauptraume der Sixtuskatakombe, wie er im dritten Viertel des 4. Jahrhunderts von Papst Damasus hergerichtet worden war. Im Hintergrunde befand sich arg zerstört das Hauptgrab, seitwärts in einfachen Nischen die Gräber von elf anderen römischen Bischöfen des 3. Jahrhunderts; die marmornen Verschlußplatten enthielten deren Namen in griechischer, der damaligen offiziellen Sprache der römischen Kirche, ohne allen Prunk, noch ohne Bezeichnung der Papstwürde. Aus dieser sogenannten Papstkammer führte in der Ecke links neben dem Sixtusgrabe ein kleines Pförtchen zu der benachbarten Cäcilienkapelle. Die Grabnische der Heiligen war geleert; schon 817 hatte Paschalis I., als die Zeiten unruhiger wurden, den Leichnam nach der Kirche S. Cecilia in Trastevere überführt, wo eine mit Recht berühmte Statue Stefano Madernas die Märtyrerin in der Lage, wie man sie gefunden hatte, schildert. Byzantinische Malereien aus dem 6. — 8. Jahrhundert, an der Wand der Gruft in den Katakomben angebracht, bezeugten das Ansehen der Heiligen in den Jahrhunderten der Pilgerfahrten, wie auch heute noch am Cäcilientage (22. November) die wieder freigelegte Kapelle den Mittelpunkt einer stimmungsvollen unterirdischen Feier bildet
So verlief der Beginn von de Rossis Katakombenforschung. Unvergeßlich werden jedem Hörer die köstlichen Stunden sein,
Die Katakomben 81
in denen der ebenso vornehme wie liebenswürdige Entdecker, auf dessen Lippen Peitho thronte, von Station zu Station seine Entdeckungen vorführte und jedesmal die weiteren Ziele seiner Forschung bezeichnete, um übers Jahr von neuem offene Rechen- schaft über das inzwischen Erreichte abzulegen. Es liegt außer- halb der Grenzen dieses Buches näher auf die Einrichtung der Katakomben und ihren bildlichen Schmuck, geschweige denn auf die Kontroversen über dessen Erklärung einzugehen. Ebenso- wenig will ich die weitere Entwickelung der Katakombenforschung verfolgen, wie eine Katakombe nach der anderen an die Reihe der Untersuchung gekommen ist und wie sich namentlich die Kenntnis der Malereien in den Katakomben erweitert und vertieft hat; es mag nur an die Arbeiten Joseph Wilperts erinnert werden. Immer aber verehrt auch heute die christliche Archäologie als ihren Begründer Giambattista de Rossi.
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchSologischer Entdeckungen.
V
ENTDECKUNGEN IM OSTEN
n den Arbeiten und der Leitung des Archäologischen Instituts nahm zeitweilig in den dreißiger Jahren auch Richard Lepsius teil, der von italischen Dialektstudien ausgegangen war. Schon in Paris hatte der junge Gelehrte sich dem Studium der ägyptischen Hieroglyphen zugewandt, die durch Champollions Entdeckung dem Verständnis erschlossen worden waren. Bunsen, der die ägyptischen Denkmäler dem Forschungs- bereich des Archäologischen Instituts zugeteilt wünschte, wies Lepsius nachdrücklich auf dies Studiengebiet hin. In der Tat begann Lepsius seine ägyptologischen Arbeiten 1837 mit einer Revision von Champollions Entzifferung, die einen methodischen Fortschritt bezeichnete. Damit hatte er die Bahn betreten, auf der er seine größten Erfolge erringen sollte.
Abgesehen von der Lesung der Hieroglyphen hatte die Er- kundung der Denkmäler Ägyptens seit der napoleonischen Ex- pedition (S. 14 ff.) keine sehr bedeutenden Fortschritte gemacht. Die 1828 ausgesandte französisch -toskanische Expedition unter Leitung Champollions und Rosellinis hatte in fast einjähriger Dauer (Okt. 1828 bis Sept. 1829) wohl den Stoff gemehrt, und Champollion hatte durch die Lesung der Inschriften, deren Ab- schrift ein Hauptzweck des Unternehmens war, einen bedeutenden Fortschritt in der Erkenntnis ägyptischer Geschichte angebahnt. 1 Ferner war die Expedition über Philä (S. 16) hinaus nach Abu 82 Simbel mit seinen Felskolossen und bis nach Wadi Haifa vor- gedrungen. Endlich hatte Champollion den weiten Abstand der bisher stark überschätzten Skulpturen der ptolemäisch- römischen
Lepsius ägyptische Reise 83
Periode (z. B. in Dendera) von den echt ägyptischen Bildwerken der Ramessidenzeit erkannt. Sonst aber waren auf künstlerischem Gebiete weniger große neue Gesichtspunkte als Einzelergebnisse gewonnen worden. Das Ramesseum ward erkannt, in die Königs- gräber bei Theben eingedrungen, die Bedeutung der Memnon- kolosse (S. 16) als Abbilder Amenophis III. festgestellt. Das größte Aufsehen erregten die Gräber von Beni Hassan mit ihren 67 einfachen protodorischen Säulenformen, in denen Champollion 66 das Vorbild der dorischen Säule der Griechen gefunden zu haben glaubte, wie er denn überhaupt zu der Überzeugung gelangte, daß die griechische Kunst sich in voller Abhängigkeit von der ägyptischen entwickelt habe. Trotz alledem war eindringender Forschung noch immer ein weites Feld geöffnet, zumal wenn sie über die Mittel und die Erlaubnis gebot Ausgrabungen vorzu- nehmen, die auch bei jener Expedition nur in bescheidenem Maße stattgefunden hatten.
Hier setzte Lepsius ein, und dank der einflußreichen Für- sprache Alexander von Humboldts und Bunsens gelang es den sonst mehr an Plänen als an Ausführungen reichen König Friedrich Wilhelm IV. zur Gewährung bedeutender Mittel für eine auf drei Jahre (1842/45) berechnete Forschungsreise in Ägypten zu bewegen. An die Spitze der Expedition ward der damals noch nicht zweiunddrei ßigjährige Lepsius gestellt; ein Stab von Archi- tekten, darunter Erbkam, von Zeichnern und anderen Gehilfen ward ihm beigegeben. Es handelte sich nicht, wie bisher, bloß um Erkundung und Ausbeute des mehr oder weniger offen zu- tage Liegenden, sondern um eine Erforschung, welche überall wo es nötig schien den Spaten ansetzen sollte. Die in Aussicht genommene längere Dauer sicherte vor Überhastung, wie denn z. B. sechs Monate auf Memphis mit seinen Gräbern, sieben auf das weit ausgedehnte Theben, einer auf die Insel Philä und ihre Umgebung verwandt wurden. Bisher waren, abgesehen von den Pyramiden und von Beni Hassan, nur Denkmäler des Neuen Reiches oder der noch späteren Perioden beobachtet worden. Gleich das erste große Ergebnis der preußischen Expedition war die Entdeckung des Alten Reiches in zahlreichen Denkmälern.
84 V. Entdeckungen im Osten
Die Zahl der Pyramiden, der augenfälligsten Zeugen dieser alten Glanzperiode, wuchs auf 67 ; daneben trat die bisher unbekannte
1 Gräbergattung der Mastabas, deren 130 aufgefunden wurden. So 3? reichte jetzt, während Champollion das hohe Alter der ägyptischen Kultur nur zögernd erschlossen hatte, die greifbare Kenntnis der ägyptischen Kunst bis ins vierte Jahrtausend hinauf. Beim Möris- see im Fajum, dem großen Staubecken des Niles, gelang es als Gründer Amenemhe III. festzustellen, seine Pyramide und Bauten, in denen Lepsius irrtümlich das berühmte Labyrinth erblicken wollte, zu untersuchen und die Stauanlagen zu erkunden, wozu später in Oberägypten bei einer Flußenge der Nilmesser desselben Königs zum Vorschein kam; er wies den damaligen Hochstand des Nils als etwa 7 Meter höher als heutzutage nach. Weiter stromaufwärts traten in Mittelägypt^n die späteren Gräber des Alten Reiches zutage, die Felsgräber (z. B. von Kom-el-achmar), je weiter nach Süden desto jünger. Auf der weiten Trümmer-
1 Stätte Thebens wurden das Ramesseum und das Felsengrab Ram- si
1 ses' IL, weiter südlich der Felstempel von Abu Simbel mit seinen 82 Kolossen genau untersucht. Die Expedition machte auch nicht an den Grenzen Ägyptens Halt, sondern drang nach Äthiopien vor, bis über Chartum hinaus; nebenbei blieb auch das Gebiet des Sinai nicht unerforscht
So weit die äußere Ausdehnung der Expedition. Ihre Er- gebnisse kamen zunächst der Geschichte des Landes zugute. Zahlreiche Kartuschen mit Königsnamen wurden als feste Merk- steine für das »Königsbuch« (1858) gesammelt. In Teil el Amarna
3 zeigte sich die Gestalt des revolutionären Königs Amenophis IV. 90/91 in ihren ersten Umrissen. Die geschichtliche Betrachtungsweise förderte auch die kunstgeschichtliche Erkenntnis; die großen Epochen der ägyptischen Kunst vom Alten Reich bis zur Ptolemäer- und Römerzeit traten jetzt erst in helles Licht. Im Zusammen- hange damit ward die Architektur zum erstenmale von Fach- männern genau erforscht. Die Reliefs, die die Wände bedeckten, und die Inschriften wurden eifrig abgeklatscht, abgezeichnet, ab- geschrieben, mit großem Gewinn für die Kenntnis der Sprache, der Religion, der Verhältnisse des täglichen Lebens. So ist es
Lepsius ägyptische Reise. Bottas Entdeckung von Chorsabad 85
nicht zu viel gesagt, daß die Ägyptologie durch diese Expedition eine neue, ganz veränderte Grundlage gewonnen hat. Das große Tafelwerk als Urkundensammlung und die Einrichtung des Ägyp- tischen Museums in Berlin als Veranschaulichung der gewonnenen Ergebnisse machten diese bald allgemein zugänglich.
Zur gleichen Zeit, wo Lepsius mit seinen Genossen Ägypten neu erforschte, trat die Kunst Assyriens zum erstenmal in unseren Gesichtskreis. Von Mossul, dem Hauptorte jenes Landstriches, streift der Blick über ein weites Gebiet am jenseitigen linken Ufer des Tigris, das an mehreren Stellen mit unförmlichen Erd- hügeln übersäet ist. Diese Hügel, oben platt, mit steilen, viel- fach eingerissenen Rändern, hatten bereits ältere Reisende, Kinneir, Rieh, Ainsworth, als schützende Hüllen von Ruinen erkannt, ja in der Hügelgruppe von Kujundschik und Nebi Junus (Jonasgrab), Mossul gegenüber, die Stätte des alten Ninive vermutet. Mit der Untersuchung Ernst gemacht zu haben ist das Verdienst Paul Emile Bottas, der seit 1842 als französischer Konsul in Mossul lebte; sein kundiger Berater und Förderer war dabei der berühmte Orientalist Julius Mohl in Paris. Die Grabungen, die Botta zunächst bei Kujundschik anstellte, blieben freilich ergebnislos. Desto reicherer Ertrag belohnte die Bemühungen, die er in den Jahren 1843/44 sechzehn Kilometer weiter gegen Norden bei Chorsabad, an der östlichen Hügelbegrenzung der Ebene, durchführte, zuerst im Kampfe mit dem Widerstände der Lokal- behörden und dem Argwohn des Pascha in Mossul. Nichts- destoweniger trat hier auf mächtigen Terrassen der gewaltige Palastbau zutage, den König Sargon nach der Eroberung Baby- 121 ff. Ions (710) als eine Art Sommerpalast oder Versailles aufgeführt hatte; Dur Sarukin (Sargonsburg) hieß die Stätte. Große Höfe mit Portalen und Prunkräumen, ein Gewirr von Gängen und Kammern, eine gesonderte Abteilung des Palastes mit dreifachem Harem, die Überreste eines Terrassenturmes als Heiligtums wurden aufgedeckt. Die einfachen Ziegelmauern waren bald mit Alabaster- i36 reliefs, die meist Szenen des königlichen Lebens darstellten, bald
86 V. Entdeckungen im Osten
5 mit dekorativen Friesen von bunt emaillierten Ziegeln bekleidet; i3i|32 an den Portalen hielten kolossale Stiere und Löwen Wacht. Es i30 war ein durchaus neuer Anblick, der sich hier auftat. Begreif- licherweise suchte Botta zunächst die Ausbeute an bildlichen Werken in Sicherheit zu bringen und sandte sie so bald wie möglich stromabwärts nach Basra, wo sie 1846 ein französisches Kriegsschiff in Empfang nahm und nach Havre brachte; im Fe- bruar 1 847 langten die Skulpturen, darunter ein Paar der großen Portalfiguren, glücklich in Paris an. Weiter sorgte Botta im Verein mit dem Zeichner Eug. Nap. Flandin, den man ihm im Herbst 1843 zur Seite gestellt hatte, für eine große Publikation. Aber die architektonische Erforschung der wichtigen Ruinenstätte ließ noch viel zu wünschen übrig. In diese Lücke traten einige Jahre später (1851/55) der damalige französische Konsul Victor Place und der Architekt Felix Thomas, Ihren eindringenden Forschungen gelang es den alten Palast im Bilde wieder aufzu- bauen und dadurch die Eigentümlichkeiten der assyrischen Bau- kunst in helles Licht zu setzen.
Die Erfolge Bottas reizten den britischen Reisenden und Journalisten Austen Henry Layard auch seinerseits sein Glück zu versuchen, wozu ihm zunächst der britische Botschafter bei der Pforte, Sir Stratford Canning, die Mittel darbot. Layard verlegte 1845 den Schauplatz seiner Tätigkeit etwa 30 Kilometer südlich von Kujundschik auf den großen Schutthügel von Nimrud, der schon bei mehreren früheren Reisen seine Aufmerksamkeit ge- fesselt hatte. Er barg, wie man bald erkannte, die Überreste der alten Stadt Kalach. Die ersten Grabungen fanden unter bestän- digen Schwierigkeiten seitens übelwollender Behörden, abergläu- bischer Fanatiker und raublustiger Nachbarstämme statt Diese Nöte hörten auch im folgenden Jahre nicht ganz auf; Entdeckun- gen wie die des Riesenkopfes eines Mannstieres brachten die 133 ganze Provinz in bedenkliche Erregung. Jedoch gelang es die Ausgrabungen so weit zu fördern, daß im Sommer 1846 die erste Sendung nach London abgehen konnte, als Geschenk Sir Stratford Cannings an das Britische Museum. Jetzt trat auch dieses mit einer Geldbewilligung auf den Plan, und im Herbst
Layards Ausgrabungen in Nimrud und Kujundschik 87
wurden die Ausgrabungen von neuem aufgenommen, leider ohne die Hilfe eines Zeichners; da viele Stücke zu stark verletzt oder verrieben waren um den Transport zu lohnen, mußte Layard auch nach dieser Seite eintreten. Ein Architekt war ebensowenig zur Stelle, daher uns die Ruinen von Nimrud architektonisch fast unbekannt sind. Im Dezember ward die zweite Sendung der Skulpturen abgeschickt und damit die Erforschung Nimruds ge- schlossen. Es handelte sich hier um ganz ähnliche Palastbauten wie in Chorsabad. Auch hier ließen sich die Alabasterbeklei- dungen der Wände mit ihren Reliefs reihenweise, wie sie noch 134 da standen oder einst hingefallen waren, dem Boden entnehmen; auch hier bildeten dieselben gigantischen Tiergestalten die Lei- 133 bungen der Portale. Aber alles war größer, mächtiger und trug einen kräftigeren Charakter, sowohl die Skulpturen wie die viel- fach erhaltenen Farben. Die Überreste reichten eben um mehr als anderthalb Jahrhunderte höher hinauf in die Zeit des Königs Asurnasirpal, der die Reihe der großen assyrischen Eroberer be- gann. Der von Layard aufgedeckte »Nordwestpalast« war von jenem in den Jahren 875 — 868 erbaut worden. Ihm folgte der »Zentralpalast« seines Sohnes Salmanassar IL, der ebenfalls von Layard in Angriff genommen ward; besonders berühmt ward der »schwarze Obelisk« mit der illustrierten Chronik von ein- 135 unddreißig Regierungsjahren des Königs. In jüngere Zeit führten die Reste des unvollendeten »Südwestpalastes« mit Reliefs, die im Stil mehr denen von Chorsabad glichen; der Palast war um 670 von Asarhaddon angelegt worden. Die ganze reiche Aus- beute fand ihren Weg ins Britische Museum und diente, im Ver- ein mit Layards großer Publikation und populären Darstellungen, ganz wesentlich dazu das allgemeine Interesse auf die assyrische Kunst zu lenken.
Layard ruhte aber nicht, sondern setzte 1849 im Auftrage des Britischen Museums den Spaten in den einst vergeblich an- geschürften Hügeln von Kujundschik an, nachdem eine zu Anfang des Jahres 1847 angestellte Versuchsgrabung Aussichten auf guten Erfolg eröffnet hatte. Jetzt setzte Layard die Ausgrabung in größerem Umfange bis 1850 fort. Wiederum belohnte ihn ein
88 V. Entdeckungen im Osten
gleicher Erfolg, dessen Ertrag natürlich ebenfalls dem Britischen Museum zufiel. Diesmal war es jene jüngste Periode des assy- rischen Reiches, das siebente Jahrhundert, aus dem die Palast- trümmer von Ninive stammten; König Sanherib und besonders sein Enkel König Asurbanipal (Sardanapal) waren die Vertreter dieser Periode. Äußerlich betrachtet zeigten sich wieder die gleichen Erscheinungen wie an den beiden anderen Stellen, und doch ist es ein neuer, lebendigerer, die alten Stilfesseln mehr
5 abstreifender Geist, der diese Skulpturen durchweht. Ein Werk lasff.
5 wie die ins Rückgrat zum Tode getroffene Löwin, die hinten i4o bereits erstarrt sich vorne zum letzten Schrei emporrichtet, steht hoch über allen Schöpfungen der älteren assyrischen Skulptur. So trat hier der ganz ungewöhnliche Fall ein, daß eine jahr- hundertelang in starren zeremoniellen Bahnen sich bewegende Kunst zum Schlüsse sich noch einmal zu lebendigerer Auffassung und Wiedergabe des umgebenden Lebens aufrafft. Kein Wunder, wenn man sich nach der Erklärung einer solchen Anomalie umsah und sie in der Annahme suchte, ionische Einflüsse hätten hier auf die alternde assyrische Kunst verjüngend ein- gewirkt. Ob freilich die bildende Kunst der lonier im Beginne des 7. Jahrhunderts schon so weit erstarkt war, ist mehr als fraglich.
Diese assyrischen Entdeckungen der vierziger Jahre eröffneten den Ausblick in eine zusammenhängende, drei Jahrhunderte um- spannende, in deutlichen Stufen sich entwickelnde Hofkunst eines abgeschlossenen Reiches. Nachwirkungen erstreckten sich bis nach Kypros, wo Ludwig Roß 1845 eine Reliefstele mit dem Bilde König Sargons entdeckte. Die assyrische Kunst gehörte dem letzten vorchristlichen Jahrtausend an, stand also an Alter hinter der ägyptischen weit zurück, war aber immerhin alt genug um die Frage anzuregen, ob sich nicht von Assyrien Licht über den noch immer sehr dunklen Ursprung und die Art der ho- merischen Kunst gewinnen lasse. Adrien de Longperier, später Heinrich Brunn, schlugen diesen Weg ein.
Kujundschik, Texiers Reisen in Kleinasien 89
Kleinasien war seit der »ionischen« Expedition Chandlers und seiner Genossen von 1764 oftmals, besonders von britischen Reisenden, besucht worden, doch hatte sie entweder der geo- graphische Gesichtspunkt geleitet, oder sie waren den »sieben Gemeinden« der Offenbarung nachgegangen. Die archäologischen Interessen traten erst bei der Reise wieder in den Vordergrund, die Charles Texier in den Jahren 1833/37 im Auftrage der fran- zösischen Regierung ausführte. Eine Menge von Stadtplänen und von Bauwerken ward aufgenommen, nur leider vielfach so flüchtig, daß spätere Untersuchungen die weitgehende Unzuver- lässigkeit von Texiers großer Publikation feststellen mußten. Etwas völlig Neues für die Kunstgeschichte bot der dorische Tempel in Assos, einer Stadt an der Südküste der Troas. Die alter- 257
12 tümlichen Architekturformen und die über Epistyl und Metopen ausgebreiteten Reliefs von gleich altertümlichem Aussehen, alles 290 aus dem spröden Trachyt des dortigen Gebirges gearbeitet, waren geeignet das lebhafteste Interesse zu erwecken. Nachdem die Reliefs auf Raoul-Rochettes Bemühen für das Museum des Louvre erworben worden waren, fehlte es nicht an Stimmen, welche sie an den ersten Anfang der griechischen Skulptur versetzen wollten. Umgekehrt ward der amerikanische Architekt Joseph Thacher Clarke, als er 1881/83 im Auftrage des Archaeological Institute of America den Tempel und die ganze Stadt Assos von neuem untersuchte, durch den Grundpian des Tempels zu der Ansicht gebracht, daß er etwa aus perikleischer Zeit stamme! Ein lehr- reiches Beispiel, daß weder architektonische noch archäologische Betrachtung allein zum Ziele führt; heute dürften wenige zweifeln, daß wir es mit einem Werke von etwas provinzieller Sonderart aus dem 6, Jahrhundert zu tun haben. Nimmt man die große Tempelanlage im phrygischen Aizanoi (die man lange für hellenistisch zu halten geneigt war, bis sie als hadrianisch erkannt worden ist),
6 den Augustustempel in Ankyra und die Felsreliefs von Boghasköi leo/ei und Nymphiö hinzu, die bald genauer untersucht werden sollten 162 (S. 101), so dürften damit die wichtigsten archäologischen Ergeb- nisse von Texiers Reisen bezeichnet sein. Eine neue französische Expedition unter Philippe Lebas, in den Jahren 1843/44 aus-
90 V. Entdeckungen im Osten
geführt, brachte für Kleinasien nur geringe Resultate. Überdies blieb deren Verwertung, zum Teil infolge der politischen Ver- hältnisse, fragmentarisch; nur Teile des groß angelegten Werkes sind veröffentlicht worden.
Das bedeutendste Ereignis jener Jahre für die Kenntnis Klein- asiens war was man die Entdeckung Lykiens nennen könnte. Dies aus der Südküste Kleinasiens ins Meer vorspringende Alpen- land, in seinen hohen Bergen nicht bequem zugänglich, war bis dahin nur an seiner Küste besucht worden, wo Myra als Landungs- platz des Apostels Paulus besonderes Interesse erregte. Ältere Reisewerke, von Clarke, Ludwig Mayer, Beaufort, ließen von dem besonderen Reize lykischer Kunstwerke nur gerade so viel ahnen, um die Lust nach genauerer Kenntnis zu wecken. Indessen ward Charles Fellows kaum hierdurch bestimmt, als er zum eigentlichen Entdecker Lykiens ward. Als Sohn eines reichen Bankiers, ohne bestimmten Beruf, hatte er sich früh auf Reisen begeben und seit 1832 mehrere Jahre lang in Italien und Griechenland gelebt. Im Frühjahr 1838 brach er nach Smyma auf und machte von hier eine dreimonatige Rundreise, die ihn nordwärts über Pergamon und Troja nach Konstantinopel, von hier querlandeinwärts nach Adalia und dann über Lykien, Karlen, Lydien wieder zurück nach Smyma führte. Er wußte nichts von früheren Reisenden, schrieb in voller Unbefangenheit seine Tagebücher nieder und skizzierte was er sah mit leidlich geübtem Stift. Als er nun in London von seinen Reisen berichtete und seine Zeichnungen vorlegte, erfuhr er erst, wie viel Neues er gesehen und beobachtet hatte. Das größte Aufsehen erregten die Zeichnungen aus Lykien, sowohl die Bauweise der Grabdenkmäler, die bald in den Fels i66/69 gehöhlt bald freistehend die ausgeprägte Nachahmung einer Holz- architektur in Stein darboten, wie der Reliefschmuck mancher dieser Gräber. Namentlich der Fries des sogenannten Harpyien- 308/9 denkmals in Xanthos mußte, obschon in Fellows Zeichnung jammervoll modernisiert, als besonders wichtig erscheinen.
Der gänzlich unerwartete Erfolg bestimmte Fellows, sobald er seinen Reisebericht {y>Asia Minore) hatte drucken lassen, im Herbste des Jahres 1839 von neuem aufzubrechen, mit dem be-
Fellows Reisen in Lykien 91
sonderen Zwecke Lykien genauer zu durchforschen. Als Zeichner nahm er den jungen George Scharf mit, den in London geborenen Sohn eines bayrischen Künstlers. Diese zweite Reise, mit vier- monatigem Aufenthalt in Lykien im Frühjahr 1840, vertiefte be- deutend die Kenntnis des abgelegenen Landes, mit seinen zahl- reichen, großartigen Städteruinen, seinen Gräbern, die im natürlichen Fels bald Holzbauten bald ionische Tempelfassaden darstellten, seinen Reliefs, die teils hochaltertümlich waren, teils spätere Stilarten in etwas eigenartiger Ausprägung vorführten. Nament- lich das jetzt erheblich genauer gezeichnete »Harpyiengrab« verriet deutliche Anklänge an gewisse Kunstwerke, in denen man ionische Kunstweise vermutete, bot aber auch durch seine Darstellungen dem Erklärer ein interessantes Problem. Der nachgeahmte Holz- bau regte die Frage nach dem Verhältnis der griechischen Archi- tektur zum Holzbau neu an. Dazu kamen Inschriften in eigener Schrift und fremder Sprache, die den Sprachforschern besondere Aufgaben stellten. So kehrte Fellows mit reicher Ausbeute heim und berichtete darüber in einem neuen Buche {»Lycla«), dem einige von Scharfs Zeichnungen beigegeben wurden. Dessen größere Aufnahmen gelangten 1844 als Geschenk von Fellows in den Besitz des Britischen Museums, darunter einige, die die deutlich erhaltenen Farbspuren mehrerer Denkmäler wiedergaben. Der neue Reisebericht mußte die Lust wecken oder auf- frischen die bedeutendsten Skulpturen aus Xanthos für das Britische Museum zu erwerben. So kam es zu Verhandlungen mit der Pforte und zu einer überaus nachlässig vorbereiteten Expedition, die wohl völlig gescheitert wäre, hätte nicht Fellows sich ihr zur Verfügung gestellt und mit seiner Sachkenntnis und seiner Kunde türkischer Bräuche die Haupthindernisse beseitigt. Im Januar 1842 leitete er die Arbeiten der Matrosen, die von der britischen Marine zur Verfügung gestellt worden waren. Es gelang die Reliefs 33 von dem acht Meter hohen Harpyiendenkmal herunterzuholen, i69
ohne dies weiter zu schädigen. Die Hauptausbeute aber bot 53 die Umgebung eines großen Quaderunterbaues: Statuentorse, vier 459 53 verschiedene Relieffriese, Giebelreliefs, ionische Architekturstücke, alle zu einem einzigen Bau gehörig, der zunächst als »das ionische 443
92 V. Entdeckungen im Osten
Siegesdenkmal«, später als das »Nereidendenkmal« bezeichnet werden sollte. Die Matrosen gewannen an ihrer Aufgabe das lebhafteste Interesse. Eines Tages kehrten sie mit der Nachricht heim, sie hätten etwas ganz Seltsames gefunden, ein Relief mit ^the parson and his clerk«. Es war ein Stück einer belagerten Festung, von deren Turm ein Wächter in etwas vorgebeugter Haltung herabschaut, während unter ihm — beim englischen Gottesdienst sitzt der Küster unter der Kanzel — ein anderer Krieger sichtbar wird! Fellows selbst und die Seeoffiziere wohnten in einer Hütte, die mit ihrem flachen Balkendach und ihrer luf- tigen, von hölzernen Säulen gestützten Vorhalle völlig einem alt- lykischen Baue glich. Ein Besucher, der damalige Marineleutnant, spätere Admiral T. A. B. Spratt, gibt eine anschauliche Schilderung des dortigen Lebens und Treibens.
> Während wir dort waren, wurden täglich Skulpturen aus der Erde gegraben und wieder ans Licht gebracht. Das Suchen danach war höchst aufregend, und in der Begeisterung des Augenblicks war unsere Bewunderung ihres Kunstwertes vielleicht etwas übertrieben. Sobald ein Block aufgedeckt und sorgfältig von Erde gereinigt war, kam die Gestalt einer schönen Amazone [deren allerdings keine an dem Denkmal auftritt] oder eines schwergetroffenen Kriegers, eines orienta- lischen Königs oder einer belagerten Festung zum Vorschein und gab Stoff für hübsche Unterhaltungen über die Kunst des Bildhauers oder über den hier dargestellten Vorgang aus der Geschichte des alten Xanthos, Unterhaltungen, die alle Teilnehmer zu den schönsten Erinnerungen ihres Lebens zählen werden. Oftmals, wenn wir nach getanem Tage- werk und nach Anbruch der Nacht in der behaglichen türkischen Hütte, die das Hauptquartier der Gesellschaft bildete, um die lodernden Scheite versammelt waren, eilten wir unter Charles Fellows Führung mit einer Fackel in der Hand hinaus, um noch einen mitternächtlichen bewundern- den Blick auf eine lebensvolle Kampfszene oder eine kopflose Venus, das Hauptergebnis der Arbeiten dieses Morgens, zu werfen.« In solcher Arbeit ward binnen kurzer Zeit eine reiche Ernte ein- geheimst. 87 Kisten wurden gepackt und mit Mühe an den ent- fernten Strand geschafft, wo ein Kriegsschiff sie aufnahm um sie nach London zu bringen.
Aber dies genügte noch nicht. War es doch bei der mangel- haften Ausrüstung nicht einmal möglich gewesen den mächtigen Deckblock des freistehenden Grabes des Pajava {»Morse tomb'^)
Die Erforschung Lykiens. Die lykischen Marmore 93
fortzuschaffen. Somit ward 1843/44 noch einmal eine besser ausgerüstete Expedition ausgesandt, der sich wiederum Fellows als Führer anschloß. Ein großer Stab ward beigegeben, George Scharf als Zeichner, Rohde Hawkins als Architekt, dazu Oips- gießer, die Abgüsse von solchen Denkmälern nahmen, welche sich nicht wegschaffen ließen. 27 Kisten bargen schließlich die neue Ausbeute, darunter die beiden großen Gräber des Pajava und des Merehi (»Chimaem tomö«), mehrere Friese, von denen die lebensvolle Schilderung eines Hühnerhofes mit Hahnenkämpfen besonders hervorzuheben ist, endlich eine Menge Abgüsse von Felsreliefs aus abgelegenen Orten.
Das Britische Museum gewann in seinem Lycian Saloon eine Abteilung, die nur durch die Nähe der Elgin Marbles in Schatten gestellt ward, sonst aber einzig in ihrer Art war und, mit Ausnahme der Reliefs von Giölbaschi in Wien (Kap. VII), auch heute noch ist. An mehr als einer Stelle greift die lykische Kunst, deren hauptsächliche Denkmäler von Kyros Zeit bis etwa ans Ende des 5. Jahrhunderts reichen, mit Rätseln oder mit Auf- klärungen in die Geschichte der griechischen Kunst ein; die ionische Kunst Kleinasiens erhält von hier aus reiches Licht. Dieser Bedeutung entsprach nicht die Art, wie die mitgebrachten Werke im Museum aufgestellt wurden: gedrängt, unübersichtlich. Zu- sammengehöriges auseinander gerissen. Ebensowenig geschah zu ihrer Veröffentlichung. Kein neuer Band der Museumspublikation, der Ancient Marbles, ward ihnen gewidmet; Rohde Hawkins architektonische Aufnahmen sind ganz verschollen, Scharfs Zeich- nungen ruhten lange unbenutzt in den Archiven des Museums, die Herausgabe des Hauptstückes der Sammlung, des Nereiden- monuments, unterblieb und ward nach dreißig Jahren privater Initiative überlassen. Es war als ob infolge der Unzünftigkeit des Entdeckers ein leiser Fluch auf den lykischen Skulpturen ge- legen hätte. Fellows selbst freilich erhielt eine öffentliche Aner- kennung. Eine Geldenlschädigung lehnte er mit den auf Lord Elgin zielenden Worten, er sei kein Steinhändler, ab; den Lohn, den er wünschte, eine Dankeserklärung seitens des Parlaments, bekam er zwar nicht (diese Auszeichnung erschien zu hoch), aber
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die Königin machte ihn zum Sir Charles. Das geschah im Mai 1845. Die Gattin eines Sir führt bekanntlich den vielbegehrten Titel Lady: schon im Oktober desselben Jahres gab es auch eine Lady Fellows.
Gleichzeitig mit den assyrischen und den lykischen Skulpturen gelangten ins Britische Museum noch andere wertvolle Über- bleibsel aus Kleinasien, Zeugnisse einer edlen reingriechischen Kunst. Als Fellows im Spätjahr 1841 sich nach Konstantinopel begab, um die Schwierigkeiten hinwegzuräumen, die seinen lyki- schen Plänen entgegenstanden, befand sich auf dem von der britischen Regierung bei der Pforte eingereichten Wunschzettel auch das Begehren einige in der Festung von Budrum (dem alten Halikarnass) eingemauerte Reliefs herauszunehmen. Fellows erschien dies als ein ungehöriges Verlangen {an unreasonable request), und indem er darauf verzichtete, sicherte er die Ge- währung der lykischen Wünsche. Damit war aber jener Plan keineswegs aufgegeben.
Es handelte sich um zwölf Reliefplatten, die in die Festungs- mauern des einst von den Johanniterrittem gebauten Schlosses als Schmuckstücke eingelassen waren und die Neugierde der Reisenden um so stärker gereizt hatten, als sie mit großer Wahrscheinlich- keit für Überbleibsel des nahen Mausoleums, des berühmten Welt- wunders, gelten durften. War schon das Betreten einer türkischen Festung (zumal einer so festen und angesehenen wie Budrum es war) ein schwierig Ding, so mußte es in der Tat für nahezu unmöglich gelten aus ihren Mauern Stücke herauszunehmen. Indessen das Wort »unmöglich« fand sich nicht im Lexikon des energischen Vertreters Großbritanniens bei der Pforte, desselben Sir Stratford Canning, der auch Layard bei seinen Unternehmungen in Ninive unterstützte (S. 86 ff.). Wirklich gelang es ihm nach dreijährigem Bemühen aller Schwierigkeiten Herr zu werden, und er erhielt 1846 einen Firman mit der Erlaubnis die Platten weg- nehmen zu lassen. Natürlich ward dies sogleich ins Werk ge- setzt. Nur einen Monat dauerte die Arbeit, und noch in dem-
Die Reliefs von Budrum. Amazonenfries vom Mausoleum 95
selben Jahre gesellten sich die Reste des Amazonenfrieses vom Mausoleum der lykischen Ausbeute im Britischen Museum. Der Zuv^^achs machte großes Aufsehen ; als eine rheinische Kunst- freundin, Frau Sibylla Mertens-Schaaf hausen, kurz darauf im Gartenhause der Villa di Negro in Genua eine wohlerhaltene ähnliche Platte bemerkte und in Abgüssen verbreitete, erkannten die Beamten des Britischen Museums darin ohne Mühe ein Stück des gleichen Frieses, das vermutlich vor Jahrhunderten von einem Johanniterritter dorthin verbracht worden war. Die Aus- sicht mehr dergleichen versprengte Stücke aufzustöbern mußte verlockend erscheinen.
Dieser Gedanke haftete bei einem der Museumsbeamten, dem damals dreißigjährigen Charles Thomas Newton, der gründliches Wissen und einen überaus feinen Kunstsinn mit stiller, zäher Energie vereinigte. Er beschäftigte sich eingehend mit Halikarnass, suchte namentlich die genaue Lage des alten Mausolosgrabes zu ermitteln, und bald stand ihm als Ziel vor Augen, dort einmal den Spaten anzusetzen. So ließ er sich 1852 als Vizekonsul nach Mytilene schicken, von wo aus er zeitweilig das Konsulat in Rhodos versah. Sieben Jahre diplomatischen Dienstes in der Levante sollten nach der Anweisung des Auswärtigen Amtes mit dazu dienen dem Britischen Museum neue Erwerbungen zuzu- führen. Gleich auf der Hinreise fand Newton seine Hoffnungen durch eine schöne Amazone bestärkt, die er in dem damaligen kleinen Museum zu Konstantinopel bemerkte; es war offenkundig ein Stück vom Friese des Mausoleums. Ein paar andere Frag- mente fand er in Rhodos in Häuser eingemauert. Aber erst 1855 betrat Newton zum erstenmale das Schloß von Budrum. Das erste, was ihm in die Augen fiel, waren ein paar große Löwen- statuen, die in die Mauern gegen die Seeseite eingelassen waren, auch sie offenbar zum Mausoleum gehörig. Jetzt galt es Ernst zu machen. Der Botschafter, nunmehr zum Lord Stratford de Redcliffe erhoben, ging bereitwillig auf Newtons Pläne, die ja eine Fortsetzung seiner eigenen alten Unternehmung bildeten, ein; die glückliche Wendung des orientalischen Krieges (Sebasto- pol war mittlerweile gefallen) schien den Wünschen des britischen
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Botschafters den nötigen Nachdruck zu verleihen. In der Zwischen- zeit veranlaßte Newton in Konstantinopel die Bloßlegung der Schlangensäule auf dem Atmeidan, eines Überbleibsels vom pan- 346 hellenischen Weihgeschenk aus der Beute von Platää, und er- möglichte so die Auffindung und Entzifferung der darauf ein- gegrabenen Weihinschrift durch die in Konstantinopel ansässigen deutschen Gelehrten Otto Frick und P. A. Dethier.
Während der Firman der Pforte immer länger auf sich warten ließ, erforschte Newton in Halikarnass genau das Terrain und stellte die Lage des Mausoleums an eben der Stelle fest, wo schon etwa dreißig Jahre früher der englische Architekt Th. L. Donaldson sie vermutet hatte. Aber erst am Neujahrstage 1857 erfolgte der erste Spatenstich. Drei Vierteljahre mühsamer, wechselvoller, auf- regender Arbeit brachten eine Menge kostbarer Marmore zutage, darunter zahllose Bruchstücke, aus denen die Statuen des Mausolos 498 59 und der Artemisia zusammengesetzt wurden, ferner den pracht- 59 vollen Kolossaltorso eines persisch gekleideten Reiters, vier Platten 499 59 von dem Ostfriese, der dem Arbeitsgebiete des Skopas angehörte; 501 drei davon paßten unmittelbar aneinander. Die Kunst des Skopas und seiner Genossen, Timotheos, Leochares, Bryaxis, trat glanz- voller zutage, als man es nach den schon in London befindlichen Friesen hatte erwarten können. Ein Hauptwerk griechischer Plastik aus der Mitte des 4. Jahrhunderts war so weit wiedergewonnen, wie man es zu gewinnen hoffen durfte, und im Britischen Museum fand sich durch Newtons Energie allmählich alles zusammen, auch die Bruchstücke aus Genua, Konstantinopel, Rhodos. Von 18 der ionischen Architektur des Wunderbaues waren so viele und 241 so bedeutende Reste gefunden worden, daß der nachträglich eingetroffene Architekt R. Popplewell Pullan das Wagnis einer Rekonstruktion unternehmen konnte, dem er freilich kaum ge- wachsen war.
Newton beruhigte sich nicht bei diesem einen großen Er- folge. Im nächsten Winter siedelte er nach Knidos über und deckte in den verlassenen Ruinen der blühenden alten Handels- stadt, vielleicht zum erstenmal, mit einiger Genauigkeit den Plan einer griechischen Stadt auf. Der schönste Gewinn bestand aber
Newtons Entdeckung des Mausoleums. Knidos. Didymäon 97
56 in der wundervollen Statue der sitzenden Demeter, die wohlge- 509 eignet war die praxitelische Glanzzeit attischer Plastik zu vertreten. Dazu kam im nächsten Sommer durch einen glücklichen Zufall die Entdeckung des abgelegenen dorischen Denkmals, das von der Felsküste auf jenes Schlachtfeld hinabblickte, wo Konon 394 die lakedämonische Flotte geschlagen hatte. Der kolossale liegende Löwe aus pentelischem Marmor, der den Gipfel des Denkmals gekrönt hatte, war ein dankbar begrüßtes Beutestück; die Ein- schiffung des schweren Blockes erforderte freilich die Arbeit eines vollen Monats. Zum Schluß heimste Newton dann noch die mar-
33 mornen Sitzbilder ein, die südlich von Milet die Prozessionsstraße 296 vom Hafen Panormos zum Heiligtum des Apollon Philesios, dem Didymäon, eingerahmt hatten. Zehn Sitzbilder und zwei Löwen, in ihrer Aufstellung an ägyptische Tempelstraßen er- innernd, waren Zeugen der Glanzzeit Milets vor dem ionischen Aufstande gewesen, jener Zeit, wo die Hauptstadt loniens leb- hafte Beziehungen zum Nillande unterhielt.
Als Newton 1861, nachdem er ein Jahr lang das Konsulat in Rom versehen hatte, ans Britische Museum zurückkehrte und die Leitung der Antikensammlung übernahm, durfte er sich sagen, durch seine kleinasiatischen Unternehmungen der Skulpturenab- teilung eine Bereicherung zugeführt zu haben, dergleichen sie seit Lord Elgins Zeiten nicht erfahren hatte. Newton stand auch fernerhin unermüdlich auf der Wacht, wo sich Gelegenheit zu weiteren Erwerbungen bot. Charakteristisch dafür ist folgendes Beispiel. Im Jahre 1862 war in Vaison (Vaucluse), dem alten Vasio, eine Statue in Bruchstücken gefunden worden. Auf den Rat eines Kunstverständigen wandte sich der Besitzer im Oktober 1868 an das Pariser Museum, und als dieses den Verkauf ab- lehnte, an das Britische Museum, zunächst nur mit dem Erfolge, daß Newton versprach bei nächster Gelegenheit den Fund in Augenschein zu nehmen. Da nichts geschah, wiederholte der Be- sitzer am 25. Juli 1869 sein Anerbieten an beiden Stellen, dieses Mal unter Beigabe einer kleinen Photographie. Von Paris aus er- folgte am 31. Juli wiederum eine kurze Ablehnung; am gleichen Tage meldete Newton, nunmehr durch die Photographie über
Michaelis, Ein Jahrhundert kunslarchäologischer Entdeckungen. 7
98 V. Entdeckungen im Osten
Art und Wert der Statue belehrt, seinen Besuch für die nächsten Tage an. / took my portmanteau, erzählte er, and went over to France. In wenigen Stunden war der Kauf abgemacht, und schon am 11. August konnte Newton dem Besitzer melden, daß das Britische Museum 25 000 Francs zu zahlen bereit sei. Der Gegen- (52) stand des raschen Handels war der polykletische Diadumenos, (432) den wir zuerst durch dieses Exemplar kennen lernten. Der all- mähliche Ankauf der Sammlungen Farnese in Rom, der Samm- lung Blacas und der Hauptstücke der Sammlung Pourtales in Paris, zweier Sammlungen Castellani in Rom, mit einem Oe- samtaufwande von zwei Millionen Mark, kam nicht bloß jener Abteilung des Museums, sondern auch denen der Gold- und Bronzesachen, der Gemmen, der Vasen zugute. Newton förderte aber auch fremde Ausgrabungen oder sicherte dem Museum deren Ergebnisse. Von Biliotti und Salzmann in Rhodos erwarb er schon 1859 die wertvolle Sammlung meist altertümlicher Vasen, die diese an der Stätte der früh verlassenen Stadt Ka- meiros ausgegraben hatten. Im Gebiete des alten Kyrene hatten 1860 die Seeoffiziere R. Murdoch Smith und E. A. Porcher mit schönem Erfolg eine Anzahl hellenistischer oder römischer Skulpturen aufgespürt; in dem kyrenäischen Orte Benghazi und an manchen anderen Orten war der englische Konsul George Dennis, dem wir das hübscheste Buch über Etrurien verdanken, als Sammler für das Museum tätig. Der Architekt Pullan (S. 96) setzte seine Forschungen an verschiedenen Tempeln der klein- asiatischen Westküste (Teos, Smintheion) fort und brachte 1866 in Priene eine Reihe von Reliefs ans Licht, die man zuerst, freilich mit Unrecht, dem Fries des von Alexander dem Großen ge- weihten Tempels der Athene Polias zuweisen wollte; sie stammten vielmehr von irgend einem jüngeren Schmuck im Inneren des Tempels. Auch diese Fragmente kamen ins Britische Museum. Den bedeutendsten Zuwachs aber brachte ein anderes Unter- nehmen.
Gleich dem Mausoleum gehörte zu den sieben Wundem der antiken Welt der Tempel der Artemis bei Ephesos, der nach dem herostratischen Brande von 356 mit größter Pracht wieder
Kameiros. Kyrene. Priene. Artemision 99
aufgebaut worden war. Jede Spur von ihm war in dem Sumpf- lande verschwunden, selbst seine genaue Lage war bestritten. Im Jahre 1863 begab sich der Architekt J. T. Wood, von dem Bri- tischen Museum und der Gesellschaft der Dilettanti unterstützt, auf die Suche, und nach langjährigen Bemühungen fand er Ende 1869 den Platz unter dem Felshügel von Ajasoluk, genau an der Stelle, wo Heinrich Kiepert, der Geograph, ihn dreißig Jahre vor- her angesetzt hatte. Es folgten noch fünf Jahre (bis 1874) über- aus mühsamer Untersuchungen tief unten im Sumpf, über sechs Meter unter der heutigen Oberfläche. Man mag diesen schwie- rigen Umständen, vielleicht auch ungenügender Ausrüstung, vieles zugute halten, leider aber bleibt das Urteil bestehen, daß die Aus- grabung ihren Zweck nur mangelhaft erfüllt hat und daß sie wesent- lich noch den Charakter des Raubbaues trug. Die gewaltigen Reste von Architekturgliedern und von reliefgeschmückten Bau- teilen, die ins Britische Museum verbracht wurden, sind in der Tat von höchstem Wert. Vor allem erregten die Säulentrommeln 5i6 56 mit Reliefs schönsten Stiles, Überreste der von Plinius genannten columnae caelatae, und vollends die Fragmente ähnlich verzierter 33 Säulen vom älteren Tempel aus der Zeit des Krösos das größte 291 18 und gerechteste Aufsehen. Dieser ganze Säulenschmuck war neu, 267 und der sich darbietende Vergleich der vollendeten Kunst des vierten Jahrhunderts mit der archaischen des sechsten war höchst belehrend. Aber das Bemühen jene Skulpturwerke aus der Tiefe emporzuschaffen führte zu arger Rücksichtslosigkeit gegen die Tempelanlage als Ganzes, deren Rätsel denn auch nicht sicher gelöst ward. Seitdem lag die Stätte, britisches Eigentum, öde und wüst. Ein kundiger Besucher äußerte sich jüngst: »Wie sieht es heute aus? Man erschrickt über den wüsten Trümmerhaufen, der einem aus einer großen, mehrere hundert Meter langen und breiten Grube entgegenstarrt — ein Bild ärgster Verwahrlosung! Anstatt solche Arbeit zu schaffen, hätte man lieber den Schutt darüber liegen lassen sollen.« Dies geht entschieden zu weit angesichts der Belehrung, die Woods Arbeiten gebracht haben, und der für das Britische Museum gewonnenen Schätze. Aber es mußte allerdings als eine Art Ehrenpflicht Englands erscheinen
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100 V. Entdeckungen im Osten
die Ausgrabungen wieder aufzunehmen und gemäß der seither gewonnenen Ausgrabungstechnik zu Ende zu führen. Es ist er- freulich, daß, nachdem dies lange verkannt worden war, neuer- dings das Britische Museum unter der energischen und zielbe- wußten Leitung Cecil Smiths die mühsamen Ausgrabungen wieder aufgenommen hat; möchten sie die erwünschte Aufklärung bringen! Newtons eigene und die von ihm geförderten Unternehmungen haben für die Kunst des vierten Jahrhunderts eine ähnliche Bedeutung wie die älteren Entdeckungen in Ägina und Bassä und die Er- werbung der perikleischen Skulpturen für das fünfte. Die Statuen vom Didymäon und die alten Säulenreste vom ephesischen Arte- mision gingen zusammen mit dem lykischen Harpyiendenkmal auf das sechste Jahrhundert zurück. So umrahmten die kleinasiatischen Marmore zeitlich die älteren Genossen aus dem fünften Jahrhundert. Durch Fellows und Newtons Verdienst hatte das Britische Mu- seum seinen alten Rang als vornehmster Sammelplatz griechischer Plastik siegreich behauptet. Newtons Bedeutung tritt erst recht klar hervor, wenn man die Stille vergleicht, die nach seinem Ab- gang (1888) auf diesem Gebiet am Britischen Museum geherrscht hat und die erst neuerdings sich zu beleben beginnt. Newton war aber zugleich der Organisator wissenschaftlicher archäo- logischer Studien in England, wo sie früher fast nur im Gebiet der Numismatik, dort freilich von Poole, Head und ihren Ge- nossen in ausgezeichneter Weise, betrieben wurden. Newton ge- hörte femer zu den Stiftern der Society for the promotion ofHellenic studies (1879), er war bei der Gründung des Egypt exploration fand (1882) und bei der Errichtung der Archäologischen Schule in Athen (1885) beteiligt. Dabei übte er sein Amt als Verwalter der Schätze des Britischen Museums mit einer großherzigen Liberalität, auch gegen Fremde, einer Liberalität, die überall vor- bildlich sein könnte, es aber leider selbst am Britischen Museum nicht für alle Abteilungen geworden ist.
Von einer ganz anderen Seite her wurden in diesem Zeit- raum einige Teile des inneren Kleinasiens erforscht. Das Interesse
Newtons Bedeutung. Perrots galatische Expedition 101
Napoleons III. für die Geschichte Cäsars wirkte fördernd auf eine Reihe wissenschaftlicher Unternehmungen. So ward 1861 Georges Perrot, einer der hervorragendsten Zöglinge der Französischen Schule in Athen (S. 52), an die Spitze einer »galatischen« Expedition gestellt. Ihr Hauptzweck war die vollständige Auf- deckung und Lesung des Rechenschaftsberichtes des Kaisers Augustus über seine Regierung, mit dem die Wände des Tem- pels des Augustus und der Roma in Ankyra (jetzt Angora) in doppelter, lateinischer und griechischer, Ausfertigung bedeckt waren. Der Architekt Eug. Guillaume und der als Photograph tätige Arzt Jules Delbet begleiteten Perrot. Schon vor dreihundert Jahren hatte Busbeke den lateinischen Text jenes ^monumentam Ancyranum^ entdeckt und abgeschrieben; andere Reisende hatten später Teile der griechischen Übersetzung kopiert. Jetzt wurden große neue Stücke der überaus wichtigen Urkunde aufgedeckt. Für die Archäologie aber war weit bedeutender der Streifzug, den Perrot mit seinen Genossen in das benachbarte Kappadokien unternahm, um die bereits von Texier (S. 89) bemerkten Fels- reliefs von Boghasköi und anderen Orten genauer zu unter- leo/ei suchen. Es war eine fremde, ungriechische Kunst, die sich hier auftat, mit Anklängen an mesopotamische Formen, aber doch selbständig. Solche Felsreliefs begegnen an mehreren Stellen des nördlichen Kleinasiens und erstrecken sich bis in die Nähe von Smyrna, wo der »Karabel« (schwarze Stein) von Nymphiö, ein i62 Kriegerbild, schon Texiers Aufmerksamkeit erregt hatte; ganz ab- weichender Art ist die sogenannte Niobe am Sipylos, ein alt- les phrygisches Kybelebild. Sicherlich haben wir es in jenen Fels- reliefs mit der Kunst einer älteren Bevölkerung Kleinasiens zu tun, und man durfte annehmen, daß sie sich unter dem Einfluß der einst im nördlichen Syrien seßhaften Hettiter entwickelt habe. Das aber blieb zweifelhaft, ob wir deshalb, wie das seit William Wrights »Empire of the Hittites« (1884) vielfach geschehen ist, die politische Herrschaft jenes Volkes über ganz Kleinasien aus- gedehnt zu denken brauchten, oder ob es sich nur um Kuhur- einflüsse jenes Volkes handelte. Erst die im Herbst 1906 von Hugo Winckler (Berlin) angestellten Ausgrabungen haben die
102 V. Entdeckungen im Osten
Gewißheit erbracht, daß in Boghasköi wirklich die Hauptstadt des Hettiterreiches lag. Ein gewaltiges Archiv von Tontafeln in het- titischer und babylonischer Schrift verspricht reiche Aufklärung über die kleinasiatische Vorzeit; Mauerreste und einige zum Vorschein ge- kommene Skulpturen (Löwen) laden zu weiteren Untersuchungen ein.
In noch näherer Beziehung zu Napoleons III. Plänen steht die »makedonische« Expedition, mit der der Kaiser um die gleiche Zeit Perrots Studiengenossen Leon Heuzey (S. 52) und den Architekten Honore Daumet beauftragte. Es galt vor allem die Schlachtfelder von Pharsalos und von Philippi, denen sich das von Pydna zugesellte, zu untersuchen. Aber Heuzey faßte die Aufgabe weiter und dehnte sie mit großer Gründlichkeit über eine Menge mythologischer Denkmäler Thrakiens sowie über verschiedene architektonische Anlagen aus, unter denen die bis dahin ganz unbekannten Reste einer großartigen Villa aus hellenistischer Zeit bei Palatitza im südlichen Makedonien hervor- ragen. Die Mitwirkung des Architekten bewährte sich vortreff- lich. Von den Skulpturen war namentlich das Bruchstück eines Grabreliefs aus Pharsalos mit zwei Frauen um seines besonderen, leicht altertümlichen Stiles willen bemerkenswert. Die Ergebnisse beider Expeditionen wurden später in trefflich ausgestatteten Werken veröffentlicht.
Hier verdient auch die Reise nach Thasos Erwähnung, die der Pariser Akademiker E. Miller im Jahre 1864 unternahm. Galt sie auch in erster Linie der Ausbeute von Inschriften, so bereicherten doch die angestellten Ausgrabungen das Museum des Louvre um zwei erlesene Stücke vorattischer, ionischer Kunst, die Friese eines den Nymphen und Apollon geweihten Altars von 33 zierlich archaischem Stil, den Reliefs des Harpyiendenkmals (S. 91) sosf. nahe verwandt, und das ungewöhnlich fein gearbeitete Grabrelief der Philis. Dieses zeigt in besonders hohem Maße jenen auch in dem Relief von Pharsalos vertretenen »pastosen« Stil, in dem Brunn die besondere Eigentümlichkeit der nordgriechischen Relief- bildnerei erkennen wollte; auf alle Fälle ist es eine etwas eigen- tümlich gewandte Abart des ionischen Stiles.
Heuzey in Makedonien. Thasos. Südrußland 103
Das nördlichste Gebiet, das in diesem Zeitabschnitt unserer Kenntnis erschlossen ward, ist das Skythenland im südlichen Rußland, auf dessen archäologische Ausbeutung die russische Regierung große Kosten verwandt hat. Es handelt sich haupt- sächlich um Gräber skythischer Könige oder Häuptlinge, die als künstliche Hügel teils in der Krim bei Kertsch und jenseits der Meerenge auf der Halbinsel Taman, teils am Dnjepr bei der untersten Stromschnelle des Flusses emporragen. Es war im Jahre 1830, daß der französische Emigrant Paul Dubrux, der in russischen Diensten stand und ein reges Interesse für die Alter- tümer gefaßt hatte, den Kul Oba (Aschenhügel) bei Kertsch öffnete und zum erstenmale die reichen Goldschätze dieser Herrschergräber ans Licht brachte. Unter dem großen Erdhügel lag eine gemauerte Grabkammer verborgen, die aber dem Ge- brauch der skythischen Häuser entsprechend im Inneren mit einer Holzdecke versehen war. Den Leichnam des Häuptlings und die Wände des Grabes zierten die Überreste goldgeschmückter Gewänder; ein goldener Schild und eine goldene Schwertscheide (diese mit dem Namen des Künstlers Pornacho), beide reich mit Reliefs geschmückt, dazu eine große Amphora von Elektros (Weißgold, einer Mischung von Gold und Silber) vollendeten die kostbare Ausstattung des Grabes. Zu den Königsgräbern am Dnjepr wandten sich die Arbeiten der russischen Archäo- logischen Kommission, deren wissenschaftlicher Berater Ludolf Stephani war, erst bedeutend später. Auf Grund einer Angabe Herodots über die Grabstätte der skythischen Herrscher, die sich in der Hauptsache als sehr genau erwies, machte man sich an die Aufdeckung einiger der größten unter den unzähligen Grab- hügeln, die zwischen Jekaterinoslaw und Aleksandrowsk am rechten Ufer des Stromes das Land bedecken. Die Nachgrabungen im »Wiesengrabe« bei dem Dorf Aleksandropol , die in den Jahren 1852/56 vorgenommen wurden, führten freilich nur zu der Erkenntnis, daß schon in alter Zeit das Grab ausgeplündert worden war. Dasselbe galt von einem anderen noch größeren Kurgan (Hügel) bei Nikopol, der 1862/63 in Angriff genommen ward. Allein hier waren die Schatzgräber von einem Unfall er-
104 V. Entdeckungen im Osten
eilt worden; in einem verschütteten Gange fand man einen Leich- nam und eine Lampe neben den geraubten Schätzen. Die gol- denen Beläge eines breiten Köchers (Gorytos) und einer Schwert- scheide, sowie eine Silberamphora, alle wiederum mit Reliefs 385 griechischen Stils geziert, bildeten Hauptstücke; aber viel goldene Kostbarkeiten fanden sich daneben, und in der Grabkammer der Frau des Herrschers bot ein bemalter Holzsarg etwas ganz Neues. Woher stammte diese ganze Kunst? In den Gräbern der Krim wiesen zahlreiche Vasen von attischer Fabrik, zum großen Teil von hoher Schönheit, auf die lebhaften Handelsbeziehungen zwischen Athen und dem Skythenlande hin. Ein athenischer Vasenmaler Xenophantos, allem Anschein nach in Pantikapäon (Kertsch) ansässig, legte auch den Gedanken an eine dorthin übertragene attische Kunstübung nahe; der Gegenstand seiner Malerei, eine etwas phantastisch ausgestattete Jagd des Dareios, wies eine Rücksicht auf ein »barbarisches« Publikum auf. Ähn- lich war man auch die großen und kleinen Gefäße aus Gold, Silber und Elektros und das prächtige Goldgeschmeide anzusehen geneigt, worin die Hauptausstattung jener Gräber bestand. Grie- chische Kunstform war hier teilweise einen Bund mit national- skythischen Gegenständen eingegangen; mit erstaunlich scharfem Blicke war das charakteristische Leben und Treiben der antiken Kosaken erfaßt und wiedergegeben. Bald erblicken wir die Skythen auf dem Kriegszug; sie schwatzen miteinander, sie be- spannen ihren Bogen, eine schmerzhafte Zahnoperation wird ge- macht oder ein verwundetes Bein verbunden. Ein andermal finden wir sie auf der Steppe mit dem Zähmen und Koppeln 385 ihrer Pferde beschäftigt, jeder Zug dem Leben abgelauscht. Da- neben weisen die griechischen Gegenstände eine etwas manierierte, leicht etwas unbelebte Stilweise und mancherlei Mißverständnisse auf, allerdings neben ausgezeichnet schönen und reinen Orna- menten und Tierfiguren. Getreue Nachbildungen des Kopfes der Parthenos auf Goldmedaillons weisen deutlich nach Athen, und es ist wohl am wahrscheinlichsten, daß diese Werke des fünften und vierten Jahrhunderts teils aus Attika eingeführt worden sind, zum großen Teil aber eine attisch -skythische Mischkunst
Südrußland 105
darstellen, im Skythenlande selbst von Griechen und von griechisch geschulten Skythen (z. B. jenem Pornacho) geübt. Neben Athen hat sich allmählich auch lonien gemeldet um seinen Anteil an jener Prachtkunst geltend zu machen, deren Schönheit bekanntlich auch die Kunst von Fälschern zu Nachbildungen gereizt hat; die »Tiara des Saitapharnes« lebt noch in aller Ge- dächtnis. Die gefundenen Schätze selbst bilden den Stolz der Antikensammlung in der Petersburger Eremitage; auf diesem Gebiete, namentlich dem des erlesensten Goldschmuckes, kann es so leicht keine Sammlung der Welt mit ihr aufnehmen. Das Pracht- werk der Antiquites du Bosphore Cimmerien, mit kaiserlicher Muni- fizenz ausgestattet, und die Jahresberichte der Petersburger Archäo- logischen Kommission haben die Funde in würdiger Weise be- kannt gemacht
VI
GRIECHISCHE HEILIGTÜMER
is in den Beginn der sechziger Jahre war der Strom der archäologischen Entdeckungen fast ohne Unter- brechung dahingerollt; zuletzt hatte er in Newtons klein- asiatischen Unternehmungen von neuem eine Höhe erreicht, die an den Beginn des Jahrhunderts gemahnte. Jetzt folgte eine kurze Pause, nur durch einzelne Entdeckungen unterbrochen. Im Jahre 1862 unternahmen Ernst Curtius und die Archi- tekten Karl Bötticher und Heinrich Strack eine Studienreise nach Athen. Curtius untersuchte besonders die sogenannten Pnyx- höhen in topographischem Interesse; Bötticher richtete seine Studien auf die Bauten der Akropolis; Strack begann die Aufdeckung des 20 gänzlich verschütteten Dionysostheaters. — Im nächsten Frühjahre ward unweit Roms bei Prima Porta, dem alten Saxa Rubra, wo einst Konstantin sich die Weltherrschaft sicherte, die Villa der Kaiserin Li via entdeckt, mit landschaftlichen Wandmalereien und 80 mit der Statue ihres Gemahls, dem authentischsten Bild Augusts, 802 das durch seinen höfisch beziehungsreichen Panzerschmuck und durch lebhafte Farbspuren gerechtes Aufsehen erregte. — Auch die Stadt Rom bot Neues aus augustischer Zeit. Im Jahre 1861 erwarb Napoleon III. von der entthronten Neapler Königsfamilie die Villa Farnese auf dem Palatin und beauftragte den römischen Ingenieur und Architekten Pietro Rosa mit der Freilegung der alten Kaiserpaläste, so weit sie in jenen Bereich fielen. Diese Ausgrabungen hatten überaus reichen Erfolg für die Kenntnis der palatinischen Bauten, besonders des f lavischen Palastes, eine
Einzelfunde. Stand der Denkmälerkenntnis vor 1870 107
besonders schöne Frucht aber trugen sie kurz vor Torschluß (1869)
durch die Aufdeckung eines etwas tiefer gelegenen und daher
besser erhaltenen Teiles des Hauses der Livia oder des Germanicus.
96 Drei gewölbte Räume enthielten hier noch ihren malerischen Wand- 765
561
schmuck, so fein, so vornehm, so eigenartig, wie Herculaneum 606 und Pompeji nichts aufzuweisen hatten. Die ganze Bedeutung des Fundes sollte freilich erst allmählich klar werden.
Somit fehlte es dem siebenten Jahrzehnt — auch abgesehen von den am Schlüsse des vorigen Kapitels aufgezählten Ent- deckungen, die großenteils erst später zur Veröffentlichung kamen — nicht ganz an neuen Funden; aber doch ward eine Stockung bemerkbar. Dadurch ward die Frage nahe gelegt: Was war bisher erreicht worden? Wie hatte sich durch diese lange Reihe von Entdeckungen unser Antikenbestand verändert? Was hatte die Wissenschaft dadurch gewonnen?
Zu Anfang des Jahrhunderts hatte die Archäologie fast nur mit römischem Material gearbeitet; jetzt waren beinahe alle Um- länder des Mittelmeeres, das ganze griechische Gebiet von Sicilien bis Kleinasien, in den Kreis der Betrachtung gezogen, durch Reisen, Untersuchungen, Ausgrabungen der Wissenschaft dienstbar gemacht worden. Pompeji und Etrurien waren hinzugetreten; Ägypten und Assyrien hatten den Gesichtskreis über die klassischen Länder hinaus erweitert.
Die griechische Kunst, die damit nicht mehr bloß in Kopien, sondern in ihrer eigenen Gestalt leibhaftig erkennbar in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Behandlung getreten war, zeigte ihre Entwickelung erst jetzt in deutlichen Umrissen. Durch die Kenntnis Mykenäs war ein matter Strahl in die Vorzeit ge- fallen; der Inhalt des Grabes Regulini-Galassi (S. 68) beleuchtete die homerische Kunst; die Felsreliefs Kleinasiens, darunter die vermeintliche Niobe am Sipylos, deren Bild Homer besungen (S. 101), schienen ebenfalls einer grauen Vorzeit anzugehören. Die eigentlich griechische Kunst dagegen glaubte man erst etwa gegen 600 beginnen lassen zu dürfen, wo die ersten Künstler- namen auftreten. Von da an aber lagen drei Jahrhunderte, bis zur Zeit Alexanders des Großen, ziemlich klar vor Augen.
108 VI. Griechische Heiligtümer
Die dorische Baukunst war durch zahlreiche Tempel im Westen (Sicilien und Pästum) und im eigentlichen Griechenland vertreten; von der ionischen waren die Beispiele viel spärlicher, und namentlich fehlte es an solchen aus der Anfangszeit, so daß der Athenetempel in Priene aus Alexanders des Großen Zeit als Normaltempel gelten mußte. Dennoch genügte dies Material einem genialen Manne wie Gottfried Semper, um die Grundlinien der Entwickelung der Baustile zu ziehen und ihre Hauptperioden zu scheiden, während die logisch-systematische, aber des geschicht- lichen Sinnes bare Denkweise Karl Böttichers in glänzender Ab- straktion den Gesamtbau des dorischen Tempels, in seinem strengen Zusammenhang und in seinem Verhältnisse zu den Bedingungen des Kultus, vor unseren Augen entstehen ließ.
Für die Malerei war überhaupt erst dank den Vasenfunden eine Grundlage gewonnen. Man hat die Vasenbilder bleichen Mondesstrahlen verglichen gegenüber dem hellen Sonnenlichte der für immer geschwundenen großen Malerei der Griechen. Freilich können jene Erzeugnisse des Kunsthandwerkes diese Meisterleistungen nicht ersetzen, aber die sichere Hand und der zarte Sinn in jenen bescheidenen Werken atmen doch echter griechi- schen Geist als die späten Werke Herculaneums und Pompejis, und sie geben uns unmittelbare Anschauung statt der bloßen Beschreibungen und Erwähnungen in der antiken Literatur. So boten sie der Phantasie Nahrung, um das Bild der verlorenen Schöne wiederzugewinnen, und antik gebildete Künstler wie die Ge- brüder Riepenhausen verbanden sich mit einem nachempfindenden Meister der Wissenschaft wie Friedrich Gottlieb Welcker, um Poly- gnots große delphische Wandgemälde zeichnerisch wiederherzu- stellen. Von dem Stilwandel griechischer Malerei konnten die etrus- kischen Wandmalereien einen matten Abglanz gewähren. Der Fund der Alexanderschlacht in Pompeji hatte, wenn auch nur in der ver- gröbernden Wiedergabe mittels der Mosaiktechnik, doch den ersten Begriff von malerischer Behandlung historischer Gegenstände in großem Stil gewährt Daneben hatten immer neu gefundene pompejanische Gemälde den Kreis mythologischer Bilder um manches schöne Stück erweitert.
Baukunst. Malerei. Plastik. Hellenismus 109
Weit größer war der Gewinn für die Plastik. Über das
40 6. Jahrhundert hinauf schienen die ältesten Metopen von Selinunt, 288
vielleicht auch die Friesreliefs von Assos, den Ausblick auf eine 290
wenn auch nicht gerade primitive, so doch stark archaische Kunst-
33 weise zu öffnen. Die massigen Statuen von der heiligen Straße 296
33 zum Didymäon, die hochaltertümlichen Reliefs von den Säulen 291
des ephesischen Artemistempels, die befangenen, jedoch »schon 33 von Anmut leise umflossenen« Friese des lykischen Harpyien- 308/9 denkmals dienten verschiedene Richtungen des 6. Jahrhunderts anschaulich zu machen. Die Scheidung der Kunst in eine dorische und eine ionische, die für die Baukunst von alters her geläufig war, begann unter solchen neuen Eindrücken auch auf die Skulptur angewandt zu werden. Eben dahin führte im 5. Jahrhundert der Gegensatz zwischen den äginetischen, den paar olympischen, den jüngeren selinuntischen Skulpturen einerseits und den athenischen und phigalischen Meisterwerken andrerseits; die Plastik der Zeit des »hohen Stils« war überhaupt erst anschaulich geworden. In ähnlicher Weise hatten die Funde in Halikarnass, in Ephesos, in Knidos die nach Kleinasien übergesiedelte Skulptur des 4. Jahr- es hunderts lebendig gemacht; der Apoxyomenos und der Sophokles 536 waren ergänzend hinzugetreten. Überall waren Anhaltspunkte gewonnen worden verwandte Werke aufzusuchen und das Bild der griechischen Skulpturentwickelung reicher und farbiger aus- zugestalten. Es begann jene Reihe von »Geschichten griechischer Plastik«, die das Vorurteil erweckten oder bestärkten, als ob die Geschichte der griechischen Kunst in der Geschichte der griechischen Plastik beschlossen wäre; diese trat so einseitig in den Vorder- grund, daß der Sinn für die unzertrennliche Zusammengehörig- keit der drei Künste mehr und mehr verloren ging.
Mit Alexander dem Großen endete, wie gesagt, die Reihe der neuen Entdeckungen. Bei der Aphrodite von Melos erhob sich immer von neuem der Zweifel, ob sie nicht ins 4., wo nicht gar ins 5. Jahrhundert versetzt werden müsse; sie schien zu gut für die hellenistische Epoche, der man desto geringere Leistungsfähigkeit zutraute, je weniger man von ihr wußte. Denn in der Tat war hier eine weit klaffende Lücke unserer Kenntnis
110 VI. Griechische Heiligtümer
geblieben, um so empfindlicher, als auch die Literatur uns hier fast ganz im Stiche läßt Das Verdienst mit neuer Forschung hier eingesetzt zu haben gebührt Wolfgang Heibig, einem Zög- ling der Bonner Universität aus der Zeit Ritschis und Jahns. Seine Katalogisierung der erhaltenen Wandgemälde aus Hercu- laneum und Pompeji (1868, s. S. 75) führte ihn auf weitere Untersuchungen, die er 1873 ausführlich darlegte. Das Haupt- ergebnis war, daß jene Gemälde, wenn auch in römischer Zeit gemalt, doch mit verschwindenden Ausnahmen auf die hellenistische Malerei zurückgingen und deren Erzeugnisse in mehr oder minder abgeblaßten oder entstellten Kopien wiedergäben ; was römisch war, zeigte abweichenden Stil und war meistens derb realistisch. Um dies Resultat völlig klarzustellen führte Heibig eine lange Reihe von Einzeluntersuchungen durch, die sich als der erste Versuch einer Kulturgeschichte des hellenistischen Zeitalters bezeichnen lassen. Damit war für die Kenntnis der spätgriechischen Kunst, zunächst für die Malerei, ein neuer Grund gewonnen. Wie immer traten die Unterschiede erst einmal vor dem Gesamtbilde zurück, aber der Boden war bereitet um neuen Entdeckungen auf diesem Gebiete, die bald eintreten sollten, ihren Platz anzuweisen. Anderer- seits hatte die römische Kunst eines ihrer geschätztesten Erzeug- nisse, die »pompejanische« Malerei, an den Hellenismus abgeben müssen und durfte sich auf weitere Terrainbeschränkungen ge- faßt machen.
Die Aufgabe alle die neuen Entdeckungen wissenschaftlich zu verarbeiten traf eine neue Generation. Von der älteren wurden in Deutschland drei Hauptvertreter, Gerhard, Welcker, Jahn, in den sechziger Jahren abberufen; Otfried Müller war schon 1840 in Griechenland gestorben. Heinrich Brunn wirkte noch am Archäologischen Institut in Rom als Erzieher der jüngeren Fach- genossen, bis er 1865 nach München berufen ward und seinen römischen Posten an Heibig abgab. Für die neuen Lehrstühle der Archäologie, die an immer mehr deutschen Universitäten er- richtet wurden, ließen sich nunmehr die Kräfte aus der Zahl jener jungen Männer gewinnen, die am Institut ihre archäologische Ausbildung vervollkommnet hatten (vergl. S. 75). Eben diese
Jüngeres Archäologengeschlecht. Neue Ausgrabungspläne 1 1 1
methodische Vorbereitung der Lehrer und die Verbreitung ar- chäologischen Unterrichts über alle, auch die kleineren deutschen Universitäten verlieh der deutschen Wissenschaft für einige Zeit ein Übergewicht, das auch von Fremden anerkannt ward; die deutschen Universitäten wurden gern von Ausländern, namentlich von den Griechen, aufgesucht. Die französische Schule in Athen hatte unter Amedee Daveluys und Emile Burnoufs Leitung noch stille Zeit; in Frankreich selbst hatte die Archäologie fast nur in Paris eine Stätte. England besaß überhaupt noch kein zünftiges Studium der Archäologie; erst etwas später ward in Cambridge der erste archäologische Lehrstuhl gegründet. Italien nahm an der neuen Entwickelung nur vereinzelten Anteil, diesen meistens im Anschluß an das Archäologische Institut; doch zeigten sich allmählich die ersten Anzeichen der beginnenden prähistorischen Forschung, die sich ganz abseits und unabhängig von der klassi- schen Archäologie, mehr in Verbindung mit der Naturforschung und der Kulturgeschichte entfaltete (Kap. VIII). Bei den Griechen endlich erschöpfte sich fast das ganze Interesse in der Epigraphik und Numismatik.
Die neue Lage der archäologischen Wissenschaft wirkte auch auf die Ausgrabungen zurück. Alles was bisher entdeckt worden war, beschränkte sich, wenn man von Pompeji absieht, zumeist auf Einzelfunde oder einzelne Bauwerke; selbst Newtons Unter- nehmungen trugen diesen Charakter, etwa mit Ausnahme von Knidos, wo er den ganzen Stadtplan bloßlegte. Oft hatte auch der Zufall seinen Anteil an den Entdeckungen, so bei den Nekropolen Südetruriens. Fortan mußte es gelten von vornherein größere Gesamtanlagen nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten planmäßig in Angriff zu nehmen und möglichst erschöpfend zu bearbeiten. Dazu war vor allem die Mitwirkung geschulter und in der antiken Baukunst wohlbewanderter Architekten notwendig; nur zu viele der bisherigen Unternehmungen ließen hier einen schweren Mangel empfinden. Der erste, der mit klarer Einsicht diese neue Bahn betrat, war Alexander Conze.
112 VI. Griechische Heiligtümer
Conze, noch ein Schüler Gerhards, hatte nach Vollendung seiner Studien in den Jahren 1856/57 eine Fahrt nach den nörd- lichsten Inseln des Archipels (Samothrake, Imbros, Lemnos, Thasos) und nach Lesbos unternommen, in der Absicht eine von Ludwig Roß bei seinen Inselreisen (S. 52) gelassene Lücke auszufüllen. Die Reise war voll neuer Ergebnisse, auch ohne daß er eigene Ausgrabungen hätte vornehmen können; ein solcher Gedanke lag überhaupt damals noch merkwürdig ferne. Von der Burg- höhe Mytilenes hatte er hinüber nach den Küsten Kleinasiens geschaut, die damals, nach dem Krimkriege, von Banden ent- lassener türkischer Soldaten durchzogen wurden und für wissen- schaftliche Untersuchungen, vollends eines einzelnen, verschlossen schienen. Nachdem Conze seine Beschreibung der Inseln des thrakischen Meeres herausgegeben hatte, ging er nach Rom und lernte hier Newton kennen, der eben damals (1859) im Saale der preußischen Gesandtschaft im Palazzo Caffarelli die großen Zeich- nungen und Photographien des Mausoleums und seiner anderen asiatischen Unternehmungen ausstellte und erklärte. Dem war also gelungen was Conze unmöglich erschienen war! Die Be- deutung des so Gewonnenen, die Unterhaltungen mit dem glück- lichen Entdecker, die Erinnerung an so manche Stelle, die er selbst hatte unerforscht lassen müssen — das alles zusammen ließ einen Stachel in Conzes Seele zurück. Als er dann nach einer Bereisung Griechenlands — er und der Schreiber dieser Zeilen waren die ersten Inhaber eines Reisestipendiums des Ar- chäologischen Institutes (S. 74) — und nach mehrjähriger Lehr- tätigkeit in Göttingen und Halle 1869 an die Wiener Universität berufen worden war, eröffnete sich ihm ein weiteres Feld. Das Studium der Archäologie lag damals in Österreich ganz brach; hatte doch einst Metternich die Teilnahme am Archäologischen Institute, dessen Ehrenpräsident er war (president en l'air, wie er selber spottete), in Österreich verboten! Neben der Einrichtung der archäologischen Studien an der Universität und der Bereisung der österreichischen Länder mit Rücksicht auf die Überreste ihrer römischen Vergangenheit ließ Conze es sich auch angelegen sein das allgemeinere Interesse für archäologische Fragen zu wecken.
Alexander Conze. Samothrake 113
So hielt er z. B. 1872 einen Vortrag über »zwei griechische Inseln«, Syra und Samothrake. Syra, im Mittelpunkte der Kykladen gelegen, vertrat damals die ehemalige Handelsbedeutung der Nachbarinsel Delos, während deren Heiligkeit seit einem halben Jahrhundert auf das ebenfalls benachbarte Tenos mit seiner Evan- gelistria übergegangen war. Ebenso hatte das abgelegene Samo- thrake mit seinem Mysterienkult längst seine Stelle an den klöster- reichen Athos, den »heiligen Berg« der orientalischen Christenheit, abgetreten. Beide Inseln lagen in der Interessensphäre des öster- reichischen Handels und der österreichischen Politik. Unter Hinweis darauf schloß Conze mit den Worten: »Hoffentlich wird schon bald der Bann gelöst sein, der die Denkmälerwelt der ebenso merkwürdigen wie wenig bekannten Insel verschlossen hält. Das Machtwort hierfür kann täglich gesprochen werden.« Der Ruf verhallte nicht ungehört. Die Regierung verlangte aus eigenem Antriebe von Conze einen Ausgrabungsplan, dessen Ausführung sie ihm und zwei Wiener Architekten, dem sorg- fältigen, in strenger Bötticherscher Schule gebildeten Alois Hauser und dem genialen George Niemann aus Hannover, übertrug. Damit war die entscheidende Mitwirkung der Architekten ge- sichert. Außerdem ward auch für einen Photographen Sorge getragen. Schon Newton hatte von der damals noch nicht so wie heute entwickelten Photographie Gebrauch gemacht; sie mußte fortan für jede ähnliche Unternehmung unentbehrlich er- scheinen. Ein Kriegsschiff ward von der Regierung zur Ver- fügung gestellt, und im Mai und Juni 1873 ward sechs Wochen lang in Samothrake gegraben, mit so gutem Erfolge, daß im Herbst 1875 eine zweite Expedition auf zwei Monate entsandt ward. Ihr gehörte außer Conze und Hauser unter anderen auch Otto Benndorf, damals in Prag, an.
Samothrake ist ein rauhes Felseiland, abgelegen und selten das Ziel von Schiffen. Auf der Insel gibt es nur wenige ebene Stellen von auch nur mäßigem Umfang. Seit Conzes Besuch hatte 1863 der französische Vizekonsul Champoiseau aus der gegenüberliegenden Stadt Kabälla etwa 200 Bruchstücke einer großen weiblichen Statue ausgraben lassen und nach Paris ge-
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. g
114 VI. Griechische Heiligtümer
68 sandt. Dort hatte man daraus eine Nike zusammengesetzt, die 550 man zuerst meistens — so neu erschien vieles an' ihr — als »mittelmäßige Dekorationsfigur aus später Zeit« einschätzte; erst Wilhelm Fröhner erkannte 1869 ihren hohen Wert. Die Statue war nicht weit von der Stelle gefunden, die die österreichische Expedition zum Operationsfelde ausersehen hatte. Außerhalb des altertümlichen Mauerringes der alten Stadt Samothrake lag das Ruinenfeld der alten Mysterienstätte auf zwei unebenen Landzungen zwischen tief eingerissenen Flußbetten. Hier förderten 1873 die Ausgrabungen hauptsächlich zwei Gebäude zutage, beide von
19 ungewöhnlicher Anlage. Der »Marmortempel«, dem S.Jahrhundert 537 vor Christo angehörig, bot eine Form dar, die durch Querschiff und erhöhten »Chor« mit gerundeter Apsis in auffälliger Weise die Grundform der christlichen Basilika vorwegzunehmen schien. Innerhalb des »Chores« wies eine eigentümlich hergerichtete, bis auf den Felsen hinabgehende Grube, etwas völlig Neues, auf die blutigen Opfer des Mysterienkultus und der Einweihungsgebräuche
19 hin. Nicht minder eigentümlich war der mäßig große Rundbau, sgg als zweistöckiger Bau charakterisiert und allseitig fest geschlossen, anscheinend für Versammlungen der Eingeweihten bestimmt. Bruchstücke der Weihinschrift wiesen auf Arsinoe, die Tochter des ersten Ptolemäers und damals Gemahlin des Königs Lysi- machos (gest. 281), als Stifterin hin. Diese Baugruppe aus früher Ptolemäerzeit ward 1875 durch ein Torgebäude, eine Stiftung Ptolemäos IL, vervollständigt; neben den Marmortempel trat außerdem ein äUerer, bedeutend einfacherer Mysterientempel des 4. Jahrhunderts mit ähnlicher Opfergrube, vermutlich der Tempel, für den nach antikem Zeugnisse Skopas gearbeitet hatte. Endlich lief in einiger Entfernung neben dem Mysterienplatz eine lange Säulenhalle hin, das erste Beispiel einer Anlage, die sich bald als ein stehender Bestandteil hellenistischer Baugruppen heraus- stellen sollte.
So viel neue und interessante bauliche Einzelheiten auch die Ausgrabungen zutage gefördert hatten, das Wichtigste war doch, daß hier eine größere zusammenhängende Bauanlage, die Ge- samtheit eines Mysterienheiligtums, aufgedeckt worden war. Alles
Das Mysterienheiligtum und die Nike von Samothrake 115
mit Ausnahme des älteren Tempels gehörte der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts an, vermutlich eine Neugründung verschiedener Mitglieder des Ptolemäerhauses. Damit war der erste Einblick in hellenistische Baukunst gewonnen. Eine erhebliche Anzahl charakteristischer Einzelformen ließ sich bemerken; auch erinnerte der malerische Zug der ganzen Anlage auf das lebhafteste an pompejanische Landschaftsbilder und stellte eine wichtige Seite hellenistischen Kunstsinnes ins Licht Wenn die Ausbeute an Skulpturen gering war — die Reste der Giebelfiguren vom Marmor- tempel verrieten eine flotte dekorative Mache — so boten die benachbarten Kalköfen hier wie so oft die traurige Erklärung. Dafür entschädigte aber eine andere Entdeckung, um deren wissen- schaftliche Verwertung sich namentlich Benndorf verdient gemacht hat. Neben dem Ende jener langen Halle ward an der Stelle, wo Champoiseaus Statuenfragmente gefunden worden waren, emsig nachgeforscht, und außer einigen weiteren Bruchstücken der Statue fanden sich die Blöcke ihres Unterbaues, die sich zum Vorderteil eines Kriegsschiffes zusammenfügten. Nike hatte also auf einem Schiffe gestanden, genau so wie Demetrios Poliorketes nach dem entscheidenden Seesiege von 306 beim kyprischen Salamis, der die Zerspaltung von Alexanders Monarchie in vier selbständige Königreiche besiegelte, auf seinen Münzen Nike auf dem Schiffe 551 geprägt hatte; ja so genau entsprechend, daß sich von selber die Vermutung aufdrängte, die samothrakische Nike sei von De- metrios selbst zum Andenken an jenen Sieg geweiht worden. Damit war für den Beginn der hellenistischen Periode ein Hauptstück gewonnen, ebenso schwungvoll in der Komposition wie virtuos in der Durchführung der selbstherrlich gewordenen Gewandung. Die Entdecker teilten den Fund Champoiseau mit, der alle Stücke nach Paris schaffen ließ. Dort ward die 68 Statue vervollständigt und auf ihre Schiffsbasis gesetzt, um an- 550 läßlich des Besuches des russischen Kaisers (1896) ihren Platz oberhalb des stattlichen escalier Dam zu erhalten: eine Auf- stellung von glänzender dekorativer Wirkung, wenn sie auch der Einzelbetrachtung des großartigen Werkes nicht ganz ge- recht wird.
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116 VI. Griechische Heiligtümer
Über die österreichischen Ausgrabungen ward ein ausführ- licher Bericht ausgearbeitet Hier trat zum erstenmal die Photo- graphie in den Dienst nicht bloß der Ausgrabungen, sondern auch der Publikation. Newton hatte noch die Photographien lithographisch umzeichnen lassen müssen ; hier wurden sie selbst dem Buche einverleibt. Eine andere Neuerung brachte der Bericht dadurch, daß die Architekten sich nicht, wie es bis dahin mit wenigen Ausnahmen üblich gewesen war und auch seither noch vielfach geschieht, mit bildlichen Wiederherstellungen der ganzen Gebäude und charakteristischer Einzelheiten begnügten, sondern außerdem die einzelnen wichtigen Blöcke mit ihren technischen Besonderheiten genau abbildeten. Erst durch dies vorsichtige und gewissenhafte Verfahren ist die Möglichkeit gegeben die Wiederherstellungen nachzuprüfen und nach der technischen wie nach der formalen Seite die Besonderheiten verschiedener Zeiten und Bauschulen kennen zu lernen. Die den Architekten ein- geräumte führende Stellung hatte sich glänzend bewährt; da- mit war für weitere Unternehmungen die sichere Richtschnur gefunden.
Das samothrakische Heiligtum war den »großen Göttern«, den Kabiren, und ihren Mysterien geweiht So mag hier ein anderes kleineres Kabirenheiligtum angeschlossen werden, das 1887/88 von dem Deutschen Archäologischen Institut in Athen etwas westlich von Theben aufgedeckt ward. Wie häufig bei genauerer Untersuchung, so ergaben sich auch hier mehrere Bau- schichten übereinander. Vom ältesten Tempel, etwa dem 6. Jahr- hundert angehörig, war nur ein Stück einer Apsis nachweislich, die an Samothrake erinnert Der zweite, hellenistische, Tempel bot statt einer Cella ein doppeltes Gemach dar, wie es in selinun- tischen Tempeln vorkommt; im inneren Gemach stand die breite Basis für die Götterbilder. Hinter dem Tempel lag ein um- mauerter Hof mit der Opfergrube; ohne vom Tempel aus zu- gänglich zu sein, hatte er, ebenso wie das Querschiff des Tempels in Samothrake, auf beiden Seiten eine Tür. Es ergab sich also von neuem die Tatsache, daß einzelne Teile eines Heiligtums »hypäthral« sein, daß heißt unter freiem Himmel liegen konnten
Das böotische Kabirion. Delos 117
(vgl. S. 36). Auch der letzte Umbau, aus römischer Zeit, behielt im ganzen die frühere Anlage bei, .nur daß er Cella und Vor- halle in der allgemein üblichen Weise umgestaltete. Von der Popularität des Kultus legten die Massen von Scherben Zeugnis ab, die durch den derben humoristischen Stil ihrer Malereien ein charakteristisches Gegenstück zu der gleichzeitigen attischen Malerei bildeten und durch die Schilderung des Kabiren und seines Sohnes in bacchischer Umgebung ein interessantes Kapitel der Mythologie aufhellten.
Während die Österreicher in Samothrake zum erstenmal auf diesem Gebiete Lorbeeren pflückten, faßte die Französische Schule in Athen ein ähnliches Ziel ins Auge: Delos, das Geburtseiland Apollons. Die kleinste unter allen Kykladen, aber ihr Mittel- punkt durch den Kultus des ionischen Gottes und in späterer Zeit auch als Zentrum des griechischen Seehandels, bot die Insel, von dem kahlen Berge Kynthos überragt, das Bild trostloser Öde, nicht jener natürlichen Rauheit wie Samothrake, sondern infolge menschlicher Verwüstung und des Fluches, den das Christentum früh auf die heilige Insel der Hellenen gelegt hatte. Kein Baum, kein Haus, kein Kirchlein, nur ein einsamer Invalide als Wächter, ein paar Ziegen und Schweine, die im Moraste des »Heiligen Sees« wühlten: so habe ich die Insel im Jahre 1860 gefunden. Die Stätte des Heiligtums war durch einige Trümmerhaufen, die Stadt durch das Theater am Bergabhange bezeichnet; höher am Berge gab ein mit großen Steinplatten bedeckter kurzer Felsgang ein Rätsel auf. Schon Stuart und Revett (S. 10) hatten einen sehr mangelhaften Plan und die Überreste der dorischen Halle Philipps V., aus dem Ende des 3. Jahrhunderts, nicht viel mehr die Expedition de Moree (S. 49) aufgenommen. Sodann erforschte 1873 Albert Lebegue, ein Mitglied der Französischen Schule, jenen Felsgang und erkannte in der Grotte mit großer Wahr- 218 scheinlichkeit ein hochaltertümliches Heiligtum Apollons. Aber die Hauptarbeiten harrten noch dessen, der sie in die Hand nehmen sollte.
118 VI. Griechische Heiligtümer
Dies trat ein, nachdem der energische Albert Dumont 1876 die Leitung der Französischen Schule in Athen übernommen hatte und im Wetteifer mit dem kurz vorher ebendort gegründeten Deutschen Archäologischen Institut der Schule einen neuen Schwung verlieh und höhere wissenschaftliche Ziele steckte. So richtete er seinen Blick auf Delos und wählte unter den vielen ausge- zeichneten Zöglingen, die damals die athenische Schule besuchten, mit sicherem Urteil den achtundzwanzigjährigen Theophile Ho- molle zu einer Erkundigungsfahrt nach Delos aus (1876). Ho- molle kam mit einem klaren Programme zurück, und im Mai 1877 begann er mit der dürftigen Summe von 1300 Francs, die der Verein französischer Architekten der Schule für irgend eine Ausgrabung zur Verfügung gestellt hatte, die Arbeiten, die zur Aufdeckung des delischen Apollonheiligtums führen sollten. Am Apollontempel selbst ward das Werk begonnen, und in den ersten drei Jahren (1877/79) ward dieser mit seiner nächsten Umgebung bloßgelegt. Im Vordergrunde des Interesses standen aber teils die überaus reichen Funde wichtiger Inschriften, die auch über viele künstlerische Dinge Aufschluß gewährten, teils eine bedeu- dende Anzahl von Marmorbildwerken, die die Skulptur der ioni- schen Inseln während des 6. Jahrhunderts gegenüber den derben milesischen Sitzbildem (S. 97) in neuem Lichte erscheinen ließen. Die wie aus einem Balken gehauene Statue der Naxierin Nikandre 294 34 bot das primitivste Bild einer Gewandfigur; die fliegende Nike, 303 von Archermos selbst oder nach seinem Urbilde geschaffen, stellte den kühnen Flug einer formal noch gehemmten Phantasie vor Augen; andere Frauenstatuen vergegenwärtigten die allmähliche Vervollkommnung in Haltung und Gewandung. Neben diesen altertümlichen Werken fehlte es auch nicht an Bruchstücken jüngerer Gruppen, in denen bald darauf (1 882) Furtwängler den Akroterien- schmuck des Apollontempels, etwa zur Zeit des peloponnesischen Krieges entstanden, erkannte.
In diesen ersten drei Jahren hatte kein Architekt Homolle zur Seite gestanden. Infolgedessen war die Architektur wenig erforscht, kein Gesamtbild der Ausgrabungen gewonnen worden. »Am Ende des Jahres 1879«, schildert Radet, »breiteten sich die
Die Ausgrabungen auf Delos 119
aufgedeckten Grundmauern in unzusammen hängenden Massen über das Gelände aus. Ein Wirrwarr von Gräben und Erdhaufen durchschnitt sie. Man konnte kaum ihre Gestalt, ihre Ausdehnung, ihren Zusammenhang erkennen.« Mittlerweile hatte nicht bloß das Werk über Samothrake, sondern vor allem die Ausgrabung von Olympia (S. 121 ff.) die Unentbehrlichkeit der Architekten bei solchen Unternehmungen klar vor Augen geführt. Somit begab sich Homolle 1880 in Begleitung des tüchtigen Architekten Henri Paul Nenot (er ist später der Erbauer der neuen Sorbonne ge- worden) von neuem an die Arbeit. Von dem gewonnenen Aus- gangspunkt aus suchten sie ringsum die Ringmauer des heiligen Bezirkes zu gewinnen und stießen dabei auf eine Menge von Gebäuden, die den Raum dicht anfüllten: Heiligtümer, Schatz- häuser, die eigentümliche »Stierhalle«, von der Nenot Plan und 599 f. Aufriß veröffentlichte. Auch nahm er den ersten Plan der bis- herigen Grabungen auf.
Ich weiß nicht, warum der so glücklich beschrittene Weg doch alsbald wieder verlassen ward. Homolle selbst führte seine Untersuchungen noch zweimal, 1885 und 1888, weiter, das zweite- mal zusammen mit dem Architekten Demierre. Im übrigen ward die Leitung der Ausgrabungen von dem neuen Direktor der Französischen Schule, dem ausgezeichneten Epigraphiker Paul Foucart, den jugendfrischen, für dergleichen Aufgaben aber doch nicht vorbereiteten Zöglingen der Schule übertragen. So waren 1881 Amedee Hauvette, 1882 Salomon Reinach, 1883 Pierre Paris, 1886 Gustave Fougeres, 1889 Georges Doublet, 1892 Joseph Chamonard, 1893 dieser und Edouard Ardaillon, 1894 letzterer und Louis Couve tätig. Sie alle haben die Kenntnis nicht bloß des Heiligtums und seiner mannigfaltigen Anlagen, der Versamm- lungslokale der römischen Mercurverehrer wie der Orientalen, die sich um Sarapis scharten, sondern auch der Stadt mit dem Theater und vielen öffentlichen und privaten Gebäuden, endlich des Hafens mit seinen Staden, Lagerhäusern, Verkehrsanlagen, jeder an seinem Teile, erheblich gefördert, so daß mit Hilfe von Inschriften das heilige wie das profane Delos uns in leidlicher Klarheit vor Augen steht. Dem feinen, früh verstorbenen Couve
120 VI. Griechische Heiligtümer
gelang überdies ein so schöner Fund, wie der des polykletischen (52) Diadumenos in fast vollkommener Erhaltung. Aber das Schwankende 432 der wechselnden Leitung gab sich doch darin kund, daß kein fester Ausgrabungsplan konsequent innegehalten, sondern auf die gleichen Punkte oftmals zurückgegriffen ward. Und wenn wir auch einen Übersichtsplan der ganzen Anlagen von Nenot be- sitzen, wenn auch Ardaillon und Convert eine archäologische Karte der Insel aufgenommen haben, das Architekturbild von Delos mit allen seinen Bauten, das für die hellenistische Baukunst so belehrend sein würde, fehlt uns doch, und der Zweifel läßt sich nicht unterdrücken, ob es sich noch nachträglich wird be- schaffen lassen. Um so dankbarer wollen wir sein, daß, abge- sehen von einzelnen genauer bekannten Gebäuden, in den letzten beiden Ausgrabungssommem der Ingenieur Henri Convert für die Pläne einer Anzahl von Privathäusern, die Couve bloßgelegt hatte, Sorge getragen hat. Diese Häuser stammen aus der Zeit zwischen dem Ausgange des Krieges gegen Perseus (168) und der doppelten Zerstörung von Delos, durch Mithradats Feldherrn Archelaos (88) und durch die Seeräuber (69); es war die Zeit der höchsten Handelsblüte der Insel, wo Griechen, Syrer, Ägypter und Römer hier als Wettbewerber zusammentrafen. So stehen 22 denn auch in den Hausplänen griechische und römische Anlagen 591
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nebeneinander, ein höchst interessantes Bild aus der Zeit des Überganges von dem niedergehenden Hellenismus zum aufsteigen- den Römertum.
Neuerdings (1902) sind die Ausgrabungen in Delos wieder aufgenommen worden. Einer jener Mäcene, auf die Frankreich stolz sein darf, die einsichtiges Interesse mit großartiger Opfer- willigkeit verbinden, der Herzog von Loubat, hat auf Anraten Perrots seit 1 903 dafür jährlich 50000 Francs angewiesen. Unter Leitung F. Dürrbachs und A. Jardes und mit dem Beistande Con- verts ist die Reinigung eines großen Teiles des Ausgrabungs- feldes von den entstellenden Trümmern vorgenommen und die Ausgrabung auf die Magazine längs des Handelshafens ausge- dehnt worden; auch ein »Haus Kerdons«, das eine Bildhauer- werkstatt einschließt, hat interessante Ergebnisse geliefert. Es
Die Ausgrabungen auf Delos. Olympia 121
steht also mit Sicherheit zu erwarten, daß die Lücken, die die fünfzehn früheren Arbeitsjahre noch gelassen haben, so befriedigend wie möglich werden ausgefüllt werden.
Noch ehe die delischen Ausgrabungen in Angriff genommen wurden, war auf dem griechischen Festlande vom neuerstandenen Deutschen Reich ein alter Plan ins Werk gesetzt worden: den heiligen Bezirk von Olympia vom Schutte zu befreien. Davon hatte schon Winckelmann geträumt; Blouets Ausgrabung (S. 49 f.) hatte das Lohnende eines solchen Unternehmens bewiesen: Ernst Curtius hatte 1852 durch einen Vortrag in Berlin die Begeisterung dafür anzufachen gesucht. Als aber Ludwig Roß im folgenden Jahre zu diesem Zweck eine Subskription in Deutschland er- öffnete, ergab sich in jener lahmen Zeit ein Resultat von 787 Mark! Erst das Jahr 1871, die Gründung des Deutschen Reiches, ließ dergleichen Pläne, die große Mittel erforderten, fest ins Auge fassen. Wiederum war es Ernst Curtius, der mittlerweile an Gerhards Stelle nach Berlin berufen worden war, der den olym- pischen Plan in Verbindung mit anderen Plänen in Angriff nahm. 1873 ward das Archäologische Institut, das seit 1871 als preußi- sche Staatsanstalt auf festere Füße gestellt worden war, vom Reichs- tag in eine Anstalt des Deutschen Reiches umgewandelt und alsbald auf Curtius Betreiben durch eine Zweiganstalt in Athen erweitert. Das folgende Jahr brachte die kaiserliche Bestätigung; zugleich aber ward Curtius nach Athen entsandt um namens des Deutschen Reiches mit der griechischen Regierung die Be- dingungen festzusetzen, unter denen die Aufdeckung der Altis, des heiligen Bezirkes von Olympia, Deutschland gestattet werden sollte. Da die griechische Verfassung jede Ausfuhr von Antiken verbot, verzichtete das Deutsche Reich auf jeden Erwerb mit Ausnahme etwa sich ergebender Doubletten; es gab damit das hochherzige Beispiel solch ein kostspieliges Unternehmen, unter Überwachung eines griechischen Ephoros, lediglich im Interesse der Wissenschaft durchzuführen. Es fehlte in Deutschland nicht an engherzigen Kritikern dieses Vertrages; seltsamerweise dauerte
122 VI. Oriechische Heiligtümer
es auch in Athen ein volles Jahr, ehe die Volksvertreter ihre Zustimmung zu einem so uneigennützigen Abkommen gaben.
Im Jahre 1875 begann die Ausführung. Sie ward nicht dem soeben gegründeten athenischen Institut übertragen, dem die er- forderlichen Hilfskräfte hätten zugewiesen werden müssen, das aber so mit einer glanzvollen Tätigkeit eingesetzt haben würde, sondern die Oberleitung blieb in Berlin in den Händen von Curtius und dem Architekten Friedrich Adler. Sechs Winter (1875/80) nahm die Arbeit in Anspruch. Das Reich verwandte darauf 600000 Mark; für den letzten Winter übernahm Kaiser Wilhelm die Kosten. Gustav Hirschfeld, dem der Architekt Adolf Bötticher zur Seite stand, begann 1875 die Arbeiten am Zeustempel. Bald fand sich eine späte Mauer, in die viele Skulp- turen hineingemauert waren und die deshalb den Namen »Je länger je lieber« erhielt. Hirschfeld ward in der Leitung schon 1877 von Georg Treu abgelöst, neben dem Karl Purgold sich der Inschriften annahm und zeitweilig auch Rudolf Weil und Adolf Furtwängler tätig waren. Der architektonische Teil der Aufgabe lag zuerst in Richard Bohns, dann in Wilhelm Dörpfelds Händen; dieser verdiente sich hier seine Sporen. Die zu lösende Aufgabe umfaßte die ganze Altis und ward planmäßig durch- 352 geführt. Kein Fleck, kein Gebäude ward nur leicht angegraben und dann verlassen, sondern überall ward volle Arbeit gemacht Auf jede Einzelheit ward sorgfältig geachtet und das Ausge- grabene alsbald so weit geordnet, daß die Mittel zur Rekon- struktion übersichtlich vorlagen; das Konservieren und Ordnen schloß zugleich das Rekonstruieren in sich — ein durchaus neues, heilsames Verfahren. Bei den in zahllose Stücke zerbrochenen und zersplitterten Skulpturen ward bei jedem Fragmente die Lage und die Tiefe der Verschüttung beachtet; die Schichtenhöhe gab bei baulichen Denkmälern nicht selten den entscheidenden Finger- zeig für die Zeitbestimmung.
Die Funde reichten nach damaligem Ansatz vom achten vor- christlichen Jahrhundert bis in die Schlußzeiten des Altertums und darüber hinaus, umspannten also erheblich mehr als ein Jahrtausend. In den tiefsten Schichten traten Massen an sich
Die Aufdeckung Olympias. Päonios und Alkamenes 123
unscheinbarer Weihgeschenke von Ton und Erz zutage, die aber über einen Punkt der Anfänge bildender Kunst völlig neuen Aufschluß gaben. Bisher herrschte die Meinung, daß die grie- chische Bildkunst an den Darstellungen der Götter groß ge- worden sei; jetzt zeigte sich, daß das Genre, die Darstellung der Menschen und Tiere des umgebenden Lebens, auf unmittelbarer Beobachtung beruhend, an der Spitze der Entwickelung stand. Für die Götter und deren menschenähnliche Verkörperung ergab sich erst später das Bedürfnis, zugleich mit dem Verlangen nach einem Götterhause, dem Tempel. In unmittelbarer Nähe jener Weihgeschenke befand sich denn auch der älteste Tempel 11 Olympias, das Heräon. Es erwies sich als einen Bau von 259 grundlegender Bedeutung im] die Geschichte der Baukunst, in- sofern er das Verhältnis des Steinbaues zum ursprünglichen Holzbau in helleres Licht rückte (siehe unten Kapitel XI). Die alte Bauart aus »Luftziegeln«, das heißt an der Luft getrockneten Lehmziegeln, in Verbindung mit Holz, durch den modernen Gebrauch erläutert, ward für die Baugeschichte gewonnen. Und neben den langen, gedrückten Tempel der Hera trat der gewaltige Zeustempel, dessen bisher vielbestrittenes Alter sich aus sicheren Merkmalen auf die nachpersische Zeit des 5. Jahrhunderts fest- setzen ließ. Gegenüber seinen kolossalen Blöcken von stahl- hartem Muschelkalk, seinen wuchtigen Säulentrommeln, die durch Erdbeben reihenweise auf den Boden geworfen waren, erschien der marmorne Parthenon fein und fast überzierlich. Hier erst zeigte sich der dorische Baustil, mehr noch als in Pästum, in seiner ganzen ungebrochenen Kraft.
Neue Überraschungen boten die Gruppen der Giebelfelder, wie sie sich aus Hunderten großer und kleiner Bruchstücke all- mählich zusammenfügen ließen. Da das Goldelfenbeinbild des Zeus im Inneren des Tempels bekanntlich von Phidias Hand herrührte, hatte man bisher als selbstverständlich angenommen, daß auch der übrige plastische Schmuck des Tempels aus seinem Kreise stamme. Der überlieferte Name des Alkamenes als Schöpfers des Westgiebels wies auf Phidias bedeutendsten Schüler hin; Päonios, dem dieselbe Überlieferung den Ostgiebel zuteilte, ward
124 VI. Griechische Heiligtümer
daher ebenfalls in dieser Schule gesucht. Nun wollten aber schon
40 die Metopen, die sich alle zwölf in Bruchstücken vorfanden, 354/55
41 geschweige denn die Oiebelstatuen sich durchaus nicht der Vor- 356/59 Stellung einfügen, die wir durch die Parthenonskulpturen für den
Stil des Phidias und seiner Schule gewonnen hatten. Nach einigem Winden und Wenden mußte man hier Werke einer ganz anderen Schule anerkennen. Dazu kam ein Zweites. Von Päonios fand sich um Weihnachten 1875 ein durch Inschrift gesichertes Ori- 53 ginalwerk, die aus Adlershöhen herabschwebende kolossale Nike, 457 die einst von sieben Meter hohem Untersatz auf die Altis herab- geblickt hatte. Diese kühne Gestalt paßte kaum zu einem Schüler des Phidias, durchaus nicht zu dem so ruhig gehaltenen Ostgiebel des Tempels, den die antike Tradition demselben Päonios bei- legt. Also ein neues Rätsel, dessen wahrscheinliche Lösung von philologischer Seite, von Adolph Kirchhoff, gefunden ward. Auf der Inschrift der Nike wird Päonios als der Verfertiger der »Akroterien« auf dem Tempel genannt; indem man hierin wider den ständigen Gebrauch des Wortes statt der bezeugten Nike- figuren über den Giebelspitzen die Giebelgruppen verstand, wird die Tradition von Päonios als Schöpfer der östlichen Gruppe entstanden sein. Wie freilich der Westgiebel zu Alkamenes Namen gekommen, blieb unerklärt; manche denken an einen älteren Al- kamenes der frühperikleischen Zeit (Kap. XI), dem dann am wahr- scheinlichsten beide Giebel zugewiesen werden müßten. Allein auch diese Annahme stößt auf große Schwierigkeiten.
Päonios stammte von der thrakischen Küste, die Heimat des älteren Alkamenes ward nach einer unsicheren Angabe in Lemnos gesucht. So kam Brunn auf den Gedanken in den Bildwerken des Zeustempels Arbeiten einer nordgriechischen Kunstschule (S. 102) zu vermuten. Kekule dachte lieber an Großgriechenland und Sicilien, wo damals der Künstler P)rthagoras den Ton angab. Furtwängler glaubte Paros, Robert gar den parischen Begleiter und Gehilfen des Phidias, Kolotes, in Vorschlag bringen zu dürfen. Andere begnügten sich, wie der Tempel von dem Eleer Libon erbaut worden ist, so auch die Skulpturen auf elische Künstler, von denen wir einige Namen kennen, zurückzuführen;
Die Nike. Chronologisches 125
es ward auch wohl auf Argos hingewiesen. Nur einzelne, wie Flasch, hielten an dem attischen Ursprünge fest.
Noch ein anderes Problem ward durch die olympischen Funde neu belebt. Eine doppelte Tradition läßt Phidias nach Vollendung der Parthenos (438) entweder in Athen im Kerker sterben oder nach Elis auswandern um das Goldelfenbeinbild für den olympischen Tempel zu schaffen. Bisher hatte die letztere, besser bezeugte Version Geltung gehabt; demgemäß hatte man auch den Bau des Tempels sich länger hinausziehen lassen. Nun ergaben gewisse Fundumstände mit Sicherheit, daß der bauliche Abschluß schon um das Jahr 456 stattgefunden hatte. Darauf- hin trat Löschcke für die geringer bezeugte Tradition ein: wenn Phidias 438 gestorben war, konnte er nur vor dem Parthenon- bau (447/438) in Olympia tätig gewesen sein; seine dortige Tätigkeit schloß sich dann ganz natürlich an die Vollendung des Tempelbaues an und fiel in die fünfziger Jahre des Jahrhunderts. Die blendende Vermutung fand großen Beifall, doch erhoben sich teils aus quellenkritischen Gründen, teils wegen Schwierigkeiten, die das Prozeßverfahren bot, auch ernste Bedenken dagegen; man wollte in Phidias Meisterwerk lieber eine nachträgliche Bereiche- rung des Tempels, vielleicht an Stelle einer älteren kleineren Statue, erblicken. Noch heute heißt es von dieser Streitfrage: grammatici certant et adhuc sab iudice lis est, wenn sich auch die Wage immer mehr auf die Seite der älteren Ansicht und der besseren Überlieferung neigt. Ähnlich steht es mit dem Datum von Päonios Nike: gehört sie in die Mitte des Jahrhunderts oder ist sie, wofür Pausanias sich entscheidet, das stolze Denkmal, das die vertriebenen Messenier wegen der mit ihrer Hilfe erfolgten Eroberung ihrer heimischen Insel Sphakteria (425) errichteten? Eine von Amelung erkannte, besser erhaltene Wiederholung ihres Kopfes enthält strengere Züge, die manche für die frühere Zeit eintreten lassen, wie ich glaube, kaum mit Recht.
Pausanias, des alten Reiseführers aus antoninischer Zeit, bisher nur vereinzelt angezweifelte Autorität bekam durch die olympischen Ausgrabungen zwar für die tatsächlichen Verhältnisse eine glänzende Bestätigung, erwies sich aber für andere, von ihm aus der Literatur
126 VI. Griechische HeiUgtümer
oder von Fremdenführern geschöpfte Nachrichten als minder zu- verlässig. Von seinen Angaben über die Schöpfer der Tempel- giebel war schon die Rede; über die Nike des Päonios bietet er jene doppelte Tradition. Nun beschreibt und benennt er — ein ganz einziger Fall — Figur für Figur die östliche Giebel- gruppe, die Vorbereitung zum Wettrennen des Pelops und Oino- maos. Genau ebensoviele Figuren sind gefunden worden, wenn auch Pausanias Beschreibung eine kniende weibliche Figur für eine männliche versieht. Man hätte denken sollen, da überdies die Gestalt des Giebelfeldes, die Größen Verhältnisse und Stellungen der Statuen, endlich deren mangelnde Bearbeitung der Rückseiten sehr wesentliche Anhaltspunkte für die Aufstellung gewähren, es hätte über die Anordnung der dreizehn Statuen und acht Pferde kein Zweifel bestehen können. In der Tat ist es ganz sicher, daß die fünf aufrechten Gestalten die Mitte einnahmen, zwei liegende Figuren in die Giebelecken gehörten und die beiden Viergespanne zwischen ihnen, nahe der Mitte, ihren Platz gehabt haben müssen; es bleiben also nur 2X3 unsichere Figuren. Und doch gibt es über ein Dutzend verschiedener Vorschläge zur Anordnung! Prinzipielle Fragen, z. B. wie weit Fundum- stände, wie weit technische Merkmale, wie weit die für einen Giebel notwendige Symmetrie entscheidend sind, spielen dabei eine über das einzelne Objekt hinausreichende Rolle und sind Jahre hindurch lebhaft verhandelt worden, bis Treus Anordnungen ziemlich allgemeine Zustimmung gefunden haben, ohne daß sich leugnen läßt, daß andere Vorschläge einzelne Vorzüge bieten.
Diese längeren Ausführungen im Anschluß an den Zeus- tempel bezwecken eine Vorstellung davon zu geben, wie jeder neue Fund nicht bloß unsere Anschauungen bereichert, sondern zugleich auch neue Unsicherheiten schafft, wo wir bisher einiger- maßen sicher sein zu dürfen wähnten; wie dadurch eine Fülle neuer Probleme auftaucht, die die Wissenschaft befruchten und die Forschungsweisen bereichern. Erscheint die neue Entdeckung auch manchmal zunächst als ein Rückschritt, wenigstens als eine Einbuße an Sicherheit: immer bringt sie doch zuerst einen me- thodischen, dann auch einen sachlichen Fortschritt.
Die Anordnung der Giebelgruppen. Praxiteles Hermes 127
Letzteres galt uneingeschränkt von dem glänzendsten Statuen- 55 fund in Olympia, dem Hermes des Praxiteles, dem einzigen uns sos erhaltenen Originalwerk eines griechischen Künstlers ersten Ranges, in seiner wunderbaren technischen Vollendung einer wahren Kunst- offenbarung. Als der Götter jüngling, im ganzen trefflich erhalten, genau an der Stelle, wo er nach Pausanias gestanden hatte, von seiner schützenden Lehmhülle befreit war, konnte freilich nur barer Unverstand zweifeln, daß es der Hermes des Praxiteles sei; aber was wir bisher aus Kopien von diesem Meister wußten oder zu wissen glaubten, war doch so verschieden, daß zuerst der Gedanke auftauchen konnte, es handle sich nicht um den be- rühmten Praxiteles, sondern um einen gleichnamigen Enkel. Das dauerte freilich nicht lange. Bald ward die olympische Statue der neue Mittelpunkt für unsere Betrachtung des Praxiteles und verbreitete überallhin Licht; wie er denn beispielsweise sogleich den belvederischen »Antinous«, dem man bis dahin vergeblich seinen Platz anzuweisen sich bemüht hatte, in seine Nähe zog. Das durch die Ausgrabungen gewonnene und in muster- hafter Übersichtlichkeit klargelegte Gesamtbild der olympischen 352/53 Altis zeigt die Anlage eines solchen griechischen Kult- und Fest- platzes besonders deutlich. Während in Delos der heilige Bezirk, mit Gebäuden aller Art dicht vollgestopft, rechts und links von der Stadt eng umschlossen wird und gegen Westen unmittel- bar an den Hafen stößt, liegt die Altis allein, ohne benachbarte städtische Ansiedelung, in der flachen Ebene, nördlich an den Kronoshügel angelehnt, im Westen vom rasch strömenden Kladeos, im Süden vom breiten tiberähnlichen Alpheios begrenzt. Der Platz ist geräumig genug um neben den Tempeln des Zeus, der Hera, der Göttermutter und neben dem Grabgehege des Pelops noch für zahllose Weihgeschenke Raum zu lassen, deren Inschrift- basen sich noch in Menge vorgefunden haben, kostbare Urkunden der Künstlergeschichte. Besonders die peloponnesischen Schulen waren hier vertreten, unter ihnen vor allen die Künstlerfamilie Polyklets in mehreren Generationen. Im Norden begrenzt die Terrasse der Schatzhäuser, in denen griechische Staaten ihre Schätze und Weihegaben für den olympischen Zeus niederlegten,
128 VI. Griechische Heiligtümer
den Festplatz; das Schatzhaus der Megareer lieferte den damals ältesten, unbeholfenen Versuch einer Giebelgruppe in Relief. Im Westen deutete der Rundbau des Philippeion mit den Statuen der makedonischen Königsfamilie auf das Eindringen monarchi- scher Einflüsse. Im Osten begrenzte die »Echohalle« die Altis, eines der ältesten Beispiele für diese immer beliebter wer- dende Form der Umrahmung eines geschlossenen Bezirks mit Säulenhallen. Im Süden haben römische Bauten, darunter ein Ehrenbogen, die ursprünglichen Anlagen verdrängt Draußen aber, außerhalb der Altismauer, ziehen sich am Kladeos Gym- nasien, Palästra, Heiligtümer, das große Gastgebäude »Leoni- daion« hin; im Süden erregt das sehr eigentümliche, dreigeteilte alte Rathaus unser besonderes Interesse; im Osten erstreckt sich das Stadion, einst auch der vom Alpheios weggespülte Hippo- drom, weit in die Ebene. Auf dem ganzen Gebiet ist von den Leitern der Ausgrabung der so oft vernachlässigten Pflicht der Erhaltung alles Freigelegten musterhaft genügt worden. Alles ist klar und übersichtlich, auch für den heutigen Beschauer, so- lange nicht Überschwemmungen der Flüsse oder wuchernde Vegetation das Bild wieder verwüsten oder überdecken. Ganz neuerdings hat sogar die Freigebigkeit eines Bremer Kunstfreundes, Karl Schütte, erlaubt unter Georg Kaweraus Leitung zwei Säulen des Heräon sorgfältig wieder zusammenzusetzen und dadurch das Bild des altehrwürdigen Tempels bedeutend eindringlicher zu gestalten. Die gefundenen Skulpturen, Erz- und Ton werke, Architekturstücke, sind in einem von Adler entworfenen Museum, der Stiftung eines Herrn Syngros, untergebracht, wo auch Ar- beitsplätze für Gelehrte vorgesehen worden sind. So wäre alles schön, wenn nur der Hermes nicht hier stände, noch dazu in mäßiger Beleuchtung. In das olympische Museum gehört was in Olympia sozusagen bodenständig ist, wie die Giebelgruppen des Zeustempels und die Nike des Päonios. Der Hermes ist von Praxiteles sicherlich nicht in Olympia gemacht worden, er verdankte seine dortige Aufstellung einem für uns nicht mehr erkennbaren Zufall, er ist aber ein Werk so einzigen Ranges, daß er nur in Athen, seinem vermutlichen Entstehungsorte und
Gesamtanlage von Olympia. Dodona 129
seiner geistigen Heimat, seinen rechten und würdigen Platz finden würde; für Olympia würde ein Abguß genügen. Möchte es doch gelingen alle kleinlichen Kirchturmsrücksichten zu be- siegen, die sich der Überführung des Hermes nach Athen wider- setzen !
Wie der Fortgang der Ausgrabungen vom Beginn an so- gleich in vorläufigen Berichten kurz und klar geschildert ward, so liegt der ganze Ertrag in einer schnell geförderten und zum Abschluß gebrachten großen urkundlichen Publikation vor, an der außer Curtius und Adler besonders die Architekten Dörpfeld, Borrmann, Gräber, Graf und die Archäologen Treu und Furt- wängler beteiligt gewesen sind.
Es war nur natürlich, daß auch die Griechen an diesen Untersuchungen ihrer eigenen Vorzeit teilzunehmen wünschten. Mit dem ersten Beispiel, Dodona, steht es freilich eigentümlich. Schon Th. L. Donaldson hatte 1830 die Lage des Orakelortes bei Dramessos, südlich von Janina, richtig erkannt, aber Leakes Zweifel schienen diese Ansicht beseitigt zu haben, und die 1858 von Gaultier de Claubry, einem Zöglinge der Französischen Schule in Athen von neuem erkannte Wahrheit blieb verborgen. Erst 1875 unternahm Sigismund Mineyko, ein polnischer Ingenieur in Diensten der Provinz Janina, bei Dramessos Ausgrabungen, die durch Inschriften und andere Funde mit voller Sicherheit feststellten, daß hier der Platz des berühmten Orakels gewesen sei; eine reiche Ausbeute von Kunstwerken ergab sich bei den bis zum Februar 1876 fortgesetzten Ausgrabungen. Nunmehr verschaffte sich der in Konstantinopel ansässige Bankier Kon- stantinos Karapänos, ein Epirote aus Arta (Ambrakia), einen großherrlichen Ferman, der die Provinzialerlaubnis vernichtete, und ließ durch einen Bevollmächtigten, Lekatzäs, fünf Monate graben, ohne vom Glück begünstigt zu sein. Statt dessen kaufte er in Janina Antiken verschiedenen Ursprungs und einen großen, aber nicht durchweg den besten Teil der von Mineyko und seinen Genossen gefundenen Gegenstände. Auf Grund dieser
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. Q
130 VI. Oriechische Heiligtümer
Ankäufe, aber unter Verhüllung des wahren Sachverhaltes, trat Karapänos demnächst in einer eigenen Publikation als Entdecker Dodonas auf. Das schon von Donaldson aufgenommene Theater und der Tempel spielten dabei begreiflicherweise keine Rolle. Desto reicher erschien die Ausbeute an ehernen Weihgeschenken. Manche darunter stimmen mit olympischen und delphischen Funden so genau überein, daß man deutlich erkennt, wie an ge- wissen Fabrikationsorten Weihgeschenke für verschiedene Kult- plätze verfertigt wurden. Eine sehr wertvolle Ergänzung haben die Altertümer von Dodona seitdem durch den einst von Mineyko zurückbehaltenen Teil seiner Funde erhalten, der kürzlich für das Berliner Museum erworben worden ist.
Von großer Bedeutung war etwa um dieselbe Zeit das Auf- treten der athenischen Archäologischen Gesellschaft (S. 51). Sie hatte bisher nur in bescheidenem Maße kleinere Unternehmungen gefördert (vgl. Kap. IX). Jetzt, im Jahre 1 876, unternahm sie am Südabhange der Akropolis die Aufdeckung des Asklepios- heiligtums, das dort (wie wir später gelernt haben, im Jahre 420) als eine Filiale des epidaurischen Asklepioskultus gestiftet worden ist Es ergab sich eine bedeutende Anzahl von Weihreliefs, die die Darstellung des Heilgottes und seine allmähliche Erhöhung vom stehenden Arzte mit dem Stabe zum thronenden Gott mit Zepter und Schlange inmitten der Seinen in einer Reihe charak- teristischer Skulpturen des fünften und vierten Jahrhunderts vor- führten. Aber die nicht leicht übersichtliche bauliche Anlage, mit dem älteren und neueren Tempel, dem Altar, den Hallen am Felsbrunnen, blieb mangels eines sachverständigen Architekten unklar und ist erst viel später durch Dörpfeld aufgeklärt worden.
Dörpfeld, der die Seele der neuen konservativen Ausgrabungs- methode in Olympia (S. 122. 127) gewesen war, siedelte nach der Beendigung jener großen Arbeit 1882 nach Athen über, wo er beim Deutschen Archäologischen Institute zunächst eine Beschäf- tigung, bald eine feste Anstellung als einer der Sekretäre fand. Seine Tüchtigkeit, seine Erfahrung und die Selbstlosigkeit, mit der er seine Fähigkeiten in den Dienst anderer stellte, machten ihn bald zum gern herangezogenen Berater bei den Unter-
Athenisches Asklepieion. Amphiaraeion. Eleusis 131
nehmungen der Archäologischen Gesellschaft, für die er auch die technischen Aufnahmen zu machen pflegte. Dies kam zuerst der Aufdeckung des Amphiaraeion zugute, die Basileios Leo- nardos 1884/87 für die Gesellschaft in Angriff nahm. Im Gebiete des alten Oropos, Euböa gegenüber, liegt in einem Flußtale die Stätte, wo der Sage nach der Seher Amphiaraos auf der Rück- kehr vom Zuge der Sieben gegen Theben wieder zu seiner Mutter Erde hinabgefahren war. Ein Orakel war an der Stelle gegründet worden, die schon früher durch einzelne Funde angezeigt war. Hier grub Leonardos und fand das Heiligtum. Vor dem kleinen Tempel über dem Flußrande stand der Altar, der fünf Gottheiten diente, ein recht greifbares Beispiel einer solchen Altargemein- schaft, wie sie im Altertum häufig vorkam. Auch für Festspiele waren allerlei Baulichkeiten vorgesehen, am auffälligsten war aber das Vorhandensein eines, wenn auch nicht sehr großen, Theaters an diesem abgelegenen Orte; es mochte freilich nicht bloß für szenische Aufführungen, sondern auch als Versammlungsort bei anderen Veranstaltungen gedient haben. Immerhin gewannen gewisse wohlerhaltene Besonderheiten des Bühnenhauses, über- dies durch Inschriften benannt, eine Wichtigkeit bei den bald beginnenden Untersuchungen über die Einrichtungen der grie- chischen Bühne und deren Verwendung.
Die Archäologische Gesellschaft, deren Mittel inzwischen bedeutend gesteigert waren und die an Panagiötes Evstratiädes einen ebenso energischen wie wissenschaftlichen Leiter besaß, begnügte sich nicht mit solchen kleineren Unternehmungen, sondern legte zu gleicher Zeit Hand an zwei Ausgrabungen von größerer Tragweite: in Eleusis und im Gebiete von Epidauros.
Das Mysterienheiligtum von Eleusis war längst nicht mehr jungfräulicher Boden. Schon Gell und seine Genossen (S. 30) hatten die allgemeinen Grundzüge des heiligen Bezirkes ver- zeichnet. Im Jahre 1859 hatte sodann Charles Lenormant auf der Reise, wo er in Athen seinen Tod finden sollte, einige Aus- grabungen veranstaltet, über die sein Sohn Frangois nachher be- richtete. Sie wurden freilich weit überstrahlt durch den Fund eines großen Reliefs, das im selben Jahre beim Bau einer Schule
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132 VI. Griechische Heih'gtumer
nahe dem ehemaligen kleinen Triptolemostempel zum Vorschein 48 kam. Es errang sich bald unter dem Namen des »eleusinischen 423 Reliefs« einen festen Platz unter den Werken der hohen attischen Kunst; sein Gegenstand ist Triptolemos wie er von den beiden großen Göttinnen für seine Sendung, den Segen des Korns über die Erde zu verbreiten, ausgerüstet wird. Nunmehr begannen 1882 unter Demetrios Philios Leitung und mit Dorpfelds Beirat gründlichere Ausgrabungen, die bis 1890 fortgesetzt wurden. Den völligen Abschluß des mystischen Heiligtums, der in Samo- thrake durch die tief eingeschnittenen Flußtäler gebildet ward, bewirkte hier ein fester Mauerring; einerseits gegen den niedrigen aber steilen Burghügel gelehnt, hob sich der heilige Bezirk andrer- seits wie ein Bollwerk über die umgebende Landschaft, mit dem Blick auf den stillen Meerbusen, an dessen Ufer einst die Mysten unter Fackelschein ihren nächtlichen Zug gen Eleusis ausgeführt hatten.
Innerhalb des ummauerten Raumes lag als Hauptgebäude der Weihetempel oder das Telesterion, schon durch seine an- 416 nähernd quadratische Gestalt von gewöhnlichen Tempeln ab- weichend. Hier legten die Grabungen im Innern Stufenreihen an allen vier Wänden bloß; dazwischen war der weite Raum mit Pfeilern besetzt, die die Säulen des zweistöckigen Gebäudes tragen sollten. Durch sorgfältige Beobachtung der Pfeiler, ihrer Größe, ihres Materials, ihrer Verteilung ließen sich dann ver- schiedene Stadien des Baues unterscheiden. Der Mystengemeinde der peisistratischen Zeit hatte ein kleinerer Versammlungsraum für die geheimen Schaustellungen genügt; der perikleische Bau, von Iktinos, dem Baumeister des Parthenon, entworfen, war etwa auf das Dreifache erweitert worden. Um zu seinem oberen Stock- werk zu gelangen, waren an beiden Seiten des Tempels große Treppen angelegt; sie führten zu einem breiten aus dem Burg- felsen herausgehauenen offenen Gange, der dem Oberstock vor- gelagert war. Auch das ließ sich erkennen, daß an der Front- seite (wenn nicht gar an drei Seiten) eine Säulenhalle geplant war, die aber erst viel später, gegen 300, zur Ausführung ge- langt ist, der einzige äußere Schmuck des festumschlossenen
Eleusis 133
Bauwerks. Waren auch längst nicht alle Geheimnisse der An- lage des Weihetempels enthüllt, so war doch ein großer Fort- schritt in seiner Kenntnis gemacht worden.
In sehr alte Zeit zurück versetzten die wohlerhaltenen Mauern aus Luftziegeln, die, frühzeitig unter den Boden geraten, der Auflösung durch die Nässe widerstanden und so das seltene Bild dieser Bauweise (S. 123) bewahrt hatten; diese älteren Verhält- nisse haben jüngst (1905/6) durch Forschungen F. Noacks weitere Aufklärungen erhalten. Auch die sonstige Ausstattung des Heilig- tums bot viel Neues, aus guter Zeit bis in die römische Epoche. Jener gehörte das einer Höhle vorgebaute Plutonheiligtum an, in dessen Bereich sich ein trefflich erhaltener und ungewöhnlich 57 schöner jugendlicher Kopf mit reichem Lockenhaar, den söge- sii nannten Vergilbüsten verwandt, vorfand. Benndorf und Furt- wängler erkannten darin mit großer Wahrscheinlichkeit den eleusinischen Unterweltsgott Eubuleus, den eine etwa gleichzeitig bekannt gewordene Inschrift keinem geringeren als dem Praxiteles zuschrieb. Ein zweites Originalwerk des gefeierten Meisters neben dem olympischen Hermes? Anderen schien das Glück zu groß, und sie wollten lieber Triptolemos in dem schönen Jüngling erkennen.
Eine interessante Zusammenstellung verschiedener Stilarten boten die beiden hintereinander gelegenen Torbauten des heiligen Bezirkes. Das äußere Tor, wohl aus spätattischer Zeit, kopiert einfach in trockenen Formen den Mittelbau der athenischen Pro- pyläen, ein in damaliger Zeit nicht seltenes Zeugnis baulicher Erfindungsarmut Das innere Tor, eine Stiftung des Appius Claudius Pulcher aus ciceronischer Zeit, ist eigentümlicher und 19 schließt sich in seinen dreiseitigen korinthischen Kapitellen, mit 57? reichem Rankenwerk und greifenartigen Eckfiguren, der leben- digeren hellenistischen Gestaltungsweise an.
Im ganzen bot Eleusis in engem Rahmen das geschlossene Bild einer für den Mysteriendienst eingerichteten Kultusstätte, nicht so einheitlich im Stil wie Samothrake, aber gerade dadurch bedeutend, daß es die zeitliche Entwickelung dieses vornehmsten Mysterienheiligtums der griechischen Welt durch die Jahrhunderte
134 VI. Griechische Heiligtümer
hindurch zu verfolgen erlaubte. Wiederum ganz anders stellte sich das Heiligtum des Asklepios im Gebiete von Epidauros dar, das die Archäologische Gesellschaft 1881 aufzudecken be- gann, nachdem schon die französische Expedition von 1829 die allgemeinen Grundzüge der großen Anlage festgelegt hatte. Die neue Ausgrabung leitete Panagiötes Kabbadias, ein Schüler Brunns, damals noch einer der Ephoren jener Gesellschaft; in öfterer Wiederaufnahme der Untersuchung hat Kabbadias, auch nach- dem er 1885 als Generaldirektor der Königlichen Museen und Altertümer an die Spitze aller griechischen Ausgrabungen getreten ist, diesem Unternehmen bis in die jüngste Zeit seine besondere Fürsorge zugewandt. Sie hat sich reich gelohnt.
Das »Hieron« des Asklepios, eine der bedeutendsten Kult- stätten des Heilgottes, liegt gute zwei Stunden von Epidauros entfernt im bergigen Binnenlande. Die hochgelegene flache Tal- mulde muß wohl als besonders gesund gegolten haben, da das Heiligtum sich zu einem vielbesuchten Kurorte gestaltete. Zahl- reiche dort gefundene Inschriften liefern seltsame Zeugnisse für den guten Glauben oder Aberglauben, den die Hilfesuchenden den Wunderkuren der aller rationellen Medizin abholden Priester- schaft entgegenbrachten. Natürlich mußten die Anlagen des Heiligtums den Zwecken der Kuranstalt angepaßt werden. Den Kern bildete auch hier ein umschlossener, durch Propyläen zu- gänglicher Bezirk mit dem Tempel, einem Bau aus dem Beginne des 4. Jahrhunderts. Reste des bildlichen Giebelschmuckes, die sich fanden und durch Inschriften dem Timotheos zugewiesen wurden, lehrten uns diesen bedeutenden, für die Verfeinerung der Gewandmotive tätigen Künstler, der später am Mausoleum mitwirkte, in seiner Jugend kennen. Die zahllosen Basen von Weihgeschenken, die den Tempel und seinen Altar umdrängen, zeugen für die hohe Verehrung des epidaurischen Gottes. Lang- gestreckte Hallen, zum Teil doppelstöckig, dienten als Schlaf- räume für die Kranken, denen der Gott im Schlafe Heilung bringen sollte. Ein besonderer, aber rätselhafter Schmuck des Tempelbezirkes war die Tholos oder Thymele (»Opferstätte«), 468 ein Rundbau mit umgebender Säulenhalle, dessen Kellergeschoß
Das Hieron von Epidauros. Tempel, Thymele und Theater 1 35
eine labyrinthartige Anlage von unsicherer Bedeutung, nach einigen die Wohnung der Tempelschlange des Asklepios, aufweist. Mehrere Jahrzehnte lang ist an der Thymele gebaut, die für uns eines der ältesten, wo nicht das älteste derartige Rundgebäude der griechischen Architektur darstellt; das für sie bestimmte korin- thische Kapitell bietet das früheste Beispiel für dessen später 243 normal gewordene Entwickelung. Ist die Thymele auch nicht
17 groß, so zeigt sie doch in den plastischen Ornamenten ihrer 467 zuletzt ausgeführten Teile eine technische Vollendung, welche selbst die des athenischen Erechtheion übertrifft. Als Baumeister nennt die Tradition Polyklet, sicherlich nicht, wie man früher annahm, den berühmten Bildgießer des 5. Jahrhunderts, sondern eines der späteren Mitglieder dieser Künstlerfamilie. Aber war dieser jüngere Polyklet, wie doch am natürlichsten scheint, der erste Urheber des Planes oder war er jener etwas spätere Künstler, der die korinthischen Säulen und die feine Ornamentik des Inneren entwarf? Vielleicht bringen neue Funde einmal volle Sicherheit.
An den heiligen Bezirk schlössen sich in großer Ausdehnung weitere Anlagen an, teils andere Tempel, teils Baulichkeiten für die Kurgäste und ihre gymnastischen Übungen (meistens aus römischer Zeit), teils Einrichtungen, die zur Unterhaltung des Publikums dienen sollten. So befand sich in unmittelbarem Anschluß an den heiligen Bezirk eine Rennbahn, aber die Haupt-
20 Sehenswürdigkeit des Hieron war das wirklich großartige Theater, 469 das in einiger Entfernung vom Tempel in eine Ausbuchtung des Berges eingebettet ist. Die trefflich erhaltenen Stufenreihen des weiten Zuschauerraumes, die schon aus dem Werke der französischen Expedition bekannt waren, bestätigen vollständig den Ruhm, den die antike Tradition diesem zweiten Bauwerke jenes Polyklet beilegt, das schönste und am harmonischsten durchgeführte Theatergebäude Griechenlands zu sein. Jetzt aber deckte Kabbadias auch die Orchestra mit ihren Zugängen und die Überreste des Bühnengebäudes auf. Jene erwies sich wider Erwarten als kreisrund, während bisher nur halbkreisförmige oder hufeisenförmige Orchestren bekannt waren. Von dem Bühnen-
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gebäude war genug vorhanden, um seine Ergänzung mit den jederseits aufsteigenden Rampen zu der oberen Fläche des Pro- skenion zu gestatten. So ward das epidaurische Theater der Ausgangspunkt für Dörpfelds Untersuchungen über das griechische Theater, die seit zwanzig Jahren die gelehrte Welt in Atem er- halten. Daß ursprünglich, in der klassischen Zeit des attischen Dramas, die Orchestra ebenso den Schauspielern wie dem Chore als Standplatz diente und nur eine »Spielbude« mit flachem Dach, keine erhöhte Bühne, den Hintergrund bildete, darf als gesichertes Ergebnis gelten; darüber, ob das feste Proskenion der uns er- haltenen Theater, deren keines bis in die Lebenszeit des Sophokles und Euripides zurückreicht, ebenfalls eine solche Spielbude oder nicht vielmehr, nach dem Schwinden des Chores, eine erhöhte Bühne gewesen sei, wogt der Streit der Meinungen noch un- geschlichtet. Jedenfalls ist das Interesse für diese Fragen mächtig genug gewesen, um überall die Ruinen der Theater zu unter- suchen. Während vor zwanzig Jahren fast nur Theatergebäude römischer Anlage bekannt waren, kennen wir jetzt weit über ein Dutzend echt griechischer Theater, an deren Untersuchung Archäo- logen aller Nationen teilgenommen haben; es seien nur die Theater von Megalopolis, Mantineia, Sikyon im Peloponnes, von Athen, von Eretria auf Euböa, von Priene, Magnesia, Pergamon in Kleinasien hervorgehoben. Wieder einmal hatte ein methodisch gewonnener Fund ein bedeutendes Problem erweckt, und dessen Verfolgung zahlreiche neue Funde hervorgerufen.
Nur mit einem Worte soll an dies epidaurische Asklepieion das einst kaum minder berühmte auf der Insel Kos, der Heimat des Hippokrates, angeschlossen werden. Seine Aufdeckung ward in den Jahren 1902/4 von Rudolf Herzog unter dem Beistande der Architekten Gustav Hecht und Ernst Wagner mit Mitteln des Deutschen Reiches, der württembergischen Regierung, des Deutschen archäologischen Instituts und privater Gönner, wie des Stuttgarter Fabrikanten Ernst Sieglin, durchgeführt. Auf luftiger Höhe, ein reiches Küstenbild überschauend, lag das
Asklepieion auf Kos. Poseidon auf Tenos. Heräon bei Argos 137
Heiligtum an der schon von dem Epigraphiker R. Paton be- zeichneten Stelle unfern der Stadt Kos. Ein stattlicher Altar, ein alter Tempel, Brunnen und Zypressen hatten das ursprüngliche Heiligtum gebildet, bis im 3. Jahrhundert eine in hellenistischem Stile durchgeführte Anlage in drei Terrassen an die Stelle trat. Unten ein geräumiger »heiliger Markt« mit umgebenden Hallen; darüber die alte Kultstätte, aber neu hergerichtet und mit allerlei weiteren Baulichkeiten, zum Beispiel einem ionischen Tempel, ausgestattet. Von hier aus führte eine hohe breite Freitreppe zum neuen dorischen Marmortempel empor, der nunmehr die ganze Anlage beherrschte, vielleicht von den Überresten des heiligen Zypressenhaines umrahmt. Säulenhallen mit Kammern, vermutlich für die Aufnahme von Kranken bestimmt, schlössen den Tempelplatz seitwärts und im Hintergrund ab. So stellte das Ganze eine Musteranlage hellenistischen Stiles dar, in der, anders als in Samothrake, die Spuren der ersten unregelmäßigen Gründung fast ganz verwischt waren.
Dem Asklepiosheiligtum zu Kos läßt sich das vor alters berühmte Poseidonheiligtum auf der Insel Tenos zur Seite stellen, dessen Aufdeckung von belgischer Seite in Angriff genommen worden ist, 1902/3 durch Hubert Demoulin, 1905 durch Paul Graindor. Der Tempel mit seiner architektonischen Umgebung, einige Kunstwerke und zahlreiche Inschriften legen für die Po- pularität des Kultes Zeugnis ab, den hier einst Poseidon und Amphitrite genossen hatten und der seit etwa achtzig Jahren in dem starkbesuchten Wallfahrtsort der Evangelistria seine moderne Nachfolge gefunden hat. Eine andere Aufgabe nahm die Ameri- kanische Schule auf, die im Jahre 1882 in Athen gegründet worden war. Als der älteste dorische Tempel Griechenlands galt den Alten das Heräon der Argeier, das eine Stunde von Mykenä entfernt am Ostrande der Ebene von Argos gelegen war. Dieser uralte Tempel ward 423 eine Beute der Flammen; alsbald ward ein neuer Tempel erbaut, für den der berühmteste Künstler von Argos, Polyklet, im Wetteifer mit Phidias olympischem Meister- werke die Goldelfenbeinstatue der Hera schuf. Die Lage des Heiligtums war längst festgestellt; eine kleine Ausgrabung, die
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1854 Alexandros Rhizu Rangabe auf Ersuchen von Ludwig Roß für die »olympischen« 787 Mark (S. 121) unter Konrad Bursians Leitung veranstaltete, hatte natürlich nur unbedeutende neue Auf- klärung bringen können. Da griff die Amerikanische Schule 1892 unter Charles Waldsteins Leitung die Aufgabe von neuem an. Leider waren die Überbleibsel des alten Tempels auf der oberen Terrasse so geringfügig, daß sich nicht einmal sein Grund- riß sicher ermitteln läßt; doch scheint es als ob der Tempel (dessen Hinaufrücken hoch ins zweite Jahrtausend freilich eine phantastische Annahme ist) die Gestalt des homerischen Hauses (s. u. Kap. VIII) treuer bewahrt hätte als andere östliche Tempel. Von dem jüngeren Tempel ist mehr, wenn auch nicht allzu viel zum Vorschein gekommen; die meisten Blöcke werden als Bau- material in den benachbarten Ortschaften der Ebene verschwunden sein. Am wertvollsten sind die Überreste der Tempelskulpturen, die ohne Zweifel ebenso der polykletischen Schule entstammen, wie die Parthenonskulpturen der des Phidias; sie lehren uns, wie groß schon damals der attische Einfluß auf die pelopon- nesische Kunst gewesen ist.
Eine ausgezeichnete und unerwartete Bereicherung haben der Archäologie die Ausgrabungen gebracht, die Adolf Furt- wängler, von dem Archäologen Herm. Thiersch und dem Archi- tekten Ernst Fiechter unterstützt, im Jahre 1902 auf der dem Peloponnes benachbarten Insel Ägina ausgeführt hat. Seit dem Funde der Giebelstatuen im Jahre 1811 (S. 32 ff.), dem keine Auf- deckung der ganzen Tempelruine zur Seite gegangen war, hatte nur B. Staes 1894 eine wenig ergiebige Nachsuchung vorge- nommen. Die neuen bayrischen Ausgrabungen, deren Kosten der Prinzregent Luitpold bestritt, hatten zum nächsten Zwecke die Ergänzung der einst gefundenen Bildwerke, haben aber weit darüber hinaus zur tieferen Kenntnis des ganzen Heiligtums ge- führt. Mit musterhafter Gründlichkeit ist dessen Geschichte durch drei aufeinander folgende Entwickelungsstadien aufgedeckt worden. Dabei hat der Tempel auch einen neuen Namen er- halten. Anfänglich hatte man darin das berühmteste Heiligtum der Insel, den Tempel des Zeus Panhellenios, erkennen wollen,
Agina 139
und eine zum Scherz ausgeführte, als ernst aufgenommene In- schriftfälschung hatte dieser Benennung so festen Bestand ge- geben, daß einer der Entdecker, Cockerell, sie noch 1860 fest- hielt. Mittlerweile hatte Ludwig Roß 1837 die Fälschung der Inschrift nachgewiesen und die schon 1826 von Stackeiberg, 1831 von A. Mustoxydes ausgesprochene Ansicht, daß der Tempel Athena gehöre, durch eine Inschrift zu erhärten gesucht. Die Unhaltbarkeit auch dieser Zuteilung hat Furtwängler bewiesen; da bei den Aufräumungen mehrfach auf Inschriften der Name der kretisch-äginäischen Göttin Aphäa erschien, namentlich eine altertümliche, auf einem Baublock eingegrabene Inschrift die Er- richtung eines Hauses (Oikos) und eines Altars jener Göttin bezeugte, so hat er ihr den Tempel zugesprochen. Diese neue Benennung hat allgemeine Zustimmung gefunden. Wenn ich dennoch Zweifel auch an ihrer Richtigkeit hege, so beruht dies darauf, daß ein zuverlässiger und meines Erachtens lückenlos überlieferter antiker Bericht den Kult Aphäas auf Ägina in einem Heiligtum der Artemis gegründet sein läßt — was durchaus nicht ausschließt, daß Aphäa an diesem Orte weit größere Popularität als die Hauptgöttin genoß und daß sie außer ihrem Altar auch ein besonderes »Haus« (das heißt nach antiker Weise ein Ge- bäude zur Aufbewahrung der zahlreichen ihr gewidmeten Weihe- gaben) besaß. Wie dem nun auch sei, für die Giebelgruppen, die sich sicher so wenig auf Aphäa wie auf Artemis beziehen, sondern den Sieg beim nahen Salamis verherrlichen, ist glück- licherweise der Name der Tempelgottheit ohne Belang.
Für die Münchener Giebelfiguren haben die Ausgrabungen eine Anzahl neuer Bruchstücke geliefert, doch ist es nicht bloß dieser neue Zuwachs, sondern mehr noch eine genaue Prüfung der in München schon früher vorhandenen Bruchstücke und der einst unter Thorvaldsens Leitung vorgenommenen Ergänzungen, was Furtwängler zu einer ganz neuen Anordnung der Giebel- gruppen geführt hat. Daß die alte Anordnung Thorvaldsens und Martin Wagners falsch sei, hatte man längst erkannt. Eine Reihe von Untersuchungen, an denen sich Karl Friederichs, Heinrich Brunn, Adrian Prachow, Konrad Lange, Leopold Julius, Bruno
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Sauer beteiligt hatten, schien als Schlußresultat für den am besten 37 erhaltenen Westgiebel eine streng symmetrische Komposition zu 349 ergeben, eine Kampfszene, die sich um einen einzigen Mittel- punkt, einen zu den Füßen Athenas liegenden Gefallenen, dreht. Gerade die Einheit und Geschlossenheit der aus zwölf Figuren gebildeten Gruppe erschien als das Neue und als der Vorzug dieser Giebelkomposition gegenüber älteren Versuchen. Von dem Ostgiebel, von dem nur fünf Figuren erhalten waren, nahm man an, daß er die gleiche Komposition mit einzelnen Ände- rungen wiedergegeben habe; daß er künstlerisch eine höhere Stufe als der Westgiebel darstelle, hatte Brunn schon 1867 nach- gewiesen (Kap. XI). Furtwänglers Nachprüfung hat nun aber zu ganz anderen Ergebnissen geführt. Danach zerfällt der ältere Westgiebel in vier gesonderte Kampfgruppen: jederseits der 350 Göttin zunächst ein Kampf zweier Krieger über einem Gefallenen; weiterhin ein Bogenschütz und ein Lanzenschwinger, die einen in der Ecke liegenden Krieger niedermachen, so daß also die Bewegung von der Mitte gegen die Ecken verläuft. Statt eines einheitlichen Kampfes erhalten wir demnach eine Schlacht in vier Sondergruppen, die gegen die Enden auseinander streben, als wollten sie den Gedanken an eine einheitliche Komposition geradezu aufheben. Dieser Schwäche ist der fortschrittlichere Künstler des Ostgiebels inne geworden. Läßt er auch die auf elf Figuren beschränkte Darstellung noch in zwei getrennte 351 Kämpfe zerfallen, so sind doch beide Hälften gegen die Mitte gerichtet, wo die Göttin den Einigungspunkt für die gesamte Komposition abgibt. Sind Furtwänglers Anordnungen richtig (was natürlich ohne Nachprüfung an den Originalen nicht fest- zustellen ist, aber nach Furtwänglers Angaben als durchaus wahr- scheinlich gelten darf), so bilden die beiden Gruppen zwei höchst interessante Zwischenstufen in der Entwickelung der Giebel- komposition von den zerstückelten Einzelszenen des Megareer- giebels in Olympia (S. 128) bis zu den einheitlichen Gruppen 41 im Ostgiebel des olympischen Zeustempels (S. 126) und am 358 44 Parthenon. 399 f.
Ägina. Ptoion. Elateia. 141
Es bleiben endlich noch zwei Unternehmungen der Fran- zösischen Schule übrig, von denen die eine den glänzenden Abschluß dieser ganzen auf die griechischen Kultplätze gerich- teten Untersuchungen des vergangenen Jahrhunderts bildet. Beide stellten sich, wie schon die delische Ausgrabung, in den Dienst Apollons.
In Böotien erhebt sich im Südosten der Kopais das mehr- gipflige Ptoion, auf dessen Höhe Apollon einen in alter Zeit blühenden, nach der Perserzeit nur noch wenig besuchten Kult- platz besaß. Eben hierin lag etwas Verlockendes; hier durfte man hoffen altertümliche Beute zu machen. In der Tat gelang es Maurice Holleaux in den Jahren 1885/86 die alte Grotte Apollons, die an Delos erinnerte (S. 117), und den alten Altar aufzufinden. An deren Stelle war später ein Tempel getreten. Auch allerlei andere Anlagen fanden sich, alte große Zisternen, die hier auf der Berghöhe nötig waren, und Nebengebäude, der- gleichen zu jedem Heiligtume gehörten. Eine Anzahl altertüm- licher Statuen kam zum Vorschein. Wenn man auch den »Apollon- statuen« gegenüber, die als älteste Versuche einen nackten Jüng- lingskörper darzustellen im Laufe des Jahrhunderts überall aufgetaucht waren, allmählich etwas von dem Wunsche des Zauberlehrlings empfand: »Besen, Besen, sei's gewesen«, so bot doch der »ptoische Apollon« einige so eigentümliche Züge, daß sie ihm einen be- sonderen Platz in der langen Reihe jener mit dem linken Fuß antretenden Jünglinge sichern. Besonders reich erwies sich das Ptoion an Erzeugnissen des Kunsthandwerkes, die etwa aus dem 8. bis 6. Jahrhundert stammten, Tongefäßen und Tonfigürchen, Erzfiguren und Erzgeräten, darunter den auch in Olympia so häufigen altertümlichen Dreifüßen homerischen Angedenkens. Bei der Betrachtung dieser Ware fühlt man sich zu der Annahme getrieben, daß Verehrer aus sehr verschiedenen Gegenden dem ptoischen Gotte Kunsterzeugnisse ebenso verschiedener Herkunft, ionische, peloponnesische, einheimische, dargebracht haben. Man würde über diesen und andere Punkte klarer sehen, wenn ein zusammenfassender Bericht vorläge. — Einen anderen alten Kult- platz, den der Athena Kranäa bei Elateia im Phokerlande, abseits
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von der großen Heerstraße, hatte kurz zuvor (1884) Pierre Paris mit ähnlichem Erfolg untersucht
Das Hauptwerk der Französischen Schule, dem olympischen Unternehmen vergleichbar, galt dem großen Festplatze Nord- griechenlands, Delphi. Die »felsige Pytho« bildet von Natur den 327/28 schärfsten Gegensatz gegen die stille flache Ebene am Alpheios. Delphi ist nur von zwei Seiten auf bergigem Pfade zugänglich. Im Norden bilden die jähen beiden Phädriaden, Abstürze des Parnass, eine hohe Wand; darunter fällt der Felsboden, fast ohne Terrassenbildung, zuerst gelinder, dann rascher südwärts zum Pleistos hinab, jenseits dessen die kahle Kirphis den Blick auf den korinthischen Meerbusen versperrt Eine großartige Einöde, in Griechenland wohl nur von der Gegend um die Styx über- troffen! Auf der Höhe unter den Phädriaden lag der Orakel- bezirk, von Süden nach Norden steil ansteigend. Zwei Quer- mauern waren hier sichtbar, als Stützmauern künstlicher Terrassen kenntlich; unten die Quadermauer des »Hellenikö«, darüber die Polygonalmauer des »Pelasgikö«, oberhalb deren die südliche Stufe des Tempels sichtbar ward; sonst war alles durch die Hütten des ärmlichen Dorfes Kastri bedeckt und verborgen. Beim Entziffern der zahllosen Urkunden, die in das Pelasgikö ein- gegraben sind, war 1840 Karl Otfried Müller von den Strahlen des delphischen Gottes zu Tode getroffen worden. An derselben Aufgabe hatten sich in bescheidenem Maße 1860 Conze und Michaelis, im folgenden Jahre mit großem Erfolge, indem sie das Pelasgikö der Länge nach freilegten, Paul Foucart und Karl Wescher beteiligt. Wescher stellte überdies 1862 fest, daß diese Mauer, die Terrassenmauer des Tempels, an ihrem Ostende gegen Norden umbiege; damit war nach dieser Seite die Ausdehnung des Tempelbezirks und die Richtung der Zugangsstraße zur Front des Tempels bestimmt Die Haupteüge der Topographie von Delphi hatte schon 1838, so weit das ohne Ausgrabungen möglich war, Heinrich Nikolaus Ulrichs klargestellt Von Skulp- turen war nur wenig vorhanden, darunter eine Reliefplatte mit einem Viergespann, die später ihre Genossen finden sollte (S. 145).
Delphi. Ältere Ausgrabungen in Delphi 143
Eine längere Pause trat ein. Erst 1 880, nachdem die Archäo- logische Gesellschaft in Athen das Hauptterrain in Delphi an- gekauft und der Französischen Schule zur Verfügung gestellt hatte, wurden die Arbeiten wieder aufgenommen. Foucart, nun- mehr Direktor der Schule, entsandte Bernard Haussoullier; er deckte an jener von Wescher bloßgelegten Ecke des Pelasgikö einen Teil der Feststraße und eine an die Mauer gelehnte ionische Halle auf, die sich durch eine Inschrift als Stoa der Athener, zur Aufnahme von Siegestrophäen bestimmt, zu erkennen gab. Über ihr Alter war man nicht gleich im klaren; vermutlich stellt sie ein Denkmal der Schlacht von Marathon dar. Der glückliche Erfolg Haussoulliers ließ nun den Plan reifen das ganze delphische Heiligtum seitens der Französischen Schule auszugraben. Aber es dauerte lange, ehe Hand angelegt werden konnte. Allerdings gelang es Foucart schon 1882 mit der griechischen Regierung einen Vertrag abzuschließen, der die Bedingungen der olympischen Ausgrabung (S. 121) auch für Delphi festsetzte. Allein der nächste Ministerwechsel brachte die Aufhebung des Vertrages, und es folgte eine längere Periode des Schwankens. Politische Er- wägungen spielten hinein; man wollte auch wissen, daß die wenig befriedigende Handhabung der delischen Ausgrabungen im Vergleich mit den olympischen der griechischen Regierung Bedenken eingeflößt habe. Sie bot Deutschland die Ausgrabungen an, das sie aber aus Rücksicht auf Frankreich ablehnte. 1887 kam es zu einem zweiten Vertrage zwischen Griechenland und Frank- reich, der aber wiederum nicht bestätigt ward. Da meldete sich 1889 Amerika zu dem Unternehmen, ebenfalls ohne Erfolg. Endlich kam es 1891, nachdem Th^ophile Homolle an Foucarts Stelle getreten war, zu dem endgültigen Vertrage, der das Recht der Ausgrabung für zehn Jahre Frankreich übertrug; die fran- zösische Regierung bewilligte eine halbe Million Francs. Eine Vorbedingung war die vollständige Expropriation der Bewohner von Kastri, wozu Griechenland eine Summe von 60000 Drachmen beitrug. Inzwischen hatte 1887 H. Pomtow nicht ohne Erfolg in Delphi Untersuchungen angestellt; ein Hauptergebnis war die Auf- findung des Haupteinganges an der Südostecke des ganzen Bezirks.
144 VI. Griechische Heiligtümer
Homolle übernahm selbst die Leitung des großen Unter- nehmens. Ihm zur Seite standen der Ingenieur Henri Convert (S. 120) und der Architekt Albert Tournaire; weiter nahmen jüngere Mitglieder der Schule, Louis Couve, Paul Perdrizet und andere, teil. Aber nicht allein kostete die Aufgabe den abgelegenen Be- zirk zugänglich zu machen viel Zeit und Arbeit: als es an die Expropriation der Grundstücke, den Abbruch und Wiederaufbau des Dorfes Kastri ging, begannen die Dorfbewohner aufrührerisch zu werden und sich an den Werkzeugen der Fremden zu ver- greifen. Erst im April 1893 waren alle Vorbereitungen so weit vollendet, daß mit den Ausgrabungen begonnen werden konnte. Daß es sich sozusagen um drei Stockwerke handelte, deren mittleres die Tempelterrasse bildete, war klar. Die beiden unteren waren durch das Pelasgikö geschieden, das Hellenikö stellte die südlichste und tiefste Grenze des Bezirkes dar. Nahe der letzteren setzte Homolle den Spaten an, und das Glück war ihm hold. Er stieß sogleich auf ein Gebäude, das ihm nach seinem Grund- 327,28 risse ein sogenanntes Schatzhaus (vgl. S. 127), nach Pausanias Beschreibung von Delphi das Schatzhaus der Athener, zu sein schien. Hören wir ihn selbst weiter erzählen.
»Nach vierundzwanzig Stunden reiflicher Überlegung glaubte ich als sicher nach Paris telegraphieren zu dürfen, wir hättten le tresor des Atheniens gefunden. Unsere Freude ward in Paris geteilt, ebenso aber auch, obschon aus ganz anderen Gründen, seitens der griechischen Behörden in unserer Bezirkshauptstadt Amphissa. Schon am nächsten Tage erhielt ich eine Depesche vom dortigen Unterpräfekten , der mir den Besuch seines Kassenbeamten ankündigte, um »den Schatz« in Empfang zu nehmen. Der griechische Staat war damals in einer nicht gerade glänzenden Finanzlage; so war man auf das kleine Mißver- ständnis verfallen und bildete sich in aller Unbefangenheit ein, es sei bares Geld, was da so zur rechten Zeit, um die fälligen Zinsen zu be- zahlen, aus dem Boden gestiegen sei.«
Das unterste Drittel des heiligen Bezirks, von der ansteigenden Feststraße in einer spitzen Kehre durchzogen, ist wesentlich von den Schatzhäusern griechischer Staaten und am Eingange von einigen hervorragenden Weihgeschenken eingenommen. Von letzteren, darunter den großen Gedächtnisgruppen an Marathon 327,8.5 und an Ägospotamoi — Athens Ruhmeshöhe und Untergang — ,
Homolles Ausgrabungen in Delphi. Ionische Bauten 145
sind begreiflicherweise nur die Basen erhalten oder die Plätze mit Wahrscheinlichkeit nachweisbar. Die Schatzhäuser, für deren Benennung wiederum Pausanias unser Führer ist, sind zum Teil viel reicher ausgestattet als die olympischen. So ist beispielsweise das Schatzhaus der Athener ein dorischer Bau mit nicht weniger 327,28 als 30 Metopenreliefs von altertümlichem Stil. Seine Wände 344 waren mit dem Apollonhymnos beschrieben, dessen Notenbeischrift großes Aufsehen erregte und den ersten sicheren Begriff von griechischer Komposition gab; dazu enthielten die Wände noch die Akten der offiziellen athenischen Festzüge nach Delphi. Von dem Schatzhaus der Sikyonier wurden fünf längliche Metopen 327,12 gefunden, die naive Belege älterer sikyonischer Plastik abgeben. 239 Besonders reich war das Schatzhaus ausgestattet, das zuerst den 327,13 Bewohnern der Insel Siphnos, dann den Knidiern zugeschrieben ward; nach den Angaben unseres Führers Pausanias werden wir aber das knidische Schatzhaus weiter oben ansetzen und in dem aufgedeckten Bau in der Tat das Schatzhaus der Siphnier er- kennen müssen. Es war ein zierlicher ionischer Bau, dessen Vorhalle Frauengestalten statt der Säulen schmückten. Begegnen 305 wir schon hier einem Vorläufer der Korenhalle vom athenischen 441 Erechtheion, so vergegenwärtigt uns der fast vollständig erhaltene Fries, der das Gebäude an allen vier Seiten umzog (zu ihm ge- 306/7 hört das oben S. 143 erwähnte Relief mit dem Viergespann), aufs lebhafteste die ionischen Vorbilder des Parthenonfrieses; nur ist 398 alles noch frischer, lebhafter, naiver als in der maßvollen Kunst des perikleischen Athen, wogegen die Giebelgruppe noch eine große Unbeholfenheit verrät. Der ionische Stil des Schatzhauses erhielt bald eine wertvolle Ergänzung in der mit einer altertüm- lichen Sphinx bekrönten Säule der Naxier, die an der Terrassen- 270 mauer des Tempels, dem sogenannten Pelasgikö, stand. Je spär- licher unsere Kenntnis der älteren Stadien des ionischen Stils noch immer ist, desto wichtiger wird ein Stück wie das ebenso mächtige wie einfache Kapitell dieser Säule; daß aber gerade aus Delphi solche Förderung unserer Kunde vom ionischen Stil kommen würde, hatte sich am wenigsten erwarten lassen, Delphi war eben in höherem Maße allen griechischen Stämmen gemeinsam
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. IQ
146 VI. Griechische Heiligtümer
als Olympia, das nie seinen vorwiegend dorischen Charakter verlor. Eine andere delphische Säule stellt eine besonders reiche Entwicke- lung des korinthischen Akanthosmotivs dar, noch gehoben durch drei überaus zierliche Tänzerinnen, die in der Höhe ihre graziösen 455 Bewegungen ausführen; ein Dreifuß wird das Ganze gekrönt haben. Steigen wir zu der Tempel terrasse empor, wobei an der Basis des platäischen Schlangendreifußes (S. 96) und an dem 327,36 turmartigen Unterbau des Denkmals des Siegers von Pydna 327,40 Aemilius PauUus, von dessen Friese schon 1840 einige Stücke bekannt waren, so harrt unser eine neue Überraschung. Nach Pausanias durften wir erwarten, den Tempel zu finden, der im 6. Jahrhundert erbaut und am Ende jener Zeit durch die aus Athen vertriebenen Alkmeoniden mit einer marmornen Fassade geschmückt worden war, dessen Giebelfelder sodann im 5. Jahr- hundert von Schülern des Kaiamis mit Gruppen versehen worden waren und dessen Metopenschmuck uns Euripides schildert. Wäre dieser Tempel in ähnlicher Erhaltung wie der olympische Zeus- tempel gefunden worden, welche Aufschlüsse hätte er gegeben! Aber nichts von alledem — mit Ausnahme einiger beiseite ge- schafften Skulpturreste des Alkmeonidentempels — hat sich ge- 329 funden. Jener alte Tempel war vielmehr, wie uns Inschriften be- lehrten, im Jahre 373 durch ein Erdbeben zerstört worden, und der neue Tempel, von dem nicht besonders reichliche Überreste gefunden worden sind, stammt erst aus dem 4. Jahrhundert; er hat dann nach Ausweis von Inschriften im Jahre 83 vor Christo durch Brand gelitten und ist langsam wieder ausgebessert worden. Hatte etwa Pausanias seine Angaben aus einer veralteten, dem Erdbeben von 373 vorausliegenden Quelle geschöpft? So schien es zunächst, und dem modischen Schelten auf die Unzuverlässig- keit des Pausanias ward ein neues Ventil geöffnet — bis eine eindringende und klärende Untersuchung von Emil Reisch jüngst den Nachweis erbracht hat, daß der Kaiamis, von dem der Schriftsteller spricht, nicht der kimonischen Zeit angehörte, son- dern ein angesehener Künstler des vierten Jahrhunderts gewesen ist! Seine Schüler Praxias und Androsthenes fallen also gerade in die Zeit des delphischen Tempelbaues. Hier haben somit
Apollontempel. Lesche der Knidier 147
die Ermittelungen am Tempel zu neuen kunstgeschichtlichen Aufschlüssen geführt, wenn auch nicht zum alten Alkmeoniden- tempel und nicht zu den Giebelgruppen der Kaiamisschüler, die spurlos verschwunden sind. Eine große Enttäuschung bereitete das Innere; namentlich ist von dem Erdspalt, an dem einst der Pytho- drache von Apollon erschlagen sein sollte und über dem thronend die Pythia ihre Orakel spendete, nichts zum Vorschein gekommen.
Blieben die Tempelreste im ganzen hinter unserer Erwartung zurück, so war die oberste Abteilung des heiligen Bezirkes dafür desto ergiebiger. Im Nordwesten fand sich das stattliche Theater, 327,47 neben dem sich draußen das Stadion erstreckte; unter dem Theater die Spur einer großen Gruppe von Lysippos, in der 327,46 Alexander der Große auf der Löwenjagd von Krateros gerettet ward. Besonders wichtig war die Aufdeckung der Lesche der 327,55 Knidier im Nordosten, einer Versammlungshalle, deren Wände einst mit zwei großen Gemälden Polygnots, Ilions Eroberung und Odysseus Hadesfahrt, geschmückt waren. Pausanias hat uns die Bilder Gestalt für Gestalt beschrieben; sie sind daher für uns die wichtigste Quelle für die Kenntnis des großen thasischen Meisters der Wandmalerei, und zahlreiche Versuche zu ihrer Wiederherstellung sind gemacht worden. Aber alle diese Versuche entbehrten der festen Grundlage, die nur die Kenntnis des Gebäudes und seiner Wandflächen gewähren konnte. Diese Grundlage war nun gewonnen. Die Lesche erwies sich als ein hofartiger oblonger Raum, der in der Mitte offen war und dem Lichte den Zutritt bot, während acht Säulen das Dach einer ringsum laufenden Halle trugen. Der Bau läßt sich etwa mit dem Ephebeion (sog. Palästra) in Pompeji in seiner ursprüng- lichen Gestalt vergleichen. Die Tür in der Mitte der südlichen Langseite macht es wahrscheinlich, daß die beiden figurenreichen Gemälde sich auf die West- und Osthälfte der Halle so verteilten, daß jedes sich über drei Wandstücke erstreckte, die Mittelgruppen je an den Schmalseiten der Halle sich entwickelten. Das hatte freilich niemand voraussehen können.
Unterhalb der knidischen Lesche, nicht weit vom Tempel, kam eine große Gruppe von Marmorstatuen zum Vorschein 327,53
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148 VI. Griechische Heiligtümer
die Angehörige einer thessalischen Fürstenfamilie in ziemlich ver- schiedener Stilweise darstellten. Einflüsse der Kunstart des Skopas, des Praxiteles, des Lysippos machten sich bemerkbar. Ein er- höhtes Interesse hat diese Gruppe gewonnen, seit Erich Preuner in einer der Statuen, der des Agias, ein Werk des jugendlichen 532 Lysippos nachgewiesen hat (s. Kap. XI). Aber das beste und berühmteste plastische Werk, das die delphischen Ausgrabungen 39 geliefert haben, »der delphische Hermes«, ist die treffliche Erzstatue 363 eines Wagenlenkers, der Rest eines Viergespannes, das vielleicht der syrakusische Prinz Polyzalos nach 480 seinem Vater Oelon errichtet hatte; doch ist dies unsicher. Es ist der einzige, aber um so wertvollere Überrest der zahllosen Erzstatuen, die einst Delphi geschmückt hatten.
Außer dieser großen architektonischen und bildnerischen Ausbeute belohnten etwa 3000 Inschriften, großenteils von hohem sachlichen oder sprachlichen Interesse, die achtjährigen Ausgrabungen. Auch hier, wie in Olympia, gewährte Syngros und nach seinem Tode seine Witwe die Mittel zum Bau eines Museums. Einige Schatzhäuser, wie die der Athener und der Knidier, waren so vollständig aus dem Schutte wiedergewonnen worden, daß ihre Wiederherstellung, ähnlich wie beim Tempel der Athena Nike in Athen (S. 50), in Angriff genommen werden konnte. Für die Ordnung und angemessene Zusammenstellung der weit über das ganze Ausgrabungsgebiet zerstreuten einzelnen Baustücke und Inschriften hätte freilich das in Olympia gegebene Beispiel (S. 122) ausgiebiger befolgt werden sollen; schon heute ist es schwierig manche gefundenen Stücke wieder aufzufinden oder mit den zugehörigen Stücken zu vergleichen. Als Abschluß des Unternehmens ist eine große Publikation im Erscheinen, die die Früchte der Ausgrabungen dem wissenschaftlichen Publikum vor- legen soll. Man möchte fast bedauern (ich spreche da nicht bloß meine Ansicht aus), daß die Veröffentlichung gerade mit den Restaurationsentwürfen Tournaires begonnen hat, die, so elegant auch ihre Mache ist, doch sehr viel Willkürliches und Verfehltes enthalten und mehr auf eine Ausstellung vor großem Publikum berechnet als für wissenschaftliche Zwecke geeignet
Delphische Einzelfunde. Kultstätten. Geheimkulte 149
zu sein scheinen. Andere Hefte haben begonnen die reiche Ausbeute von Bronzen und Skulpturen in guten Abbildungen vorzulegen. Ohne Zweifel wird die Fortsetzung des Werkes, unter Homolles kundiger Oberleitung, auch noch jene Einzel- heiten bringen, ohne die sich ein Urteil über bauliche Rekon- struktionen nicht wohl gewinnen läßt (vgl. S. 116). Die Bau- werke sind eben sozusagen das Gerippe, ohne dessen sicheren Aufbau auch die übrigen Kunstwerke des festen Haltes entbehren.
In fast dreißigjähriger Arbeit, bei der sich alle Nationen die Hände reichten, ist, mit Samothrake beginnend, mit Delphi und Ägina schließend, eine Reihe von Heiligtümern ans Licht ge- bracht worden, die ein bis dahin nur aus der Literatur bekanntes Kapitel der gottesdienstlichen Altertümer hell beleuchten.
Gewisse Grundzüge sind allen diesen Anlagen gemeinsam. Der Altar ist immer das Erste (in Olympia ist sein Platz nicht ganz sicher); hochaltertümliche kleine Weihgeschenke finden sich in seiner Nähe, auch wohl eine Höhle, wie am Ptoion, oder eine künstlichere Grotte, wie in Delos. Mit der Bildung der Gottheit in Menschengestalt stellt sich dann auch das Tempelhaus als die Wohnung des Götterbildes ein; Nebengebäude werden bald erforderlich. Dieser Zustand liegt auf dem Ptoion, etwas ver- feinerter in Elateia vor; ohne Frage gilt das gleiche für eine Menge kleinerer oder abgelegener Kultorte. Am vornehmsten erscheint dieser Typus im argivischen Heräon, wo erst ein Neubau des Tempels die ganze Pracht vollendeter Kunst entfaltete.
Nun scheiden sich aber die Heiligtümer nach ihrer ver- schiedenen Bedeutung. Wo ein Geheimkult bestand, wie an den Mysterienorten Eleusis und Samothrake, kam es vor allem auf Abgeschlossenheit an, sowohl des ganzen Bezirkes wie der Kultgebäude. Verschließbare Torgebäude bildeten den Zugang zu dem Bezirk, der entweder von Natur schwer zugänglich war (Samothrake) oder einen Mauerabschluß erhielt (Eleusis). In Eleusis, wo gewisse symbolische Schaustellungen den wesent- lichsten Teil der Zeremonien ausmachten, bedurfte es eines großen.
150 VI. Griechische Heiligtümer
mehrstöckigen, festummauerten Weihetempels, neben dem kleinere Kulttempel Platz fanden; der große Tempel ward im Laufe der Zeiten, entsprechend der wachsenden Menge der Eingeweihten, vergrößert. An dem jüngeren Mysterienheiligtum in Samothrake finden wir neben dem ersten Tempel des 4. Jahrhunderts einen stattlicheren Neubau der frühen Ptolemäerzeit, beide für die be- sonderen Bräuche des Kabirenkultes mit einer Opfergrube ver- sehen und so weiträumig, daß die Menge der Gläubigen der Handlung zuschauen konnte; hierin verschieden von dem kleinen böotischen Kabirion, wo der Opferhof nur äußerlich mit dem Tempel verbunden war. Für anderweitige geschlossene Ver- sammlungen mag in Samothrake der Rundbau Arsinoes gedient haben. Etwa gleichzeitig dürfte die lange offene Halle entstanden sein, die außerhalb des heiligen Bezirkes den Bedürfnissen der von allen Seiten herbeiströmenden Mysten auf der rauhen, ziem- lich unwirtlichen Insel entgegenkommen sollte.
Weit großartiger gestalteten sich die Heiligtümer, die nicht allein dem Opferkulte dienten, sondern zugleich für Fest Ver- sammlungen und Wettspiele bestimmt waren. Olympia und Delphi, die Schauplätze der olympischen und pythischen Spiele, haben hier reichen Aufschluß gegeben, so daß kaum anzunehmen ist, daß Ausgrabungen auf dem Isthmos und in Nemea wesent- liche Ergänzungen bieten würden. Während in Delphi Apollon mit seinem öfter neugebauten Tempel fast der Alleinherrscher war (Dionysos tritt ihm zur Seite und Neoptolemos hat hier sein Grab), hatte in Olympia zuerst Hera ihren Tempel, daneben Pelops sein umschlossenes Grabgehege. Zeus scheint sich lange mit dem Opferdienst am großen Altar unter freiem Himmel begnügt zu haben, bis ihm nach den Perserkriegen ein die ganze Um- gebung beherrschender Tempel, bald auch Phidias Kolossalstatue aus Gold und Elfenbein errichtet ward. Später gesellte sich die Göttermutter als Dritte im Bunde hinzu. Gemeinsam sind beiden Orten, wenn auch nach Lage und Ausstattung verschieden, die Schatzhäuser, meist in Form von Antentempeln , die seit dem 6. Jahrhundert sich rasch mehrten, um außer anderen Schätzen die kleineren Weihgeschenke der mit Delphi oder Olympia in
EMe Anlage der Festplätze 151
festem Kultverhältnisse stehenden Staaten aufzunehmen. Größere öffentliche Weihgeschenke und seit dem 6. Jahrhundert die un- endliche Menge der Siegerstatuen füllten den übrigen Raum des heiligen Bezirkes. In Olympia fanden sie bequemen Platz auf der geräumigen Fläche der Altis, in Delphi drängten sie sich entweder an der gewundenen Feststraße hin, oder sie stiegen auf den schmalen verfügbaren Plätzen des rasch ansteigenden Felsbodens empor. Der ganze Bezirk war hier wie dort um- mauert. In Olympia bildete auf der Ostseite eine geräumige Stoa eine Art Wandelhalle, während in Delphi der Felsabhang für solche offene Halle keine Möglichkeit bot; dafür trat hier am oberen Rande die Lesche der Knidier ein. Eine Besonderheit Delphis bildet das Theater innerhalb des Bezirkes, das wohl mit der Rolle zusammenhängt, die musische Aufführungen bei den Pythien spielten. Für die gymnastischen und ähnlichen Wett- kämpfe war an beiden Festorten innerhalb des Bezirkes kein Platz. In Olympia wie in Delphi stand jedoch der Schauplatz für die gymnastischen Kampfarten, das Stadion, in enger Verbindung mit dem heiligen Bezirk. Die Rennbahn für Wagen und Rosse lag dagegen in Olympia in der benachbarten Ebene, wo sie von den wandelbaren Fluten des wasserreichen Alpheios völlig hinweggespült ist; in Delphi mußte man gar von der steilen Höhe in das krisäische Blachfeld hinabsteigen, um für diese Wett- kämpfe genügenden Raum zu finden. An beiden Orten aber war der heilige Bezirk umgeben von allerlei anderen Anlagen, die in entfernterer Beziehung zum Heiligtum und zu den Spielen standen; besonders deutlich liegen sie in Olympia zutage (S. 127 f.).
Das Amphiaraeion, obwohl mit Spielen und einem Theater aus- gestattet, ist doch im Vergleich mit den großen Nationalfestplätzen zu unbedeutend um hier besondere Berücksichtigung zu verdienen.
In Delos handelt es sich nicht sowohl um Wettspiele, als um Kult feste, zu denen der nahe Hafen die von weither zusammenströmenden lonier herbeiführte. Daher fehlen Stadion und Hippodrom, und statt ihrer tritt auf dem engen ebenen Räume, den die Insel überhaupt nur bietet, die Stadt, der hier das Theater und die Palästra angehören, nahe an das Heiligtum heran. Dies
152 VI. Griechische Heiligtümer
erscheint infolgedessen dicht zusammengepfercht: die Tempel Apol- lons, seiner Schwester und seiner Mutter, nebst dem See, dem Zeugen der Zwillingsgeburt, die Schatzhäuser, die Hallen drängen sich eng zusammen, so daß der benachbarte Markt am Hafen als Ver- sammlungsplatz eintreten muß und die Tempel der fremden Götter, der ägyptisch-syrischen und der Kabiren, ebenso wie die Versamm- lungslokale der Ausländer draußen ihre Stätte zu suchen haben.
Wiederum verschieden mußte die Anlage bei den Heilig- tümern des Asklepios sein, bei denen die Rücksicht auf die Gesundheit und die Kur den Kultus überwog. Das athenische Asklepieion ist freilich so klein, daß es als Kurort kaum in Be- tracht kommen kann; doch fehlen auch ihm Quelle und Hallen nicht. Die berühmten Heilstätten von Epidauros und Kos ge- boten dagegen über eine freie Lage und weite Räume. Säulen- hallen, die den kranken Wallfahrern als Schlafstellen dienten, und Wandelgänge bildeten einen wesentlichen Bestandteil, dazu reich- liche Nebengebäude. Im epidaurischen Hieron gab es auch An- stalten für Leibesübungen und ein Theater zur Unterhaltung, weil das Hieron fern von der Stadt liegt; in Kos machte die Nähe der Stadt dergleichen Anlagen entbehrlich.
Das sind einige der Ergebnisse, die wir den dreißigjährigen vereinten Bemühungen verdanken. Auf ganz anderem Gebiete liegt es, daß diese Arbeiten die hohe Schule für die Methode und Technik der Ausgrabungen geworden sind. Überall strebt die Grabung, ohne das Einzelne und Kleine zu vernachlässigen, dem Ganzen zu. Die ursprüngliche Gestaltung sowohl der Ge- samtanlage wie aller einzelnen Teile zu ermitteln, die allmählichen Umgestaltungen durch den Lauf der Zeiten zu verfolgen, jeder Einzelheit ihren festen Platz in dieser Entwickelung anzuweisen und so die Ausgrabung zugleich zu einer Rekonstruktion des verlorenen Ganzen zu machen, das ist das auszeichnende Merk- mal dieser neuen Methode. Samothrake bezeichnet den Beginn, Olympia die Hauptstation auf diesem Wege; die folgenden Aus- grabungen der athenischen Archäologischen Gesellschaft und die französischen in Delphi haben die weitere Bewährung der ge- wonnenen Lehren gegeben.
VII
ANTIKE STÄDTE
as Streben nach wissenschaftlicher Kenntnis antiker Ge- samtanlagen konnte nicht bei den Heiligtümern stehen bleiben, sondern mußte sich auch auf das Ganze antiker Städte richten. Zeitlich gingen beide Forschungen nebeneinander her, ja an einem Punkte hatte die Städteforschung einen Vor- sprung. Es war nur natürlich, daß sie da einsetzte, wo die Ausgrabungen schon früher vorgearbeitet hatten, in Pompeji.
Pompeji war seit 1860, wo die von Grund aus verrottete borbonische Mißregierung ihr Ende gefunden hatte, in ein neues Stadium der Erforschung getreten. Die italienische Regierung hatte verdientermaßen Giuseppe Fiorelli, einen durch und durch wissenschaftlich gearteten Mann, 'der unter den Borbonen nur im Kampfe mit kleinlichen Hindernissen seine pompejanischen Studien hatte betreiben können, mit der Leitung der Ausgrabungen betraut. Diese wurden nicht bloß mit größerer Energie, sondern auch nach besserer Methode durchgeführt. Bisher hatte man fast nur einzelne Häuser in Angriff genommen. Dabei war es un- vermeidlich gewesen, daß in der mehr oder weniger engen Grube die oberen Teile der Häuser hinabstürzten und sich so der Forschung entzogen. In der Tat kannten wir kaum ein oberes Stockwerk in Pompeji, so vielfach auch Treppen auf deren einst- maliges Vorhandensein hinwiesen. Fiorelli ließ nun ganze, von Straßen begrenzte Häuserblöcke (»Inseln«) auf einmal vornehmen und von oben schichtweise bloßlegen; was von Balken oder charakteristischen Bauteilen entblößt wurde, ward vorsichtig be- wahrt, gestützt oder durch neue Balken ersetzt, und so ward
154 VII. Antike Städte
allmählich in die Tiefe vorgerückt. So überraschte z. B. die Beschauer ein auf diese Weise wiedergewonnener Erker im Ober- stock, der für das Aussehen der Gasse so charakteristisch war, daß er ihr den Namen des vicolo del balcone pensile verschaffte. Wiederherstellung der pompejanischen Häuser nach ihrem mehr- stöckigen Aufbau, der Dachanlage usw., ward erst jetzt möglich und dadurch eine viel vollständigere Kenntnis des italischen Hausbaues gewonnen. Ein weiteres Verdienst Fiorellis bestand darin, daß das bisher mit althergebrachter Engherzigkeit erschwerte Studium Pompejis nunmehr allen freigegeben ward. Eine eigene scuola di Pompei ward gegründet, aber ebenso auch allen Fremden der Zutritt eröffnet, eine Erlaubnis, von der namentlich die An- gehörigen des römischen Archäologischen Instituts dankbar Ge- brauch machten.
Zuerst knüpfte die Forschung an den Teil der Ausgrabungs- ergebnisse an, der am einzigartigsten erschien und am populärsten war, die Wandgemälde. Schon oben (S. 110) wurden Helbigs Arbeiten erwähnt, die in diesen Gemälden wesentlich hellenistisches Erbgut erkannt haben. Otto Donner ergänzte diese Untersuchungen durch den Nachweis, daß die viel bestrittene Technik der Malereien die von den Alten mit besonderem Geschick, etwas abweichend von den Neueren, geübte Freskomalerei sei. Mit jenen Unter- suchungen ward die Frage der Scheidung hellenistischer Überliefe- rung und pompejanischen Eigengutes auf die Tagesordnung gesetzt
In demselben Jahre 1873, wo Helbigs »Untersuchungen« erschienen, veröffentlichte Fiorelli das Ergebnis langjähriger For- schungen, die die gesamte Stadtanlage und die Baugeschichte Pompejis zum Gegenstande hatten. Die Stadtanlage, nach italischer Weise auf Grund der sich rechtwinklig schneidenden Hauptstraßen cardo und decumanus gegliedert, mit allen den daran sich an- schließenden Kontroversen dürfen wir hier, wo es nur auf die künstlerische Entwickelung ankommt, beiseite lassen. Es soll nur darauf hingewiesen werden, daß 1888/89 Brizio in Marza- botto, unweit Bologna, eine italische Stadt aus der Zeit um 500 vor Christo nachgewiesen hat, die das auf jenen Grundlinien auf- gebaute rechtwinklige Straßennetz in strengster Durchführung zeigt.
Pompeji. Perioden der Baugeschichte 155
Für unsere Zwecke bedeutender sind Fiorellis Untersuchungen über die Baumaterialien und die Bautechnik der pompejanischen Bauten und über die Folgerungen, die sich daraus für die Bau- geschichte der Stadt ergeben. Die grundlegenden Tatsachen hat Fiorelli richtig erkannt, so vieles auch im einzelnen durch die gleichzeitig mit Fiorelli in gleicher Richtung vorgenommenen Forschungen Richard Schönes und Heinrich Nissens genauer bestimmt worden ist. Schönes »Probe pompejanischer Unter- suchungen« war schon 1868 erschienen, die von Nissen ausge- führte Bearbeitung der gemeinsamen Forschungen beider Freunde erschien 1877; viele nachträgliche berichtigende Einzelunter- suchungen brachte seit 1879 August Mau. Die seitdem in die populären Darstellungen Pompejis übergegangenen Hauptresultate lassen sich kurz so zusammenfassen.
Die älteste Zeit Pompejis ist die »Kalksteinperiode«, wo aus dem Kalkstein des benachbarten Flusses Sarno mit Hilfe von Lehm einfache Häuser (»Atriumhäuser«) gebaut wurden, ohne Säulen, einstöckig, ohne allen farbigen Schmuck, also von dem späteren Bilde Pompejis völlig abweichend. Das besterhaltene Beispiel bietet in ihrem ursprünglichen Teile die sogenannte casa 7i9 del chirurgo. — Darauf folgt (nach Nissen um etwa 200, viel- leicht erst etwa ein halbes Jahrhundert später) die »Tuffperiode«, wo der Tuff von Nocera neben den Kalkstein tritt. Das feinere Material ermöglicht eine feinere Ausführung aller Glieder. Mit dem Gebrauche von Säulen tritt eine Erweiterung des altitalischen Hausplans ein. Peristyle, Säle verschiedener Art und andere griechische Bauteile schließen sich den altüberlieferten an, und ein oberes Stockwerk tritt hinzu. Gegen die Straße fangen die bisher festgeschlossenen Häuser an sich in Läden zu öffnen. Daneben werden die Wände farbig, wenn auch noch ohne Ge- mäldeschmuck. Die Häuser steigern sich gelegentlich, wie z. B. 22 die casa del Fauno, zu palastartiger Größe und Pracht der Aus- 759 21 stattung. Stattliche öffentliche Gebäude entstehen, Theater, Bäder und Palästren, die schöne Basilika, der Apollotempel mit seinem 598 nach hellenistischer Weise hallenumgebenen Tempelhof. Alles in dieser architektonischen Glanzperiode der samnitischen Freistadt
156 VII. Antike Städte
weist auf starke griechische Kultur- und Kunsteinflüsse hin, die zum Teil ihren Ursprung im Osten zu haben scheinen, aber sich von der kleinasiatischen Architektur, die um die gleiche Zeit in Rom die Herrschaft gewinnt, wesentlich unterscheiden. — Mit der Verwandlung Pompejis in eine römische Kolonie durch Sulla hört diese Pracht auf. Neben Tuff und Lava werden gebrannte Ziegel das beliebteste Baumaterial dieser »Ziegelperiode«. Die Ziegel verlangen Bewurf, und die Wände werden nicht mehr bloß farbig, sondern auch sowohl mit dekorativen Malereien wie mit wirklichen Gemälden geschmückt.
Wie anders war das Bild dieser allmählichen Entwickelung als die bisher allgemeingültige Vorstellung von dem gleichmäßig farbenfrohen »pompejanischen Stil«! Aber nicht die einzelnen so gewonnenen Kenntnisse waren die Hauptsache, sondern daß auch hier der allgemeine Zug zu historischer Auffassung, zur Erkenntnis der Entwickelung, d. h. des Lebens, zum Durchbruch kam. Pompeji ward uns eine werdende Stadt, deren künstlerische Fort- bildung wir im Zusammenhange mit der Entwickelung des städti- schen Gemeinwesens und mit den großen politischen Ereignissen verstehen lernten. Es war das gleiche Streben, nur energischer und mit vollerer Sachkenntnis verfolgt, wie es Ernst Curtius auf griechischem Boden sich vorgesetzt hatte. Seine Versuche die Stadtgeschichte von Pergamon und Ephesos auf Grund der auf einer kleinasiatischen Reise (1871) gewonnenen Ortsanschauung zu rekonstruieren mußten freilich an der Lückenhaftigkeit dieser Grundlage scheitern, sie verfolgten aber doch dasselbe Ziel wie Wissens »Pompejanische Studien«.
Parallel mit Fiorelli- Schöne -Wissens pompejanischen For- schungen gingen ebendort August Maus Studien, deren Ergeb- nisse im gleichen Jahre wie Helbigs Untersuchungen und Fiorellis Bericht, 1873, im Qiornale degli scavi di Pompei ihre erste Formu- lierung erhielten, um neun Jahre später in ausführlicher Darstellung dem Publikum vorgelegt zu werden. Mau hatte seine Aufmerksam- keit auf die Art der farbigen Wanddekoration in Pompeji gerichtet, die bisher neben den eigentlichen Gemälden nur oberflächliche Be- achtung gefunden hatte. So galt auch hier als »pompejanischer Stil«
Pompeji. Die Dekorationsstile 157
was in Wirklichkeit ein Gemenge verschiedenartiger, unzusammen- hängender Erscheinungen war. Mau brachte Ordnung in dies Chaos, indem er die historische Betrachtungsweise einführte.
Natürlich geschah dies im Anschluß an die gleichzeitig er- mittelten Perioden der Baugeschichte. Die farblose »Kalkstein- periode« schied von selbst aus; erst als die hellenistische Strömung sich Pompejis bemächtigte, zog griechische Farbenfreudigkeit dort ein. Die vornehmste Zeit Pompejis, die »Tuffperiode«, begnügte sich mit der »Inkrustation«, d. h. mit dem Belag der Wände 760 mit nachgeahmten Quadern von buntem Marmor, die aus Stuck xi sehr sauber in Relief hergestellt wurden. Pilaster und Gesimse, ebenfalls in Stuckrelief, traten die Wand gliedernd oder ab- schließend hinzu. Es ist ein Außenstil, der in das Innere über- tragen ward und die Räume mit rein architektonischen Mitteln fest umschloß. Die ernste, etwas steife Pracht dieser Wandbe- kleidung ward durch Mosaiken auf dem Fußboden (z. B. die 94 Alexanderschlacht, S. 65) ergänzt; griechische Kunstwerke, grie- 559 chisches erlesenes Hausgeräte vervollständigten das Bild.
An den Ziegelwänden der sullanischen Kolonie machte dieser Inkrustationsstil einer völlig abweichenden Dekorationsweise Platz. Die durch die Quaderwände beengten Räume strebten nach Er- weiterung, deren Eindruck man durch perspektivisch zurücktretende Architekturen zu erzielen suchte; dabei blieb aber die Wand 765
XI
glatt, die Perspektive war auf bloß malerische Mittel beschränkt. Bald begnügte man sich die Wand scheinbar hinter Pfeilern mit Blumengehängen zurücktreten zu lassen; bald eröffnete sich zwischen dunkel beschatteten Pfeilern ein freier Ausblick in eine 763/64 weite Landschaft, die auch wohl mit Staffage belebt war (vgl. S. 67 f.); bald vereinigten sich beide Mittel, wofür das römische
96 Haus der Livia (S. 107) die reichsten Belege darbietet. Eine ge- 765 haltene farbenfrohe Stimmung hatte sich der Wände bemächtigt; die landschaftlichen und Staffagemotive verdankten anscheinend einem römischen Künstler Tadius ihre Einführung.
Völlig neu war Maus Feststellung eines dritten, etwa der
97 augustischen Zeit angehörigen Stils, den man als ornamentalen sos Flächenstil bezeichnen kann. Die Wandfläche tritt wieder in ihr
158 ' VII. Antike Städte
Recht, die raumerweiternde Perspektive schwindet ganz oder fast ganz. Alle Ornamente werden flächenmäßig, bortenartig oder xi in der Art eingelegter Arbeit ausgeführt; eingerahmte Gemälde 309 strengeren Charakters treten an die Stelle der Ausblicke ins Freie. Ernstere Farben sind beliebt, doch fehlt es auch nicht an reicheren Tönen. Die ganze etwas kühle Dekoration erinnert an Horazens höfische Dichtungen; auch die sorgfältige Ausführung entspricht dem vornehmen Gesamteindruck.
Der vierte Stil endlich, der phantastische Architekturstil, 812 herrscht in den letzten Zeiten Pompejis. Es ist derjenige Stil, an den wir Modernen zuerst denken, wenn Pompeji genannt wird. Er stellt die konsequente Weiterentwickelung des zweiten, perspektivischen Stils dar. In allmählichen Abstufungen löst sich die ganze Wand zuletzt in Perspektiven auf; die architektonischen Gebilde kehren sich an keine Wirklichkeit mehr und erreichen namentlich in den oberen Wandteilen eine ausschweifende Phan- tastik. Die Farben werden bunter, ja schreiend; die Ausführung xi wird derber, flüchtiger und nimmt vielfach zur Schablone ihre Zuflucht Die zahlreichen Wandgemälde wiederholen gern die gleichen Muster; sie spiegeln die Welt hellenistischer oder ovi- discher Liebespoesie und zeigen ebenso große Vorliebe für nackte 819 Gestalten, wie der vorige Stil sich ihrer enthielt. Diese Richtung feiert ihre Orgien in den letzten Jahren Pompejis, zwischen dem großen Erdbeben von 63 und dem Untergang im Jahre 79.
So ungefähr erschien die Entwickelung dieses Teiles der pompejanischen Kunst. Mau hielt die vier Stile für zeitlich ein- ander ablösend. Dies steht für die ersten beiden fest, für die letzten beiden kann man zweifeln, ob sie nicht nebeneinander hergingen: der dritte Stil als bewußte Reaktion gegen die per- spektivische Richtung des zweiten Stils, vornehm, exklusiv, schon um seiner Kostspieligkeit willen nur auf Wohlhabende berechnet, während der vierte Stil den zweiten unmittelbar fortsetzte und ebenso in seiner effektvollen Darstellungsweise wie in seiner oberflächlicheren Mache den Ansprüchen und den Mitteln des größeren Publikums entgegenkam. Daß der letzte Stil den anderen bald verdrängte, ist natürlich, vollends bei der ganzen Richtung der neronischen Zeit
Pompeji. Griechische Vorbilder 159
Es versteht sich von selbst, daß diese vier Stile nicht auf Pompeji beschränkt waren oder in der kleinen Landschaft selb- ständig entstanden sind. Hie und da bietet uns Rom, namentlich für den zweiten und den vierten Stil, nächstliegende Parallelen; der erste findet sich in Pergamon und noch sonst an manchen Orten, neuerdings in Pergamon auch der zweite. Aber die Frage nach der Herkunft der verschiedenen Arten der Wanddekoration und nach den Faktoren, die auf ihre Entwickelung oder ihren Wechsel eingewirkt haben, ist noch ungelöst, ja kaum ernstlich in Angriff genommen. Einiges liegt freilich auf der Hand. Der Inkrustationsstil z. B. kann nur in einer Gegend entstanden sein, xi wo bunter Marmor heimisch oder leicht erreichbar war. Bei dem dritten Stil, dem eigentümlichen Erzeugnis der augustischen Zeit, ist es gewiß kein Zufall, daß die häufigen ägyptisierenden Zu- sn taten mit der Unterjochung Ägyptens im Jahre 30 zusammenfallen; das Fehlen dieses Stils in der Hauptstadt (wenigstens nach dem bisherigen Stand unserer Kenntnisse) bedarf dagegen noch der Erklärung. Für die phantastischen Architekturspiele des vierten Stils endlich scheint eine Nachricht über den karischen Maler Apaturios nach Kleinasien zu weisen, so daß man vermuten möchte, die ganze auf perspektivische Erweiterung zielende Rich- tung stamme, im Gegensatze zu jener alexandrinisierenden, von dort her. Aber das sind alles Fragen, deren sichere Lösung nur durch neue Entdeckungen gewonnen werden kann; sie lassen sich nicht bloß aus dem Osten, sondern vielleicht auch aus dem griechischen Süden Italiens erwarten.
Hier, wie bei den Fragen der Bautechnik und Baugeschichte haben wir in Pompeji zunächst nur die samnitische Landstadt vor uns, die durch hellenistische Einwirkungen hindurch sich zur römischen Veteranenstadt entwickelt. Ebenso wichtig ist es aber, dies Bild in den Zusammenhang der allgemeineren Kunst- geschichte einzuordnen, die ihr Gepräge noch immer von grie- chischer Seite erhielt. Somit mußten wir unsere Blicke nach Osten richten, ob nicht die Erforschung griechischer Stadt- anlagen uns weiter zu führen vermöchte. Dabei konnte weniger das eigentliche Griechenland, das in der Spätzeit immer mehr
160 VII. Antike Städte
verfiel, als das in hellenistischer wie in römischer Zeit viel blühendere Kleinasien in Betracht kommen, wo schon Newton durch seine Untersuchung von Knidos (S. 96) die Fruchtbarkeit einer solchen Arbeit erwiesen hatte.
Den ersten Schritt auf dieser Bahn zu tun fiel wiederum Alexander Conze zu, indem er die Ausgrabung von Pergamon, wenn auch nicht zuerst anregte (das war schon früher durch Gustav Hirschfeld geschehen), so doch sie angriff und ihr die Richtung auf das Ganze gab. Der Residenzstadt der Attaliden hatte schon Texier (S. 89) flüchtige Aufmerksamkeit geschenkt. Dann hatten 1871 Ernst Curtius und Friedrich Adler das was von Altertumsresten zutage lag gemustert und Curtius danach versucht eine — freilich verfehlte — Stadtgeschichte von Per- gamon in großen Zügen zu entwerfen. Ein besonders wertvolles Ergebnis dieser Reise war die Bekanntschaft mit Karl Humann, der seit 1861 als Ingenieur in Kleinasien lebte und seit 1869 eine Zeitlang den Mittelpunkt seiner Tätigkeit in Pergamon hatte. Er war ein trefflicher, ungewöhnlich sympathischer Mann, an den (nach Conzes tiefempfundenem Ausdruck) wer ihn kannte nicht ohne Herzbewegung zurückdenken kann. Völlig eingelebt in Sprachen, Sitten, Anschauungen seiner neuen Heimat, bei Hoch und Niedrig beliebt und angesehen, dabei deutschen Idea- lismus mit praktischem Sinn und zäher Energie verbindend, war Humann vor anderen berufen der archäologischen Forschung die wertvollsten Dienste zu leisten. Seine warme Begeisterung für das Altertum fand in Pergamon frische Nahrung. Hier hatte ja eines der hervorragendsten Herschergeschlechter aus der Nach- folge Alexanders des Großen seinen Sitz aufgeschlagen, von hier aus die landverwüstenden Galater bekämpft und besiegt, das Reich allmählich vergrößert, die Hauptstadt zu einem Mittelpunkte sowohl gelehrter Studien wie der Bildkünste gemacht, von welch 70 letzteren der sterbende Galater im Kapitol und die ludovisische 677 Galatergruppe im Thermenmuseum seit lange glänzendes Zeugnis 678 ablegten. Kein Wunder daß in Humanns regem Geiste der
Pergamon 161
Wunsch entstand hier durch Ausgrabungen alte Herrhchkeit neu erstehen zu sehen; war er doch Zeuge, wie auch hier die Kalk- brenner die kostbarsten Reste des Altertums beständig vernichteten, ein Verfahren, dem er alsbald nicht ohne Erfolg entgegenzutreten unternahm. Aber sein Wunsch, wenn er auch zunächst durch Hirschfelds Bemühung Erfolg zu versprechen schien, fand doch in Berlin, wohin Humann sich gewandt hatte, kein nachhaltiges Echo. Ein paar von der Burg von Pergamon stammende Bruch- stücke einer überlebensgroßen Reliefdarstellung von ungewöhn- lichem Stil, die Humann als appetitreizende Gabe dem Berliner Museum übersandt hatte, waren von der damaligen Verwaltung, der die Neuordnung der Gipsabgüsse, die sogenannte Puppen- wanderung, mehr am Herzen lag, ohne Dank und ohne Be- achtung der Sammlung einverleibt worden. Und doch hatte Brunn kürzlich auf eine späte Nachricht von einem Altar mit großer Gigantomachie in Pergamon als einer Art Weltwunder hingewiesen, und es fehlte nicht an Archäologen, welche in jenen Bruchstücken Überbleibsel dieses Werkes vermuteten. Diese Spur ward aber zunächst nicht weiter verfolgt.
Das sollte erst anders werden, nachdem 1877 Conze von Wien nach Berlin übergesiedelt war und die Leitung der Skulp- turenabteilung des Berliner Museums übernommen hatte. Er be- nutzte einen gegebenen Anlaß um sich zu Humann in Beziehung zu setzen und holte dessen Ansicht über die Ausführbarkeit einer Grabung zur Suche nach dem Gigantenaltar ein. Humann, der jetzt endlich einen Genossen seiner Pläne gefunden hatte, ge- riet in Feuer und Flamme durch die frohe Aussicht gemeinsamer Arbeit. Eine byzantinische Mauer oben auf dem Burgfelsen, aus der die bisherigen Fragmente stammten, schien ihm eine reiche Ausbeute zu versprechen. Fortan arbeiteten beide Männer im engsten Vereine und in warmer Freundschaft, die jeden von ihnen mit dem anderen zu ungetrübtestem Zusammenwirken verband. Die Verhältnisse waren so eigentümlich, daß der damalige General- direktor der preußischen Museen von dem ganzen Plane nichts erfahren durfte. Der damalige Ministerialreferent, spätere General- direktor Richard Schöne half alles ins Werk setzen, und der
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. \\
162 VII. Antike Städte
Kronprinz als Protektor der preußischen Museen gewährte wirk- same Unterstützung, so daß es gelang, ohne daß etwas darüber laut ward, in Konstantinopel den Firman zu erwirken, der die Ausgrabungen gestattete: von der Ausbeute sollten Preußen zwei Drittel, ein Drittel der Pforte zufallen. Die Zeitumstände be- günstigten den erfolgreich stillen Verlauf der Unternehmung. Die Augen der archäologischen Welt waren gerade auf Olympia gerichtet, und das Interesse des großen Publikums war dermaßen durch Heinrich Schliemanns verblüffende trojanische Entdeckungen (Kap. VIII) in Anspruch genommen, daß Pergamon vor Troja ganz verschwand. Geschah es doch, daß ein Seekadett, der im Frühjahr 1879 an der Einschiffung pergamenischer Beute mit- wirkte und darüber nach Hause berichtete, von seinem Vater die Belehrung erhielt, er schreibe irrtümlich von Pergamon und Humann, der Ort heiße Troja und der Mann Schliemann!
Die Burg von Pergamon krönt einen 310 Meter hohen, mit breitem Rücken nach Süden abfallenden Berg. Am 9. Sep- tember 1878 setzte Humann den Spaten an mit den patriotischen und zugleich mit Rücksicht auf seine Zuhörer (die ihn freilich mehr anstaunten als verstanden) orientalisch gefärbten Worten: »Im Namen des Protektors der Königlichen Museen, des glück- lichsten allgeliebten Mannes, des nie besiegten Kriegers, des Erben des schönsten Thrones der Welt, im Namen unseres Kronprinzen möge dies Werk zu Glück und Segen gedeihen!« »Meine Arbeiter«, sagt er in seinem überaus anziehenden Bericht, »haben geglaubt, ich spreche eine Zauberformel, und sie hatten nicht ganz Un- recht« Jene alte byzantinische Burgmauer, mit deren Abbruch begonnen ward, erwies sich gleich der olympischen Jelänger- jeliebermauer (S. 122) als eine Schatzkammer eigener Art. Bald als ganze Platten, bald in Bruchstücken waren große Teile des gewaltigen Frieses mit der Bildseite nach innen darin vermauert Gleich zu Anfang fanden sich bedeutende Platten, der wagen- lenkende Helios und der Apollon, der es an Schönheit mit 685(86 dem belvederischen aufnimmt; bis zum Jahresschluß waren es 39 Platten! »Wir haben eine ganze Kunstepoche gefunden«, jubelte Humann, »das größte aus dem Altertum übriggebliebene
Beginn der Ausgrabung. Der Zeusaltar in Pergamon 163
Werk haben wir unter den Händen.« Um die großen Blöcke nach dem etwa 30 Kilometer entfernten Hafenort Dikeli zu schaffen mußte die Landstraße in Stand gesetzt und in Dikeli eine Landungs- brücke gebaut werden. Im folgenden Jahre 1879 ward dann unter Conzes persönlicher Mitwirkung der Kern des Altarbaues aufgedeckt, und weitere Plattenfunde gingen nebenher. Wir lassen noch einmal Humann berichten.
»Ich hatte Besuch in Pergamon; meine Frau war von Smyma herübergekommen und Herr Dr. Boretius aus Berlin, auf einer Orient- reise Smyma berührend, gleichfalls. Es war am 21. Juli [1879], daß 71,3 ich die Besucher einlud mit zur Burg zu kommen, um die Platten wenden zu sehen, die mit dem Rücken nach außen und mit der be- arbeiteten Seite gegen den Schutt standen. Während wir hinaufstiegen, umkreisten sieben mächtige Adler Glück verheißend die Burg. Die erste Platte fiel um. Es war ein gewaltiger, auf seinen Ringelfüßen stehender Gigant, der uns den muskulösen Rücken zeigt, das Haupt nach links gewandt, eine Löwenhaut auf dem linken Arm — »sie paßt leider an keine bekannte Platte« sagte ich. Die zweite fiel. Ein herr- licher Gott, die volle Brust zeigend, so gewaltig und doch so schön, wie noch keine dagewesen. Um die Schultern hängt ein Gewand, das dann die beiden weit ausschreitenden Beine umflattert. »Auch diese Platte paßt mir an nichts Bekanntes!« Die dritte Platte zeigt einen schmächtigen Giganten, der in die Kniee gestürzt ist; die Linke greift schmerzhaft zur rechten Schulter, der rechte Arm ist wie gelähmt — ehe er ganz von Erde gereinigt ist, fällt die vierte Platte: ein Gigant stürzt rücklings auf den Felsen; der Blitz hat ihm den Oberschenkel durchbohrt — ich fühle deine Nähe, Zeus! Fieberhaft umeilte ich die vier Platten. Hier die drittgefundene paßt an die erstgefundene: der Schlangenringel des großen Giganten geht deutlich in die Platte mit dem ins Knie gesunkenen Giganten über. Der obere Teil dieser Platte, wohinein der Gigant seinen fellumwickelten Arm streckt, fehlt; doch sieht man deutlich, er kämpft über den gestürzten hinweg. Sollte er gegen den großen Gott kämpfen? Wahrlich ja, der linke vom Gewand umwallte Fuß verschwindet hinter dem knienden Giganten. »Drei passen aneinander« rufe ich und bin schon bei der vierten: sie paßt auch — der blitzgetroffene Gigant fällt vom Gott abwärts. Ich zitterte förmlich am ganzen Leibe. Da kommt noch ein Stück — mit den Nägeln kratze ich die Erde ab: Löwenhaut — es ist der Arm des riesigen Giganten — dem gegenüber ein Gewirr von Schuppen und Schlangen — die Ägis! es ist Zeus! Ein Werk, so groß und herrlich wie irgend eins war der Welt wiedergeschenkt, unseren ganzen Arbeiten
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die Krone aufgesetzt, die Athenagruppe hatte ihr schönstes Gegenstück erhalten. Tief ergriffen umstanden wir drei glücklichen Menschen den köstlichen Fund, bis ich mich auf den Zeus niedersetzte und in dicken Freudentränen mir Luft machte.«
In zweijähriger Arbeit waren die Reliefs des Altares geborgen, neben großen Platten und Stücken zahllose Bruchstücke und Splitter. Für Berlin blieb die mühsame und langwierige Arbeit alles Zu- sammengehörige zusammenzufinden und zusammenzusetzen, so- dann die Verteilung auf die vier Seiten vorzunehmen, wobei sich Otto Puchstein ein Hauptverdienst erwarb. Er fand durch metho- dische Forschung sichere Anhaltspunkte dafür, daß die höchsten Olympier die Ostseite, die Tagesgötter die mittägige, die Götter der Nacht, der Gestirne und die Höllenmächte die mitternäch- tige Seite einnahmen, während die Abendseite zumeist der breiten Aufgangstreppe gehörte. Eine Götterwelt von bisher unerhörter Ausdehnung und Mannigfaltigkeit bewegt sich im Kampfe mit den Erdsöhnen, die in verschiedenartigster Körperbildung auf- treten; alles ein einziges Wogen und Rauschen ohne Ende. Ein zweiter kleinerer Fries, der die Abenteuer des pergamenischen Nationalhelden Telephos schildert, fand durch Carl Robert und Hans Schrader, soweit die Zerstörung es erlaubte, seine Ordnung und Erklärung, durch letzteren auch der eigentliche Altarbau bis zu einem gewissen Grade seine Wiederherstellung, während die Gesamtanlage mit der Säulenhalle über dem Gigantenfriese bereits in Pergamon von Richard Bohn im wesentlichen richtig erkannt worden war. Im neuen Pergamon-Museum ward dann der Altar 684 wieder aufgebaut, so daß der Fries mit jeder Einzelheit in gutem Lichte betrachtet werden kann; nur darf man unter der lastenden flachen Glasdecke nicht an die luftige Höhe von Pergamon und die ursprüngliche Lage des »Stuhles des Satanas« (Offenb. 2, 13) denken. Das Berliner Museum hatte mit der Erwerbung der Altarreliefs (die türkische Regierung hatte ihr Drittel käuflich ab- getreten) mit einem Schlage eine Bedeutung erhalten, die wenig- stens seiner Skulpturenabteilung bisher nicht zukam. Die durch Größe, Stil, Darstellungsweise mächtig wirkenden Reliefs wurden, völlig neu wie ihr Eindruck war, von einigen Seiten zuerst etwas
Der Zeusaltar in Pergamon ld65
überschätzt, indem sie bald über die Bildwerke vom Parthenon gestellt, jbald als Inbegriff der ganzen hellenistischen Skulptur angesehen wurden. Beides war übertrieben; wohl aber gab der Gigantenfries zuerst einen Begriff von der hohen Leistungsfähig- keit der hellenistischen Plastik, in der man bisher geneigt gewesen war nur impotente Verfallkunst zu sehen. Dadurch daß sich der Fries bestimmt datieren ließ (unter König Eumenes II., etwa um 180), gewann die Kunstgeschichte eine doppelt wertvolle Be- reicherung. Dies in Formen und Motiven protzende Barock, von dem bisher nur vereinzelte Spuren bekannt waren, erwies sich hier als eine bedeutsame Richtung der hellenistischen, speziell der pergamenischen Kunst, und zwar zu einer Zeit, wo das europäische Griechenland nur noch ärmliche Nachwirkungen seiner klassischen Periode aufzuweisen hatte. Auch die Architekturteile des Altars bewährten einen hohen, auf das Große gerichteten Sinn in der Baukunst jener Zeit.
So weit der pergamenische Altar, um des willen die ganze Unternehmung vom Berliner Museum unternommen worden war. Aber wie einst Saul ausgezogen war um seines Vaters Eselinnen zu suchen und ein Königreich gefunden hatte, so ging es auch hier. Der Altar hatte sich nur als eine Einzelheit in der perga- menischen Hochstadt erwiesen — sollte man darauf verzichten diese vollständig aufzudecken? Hier liegt ein neues großes Ver- dienst Conzes. Indem er diese Erweiterung des ursprünglichen Planes betrieb, ergab sich als Gegenstand der Forschung die Gesamtanlage einer antiken Stadt, zunächst ihres höchstgelegenen Teils. Für die neue Aufgabe, die auch Humann mit voller Energie erfaßte, ward 1880 in Richard Bohn der bereits in Olympia (S. 122) und in Athen (Kap. XI) erprobte leitende Ar- chitekt gewonnen, der sich ganz in Pergamon ansiedelte. Neben ihm waren die Architekten Hermann Stiller und Otto Raschdorff, die Archäologen Karl Schuchhardt, Ernst Fabricius und andere tätig. Das damalige »Deutsche Haus«, im Griechenquartier am Burgabhange gelegen, bot Jahre lang ein fleißiges und fröhliches Leben und Treiben, durch häufigen Besuch von Fachgenossen und Künstlern noch erhöht. An den Schränken des gemeinsamen
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Eßzimmers, die den kleinen Bücherschatz und ein paar feinere Flaschen bargen, erinnerten die Inschriften nutrimentum spirittis (nach Berliner Übersetzung bekanntlich »Spiritus ist ein Nahrungs- mittel«) an Friedrich des Großen Berliner Bibliothek, Utteris et patriae an das eben entstehende neue Universitätsgebäude in Straßburg. Der frische Sinn, der hier herrschte, fand einen hübschen Ausdruck in den von dem Maler Kips künstlerisch umrahmten Versen:
Des Morgens früh ein feiner Fund
und fröhlich Tun in treuem Bund;
bei gutem Wein zur Abendstund
ein lieber Gast in unsrer Rund;
dazu ein Brief mit froher Kund:
das hält hier Leib und Seel gesund.
(Das kleine Fresko wird in dem wieder in griechische Hände übergegangenen Hause wie ein Schatz bewahrt und Fremden gern gezeigt, die dann auch die hier nicht wiedergegebenen Schlußverse beachten mögen.) Wer in jenem bescheidenen Haus einmal diese Mischung von Ernst und Fröhlichkeit mitgemacht hat, behäh die Tage in dankbarem Andenken. Und über allem waltet auch in der Erinnerung der Zauber der Persönlichkeit dessen, der dem Hause vorstand, Karl Humanns.
Die Stadt Pergamon, besonders die Hochstadt, baut sich in 613 Terrassen auf; eine solche Terrasse nahm der Altar ein. Darüber 6i4 erschien nun, schon innerhalb des Burgringes, an dem ansteigenden Burgwege auf der nächsten Terrasse der älteste Athenetempel der Stadt, aus sprödem Trachyt erbaut, aus der frühen Königszeit oder gar noch älter. Auf seinem weiten Hofe fanden sich Reste der Basen für jene ehernen Siegesdenkmäler Attalos I., von denen uns Marmorkopien wie die kapitolinisch -ludovisischen Statuen 677/78 S. 160) eine Vorstellung geben. Attalos Sohn und Nachfolger Eumenes IL, der Schöpfer der Großstadt Pergamon, hatte dann, hellenistischem Brauche folgend, den Hof mit einem stattlichen doppelstöckigen Hallenbau umgeben, in dessen Nordflügel sich 572 die berühmte pergamenische Bibliothek, mit ihren Büchergestellen 602/3 für mehr als 100000 Bände und mit ihrer luftigen Arbeitshalle,
Die Hochstadt von Pergamon. Fortsetzung d. Ausgrabungen 167
erkennen ließ. Jenseits des Burgweges kamen zwei größere Haus- 594 bauten zum Vorschein, nach griechischer Weise je um einen Hof angeordnet. In einfacher, dadurch für die pergamenischen Herrscher charakteristischer Ausstattung stellen sie ohne Zweifel Teile ihres Palastes dar, an den sich eine Reihe weiterer stattlicher Wohn- gebäude noch höher hinauf über die Kuppe des Berges anschloß. Südlich vom Gipfel waren alle älteren hellenistischen Bauten ver- schwunden zugunsten eines großen, auf gewaltigen Unterbauten errichteten Tempels, in dem man zuerst den Tempel der Stadtgöttin Athene, dann den des Augustus erkennen wollte, bis er sich als das von Hadrian erbaute Trajaneum herausstellte. Die Phantasie träumt sich gern in jene Zeit zurück, wo dieser prunkende Kaiserbau sich noch nicht dem Beschauer aufdrängte und die Attaliden von dieser beherrschenden Stelle aus auf ihre Stadt und ihr Reich bis an den Qolf von Eläa hinabblickten; ein dort gefundener marmorner Ruhesitz (Exedra), der jetzt vor dem Pergamonmuseum in Berlin den Unbilden des nordischen Klimas trotzen muß, kann dieser Phantasie zum Anhalte dienen.
Südlich unterhalb .des Altarplatzes ward die Marktterrasse mit ihren Hallen und Läden und mit dem anspruchslosen Dionysos- tempel aufgedeckt; weiter im Westen, unterhalb des Burgabhanges, eine langgestreckte, hochauf gemauerte Terrasse, nach außen einst von einer Halle umsäumt, während gegenüber das Theater sich steil am Berge hinaufzieht und am Ende des langen Ganges der »ionische Tempel«, der architektonisch feinste Bau Pergamons, 584 hochaufgetreppt das Auge fesselte. Hier, wie überhaupt auf der Burg, gliedert sich die ganze Anlage zu künstlerischer Wirkung, ähnlich wie dies schon bei Samothrake sich bemerken ließ (S. 114); besonders aber tritt uns dieser künstlerische Aufbau von den 19 westlichen Höhen jenseits des Flusses Selinus entgegen, denen 614 die Burg gleichsam ihre Schauseite zuwendet: das Theater über seiner langen Terrasse als Mittelpunkt, links darüber der Athene- tempel mit seinem Hallenhof und ganz oben das Trajaneum, rechts der Altarplatz und darunter die Marktterrasse.
Im Jahre 1886 war die Untersuchung der Burg nach neun- jähriger Arbeit beendet. Damit konnte das Werk als abgeschlossen
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gelten. Allein von der Burg herab zog sich eine mächtige Mauer um die Stadt des Eumenes; über ihrem unteren Ende war bereits zu Anfang der ganzen Unternehmung ein Oymnasion teilweise ausgegraben worden. Hier bot sich also noch ein weiter Spiel- raum, wenn es galt die Stadtanlage weiter zu verfolgen. Während das Berliner Museum unter neuer Leitung andere Pläne verfolgte, von denen bald die Rede sein wird, behielt Conze Pergamon fest im Auge. Die Arbeiten an dem großen Werke, das den Ausgrabungen von Pergamon gewidmet ist, machten gelegentliche Ergänzungen der bisherigen Forschung nötig, so die erneute Untersuchung der Hochdruckleitung, die einst die Burg mit]Wasser versorgt hatte. Ihre Auffindung war schon 1886 Friedrich Gräber in energischer Arbeit einiger Wochen gelungen; Karl Schuchhardt erweiterte diesen Nachweis, indem er die Herleitung des Wassers vom Madarasgebirge aufspürte. Aber damit war die Hauptauf- gabe nicht vollständig gelöst. Auf Conzes Antrieb erlangte das Archäologische Institut, dem das Berliner Museum die Unter- suchung abtrat, im Jahre 1898 von der Reichsregierung die Be- willigung einer jährlichen Summe von 15000 Mark. So wird denn seit 1900 alljährlich in Pergamon unter Dörpfelds kundiger Leitung ein paar Monate gegraben: das Haupttor der Stadt, ein unterer Stadtmarkt zu dem oberen, eine Kopie des Hermes Pro- pyläos nach Alkamenes (Kap. XI), ein neues Gymnasion aus römischer Zeit haben bisher diese Bemühungen belohnt. Da- neben sind aus den Mitteln einer 1877 von dem russischen Architekten Sergei Iwänoff dem Archäologischen Institute ver- machten Stiftung in den Jahren 1905/6 die Grabhügel in Angriff genommen worden, die unterhalb der Stadt in der Ebene belegen zu den charakteristischen Zügen der Landschaft gehören. Der größte harrt noch weiterer Grabung, zwei kleinere wurden im Oktober 1906 geöffnet: ein Fest für die in Scharen zusammen- strömende Bevölkerung. In jedem Hügel fand sich ein Trachyt- sarkophag mit zu Staub zerfallenem Leichnam, im ersten mit ge- ringen Beigaben.
»Als am zweiten Tage (so schreibt ein Augenzeuge) der Deckel des Sarkophags gehoben ward, ging ein ,Ah!' durch die Versammlung:
Sicherung der Funde 169
ein Goldkranz leuchtete aus dem Innern hervor! Der Tote war sichtlich ein kriegerischer JVlann, große Figur, Schwert, Sporen. Der Ooldkranz zeigte Eichenlaub mit Eicheln, sehr voll; da wo beide Zweige sich mit den Spitzen treffen, eine kleine feine nackte Nike mit einem Kränzchen in der einen Hand. Ein kapitales Stück, über 400 Gramm schwer! Aber wichtiger als die Einzelheit ist die Gesamtheit der Bestattung eines ansehnlichen Mannes der Königszeit. Eigentlich schämte ich mich, als die Menge um den Sarg hockte und wir die Ruhe störten einem von denen, die hier Geschichte gemacht haben. Ein häßliches Gewerbe die Wissenschaft!«
Aber noch Eines blieb zu tun übrig. Bei älteren Aus- grabungen ward mit der Vollendung der Grabetätigkeit die auf- gedeckte oder aufgewühlte Trümmerstätte in dem Zustande be- lassen, in den sie durch die Ausgrabung versetzt worden war. Wo es nur auf transportable Beute von Skulpturen oder In- schriften ankam, war dieses Verfahren natürlich; wo es aber galt ein Ganzes dem Boden wieder abzugewinnen, da mußte sich die Pflicht für die Erhaltung des Gewonnenen aufdrängen. In Griechenland, wo in früheren Zeiten die Invaliden den Schutz der Denkmäler in mehr als läßlicher Weise betrieben hatten, durfte man nunmehr diese Sorge der wohlgeordneten und einsichtig geleiteten Verwaltung der Altertümer überlassen, wie denn bei- spielsweise in Olympia alsbald nach Vollendung der Ausgrabungen eine griechische Aufsicht bestellt worden ist; ebenso steht es in Delphi und an anderen Punkten. Übler ist es selbstverständlich damit, trotz der eifrigen Bemühungen Hamdi Beys, des Leiters der Museen und Ausgrabungen in Konstantinopel, in den weiten Strecken der Türkei bestellt, desto übler, je abgelegener die Aus- grabungsstätten sind. Marmor eignet sich so gut zum Kalk- brennen, behauene Steine zum Häuserbau; ja sogar das Blei, das zur Befestigung der Metallklammern in den Mauern gedient hat, reizt zur Zerstörung [der Mauern. In Samothrake fand Conze schon nach zwei Jahren vieles von dem früher Aufgedeckten zer- stört und verschleppt; der Tempel des Zeus Sosipolis in Mag- nesia (S. 174) ward alsbald nach Beendigung der Ausgrabungen vernichtet; im Athenetempel von Priene (S. 175) bearbeiteten zuerst Steinmetzen die neuaufgedeckten kostbaren Architekturteile
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zu Stufen, und als dann ein Engländer zufällig unter der bereits halbzerstörten Basis des Standbildes der Göttin ein paar Silber- münzen nebst einem goldenen Ölblatte fand, die dort bei der Grundsteinlegung niedergelegt worden waren, da kannte der Van- dalismus der goldsuchenden Nachbarn keine Grenze, bis kein Stein mehr auf dem anderen lag. Ein ähnliches Schicksal be- droht oft Inschriftblöcke; die Barbaren erblicken in den Buch- staben Zauberformeln, mittels^ deren Kenntnis die Europäer] die im Stein verborgenen Schätze zu heben verständen, während sie selbst, solcher Zaubermacht entbehrend, die Steine zerschlagen um so den Schatz zu finden. Hier gilt] es also verdoppelten Schutz zu sichern. Aber die hie und da von den türkischen Lokalbehörden angestellten Schutzmänner genügen nicht; wurden sie doch beispielsweise in Priene selbst dabei betroffen die mar- mornen Wände der Markthallen auseinander zu reißen, weil ihnen das Blei zum Kugelgießen für ihre Flinten ausgegangen war! So hat denn in Pergamon Preußen eigene Wächter angestellt und hält sie auf seine Kosten in eigens erbautem Hause; ähnlich ist es in Priene und anderswo. Es gilt nur noch die Mittel auf- zubringen um| diese Einrichtung dauernd zu machen. Das Bei- spiel sollte überall nachgeahmt werden, wo es gilt die dem Boden abgewonnenen baulichen Urkunden staatlicher und künstlerischer Geschichte auch den folgenden Geschlechtern lesbar und kon- trollierbar zu erhalten.
Pergamon liegt inmitten des nördlichen Abschnittes der kleinasiatischen Küste, der einst von äolischen Griechen besiedelt worden war. Dies Gebiet ward auch sonst noch durchforscht. So veranlaßte der mehrstöckige für Magazine und Läden einge- richtete Unterbau der pergamenischen Theaterterrasse Bohn 1886 zu gründlicherer Erforschung der 1881 von^ Salomon Reinach aufgefundenen und zwei Jahre später von Michel Clerc unter- suchten äolischen Landstadt Ägä (Nimrud Kalessi), wo ein gleich- 6oi artiger Bau der abfallenden Seite des Marktplatzes als Stütze und Abschluß diente. Daß damit ein beliebtes bauliches Motiv der
Die Äolis: Ägä, Assos, Neandreia 171
hellenistischen Periode gewonnen war, bewies weiter ein von Ernst Fabricius hierher bezogenes Gebäude von gleicher Anlage in der karischen Stadt Alinda. Der gleiche Zug fehlt denn auch nicht dem Stadtbilde der äolischen, an der Südküste der Troas hoch gelegenen Stadt Assos, das aufj Kosten des amerikanischen Archaeological Institute 1881/83 von den Architekten Joseph Thacher Clarke, Francis H. Bacon und Robert Koldewey ermittelt ward. Außer dem alten Tempel (S. 89) war die Aufmerksamkeit besonders auf die Anlage der Stadt gerichtet, die in schmalen Terrassen an dem steil ansteigenden Felsen emporgebaut ist; »geh nach Assos, wenn du dein Leben schneller lassen willst« lautete ein altes Sprichwort. Besonders der Markt, mit dem ein- stöckigen einfachen Rathause, den ein- und zweistöckigen, ein- und zweischiffigen Hallen, einem Tempel und Bädern, dazu ein Gymnasion boten ein lebendiges Bild einer solchen Anlage in einer hellenistischen Stadt, das freilich erst nach zwanzig Jahren in einer stattlichen Publikation dem Publikum vorgelegt zu werden begann.
Noch ein paar andere Untersuchungen auf äolischem Ge- biete mögen, wenn auch nicht gerade alle Stadtanlagen galten, hier Erwähnung finden. Der Architekt Robert Koldewey unter- suchte 1889 auf Kosten Berliner Kunstgönner nördlich von Assos das hochgelegene altertümliche Städtchen Neandreia, von dem aus der Blick über die ganze Troas und die Beschika-Bai schweift. Das Merkwürdigste waren die Überbleibsel eines sehr alten Tem- 272 pels von zweischiff iger Anlage: eine damals noch recht unge- wöhnliche, seitdem öfters beobachtete Erscheinung. Die Säulen boten eine Kapitellform dar, die kurz zuvor auch von Clarke und anderen beobachtet worden war und die auf äolische Gebiete beschränkt zu sein scheint: die beim ionischen Kapitell wagerecht 272b gelagerten Voluten entwickeln sich hier, wie bei ionischen Pilaster- 239 kapitellen, aufrecht. Ein von Koldewey unmittelbar damit ver- 10 bundenes Stück von künstlicherer Bildung, an spätere persische 272a Kapitelle erinnernd, scheint vielmehr als selbständiges Kapitell zu anderen Säulen gehört zu haben. Koldewey bereiste ferner 1885/86 im Auftrage des Deutschen Archäologischen Instituts
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die Insel Lesbos, den einstigen Hauptsitz äolischen Lebens. Von den Bauwerken älterer Zeit lagen nur vereinzelte Reste, besonders Stadtmauern, zutage, dagegen deckte Koldewey bei Messa, am Golfe von Kallöne, die Überbleibsel eines großen ionischen Tempels auf: ein um so wertvollerer Fund, als der Tempel an- 242 scheinend der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts angehört und daher die erhaltenen ionischen Tempel Kleinasiens an Alter über- trifft. Einen anderen großen ionischen Tempel, das Smintheion, hatte schon 1853 Kapitän T. A. B. Spratt (S. 92) an der Küste der Troas entdeckt. Er ward 1866 von R. P. Pullan (S. 96) untersucht, doch blieb vieles unklar. Scheint auch der Bau ur- sprünglich in das 4. Jahrhundert zu gehören, wo Skopas die Tempelstatue des der Feldmaus (Sminthos) auflauernden ApoUon 496 schuf, so hat doch allem Anschein nach ein ziemlich umfassender Umbau in römischer Zeit stattgefunden. So lange diese Verhält- nisse nicht völlig geklärt sind, ist die Verwendbarkeit des Tem- pels mit seinen mancherlei Besonderheiten für kunstgeschichtliche Fragen sehr geschmälert.
Ein anderes Unternehmen an der äolischen Küste ging von der Französischen Schule aus. In den Jahren 1880/82 führten Edmond Pottier, Salomon Reinach und Alphonse Veyries Aus- grabungen in der Nekropolis der kleinen Seestadt Myrina aus, deren Gebiet ihnen von dem Besitzer Aristides Baltazzi zur Ver- fügung gestellt worden war. Die hauptsächliche Ausbeute be- stand in einer Unmasse von Tonfiguren aus hellenistischer Zeit Im Vergleich mit denen von Tanagra (s. u. Kap. IX) stellen sie den loseren, koketteren, malerischeren Stil der Spätzeit, und zwar in charakteristisch kleinasiatischer Ausprägung dar. Motive der praxitelischen Zeit erscheinen in diesem modernen Sinne um- gewandelt und eine Menge neuer Motive hinzugefügt, so daß wir die Erfindungsgabe und den Geist der gewöhnlichen Plastik im helle- nistischen Kleinasien fast besser nach diesen Figuren und Gruppen würdigen können, als nach den meisten der uns erhaltenen größeren Skulpturen. Die Ausstellung dieser Funde im Louvre und das von den Leitern der Ausgrabungen herausgegebene Werk geben dafür die authentischen Belege. Leider nahm sich
Die Äolis: Lesbos, Myrina. Magnesia am Mäandros 173
das in Smyrna wie in Athen blühende Fälscherhandwerk dieser neuen Erscheinung mit Vorliebe an, und falsche, teilweise mit Geist und Geschick verfertigte »kleinasiatische Terrakotten« über- schwemmten bald die Kabinette vertrauensseliger Liebhaber.
Auf dem Gebiete der Städteforschung, der das Berliner Mu- seum seine pergamenischen Schätze verdankte, wurden von hier aus, nachdem Reinhard Kekule 1889 an Conzes Stelle getreten war, neue Pläne ins Werk gesetzt. Es galt den südlichsten Streifen ionischen Landes, das Gebiet des vielgewundenen Mäandros, das schon mehrfach das Ziel von Ausgrabungen gewesen war, mit seinen bedeutenden Städten Magnesia, Priene, Milet genauer zu erforschen. Humann hatte dies Gebiet längst ins Auge ge- faßt; er liebte es schwärmerisch, und setzte sich jetzt ganz dafür ein hier gründlich nachzusuchen. Der Anfang ward mit der Stadt der Magneten gemacht
Magnesia am Mändros ist kunstgeschichtlich besonders berühmt durch den großen Tempel der Artemis vom »Weißen Berge« (Leukophrys), den' gegen Ende des dritten Jahrhunderts Hermogenes, der bedeutendste Architekt nicht bloß Kleinasiens in dieser Spätzeit, erbaut hatte und der als vielbewunderter Muster- bau galt. Von seinem Friese mit Amazonenkämpfen befanden sich seit 1843 durch Charles Texiers Vermittelung beinahe 70 Meter im Louvre. Da man damals geneigt war Hermogenes in Alexanders Zeit anzusetzen, war die Enttäuschung gegenüber diesem eintönigen Werke, das handwerksmäßig gearbeitet war und mit althergebrachten Motiven schaltete, groß. Als aber 1874 Gustav Hirschfeld in Teos Friesplatten ähnlichen Stils von einem anderen Tempel des Hermogenes studierte (sie waren 1862 von Pullan [S. 98] aufgedeckt und zum Teil ins Britische Museum verbracht worden), mußte man sich wohl oder übel drein finden Hermogenes Zeit später anzusetzen und wenigstens den plastischen Schmuck seiner Tempel geringer zu bewerten. Immerhin blieb es erwünscht Hermogenes als Architekten kennen zu lernen, und auch sonst versprach eine Untersuchung Magnesias allerlei
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Belehrung. Eine Erkundung durch Olivier Rayet und Albert Thomas, 1873, förderte das Problem nicht wesentlich. So machten denn 1890 Friedrich Hiller von Gärtringen und Otto Kern im Auftrage des Deutschen Archäologischen Instituts einen Versuch; jener grub auch auf eigene Kosten das Theater aus. Da die Ergebnisse befriedigend waren, ward in den folgenden Jahren 1891/93 vom Berliner Museum eine Expedition entsandt, be- stehend aus dem inzwischen zum Museumsdirektor im Ausland ernannten Karl Humann, dem Architekten Rudolf Heyne und dem Philologen Otto Kern, dem vor allem die reiche inschrift- liche Ausbeute anheimfiel.
Der Tempelbezirk des Artemision und der Markt mit dem kleinen Tempel des Zeus Sosipolis (einem seltsamen Bau, vorne 580 mit offener Säulenhalle, hinten mit Antenhalle) bildeten den Haupt- gegenstand der durch das starke Grundwasser sehr erschwerten Untersuchung, wobei sich der Marktplatz, von doppelschiffigen Hallen (einer Lieblingsform der hellenistischen Zeit) umgeben, als ein schier unerschöpfliches Archiv von Inschriftblöcken erwies, die die Wände jener Hallen bedeckt hatten. Von hohem Werte war die Erkenntnis, daß die ganze Anlage aus einem Guß war, also ganz von Hermogenes herrührte, ein Werk der letzten beiden Jahrzehnte des dritten Jahrhunderts. Da Hermogenes, eine Haupt- quelle Vitruvs, bald auch für die römische Baukunst maßgebend ward, war es von großer Wichtigkeit ein größeres Bauganzes von ihm kennen zu lernen. In der Tat zeigt der Artemistempel einen ssi ungewöhnlichen Grundplan: eine kleine Cella und desto tieferen Pronaos; Schranken mit einer Tür vor dem Pronaos und dem Opisthodom, wie sie gleichzeitig in den ägyptischen Hypostylen 649 der Ptolemäer üblich werden; dazu eine achtsäulige Front mit weiterem mittlerem Interkolumnium, letzteres eine fortan beliebte Neuerung. Als Neuerung kann nicht unbedingt die Anlage des Tempels als Pseudodipteros, mit einer weiten, einst holzgedeckten Ringhalle, gelten, da schon alte großgriechische Tempel diese 250.253 Form kannten und auch der Tempel von Messa (S. 172) sie auf- 242 wies, aber sie ward fortan gebräuchlicher. Die kolossalen Säulen selbst sind sehr schlank, mit verhältnismäßig kleinem Kapitell (das
Magnesia, Artemistempel. Priene, Athenetempel. 175
Zusammenschrumpfen dieses bedeutsamen Bauteils begegnet noch stärker im gleichzeitigen Dorismus), das Ganze mehr wirkungsvoll als fein, zum bloß dekorativen Friese stimmend. Eine geschmack- lose Neuerung bieten drei türenartige Fenster im Giebelfelde; wo ein plastischer Giebelschmuck fehlte, schien wohl die große Fläche des Giebelfeldes einer anderweitigen Unterbrechung be- dürftig. Alles in allem genommen, ist durch diese Ausgrabung das Bild des durch Hermogenes vertretenen kleinasiatischen lonismus der hellenistischen Periode bedeutend lebendiger ge- worden; zusammen mit anderen kleinasiatischen Bauresten tritt es uns im stattlichen Architektursaale des Berliner Pergamon- Museums deutlich entgegen. Nicht unbedeutend sind auch die Skulpturreste des großen Altars von Magnesia, besonders insofern sie uns die Plastik des südlichen Kleinasiens als erheblich von der pergamenischen Richtung auf das Barocke abweichend kennen lehren; sie ist ruhiger, aber freilich auch weniger eindrucksvoll. Insofern die Faltenbildung und gewisse technische Besonderheiten diesen Skulpturen mit der Aphrodite von Melos gemeinsam sind, 689 können sie mit dazu dienen die vielbestrittene Entstehungszeit dieser Statue festzustellen (vgl. S. 47 f.).
Von Magnesia richteten sich Humanns und Kekules Gedanken weiter südwestwärts nach Priene, der Stadt, in deren Gebiet einst das gemeinsame Heiligtum der zwölf ionischen Städte Klein- asiens gelegen hatte. Die Aufgabe ward 1895 noch von Humann begonnen, der aber schon im nächsten Frühjahr einem langen, tapfer bekämpften Leiden erlag. An seine Stelle traten Theodor Wiegand und Hans Schrader, neben denen Rudolf Heyne und Wilhelm Wilberg als Architekten wirkten. So ward das Unter- nehmen bis 1899 fortgeführt. Auch hier handelte es sich nicht ganz um jungfräulichen Boden. Schon seit Revetts Aufnahme (S. 10) gehörte der Athenetempel, einst von Alexander dem Großen geweiht, zum festen Besitze der Wissenschaft und galt in den Lehrbüchern für den ionischen Normaltempel. Aber erst 1866 hatte ihn Pullan wirklich bloßgelegt und dabei wertvolle neue Resultate gewonnen (S. 98). Ehe er jedoch diese 1881 veröffentlicht hatte, machte sich der Architekt Albert Thomas,
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der zusammen mit Olivier Rayet 1873 auf Kosten der Gebrüder Gustave und Edmond de Rothschild in Milet und Umgebung Ausgrabungen veranstaltete (S. 178), die Ausgrabung Pullans zunutze und publizierte deren Ergebnisse 1880 in einem un- vollendet gebliebenen Werke über Milet und den latmischen Golf. Und doch ward erst durch Schrader und seine Ge- nossen festgestellt, daß dieser Tempel, den man so genau zu 18 kennen glaubte, keinen Fries gehabt hat und sich dadurch von 230 dem normalen ionischen Stil entfernt. Im Architektursaale des Pergamon-Museums in Berlin kann man die Ordnung des Priene- tempels mit der des Tempels von Magnesia vergleichen und sich überzeugen, wie weit jene an Güte der Arbeit und an Feinheit der Umrisse dieser überlegen ist.
Viel mehr neue Ergebnisse als die Nachuntersuchung am Tempel lieferte die Aufdeckung der Stadt Priene. Die Lage Prienes ist höchst eigentümlich; sie gleicht insofern der von Delphi, als auch hier der Felsboden, auf dem die Stadt erbaut worden ist, ziemlich rasch ansteigt und von einem 371 Meter hohen, schroff abstürzenden Burgfelsen, zu dem nur ein schwin- delnder Stufenpfad hinaufführt, unmittelbar überragt wird. Das Terrain eignet sich, wie in Delphi und Knidos, nur zu terrassen- förmiger Bebauung. Und doch hat man in Priene wie in Knidos im 4. Jahrhundert die Stadt nach dem strengen Schema recht- 527 winkliger Straßenkreuzung angelegt: die sechs langen genau west- östlichen Straßen verlaufen mit geringer Steigung gegen die Mitte ziemHch eben, die 16 nordsüdlichen dagegen sind steil oder geradezu als Treppen gestaltet. Starke Stützmauern dienen den 528 Terrassen als Halt; während aber früher eine Mauer möglichst als geglättete Einheit erscheinen sollte, ward jetzt jede Quader, entsprechend der Weise des Inkrustationsstiles (S. 157), durch die Behandlung gesondert. Auf einer höheren Terrasse Hegt der Tempel der Athene Polias. Eine steile Treppe führt von ihm hinab zum Markt, genau dem Mittelpunkte der Stadt. An die 527 Hauptstraße sich anschließend, mit einem Altar in der Mitte, ist er auf drei Seiten von Säulenhallen mit Läden dahinter umgeben; eine auf der ansteigenden Nordseite gelegene höhere Wandelbahn
Aufdeckung der Stadt Priene. Privathäuser in Priene 177
vermittelt den Zugang zu einer großen zweischiff igen »Heiligen Halle«, die als Festlokal diente, und zu allerlei städtischen Ge- bäuden, z. B. einem theaterartigen Sitzungssaale und zu Geschäfts- räumen. Die Wandelbahn erlaubte den Spaziergängern den Blick auf das Marktgetriebe zu ihren Füßen. Nirgends war bisher das Bild eines Stadtmarktes so klar zutage getreten. Ein Fisch- und Fleischmarkt lag ein wenig abseits an der Hauptstraße. Ein Asklepiostempel in der Nähe und einige andere Heiligtümer, hie und da durch die Stadt zerstreut, können durch ihre Anlage zeigen, wie auch auf diesem Gebiete nichts weniger als Ein- 21 förmigkeit herrschte. Dazu in der Höhe das Theater mit einem besonders gut erhaltenen Bühnengebäude, ein sehr lehrreicher Bau; weiter unten ein Stadion und ein Gymnasion; endlich der wohlerhaltene Mauerkranz der Stadt mit seinen drei Toren, dem Osttor und dem Westtor, und einem dritten, das zu einer reichen Quelle vor der Stadt führte. Innerhalb der Stadt sorgte eine vortreffliche Wasserleitung für öffentliche Brunnen, für Straßen- spülung, für die Bedürfnisse der Privathäuser.
Neben dem Athenetempel, dem Markte und der Gesamt- anlage, die noch in keiner antiken Stadt so deutlich aufgedeckt worden war, fesselten vor allem die vielen Privathäuser, die wohl zumeist dem dritten und zweiten Jahrhundert angehören mögen. Während in Pompeji das italische Haus mit griechischen Zu- 759 Sätzen vorherrscht (S. 155), in Delos meist kleinere griechische 591 Häuser neben solchen von italischer Grundform auftreten (S. 120), bietet Priene das reine hellenistische Haus in zahlreichen Bei- 78i spielen. Es fehlt nicht an Normalhäusern, die den Regeln Vitruvs für das griechische Haus entsprechen. Da erscheint als Kern 590 noch der Hauptteil des homerischen Hauses (s. u. Kap. VIII): ein gepflasterter Hof, von dem eine nach Süden geöffnete Vor- halle in das Hauptgemach führt; um den Hof Schlaf- und Wohn- räume, auch wohl eine auf den Hof sich öffnende tiefe Nische (Exedra); auch das Badezimmer fehlt nicht. Aber neben dem Normalhause treten so viele Variationen des Grundgedankens, eines offenen Hofes {pätiö) mit umgebenden Räumen, auf, daß eine reiche Mannigfaltigkeit, je nach Raum, Mitteln, Bedürfnissen,
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 12
178 VII. Antike Städte
auch auf dem Gebiete des Privatbaues zutage tritt. Auch für die innere Ausstattung der Häuser haben sich manche Belege erhalten. Die Wände bieten Beispiele der in Stuck nachgeahmten Inkrustation (S. 157); eine Besonderheit bildet die Menge von Tonfiguren, die zum Schmuck der Zimmer dienten, bald Aphro- dite und Dionysos, bald Szenen und Figuren aus dem täglichen Leben. Ton und Eisen vertraten in der bescheidenen Landstadt von etwa 5000 Einwohnern meistens die in reicheren Städten übliche Bronze, jedoch fehlt es auch nicht ganz an ehernem Gerät; so sticht z. B. ein ehernes Bettgestell (jetzt im Berliner Museum), durch seine geschmackvolle Einfachheit bei gleicher Grundform vorteilhaft von einem reicher durchgebildeten Exemplar aus der Umgegend Pompejis (ebenda) ab. Alles in allem ge- nommen gehört die Aufdeckung Prienes zu den verdienstvollsten Beiträgen, die unsere Kenntnis hellenistischer Stadtanlagen neuer- dings erhalten hat
Kaum war Priene für die Wissenschaft gewonnen, so ver- legten die Leiter des Berliner Museums ihre Tätigkeit nach dem gegenüber, jenseits des Mäandros, gelegenen Milet. Die be- ständigen Anschwemmungen des Flusses haben das ganze Terrain völlig verändert Der latmische Meerbusen ist zu einem Binnensee zusammengeschrumpft, die Halbinsel Milets mit der vorgelagerten Schicksalsinsel Lade ist ein binnenländischer Teil des sich weit- hin erstreckenden, häufigen Überschwemmungen ausgesetzten Marschgebietes geworden. Somit sind hier Ausgrabungen mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden. Das hatte sich auch 1872/73 gezeigt, als Olivier Rayet und Albert Thomas sich diesen Plate für ihre Forschungen ausersahen (S. 175 f.); das Theater, an einem festen Hügel gelegen, und ein Teil einer Gräberstraße, die ein altertümliches Sitzbild lieferte, waren die Hauptergebnisse ge- wesen. Hier griff 1899 Theodor Wiegand die Aufgabe mit einer Energie und Gewandtheit an, die ihm wohl den ersten Platz unter den Ausgräbern neuester Zeit sichert Die Architekten Hubert Knackfuß, Georg Kawerau, Julius Hülsen, ferner die Epi- graphiker C. Fredrich, W. Kolbe, A. Rehm, Er. Ziebarth, der Archäologe A. von Salis standen oder stehen ihm hilfreich zur
Milet 179
Seite. Zum Teil durch die Liberalität Georg von Siemens und • anderer Berliner Kunstfreunde gelang es Wiegand, einen erheb- lichen Teil des milesischen Stadtgebietes zu erwerben und die Bloßlegung der alten Stadt Jahr für Jahr methodisch zu fördern- Am niedrigen Burgberg ward das gewaltige Theater weiter auf- gedeckt, ein großartiger römischer Bau auf älterer Grundlage, in dem die »kaisertreuen Juden« ihre festen Plätze in der Nähe der Kaiserloge besaßen. Römisch ist auch das zweistöckige Nym- phäum, eine mit Nischen, Säulen, bunten Marmoren, Statuen reich ausgestattete Prunkwand einer Brunnenanlage, wie sie namentlich in Kleinasien häufig vorkommen. Römisch ist ferner ein großes Markttor, das den Hafenmarkt mit einem anderen kolossalen hallenumgebenen Platze verbindet und dessen barocke Architektur durch teilweisen Wiederaufbau eindrucksvoll gemacht worden ist; desgleichen eine gewaltige Thermenanlage. In hellenistische Zeit führt dagegen die Anlage des Hafenmarktes. Der Hafen selbst, an dessen Eingang ein paar marmorne Löwen Wacht hielten, ist ganzlich zugeschlämmt, aber auf dem Markte stehen noch die interessanten Überreste des Rathauses, dessen 607 Anlage sich danach von Knackfuß völlig hat wiederherstellen lassen. Innerhalb eines ummauerten und von Säulenhallen um- gebenen Hofes mit stattlichem Eingangstor befand sich ein großer Grabbau, einem verdienten Bürger errichtet, und dahinter der Sitzungssaal für einen Rat von etwa 500 Personen, wiederum, wie in Priene, in Theaterform angeordnet. Auch der benachbarte Tempel des Apollon Delphinios, dessen Hallenwände und Mar- morplatten ein großes städtisches Archiv bargen, gehört dem hellenistischen Milet an. Noch viel wichtiger würde natürlich das alte Milet sein, das im ionischen Aufstande zerstört ward, der glänzendste Mittelpunkt ionischen Handels und ionischen Lebens. Ein paar Reste altionischer Bauweise sind neuerdings zutage getreten, im Delphinion und im Athenetempel. Ob aber von dem älteren Milet viel mehr als etwa Gräberstätten aufzufinden sein werden, dürfte zweifelhaft sein; doch lassen auch diese wenigstens eine reichere Ausbeute archaischer Skulpturen erhoffen. Dergleichen Überbleibsel sind besonders in einer spätantiken
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Festungsmauer zum Vorschein gekommen, die hier wie in Olympia (S. 122) und Pergamon (S. 162) den Schutz der einst in barbarischer Weise hineingemauerten Skulpturen, Architektur- stücke, Inschriftblöcke bis auf unsere Zeit durchgeführt hat.
Am Südende der dreieckigen Halbinsel, die das Gebiet von Milet bildete, lag in dem Flecken Didyma oder Branchidä das Heiligtum des Apollon Philesios, das sogenannte Didymäon, das Herodot neben dem Artemistempel in Ephesos und dem Heräon auf Samos zu den größten Tempeln seiner Zeit zählt. Schon Revett (S. 10) hatte ihm 1765 bei zweitägigem Aufenthalte seine Aufmerksamkeit geschenkt und einige Einzelheiten aufge- nommen, aber einen verläßlichen Plan nicht mitteilen können. Dieses versuchten 1812 im Auftrage der Dilettanti (S. 31) Will. Gell und die Architekten J. P. Gandy und F. Bedford, mit etwas besserem Erfolge. Während sodann Texier (1836) in seiner flüchtigen Weise die Frage kaum viel gefördert hatte, begnügte sich Newton 1858 die Sitzbilder von der »heiligen Straße«, die vom Hafen Panormos zum Tempel führte, nach London zu ver- bringen (S. 97). Erst Rayet und Thomas (S. 162) legten 1872/73 ernsthaft Hand an die Aufdeckung des Tempels und konnten 18 seinen Plan genauer feststellen. Der Hauptraum war danach 529 wegen der ungeheuren Größe des Tempels (drei noch aufrecht stehende Säulen von etwa 20 Meter Höhe machen diese dem Besucher unmittelbar anschaulich) keine bedeckte Cella, sondern ein offener, von Mauern und Pilastern umschlossener, etwas ver- tiefter Hof, in dem die Statue des Gottes von der Hand des alten Kanachos ihren Platz in einem besonderen Kapellchen ge- funden haben wird. Hier befand sich einst auch der Ölbaum, unter dem Zeus der Leto beigewohnt haben sollte, und eine heilige Quelle. Leider war eine Bloßlegung des benachbarten Mittelraumes, des Chresmographion (Orakelschreibstube), unmög- lich, weil darüber 'auf einem kleinen Schutthügel eine Mühle mit Nebengebäuden stand, die der Besitzer sich weigerte zu veräußern. Die von Rayet nicht beendigte Untersuchung nahmen 1895/96 Rayets Freund Bernard Haussoullier und der Architekt Emanuel Pontremoli wieder auf, aber auch ihnen gelang es nur teilweise
Das Didymäon. Samos 181
jene Hindernisse hinwegzuräumen. Sie konnten aber wenigstens die Frontseite des zehnsäuligen Tempels mit dem eigentümlich 530 gestalteten Tempelaufgang und mit den mehr reich als geschmack- voll verzierten Basen der großen ionischen Säulen bloßlegen. Leider ergab sich, daß der Tempel in seiner noch jetzt wieder- zugewinnenden Gestalt ein später, von der Zeit Alexanders des Großen über eine sehr lange Bauzeit bis in die römische Epoche sich erstreckender Bau ist. Nichtsdestoweniger ist es bei der Größe des Tempels (49^/^X108^5, Meter) und bei den vielen Besonderheiten seiner Anlage mit Freuden zu begrüßen, daß es endlich 1905 Wiegands Energie gelungen ist nicht bloß die Mühle, sondern auch ein erhebliches Terrain rings um den Tempel zu erwerben. Wie in Delphi (S. 143) hat auch hier das ganze kleine Dorf Hieronda aufgekauft und abgebrochen werden müssen; damit ist aber auch die Möglichkeit gewonnen worden die Auf- deckung auf breiter Basis vorzunehmen. So steht zu hoffen, daß in Verbindung mit dem Fortgange der Ausgrabungen in Milet selbst auch das Didymäon endlich einer umfassenden und gründ- lichen Aufklärung teilhaftig werden wird.
Von Milet schweift der Blick am Kap Mykale vorbei nach der Insel Samos, einer anderen Hauptstätte ionischen Lebens, als deren drei Wunderwerke uns Herodot die Hafenanlagen, den Tunnel durch den Stadtberg und den Heratempel bezeichnet. Von dem großen Molo am Hafen sind noch die Grundmauern unter dem Wasser erkennbar. Trefflich erhalten, aber noch nicht genau erforscht sind die großartigen Stadtmauern, die auf dem Kamme des die Stadt landeinwärts begrenzenden Bergrückens sich hinziehen. Durch diesen Bergrücken ward, vermutlich im 6. Jahr- hundert unter dem Tyrannen Polykrates, ein Tunnel gebrochen, um das Quellwasser von jenseits des Berges in die Stadt zu leiten. Im Jahre 1882 ward der Tunnel unter Leitung zweier samischer Äbte in einer Länge von mehr als 1000 Metern wieder freigelegt. Seine Anlage entsprach im wesentlichen der Be- schreibung Herodots, bot aber noch die weitere Eigentümlichkeit, daß die Durchbohrung seinerzeit (ebenso wie schon früher in Jerusalem unter König Hiskia) von beiden Seiten zugleich in
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Angriff genommen worden war. Die beiden Tunnelhälften sind freilich nicht genau zusammengetroffen, aber in Ermangelung von Kompaß und Theodolit ist es immerhin eine anerkennenswerte Leistung, wenn der Richtungsfehler seitlich und in der Höhe so gering ausgefallen ist, daß er sich durch eine leichte Knickung in der Mitte hat ausgleichen lassen.
Minder gut ist es dem Heräon ergangen, obwohl die Kenntnis dieses bis in das 7. Jahrhundert zurückreichenden Tempels, an den sich die Namen der alten Baumeister Rhökos und Theodoros knüpfen, für die älteste Geschichte des ionischen Baustils von größter Wichtigkeit sein würde. Eine unkannelierte Säule und
10 der mächtige Eierstab ihres Kapitells waren schon seit den Tagen 268/69 Revetts bekannt. Im Jahre 1879 machte Paul Girard, dem die Erwerbung der hochaltertümlichen, von Cheramyes geweihten
33 samischen Herastatue für den Louvre gelang, einen freilich ver- 295 fehlten Versuch in zweimonatiger Arbeit den Plan des Tempels aufzuklären und ihm sieben Säulen in der Front zuzuweisen; die Wiederaufnahme der Arbeit durch Michel Giere (1883) führte nicht viel weiter. Und doch hatte Karl Humann schon 1862 durch eine Schürfung (sein erstes Unternehmen auf diesem Forschungsgebiete) nachgewiesen, daß der Tempel achtsäulig war, und zwar mit verschiedenen Säulenabständen, die nach beiden Ecken gleichmäßig abnahmen. Weiteren Untersuchungen des Tempels stellten sich lange die Schwierigkeiten entgegen, die von der Regierung der bekanntlich Süzeränen Insel fremden Wünschen bereitet wurden. Erst 1902 gelang es endlich der athenischen Archäologischen Gesellschaft dieser Schwierigkeiten Herr zu werden und unter der Leitung des samischen Archäologen Themistokles Sophüles den Tempel aufzudecken. Es liegt wohl nicht allein an den durch die Größe der Werkstücke und durch das Klima bereiteten Schwierigkeiten, sondern vor allem an dem Mangel eines sachkundigen und geübten Architekten, wenn diese Ausgrabung hinter den gehegten Erwartungen zurückgeblieben ist. Immerhin ist der Plan des Tempels im allgemeinen geklärt, seine bedeutende Ausdehnung festgestellt; noch etwas größer als das Didymäon (S. 181), maß er 54 1/2 X 109 Meter, bot also das
Das Heräon. Lykien 183
ganz ungewöhnliche, bei einem bloß achtsäuligen Tempel vollends auffällige Verhältnis der Breite zur Länge von 1 : 2. Außerdem ward manche wichtige Einzelheit gefunden, z. B. ein Teil eines ionischen Kapitells, das in der herben Wucht seines Blattkranzes an das Kapitell der Naxiersäule in Delphi (S. 145) erinnert. 270
An der Städteforschung nahm neben dem Berliner Museum auch Österreich eifrigen Anteil, wo 1877 Otto Benndorf in Wien an Conzes Stelle getreten war und die Ziele archäologischer Arbeit kräftig förderte. Bei seinem ersten Unternehmen ging es wie mit Pergamon: ein einzelnes Werk gab den Anlaß, eine weiter aussehende Erforschung ging daraus hervor.
Lykien bot das erste Ziel. Dort hatte 1841/42, zugleich mit Fellows und Spratt (S. 91 ff.), ein deutscher Schulmann, August Schönborn, einsam das Land durchstreift und dabei an abgelegener Stelle ein umfangreiches Denkmal aufgestöbert, dessen reicher Reliefschmuck ihn so tief ergriff, daß er sich nicht entschließen konnte Notizen zu machen, sondern sich begnügte an der Schön- heit des Reliefs und an den Gegenständen sich zu erfreuen.
»War es doch der trojanische Krieg, den ich vor mir hatte, Homers Schöpfung in bildlicher antiker Darstellung, und ich gestehe, daß ich mich daran nicht satt sehen konnte. Das Relief in der Ecke der West- seite zeigt Achill sitzend bei dem hochgeschnäbelten Schiffe, voll Er- bitterung den Kopf mit der Hand unterstützend. Es folgt der Herold, der die Versammlung beruft, und die Krieger kommen, Schlachtszenen reihen sich an, auf die Stadt wirft sich der Kampf, an dem Tore wird gestritten, die Schar der Greise sitzt über dem Tor, und so zieht sich Bild an Bild hin, ein reiches Leben, mit griechischer Sicherheit in den Gruppen, in den Bewegungen, in den Proportionen der einzelnen Ge- stalten entworfen. Ich trage kein Bedenken es auszusprechen, daß diese Reliefs in gehöriger Höhe aufgestellt jedem Museum zu einer wahren Zierde gereichen würden, wie reich es auch sonst ausgestattet sein mag.«
Diese und ähnliche Eindrücke vertraute Schönborn seinem Tagebuch an und versuchte nach seiner Rückkehr vergebens die preußische Regierung zu einer Expedition behufs Hebung des Schatzes zu bestimmen. So kamen seine Aufzeichnungen nur
184 VII. Antike Städte
dem bändereichen Werke Karl Ritters über Asien zugute, wo sie wiederum eine verborgene Existenz führten, bis ich sie nach sechzehn Jahren, 1875, zur Erklärung des Nereidendenkmals (S. 92) heranzog. Auf dieses Denkmal richtete Benndorf seine Blicke. Im April des Jahres 1881 begaben sich er und Oeorge Niemann, beide einst an dem samothrakischen Unternehmen beteiligt (S. 113 ff.) auf einem österreichischen Kriegsschiffe auf die Erkundungsfahrt. In Kekowa, an der steilen Südküste Lykiens, stiegen sie ans Land und strebten sogleich dem hochgelegenen Orte Giölbaschi zu, wo sie nach Schönborns Angaben das Denkmal erwarten mußten. Benndorf erzählt:
»In bereits sommerlicher Glut war der Anstieg auf noch unge- wohnten ungemein mühsamen Steilpfaden höchst beschwerlich. Spät und erschöpft kamen wir auf dem gegen 1800 Fuß hohen Rande des Küstenplateaus an, aber hier ließ sich bereits der Gipfel von Giölbaschi von weitem erkennen. Wir verdoppelten unsere Anstrengungen, als wir auf der Sattelhöhe des steilen Berges angelangt die von Schönbom geschilderten Stadttrümmer erkannten und bald darauf an dem Ostende der Akropolis lange Relief streifen erblickten, die dem Heroon angehören mußten. Vorauseilend arbeitete ich mich durch domiges dichtes Gestrüpp und Steingeröll atemlos rasch empor, auf das Eingangstor zu, das sich in bedeutendem Abstand über dem steilen Abhang in der Mauer öffnete. Ich kletterte erregt in den Steinfugen der Mauer zur Torschwelle hinauf und sah mich im Innern der Ruine plötzlich einer Fülle von Bildwerk gegenüber, die, von benachbarten hohen Bäumen überragt und von innen aufgeschossener Vegetation teilweise reizvoll verdeckt, im Glänze der sinkenden Sonne einen wunderbaren Anblick gewährte. Ich be- kenne, daß diese ersten Augenblicke der Betrachtung an dem lang- erstrebten und nun glücklich erreichten Ziele, in lautlos weihevoller Stille und Abgeschiedenheit einer großartig ausgebreiteten Natur, Stein- wildnis rings umher, mit dem Ausblick auf eine von Schneeketten um- säumte schluchtenreiche Gebirgslandschaft und das hochgewölbte end- lose Meer, zu den tiefsten Eindrücken meines Lebens zählen.«
Das glücklich Gefundene und Erschaute galt es nun auch zu erwerben und zu sichern. In Österreich bildete sich auf Benn- dorfs Betrieb ein Verein kunstsinniger und freigebiger Mäcene, die die Mittel für eine Expedition zusammenschössen; die Regierung stellte ein Kriegsschiff zur Verfügung. So konnte schon 1882 Hand ans Werk gelegt werden. Benndorf und Niemann ge-
Das Heroon von Giölbaschi. Lykische Städte 185
seilten sich Eugen Petersen, damals in Prag, zu; jüngere Männer, wie Emanuel Löwy und Franz Studniczka, schlössen sich an; in dem Ingenieur Gabriel von Knaffl ward der wichtigste und tüchtigste Beistand gewonnen. Denn es galt beispielsweise an der steilen Schlucht des Flusses von Myra eine Landstraße herzustellen, auf welcher die schweren Blöcke aus der Höhe von Giölbaschi fast 600 Meter zum Flusse hinabgeschafft werden könnten. Das Heroon von Giölbaschi selbst ist der Hof eines Fürstengrabes etwa aus der Zeit des peloponnesischen Krieges, dessen Quader- mauern an der Eingangsseite und an allen vier Innenwänden mit einem doppelten Streifen von Flachreliefs bedeckt waren. Diese 54 enthüllten einen mythologischen Bilderschatz von bisher unerhörter 458 Mannigfaltigkeit, in dem die lykischen, griechisch geschulten Bild- hauer in ähnlichem Stile wie am xanthischen Nereidendenkmal (S. 92), aber viel geistreicher und malerischer, aus einer reichen Fülle von Vorlagen und Erinnerungen geschöpft hatten. Nicht wenig steigerte sich das Interesse durch Benndorfs Nachweis, daß die Komposition allerlei Anklänge an polygnotische Motive ent- hielt; waren sie direkt dem großen Meister von Thasos (s. u. Kap. XI) entlehnt? oder lag ein gemeinsames Erbteil ionischer Malerei vor? Aus diesem entlegenen Winkel des lykischen Alpen- landes öffnete sich plötzlich ein Ausblick auf wichtige, bisher kaum gestreifte Probleme der griechischen Kunstgeschichte!
Die Reliefs wurden nach Wien geschafft und demnächst in einer stattlichen Publikation veröffentlicht. Mit dem Heroon waren aber die Zwecke der Expedition nicht erschöpft. Fellows Be- richte (S. 90 f.), die neben Spratts Reisebeschreibung noch immer die Hauptquelle über Lykien bildeten, waren doch gar zu dilet- tantisch um strengeren wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen. Somit machten sich Benndorf und seine Begleiter an eine Revision ganz Lykiens und erheblicher Teile Kariens. Abgesehen von dem Gewinn für die geographische Kenntnis dieser Länder (Heinrich Kiepert hatte die Expedition ebenso mit vorläufigen Kartenskizzen versehen, wie er nachträglich ihre Ergebnisse für neue Karten verwertete) wurden die hauptsächlichsten Städte Lykiens, Xanthos Pinara Tlos Myra, neu durchsucht und andere hinzuentdeckt oder
186 VII. Antike Städte
zuerst genauer untersucht Letzteres gilt beispielsweise von der kleinen Bergstadt Kragos-Sidyma im südlichen Teile des Kragos- gebirges. Hier waren die Ergebnisse so anschaulich, daß Mommsen sie alsbald benutzte um das Bild einer kleinasiatischen Kleinstadt zu zeichnen.
»Auf einer abgelegenen Bergspitze unweit der lykischen Küste, da wo nach der griechischen Fabel die Chimära hauste, lag das alte Kragos, wahrscheinlich nur aus Balken und Lehmziegeln gebaut und darum spurlos verschwunden bis auf die kyklopische Festungsmauer am Fuß des Hügels. Unter der Kuppe breitet ein anmutiges frucht- bares Tal sich aus, mit frischer Alpenluft und südHcher Vegetation, umgeben von wald- und wildreichen Bergen. Als unter Kaiser Claudius Lykien Provinz ward, verlegte die römische Regierung die Bergstadt, das »grüne Kragos« des Horaz, in diese Ebene; auf dem Marktplatz der neuen Stadt Sidyma stehen noch die Reste des viersäuligen, dem Kaiser damals gewidmeten Tempels und einer stattlichen Säulenhalle, die ein von dort gebürtiger, als Arzt zu Vermögen gelangter Bürger in seiner Vaterstadt baute. Statuen der Kaiser und verdienter Mitbürger schmückten den Markt; es gab in der Stadt einen Tempel ihrer Schutz- götter, der Artemis und des Apollon, Bäder, Tumanstalten für die ältere wie für die jüngere Bürgerschaft; von den Toren zogen sich an der Hauptstraße, die steil am Gebirge hinab nach dem Hafen Kalabatia führte, zu beiden Seiten Reihen hin von steinernen Grabmonumenten, stattlicher als die Pompejis und .'großenteils noch aufrecht, während die, vermutlich wie die der Altstadt aus vergänglichem Material gebauten, Häuser verschwunden sind.«
In der Ebene unterhalb Xanthos gelang es auch das Bundes- heiligtum des lykischen Bundes, der um seiner guten Einrichtung willen im Altertum Ruf genoß, aufzuspüren. Vor allem aber ist Lykien das Land der Gräber (S. 91). Ihre verschiedenen Ge- staltungen wurden genauer untersucht, vor allem die national- lykischen Formen: die hohen Grabpfeiler mit und ohne Reliefs; i69 die den Riegelbau der Holzarchitektur im Stein nachahmenden Felsfassaden oder Freibauten: die mehrstöckigen, pfeilerartigen, im 54 reliefgeschmückten Familiengräber, deren Dach einem umgestürzten i69 Kahn mit dem Kiel nach oben gleicht, während es in Wirklich- keit seine Form einer Laube entlehnt zu haben scheint. Erst im fünften Jahrhundert treten die Formen ionischer Architektur 443 daneben. Aber auch an bemerkenswerten späteren Grabmälern
Lykische Städte u. lykische Gräber. Die Städte Pamphyliens 1 87
fehlte es nicht. Unter ihnen ragt das mit Inschriften bedeckte Neroon des Opramoas in Rhodiapohs aus dem zweiten Jahrhundert hervor, dessen Wände ein förmh'ches Famihenarchiv enthalten; noch jetzt sind Bruchstücke von 64 Urkunden vorhanden.
Im ganzen überwiegen in Lykien, wie überhaupt in Klein- asien (die römische Provinz Asia hieß »das Land der 500 Städte«), die Reste der Römerzeit, wo das Land in jahrhundertelangem Frieden sich neues Aufschwungs erfreute. Aus der älteren Zeit hatten die englischen Expeditionen, wenigstens für die Plastik, den Rahm abgeschöpft und nur für eine Nachlese genauerer Erforschung Raum gelassen. Die ganzen Ergebnisse der öster- reichischen Expedition sind rasch in einem musterhaften zwei- bändigen Werke wissenschaftlicher Benutzung zugänglich gemacht worden.
Zu den Förderern der lykischen Expedition gehörte auch der eifrige Kunstfreund Karl Graf Lanckororiski. Angeregt durch die dortigen Ergebnisse bereiste er noch im selben Jahre die östliche Nachbarlandschaft Pamphylien und faßte den Plan auf eigene Hand eine Expedition zur Erforschung dieses wenig bekannten Landes auszurüsten; denn die Tafeln eines großen Werkes, das der französische Architekt P. Tremaux als Frucht einer kleinasiatischen Reise, besonders in diesen südlichen Ländern, begonnen hatte, lagen ungekannt und unbenutzt in wenigen Bibliotheken begraben. Lanckororiski ersah sich zur Ausführung seines Planes Eugen Petersen und George Niemann aus, mit denen er zunächst 1884 eine Erkundungsfahrt unternahm. Als Zweck der Reise, die auf Ausgrabungen verzichten sollte, ward eine genauere Kenntnis der Städte der Küstenlandschaft Pamphylien und des nordwärts darüber emporsteigenden Gebirgslandes Pi- sidien festgestellt. Mit diesem Programm begaben sich 1885 Petersen und Niemann nach Adalia. Sie untersuchten außer Adalia selbst (mit den Resten eines schönen hadrianischen Stadt- tores) einmal die westlich darüber gelegene bedeutende Bergstadt Termessos, sodann in der stufenartig über das Meer sich erheben- den langen Küstenebene die Städte Perge, Sillyon, Aspendos, alle durch ihre tafelförmigen Akropolen schon von fem erkennbar.
188 VII. Antike Städte
endlich am östlichen Ende die Hafenstadt Side. Überall ward was über der Erde sichtbar war aufgenommen, und meistens gelang es wenigstens die Hauptumrisse der Stadtanlage wieder- zugewinnen und danach die einstige Entwickelung der aus der Geschichte wenig bekannten Ortschaften zu erkennen. In Aspendos bot das prachtvoll erhaltene römische Mustertheater, das schon Texier und Schönborn untersucht hatten, ein hervorragendes Ob- jekt. Sonst erregten namentlich die in Kleinasien besonders be- liebten Nymphäen oder Wasserschlösser (S. 179) die Aufmerksam- keit der Reisenden; ihre Anlage, dem ehemaligen Septizonium in Rom verwandt, trat hier besonders deutlich hervor.
Von Pamphylien ging es durch die steile Schlucht des Eury- medon hinauf in die rauhen und wilden Gebirge Pisidiens, die hier den Übergang zu den großen Hochebenen des inneren Kleinasiens bilden. Auch hier fehlte es nicht an Städten: Selge, Kremna, Sagalassos. Manchmal war der Raum für die Stadt nur mit Mühe dem steilen steinigen Boden abgewonnen; ein ander- mal, wie in Kremna, war eine ebenere Fläche zu einer Anlage benutzt, die noch heute übersichtlich daliegt und das Bild einer römischen Stadt mit ihren Tempeln, Märkten, Hallen, Theatern usw. entfaltet. Manche Tempel mit eigentümlichen baulichen Einzel- heiten legen Zeugnis für die barocker werdende Architektur des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts ab; besonders aber weisen die zahlreichen Gräber viele besondere Formen auf. So trug die ganze Expedition reichen Gewinn besonders für die Kenntnis dessen, was die Kaiserzeit für Kleinasien, selbst bis in so wilde, entlegene Gebiete wie Pisidien hinein, bedeutet hat. Eine glänzende Publikation, durch die Kunst Niemanns und die Liberalität des Grafen Lanckororiski mit ungewöhnlichem Geschmack ausgestattet und mit einem klaren und inhaltreichen Texte versehen, bildet ein vornehmes Denkmal dieser Forschungsreise.
In Wien war inzwischen der Beschluß gefaßt worden die Inschriften Kleinasiens von neuem zu sammeln und so dem neuen Berliner Corpus der griechischen Inschriften einen Teil der Arbeit
Die Städte Pisidiens. Ephesos 189
abzunehmen. Demzufolge wurden Rudolf Heberdey, Ernst Kaiinka und andere jüngere Gelehrte entsandt um Kleinasien zu diesem Zwecke zu bereisen, wobei natürlich auch die Geographie und die Archäologie nicht zu kurz kamen. Sie dehnten ihre Reisen bis nach Kilikien aus, während schon in den achtziger Jahren der Schotte W. M. Ramsay das kleinasiatische Binnenland mehr- fach durchreist hatte und zahlreiche Mitglieder der Französischen Schule in Athen bald hier bald dort ähnliche Forschungen ver- folgten. Der Blick der österreichischen Gelehrten war somit fest auf Kleinasien gerichtet. Daher hatte auch schon 18Q5 Otto Benndorf Ephesos für eine archäologische Untersuchung größeren Stils ausersehen. Mit Unterstützung österreichischer Kunstfreunde begannen 1896 die Ausgrabungen, die bald, nachdem 1898 das Österreichische Archäologische Institut in Wien gegründet worden war, von diesem zur Weiterführung übernommen wurden.
Ephesos war einst neben Milet und Samos die bedeutendste Stadt loniens gewesen und hatte beide überlebt. Aber dieselbe Naturgewalt wie im Mäandrostale (S. 178 f.) hatte auch hier die Stadt seit den frühen Zeiten des Altertums immer weiter von dem Meere, das ursprünglich ihre Hügel bespült hatte, abgedrängt. Infolge der Anschwemmungen des Kaystros war zuerst die älteste Stadt mit dem Artemistempel, dann die hellenistische Stadt, endlich auch die römische, die der Reihe nach dem weichenden Meeres- strande nachgezogen waren, in dem frischen Sumpfboden ver- schwunden, und nur wenige Reste, hauptsächlich auf den Fels- höhen, vor allem die großartige Stadtmauer des Lysimachos, zeugten von vergangener Pracht. Es konnte daher wenig mehr als ein Phantasiegebilde entstehen, wenn 1862 Edward Falkener auf Grund verjährter vierzehntägiger Aufzeichnungen das Bild der alten Stadt wiederherzustellen suchte. Auch Ernst Curtius hatte bei einem Versuche die Stadtgeschichte an die Lokalitäten anzuknüpfen aus Mangel an festen Anhaltspunkten fehlgehen müssen. Nur der Artemistempel war durch Woods Ausgrabung (S. 98 f.) festgelegt. Nunmehr hatte Benndorf 1895 im Verein mit Humann das Terrain untersucht und einen Operationsplan ent- worfen; der Firman ward erwirkt, die erforderlichen Boden-
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ankaufe gemacht. 1896 begann unter Benndorfs steter Mitwir- kung die Ausgrabung der hellenistisch-römischen Stadt zwischen den Felshöhen und der Küstenniederung, wo das längliche Hafen- becken dieser letzten Periode sich deutlich innerhalb des ange- schwemmten Marschgebietes abzeichnete. Unter der einsichtigen Lei- tung Rudolf Heberdeys, dem unter anderen der Architekt Wilhelm Wilberg zur Seite steht, werden diese Ausgrabungen seitdem alljährlich weitergeführt. Der römische Markt bildet den Mittel- punkt. Säulenhallen mit vor die Mauer gestellten Säulen, Hallen- straßen, eine sehr merkwürdige dreieckige doppelstöckige Halle, die den Übergang von einer Straße zu einem Platz vermittelt, bilden Hauptzüge des Stadtbildes, das auch hier mehr römischen als hellenistischen Charakter trägt. Eine mehrgeschossige Biblio- thek, deren Wände noch die Nischen für die Büchergestelle aufweisen, unterscheidet sich in der Anlage merklich von der pergamenischen (S. 166). Auch mancherlei Einzelfunde lohnen die Bemühungen; unter ihnen ragt eine Erzstatue aus dem 47i 4. Jahrhundert hervor, der wir später (Kap. XI) noch wieder- b^egnen werden; sie mußte aus nicht weniger als 234 Stücken zusammengeflickt werden!
Ein Ziel, das alle diese kleinasiatischen Untersuchungen im Auge behalten müssen, ist die Scheidung hellenistischen und römischen Gutes. An manchen Stellen überwiegt ersteres, so in Pergamon, Magnesia, Priene; im ganzen aber scheint die ruhige Zeit unter der Kaiserherrschaft die ältere Schicht zugedeckt zu haben. Die große Masse stammt aus der römischen Zeit. Hier- her gehört auch die Expedition, die Conrad Cichorius im Verein mit Karl Humann und unterstützt von Franz Winter und Walther Judeich schon 1887 nach dem phrygischen Hierapolis unter- nommen hatte; daß schon Tremaux (S. 187) diesen Ort aufge- nommen hatte, konnten sie kaum wissen. Die gewaltige warme Quelle, der die Stadt ihren Ruhm und ihre Bedeutung ver- dankte, hat aus ihren Kalkniederschlägen eine Art von Gletscher von kolossaler Ausdehnung gebildet, auf dem, zum Teil von jüngeren Niederschlägen wieder überdeckt, die Reste einer römischen Stadt aus später Zeit kenntlich geblieben sind. Eine
Hierapolis. Thera 191
schnurgerade breite Hallenstraße, von anderen Straßen recht- winklig geschnitten, durchzieht die Stadt von einem Tore zum andern; Spuren einer Agora schließen sich ihr an. Eine große Thermenanlage, zwei Bauwerke, die man nach pompejanischen Analogien als Basilika und kaiserliches Lararium bezeichnen möchte, ein wohlerhaltenes Theater über der Stadt lassen sich erkennen, fast durchweg in späten plumpen Architekturformen gehalten. Dazu drängt sich vor den Mauern der Stadt eine fabelhafte Menge von Sarkophagen und anderen Gräbern, die der Ruinenstätte bei den Einheimischen den Namen Tambuk- Kalessi (»Trögeburg«) verschafft hat. Der ganze Ort bietet das grandiose Bild einer Menschensiedelung, über die die Natur mit ihren unerschöpften Kräften wieder Herr geworden ist. Man erinnert sich der mittelalterlichen Stadt Ninfa an den Volsker- bergen, nur daß hier das Wasser und die von ihm geförderte üppige Vegetation das Werk der Zerstörung vollbracht hat, das in Hierapolis der kalkhaltige Strom durch seine Versinterung zuwege bringt.
In Verbindung mit der Suche nach Inschriften stehen noch zwei Unternehmungen, die der Erforschung griechischer Inseln gelten. Diese für die Sammlung der griechischen Inschriften, die von der Berliner Akademie veranstaltet wird, zu bearbeiten hat Friedrich Freiherr Hiller von Gärtringen übernommen. Die Vor- arbeiten haben ihn auch nach Thera geführt; es ist sehr begreif- lich, daß die Wunderinsel es ihm angetan hat und er seine Forschungen auf die ganze Insel auszudehnen beschloß,
Thera, heute Santorin, ist ein Vulkan, der einsam aus dem Meere emporsteigt. An drei Stellen ist der Kraterrand durch- brochen und das Meer in das Innere des bis zu fast 400 Meter tiefen Kessels eingedrungen. Dieser Kratersee wird von steilen Rändern umgeben, die mit ihren bunten Horizontalschichten eine Höhe bis zu 360 Metern erreichen. Die alte Stadt Thera lag aber am östlichen Außenrande der Insel auf einem schroffen, 567 Meter hohen, die ganze Insel überragenden Berge von Kalk-
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stein. Was für ein wunderbares Bild breitet sich vor den Augen aus! Die ganze vom Kraterrande gegen das Meer geneigte Fläche ist mit einer dicken weißen Bimsteinschicht überzogen, die teppich- artig mit niedrigen Weinstöcken gemustert erscheint. Durch den Regen tief eingerissene Runsen durchfurchen vom oberen Rande herab radienförmig den geblümten Teppich mit ihren dunkeln Streifen; in den Wänden dieser Risse sind Weinkeller, Keltern, ja auch menschliche Wohnungen ausgehöhlt. Wo die Bimstein- decke den Rand des umgebenden Meeres erreicht, ist der leichte Bimstein weggespült und ein dunkler Saum scheidet die weiße Insel vom tiefblauen weiten Meere, das fern im Süden von dem langgestreckten Kreta mit seinen drei Schneegipfeln, im Osten von der Küste Kleinasiens, im Norden von der bunten, fein- geformten Inselwelt der Kykladen begrenzt wird. Dazu unten im Krater die neugebildeten kleinen Vulkane und ein leise kochendes Meer, dem noch zu unserer Zeit vulkanische Neugestaltungen entstiegen sind — wer diese ganze Pracht von der Höhe des Hagios Elias mit seinem Kloster einmal geschaut hat, dem hat sie die Seele tief gerührt!
Auf den Felsen der alten Stadt hatte 1834 Freiherr von Prokesch - Osten altertümliche Inschriften aufgefunden, die durch Böckhs Behandlung berühmt geworden sind. Bald darauf (1835, 37, 43) hatte Ludwig Roß mehrmals Thera besucht und nament- lich im Süden der Insel merkwürdige Felsgräber und ein wohl- erhaltenes marmornes Heiligtum oder Heroon entdeckt. Auch oben in der Felsenstadt hatte er manche zutage liegende Baulich- keiten bemerkt und beschrieben, aber doch nicht einmal erkannt, daß hier die Hauptstadt der Insel gelegen hat. Diese alte Fels- stadt aus ihrer leichten Schuttdecke wieder ans Tageslicht gebracht zu haben ist das Verdienst Hillers von Oärtringen, der aus eigenen Mitteln, mit Hilfe von Architekten (Dörpfeld, Wilberg), Archäologen (Schiff, Wolters, Dragendorff), des Landmessers P. Wilski und anderer Forscher seit 1896 während sechs Jahren wiederholt dieser Aufgabe obgelegen hat. Die kleine weltent- legene Stadt, in Terrassen mit Treppen auf der windigen Höhe über dem scharfen Absturz angelegt, liegt jetzt mit ihren Heilig-
Thera 193
tümern, öffentlichen Gebäuden, Privathäusern offen da. Der dorische Apollon Karneios reicht mit einzelnen Teilen seines Tempels noch in die archaische Periode hinauf, während sonst die hellenistische Kultur, zum Teil von einer römischen Schicht bedeckt, den Charakter der Stadt bestimmt. Freilich sind die engen, winkligen, teilweise treppenförmigen Gassen ebenso wie die Häuser weit entfernt von dem in der hellenistischen Zeit üblichen Luxus; Säulenhallen längs den Straßen sucht man hier vergebens, so daß die einzige Stoa, am Markte belegen, eine um 596 so bemerkenswertere Ausnahme bildet. Sie war zweischiffig und diente dem Marktverkehr z. B. als Eichamt. Von älterer Anlage, aber mehrfach umgebaut, ward sie im 2. Jahrhundert nach Christo unter dem Namen einer Basilika neu hergestellt: ein Beweis, daß dieser vielumstrittene Name nicht auf saalartige Gebäude mit erhöhtem Mittelschiff, wie in Pompeji, beschränkt war. Ein besonderes Gepräge bekam der Hellenismus in Thera durch das nahe Verhältnis der Insel zu Ägypten. Der Dionysostempel ward später dem Kulte der Ptolemäer angepaßt, und ein in den Felsen hineingeschnittenes Heiligtum der alexandrinischen Götterdreiheit Sarapis, Isis und Anubis bietet einen der merkwürdigsten Züge in dem Bilde der Felsenstadt. Höchst eigentümlich ist auch der alte Begräbnisplatz am kahlen und windigen Nordabhange der Selläda (des Bergsattels, der die Stadt mit dem Hagios Elias ver- band). Sehr mannigfaltige Grabformen vertreten die ältesten und die römischen Zeiten; die Gräber der hellenistischen Periode sind nicht gefunden worden.
Auch von dem bildlichen Schmucke der Stadt in alexan- drinischer und besonders in römischer Zeit haben sich einige Reste erhalten. Vor allem aber haben sich die Untersuchungen auf der Insel ergiebig an Tonwaren der verschiedensten Zeiten erwiesen. Schon in den sechziger Jahren waren auf der Insel Therasiä, einem der Bruchstücke des alten Vulkans, unter der Lavaschicht Vasenscherben gefunden worden, die damals wegen des hochaltertümlichen Charakters ihrer Ornamente Verwunderung und hinsichtlich ihrer Einordnung in das damals übliche System ein gewisses Unbehagen hervorgerufen hatten. Nunmehr spendete
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 13
194 VII. Antike Städte
Thera in ungewöhnlicher Fülle eine zusammenhängende Reihe dieser unzerstörbarsten Zeugnisse alter Kultur, so daß sich der ganze, mittlerweile durch vielfache Forschung neu aufgehellte Verlauf der Vasenmalerei, namentlich ihrer älteren Stadien (Kap. IX), hier besonders deutlich verfolgen ließ und manche neue Aufklärung er- hielt. Ein großes Werk, die vereinigte Arbeit aller Beteiligten, gab dem ganzen glänzenden Unternehmen seinen würdigen Abschluß. Schon über die Grenze des vorigen Jahrhunderts hinaus liegt die rhodische Expedition, die die dänische Gesellschaft der Wissen- schaften aus den Mitteln des von Carl Jacobsen gestifteten Carls- berg Fonds ausgerüstet hat. In den Jahren 1902/4 haben Christian Blinkenberg und K. F. Kinch auf der alten Akropolis von Lindos gegraben. Die Heliosinsel Rhodos liegt von allen Inseln des ägäischen Meeres am weitesten dem Osten und der Sonne zugewandt; die Stadt Lindos selbst ragt am freiesten in das weite insellose Ostmeer hinein. Auf ihrer Burgfläche hatte 1844 Ludwig Roß eine Menge griechischer Künstlerinschriften gefunden, die auf die rhodische Kunstschule Licht zu werfen geeignet waren. Andere Funde ähnlicher Art waren 1864 Paul Foucart geglückt. Inschriften sind es denn auch, die — abgesehen von der genaueren Aufnahme des Athenatempels — die Hauptausbeute des dänischen Unternehmens bilden; wie schöne Resultate aber dadurch gewonnen worden sind, mögen zwei Tatsachen zeigen. Erst durch diese Funde ist es möglich geworden Zeit und Heimat des Künstlers
76 Boethos, des Schöpfers des bekannten Knaben mit der Gans, 634 beide sehr bestritten, sicherzustellen; ebenso ist es hierdurch gelungen die noch viel heftiger umstrittene Entstehungszeit der
71 Laokoonsgruppe, deren Ansatz zwischen dem 3. Jahrhundert und 694 der Zeit des Kaisers Titus schwankte, mit ziemlicher Sicherheit in die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts zu setzen.
Versuchen wir die Hauptergebnisse dieser ganzen Städte- forschung kurz anzudeuten.
Nach der Anlage der Städte lassen sich zwei Gruppen unter- scheiden. Entweder schließen sich die Städte in sozusagen
Lindos. Arten von Stadtanlagen 195
naturalistischer Weise den natürlichen Bedingungen des Bodens an; der Burgberg, die Quellen und Flußläufe, die Neigungen und Faltungen des Bodens, etwa das Verhältnis zum Meere, bestimmen die Anlage des Marktes, der Tore, der Straßen, die durch keine kunstmäßige Regel gebunden wird. Oder die ganze Stadt wird als Kunstwerk behandelt; Plätze und Straßen werden, ohne sich viel um die von der Natur gegebenen Verhältnisse zu kümmern, nach festen Formeln und Regeln angelegt; besonders beliebt ist die uns so modern anmutende rechtwinklige Kreuzung der Straßen, unter denen auch wohl breitere Hauptstraßen sich von den engeren Gassen abheben. Es ist kein Zufall, daß dies zweite System nicht von einem praktischen Architekten, sondern von einem klügelnden Theoretiker, dem Milesier Hippödamos, erfunden ward. Die Hafen- stadt Peiräeus und die attische Kolonie Thurioi am Meerbusen von Tarent lieferten in perikleischer Zeit die ersten Proben auf das Exempel; bei der Neugründung der heutigen Stadt Peiräevs seit den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts brauchte man nur dem überall noch zutage tretenden Straßennetze des Hippö- damos zu folgen. Von späteren Anlagen dieser Art sollen nur »das schöne Rhodos« (408), dessen antiker Plan sich leider wegen der späteren Überbauung und Umgestaltung nicht nach- weisen läßt, und Alexanders orientalische Welthauptstadt Alexan- dreia (332/1) genannt werden; das rechtwinklige Straßennetz der letzteren brachten 1866 die von Napoleon III. veranlaßten Unter- suchungen unter Mahmud Bey zutage.
Diese »hippodamische Weise« herrscht unter den neu untersuchten Städten am augenfälligsten in Priene und Knidos, also nahe der Heimat des Erfinders. An beiden Stellen war das sehr unebene Terrain einer solchen regelrechten Anlage nichts weniger als günstig, und doch ist sie ihm aufgezwungen worden, indem das ganze Stadtgebiet in Terrassen zerlegt ward und in der aufsteigenden Richtung die Straßen sich vielfach in Treppen verwandelten, ein deutliches Zeichen, daß der Wagenverkehr in diesen antiken Städten keine allzugroße Rolle spielte. Auf die große Bedeutung, die in solchen Städten den Stützmauern zukam, ward schon oben (S. 176) hingewiesen. In bedeutend gemäßigter
13*
196 VII. Antike Städte
Weise kehrt diese regelmäßige Anlage in Thera wieder, wo sie sich dem schmalen Felsterrain anschließen mußte; in dem steilen Assos bot sie noch weit größere Schwierigkeit als in Priene dar; in Hierapolis war sie dagegen auf der ebenen Oberfläche des Kalkgletschers leicht durchzuführen.
In Pompeji geht die Regelmäßigkeit des Stadtplanes auf das italische System der beiden sich kreuzenden Hauptlinien, des Kardo und des Decumanus, zurück, das am reinsten in Marza- botto (S. 154) vorliegt. Nur sind in Pompeji durch die natür- lichen Bedingungen gewisse Unregelmäßigkeiten entstanden, die das im großen ganzen rechtwinklige System durchbrechen. Der Kardo mußte gegen Süden einer etwas schräg verlaufenden Falte des Lavahügels, auf dessen ziemlich ebenem Rücken die Stadt gebaut ist, folgen, während im Nordwesten das sogenannte Herculanertor mit der berühmten Gräberstraße eine leichte Ver- schiebung der normalen Rechtecke bedingte.
Ganz anders erscheinen die Dinge in Pergamon. Die be- deutende Höhe der Burg und die Steilheit des zu ihr sich em- porziehenden breiten Bergrückens, den die Stadt des Eumenes bedeckte, haben hier (ähnlich wie in Delphi, S. 144 ff.) zu einer in Windungen mit teilweise scharfen Kehren ansteigenden Haupt- straße genötigt. Diese Hauptstraße ist die Lebensader der ganzen Anlage gewesen. Wie weit die Stadt zu ihren Seiten in Terrassen gegliedert war, wie weit hier das System rechtwinkliger Straßen- inseln herrschte, das läßt sich einstweilen noch nicht sagen; man wird sich kaum verwundern, wenn dereinst größere Unregel- mäßigkeit zutage treten sollte. Im oberen Teil, nahe der Burg und in ihrem Innern, gliedert sich freilich die Anlage notge- drungen in hoch übereinander aufsteigenden Terrassen, diese aber weisen keine starre Regelmäßigkeit auf, sondern schmiegen sich bald den Biegungen der Hauptstraße, bald der natürlichen Beschaffenheit des Felsbodens an. So steht die Residenz der Attaliden in scharfem Gegensatze zu jenen »hippodamischen« Städten, auch beispielsweise zu Halikarnass, der Residenzstadt der karischen Herrscher, wo der kreisförmige Hafen gleichsam als Orchestra den Mittelpunkt der rings theaterförmig ansteigenden
Regelrechte und naturalistische Stadtanlagen. Märkte 197
Stadt mit breiten Hauptstraßen bildete. In einem Punkte freilich glich auch Pergamon allen den nicht in der Ebene gelegenen Städten: Terrassenmauern von teilweise bedeutender Höhe waren auch hier unentbehrlich, ja die über 200 Meter lange mehr- stöckige Aufmauerung unterhalb der Theaterterrasse ist ein be- deutendes Werk, das anscheinend für andere kleinasiatische Städte als Vorbild gedient hat (S. 170).
Fast scheint es, daß die Lockerung der strengen hippoda- mischen Regel (am pedantischsten ward sie in dem ganz eben gelegenen Nikäa, der Hauptstadt Bithyniens, streng auch im syrischen Antiocheia durchgeführt) später allgemeiner geworden sei. Wenigstens zeigen sowohl Delos, wie die meist römischen Städte Lykiens, Pamphyliens, Pisidiens ein weit engeres Anschmiegen an die natürliche Bodenbeschaffenheit; eben dies rief in Hierapolis die regelmäßige Anlage hervor.
Abgesehen von diesen Verschiedenheiten in der Gesamt- anlage sind uns auch viele Einzelheiten in den Städten durch die neueren Ausgrabungen deutlicher geworden. Von Stadtmärkten z. B. war uns früher nur das Forum von Pompeji bekannt, dessen allmähliche Umbildungen wir erst neuerdings haben verfolgen lernen. Einen Normalmarkt hat uns jetzt Priene, etwas ab- weichende Bildungen Assos und Pergamon, einen Markt am Hafen Delos, einen römischen Markt Ephesos kennen gelehrt. Zum Markte gehört das Rathaus, dessen Sitzungssaal in einfachster Gestalt in Assos, etwas reicher und zweckmäßiger gestaltet in Priene, am stattlichsten innerhalb eines umfriedeten Bauganzen in Milet zum Vorschein gekommen ist. Säulenhallen, öfter mit dahinter liegenden Läden oder Geschäftsräumen, umgeben den Markt wie den Hof des milesischen Rathauses und fast alle Tempelhöfe. Sie sind bald ein- bald zweischiffig, bald ein- bald zweigeschossig (besonders stattlich in Pergamon und in der 572 athenischen Halle Attalos IL). Vielfach von Königen erbaut führen 597 die stattlicheren von diesen Markthallen den Namen der Erbauer oder die allgemeinere Bezeichnung Basilika (»Königshalle«), die sie mit den anscheinend auf ägyptische Vorbilder zurückgehenden geschlossenen Sälen (wie der großartigen Basilika in Pompeji) teilen. 598
198 VII. Antike Städte
Die Straßen dieser Städte sind nicht selten, z. B. in Pergamon, Priene, Milet, gepflastert und mit Abzugkanälen (am deutlichsten in Pompeji) versehen. Die früher gegen die Straße fest abge- schlossenen Häuser öffnen sich allmählich im untersten Stockwerk in Läden, die dem Straßenbilde weit größeres Leben verleihen; das steht jedem Besucher Pompejis vor Augen, läßt sich aber auch beispielsweise in Pergamon verfolgen. Dagegen fehlt in den neuaufgedeckten hellenistischen Städten die Übertragung der Hallenumsäumung von den Plätzen auf die Straßen, die uns z. B. für Athen und Smyma schon für die hellenistische Zeit bezeugt wird; auch in Rom gab es schon früh solche Laubenstraßen. Später ward diese Sitte ganz allgemein; in Ephesos liegt ein Beispiel vor, ganz besonders deutlich aber in Hierapolis, wo die Hauptstraße beiderseits von einer Halle mit Läden dahinter ein- gefaßt war.
Zu der weiteren Ausstattung der Städte gehören Theater, von denen sich nicht bloß .in Aspendos (S. 188) ein stattliches Beispiel erhalten hat. Femer die gymnastischen Anstalten, meist Höfe, von Säulenhallen und mancherlei Kammern und Nischen umgeben, vielfach gesondert für Ältere und Jüngere; so z. B. in Sidyma (S. 186) und besonders deutlich in Pompeji, wo die spätere Gladiatorenkaserne mit ihrem großen Hofe ursprünglich ein Turnplatz für Erwachsene war (genau der olympischen Pa- lästra entsprechend), während die kleine sogenannte Palästra der pompejanischen Jugend gewidmet, also ein sogenanntes Ephe- beion war. Eine Thermen anläge nach römischer Art bieten Milet und Hierapolis mit seiner warmen Quelle. Welche Ein- blicke Priene und Delos uns in die Anlage der Häuser in hellenistischer Zeit erschlossen haben, ward schon hervorgehoben (S. 120. 177 f.); bis dahin war man auf die immerhin sonderartigen, weil Italisches mit Griechischem verbindenden, Häuser Pompejis beschränkt gewesen.
Pompeji bot uns auch zuerst das greifbarste und ergreifendste Bild einer Gräberstraße, die vom Tor der Stadt den Wanderer hinaus ins Land geleitet. Ihre Ausgestaltung gehört fast aus- schließlich der römischen Zeit an. Ein Bild aus klassischer Zeit
Straßen. Öffentliche Gebäude. Gräberstraßen 199
bot der 1870 aufgedeckte athenische Friedhof vor dem Haupt- tore der Stadt, dem Dipylon. Hier stehen vielfach jene unver- gleichlichen Grabdenkmäler aus dem 5. und 4. Jahrhundert noch 49. 54 aufrecht, die vornehme Hegeso, der Ritter Dexileos, der zwanzig- 452 jährig bei Korinth 394 gefallen war, die etwas anspruchsvollen 61 Damen Demetria und Pamphile, die »recht freundlich« dem Be- schauer sich zukehren. Es sind nur einzelne Beispiele einer Denkmälerklasse, die es an edler Einfalt und stiller Größe mit allen anderen aufnimmt. Bedeutend bereichert hat sich die An- schauung dieser vor den Städten sich ausbreitenden Nekropolen durch die Nachforschungen in Kleinasien. Lykien war dafür schon länger berühmt (S. 90 f.), ward aber erst jetzt auch nach dieser Seite genauer erkundet (vgl. S. 186). Während Milet be- gonnen hat die altertümlichen Sitzbilder seiner Nekropolis zu spenden, bieten Pamphylien und Pisidien eine Fülle verschiedener Grabformen, die zum Teil in die Formenwelt des sinkenden Alter- tums überleiten; Hierapolis überrascht durch die einförmige Masse seiner Sarkophage.
Der hellenistischen Epoche gebührt der Löwenanteil an dieser Städteforschung. Grade sie hatte es aber auch besonders nötig wenigstens in ihren unvergänglichen Spuren erkannt zu werden, da keine Periode der griechischen Geschichte in unserer litera- rischen Überlieferung so sehr das Bild eines wirren, ausgeplün- derten Trümmerhaufens darbietet. Hier mußten die Steine reden, und sie haben geredet, bald durch Inschriften, bald durch die Überreste der Baukunst und der Bildkunst.
VIII
PRÄHISTORIE UND GRIECHISCHE VORZEIT
on den Zeiten des niedergehenden Altertums wendet sich der Blick zurück zu den Anfängen. Wieder ein- mal ist es die bescheidene Gattung der bemalten Ton- gefäße, die uns erlaubt hat die bisher erkannten Grenzen rück- wärts zu erweitern.
Die Vasenklasse, die man lange als die älteste betrachtete, die orientalisierende oder korinthische (S. 63), ging bis in das 275/79 siebente Jahrhundert zurück. Da auch die Nachrichten von griechischen Künstlern nicht höher hinauf reichten, so schien damit überhaupt die Grenze für die Anfänge der griechischen Kunst gegeben. Höchstens führten die Angaben der homerischen Gedichte noch etwas weiter zurück in ein unsicheres, von Fabeln , durchsetztes Gebiet, über das die »blumenreichen« ältesten Vasen oder die »gebuckelten« Erzschilde des Grabes Regulini- Galassi (S. 68) und einige ähnliche Kunstwerke, allenfalls einige Analogien aus der assyrischen Kunst, ein mattes Licht zu werfen schienen. Im ganzen durfte man sagen, daß die greifbare griechische Kunst anfing, wo die homerische Poesie aufhörte; jenseits gähnte ein gestaltenloses Chaos.
Der erste, der diese Lücke auszufüllen unternahm, war noch einmal Alexander Conze, Schon 1862 hatte er einige Tongefäße 273 aus Melos herausgegeben, deren malerischer Schmuck im ganzen dem der korinthischen Vasen ziemlich nahe stand, so jedoch, daß neben den orientalisierenden Ornamenten, den stilisierten Pflanzenformen (Rosetten, Palmetten usw.) einfache Linearorna- mente (Zickzacklinien, Quadrate usw.) auftraten, die eine ganz
Geometrischer Stil 201
abweichende Quelle der Ornamentik verrieten. Ganz vereinzelt hatte schon 1847 Thomas Burgon auf diese linearen Formen aufmerksam gemacht und Gottfried Semper 1863 diesen Hinweis aufgenommen; aber im Zusammenhange wies doch erst Conze 1870 diesen »geometrischen« Stil als den einer besonderen, hochaltertümlichen Vasengattung nach. Das Charakteristische an 215 ihr ist, daß das ganze Ornamentsystem rein linear ist. Grade Linien, Zickzack und gekreuzte Linien, einfache Mäandermuster, Vierecke, Kreise, Spiralen und ähnliche geometrische Formen, anscheinend den uralten Techniken des Webens, Flechtens und Punzens entnommen, schließen sich zu einem ganz bestimmten System der Anordnung, der Verbindung, der meist streifenförmigen Verteilung über die Fläche zusammen und unterscheiden sich eben dadurch von der Kunst wilder Völker, die viele von diesen einfachen Formelementen ebenfalls verwenden. Jene im orien- talisierenden Stil so beliebten stilisierten Pflanzenornamente fehlen gänzlich, ebenso wie die Löwen und Panther, die Sphinxe und Greifen des Orients. Wo Tiere auftreten, sind es Haustiere, Gänse, Störche, Pferde an der Krippe und dergleichen. In Italien 216 erscheint dieser geometrische Stil besonders in den eingeritzten Mustern des Metallgerätes, aber auch wo er dort auf Tongefäßen auftritt, sind die Ornamente gern mit dem Griffel eingeritzt. Daß dies die ursprünglichere Weise ist, scheint daraus hervorzu- gehen, daß auch auf den bemalten Tongefäßen Griechenlands ein zeichnerischer, nicht ein malerischer Charakter herrscht. Die Ornamente so gut wie die ornamental gestalteten Tiere sind nur gezeichnet, die Flächen mit gestrichelten Mustern ausgefüllt; selten wird einmal ein voller Pinsel gebraucht.
So etwa erschien der »geometrische« Stil in den ungefähr 60 Beispielen, an denen Conze zuerst seine Entdeckung darlegte. In ungeahnter Schnelligkeit mehrten sich, nachdem einmal der Blick für die neue Erscheinung erschlossen war, die Beispiele und ergaben namentlich nach zwei Seiten hin eine Erweiterung der anfänglichen Erkenntnis. Ein großer Vasenfund am athenischen Dipylon im Jahre 1871 zeigte, daß dieser lineare Stil auch auf 217 Menschen, richtiger auf Menschenschemata, ausgedehnt worden
202 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
war, ja daß man sich mit diesen einfachen Mitteln an größere Darstellungen, wie Leichenzüge oder Schiffskämpfe, gewagt hatte. Man bezeichnete diese reichere Ausgestaltung als »Dipylonstil«. Andere Beispiele etwas vorgerückter Art zeigten geometrische 274 Ornamente und Figuren in unmittelbarer Verbindung mit Löwen, Blumen und ähnlichen Elementen des orientalisierenden Stils. Es konnte hiernach, wie nach dem gesamten Charakter des geo- metrischen Stils kein Zweifel sein, daß er älter war als alles bisher Bekannte und daher in die große Lücke eintrat, die bis dahin jenseits der orientalischen (wohl, wie bei Homer, durch die Phöniker vermittelten) Einflüsse klaffte.
Aber noch etwas Weiteres konnte schon Conze nicht ent- gehen. Dieser geometrische Stil stimmt mit seinem Ornament- system im großen und ganzen mit den Zieraten überein, mit denen die alten Tongefäße und Erzgeräte im mittleren und nördlichen Europa geschmückt zu sein pflegen. Damit eröffneten sich neue Perspektiven in weitere Zusammenhänge. War der geometrische Stil ein gemeinsames Erbgut der ganzen arischen Völkerfamilie? Stellte er eine besondere europäische Ausprägung der arischen Ornamentik dar? War er nach Griechenland vom Norden her infolge jener Völkerschiebungen gedrungen, die wir unter dem viel zu engen Namen der dorischen Wanderung zusammenfassen und in die Jahrhunderte, die den Anfang des letzten vorchrist- lichen Jahrtausends umgeben, zu setzen pflegen? Namentlich diese letztere Auffassung fand großen Anklang und herrscht wohl auch heute noch im allgemeinen. Wir können erst später (S. 208 f.) erwägen, ob nicht eine etwas abweichende Anschauung noch größeren Anspruch auf Wahrscheinlichkeit erheben kann. Einstweilen müssen wir die Blicke über das griechische Gebiet hinaus auf die weiten Gefilde der prähistorischen Forschung richten.
Unter dem übel gebildeten Namen Prähistorie versteht man bekanntlich die Erforschung der Urzeit, in die keine schrift- liche Überlieferung zurückreicht. An ihr haben je nach dem
Geometrischer Stil. Prähistorie. Jüngere Steinzeit 203
verschiedenen Gesichtspunkt gar verschiedene Wissenschaften teil, die Anthropologie, die Ethnologie, die Kulturgeschichte. Deren Gesichtspunkte liegen unserer Betrachtung ebenso fem, wie bei- spielsweise bei der Numismatik die Fragen der Währung, des Handels, der Geschichte. Ob Rund- oder Langschädel, ob Ver- brennung oder Bestattung, ob Hockergräber, die Art der Lebens- weise, der Kleider und Geräte — alles das berührt die Kunst - archäologie nicht; ihr kommt es nur auf die Äußerungen und Schöpfungen des Kunstgefühls jener Völker der Vorzeit an.
Die Aufmerksamkeit auf die vorzeitlichen Überreste ist schon früh wach geworden, besonders im Norden, wo der altertümliche Kulturzustand sich viel länger erhalten hat und seine Überbleibsel augenfälliger sind. Skandinavien hat auch mit der wissenschaft- lichen Forschung zuerst eingesetzt. Im Jahre 1 832 stellte Christian Jürgen Thomsen in Kopenhagen die Scheidung der Vorzeit in drei gesonderte Kulturperioden auf, die Steinzeit, die Bronzezeit, die Eisenzeit, indem das hauptsächliche oder besonders charakte- • ristische Material den Perioden ihren Namen gab und damit zu- gleich den allmählichen Fortschritt bezeichnete. Die Berechtigung dieser Scheidung begegnete lange lebhaften Zweifeln, die aber heute als beseitigt gelten können. Damit ist also auch für die Betrachtung der künstlerischen Erzeugnisse (die jedoch in den einzelnen Perioden durchaus nicht auf das jeweilige Hauptmaterial beschränkt sind) der allgemeine Rahmen gegeben.
Zunächst stand die Steinzeit — später die jüngere Stein- zeit genannt — im Vordergrund. Sie spricht ihren Charakter am mächtigsten in ihren Bauten aus gewaltigen Steinblöcken aus, die hauptsächlich in Skandinavien und im westlichen Frankreich auftreten. Diese »megalithischen« Denkmäler stehen entweder zum Kultus in Beziehung — so die einzeln aufgerichteten Kolossal- blöcke (Menhir) oder die aus solchen Blöcken gebildeten Stein- i5 kreise (Cromlech) — oder sie bilden Gräber; so die einfachen Steinkammern (Dolmen) oder Steingänge mit gewaltigen Deck- 12 blocken, sodann die »Hünengräber« mit darüber geschüttetem 13 Erdhügel, endlich die großen unterirdischen »Riesenstuben«. In 14 allen diesen Bauten, deren Entstehung einen sehr großen Zeit-
204 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
räum umspannt, wirkt ausschließlich die Kolossalität des Materials; Kunstformen oder auch nur Glättung kennen sie noch nicht. Daneben treten am spärlichen Gerät Anfänge einer Ornamentik 13 auf, die ihre Anregungen nach einer freilich nicht ohne Wider- spruch gebliebenen Anschauung den Urkünsten des Flechtens und Webens entnimmt. Daher sind ihre Muster rein linear oder »geometrisch«.
Etwa um die Mitte des Jahrhunderts erweiterten sich Material und Forschung in doppelter Richtung: rückwärts nach der Urzeit, vorwärts gegen die Eisenzeit hin.
Dort trat der jüngeren die ältere Steinzeit zur Seite (die Bezeichnung paläolithisch und neolithisch rührt von John Lub- bock her). Der Hauptsitz der Funde und der Forschung ist Frankreich, das zur Eiszeit nur in ganz geringem Maße ver- gletschert, also immer für menschliche Ansiedlung geeignet ge- wesen ist. Hier eröffnete Jacques Boucher de Perthes in Abbe- ville durch seine Antiquites celtiques et antediluvlennes {\ 846 165) und seine Schrift De l'homme antedilavien et de ses oeuvres (1860) die Reihe der Beobachtungen über Steingeräte und andere Reste menschlicher Kultur in den Flußbetten des nördlichen Frankreichs. Andere Forscher, wie Ed. Lartet und Gabriel de Mortillet folgten seinen Spuren. Eine neue Wendung nahm die Forschung, als seit 1853 im südwestlichen Frankreich bedeutende Höhlenfunde stattfanden. Höhlen als Wohnstätten uralter Zeiten hatten schon vielfach die Aufmerksamkeit erregt, zuerst 1774 in Gailenreuth (Franken), später in Großbritannien, allmählich an vielen Stellen des mittleren und südlichen Europa. Jetzt lieferten die Departements der Dordogne und Charente und südwärts bis zu den Pyrenäen die reichsten Ergebnisse. In den Höhlen fanden sich Knochen von Höhlenbären, von Mammuttieren, von Nas- hörnern, von Renntieren, lauter Reste der Eiszeit, die insgesamt um viele Jahrtausende hinaufreichten, dabei aber verschiedene Perioden darstellten; man lernte allmählich die nach den ersten oder bedeutendsten Fundorten benannten Perioden von Chelles, Solutre, Madelaine unterscheiden. Auf menschliche Bewohner jener Höhlen in der Urzeit wiesen aber nicht bloß die roh be-
Ältere Steinzeit 205
arbeiteten Steingeräte (Tongefäße fehlten noch völlig), sondern vor allem die in jene Knochen von Mammut- und Renntieren eingeritzten Zeichnungen hin. Der erste Knochen mit eingeritzter Zeichnung war schon in den dreißiger oder vierziger Jahren in Chaffaud (Vienne) zum Vorschein gekommen, aber obschon er seit 1 85 1 im Pariser Musee de Cluny aufbewahrt ward, erkannte doch erst 1869 der dänische Altertumsforscher J. J. A. Worsaae seine Bedeutung. Damals hatten nämlich Ed. Lartet und Henry Christie, denen bald Ed. Piette und andere folgten, bereits ein reiches Material aus den Höhlen des Perigord (Grotte d'Aurignac, Madelaine, Laugerie Basse, Eyzies) zutage gefördert. Diese Knochen- zeichnungen sind von sehr verschiedenem künstlerischen Wert, 4/9 manche aber sind ebenso erstaunlich durch die Schärfe der Be- obachtung wie durch die Sicherheit in der Wiedergabe. Das größte Aufsehen erregten die im Kanton Schaffhausen in den siebziger (Keßlerloch bei Thaingen) und wiederum in den neun- ziger Jahren (Schweizersbild bei Schaffhausen) gemachten Funde, z. B. die meisterhafte Darstellung eines äsenden Renntieres. Die 7 Vollendung der Zeichnung erschien für jene Urzeit so unbe- greiflich, daß ein — leider durch einige Fälschungen genährter — Verdacht gegen die Echtheit laut ward. Er verstummte bald. Neuere Entdeckungen in Frankreich haben jene Werke fast noch übertrumpft, ja zu den Knochenzeichnungen sind auch Tier- gemälde auf den Wänden der Höhle von Fond de Gaume (Dor- 10 dogne) gekommen. Das lebhaft blühende Studium des Kunst- sinnes und der Kunstleistungen bei wilden Völkern hat das in seiner Vereinzelung unbegreiflich Erscheinende allmählich als allgemeingültig nachgewiesen. Eine höchst primitive Kunststufe schließt keineswegs künstlerischen Blick und treffende Wiedergabe aus: eine für die Ursprünge der Kunst wertvolle Beobachtung. Diese ältere Steinzeit war durch Jahrtausende, die durch die wechselnden Zustände der Eiszeit ausgefüllt waren, von jener jüngeren Steinzeit geschieden, zu deren kolossalen Steindenk- mälern sich nunmehr auch Holzbauten gesellten. Ein Jahr nach den ersten größeren Höhlenfunden, 1854, kamen in der Schweiz die ersten Pfahlbauten zum Vorschein, jene auf Pfählen und 11
206 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
hölzernen Rosten in die Seen hineingebauten Dörfer von Holz- hütten, deren Abfälle über die Lebensart der Bewohner Auf- schlüsse gaben. Rasch mehrten sich die Reste der Pfahldörfer und fanden sich bald auch außerhalb der Schweiz. Namentlich in der Poebene ward ein eifriges Studium auf die Pfahldörfer in den Seen {palafitte) und in der Ebene {terremare) verwandt, die hier schon die gradlinige Anlage der späteren italischen Städte (S. 154) aufwiesen. Die Sitte des Pfahlbaues vererbte sich übrigens aus der jüngeren Steinzeit bis in spätere hellere Perioden. Was von Geweberesten und von Töpfen in den Pfahl- is bauten gefunden worden ist, zeigt die oben besprochene geo- metrische Ornamentik, im Übergange zur Bronzezeit, der diese 23 ff. Zierformen insbesondere eigen sind. Auf einem weiten Ver- breitungsgebiete sind unzählige Erzgeräte von verschiedenen Formen und Zieraten zum Vorschein gekommen, die unter sich wiederum eine Scheidung in ältere und jüngere Werke erlauben. Im ganzen darf man für Südeuropa die Bronzezeit dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend zuweisen; ihr gehören auch die Er- zeugnisse der bald zu besprechenden mykenischen oder ägäischen Kunst an.
Schon etwas früher als die Höhlenfunde und die Pfahlbauten den Blick in die blauen Fernen der Geschichte richteten, waren Funde gemacht worden, die die spätesten Abschnitte der Vorzeit, die sogenannte Eisenzeit aufhellten. Der Name Eisenzeit weist bloß darauf hin, daß das früher ungebräuchliche Eisen nunmehr neben der Bronze für Waffen angewandt wird. In der Kunst- entwickelung hat das Eisen im ganzen Altertum keine Rolle von Belang gespielt, vielmehr ist auch in der Eisenzeit das Erz der Hauptträger der künstlerischen Tätigkeit geblieben.
Zuerst im Jahre 1846, dann etwa zwei Jahrzehnte hindurch, ward oberhalb Hallstatts, des malerisch zwischen See und Fels- absturz eingeklemmten Städtchens im Salzkammergut, ein altes Gräberfeld ausgebeutet, das der ganzen hier zuerst auftretenden Kunstart und Kultur den Namen der Hallstattkultur gegeben hat Künstlerisch betrachtet handelt es sich um einen Blechstil, dessen Formen und aufgeritzte Zierate eine besondere, Verhältnis- 700/1
Bronzezeit. Eisenzeit. Hallstatt und La Tene 207
mäßig späte Ausprägung des geometrischen Stils darstellen. Bald eoe fanden sich Zeugnisse der Hallstattkultur im ganzen Alpengebiet 699 und drüber hinaus, westlich bis nach Burgund, östlich bis nach Ungarn und Bosnien (Gräberfeld von Glavinac). Diese mittel- europäische Kultur, deren Ursprung sich ethnologisch noch nicht mit Sicherheit hat feststellen lassen (man denkt an die Illyrier), zeigte sich bald in besonders reicher Ausbildung und in mehr- fachen Entwickelungsstufen südlich der Alpen in den Polanden. Schon 1853 entdeckte Graf Gozzadini in Villanova bei Bologna einen solchen Begräbnisplatz mit Fundstücken älterer Art; 1865 697 folgte das benachbarte Marzabotto am Austritt des Reno aus dem Apennin, 1871 der ältere Friedhof bei der Certosa von Bologna, beides Vertreter eines jüngeren Stils mit reicher entwickeltem figürlichen Element. In Este waren beide Stadien der Entwicke- lung vertreten. Im ganzen glaubt man diese Hallstattkunst etwa der ersten Hälfte des letzten Jahrtausends vor Christo zuweisen zu dürfen ; sie ist also den älteren Jahrhunderten der griechischen Kunstentwickelung gleichzeitig.
Erst zuletzt kam auch eine jüngere Gestaltung der »Eisen- zeit« zum Vorschein. Schon 1862 war man bei den durch Napoleon IIL veranlaßten Ausgrabungen in Alesia (Alise Sainte- Reine) cäsarischen Angedenkens auf Reste einer besonderen Gattung von Kunstgegenständen gestoßen, denen bald bedeutende Funde ähnlicher Art in der Champagne zur Seite traten. Be- sondere Beachtung fanden die nach vereinzelten Vorläufern (1864) im Jahre 1876, bald noch öfter in La Tene am See von Neu- chatel vorgenommenen Ausgrabungen, die Zeugnisse einer ähn- lichen Kunstart zutage förderten. Daß diese sich von der Hall- stattkunst deutlich unterschied und offenbar jüngeren Ursprungs war, erkannte man bald; 1869 taufte Aug. W. Franks die neue Kunstart auf den Namen late Celtic, aber verbreiteter ist die etwa gleichzeitig von Hans Hildebrand erfundene und auf dem Stockholmer Prähistorikerkongreß von 1874 vorgeschlagene Be- zeichnung La Tene-Kunst geworden, im Gegensatz zur älteren Hallstattkunst. Diese La Tene-Kunst, die Nationalkunst der kel- 864 tischen Völker, hat ein beschränkteres Gebiet und eine beschränk-
208 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
tere Anwendung, insofern sie dem kriegerischen Charakter der Kelten gemäß zumeist bei Waffen auftritt. Auch in der ge- schmackvollen, gern in Schwingungen sich ergehenden Orna- mentik möchte man eine keltische Eigentümlichkeit erkennen. Die ganze Kunstart weicht im letzten vorchristlichen Jahrhundert der römischen; ihre Anfänge glaubt man bis etwa in die Mitte des letzten Jahrtausends hinauf datieren zu dürfen.
Natürlich sind die chronologischen Bestimmungen je weiter zurück, desto unsicherer, obgleich manche Gelehrte glauben auch für diese überlieferungslosen Zeiten die einzelnen Stufen der Ent- wickelung auf bestimmte Jahrhunderte verteilen zu können. Namentlich Oskar Montelius, einer der bedeutendsten Forscher auf diesem Gebiete, ist ein gewichtiger Vertreter dieser Ansicht. Auch darüber sind die Gelehrten nicht gleicher Meinung, ob der Norden durchweg unter südlichem Einfluß sich entwickelt habe oder ob vielmehr der Norden der spendende Teil sei; ob der Orient eingewirkt habe oder ob diese Annahme nur eine Luftspiegelung sei; ob der Anteil an der ganzen Entwickelung nicht vielleicht gleichmäßiger über Nord und Süd zu verteilen sei. So viel scheint sicher, daß die Chronologie der einzelnen Kultur- stufen nach den Gegenden sehr verschieden ausfällt. Im Norden hält sich beispielsweise der geometrische Stil bis zum Eindringen des Christentums, während er in Südeuropa in den ersten Jahr- hunderten des letzten Jahrtausends schwindet und seine Haupt- blüte in das zweite Jahrtausend fällt. In diesen Zeiten haben wir nun oben (S. 202) das Auftreten des geometrischen Stils in Griechenland kennen gelernt. Ist dieser wirklich erst spät mit der »dorischen Wanderung« vom Norden dort eingedrungen? Wir werden gleich sehen, daß im zweiten Jahrtausend in dem griechischen Gebiet ein ganz abweichender Kunststil herrschte, ein Stil der vornehmen Welt der griechischen Heroenzeit. Aber schließt ein solcher Sonderstil die gleichzeitige Existenz eines in ganz Europa herrschenden, seiner ganzen Art nach ohne Zweifel primitiveren Stils für die griechischen Lande aus? Gewiß ist die neuerdings ausgesprochene Vermutung höchst beachtenswert, daß neben jener Herrenkunst immer der geometrische Bauernstil als
Alter des geometrischen Stils. Heinrich Schliemann 209
Unierströmung hergegangen und erst nach dem Zusammenbruch der Heroenwelt allein an die Oberfläche getreten sei. Einzelne tatsächliche Beobachtungen scheinen sie zu unterstützen. Täuscht nicht alles, so gehört dieser Auffassung die Zukunft.
Während sich so der Ausblick ins Unermeßliche erweiterte und früher ungeahnte Fäden die griechische Kunstübung rückwärts mit der des übrigen Europas zu verknüpfen schienen, trat auf dem griechischen Gebiete selbst etwas ganz Neues ein. Ich spreche von Heinrich Schliemann, dessen Name eine ganze Epoche bezeichnet.
Noch ist der Kampf um Schliemann nicht ganz zur Ruhe gekommen. Sind auch die Stimmen derer, die sich anfangs ganz ablehnend gegen ihn verhielten, längst verstummt, so erschallen doch noch immer gelegentlich, besonders von selten derer, die archäologischer Wissenschaft fernstehen, Jubelhymnen, die in blinder Vergötterung in Schliemann das Ideal eines Forschers feiern. Man wird heutzutage seine Verdienste und seine Mängel, so weit diese der Wissenschaft fühlbar geworden sind, ruhig gegeneinander abwägen und ein unparteiisches Urteil fällen können, der Zustimmung wenigstens derer sicher, denen ein wissenschaft- liches Urteil über archäologische Fragen zusteht
Heinrich Schliemann begeisterte sich schon als Knabe für die homerischen Gedichte und entwarf bereits in seinem achten Jahre den Plan einmal Troja auszugraben. Vierzehn Jahre alt trat er 1836 als Lehrling in einem Kaufladen niedrigsten Ranges ein, brachte es aber in 27 Jahren zum reichen Großhändler in St. Petersburg, ohne je die Ideale seiner Jugend aus dem Sinne zu verlieren. Er hatte schon die Mitte der vierziger Jahre über- schritten, als er sich 1868 zum erstenmale auf eine Entdeckungs- reise nach den homerischen Stätten begab. Nunmehr stand ihm sein Lebensziel fest: die Wiederentdeckung der homerischen Welt, an deren volle Realität bis in jede Einzelheit er so fest wie an das Evangelium glaubte. So begann er jene Reihe von Unternehmungen, deren einzelne Erfolge alsbald mit einer vorher
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 14
210 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
und nachher unerhörten Reklame der staunenden und eben wegen dieser Reklame manchmal etwas mißtrauischen Welt verkündigt wurden. Im Jahre 1871 ward zuerst der Spaten in Troja an- gesetzt; 1874 folgte Mykenä, 1878 von neuem Troja, 1880 Or- chomenos, 1884 Tiryns, 1890 nochmals Troja.
Wenn je, so bewährte sich hier, daß der Glaube selig macht Er verlieh Schliemann eine Wünschelrute um die verborgenen Schätze aus dem Boden zu locken und leitete ihn auch in der Wahl der Stellen, wo er graben ließ. Damals glaubte alle Welt, das homerische Troja habe auf der Höhe von Bunarbaschi, über dem Austritt des Skamandros in die Ebene, das neue Ilion der hellenistischen Zeit auf dem Hügel von Hissarlik gelegen; Schlie- mann grub, von Frank Calvert aufmerksam gemacht, in Hissarlik und — fand das alte Troja. In Mykenä würde nicht leicht irgend jemand auf den Gedanken gekommen sein, unmittelbar hinter dem Löwentor zu graben; ein Mißverständnis der Worte des Pausanias bewog Schliemann hier nach den Gräbern der Atriden zu suchen — und er fand, wenn auch nicht gerade diese, so doch eine noch ältere, noch überraschendere Gräberstätte. In Tiryns lag anscheinend eine so dünne Erdschicht über dem Felsen, daß eine Ausgrabung kaum Lohn zu versprechen schien; Schliemann griff sie an — und legte das Muster einer homerischen Herrenburg bloß.
Neben dem festen Glauben an seinen Homer, an dessen Beschreibungen er den Maßstab der Zuverlässigkeit und Genauig- keit eines Generalstabwerkes anlegte, war es die Begeisterung für die Ideale seiner Jugend, ferner eine große Liberalität, die ihn jährlich etwa 100000 Mark für seine Unternehmungen aufwenden ließ, endlich eine unermüdliche Energie und Zähigkeit in der Durchführung des Unternommenen, was ihn auf der Bahn des Ruhmes von Erfolg zu Erfolg führte. Und das Ergebnis selbst war nichts Geringeres als die Wiederentdeckung einer ver- sunkenen, allem bisher Bekannten vorausliegenden Welt, man darf sagen: der homerischen Welt, wenn auch nicht in so wört- lichem und so engem Sinne wie Schliemann selbst es auffaßte. Stets wird die Wissenschaft Schliemann für dies unleugbare und
Schliemanns Ausgrabungen 211
unschätzbare Verdienst dankbar bleiben; sein Name ist mit dieser homerischen Welt für immer verknüpft, und gern wird man auch der edlen Griechin gedenken, die hochherzig alle Sorgen und Mühen, dafür auch alle Erfolge und allen Ruhm mit ihrem Gatten geteilt hat.
Aber die glänzende Schaumünze hat auch ihre Kehrseite. Seiner ganzen Anlage wie seiner Vorbildung nach stand Schliemann jeder wissenschaftlichen Betrachtungs- und Behandlungsweise völlig fremd gegenüber. Er hatte weder für die Geschichte Sinn, noch, wie seine Gleichgültigkeit gegen den praxitelischen Hermes zeigen kann, für die Kunst; Urzeit, Kuriositäten, vage Vorstellungen er- schöpften sein Interesse. Er war eben ein Dilettant im doppelten Sinne des Wortes, sowohl in dem guten eines für seine Lieb- haberei begeisterten und opferfreudigen, wie in dem anderen eines methodelos und ohne gründliche Kenntnis seine Ziele ver- folgenden Mannes. Er war Dilettant in architektonischen wie in archäologischen Dingen; er war Dilettant auch im Ausgraben, ohne eine Ahnung, daß es eine Methode und feste Technik dafür gebe. Ihm erschien es selbstverständlich, daß die Zeugnisse der homerischen Vorzeit nur in der größten Tiefe gesucht werden dürften. So kam es, daß er wohl in Hissarlik die Stätte des alten Troja erkannte, aber in ungezügeltem Tiefensinn seine Schachte so unaufhaltsam in den Berghügel hineintrieb, daß er die wirk- lich homerische Burg fast unbeachtet liegen ließ. Er machte erst Halt bei der zweituntersten Kulturschicht, wo er die Reste der »gebrannten Stadt« aufdeckte, seiner Meinung nach das von den Griechen zerstörte Troja, in Wirklichkeit eine viel ältere, viel primitivere Ansiedelung. In Mykenä standen noch unter einer nicht allzu tiefen Erddecke die Grabreliefplatten aufrecht, die 207 Schliemann, um in die Tiefe der darunter liegenden Schachtgräber zu dringen, rücksichtslos, »nicht ohne die größte Anstrengung«, ausheben und fortschaffen ließ, ohne auch nur ihre Stelle und damit ihre etwanige Beziehung zu den einzelnen Gräbern darunter festzustellen. In Tiryns war Schliemann nahe daran die Mauern des Palastes zu zerstören, weil er in ihnen Kalkmörtel, das ge- wöhnliche Kennzeichen römischer oder mittelalterlicher Bauten,
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212 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
zu erkennen glaubte. Noch zu rechter Zeit kam Dörpfeld hinzu und rettete die kostbaren Überbleibsel, indem er in dem ver- meintlichen Kalkmörtel den Rest durch Brand beschädigter und zersetzter Marmorplatten erkannte.
Noch in einer anderen Beziehung zeigte sich Schliemanns Dilettantentum. Seine Berichterstattung strotzte von Sonderbarkeiten, z. B. der Vorliebe für die kuh- und eulenköpfigen Göttinnen, die er in harmlosen »Oesichtsurnen« und ähnlichen Bildungen erblickte. Aber wenn das auch beim großen, ebenso dilettantischen Publikum Eindruck machte, darüber ließ sich hinwegsehen. Seine Berichte waren ja nicht minder reich an tatsächlichen Angaben, z. B. über die Tiefe, in der jede einzelne Scherbe gefunden worden sei. Da jedoch nach dem Bericht eines Augenzeugen diese An- gaben erst am Abende jedes Arbeitstages aufgeschrieben zu werden pflegten, so erhellt leicht, wie geringer Wert dieser scheinbaren Genauigkeit beizumessen ist. Überhaupt ist Belgers Wort, Schlie- manns ältere Berichte (die »Trojanischen Altertümer«, »Mykenä«, »Ilios«) seien »trostlos«, vollberechtigt. Die Wissenschaft hat längst darauf verzichtet sie als schlechthin zuverlässige Urkunden gelten zu lassen, und hat sich genötigt gesehen, wo sie ihrer bedarf, scharfe Kritik zu üben. Die Berichterstattung wird, ebenso wie die Ausgrabungen selbst, erst völlig zuverlässig und wissen- schaftlich brauchbar, seitdem statt der von Schliemann gern herbeigerufenen Eideshelfer, wenn auch noch so berühmten Namens, so doch aus fremden Wissensgebieten, sachkundige Fach- leute zur Arbeit und zum Bericht herangezogen wurden. Unter ihnen gebührt Dörpfeld die erste Stelle. Er hat die Überreste von Tiryns nicht bloß gerettet, sondern auch sozusagen reinlich präpariert und nach allen Seiten verständlich gemacht; er hat die Architektur Trojas zuerst aufgehellt und nach Schliemanns Tode in der zweitobersten Schicht des Ruinenhügels von Hissarlik das »homerische« Troja aufgedeckt, so weit die hellenistische Stadt es nicht zerstört hatte. Leider hat Dörpfeld an den mykenischen Ausgrabungen noch keinen Teil gehabt, und die ausführlichen Tagebücher des griechischen Aufsehers Panagiötes Stamatäkes, die ohne Zweifel authentische Kunde bergen, sind bisher bis auf
Schliemanns Ausgrabungen. Troja 213
wenige Mitteilungen der allgemeinen Kenntnis entzogen geblieben; einigen Ersatz bieten die späteren Grabungen und Ermittelungen des auf diesem Gebiete vorzüglich bewährten Chrestös Tsüntas.
Die Ergebnisse der Schliemannschen Ausgrabungen sind durch populäre Darstellungen und durch Handbücher so allgemein be- kannt, daß wenige Andeutungen hier genügen werden.
Der Burghügel von Troja weist, auf eine Höhe von nur etwa 20 Meter verteilt, eine ganze Reihe von Schichten auf (Schlie- mann zahlte sieben, neuerdings unterscheidet man neun), die von unten nach oben die Geschichte der Ansiedelung von der Urzeit bis in die Römerzeit verfolgen lassen. Schliemanns Ziel war, wie schon gesagt, die zweitunterste Schicht, in der er sein homerisches Troja zu finden glaubte. Die Burgmauer kam zutage mit dem »skäischen Tore«; der »Palast des Priamos«, der in seinem Saale 155 mit der Vorhalle und mit einem Hofe davor die Urform des späteren griechischen Hauses darbot; der goldene »Schatz des Priamos« mit Goldschmuck von sehr einfachen Formen; endlich eine Unmasse von Tongefäßen und Scherben, die durchweg einen 19 höchst primitiven Charakter aufwiesen. Mit den Schilderungen der homerischen Gedichte hatte der hier aufgedeckte Kulturzustand fast nichts gemein. Der ganze Fund muß vielmehr als uralt gelten, weit zurückliegend hinter dem, was wir mittlerweile, in- folge weiterer Entdeckungen Schliemanns, als »homerisch« erkannt haben; er reicht ohne Zweifel bis in das dritte Jahrtausend hinauf.
Nachdem dann Mykenä und Tiryns aufgedeckt worden waren, kehrten zuerst 1890 Schliemann und Dörpfeld, 1893/94 (Schlie- mann war 1890 gestorben) nochmals Dörpfeld allein zu den trojanischen Ausgrabungen zurück, und nunmehr gelang es Dörpfeld in der zweitobersten Schicht das »homerische« Troja nachzuweisen, das heißt diejenige Ansiedelung, die nach ihrem ganzen Charakter den soeben genannten beiden Burgen entspricht; man hatte sich inzwischen gewöhnt dies als »mykenischen« Charakter zu bezeichnen. Leider war der ganze mittlere Teil dieser Burg schon im Altertum zugunsten der neuen Stadt llion beseitigt worden, von deren Athenetempel schon Schliemann eine
214 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
schöne Metope mit dem auffahrenden Helios aufgefunden hatte. So waren von dem »mykenischen« Troja nur der mächtige Mauer- kranz und mehrere Säle (Megara) geblieben, von denen einer die 195 damals noch seltene zweischiffige Anlage aufwies, ohne daß wir deshalb darin einen Tempel zu erkennen brauchen; geschlossene Tempel hat die griechische Welt erst im letzten Jahrtausend vor Christo gekannt (S. 149).
Viel einfacher und klarer lagen die Verhältnisse in Tiryns, einer Burg die man wegen ihrer Gestalt und Lage ein unendlich verkleinertes Orvieto nennen möchte. Es ist ein isolierter niedriger Fels in Gestalt einer Schuhsohle, rings mit kyklopischen Stein- 191 mauern umkleidet, die schon in der homerischen Erwähnung der »fest ummauerten Tiryns« ihren gewaltigen Eindruck bezeugen. Die Oberfläche ist geteilt in die etwas höher gelegene südliche Herrenburg und in eine nördliche, erst kürzlich ohne besonderen Erfolg untersuchte Hälfte. Jene bot das überaus übersichtliche
9 Bild eines homerischen Herrensitzes: festen Mauerschutz mit 194 einem Turm am Tore; einen überwachbaren Eingang mit mehr- fachen Torverschlüssen und einen Nebenausgang mittelst einer
9 Treppe auf der Rückseite; einen Hof mit Torbau und Hallen; 193 daneben in der Dicke der Mauern Gänge mit kasemattenartigen Vorratsräumen, als welche sich die längst bekannten Galerien (S. 31) erwiesen; ein doppeltes Wohnhaus, für Männer und Frauen, durch ein Gewirr von Gängen, wie in den Palästen Assyriens, geschieden und verbunden. In der Männerabteilung leitet ein eigener Torbau über zu dem gepflasterten Hofe mit dem Haus- altar und mit umgebenden Hallen. Von einer der Hallen führt ein kurzer Weg zu dem geradezu luxuriösen Badezimmer; seinen Boden bildet ein einziger Stein von zwölf Quadratmetern, die tönerne Badewanne war mit aufgemalten Ornamenten geschmückt. Der Eingangsseite des Hofes gegenüber liegt die tiefe Säulen-
9 Vorhalle des Palastes, die durch ein verschließbares Vorgemach in den Männersaal, das Megaron, führt; vier hölzerne Säulen, die die Decke trugen, umgaben den runden Herd, über dem ein luftiger Oberbau dem Rauche seinen Abzug gestattete. Die mar- mornen Friese des Saales, die Standplatten für die sich nach 179
Tiryns. Mykenä 215
9 unten verjüngenden hölzernen Säulen mit ihrem wulstigen Kapitell, iss die Überreste von Wandmalereien, ornamentalen und vereinzelt auch figürlichen Charakters, vervollständigen das Bild. Hier mutet 197 alles homerisch an. Von selbst bevölkert die Phantasie die Räume mit homerischen Szenen: sie sieht Telemachos einfahren in den Hof mit den »tönenden Hallen«; sie geleitet den er- müdeten Ankömmling zum erquickenden Bad »in schöngeglätteter Wanne«; sie erblickt Arete »an die Säule gelehnt« am Herde des Saales sitzend, in dem Demodokos seine Lieder erschallen läßt; sie schaut Odysseus mit dem Sohne, wie sie von der Schwelle die todbringenden Geschosse in die Schar der schmausenden Freier entsenden. Freilich sind es nur die Idealschöpfungen der Dichtung, die man gern in die zu ihnen passende Umgebung hineinstellt, während prosaischer oder gläubiger angelegte Naturen alles für bare Münze zu nehmen geneigt sind und, weil das »Milieu« stimmt, nun auch die Erzählungen der Sage oder der Dichtung für wirkliche Begebenheiten halten. Liegt die Frauen- wohnung in Tiryns noch nicht, wie in Odysseus Palast, im Oberstock, sondern zu ebener Erde, so führt das auf einfachere Verhältnisse zurück, als sie den jüngeren Dichtern der Odyssee geläufig waren. Haben sich doch in Tiryns selbst Spuren eines späteren Umbaues auffinden lassen.
Wenn der Fürstensitz in Tiryns mit seinem köstlichen Aus- blick auf das nahe Meer einen heiteren Eindruck macht, so stimmt in dem an düsteren Sagen so reichen Mykenä alles — Lage, Überbleibsel, Erinnerungen — ernster. Die völlige Aufräumung
8 des »Atreusgrabes« und einiger ähnlicher unterirdischen Grab- 203 gewölbe haben den großartigen Charakter dieser alten Fürsten- gräber, deren ernste einheitliche Wirkung mit der des römischen Pantheon den Vergleich aushält, weit deutlicher enthüllt und auch
8 für den Metallschmuck des Kuppelraumes, sowie für die reiche,
8 in verschiedenen Farben ausgeführte Schmuckfassade des vornehm hohen Portals festere Anhaltspunkte ergeben. Für die fehlende (204) Steindecke der inneren Grabkammer bot der gleiche Raum des
9 »Minyasgrabes« in Orchomenos, mit seinem an ägyptische Muster anklingenden Bandgeflecht mit Pflanzenfüllung, vortrefflichen Er-
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7 satz. Auch das altbekannte Löwentor gewann durch völlige Bloß- 206 legung bis zur steinernen Schwelle gewaltig an Wirkung.
Während die Oberburg bei ähnlichen Orundzugen viel ärgere Zerstörung als in Tiryns aufwies, lieferte der mit einem Platten-
7 ring umschlossene Grabbezirk hinter dem Löwentor, der gleich diesem erst später in die Burgbefestigung einbezogen worden war, die größten Überraschungen. Tief unter jenen Grabsteinen (S. 211) deckte Schliemann fünf Schachtgräber auf (ein sechstes kam später hinzu), von denen namentlich zwei mit ihren gold- bedeckten Leichen und ihrem sonstigen reichen und eigenartigen Goldgeräte den homerischen Ruf des »goldreichen Mykenä«
8 vollauf rechtfertigten. Eine Fülle ornamentaler Goldbleche kam iss zum Vorschein, mit zum Teil ganz ungewöhnlichen Darstellungen,
z. B. Tintenfischen und Schmetterlingen, die dem Rund mit feinem Raumsinn angepaßt waren; ein hochaltarähnliches Heilig- tum mit Tauben; Becher, die uns die homerischen Beschreibungen 202 lebendig machen; starre Gesichtsmasken, die nach weitverbreitetem Brauche die Gesichter der Toten bedeckten; ein silberner Kuh- kopf von lebendigster Arbeit, dem ein anderer Laerkes die Hörner mit Goldblech bekleidet hatte; das Bruchstück eines Silbergefäßes, 211 dessen belebte Schilderung eines Kampfes vor der Burg an eine berühmte Szene des homerischen Achilleusschildes erinnert. Das AllervoUendetste freilich sollte erst später (seit 1880) bekannt werden, als im athenischen Museum die Findigkeit und Geschick- lichkeit von Athanasios Kumanüdes einige mykenische Dolch- klingen von ihrer Rostkruste befreite und darunter vollendete iv Darstellungen in eingelegter Arbelt zum Vorschein brachte: Gold, Silber, Weißgold sind in feinster Verbindung zur Schilderung bald von Kriegern auf der Löwenjagd, bald von einer Katze oder einem Wiesel auf dem Vogelfang im Röhricht eines fischreichen Flusses benutzt worden.
Viele dieser Goldgeräte zeigten eine eigentümliche Orna- mentik. Sie ward noch deutlicher kenntlich auf den zahlreichen Tonscherben, die sich auch an diesem alten Kulturplatze fanden, v Ganz abweichend von allem bisher Bekannten, besonders in scharfem Gegensatze gegen den geometrischen Stil, mit dem sie
Mykenä. Art und Verbreitung des »mykenischen« Stils 217
nur einige Spiral- und Buckelmotive gemein hat, war diese Orna- mentik dem Seeleben entlehnt. Seepflanzen scheinen vom Wasser in schwankende Bewegung gesetzt zu werden; Tintenfische mit ausgreifenden Fangarmen, Muscheln und anderes Getier des Mittel- meeres bewegen sich dazwischen herum. Auch an phantastischen Seewesen fehlt es nicht; nur selten wagt sich die Kunst in anderes Gebiet und schildert beispielsweise dürre, spitznasige, »helmbusch- schüttelnde« Krieger, den großen achtförmigen Schild aus Ochsen- 214 haut am Arme. Im ganzen gewinnen wir den Eindruck eines »Jugend«stils, frisch in der Beobachtung, frisch in der Wieder- gabe; die pflanzh'chen Teile sind zwar stilisiert, aber ganz entfernt von der erstarrten Formgebung der Pflanzen im »orientalisieren- den« Stil. Es lassen sich auch deutlich ältere und jüngere, ein- 8 fächere und kunst- und geschmackvollere Erzeugnisse unterscheiden. Das weist auf eine lange Dauer des Stiles hin; und doch muß man ihm eine rechte Entwickelungsfähigkeit absprechen. Es scheinen also bestimmte konservative Einflüsse angenommen werden zu müssen, um die lange Dauer zu erklären.
Kaum war die mykenische Vorzeit in der Argolis erschlossen worden, so fanden sich bald aller Orten — ähnlich wie es beim geometrischen Stil gegangen war — neue Belege. Der Boden schien nur darauf gewartet zu haben, um seine Schätze zu er- schließen. Zunächst kam das Nachbarland Attika an die Reihe. Schon 1877 wurden »mykenische« Gräber südlich vom Pente- likon in Spata, dem alten Demos Erchia, 1880 ein »mykenisches« Kuppelgrab mit ähnlichem Inhalt in größerer Nähe Athens, in Menidi, dem alten Köhlerdorf Acharnä aristophanischen Ange- denkens, aufgedeckt. Die »mykenischen« Fundstellen tauchten demnächst an der ganzen Ostküste Griechenlands von Thessalien bis nach Lakonien auf. Auf einer Insel der Kopais in Böotien überraschten die Reste eines »mykenischen« Herrensitzes, viel- leicht des alten früh verschollenen Arne. In Lakonien gelang ein Fund ganz besonderer Art, als 1888 der bereits in Mykenä erprobte Chrestös Tsüntas bei Baphiö, südlich von Sparta, an der Stelle des alten achäischen Herrensitzes Pharis, ein ver- schüttetes Kuppelgrab öffnete und daraus zwei Goldbecher mit
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kräftigen Reliefs hervorzog. Friedliche Stiere im Walde und 8 Stiere im Kampfe mit Menschen, die sie mit Stricken und Netzen 210 zu fangen suchen (wiederum Gegenstücke wie in der homerischen Schildbeschreibung), zeigten das technische Geschick und die realistische Beobachtung der »my kenischen« Zeit auf einer seltenen Höhe wirklich künstlerischen Vermögens. Aber die Spuren dieser Kunst machten nicht an den Küsten Griechenlands Halt »My- kenische« Vasen und Vasenscherben fanden sich bald über die ganze Inselwelt des ägäischen Meeres und darüber hinaus bis nach Kypros verbreitet; es war ein verdienstvolles Werk Adolf Furtwänglers und Georg Löschckes rasch eine große Veröffent- lichung zu veranstalten. Seither hat sich das Verbreitungsgebiet dieser Kunst noch immer erweitert, z. B. längs den Küsten Italiens, vereinzelt sogar bis nach Spanien. Soviel war klar: es handelte sich um eine Kultur von langer Dauer und weiter Ver- breitung.
Daß diese Kultur älter und reicher war als der in Griechen- land durch die sogenannte dorische Wanderung hervorgerufene Kulturzustand, der mehrerer Jahrhunderte bis zu den Anfängen wirklicher hellenischer Kultur bedurfte; daß die neugefundene Kunst mit ihrer technischen Vollendung und ihren festen, zum Teil vortrefflichen Formen allem Figürlichen der eigentlich helleni- schen Kunst vorauslag — darüber konnte unter Kundigen nie ein Zweifel bestehen. Man mußte also diese Kunst vor den Anfang der griechischen Geschichte, in das zweite Jahrtausend zurück- versetzen. War es die lange gesuchte homerische Kunst?
Wie zuerst der frühverstorbene Wolfgang Reichel 1894 klar erkannte, muß man unterscheiden zwischen der Zeit der ionischen Sänger, denen wir die homerischen Gedichte in der uns vor- liegenden Form verdanken, und der Zeit, in der der Inhalt der Gedichte spielt. Die Sänger fanden einen älteren Sagenstoff vor, der wirklich in jener geschilderten Heldenzeit seinen Ursprung hatte, auch wohl schon hie und da eine feste Ausprägung er- halten haben mochte, dem aber sie erst die dichterische Form
Verbreitung des »mykenischen« Stils. Homerische Kunst 219
ihrer Zeit und ihres Stammes verliehen, natürlich nicht ohne viel- fache Züge dieser ihrer Gegenwart hineinzumischen. So gilt es in den Gedichten die Bestandteile der alten — sagen wir nach homerischer Weise: der achäischen — Heroensage des zweiten Jahrtausends von den ionischen Zusätzen zu scheiden. Oft helfen uns dabei der Inhalt, der Charakter der Motive, der Ton der Darstellung, das Frischere oder Formelhaftere der Schilderung, oft aber bieten uns die Kunstwerke die sicherste Hilfe. Um nur ein schlagendes Beispiel anzuführen: die »mykenische« Kunst kennt ebensowenig wie die älteren Bestandteile der Ilias die ioni- schen runden Metallschilde, sondern nur die großen achtförmigen iv
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oder kleinere halbmondförmige Schilde aus Rindsfell; wo wir jenen mit allem ihrem Zubehör begegnen, da dürfen wir sicher sein, daß wir es mit ionischer Neudichtung zu tun haben. Die neugefundene »mykenische« Kunst war also nicht die Kunst, die die homerischen Sänger loniens selbst vor Augen hatten, wohl aber die Kunst jener vergangenen Herrschergeschlechter, zu deren Ruhm sich alle die Sagen gebildet hatten, aus denen die ionischen Dichter mit dem Sagenstoff zugleich die Farben und die Zu- stände der Heldenzeit entlehnten. Man durfte sie also getrost die Kunst des homerischen Heldenalters nennen.
In der homerischen Poesie wie in der »mykenischen« Kunst spielt das Gold, das doch auf griechischem Gebiete nur selten vorkommt, eine bedeutende Rolle. Auch das Elfenbein, also ein sicher fremdes Produkt, ist sowohl Homer wie beispielsweise den Funden von Spata bekannt. Löwen kannte Griechenland so wenig wie Katzen oder wie Papyrusstauden; Homer kennt so gut wie die Kunstwerke Löwen, die Kunst auch die beiden anderen, falls diese wirklich auf der einen Dolchklinge gemeint sind. Also fremde Elemente waren der Kunst beigemischt; handelte es sich etwa um importierte Ware? Dieser Gedanke tauchte in der Tat auf, so lange man der neuentdeckten Frühzeit noch wie einem überraschenden Novum gegenüberstand, ihr nur Unvollkommenes zutraute und den weiten Umkreis ihrer Kultur noch nicht über- sah. Alle Zweifel mußten aber schwinden gegenüber der Ein- heitlichkeit der Ornamentik und des Stils in Werken verschieden-
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sten Stoffes und Wertes (die höchst auffällige Bildung und Tracht 8 der mageren Menschen z. B. ist die gleiche auf Wandgemälden, iv Goldbechem, Tongefäßen, geschnittenen Steinen), vollends ange- au sichts der Tatsache, daß eine solche Gleichheit über weit zerstreute Fundstätten verbreitet ist; namentlich die Tonscherben bezeugen die Allgegenwart der gleichen Kunst Also eine einheimische Kunst mußte es sein, eine Kunst, die ja auch den alten Sagen geläufig war — darüber hörte nach und nach aller Streit auf. Jene fremden Elemente in der »mykenischen« Kunst bedurften somit einer anderen Erklärung: es mußten Berührungen mit der Fremde bestanden haben. Newton war es, der zuerst in »myke- nischen« Schichten auf Rhodos ägyptische Skarabäen (geschnittene Steine in Käferform) bemerkte, die dem 15. Jahrhundert ange- hörten. Nun hatte die Ägyptologie unlängst aus alten Urkunden alte und lebhafte Beziehungen zwischen Ägypten und den »Inseln des Meeres« aufgedeckt, Beziehungen kriegerischer Art, die aber natürlich Handels- und Kultureinwirkungen nicht ausschlössen. Wenn aber einerseits auf »mykenischem« Gebiet ägyptische Ware auftrat und Erscheinungen wie die Katze im Papyrusröhricht auf- zuklären geeignet war, so traten andrerseits in Ägypten unter Amenophis III. und IV., d. h. in der ersten Hälfte des 14. Jahr- hunderts, deutliche Spuren »mykenischer« Einwirkungen zutage. Namentlich die Lieblingsresidenz des letzteren reformfreudigen Königs, Tell-el-Amarna, zeigte Werke eines von allem herkömm- lich Ägyptischen abweichenden Stils (s. Kap. X). Ein Estrich- 4 boden des Palastes stellt Tiere im dichten Röhricht dar, die an 93 Lebendigkeit und Feinheit mit jener Dolchklinge wetteifern. »Mykenische« Tonscherben haben sich mehrfach in Ägypten ge- funden. Also ein Handelsverkehr und ein Kulturaustausch zwischen Ägypten und den griechischen Völkern des Inselmeeres steht für jene Zeit fest. Keineswegs aber war in diesem Verkehr das alte Kulturland Ägypten das vorzugsweise gebende; wenn man z. B. die mykenischen Dolchklingen mit einer ägyptischen iv etwa um 1500 entstandenen vergleicht, so wird man leicht der großen Überlegenheit der ersteren inne. Ägyptens Kunst stand damals bereits unter dem Zeichen des Alterns. Grade die »my-
Ursprung der »mykenischen« Kunst 221
kenischen« Einwirkungen flößten mit ihrer frischen Kraft der erstarrenden ägyptischen Kunst noch einmal etwas frischeres Leben ein, während diese auf die innerlich lebendigere »mykenische« Kunst höchstens einige Äußerlichkeiten übertrug. Nach der kurzen Episode Amenophis IV. (1375 — 1358), bei der nachfolgenden schroffen Reaktion, scheinen die fremden Einflüsse mehr und mehr zurückgegangen zu sein. Sie lassen sich in Ägypten nur ver- einzelt über das 13. Jahrhundert hinaus nachweisen, mögen nun die innerägyptischen Verhältnisse, mögen internationale Ver- wickelungen, mag der Zusammenbruch der »mykenischen« Kul- turwelt das Ende herbeigeführt haben.
Dies Verhältnis zu Ägypten bekräftigt den Eindruck, den die Überbleibsel der »mykenischen« Kultur selbst machen müssen. Die Kultur der Inseln und Küsten des ägäischen Meeres erweckt die Vorstellung von einer machtvollen und glänzenden Entfaltung selbständiger Eigenart und frischer Kraft. Wir dürfen voraus- setzen, daß die kostbare Kunst der achäischen Herrschergeschlechter, an der die dienenden Leute höchstens im Tongeschirr teilhaben mochten, so lange gedauert hat wie die Herrschaft dieser home- rischen Helden selbst, d. h. bis zu den langjährigen Völker- schiebungen der »dorischen Wanderung«. Als diese Griechenland überschwemmt und mit den noch verborgenen Keimen großen Fortschritts doch zunächst bedeutend rohere Zustände herbeige- führt hatten, da erloschen bald auch die letzten Spuren jener hochentwickelten Kultur, und diese lebte nur noch in den Sagen der heroischen Vorzeit fort. In der Kunstübung ward alle jene vornehme Pracht durch die ärmliche Bauernkunst des geometri- schen Stils verdrängt, mag diese nun das mitgebrachte Gut der neuen Einwanderer, oder mag sie vielmehr, wie wir lieber an- nehmen möchten (S. 208), die alte, schon neben der »mykeni- schen« Herrenkunst im stillen fortvegetierende und nun zur Allein- herrschaft gelangende mitteleuropäische Volkskunst dieser Gebiete gewesen sein.
222 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
Sobald wir die »mykenische« Kultur kennen gelernt hatten, mußte sich die Frage nach ihrem Ursprung, ihren Hauptträgem erheben. Von dem ersten Fundort Mykenä hatte sie ihren Namen bekommen, und der Ruhm Mykenäs in der homerischen Helden- poesie mochte dazu beitragen, daß man hier, in den Herrensitzen der Argolis, den Ausgangspunkt dieser Kultur und Kunst suchte. Aber wenn diese Burgen auch im Mittelpunkte der Heldensage «tehen, in Wirklichkeit waren sie doch viel zu unbedeutend um in der Kulturgeschichte eine solche Rolle zu spielen und den Namen mykenischer Kultur zu rechtfertigen. Die Kleinfürsten der Argolis waren aber nur Glieder jener achäischen Herrscher- welt, deren Ruhm die Vorzeit erfüllte; war damit vielleicht der richtige Name gefunden? Die Achäer waren nicht allein in der Argolis, sondern auch sonst vielerorten auf dem griechischen Festland angesiedelt, ja darüber hinaus bis beispielsweise nach Kreta; sie waren vielleicht auch im Auslande bekannt, wenn nämlich die unter Merneptah (1225/15), dem Pharao des Aus- zuges der Kinder Israel, in ägyptischen Urkunden erwähnten Aquaiusha mit Recht auf die Achäer gedeutet werden, was keines- wegs sicher ist. Der Name »achäisch« kann also annehmbar erscheinen (jedenfalls ist er besser als »mykenisch«), aber es dürfte doch kaum geraten sein ihn einzuführen, namentlich weil er für einen Hauptumstand nicht bezeichnend ist.
Ferdinand Dümmler war es, der zuerst nachdrücklich auf die Verbreitung dieser Kultur über die ganze Inselwelt hinwies. Wenn schon die Lieblingsmotive der Dekoration der See ent- lehnt waren (S. 217), also das Meer als Hauptelement der Träger dieser Kunst bezeichneten, so setzte die Verbreitung der Kultur über alle Inseln und Küsten, zunächst des achäischen Meeres, ein seemächtiges Volk voraus. So war es wohl begreiflich, daß Ulrich Köhler zu einer Zeit, wo die vollendetsten Stücke dieser Kunst noch nicht bekannt waren, an die den Griechen stamm- fremden Karer dachte, denen die antiken Historiker eine sehr alte Periode der Seeherrschaft zuweisen. Ihnen sollen darin die Kreter gefolgt sein, deren machtvollster Herrschername der des Minos ist.
Achäer. Karer. Kreta. Gortyn. Zeusgrotte 223
Schon in den Anfängen dieser Forschung, 1883, hatte Arthur Milchhöfer mit treffender Vorahnung auf Kreta als den Haupt- sitz der neuentdeckten Kultur hingewiesen. Seine Vermutung knüpfte sich hauptsächlich an die damals neu auftretenden »Insel- 212I13 steine«, zum Schmuck bestimmte Strandkiesel mit eingegrabenen Zeichnungen, die vor allem in Kreta, aber auch sonst vielfach in der Inselwelt zum Vorschein gekommen waren. Ihr Stil war »mykenisch«; ihre vielfach phantastischen Darstellungen, Misch- wesen und dergleichen, bemühte sich Milchhöfer mit Erfolg als frei von allem asiatischen Einfluß nachzuweisen und an die anderen Denkmäler der »mykenischen« Kultur anzuknüpfen.
Kreta war bereits das Ziel zahlreicher Reisen gewesen und die Überreste seiner vielen Städte waren vielfach untersucht worden, aber die kretische Urzeit war noch fast völlig unerschlossen. Denn es wollte nicht allzu viel bedeuten, daß einige Jahre zuvor, 1878, der Kreter Mi'nos Kalokairinös in der minoischen Haupt- stadt Knosos Reste von Mauern aufgedeckt hatte, die W. J. Still- man 1881 für das Labyrinth des Minos, den Schauplatz von Theseus sagenhaftem Kampfe mit dem Minotauros, hatte erklären wollen. Erheblicher war, daß Stillman dabei sehr altertümliche Schriftzeichen bemerkt hatte. Von neuem ward das Interesse auf Kreta gelenkt, als 1884, ein Jahr nach Milchhöfers Buch, von Italien aus bedeutende Ausgrabungen an der Südküste vor- genommen wurden; neben dem Kreter Georgios Pasparäkes waren Federico Halbherr und Paolo Orsi die Leiter. In dem Haupt- orte des südlichen Kreta, dem alten Gortyn, ward das schnell berühmt gewordene umfangreiche alte Stadtrecht entdeckt und von Halbherr und Ernst Fabricius abgeschrieben; für die Archäo- logie noch bedeutender waren die Funde, die in dem gleichen Jahre 1884 in der Zeusgrotte des Ida von Pasparäkes gemacht und von den genannten italienischen Gelehrten veröffentlicht wurden. Außer sehr primitiven Erzfiguren waren es besonders Schilde von getriebenem Erz, deren mit orientalischen Elementen versetzte Darstellungen zuerst für phönikisch galten, bis sie 1893 von Heinrich Brunn für Erzeugnisse einer einheimischen, wenn auch vom Osten beeinflußten Kunstübung erklärt wurden. Durch
224 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
Milchhöfer und die Erfolge der Italiener angeregt machte sodann Schliemann 1886 den Versuch sich in Knosos ein Terrain für Ausgrabungen zu sichern, deren Leitung Dörpfeld übernehmen sollte. Der Plan scheiterte teils an den übertriebenen Forderungen der Kreter, teils an den politischen Verwickelungen, teils an dem ärgerlichen und nutzlosen Streit, in den Schliemann durch die Behauptungen und Theorien Ernst Böttichers hinsichtlich seiner trojanischen Ausgrabungen (Bötticher sah in Troja nur ein großes Krematorium) verwickelt ward. So trat Kreta für einige Zeit in den Hintergrund.
Erst in den neunziger Jahren ward die Aufgabe von neuem angegriffen, und zwar zugleich im Norden und im Süden. Im Norden erlas sich Arthur Evans, der Sohn eines reichen eng- lischen Fabrikanten und Prähistorikers, Knosos zum Ziel, und ihm gelang, trotz ähnlich maßloser Forderungen der Kreter, durch jahrelanges geduldiges Vorgehen was Schliemann mißglückt war, der Ankauf eines großen Areals, auf dem er 1900/5 beschäftigt war, das was man den Palast des Minos nennen mag aufzu- decken. Es ist ein so großartiger Komplex von Höfen, Sälen und labyrinthartigen Gängen, wie er auf griechischem Boden nirgend wiederkehrt. Freilich leidet die Übersichtlichkeit dadurch, daß es kein einheitlicher Bau ist, sondern mehrere zeitlich sehr verschiedene, vielleicht durch Jahrhunderte gelrennte Paläste schicht- weise übereinander gelagert sind. Noch ist es dem Fernstehenden nicht möglich dies Durch- und Nacheinander zu entwirren, aber das Staunen packt ihn ob des großartigen Königssitzes der alten kretischen Herrscher. Der knosische Palast, in offener Gegend, von keiner Mauer umhegt, verhält sich zu den fest ummauerten kleinen Burgen von Tiryns und Mykenä etwa wie das Schloß von Versailles zur Wartburg oder zur Hohkönigsburg. So mag auch die Macht eines meerbeherrschenden Minos sich zu der eines Prötos oder eines Atreus verhalten haben, nur daß kein Dichter seinen Ruhm so glänzend und dauernd verherrlichte wie es den achäischen Fürsten zuteil geworden ist; selbst die Ziegel mit noch unentzifferter altkretischer Schrift, die Evans Bemühungen zuerst belohnten, dürften, so wichtige Aufschlüsse über Sprache
Knosos 225
und Stamm der alten Kreter wir auch von ihnen erhoffen mögen, diesen Dienst schwerlich leisten.
Vom großen Hofe führen breite Treppen durch Vorzimmer i96 zu Sälen empor, die gern durch Säulen, bald in der Länge bald iso in der Quere, in zwei Schiffe geteilt werden (S. 214). Hölzerne Säulen waren ein Hauptbestandteil der kretischen Architektur. 132 Ihre einem Stuhlbeine vergleichbare Form, nach unten verjüngt, die uns zuerst am mykenischen Löwentor entgegengetreten war, i85 trat nebst dem zugehörigen Holzgebälk besonders deutlich an einem Wandgemälde in Knosos hervor, das einen altarähnlichen 201(2 Aufbau darstellt. Eines der kleineren Zimmer des Palastes, isa wiederum mit einem Vorzimmer versehen, weist längs der Wand Bänke auf, in der Mitte von einem marmornen hochlehnigen Thron überragt, dem gegenüber, jenseits einer Säulenstellung, i84 Stufen zu einem einst von oben beleuchteten Bade hinabführen. Oberlicht und Lichtschachte, die durch die Stockwerke sich hin- durchzogen, spielten überhaupt eine große Rolle in dem mehr- stöckigen Palaste, so z. B. auch in einem Treppenhause, dessen isi bequeme Stufen noch heute beschreitbar sind. In einem Haupt- zugange des Palastes ward der Ankömmling längs der Wand von einer Reihe lebensgroßer gemalter Diener und Dienerinnen, mit kostbaren Gefäßen in den Händen, emporgeleitet. An einer i98 anderen Wand sehen wir in flotter andeutender Miniaturmalerei eine dichtgedrängte Schar gespannt zuschauender Männer und 199 Frauen, letztere in der üblichen Gewandung, die den Unterkörper 212 mit einem ebenso besatzreichen Rocke umhüllt, wie der Ober- körper mehr als dekolletiert erscheint. Auch von Stuckreliefs haben sich erstaunlich vollendete Proben erhalten. Badezimmer, ja sogar die scheinbar so modernen water closets, fehlen nicht in dem Palaste. Den Reichtum des Herrschers vergegenwärtigen endlich besonders eindringlich die langen Galerien im Unter- stock, in denen mächtige tönerne Behälter sich aneinander reihen und im Fußboden selbst kunstreiche Gelasse für die sichere Unterbringung von Vorräten oder Schätzen angebracht sind.
Dasselbe Bild im Kleinen, einfacher und deshalb klarer und übersichtlicher, bieten die Paläste, die die Italiener Federico
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 15
226 VIII. Prähistorie und griechische Vorzeit
Halbherr, Luigi Pernier und Luigi Savignoni an der Südküste in und bei dem schön gelegenen Phästos bloßgel^ haben. In dem Hauptpalaste kehren alle Teile des knosischen Palastes iso
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in bescheidenerem Umfange wieder; ein kleinerer Palast bei Hagia Triäda erweckte zuerst den Eindruck einer Sommervilla. Auch hier spielten Malerei und Plastik ihre Rolle. Das Bruchstück einer Wandmalerei zeigt mit meisterlicher Naturbeachtung eine große Wildkatze, die im Gebüsch einen Fasan beschleicht; das 200 Bruchstück eines Gefäßes von Speckstein schildert in scharfem 208 Flachrelief einen Zug ebenso bestimmt gezeichneter Männer. Überall empfangen wir, mit jedem neuen Funde sich steigernd, den Eindruck einer Kultur von seltener Höhe, dazu einer Kunst, die es durch offenen Natursinn und durch trefflich geschulten Künstlerblick, bei unverächtlichem technischen Können, dahin gebracht hat Menschen von so lebendigem und individuellem Ausdruck zu schildern, wie das die spätere hellenische Kunst erst fast tausend Jahre später, im Beginn des 5. Jahrhunderts, ver- mocht hat. In welch leuchtendem Glänze steigt infolge aller dieser Entdeckungen, deren beweglicher Ertrag in dem Museum von Herakleion (Candia) aufbewahrt wird, die griechische Heroen- zeit des zweiten Jahrtausends aus den Nebeln der sagenhaften Überlieferung hervor! Welch neues Leben hauchen die Funde aber auch den Schilderungen des homerischen Epos ein und lehren uns seine ältesten und kraftvollsten Bestandteile scheiden von den zarteren, gewinnenderen, aber auch teils moderneren teils formelhafter erstarrten Zutaten der ionischen Sänger!
Auch die Kreter scheinen mit Ägypten in Beziehung ge- standen zu haben. Wenigstens werden die Kefti ägyptischer Wandgemälde, mit ihren Goldgefäßen von »mykenischer« Form und Ornamentik, am wahrscheinlichsten für die Kreter, die Kaph- thor der Bibel, gehalten. Wie aber die kretische Vorzeit in ihren einzelnen Wandlungen (denn daß solche stattgefunden haben, steht fest) sich zu der festländischen Vorzeit verhalten, wie weit ein Hinüber und Herüber kretischer und achäischer Einwirkungen stattgefunden haben mag, darüber hat die Forschung erst ein- gesetzt. Manche Sonderzüge sind der kretischen, andere der
Phästos. »Agäische« Kunst 227
festländischen Kunst eigen, aber an der Zusammengehörigkeit dieser ganzen Kultur und Kunst läßt sich trotzdem nicht zweifeln. Allem Anschein nach ist die große seemächtige Insel Kreta der älteste Sitz dieser Kultur gewesen; werden wir diese deshalb »kretisch« oder gar »minoisch« nennen? Das wäre nur dann berechtigt, wenn wir sicher wären, daß sie auch ihren Ursprung allein in Kreta gehabt und von hier aus sich nordwärts verbreitet habe. Andrerseits hat der Name »achäisch« durch das Über- gewicht Kretas, das sich doch durchaus nicht in seiner Gesamt- heit als achäisch bezeichnen läßt, an Wahrscheinlichkeit eingebüßt. Wahren wir uns also lieber den Vorteil, die Bezeichnungen »kretisch« und »mykenisch« oder »achäisch« für die einzelnen lokalen Gruppen und deren Besonderheiten zu verwenden, während sich für die Gesamtheit aller Erscheinungen am ein- fachsten aus deren hauptsächlichem Verbreitungsgebiet, der ge- samten Inselwelt des ägäischen Meeres, der am wenigsten prä- judizierende Name »ägäisch« ergibt.
15*
EINZELENTDECKUNGEN IN DEN KLASSISCHEN LÄNDERN
ie neue Bewegung in der »Archäologie des Spatens«, die gegen 1870 einsetzte, haben wir nach drei Gesichts- punkten verfolgt. Die Hauptplätze des griechischen Kultus führten uns sowohl in die klassische wie in die spät- griechische Zeit; die Stadtanlagen gehörten wesentlich der helle- nistischen und der römischen Epoche an; Schliemann und seine Nachfolger erschlossen nach rückwärts ein volles Jahrtausend und mehr vorhellenischer Kultur und Kunst. Neben diesen großen Gesamtzielen der Forschung ergab sich aber noch eine ganze Reihe von Einzelaufgaben, die bald ein zufälliger Fund stellte, bald ein bestimmter wissenschaftlicher Plan hervorrief. Es ist in einer bloßen Übersicht kaum tunlich, allen diesen Einzelforschungen nachzugehen; wir wollen uns, zunächst auf dem engeren klassischen Boden, mit denen begnügen, die für die Archäologie entweder ein neues erhebliches Resultat ergeben oder bedeutende neue Probleme gestellt haben.
Die Vasenkunde erweiterte, zuerst durch die Entdeckung des geometrischen, sodann durch^ die des »mykenischen« Stils, ihr Gebiet nach rückwärts in ungeahnter Weise. Die nahezu unverwüstliche Tonware bietet ja das sicherste und überall sich findende Anzeichen menschlicher Kultur. Die verschiedenen Gattungen der Tonware, ihre Entwicklung in Form und Zierat, liefern das wertvollste Hilfsmittel zur Erkenntnis entfernter Kultur-
Ionische Vasen 229
Perioden und ihrer Zusammengehörigkeit; die kulturhistorische und ethnologische Bedeutung dieser älteren Tonware übertrifft weit ihren Wert für die Kunstgeschichte im engeren Sinne. Diese tritt erst wieder in den Vordergrund, wo zu dem rein dekorativen Schmucke der Geräte das figürliche Element mit immer selbständiger werdender Bedeutung hinzutritt. In der ägäischen Periode ist das nur vereinzelt der Fall; etwas mehr gilt es von der späteren Phase des geometrischen Stils, der sogenannten Dipylonkunst(S. 201). Für die folgende Vasenmalerei der historisch helleren Zeit aber galten um 1870 noch im wesentlichen die alten Anschauungen, wie sie Otto Jahn 1854 entwickelt hatte (S. 64). Nur in einem Punkte war man, nicht durch Stilbetrachtung, sondern mit Hilfe der Paläographie, darüber hinausgekommen.
1863 erschienen zuerst Adolph Kirchhoffs epochemachende »Studien zur Geschichte des griechischen Alphabets«. Unter den vielen wichtigen neuen Ergebnissen dieser meisterhaften Unter- suchung war auch das, daß Kirchhoff auf Grund des Alphabets der Inschriften aus der großen Masse »korinthischer« Vasen eine besondere Klasse ausschied, die ihr Alphabet nach dem euböischen 314/15 Chalkis oder seinen vielfachen Kolonien verwies. Damit hatte zum erstenmal eine ionische Stadt ihre Stelle unter den Fabrikations- orten bemalter Vasen erhalten. Die stilistische Prüfung bestätigte das Resultat, und mancher mag sich nachträglich mit Verwunderung gefragt haben, wie denn eigentlich der regsame und künstlerisch so reich veranlagte ionische Volksstamm auf diesem Kunstgebiete ganz hätte fehlen sollen. Allein die alte Anschauung war so eingewurzelt und die Enge des italischen Gesichtskreises noch so stark, daß, als kurz darauf aus den Gräbern von Gäre (Cer- veteri) eine neue hocheigentümliche Vasenklasse älteren Stils auf- tauchte, man sich darauf versteifte in diesen »Cäretaner Vasen« etruskische Nachahmungen korinthischen Stils zu finden. Es hat erst längerer Zeit bedurft, um auch hier einen (freilich von dem chalkidischen sehr abweichenden) ionischen Stil anzuerkennen. Wer die treffende, aus dem Leben gegriffene Darstellung der gelben, hakennasigen Ägypter in ihren Linnengewändern und der stumpfnasigen, kraushaarigen Mohren aus Nubierland auf der
230 IX. Einzelentdeckungen in den klassischen Landern
Busirisvase in Wien betrachtete, konnte nicht zweifeln, daß der 312 Maler seine Eindrücke in einer Gegend empfangen hatte, von wo aus eine persönliche Kenntnis Ägyptens erreichbar war; man vermutet jetzt etwa Samos, das an der griechischen Kolonie in Naukratis (S. 231) beteiligt war, als Heimat dieser bisher nur in Gare gefundenen schriftlosen Spielart, doch ist auch die Mög- lichkeit zu erwägen, daß in Gäre oder seinem Hafenort Agylla angesiedelte lonier die Verfertiger waren. Um 1880 trat dann noch Kyrene mit einer eigenen, zum Teil längst bekannten Klasse, wiederum mit einem Sonderstil und einem besonderen Alphabet, auf; das Hauptprodukt des Landes, das Silphion, verriet die Heimat der Vasen, und das Hauptstück im Pariser Münzkabinett, 87,3 König Arkesilas II. als Silphionhändler, wies Einzelheiten auf, 311 welche nur aus heimischem Brauch entlehnt sein konnten. End- lich ließ auch die 1874 bekannt gewordene, seither durch Bar- barei arg beschädigte Phineusschale in Würzburg durch ihre In- schriften eine der ionischen Inseln oder Städte als Fabrikationsort erschließen.
Die so wiedergefundene ionische Malerei ist von der korin- thischen grundverschieden. Auch wo die Zeichnung noch derb und unbeholfen ist, ist sie doch nie starr und leblos. Ionische Beweglichkeit und ionische Erzählergabe leuchten überall, oft mit urwüchsigem Humor, hervor, so daß ihr Beispiel sogar auf die gemessenere korinthische Art nicht ohne Einfluß geblieben ist; wir haben eine ältere reinkorinthische und eine jüngere, unter ionischen Anregungen entwickelte Gattung unterscheiden gelernt Die große Zahl selbständiger ionischer Gemeinwesen erklärte die bei gemeinsamem Grundcharakter so verschiedene Art der ionischen Vasen. So begann in den achtziger Jahren, auch ohne die Hilfe von Inschriften, ein eifriges Suchen nach weiteren ionischen Spielarten, woran sich namentlich Ferdinand Dümmler mit vielem Scharfsinn beteiligte. Zwei feste Anhalts- punkte kamen hinzu.
Die altionische Stadt Klazomenäam Meerbusen von Smyma, bis dahin ein archäologisch kaum beachteter Ort, trat zuerst im Jahre 1882 mit Resten bemalter Tonsarkophage auf, denen bald
Klazomenä. Naukratis. Ionische Kunst 231
weitere Exemplare folgten; die großen Museen, namentlich in Berlin, London, Paris, haben es sich angelegen sein lassen Proben 87 dieser bisher nur in Klazomenä aufgetauchten Tonsarge zu er- 284/85 werben. Ihre Malereien geben einen trefflichen Überblick über eine Art ionischer Tonmalerei im 6. Jahrhundert, wie sie sich vom Schattenrisse zu hellen Figuren auf dunklem Grunde oder zu fein gezeichneten bloßen Umrissen fortbildet (die attische Entwickelung, S. 63, ist hier deutlich vorgezeichnet); wie sie in streng symmetrischem (»tektonischem«) Stil das Ornament, ferner die altüberlieferten Kampf- und Jagdszenen, ja anscheinend sogar Erinnerungen an die verheerenden Raubzüge der Kimmerier in Kleinasien zur Darstellung bringen, eine deutliche Parallele zu dem ältesten ionischen Gemälde, von dem uns literarische Kunde wird, Bularchos Schlacht bei Magnesia.
Die andere Hilfe kam aus Ägypten, wo bald darauf (1884/86) Flinders Petrie und Emest A. Gardner Naukratis ausgruben, die große Faktorei am Nil, an der eine Anzahl kleinasiatischer Städte Anteil hatten. Hier kamen neben anderem (z. B. Teilen eines altionischen Kapitells) auch eine Menge von Tonscherben zum Vorschein, in denen es Georg Löschcke gelang drei Gruppen zu unterscheiden, die er auf drei jener Städte, Milet, Samos und Mytilene, verteilte. Johannes Böhlaus 1894 angestellte Nach- forschungen in ionischen Nekropolen, besonders in Samos, dienten 282 zur Bestätigung. Auch das ägyptische Daphnä (Teil Defenneh) 283 lieferte 1888 eine neue bunte Abart; ja die wachsende Kenntnis ionischen Stils führte dazu, auch die auf der dorischen Insel Rhodos, namentlich in den sechziger Jahren von Salzmann in Kameiros gefundenen Vasen (S. 98), wiederum eine Gattung für sich, den loniem zuzuweisen, was freilich nicht unbestritten ge- blieben ist.
Infolge aller dieser Funde und Forschungen trat die ionische Kunsttätigkeit in der Glanzzeit loniens, dem 6. Jahrhundert, in ungeahntes Licht Ein wichtiges, bisher leeres Blatt der Kunst- geschichte hatte seinen Inhalt bekommen, und der Einfluß loniens war überall spürbar; ja es schien sich der Wissenschaft eine so- zusagen panionische Stimmung zu bemächtigen. Um die gleiche
232 IX. Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern
Zeit sollte, wie wir demnächst sehen werden, die altionische Plastik, von der schon die delischen Ausgrabungen bezeichnende Proben geliefert hatten (S. 118), auf der athenischen Akropolis eine neue Auferstehung feiern. Auch in Attika hatten die Vasen- funde und Vasenstudien nicht geruht. Die Zwischenstufen zwischen dem Dipylonstil und dem »altattischen« Stil der solonischen Zeit (S. 66) wurden nach und nach ausgefüllt; Vasenfunde im benachbarten Böotien konnten dienen, auch hier die Unter- schiede und die Eigentümlichkeiten der einzelnen Landschaften aufzuweisen.
Nach Böotien führt auch eine Entdeckung, die zu ihrer Zeit ein ungeheures Aufsehen erregte. Man braucht bloß den Namen der kleinen südböotischen Landstadt Tanagra zu nennen, so belebt sich die Phantasie mit dem reizenden Völkchen der »Tanagräerinnen«, die seit dem heimlichen Beginn der Grabungen im Jahr 1870 mehrere Jahre hindurch den Gräbern jenes einst durch seine Tonindustrie berühmten Städtchens entstiegen, nur gar zu bald vermischt mit unechten Schwestern, die eine ge- schäftige Industrie den antiken Figürchen beigesellte (vgl. S. 172 f.). Die tanagräischen Tonfigürchen sind zwar aus böotischem Ton, aber mit attischem Geist und attischer Grazie geformt Eroten, nunmehr zu zierlichen Knäbchen verjüngt, flattern in Scharen um die Mädchen und Frauen, die, meist züchtig verhüllt, sinniger oder kecker, oft mit einem runden Hut über dem Scheitel, in ihren zartgefärbten Gewändern einherschreiten oder auf dem x Felsen sitzen, mit dem Fächer in der Hand, mit der Taube auf der Schulter, auf eine Maske blickend. Praxitelische Gestalten 556 aus dem täglichen Leben, gern in etwas modernerem Sinne fort- gebildet, bewähren sie gleich den Frauen der Grabreliefs (S. 199) die attische Zucht guter Zeit, himmelweit verschieden von ihren üppigeren und koketteren hellenistischen Genossinnen aus Klein- asien (S. 172). Und neben diese feinen Mädchen treten in flott andeutender Ausführung andere Szenen aus dem täglichen Leben, der zuchtbeflissene Pädagog, der kunstgeübte Haarschneider, der 557
Tanagra. Athenische Ausgrabungen 233
dah inträumende Straßenbube, Gruppen die in ihrem einfachen Realismus an ägyptische Figuren des alten Reiches (Kap. X) er- innern und ganz jenes pikanten Naturalismus entbehren, der 76 alexandrinischen Bronzen aus gleichfalls hellenistischer Zeit eigen 657/58 zu sein pflegt. So sind die Tonfiguren von Tanagra wohl ge- eignet uns die Nachwirkungen großer Kunst auf das Kunst- handwerk der nächsten Generation anschaulich zu machen.
In Athen entwickelte die Archäologische Gesellschaft eine bedeutende und ergebnisreiche Tätigkeit. Die von Strack 1862 begonnene, alsbald von der Gesellschaft aufgenommene Auf-
20 deckung des dionysischen Theaters (das Odeion des Herodes Atticus war schon 1858 ausgegraben worden) enthüllte jene stattliche Reihe von Ehrensitzen, auf denen einst die athenischen Priester und höchsten Staatsbeamten, um den reliefgeschmückten Lehnsessel des Dionysospriesters geschart, den Aufführungen zu- geschaut haben. Eine weitere Untersuchung, besonders des Bühnen- gebäudes, nahm erst in den Jahren 1886/95 Dörpfeld vor. Von dem Friedhof anl Dipylon und vom Asklepiosheiligtum am süd- lichen Burgabhange war schon die Rede (S. 199. 130). Unterhalb des letzteren ward in einer großen zweischiff igen, 1887/88 bloß- gelegten Halle 1892 die zugunsten der athenischen Theaterbe- sucher erbaute Wandelhalle des pergamenischen Königs Eumenes II. erkannt, wie schon früher (1859/62) am athenischen Markte die stattliche doppelschiffige und doppelstöckige, mit Läden ver-
19 sehene Halle König Attalos II. bloßgelegt worden war, ein 597 Musterbeispiel pergamenischer Architektur, noch ehe in Pergamon selbst gegraben und die ähnliche Halle Eumenes II. aufgefunden worden war (S. 1 66 f.). Aber diese und andere Einzelgrabungen traten völlig in den Schatten gegenüber dem, was auf der Akro- polis geschah.
In dem früheren Bilde der Akropolis bildete einen charak- teristischen Zug ein hoher plumper Turm, der im Mittelalter über dem Südflügel der Propyläen errichtet worden war. 1876 ge- währte Schliemann die Mittel um den Turm abzutragen; Auf-
234 IX. Einzelentdeckungen in den klassischen Landern
Schlüsse über den Bau der Propyläen und des davor liegenden Niketempels waren der nächste Lohn (vgl. Kap. XI). Der gute Erfolg ließ aber den oft lautgewordenen Wunsch die ganze Burg einer neuen gründlichen Durchforschung zu unterziehen von neuem aufleben. Bekanntlich ward die Akropolis bei der persi- schen Eroberung von 480 gründlich verwüstet und durch Brand zerstört. Über dieser Schuttmasse hatte das perikleische Zeitalter jene herrlichen Bauten, Parthenon Propyläen Niketempel Erech- assis« theion, errichtet, die seinen Ruhm ausmachten und deren be- deutende Überreste auf uns gekommen sind. Damit waren fast alle Spuren des älteren, vorpersischen Zustandes unter die peri- kleische Schuttdecke — man gewöhnte sich bald sie den »Perser- schutt« zu nennen — geraten. Vielleicht hatte nur ein einziges
35 Sitzbild Athenas, das einst Pausanias beim Erechtheion gesehen hatte und das schon früh in dessen Nähe wieder zum Vorschein gekommen war, den Sturm der Zeiten überdauert Sonst war nur selten einmal bei einer etwas tieferen Orabung ein »vor- persisches« Stück ans Licht gekommen, wie das Relief eines jugendlichen Wagenbesteigers (sog. wagenbesteigende Frau) oder 341
35 die Statue eines sein Kalb auf den Schultern tragenden Mannes. 297 Noch deutlicher hatten schon in den dreißiger Jahren Aus- grabungen an den mächtigen Fundamenten des Parthenon die Ergiebigkeit dieser tiefen Schichten an älteren Fundstücken er- wiesen. Somit lag die Hoffnung nahe, bei gründlicher Arbeit dem Boden ganz neue Aufschlüsse zu entlocken. Eine Versuchs- grabung freilich, die die französische Schule 1879 unter des Architekten Paul Blondel Leitung westlich vom Erechtheion vor- nehmen ließ, war so unfruchtbar ausgefallen, daß man wohl schwankend werden konnte. Allein der bereits bei den myke- nischen Ausgrabungen bewährte (S. 212) nunmehrige General- direktor Panagiötes Stamatakes ließ sich nicht abschrecken und legte im Herbst 1884 Hand an den Plan die ganze Fläche der Burg aufzugraben und überall entweder bis auf den gewachsenen Felsen oder bis zu antiken Fundamenten und Bauresten vorzu- dringen. Als Stamatakes kurz darauf starb, nahm sein Nachfolger Panagiötes Kabbadias, der sich bereits um Epidauros große Ver-
Die Akropolis von Athen 235
dienste erworben hatte (S. 134), den Plan mit voller Energie auf. Der architektonische Teil der Aufgabe lag in der Hand Georg Kaweraus; seinen Rat spendete stets bereitwillig Dörpfeld. So ward die Burgfläche in den Jahren 1885/91 systematisch auf- gedeckt; sorgfältig wurden Beschaffenheit und Fundumstände jedes einzelnen Fundstückes gebucht und von Kawerau ein großer Plan der so aufgedeckten Burg ausgearbeitet, dessen Veröffent- lichung leider seit Jahren auf sich warten läßt. Von den Pro- pyläen aus begann die Grabung längs der Nordseite, um all- mählich im Kreise die ganze Burg zu umziehen.
Selten hat eine planmäßig begonnene und durchgeführte Unternehmung so reiche Früchte getragen wie diese. Es können hier nur ein paar Punkte hervorgehoben werden, die der Wissen- schaft besonders wichtige Ergebnisse oder neue Probleme zu- geführt haben.
Für die Kenntnis der Akropolis selbst und ihrer Geschichte 388 war sogleich die Auffindung der alten »pelasgischen« Burg- mauer von großer Bedeutung. Die aus unregelmäßigen Blöcken aufgeschichtete Mauer schloß sich viel enger als die nachpersische Mauer der ursprünglichen Gestalt des Burgfelsens an; daher ihre zum Teil sehr charakteristischen Windungen, und namentlich im Süden, wo der Felsen sich viel allmählicher senkte, ihre bedeutend tiefere Lage. Nur im Westen, neben den Propyläen, war stets ein Stück der Pelasgermauer stehen geblieben. Den Mauerresten aber schlössen sich im Norden zahlreiche Überbleibsel hochalter- tümlicher Bauten an, darunter Reste des alten Königspalastes und eine Hintertreppe, der in Tiryns ähnlich: ein stehender Zug jener alten Burganlagen ward damit auch für Athen festgelegt.
Südlich vom Erechtheion hatte man schon früher eine größere künstlich geebnete, gegen Norden und Westen aufgemauerte Fläche bemerkt. Bald nach dem Beginne der Ausgrabung traten 13 hier Spuren zutage, in denen Dörpfelds Scharfsinn die Überreste 388,34 eines alten Tempels erkannte. Die weitere Aufdeckung bestätigte das, und eine später aus unzähligen Stücken zusammengeflickte Inschriftplatte, die von dem Tempel selbst stammte, ergab den authentischen alten Namen des Tempels Hekatompedon (hun-
236 IX. Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern
dertfüßiges Heiligtum), neben dem ein angeblich zweiter offizieller Name »Alter Tempel« wie mir scheint mit Unrecht auf diesen selben Tempel bezogen wird. Dörpfeld erkannte weiter aus der Verschiedenheit der Fundamente, daß das ursprüngliche Heka- lompedon nur das in der Tat hundertfüßige Tempelhaus, mit einer Cella gegen Osten und einer dreigelassigen Schatzabteilung gegen Westen, umfaßt habe, die Ringhalle aber erst ein späterer Zusatz sei — eine zunächst auffällige Annahme, die aber bald in Unteritalien eine Analogie finden (S. 243), sodann in den Funden der Burg selbst ihre Bestätigung erhalten sollte. Beide Zustände des Tempels gehören ohne Zweifel dem 6. Jahrhundert an; wenn der Tempel aber ohne weiteres als peisistratischer Tempel bezeichnet zu werden pflegt, so versperrt hier, wie so oft, die »provisorische Wahrheit« den Weg sicherer Erkenntnis. Der ursprüngliche Bau kann füglich in vorpeisistratische, also etwa »solonische« Zeit gehören; eine nicht unwahrscheinliche Vermutung bringt ihn in Zusammenhang mit der Einsetzung der Großen Panathenäen (566).
Haben die bisher betrachteten Funde ihre Hauptbedeutung in unserer erweiterten Kenntnis der Geschichte der Burg und der mit ihr verbundenen Zustände Athens, so greift eine andere Reihe von Ergebnissen darüber hinaus und verbreitet neues Licht über die attische Kunstgeschichte. Während diese sich bisher jenseits der Perserzeit nur in ganz vereinzelten, zusammenhanglosen Spuren verfolgen ließ (S. 234), beschenkten uns die tieferen Schichten der Akropolis mit einer Fülle von Bildwerken, die den ganzen Verlauf der attischen Plastik im 6. Jahrhundert klarstellten. Da trat als das älteste Material der bald weichere bald härtere attische Tuff auf, der nach Art des anfänglich benutzten Holzes gleichsam geschnitzt ward. Mehrere Tuffgiebelfelder, mit reichen und leb- haften Farbenüberresten, veranschaulichten in bald flacherem bald höherem Relief die Entwickelung zugleich des attischen Reliefstils 35 und der Giebelkomposition. Einer von diesen Giebeln, der so- vii genannte Typhongiebel, erwies sich durch genaue Untersuchung Theodor Wiegands als der des Hekatompedon in dessen ursprüng- lichem Zustande; da er nun am Ende jener Tuffplastik steht, so
Altattische Plastik 237
ist damit ein relativer Zeitansatz für die erste Anlage des Tempels gegeben. Aber außer den altertümlichen Tuffbildwerken fanden sich auch bedeutend jüngere Marmorbruchstücke, aus denen es zuerst Franz Studniczka, sodann Hans Schrader gelang Teile
35 eines Gigantenkampfes mit Athena als Hauptfigur zusammen- zusetzen, und zwar die Überbleibsel jenes Giebels, der nach der Erweiterung des Hekatompedon durch die neue Ringhalle be- stimmt war den Typhongiebel über dem älteren Tempelhause zu verdrängen und zu ersetzen. Also war auch hier mit der Bereicherung unserer Kenntnis attischer Plastik zugleich ein chronologischer Anhaltspunkt für den Umbau des Hekatompedon gewonnen.
Einen ganz anderen Blick auf die Plastik der peisistratischen Zeit eröffneten die Ausgrabungen auf der Burg durch jene lange
34 Reihe der (respektlos als »Tanten« bezeichneten) Mädchen und Frauen, die einst, auf hohen pfeilerartigen Basen stehend, dem Bilde der vorpersischen Akropolis einen eigentümlichen Reiz ver- liehen haben müssen. Von ihnen gilt das Wort:
Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der andern. Freilich mußten alle die einzelnen Statuen erst aus vielen Bruch- stücken wieder zusammengesetzt werden, eine mühsame Arbeit, an der sich neben anderen besonders erfolgreich Franz Studniczka beteiligte. Die älteren dieser Frauen verrieten deutlich ihre Ab- kunft von den Inseln. Die eine, pfahlrunde, mit einem Gesicht als ob sie wie Dikäopolis Tochter Sauerampfer gegessen hätte, war die nächste Verwandte der von Cheramyes geweihten Hera 295
34 von Samos (S. 182). Die andre, mit roten Haaren und grünen 323 Augen, heiter blickend (die »fröhliche Emma«), verleugnete nicht
34 ihre Abkunft von dem balkenförmigen Weihgeschenke der Ni- 294 kandre von Naxos (S. 118). Nach Chios, wo eine alte Schule
34 von Bildhauern blühte, wiesen Frauen mit reicherer Gewandung, 324 denen ähnlich, die auf Delos zum Vorschein gekommen waren (S. 118). Anderen fehlte ein gleich deutliches Ursprungszeugnis, aber so viel war klar: die fortgeschrittenere Plastik der ionischen Inseln hatte, vermutlich zur Zeit des Peisistratos, ihren Einzug in Athen gehalten, mit ihrer überfeinerten Rokokomanier die
238 IX. Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern
kräftigere altattische Art beiseite gedrängt und die attischen Künstler in ihre Schule genommen. Bald hatten die Schüler
36 ihre Meister überflügelt; ein Werk wie die Frauenstatue Antenors 325 vereinigt auf das glücklichste ionische Anmut mit attischer Würde und attischem Ernst Und als dann gegen Ende des Jahrhunderts auch dorische Einwirkungen vom Peloponnes her, wo inzwischen der Erzguß ausgebildet worden war, auf Attika sich geltend machten, da verfeinerte sich die ionisch-attische Plastik bis zu so anziehenden Gebilden wie dem an Francesco Francia erinnern-
36 den Mädchenköpfchen vom Weihgeschenke des Euthydikos. Ein 342 verlorenes Kapitel der Kunstgeschichte, der wichtigsten und reiz- vollsten eines, da es sich um die Vorstufen der großen attischen Kunst des 5. Jahrhunderts handelt, war dem Perserschutte der Akropolis abgewonnen.
jener Bildhauer Antenor, der später, nach der Vertreibung der Tyrannen, in seiner Gruppe der Tyrannenmörder die Richtung der dorischen Erzplastik einschlug, war nach dem Zeugnis der Inschrift auf der Basis seiner Frauenstatue der Sohn eines Malers Eumares, der nach Plinius Angabe eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der attischen Malerei gespielt hat Dieses Zu- sammentreffen mußte um so lebhafteres Interesse erwecken, als die Bemalung bei jenen Marmorbildern sehr stark hervortrat, wenn auch nicht in gleich hohem Grade wie bei der älteren Tuffplastik. Freilich lieferte die Beschränkung der Malerei auf gewisse Teile der Skulptur die schlagendste Widerlegung der alten Theorie, daß entweder nichts oder alles bemalt gewesen sein müsse (S. 45); aber die enge Verbindung beider Künste in der Antike ward doch von neuem anschaulich und machte das Wort Piatons lebendig, daß der Bildhauer wohl Form und Zeich- nung liefere, sein Werk aber doch erst durch den Hinzutritt der Malerei seine volle Wirkung erhalte.
Die bessere Einsicht in die Bemalung der Skulptur war aber nicht der einzige Fortschritt, den die Ausgrabung der Akropolis unseren Kenntnissen der antiken Malerei brachte. Aus den Tiefen des Perserschuttes stiegen auch zahlreiche Proben älterer Ton- malerei, Tonplatten und Vasenscherben, hervor. Indem — bei
Altattische Plastik. Vasenchronologie. Enneakrunos 239
gehöriger Vorsicht in der Feststellung der Fundschichten und unter der Voraussetzung, daß alle diese zerbrochenen Werke von jeher auf der Burg ihren Platz gehabt haben — das Jahr 480 für sie den letztmöglichen Zeitpunkt bezeichnete, gewann die Vasenchronologie einen Fixpunkt, dessen sie bisher entbehrt hatte. Es wird unten (Kap. XI) unsere Aufgabe sein die Konsequenzen dieser Erkenntnis näher darzulegen; hier genügt der Hinweis, daß unsere geschichtlichen Anschauungen eine völlige Revolution durchmachten und die ganze Geschichte der rotfigurigen Malerei um eine bis zwei Generationen hinaufgerückt, ihre Anfänge bis in die Zeit des Tyrannen Hippias, also vor 510, verlegt werden mußten. Leider steht die Veröffentlichung eines lange vorbe- reiteten Werkes, das erst das ganze so gewonnene neue Material vorlegen wird, noch immer aus.
Die angeführten Proben können zur Genüge zeigen, wie reiche Ergebnisse die Aufdeckung der Akropolis zutage gefördert hat. Das Unternehmen kann sich in jeder Beziehung den Aus- grabungen von Olympia und Delphi an die Seite stellen, Athena hat ihren Platz würdig neben Zeus und ApoUon eingenommen. Um die Aufgabe ganz zu vollenden erübrigt es noch die Unter- suchung auch außen rings um die Burg durchzuführen. Die Südseite ist längst von den Schutthalden früherer Aufräumungen auf der Burg gereinigt und steht in alter Großartigkeit der Fels- gestaltung wieder da. An der Nordwestecke hat Kabbadias 1896/97 den Spaten angesetzt und die Gegend um die Pans- grotte mit schönen neuen Ergebnissen freigelegt. Ohne Zweifel wird die Fortsetzung des Werkes längs den nördlichen »Langen Felsen« und an der Ostseite viele weitere Aufklärung bringen. Der westliche Abhang ist leider durch moderne Fahrstraßen und Anpflanzungen den Nachforschungen entzogen, die allein hier manche dunkle Punkte würden aufhellen können. Dafür hat Dörpfeld 1892/97 weiter unten am Fuße der Pnyx aus Mitteln des Archäologischen Instituts und privater Gönner eine große Brunnenanlage aus peisistratischer Zeit bloßgelegt, die durch einen langen Tunnel gespeist ward. Ist es die von Peisistratos in die neunröhrige Enneakrunos umgewandelte alte Kallirroe? Noch
240 IX> Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern
wogt der Streit, doch neigt sich die Entscheidung mehr und mehr auf Dörpfelds Seite. Völlig sicher ist der Nachweis eines großartigen Nutzbaues der Tyrannenzeit, vergleichbar der Wasser- leitung des Polykrates in Samos (S. 181) und dem großen »hundertsäuligenc Brunnenhause des Tyrannen Theagenes, dessen Überreste 1899 nach Dörpfelds Anweisung Richard Delbrück und Karl Gustav Vollmöller in Megara aufgedeckt haben.
Auch außerhalb Athens haben die Nachforschungen nicht geruht. Außer der Archäologischen Gesellschaft haben auch die übrigen Archäologischen Schulen Athens sich an diesen Aufgaben beteiligt. Es würde ermüden alles Erreichte aufgezählt zu hören; einige Zeugnisse für die lebhafte Tätigkeit mögen genügen. Die Amerikaner haben 1896/1904 in Korinth (Rufus B. Richardson und Genossen), seit 1887 in Sikyon (M. L. Earle u. a.) um- fassende und erfolgreiche Nachforschungen angestellt und kürz- lich (1906) begonnen in Sparta das hochaltertümliche Heiligtum der Artemis Orthia, den Schauplatz grausamer Kultgebräuche, aufzudecken; bisher haben zahlreiche Weihgeschenke aller Art die Hauptausbeute geliefert Tief in die Vorzeit haben auch die Ausgrabungen geführt, die der Holländer Wilhelm Vollgraff 1902/4 in Argos vorgenommen hat. Eine prähistorische Festung auf dem die Stadt im Norden überragenden Hügel Aspis, Fels- gräber mykenischer Zeit am gegenüberliegenden Rande der Burg Larisa, Reste einer darüber gebauten Stadt aus der Zeit des geometrischen Stils — das sind lauter neue Ausblicke in die Frühzeit der für die älteste griechische Geschichte so wichtigen Ebene. Die Engländer haben 1890/91 in Megalopolis (Emest A. Gardner und Genossen und der Architekt Robert Weir Schultz) mit gutem Erfolge gegraben. Die Theater bildeten bei den meisten dieser peloponnesischen Ausgrabungen einen Haupt- gegenstand der Untersuchung (vgl. S. 135); in Megalopolis kam hinter dem Theater das Thersilion zum Vorschein, ein säulen- 47o reicher Saal von kunstvollerer Anlage als der eleusinische Weihe- tempel (S. 132 f.). In Tegea stellte 1888/89 Victor Berard von 4i6
Peloponnes 24 1
der Französischen Schule die Stadtmauer, die Agora und andere wichtige Punkte der Stadtanlage fest, aber der berühmte Tempel der Athena Alea, das Meisterwerk des jungen Skopas, enthüllte wegen des verblendeten Widerstandes der Bevölkerung nur wider-
57 willig und sparsam einige Proben seiner Skulpturen, immerhin 484 genug um danach die Kunstart des Skopas genauer bestimmen zu können (s. Kap. XI). Seitdem sind diese Nachforschungen mit gutem Erfolge von der Französischen Schule wieder aufge- nommen worden. Im benachbarten Mantineia forschte 1887/88 Gustave Fougeres; eines der glücklichsten und wichtigsten Er-
56 gebnisse war der Fund dreier Platten von der Basis einer Gruppe des Praxiteles, die uns die Gewandmotive praxitelischer Kunst kennen lehrten. Fast noch überraschender war die Aufklärung, die uns 1889/90 B. Leonardos und P. Kabbadias Ausgrabungen in Lykosura, angeblich der ältesten Stadt des Menschenge- schlechtes, brachten. Für die Heiligtümer Lykosuras war haupt- sachlich der messenische Bildhauer Damophon tätig gewesen, den man mangels bestimmter Angaben allgemein nach scheinbaren Anzeichen in das 4. Jahrhundert gesetzt hatte. Jetzt ergab eben- sowohl die architektonische Beschaffenheit der Tempelreste wie
74 der stilistische Charakter der Skulpturen, daß Damophon der 624/25 Verfallzeit, etwa dem 2. Jahrhundert vor Christo, angehört hat. Eine andere Bereicherung lieferten 1900 Taucherarbeiter bei der kleinen Insel Antikythera am stürmereichen Kap Malea. In römischer Zeit war hier (nicht weit von der Stelle, wo Lord Elgins Schiff Mentor scheiterte, s. S. 29) ein Schiff mit einer Ladung marmorner und eherner Kunstwerke untergegangen. Stückweise wurden sie vom Grunde des Meeres emporgeholt, darunter eine Erzstatue schönen Stils, wenn auch unsicherer 472 Deutung, die alsbald zum Prüfstein kunstgeschichtlicher Stil- bestimmung gemacht ward; davon wird später (Kap. XI) die Rede sein.
Der Peloponnes hatte den Löwenanteil an diesen Unter- suchungen. Aber auch die für die bildende Kunst sonst wenig ergiebige Landschaft Aetolien ging nicht ganz leer aus. Der ätolische Bund hatte seinen Mittelpunkt in dem hoch im Innern
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchflologischer Entdeckungen. 15
242 JX. Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern
des Landes gelegenen Apollonheiligtum von Thermos. Unter Georgios Soteriädes Leitung ward 1897/99 der Tempel ausge- 264 graben, ein hochaltertümlicher, eigenartiger Bau, in dem eine mittlere Säulenstellung nicht bloß die lange schmale Cella, son- dern auch die vordere und die hintere Vorhalle zweischiffig ge- staltete (vgl. S. 214). Wo stand in der zweischiff igen Cella das Götterbild? Bisher hatte man ein Götterpaar als Inhaber solcher zweischiff iger Tempel vermuten können; hier kam nur Apollon in Betracht So stellte auch dieser Fund eine neue Frage, die einstweilen noch unbeantwortet ist. Einen anderen Gewinn bot der Tempel durch ein paar bloß bemalte Metopen altertümlichen 28o Stils. Metopen kannte man bisher nur leer oder mit Relief ge- schmückt; wenn hier die bloße Malerei an der Stelle bemalter Reliefs auftrat, so war das ein neuer Beleg für die Gleichwertig- keit beider künstlerischer Ausdrucksweisen bei den Griechen. Das hatten schon die alten attischen Grabreliefs aus dem 6. Jahr- 35 hundert gelehrt. Der bemalten Reliefstele des Aristion war die 322 88 bloß bemalte Grabplatte des Lyseas an die Seite getreten; auf 321 der letzteren war im Nebenfelde ein Reiter gemalt, auf der Aristionstele war das Nebenfeld für eine entsprechende bloße Malerei ausgespart worden, auf einer dritten ähnlichen Platte waren sowohl die Hauptfigur wie der Reiter im Nebenfelde in (einst bemaltem) Relief dargestellt. Das Relief bildete eben nach dem oben (S. 238) angeführten Worte Piatons nur die Grund- lage für die Malerei, die ihr die bestimmteren Umrisse und eine bescheidene Schattenwirkung gewährte.
Von Griechenland wendet sich unser Überblick nach Italien. Unter dem beherrschenden Einflüsse Luigi Pigorinis haben sich etwa seit 1870 die jüngeren Archäologen Italiens fast ganz der prähistorischen Forschung ergeben. Diese steht aller Orten in Italien in hoher Blüte (vgl. S. 207). Dazu kommt der reiche und fruchtbare Anteil Italiens an den kretischen Untersuchungen (S. 223. 226 f.). So ist es gekommen, daß die Italiener die Sorge für ihre klassischen Kunstschätze nur in vereinzelten Fällen selbst
Thermos. Italien 243
in die Hand nehmen, meistens fremden Gelehrten überlassen. Ein Hauptanteil entfällt auf das Deutsche Archäologische Institut in Rom, dessen speziell archäologische Leitung 1887 Eugen Petersen als Nachfolger Wolfgang Helbigs übernahm.
Während für die in Italien lebenden, vollends für die italie- nischen Gelehrten von jeher eine gewisse Beschränkung auf Italisches nahe gelegen hat, brachte Petersen von seinen klein- asiatischen Reisen (S. 185 ff.) und einem einjährigen athenischen Aufenthalt an der Spitze des dortigen Archäologischen Instituts einen weiteren Gesichtskreis mit und erkannte es zunächst als eine lange vernachlässigte wissenschaftliche Aufgabe den grie- chischen Spuren in Italien nachzugehen. Seit Frangois Lenor- mants flüchtiger Bereisung der Großgriechischen Küste (1880) hatte niemand wieder Unteritalien im Zusammenhang auf grie- chische Kunst untersucht. Petersen unterzog sich dieser Aufgabe und erkannte 1889 mit dem auf seinen Reisen geschärften Blick in Lokroi an der Südküste Calabriens die Reste eines ionischen Tempels, der demnächst unter Petersens Mitwirkung von Paolo Orsi (vgl. S. 223) ausgegraben ward. Ein ionischer Tempel war in Unteritalien, wo sonst die dorische Baukunst allein herrscht, ein Unikum, seine Aufdeckung um so erwünschter, als seine Formgebung sich als altertümlich erwies und daher geeignet war 269 eine schwer empfundene Lücke in unserer Kenntnis des älteren ionischen Stils auszufüllen. Auch sonst bot der Tempel viel Eigentümliches, z. B. eine zweischiff ige Anlage und eine nach- trägliche Ergänzung des ursprünglichen Tempelhauses durch eine spätere Ringhalle, ebenso wie bei dem kurz vorher entdeckten athenischen Hekatompedon (S. 235 f.).
Was hier in einem einzelnen Beispiele geglückt war, ver- folgten in den nächsten Jahren auf zwei Reisen (1892 und 93/94) in großem Zusammenhang Otto Puchstein und der Architekt Robert Koldewey. Obgleich ohne Ausgrabungen durchgeführt, hat ihre erneute Untersuchung sämtlicher Tempelruinen Unter- italiens und Siciliens doch sehr bedeutende Ergebnisse gehabt und die Kenntnis der altdorischen Baukunst des griechischen Westens erheblich vertieft. Einige Beispiele mögen das belegen.
16*
244 IX. Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern
Bei Selinunt trat ein einigermaßen datierbares vordorisches Heilig- tum zutage, was einen durchgängig jüngeren Ansatz als bisher für die dorischen Bauten zur Folge hatte. An zwei sehr alten Tempeln, dem selinuntischen Tempel C (S. 44) und dem soge- nannten Cerestempel in Pästum, erwies sich der Giebel als an den Enden geknickt, eine bisher unbekannte Erscheinung aus der Zeit noch unsicheren Tastens. In Oirgenti ward den Atlasge- 255 stalten ihr wahrscheinlicher Platz am Zeustempel ermittelt (S. 43 f.). 365 Infolge genauer Beachtung der Altäre vor den Tempeln ward die zweischiffige sogenannte Basilika in Pästum mit ihrer neun- 250 säuligen Front, die meistens als Stoa galt, mit Sicherheit eben durch ihren Altar als Tempel erkannt. Eine vielbesprochene 10 Eigentümlichkeit gewisser dorischer Kapitelle, eine scharfe Ein- 252 Ziehung des Säulenhalses dicht unter dem Echinos, ward als Be- sonderheit der achäischen Stadt Pästum nachgewiesen (vgl. Kap. XI). Eine erwünschte Erweiterung dieser großgriechischen Architektur- studien bildete der 1896 von H. Graillot aufgefundene, alsbald von Petersen genauer untersuchte Tempel in Conca bei Antium. Er lieferte den Nachweis, daß etwa um 500 in Latium ein Tempel nicht den italischen, sondern einen reingriechischen Grundriß haben konnte, und bestätigte dadurch in erwünschter Weise was wir sonst nur aus zerstreuten Nachrichten über grie- chische Kunsteinflüsse auf das Rom der beginnenden Republik erfahren, während die hergebrachte Auffassung das damalige Rom sich ganz im Bann etruskischer Kultur und Kunst zu denken pflegt
Einer Entthronung Etruriens zugunsten des Griechentums galt auch eine andere Reihe von Studien Petersens. Es gelang ihm nachzuweisen, daß ein 1812 in Perugia gefundener, mit Reliefs geschmückter Erzwagen, der als ein Hauptstück altetrus- 237 kischer Kunst angesehen ward, gar nicht etruskisch sondern ionisch sei, vermutlich aus einer der ionischen Kolonien Süditaliens stammend. Was aber von diesem einen Werke galt, das fand auch auf viele andere »etruskische« Werke Anwendung, z. B. auf den berühmten Erzleuchter in Cortona. Von der Chimäre in Arezzo stand es schon lange fest, daß sie trotz ihrer etruskischen
Griechische Tempel. Ionische Erzwerke. Altitalische Tempel 245
Inschrift ein griechisches Werk sei; vollends galt dies von der ausgezeichneten, unter dem Namen Idolino bekannten Jünglings- 426 Statue aus Pesaro. Petersen dehnte dies Verdikt auch auf die berühmte kapitolinische Wölfin aus, die in der Tat keinen etrus- 340 kischen Charakter trägt; da aber die sonstige mittelitalische Kunst in so früher Zeit kaum ein solches Werk schaffen konnte und Einzelheiten an ionischen Stil erinnern, so vermutete Petersen auch hier die Arbeit einer ionischen Fabrik, die etwa zu Anfang der Republik für Rom geschaffen worden sei, eine Parallele zu den gleichzeitigen athenischen Tyrannenmördern, insofern die Zwillinge unter der Wölfin als die Gründer Roms die Stadt im Gegensatz zu den Königen vertraten. So viel steht fest, daß heute mit mehr Kritik als früher das altionische Kunstgut von etruskischen Nachahmungen geschieden und so ein neuer Ein- blick in die ionische Kunst namentlich Süditaliens gewonnen wird. Ohne Zweifel ist beispielsweise das 1791 bei Nemi ge- fundene Marmorrelief mit der Ermordung Ägisths, jetzt in Kopen- 339 hagen, ebenfalls ein echt altionisches Werk; das wird auch durch mancherlei Ähnlichkeiten mit den Friesen des siphnischen Schatz- hauses in Delphi (S. 145) bestätigt.
Neben die griechischen Vorbilder italischer Kunst treten die selbständigen Schöpfungen Mittel Italiens. Der etruskische oder besser altitalische Tempel war uns bis vor kurzem nur aus der nicht ganz klaren Beschreibung Vitruvs bekannt, daher die Wieder- herstellungsversuche recht verschieden ausfielen. Allmählich hat es auch auf diesem Gebiete zu tagen begonnen. Schon 1865 und wiederum 1875/76 wurden im Garten des Palazzo Caffa- relli zu Rom die Fundamente des kapitolinischen Juppitertempels aufgedeckt und vermessen, so daß man wenigstens von der An- lage im ganzen ein Bild erhielt; 1887 kamen in Alt-Falerii (Civitä Castellana) die Reste des alten dreiteiligen Tempels der Juno 711 Curitis, wenn auch in sehr beschädigtem Zustande, zutage. Aber eine reichere Anschauung ward doch erst durch eine Anzahl von Tempelgrundrissen vermittelt, die in Marzabotto (1888/89, S. 154),
246 1X> Cinzelentdeckungen in den klassischen Ländern
in Alatri (1889), in Florenz (1892) aufgedeckt wurden. Das Er- 712 gebnis war das gleiche wie überall : an die Stelle der vitruvischen Regel trat eine viel größere Mannigfaltigkeit der wirklichen Grund- risse. Der Abschluß nach hinten durch eine feste Mauer, die weite Vorhalle zur Beobachtung der Himmelszeichen, die Schwelle der Cella oder der mittelsten der drei Gellen als geweihter Mittel- punkt des Ganzen, das waren immer wiederkehrende, weil im Ritus begründete Züge; im übrigen aber herrschte ziemlich große Verschiedenheit des Plans, z. B. auch darin, ob der Tempel auf ebenem Boden oder auf erhöhtem Podium stand, wo dann eine Treppe nur an der Vorderseite hinaufführte. Auch der Aufbau 23 des Tempels ward durch Funde von Terrakottaverkleidungen des 715 Holzgebälkes neu beleuchtet, die den fast überreichen Eindruck dieser Tonzieraten (Ton waren bildeten einen Lieblingszweig des etruskischen Kunsthandwerks) anschaulich machten (vgl. S. 45). In Luni bei Carrara war schon 1842 ein ganzes Giebelfeld mit großen Tonfiguren, allerdings erst aus römischer Zeit, zum Vor- schein gekommen, das aber erst 1885 von Luigi A. Milani ans Licht gezogen und in seiner Bedeutung erkannt ward.
Neben der Erforschung der älteren Gestalt des italischen Tempels wendete sich das Studium auch dem lange vernach- lässigten Gebiete des allmählichen Überganges der italischen Bau- weise zur griechischen Formensprache zu, Luigi Caninas phan- tasievolle Arbeiten auf dem ganzen Gebiete römischer Baukunst hatten lange Zeit ein nicht ganz gerechtfertigtes Ansehen genossen. 1836 hatte der gründliche Carlo Promis die Überreste von Alba Fucens im Gebiete der Äquer zum Gegenstand einer eingehen- deren Forschung gemacht. Neuerdings hat Richard Delbrück begonnen die Tempel Mittelitaliens zusammenhängend zu unter- suchen und an den Tempeln von Signia, Norba, Gabii den 756 griechischen Einfluß auf die Tempelform, die Ausbildung der Gliederungen, den Übergang vom Holzbau zum Steinbau nach- gewiesen ; femer gezeigt, wie gegen den Schluß des hannibalischen Krieges die kleinasiatische Bauwelse des Hermogenes (S. 173 ff.) nach Rom verpflanzt ward, allerdings um in dem fremden Boden bald noch mehr zu vertrocknen. Längst bekannte Tempel, wie
Die Tempel Mittelitaliens. Die Stadt Rom. Palatin 247
24 der ionische der Mater Matuta (sogenannte Fortuna Virilis) in 755
24 Rom oder der korinthische Rundtempel in Tivoli traten erst so
24 in ihren rechten Zusammenhang; der Tempel zu Cori im Volsker- 758
gebirge, durch seine Lage bestechend, offenbarte die traurige
Dürre, zu der der dorische Stil in Italien zusammenschrumpfte,
um bald völlig dem »tuscanischen« Stile Platz zu machen.'
In der Stadt Rom bewirkte der Übergang der stillen Papst- residenz in die Hauptstadt des Königreichs Italien eine Umge- staltung, wie sie seit den Tagen Sixtus V. nicht mehr erlebt worden war. Die Topographie des alten Rom ward durch eine Menge stets auftauchender neuer Tatsachen aufgehellt und fand an Ridolfo Lanciani, Henri Jordan und Christian Hülsen, einem der Sekretäre des Deutschen Archäologischen Instituts, ihre eifrigen und erfolgreichen Bearbeiter. Die Menge neuer Straßen und neuer Bauten förderten überall Reste alter Bauwerke oder Skulp- turen zutage, und das neue städtische Museum auf dem Kapitol reichte bald nicht aus für die unaufhörlich zuströmenden Schätze. Neben den Zufallsfunden gingen aber auch zielbewußte Aus- grabungen einher.
Auf dem Palatin wurden die von Napoleon III. begonnenen 824 Arbeiten (S. 106 f.) fortgesetzt und über beinahe die ganze Fläche des Berges ausgedehnt, so daß das Bild dieses schon gegen Ende der Republik vornehmen Stadtteils in seiner Benutzung für die ausgedehnten Palastbauten der weltbeherrschenden Kaiser immer deutlicher heraustrat. Der Palast des Augustus, aus älteren Auf- nahmen bekannt, ist, wenn auch freilich wohl nur im späteren Umbau, großenteils unter der Villa Mills verborgen; jetzt hat auch deren Stunde geschlagen. Wird der antiquarische Gewinn die Einbuße der poetischen Zypressen aufwiegen? Dieselbe Frage läßt sich auch anderswo aufwerfen. Die langjährigen Arbeiten auf dem Forum haben viele wichtige Punkte der römischen Topographie und Altertümer aufgehellt und haben Lichtstrahlen in die graue Urzeit der Stadt fallen lassen, aber der einst so schöne Campo vaccino ist in eine häßliche Grube voller Minier-
248 IX. Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern
arbeit, voller Gräben und Erdhaufen verwandelt worden, für deren unerfreulichen Anblick es schwer fällt in dem vielberufenen lapis niger über dem Romulusgrabe, in den Resten des Vesta- heiligtums oder des Augustustempels vollen Ersatz zu finden. Wirklich gewonnen hat der Eindruck des Titusbogens, da erst durch jene Ausgrabungen der hohe Sattel der Velia, auf dem der Bogen liegt, zu seiner ganzen Wirkung kommt; das Denkmal der Eroberung Jerusalems thront jetzt, vom Forum gesehen, in stolzer Höhe.
Zu den wertvollsten archäologischen Gaben der Stadtum- wälzung gehört jenes Haus aus augustischer Zeit, das 1878 an- läßlich der Tiberregulierung im Garten der berühmten Farn es i na zum Vorschein gekommen ist. Seine wohlerhaltenen Wandmale- reien zeigen den »zweiten Stil« (S. 157) in einer Mannigfaltigkeit der Durchbildung, in einem Reichtum und Geschmack, daß gegen- über der pompejanischen Landstadt hier, wie bei den palatinischen 96 Wandmalereien (S, 106 f.), die hauptstädtische Vornehmheit zu 56i 95 vollem Ausdruck kommt Vollends bieten die Stuckdekorationen der Decken in ihrem geistreichen, leicht andeutenden Stil, fern von aller Schablonenarbeit, eine der schönsten Leistungen dekorativer Kunst aus der ganzen Antike. Diese Schätze, dem Erdboden an einer auch von der neueren Kunst geweihten Stätte abge- wonnen, gehören zu dem vornehmsten Besitze des neugebildeten Museo nazionale in den Thermen Diocietians.
Das Thermenmuseum birgt auch noch sonst viele der schönsten Einzelfunde der letzten Jahrzehnte. Bei der trostlosen Ver- wüstung der Villa Ludovisi und ihrer Umwandlung in eine Gruppe öder Mietskasernen fand sich wenigstens 1887 eines der an- ziehendsten Bildwerke, das je dem römischen Boden entstiegen 39 ist, eine marmorne Thronlehne mit der Darstellung der dem 343 Meere entsteigenden Aphrodite, die von den Nymphen links und rechts sorgsam empfangen wird, ein Meisterwerk griechischer Plastik aus dem Übergange zur reifen Kunst. Mit der ganzen Sammlung Ludovisi, der gehaltreichsten Privatsammlung des päpstlichen Rom, hat das kostbare Stück im Thermenmuseum seinen Platz gefunden. Ebenda im Oberstock begrüßt den Be-
Famesina. Einzelfunde. Ära Pacis. Kaiserreliefs 249
Sucher die vornehme, dem Vestakloster am Forum entstammende Vestalin, das Urbild einer adligen Äbtissin (gefunden 1883); 827 ferner einige Erzstatuen, darunter der 1884 an der Via Nazionale gefundene wüste Faustkämpfer, der mit zerschlagener Nase, ver- 683 schwollenen Ohren, zerkratzten Armen, aber mit ungeminderter Brutalität dasitzt, ein ebenso vortrefflich ausgeführtes, wie für den späteren Zeitgeschmack charakteristisches Werk, neben dem ein
66 in Olympia gefundener Siegerkopf von Erz, obschon ebenfalls 545 von unschönen Formen, fast wie der Vertreter eines vornehmeren Geschlechtes erscheint.
Außer den neuen Funden ward auch den zum Teil alt- bekannten Bildwerken der Kaiserzeit erneute Beachtung geschenkt. Die römische Kunst war lange Zeit von der Archäologie sehr stiefmütterlich behandelt worden; die Menge und Bedeutung der immer neu auftauchenden griechischen Werke hatten die römischen ganz in den Hintergrund gedrängt. Zuerst wies 1879/81 Friedrich
8 von Duhn eine Anzahl zerstreuter Monumentalreliefs als Bestand- 793 teile der Ära Pacis nach, die der Senat zu Ehren des Kaisers Augustus nach dessen Befriedung des ganzen Reiches im Jahre 1 3 V. Chr. gelobt, viertehalb Jahre später der Friedensgöttin geweiht hatte. Diese Forschung nahm 1894 Eugen Petersen auf und 795/98 vermochte Form und Umfang des Altargeheges, Verteilung und Deutung seines Schmuckes genauer festzustellen. Die Ära Pacis, mit der echt römischen Feierlichkeit ihres Frieses und ihrem engen Anschluß an die Wirklichkeit, erwarb sich schnell ihren Rang als hervorragendes Beispiel augusteischer Skulptur und als charakteristische Parallele zu dem Friese des Parthenon als dem bezeichnenden Vertreter des perikleischen Athen (vgl. Kap. XI). Hier war etwas ganz Neues gewonnen, aber wie stand es denn mit der genaueren Kenntnis der vermeintlich wohlbekannten offiziellen Bildwerke der Kaiserzeit? 1890 nahm Edmond Courbaud die 1872 von Adolf Philippi begonnene Forschung wieder auf. Aber auch hier blieb noch das Wichtigste zu tun. Franz Wick-
82 hoffs Analyse der Reliefs des Titusbogens (1895) und ver- 827 wandter Kunstwerke ließ einen tieferen Blick in die Kunstart der f lavischen Kaiserzeit tun, wenn auch eine Überschätzung der.
250 IX. Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern
römischen Skulptur zu Ungunsten der hellenistischen dem Werte der überaus anregenden Arbeit Abbruch tat. Konrad Cichorius Ausgabe der Reliefs der Trajanssäule (1896/1900) bahnte erst 838 den Weg zu eingehender historischer und archäologischer Be- handlung dieses bisher auch künstlerisch weit unter Gebühr ge- schätzten Werkes. Die photographische Aufnahme und teilweise 85 Abformung der Marcussäule, auf Kosten des deutschen Kaisers 852 1895 unter Leitung Petersens, Alfred v. Domaszewskis und des Architekten Guglielmo Calderini ausgeführt, gab auch hier wissen- schaftlicher Betrachtung zuerst eine feste Basis. Einerseits die ethnographisch lehrreiche Darstellung der Marcomannen und der anderen Gegner Marcaureis, andrerseits die Umwandlung der trajanischen, vielfach poetischen Geschichtserzählung in einen trockenen Chronikstil traten erst jetzt in volles Licht. Weiter schied Petersen am Konstantinsbogen die trajanischen Bestand- teile, die Rundreliefs, zuerst deutlich von den oblongen Platten 833 aus Marcaureis Zeit und gab dadurch einen weiteren wichtigen (849) Beitrag zur Kenntnis der Kaiserkunst. In dem Münchener Posei- 769 donfriese, den Heinrich Brunn 1876 nicht abgeneigt gewesen war Skopas selbst zuzuschreiben, Joh. Overbeck und andere aber mit besserem Rechte der hellenistischen Kunst zugewiesen hatten, erkannte 1896 Adolf Furtwängler Teile eines großen Altars, 770 dessen Vorderseite, ein römisches Staatsopfer darstellend, im Louvre aufbewahrt wird; er wies das Werk einem um die Zeit der Schlacht von Actium von Gnäus Domitius Ahenobarbus errichteten Neptuntempel zu, an den schon Brunn als Ursprungsort gedacht hatte. Den 1872 auf dem Forum gefundenen großen Reliefschranken mit Darstellungen des Forums und trajanischer Regierungshandlungen wies Petersen 1898 ihren ursprünglichen Platz als Geländer der Rednerbühne an. Genug, unsere Kenntnis der historischen Skulptur der Kaiserzeit ward völlig von neuem auf eigene Füße gestellt. Die Architektur dieser Zeit, ihre weit- aus bedeutendste Leistung, harrt dagegen noch erneuter frucht- barer Erforschung; nur an einzelnen Stellen hat diese bisher eingesetzt.
Kaiserreliefs. Pompeji. Silberfunde 251
In Pompeji gingen die Arbeiten in der früher geschilderten Richtung (S. 153 ff.) weiter fort. Ein Stück der alten Stadt nach dem anderen ward aufgedeckt. Öffentliche Gebäude, wie die sogenannten Centralthermen (1877) oder der ganz zerstörte Tempel der Stadtgöttin Venus (1898), traten selten ans Licht. Unter den zahlreichen 100 Privathäusem erregte das 1894/95 aufgedeckte Haus der Vettier 822 durch seinen ebenso reichen (man zählt 188 Bilder!) wie wohl- erhaltenen malerischen Schmuck allgemeines und berechtigtes Aufsehen; verdientermaßen hat man es möglichst im ursprüng- lichen Zustande belassen und geschützt. Das gleiche Verfahren ist seitdem bei der Casa degli Amorini dorati mit ihrer reichen Ausstattung an Kunstsachen aller Art angewandt worden; goldene Amoretten hinter Spiegelglas haben dem Hause den Namen ge- geben. Ein anderer Fund, der etwas Neues bot, war die Ent- deckung eines Landsitzes mit Wirtschaftsbetrieb in der Umgegend Pompejis, in Boscoreale; er ward 1894/96 unter A. Pasquis Leitung ausgegraben. Natürlich war hier alles verschieden von der städtischen Villa des Diomedes (S. 18); zum erstenmale tat man einen Einblick in die Einrichtung einer villa rustica. Neuer- dings tauchte auch die Hoffnung auf, die längst aufgegebene Ausgrabung von Herculaneum (S. 8 f.) wieder aufzunehmen. Charles Waldstein entwarf einen Plan dies große Werk durch internationale Subskription durchzuführen und bemühte sich darum mit großem Eifer. Die italienische Regierung stellte sich je nach den rasch wechselnden Ministerien bald ablehnend bald günstig zu diesen Plänen, bis das stolze Italia farä da se siegte. Man wird also in Geduld abwarten müssen, ob unsere Nachkommen einmal auch diese Schwesterstadt Pompejis dem Lichte zurück- gegeben sehen werden.
Den Besitzern jenes Landsitzes von Boscoreale war es bei der großen Katastrophe, die mit der benachbarten Stadt Pompeji auch ihre Villa unter dem Aschenregen verschüttete, nicht ge- glückt ihr stattliches Silbergerät, das sie bereits zusammen- gerafft hatten, zu retten. Es fand sich noch fast vollständig bei- sammen, um dem italienischen Ausfuhrverbote zum Trotz alsbald den Weg nach Paris in die Hände des Barons Edmond de
252 JX. Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern
Rothschild zu finden, der den größten Teil (zwei besonders interessante Becher behielt er zurück) dem Louvre schenkte. Es war ein prächtiger Schatz, gemischt aus hellenistischen und römischen Arbeiten. Der schnell berühmt gewordene Becher mit einer Art Totentanz griechischer Dichter und Philosophen 639 kann kaum anderswo als in Alexandrien entstanden sein; ein Henkelbecher mit intimen Schilderungen aus dem Leben der 638 Störche weist auf ein Land hin, wo Störche nisten, vermutlich Kleinasien; eine prunkvolle Schale mit dem Medaillon der Alexan- dreia oder Afrika ist zweifellos einem alexandrinischen Original entnommen. Andererseits lassen Humpen mit historischen Szenen aus dem Leben der Kaiser Augustus und Tiberius oder Schalen mit römischen Bildnisbüsten keinen Zweifel an ihrem römischen Ursprung aufkommen. Somit ward auch auf diesem Gebiete die Scheidung hellenistischen (nicht bloß alexandrinischen) und römischen Gutes der Wissenschaft als Aufgabe gestellt, eine Scheidung, die sich auch auf gewisse marmorne Reliefbilder malerischen Charakters erstreckte. Neuerdings neigt sich für die
80 erhaltenen Exemplare dieser Gattung die Ansicht der Gelehrten 791/92 römischem, in den besten Stücken augusteischem Ursprünge zu, womit freilich die — für manche Stücke unzweifelhaften — Vor-
76 bilder aus hellenistischer Kunst noch nicht abgetan sind. Man 620 denkt unwillkürlich an das Verhältnis der römischen Poesie in der Kaiserzeit zu ihren hellenistischen Mustern.
Der Silberfund von Boscoreale war nicht der erste seiner Art. Schon im Jahre 1830 war in der Normandie, zu Berthouville bei Bernay, der Silberschatz eines Mercurtempels zum Vorschein gekommen, der sich jetzt im Münzkabinett der Pariser Bibliothek befindet Er gehört wohl etwas jüngerer Zeit an als der Schatz von Boscoreale und legt von dem prunkvollen aber minder reinen Geschmacke der späteren Kaiserzeit auch auf diesem Gebiete Zeugnis ab. Nach längerer Zeit folgte 1858 der Fund des silbernen Ordensschmuckes (Phalerä) eines römischen Offiziers, der bei Lauersfort, unweit Xanten, dem Rhein abgewonnen ward; neun silberne Medaillons, mit Darstellungen versehen, die vor allem den Geehrten vor bösem Zauber bewahren sollten,
Silberfunde 253
waren ein so vollständiger Schmuck der Brust, daß man nach »höheren Klassen« oder weiteren Dekorationen nicht auszublicken brauchte. Künstlerisch wertvoller ist der 1868 auf einem Exer- zierplatze bei Hildesheim entdeckte Silberschatz, der in der Hauptsache der ersten Kaiserzeit angehört und vermutlich das Tafelgeschirr eines römischen Generals, wenn auch, nicht gerade des Varus, gebildet hat. Er ist im Berliner Museum mit großer Sorgfalt und günstigem Erfolge wiederhergestellt worden. Im ganzen dem Funde von Boscoreale nahestehend, in einzelnen Stücken (z. B. dem großen Mischkruge und der Athenaschale) 64i ihm überlegen, regt er die gleichen Fragen an wie jener. Daß im kaiserlichen Rom das Gewerbe der Silberschmiede noch eifrig geübt worden ist, läßt sich nach allem nicht bezweifeln. Es scheint demnach, daß Plinius Wort, die Kunst der Silberschmiede und Ziseleure sei erloschen, sich mehr auf die Erfindungsgabe als auf die technische Fertigkeit bezieht.
Die letzten Beispiele führen uns durch ihre Fundstätten be- reits über die Grenzen Italiens hinaus und leiten über zu den Außenländern, die wir im nächsten Kapitel durchwandern wollen.
EINZELENTDECKUNGEN IN DEN AUSSENLÄNDERN
ei den weitzerstreuten Gebieten, die die beiden klas- sischen Länder von allen Seiten umgaben, handelt es sich um ganz verschiedene Gesichtspunkte, je nachdem diese Gebiete selbst die Heimat altüberlieferter Kunstübung sind oder ihre Anregungen von griechischer oder römischer Seite er- halten haben. Selbstverständlich fällt der Osten im ganzen unter ersteren, der Westen und Norden unter letzteren Gesichtspunkt.
In Ägypten lag die wissenschaftliche Forschung seit der Mitte des Jahrhunderts infolge des überwiegenden politischen Ein- flusses Frankreichs wesentlich in französischen Händen. Auguste Mariette, weniger ein tiefer Forscher als ein glücklicher Entdecker, ließ eine große Reihe von Tempeln, in Edfu, Dendera, Karnak, 648149 Der el Bahri, freilegen, lauter Bauten des Neuen Reiches oder der si
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Ptolemäer- und Kaiserzeit. Auch Abydos verdankte ihm seine 94/95 Ausgrabung. Von besonderer Bedeutung war gleich zu Anfang von Mariettes Tätigkeit die binnen vier Jahren (1851/55) durch- geführte Befreiung des Serapeums bei Memphis von seiner tiefen Sanddecke; leider ist es heute wieder tief unter dem Sande ver- schwunden und harrt seiner gründlicheren Freilegung durch die 1905 von der ägyptischen Regierung begonnenen Ausgrabungen bei Sakkara. Das Hauptheiligtum selbst des späteren Hauptgottes Ägyptens, mit seinen Apisgräbern und allerlei Skulpturschmuck, trat damals zutage; an einem Gange wiesen zwei Kapellen neben- 653
Ägypten. Altes Reich 255
einander, die eine ägyptischen, die andere griechischen Stils, recht handgreiflich auf den zwiespältigen Charakter der Ptolemäerzeit hin. In ganz andere Regionen führte der Inhalt der benachbarten Gräber, deren Aufdeckung Mariette als Direktor des von ihm in Bulak begründeten, später nach Gise verlegten, jetzt in Kairo selbst eingerichteten Museums ausführte. Man braucht nur die 3 Statue des kauernden Schreibers im Louvre zu nennen, um an 53 die außerordentliche Entdeckung zu erinnern, daß schon im Alten Reich, in der fünften Dynastie, eine so lebensvolle Kunst bestanden habe. Es war ein ungeahnter neuer Ausblick in die Frühzeit ägyptischer Kunst, der sich da eröffnete, über die konventionelle Gebundenheit der späteren, meist an die Architektur gefesselten Plastik hinaus auf eine wohl schon stilvolle und an das Gesetz der »Frontalität« gebundene, aber innerlich freiere, äußerlich selb- ständigere, auf schärfster Beobachtung beruhende und die Technik wunderbar beherrschende Skulptur aus der Mitte des 3. Jahr- tausends! Und der Schreiber blieb ja keine vereinzelte Erschei- 3 nung; ihn sollte demnächst der »Dorfschulze« an Popularität noch 54 3 übertreffen, und ein ganzes Heer lebensvoller Genrefiguren, in Be- 56/57 schäftigungen des häuslichen Lebens begriffen, trat ihnen zur Seite. Auf Mariette folgte als Leiter der ägyptischen Altertümer- verwaltung 1881 Gaston Camille Maspero, der die historische Seite der ägyptologischen Forschung betonte und mit archäolo- gischen Studien den Gelehrten anderer Nationen voranging. Neben den großen Pyramiden von Gise gewannen durch die unter seiner Leitung durchgeführten Arbeiten die kleineren und etwas späteren von Sakkara an Interesse, Bauten der fünften und sechsten Dynastie. In ihrem Inneren kamen lange religiöse Texte in der alten Sprache zum Vorschein, die einen tiefen Einblick in die Religion der Pyramidenzeit gestatteten. Aus ihnen ward auch zum erstenmale die älteste Periode der ägyptischen Sprache be- kannt und damit erst die Grundlage für eine ägyptische Gram- matik gewonnen, wie sie besonders von Adolf Erman festgestellt worden ist.
Ein weiterer Fortschritt bestand auch auf diesem Gebiet in der vervollkommneten Methode der Ausgrabungen. Seitens
256 X. Einzelentdeckungen in den Außenländern
der ägyptischen Regierung wurden unter französischer Leitung die großen Tempel in Medinet Habu, Luksor, Karnak völlig frei- 76 gelegt und teilweise wiederhergestellt. Neben die Franzosen traten bald im Wetteifer andere Nationen, zuerst die in Ägypten mehr und mehr politisch interessierten Engländer, denen sich die Ameri- kaner anschlössen, später auch die Deutschen. Der 1882 ge- gründete Egypt Exploration Fand und die seit 1902 in Ägypten tätige Deutsche Orientgesellschaft wirken dort stätig durch gründ- liche Untersuchung hervorragender Ruinenstätten. Auf Kosten der ersteren ist beispielsweise in Der el Bahri, wo Ed. Naville 84 schon 1894/6 den großen Terrassentempel der Hatschepsowet aufgedeckt hatte, 1903/7 von demselben der älteste thebische Tempel aus dem Schutte wiedergewonnen, der Totentempel eines Königs Mentuhotep (um 2100); es ist ein an den Fels gelehnter Terrassenbau, dessen Höhe einst eine Pyramide schmückte, eine letzte, seltsam ineinander geschobene Abart der alten Pyramiden- anlagen. Durch seine energische Inangriffnahme immer neuer Ausgrabungen zeichnete sich besonders Flinders Petrie aus Wool- wich aus, der sich zuerst an den Altertümern seiner britischen Heimat geübt hatte und dann seit 1880 den ganzen Eifer des Autodidakten auf die Aufgaben in Ägypten übertrug, mit gleicher Begeisterung aber mit viel wissenschaftlicherem Sinn als Schlie- mann. Nach kurzen Untersuchungen an den Pyramiden machte er sich, entsprechend der oben (Kap. VII) geschilderten Richtung auf klassischem Gebiete, zuerst daran ganze Städte aufzudecken. In kurzen Zwischenräumen erschienen seine frisch geschriebenen Berichte, die immer den Ausgrabungen auf dem Fuße folgten. Von Naukratis (1884/86), der für den ältesten griechischen Ver- kehr mit dem Nillande besonders wichtigen Niederlassung, war schon oben die Rede (S. 231). Dann deckte er 1889 bei Illahun eine Pyramidenstadt des mittleren Reiches auf, die nicht nur über die Wohnverhältnisse der Ägypter Aufschluß gab, sondern bei 7i einer Wiederaufnahme der Grabungen im Jahre 1899 durch Papyrusfunde die genaue, astronomisch festgelegte Datierung des Mittleren Reiches ermöglichte. Hier tauchten auch die ersten »mykenischen« Scherben in Ägypten auf, die 1895 bei einer
Ausgrabungen in Ägypten. Tell-el-Amama. Pyramiden 257
weiteren Grabung Petries in Massen, wenn auch aus einer um 500 Jahre jüngeren Periode, gefunden wurden. Es handelte sich um Tell-el-Amarna, die Residenz des Reformkönigs Echnaton oder Amenophis IV. Ein für das konventionelle Ägypten uner- hörter Realismus bezeichnete die Bilder des ketzerischen Königs, go/91 der nicht den Sonnengott Re, sondern den feurigen Sonnenball selbst mit seinen Strahlen anbetete. Die Landschaften und Tier- 93 Szenen auf dem Gipsestrich seiner Paläste bezeugten, so schien es, die Kraft fremder, »ägäischer« Kultureinflüsse auf das damalige Ägypten (S. 220 f.); eine Ansicht, die freilich neuerdings bei den Ägyptologen Zweifeln begegnet. Schon früher (1887) war das Tontafelarchiv dieser Residenz gefunden worden und hatte über- raschende Einblicke in die diplomatische, in Keilschrift geführte Korrespondenz der beiden Großmächte Ägypten und Babylonien im 14. Jahrhundert v. Chr. tun lassen. Neuerdings (seit 1895) erwirbt sich der Architekt Ludwig Borchardt durch seine gründ- lichen und methodischen Ausgrabungen besondere Verdienste. 1899/1901 hat er für das Berliner Museum und mit liberaler Unterstützung W. v. Bissings das von einem Obelisken bekrönte Heiligtum des Sonnengottes Re bei Abu Gurab aufgedeckt, dessen 46 reicher Reliefschmuck geeignet war die frühere Ansicht von der Schmucklosigkeit der Tempel des Alten Reiches zu widerlegen. Ferner verdanken wir Borchardt infolge der Ausgrabungen, die er 1902/4 für die Deutsche Orientgesellschaft in Abusir ausführte, eine tiefere Einsicht in die Geschichte des Pyramidenbaues und 45 in die ganzen Anlagen, von denen die Pyramide selbst nur den Abschluß bildet: ein Torbau am Ufer des Nils während seiner Überschwemmung führt zu einem ansteigenden bedeckten Gange, dieser zum Grabtempel, hinter dem sich die Pyramide aufbaut. In gleicher Richtung haben die Franzosen in Abu Roasch, die Amerikaner in Gise den Grabtempeln der Pyramiden nachge- forscht. Auch die Säulenformen Ägyptens haben durch Borchardt 47/49 eine klärende Behandlung erfahren, und die oben (S. 255) ge- nannten Freilegungen der großen Tempel Thebens haben es ihm ermöglicht die verwickelte Baugeschichte des Hauptteiles dieser Riesenanlage zu ermitteln (1905).
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 17
258 X. Einzelentdeckungen in den Außenländem
Besonders reich sind auch die Ergebnisse der Untersuchungen von Königsgräbem des Mittleren Reiches, bisher weniger in archi- tektonischer Beziehung als durch die kostbaren Beigaben der Bestatteten. Besonders berühmt ist J. de Morgans überreicher Fund in den Gräbern der Prinzessinnen in Dahschur; prächtige Materialien und eine unvergleichliche Technik vereinigen sich in 64 diesen Musterschöpfungen ägyptischen Kunsthandwerks. Andere kaum minder schöne Werke der Kleinkunst haben die Königs- gräber des Neuen Reiches von Biban el muluk geliefert, deren Untersuchung in den letzten Jahren durch die Freigebigkeit des Amerikaners Theo. Davis durchgeführt wird. Die Trockenheit des ägyptischen Bodens sichert auch Werken wie dem hölzernen Mobiliar und Geräte vollkommene Erhaltung. Derselbe Umstand, og f. verbunden mit den vorzüglichen Konservierungsmethoden der alten Ägypter, hat es auch zuwege gebracht, daß die Leichen einiger bedeutenden Könige des Neuen Reiches noch so wohl- erhalten zum Vorschein gekommen sind, daß wir ihre Züge dadurch treuer als aus Statuen oder anderen Bildern wiederge- winnen können.
Das letzte Stadium der Erforschung Ägyptens hat hier, wie anderswo, die bisherigen Grenzen unseres Wissens rückwärts überschritten und Blicke in die Zeit der ersten mit dem Könige Menes beginnenden Dynastien, ja darüber hinaus in die Frühzeit der ägyptischen Kultur eröffnet. Seit etwa zehn Jahren sind namentlich E. Amelineau (Abydos), J. de Morgan (Nagada), Flinders Petrie (Abydos) und J. E. Quibell (Kom-el-achmar) in dieser Richtung tätig gewesen. 1897 trat in Nagada ein von Borchardt erkanntes Grab aus der Zeit des Königs Menes (seit 35(36 3400) zutage, von späteren Grabanlagen abweichend, aber für ihre Entstehung belehrend. Wandmalereien in Kom-el-achmar (Hiera- so konpolis) und die Dekoration der in den jetzt zahlreich aufge- deckten prähistorischen Nekropolen gefundenen Töpfe machten eine Kinderkunst, die Elfenbeinstatuette eines greisen Königs einen 34 scharf beobachtenden Naturalismus anschaulich. In den Reliefs auf den großen Schminkpaletten der ältesten Könige traten die Vorläufer der Reliefkunst des Alten Reiches zutage. Hie und da
Königsgräber. Ägyptische Frühzeit und Spätzeit 259
haben die alten Ägypter, indem sie in späteren Zeiten älteren Besitz der Tempel beiseite schafften, uns Nachlebenden uner- wartete Einblicke in die Vorzeit vermittelt. So fand Quibell 1 897 im Tempel von Kom-el-achmar neben einer Anzahl ausrangierter Werke aus der Zeit der ersten Dynastie die in Kupfer getriebene lebensgroße Statue des Königs Pepy aus der 6. Dynastie, und 52 Legrain geriet 1904 beim Tempel von Kamak auf eine Grube voll Hunderter von Statuen, die in ptolemäischer Zeit dort be- seitigt worden waren. Durch alle diese Funde ältester und alter Zeit wird, ebenso wie dies von den griechischen Kunstanfängen gilt, die schwierige Frage nach den Ursprüngen der ägyptischen Kunst, nach dem Alter der festen Typik, die für die Kunst Ägyptens so charakteristisch ist, neu angeregt und ihrer Lösung allmählich zugeführt.
Neben dem alten Ägypten ist auch die ptolemäisch-römische Periode nicht ganz leer ausgegangen. Der ungeahnten Bereiche- rung, die der Geschichte der späteren Verfassung und Verwaltung Ägyptens aus zahllosen Papyrusfunden zuteil geworden ist, kann hier nur ebenso flüchtig gedacht werden wie des Gewinnes, den unsere Kenntnis griechischer Literatur (z. B. Bakchylides, Menan- dros, Aristoteles Schrift vom Staate der Athener) aus gleicher Quelle geschöpft hat. Auf künstlerischem Gebiet erregten großes Aufsehen die zuerst 1887 im Fajum in größerer Menge zum 100 Vorschein gekommenen Bildnisse, auf dünne Holzplatten gemalt, xn die ursprünglich (gleich den ägyptischen und mykenischen Gold- masken, S. 216) die Gesichter der Mumien bedeckt hatten. Zuerst in die Ptolemäerzeit, ja sogar in die Nähe des Hofes versetzt, sind die hochinteressanten, wenn auch künstlerisch sehr verschieden zu bewertenden Bildnisse bald (vielleicht mit einzelnen Ausnahmen) als Erzeugnisse der römischen Zeit festgestellt worden. Außer ihrem Interesse für die Kenntnis der Porträtkunst haben die Täfel- chen auch über die Technik der Temperamalerei und der Enkau- stik und ihre gelegentliche Verbindung Licht verbreitet. — Andere Bemühungen richteten sich auf die Bereicherung unseres Materials für die hellenistisch -alexandrinische Kunst, ein Gebiet, dessen Bearbeitung namentlich Theodor Schreiber unternommen hat.
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260 X. Einzelentdeckungen in den Außenländem
Während die Ägyptologen ausschließlich oder vorwiegend die älteren Zeiten des selbständigen Ägyptens berücksichtigen, bleibt für die Kenntnis Alexandriens als des Mittelpunktes des »alexan- drinischen« Zeitalters noch so sehr alles zu tun, daß noch vor einigen Jahrzehnten die Existenz einer alexandrinischen Kunst ganz in Frage gestellt zu werden pflegte. Leider haben Aus- grabungen, die 1898/99 und 1900/1 unter Schreibers Leitung auf Kosten Ernst Sieglins in Alexandrien vorgenommen worden sind, nicht ganz den gehofften Erfolg gehabt. Für das gesamte Forschungsgebiet ward durch Giuseppe Botti im Alexandriner Museum ein fester Mittelpunkt geschaffen. Neben der Rettung vieler einzelner Stücke ist ihm die Erhaltung eines griechisch- römischen Grabes in Kom-esch-schukäfa (1900) von sehr kompli- zierter mehrstöckiger Anlage zu verdanken. Gegenüber der scharfen Trennung von einheimischen und griechischen Kunstelementen in der Ptolemäerzeit (S. 254 f.) erblicken wir hier in der Kaiserzeit einen Inhalt und Form beherrschenden Synkretismus, wie er der Spätzeit Ägyptens überhaupt eigen ist. Das rasch anwachsende Museum in Alexandrien, das in E. Breccia einen eifrigen und geschulten Direktor erhalten hat, wird hoffentlich mehr und mehr die Aufgabe erfüllen die zersplitterten Kunstreste des hellenistisch- römischen Alexandriens und seiner Umgebung zu sammeln und zu retten. Wie sorglos vielfach damit umgegangen wird, kann das Schicksal eines hallenartigen Heiligtums aus der ersten Ptole- 654 mäerzeit zeigen, das der Admiral Kallikrates der als Aphrodite vergötterten Gemahlin Ptolemäos IL, Arsinoe, dicht bei der Haupt- stadt über dem Meeresstrande errichtet hatte. 1865 vom be- deckenden Sande befreit und flüchtig vermessen, ist es heutzutage schon wieder, so weit die Steine nicht als Baumaterial geraubt worden sind, unter einer Sanddecke begraben.
Erst ganz kürzlich ist es möglich geworden auch das schwer zugängliche und durch den Fanatismus der Bewohner versperrte Hochland Ab essin iens in den Bereich der Forschung zu ziehen. Die zwischen Deutschland und dem Negus Menelik angeknüpften Beziehungen und die Liberalität Kaiser Wilhelms hatten 1906 eine Expedition zur Folge, die aus dem Orientalisten Enno Litt-
Ägyptische Frühzeit und Spätzeit. Abessinien. Babylonien 261
mann und den Architekten D. Krencker und Th. von Lüpke bestand. In Aksum (unweit Adua), der Hauptstadt des alten aksumi- tischen Reiches, dessen Blüte in die ersten vier oder fünf Jahr- hunderte nach Christus fällt, waren außer Resten von Tempeln und Palästen besonders die zu Ehren der Götter errichteten »Königsstühle« und eine Anzahl mächtiger monolither Stelen Gegen- stand der Forschung. Letztere, an Höhe mit den Obelisken wett- eifernd, bilden mit ihren Stockwerken und Balkenköpfen eine alte Holzarchitektur nach und sind deshalb besonders merkwürdig, weil sich keinerlei Beziehung zur Kunst des benachbarten Nil- landes zeigt. Man vermutet südarabische Einflüsse; in Einzel- heiten scheint sich auch hellenistische Einwirkung zu verraten.
Wenn früher der Kultur Ägyptens ein erheblicher Alters- vorrang vor der Kultur Mesopotamiens zugesprochen ward, so ist diese Anschauung neuerdings stark ins Schwanken geraten. Auch am Tigris und Euphrat haben, wie überall, Funde und Ausgrabungen Perspektiven in bisher unzugängliche Zeitfernen eröffnet. Während die oben (S. 85 ff.) geschilderten assyrischen Entdeckungen am mittleren Tigris nicht über das 9. Jahrhundert zurückgereicht hatten, ward jetzt das Feld der Untersuchungen vorwiegend südlicher nach Babylonien verlegt, wo die beiden Flüsse sich näher rücken, um sich endlich miteinander zu ver- einigen. Hier gelang es viel weiter zurück in die Urzeit zu dringen.
Babylonien war schon öfter das Ziel wissenschaftlicher Reisen gewesen. Besonders hatten sich seit der Mitte des Jahr- hunderts der Geologe W. Kenneth Loftus (1849/52 und 1853/55) und der englische Vizekonsul J. E. Taylor (1853/55) um unsere Kenntnis des unteren Flußgebiets verdient gemacht. Ein Wand- 113 stück in Warka mit teppichartigem Muster und die Reste einer Stufenpyramide in Mugheir ließen uns den ersten Blick in die altbabylonische Baukunst und Dekorationsweise werfen. Bedeut- samer aber waren die Ergebnisse, die der französische Vizekonsul Ernest de Sarzec bei jahrelangem Aufenthalt in jenen Gegenden
262 X. Einzelentdeckungen in den Außenländem
gewann. Seine Ausgrabungen in Telloh (1877/78 und 80/81) io8|9 lieferten in den Statuen des Gaufürsten Gudea und einer Anzahl von Reliefs, die das Museum im Louvre bereichert haben, Zeug- nisse einer Kunst, welche scharfe Beobachtung mit technischer Meisterschaft gegenüber hartem Stoffe verband und in einzelnen Punkten ein freieres Empfinden als die ganze spätere mesopota- mische Kunst bekundete. Und doch müssen diese Werke nach den sicheren Ergebnissen neuerer Funde etwa um 2600 angesetzt werden, sind also ungefähr gleichzeitig mit dem Beginn der Kunst des Alten Reiches in Ägypten. Daß indessen auch die Kunst von Telloh nicht einen ersten Anfang bezeichnete, sondern Vor- läufer voraussetzte, konnte nach der dort bereits erstiegenen Stufe technischer Vollendung nicht zweifelhaft sein. Etwas später als de Sarzec traten die Amerikaner auf den Plan und gruben 1888/1900 unter Peters, Haynes, Hilprechts, Fishers Leitung in Nippur. Große Bauten traten hier ans Licht, Stufenpyramiden (Ziggurat) und Tempel wie »das Haus Bels«; dazu kam in Abu Habba der Sonnentempel, den das Türkische Museum unter Leitung von Pater Scheil und Bedri Bey ausgraben ließ. Auch an be- deutenden Werken der Kleinkunst fehlte es nicht; erzgegossene Stier- und Ziegenköpfe vervollständigten das Bild der schon in iii Telloh zutage getretenen uralten Plastik. Für Mesopotamien be- deutete dies alles einen Rückblick in eine sehr durchgebildete Vorzeit, ebenso wie für die griechischen Länder die Erschließung der ägäischen Kultur.
Neben diese Einzelstätten sumerischer und semitischer Kunst (letztere herrscht namentlich im nördlichen Babylonien schon früh) trat Babylon, die Hauptstadt des um 2200 durch Hammurabi lu vereinigten Reiches. Die Ruinen Babels bei Hilleh, auch des »Turms von Babel«, den man in Birs-Nimrud (Borsippa) suchte, hatten schon früh die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und wurden öfter (z. B. von Layard, Rawlinson, Rassam) besucht und beschrieben, während Jules Oppert 1851/54 im Verein mit Fresnel und dem Architekten Felix Thomas sie zum Gegenstand einer umfassenden Erforschung machte. Aber zu einer wirklichen Ausgrabung in größerem Stil kam es nicht und die transportier-
Telloh. Nippur und Fara. Babylon 263
baren Ergebnisse der letzten Expedition versanken im Flusse. So konnte Georges Perrot 1884 schreiben: »Es gibt in der Ebene mehr als einen Hügel, wo noch nie ein einziger Spatenstich getan worden ist, und doch entspricht sicherlich jede dieser Anhöhen irgend einem Bauwerk von mehr oder weniger hohem Alter, einer Gruppe von Häusern, einem Stück Mauer. Es wäre eine edle Aufgabe, die drei oder vier großen Ruinen, die sich auf der Stätte von Babylon finden, bis auf den Grund auszugraben und ihre ganze Umgebung sorgfältig zu untersuchen. Ein solches Unternehmen würde langwierig und kostspielig sein, aber es würde unsere dürftige Kenntnis vom alten Chaldäa mächtig er- weitem; es würde sicherlich der Regierung, die die Kosten über- nähme, zur Ehre gereichen, noch mehr aber der archäologischen Wissenschaft, die diese Aufgabe methodisch durchzuführen ver- stünde, großen Nutzen bringen«. Diese lohnende Aufgabe hat die 1898 gegründete Deutsche Orient-Gesellschaft in Angriff ge- nommen, indem sie zugleich die Preußische Regierung bewog den größten Teil der Kosten zu übernehmen und der General- verwaltung der Preußischen Museen zur Verfügung zu stellen; auch der Kaiser lieh seine Unterstützung. Mit glücklicher Wahl betraute die Gesellschaft den Architekten Robert Koldewey mit der Ausgrabung; ihm stehen Andrä, Nöldeke, Jordan und andere zur Seite. Aus dem großen Umfang der alten Riesenstadt ward zum Beginn die Haupthügelgruppe »El Kasr« (das Schloß) auserlesen und 1899 der Spaten angesetzt. Es ist nicht Altbabylon, sondern das Babylon Nebukadnezars aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts, das hier freigelegt wird. Da ist zuerst sein doppeltes Schloß mit Hof, ziegelgeschmücktem Saal und zahllosen Gemächern (die ns Todesstätte Alexanders des Großen); sodann östlich davon der Tempel der Ninmach und das gewaltige, mit Reliefs bedeckte Torgebäude der Göttin Istar; durch dieses führt die gepflasterte Prozessionsstraße, deren Einschließungsmauern mit prächtigen Löwen in glasierten Ziegelsteinen geschmückt waren; den Ziel- in punkt bildete endlich Esagila, das große Heiligtum des Stadt- gottes Marduk. Die gefundenen Überreste zeigen große Ähnlich- keit mit denen der assyrischen Residenzen (S. 85 ff.), deren
264 X. Einzelentdeckungen in den Außenländem
spätesten sie zeitlich nahe stehen, übertreffen sie aber teilweise, namentlich in den Darstellungen auf bunt emaillierten Ziegeln, an Feinheit und Kraft. Die Tempel boten zunächst gegenüber den Palästen Assyriens etwas Neues. Neben Babylon sind auch andere Örtlichkeiten des umgebenden Landes, z. B. Fara und Abu Hatab, von der Deutschen Orient-Gesellschaft in die Unter- suchung einbezogen worden; sehr altertümliche Zylinder mit überraschenden Darstellungen boten ein besonderes Interesse.
Im Jahre 1903 wurden die Ausgrabungen auch flußaufwärts nach Assyrien übertragen. Südlich von Nimrud überragt den Tigris auf seinem rechten Ufer der steile Ruinenhügel von Kalat Schergät, die Stelle der ältesten Hauptstadt Assyriens, Assur. Schon Layard (S. 86 f.) hatte den Hügel angegraben und eine sitzende Statue aus schwarzem Basalt zutage gefördert, dann aber das Unternehmen als aussichtslos aufgegeben. Nunmehr hat Andrä hier eine große Anzahl von Baulichkeiten aus der Zeit Asumasirpals (9. Jahrh.) aufgedeckt: die Mauern mit dem ge- waltigen Stadttor, ferner Paläste, Tempel und Ziggurat; dazu aus etwas jüngerer Zeit (7. Jahrh.) zum erstenmale assyrische Privat- häuser in einem besonderen Stadtviertel. Weiter hat Andrä auch in ältere Schichten vordringen können, zum Beispiel eine Staden- mauer unten am Tigris aus dem 14. Jahrhundert aufgefunden. Vor allem aber ist das Hauptheiligtum Assyriens, der Tempel des Nationalgottes Assur, zum Vorschein gekommen; seine voll- ständige Freilegung steht zu erwarten. Neuerdings hat sich auch außerhalb des Stadtgebietes ein Tempel gefunden, der ebenso durch seine abweichende Gestalt wie durch die beim Bau außer dem Lehm mitverwendeten Steine bemerkenswert ist Assur hat femer noch mehrere Statuen geliefert, die bekanntlich in der assyrischen Kunst selten vorkommen. Endlich sind als Neben- gewinn bedeutende Bauten und Kunstwerke aus der Partherzeit zum Vorschein gekommen.
Weitab westlich vom Tigris, halbwegs zwischen Marasch am oberen Euphrat und Alexandrette am Meerbusen von Issos, aber noch im Bereich assyrischer Kultureinflüsse, liegt der Ruinen- hügel von Sendschirli. Hier hat das Berliner »Orientkomitee«,
Assur. Sendschirli. Palästina 265
eine Privatgesellschaft, wiederholt (1888, 1890/91, 1894) graben lassen, zuerst unter Humanns und Felix von Luschans, sodann unter v. Luschans Leitung mit Beihilfe Robert Koldeweys. Ein befestigter Burghügel liegt inmitten eines von kreisförmiger Doppel- mauer umzogenen Stadtgebietes. Mehrfache Palastanlagen von verschiedenem Alter, aus dem 9. und 8. Jahrhundert, haben sich erhalten. Sie zeigen im wesentlichen den auch von Assyrien her bekannten Charakter solcher Bauten in ihrer einfachsten Gestalt: zwischen Türmen eine Vorhalle mit zwei Säulen (das »hettitische Chilani«), dahinter der große quergelagerte Hauptraum, mit Neben- räumen seitlich und im Hintergrunde. Dies ist auch im ganzen die Gestalt der Tore, mit Vorhof und Innenhof zwischen Türmen. Reliefs von ziemlich unbeholfener Kunst, die teils ins Berliner Museum, teils nach Konstantinopel gelangt sind, schmückten die unterste Quaderreihe. Die Säulen wurden, wie öfters in Assyrien und in der romanischen Kunst, von Löwen oder Sphinxen auf ihrem Rücken getragen. Hettitische und assyrische Einflüsse scheinen sich in Sendschirli zu begegnen; eine Reliefstele Asar- haddons (von 671) weist auf die assyrische Herrschaft hin.
Etwa um die gleiche Zeit mit den Ausgrabungen in Send- schirli begann man auch in Palästina den Spuren älterer Kultur nachzuforschen. Der unermüdliche W. Flinders Petrie setzte zuerst 1890 in Tell-el-Hesy, der idumäischen Stadt Lachisch (öst- lich von Gaza), den Spaten an, wo eine 20 Meter hohe Schutt- schicht die Unterscheidung von vier Perioden (einer prähisto- rischen, einer vorisraelitischen mit mancherlei fremden Einflüssen, einer israelitischen und einer hellenistischen) hauptsächlich mit Hilfe der Tongefäße festzustellen erlaubte. In Judäa, zwischen Jerusalem und dem Meer, untersuchte 1902/5 R. A. Stewart Macalister im Auftrage des englischen Egypt explomtion fand den Ruinenhügel von Geser (Gazara), während weiter nördlich am Westrande der Ebene Esdraelon, Nazareth gegenüber, E. Sei- lin 1902/4 mit Hilfe österreichischer Gönner den Tell-Taannek und G. Schumacher 1903/5 für den Deutschen Palästina- Verein mit Unterstützung des Kaisers Tell-el-Mutesellim (Megiddo) gründ- lich ausgruben. Alle diese und andere kleinere Untersuchungen
266 X- Einzelentdeckungen in den Außenländem
brachten das Ergebnis, daß durch ganz Palästina wesentlich gleiche Kulturverhältnisse bis in die Urzeit zurück herrschten. Sie er- schlossen einen Einblick in die kanaanitische (vorisraelitische) Zeit, die im Süden des Landes mehr ägyptische, im Norden mehr ägäische und hettitische Einflüsse aufwies, mit kyklopischen Mauern, starken Torbauten, Kultplätzen; in Megiddo fand sich ein unter- irdischer Raum gleich denen in Mykenä (S. 31) nach dem System überkragender Schichten gewölbt. Die israelitische Zeit war durch Altäre (in Tell-Taannek kam ein relief geschmückter Rauchaltar mit einem Widderhorn, dem »Hörn des Altares«, zum Vorschein), durch Opfersäulen, durch Privathäuser vertreten; in Geser trat ein Palast aus der Makkabäerzeit hinzu. Die spätere, hellenistisch beeinflußte Zeit hat sonst den spärlichsten Gewinn davongetragen. Auf dem Gebiete der Kleinkunst boten Tonwaren, Siegelsteine (z. B. ein Siegel Jerobeams in Megiddo), Siegelzylinder, in Tell- Taannek ein kleines Archiv von Tonplatten in Keilschrift, mannig- fache Aufklärung. Die letzte bedeutende Ausgrabung betrifft Jericho, wo eben jetzt Sellin seine Nachforschungen begonnen hat. Da hier alle Spuren israelitischer oder späterer Besiedelung fehlen, ist Aussicht vorhanden ein besonders deutliches Bild rein kanaanitischer Kultur zu gewinnen.
Östlich über dem babylonischen Tieflande erhebt sich stufen- förmig die persische Provinz Susiana, die jetzt auch erforscht ward. Persien war schon seit dem 18. Jahrhundert, wo Karsten Niebuhr 1765 seine berühmte Entdeckungsreise dorthin ausgeführt hatte, oft besucht worden, zum Beispiel 1817/20 von Ker Porter, 1840/41 von Charles Texier, dem Architekten Pascal Coste und dem Maler Eugene Flandin. Diese Reisen hatten besonders den beiden altberühmten Ruinenstätten der Provinz Persis, oberhalb des persischen Meerbusens, gegolten, Pasargadä und dem jüngeren Persepolis; hier hatte auch 1878 F. Stolze seine photographischen Aufnahmen und F. C. Andreas seine genauen Beobachtungen gemacht In Pasargadä sind es die Denkmäler aus Kyros Zeit, 6 das auf Stufen aufgebaute »Grab der Mutter Salomons«, in dem 172
Palästina. Persien. Susa 267
Arrians Beschreibung das Grab jenes großen Königs erkennen läßt, und die turmförmigen Gebäude, in denen manche Grab- ni türme, andere wohl mit besserem Rechte Bauten des Feuerdienstes erblicken. In Persepolis ist die von Dareios begründete, von seinen Nachfolgern erweiterte, mit Reliefs bekleidete Terrasse be- 174/75 rühmt, mit ihren säulenreichen Palästen und Empfangshallen, den gepriesenen »Tschihilminar« (vierzig Säulen), unter denen der Hundertsäulensaal Artaxerxes II. hervorragte. Dazu die gewaltigen Felsengräber der Könige bei Nakschi Rustem. Auch die 1837 173 von H. C. Rawlinson mit großer Mühe abgeschriebene und ent- zifferte Inschrift von Behistan mit dem Bericht über Dareios Regierung verdient Erwähnung.
Während diese Residenzen der Perserkönige in ihrem alten Erblande der Wissenschaft längst vertraut waren, blieb es Marcel Dieulafoy und seiner Gattin Jane vorbehalten, 1885/6 die schon von Loftus besuchten Schutthügel der berühmtesten Perserresi- denz, Susa, genauer zu untersuchen und reiche Ausbeute in das Louvremuseum zu schaffen. Das Hauptergebnis war der Palast des Artaxerxes Mnemon, in dem 387 die Gesandtschaft desAntal- kidas empfangen und der »Königsfriede« geschlossen ward, der ganz Kleinasien wieder dem Perserjoche überlieferte. Damals erblickten die Gesandten die Wände des Thronsaales mit jenen Reihen der lanzentragenden »Unsterblichen« bedeckt, deren Über- in reste uns heute im Louvre mit Staunen erfüllen; aus emaillierten Ziegeln von maßvoller Farbenstimmung zusammengefügt, machen sie einen überaus feierlichen Eindruck. Ähnlich gebildete Tier- friese zeigen noch gehaltenere Töne. In der Technik und in der Ornamentik tritt ebenso deutlich assyrische Überlieferung, wie in den lebensgroßen Lanzenträgern ein nationales Element hervor. Ein großes Stierkapitell ist von bedeutender Wirkung. Diese Ausgrabungen haben das in Persepolis gewonnene Bild persischer Architektur durch die Anschauung der Wanddekoration wesent- lich bereichert.
Seit 1897 sind die Arbeiten in Susa unter Leitung J. de Morgans wieder aufgenommen worden. Das augenfälligste Er- gebnis sind die zahlreichen Reste altbabylonischer Kunst, Reliefs
268 X. Einzelentdeckungen in den Außenländem
und Tonfiguren. Der vornehmste Platz darunter gebührt der zwei Meter hohen Siegesstele des altbabylonischen Herrschers Naram- 112 Sin (zu Anfang des dritten Jahrtausends), die einst als Beutestück von Sippar nach Susa verbracht worden ist; ihre kraftvollen Relief- darstellungen bilden den vorzüglichsten Beleg für eine vollaus- gereifte babylonische Kunstübung in so alter Zeit. Auch an Vasen und Vasenscherben sind ausgiebige Funde gemacht worden ; es berührt eigentümlich, wenn neben hochaltertümlichen Stücken eine Anzahl anderer Scherben, mit griechischen Malereien des 5. Jahrhunderts bedeckt, von dem griechischen Handelsverkehr bis zur fernen Residenz des Perserkönigs Zeugnis ablegen. Da Frankreich im Jahre 1900 vom Schah von Persien das Monopol für Ausgrabungen in der Susiana erworben hat, lassen sich noch weitere schöne Ergebnisse erhoffen.
Andere Ausgrabungen führen an das Gestade des mittel- ländischen Meeres, seine Inseln und ßeine Umländer. Was hier unsere Aufmerksamkeit fesselt, sind hauptsächlich Gräber.
Die Insel Kypros war zuerst 1845 in archäologischem Interesse von Ludwig Roß besucht worden, doch hatte er nur eine ziemlich magere Ausbeute eingeheimst (S. 88). Der erste energische Untersucher war der General Luigi Palma di Cesnola, der von 1867/76 als amerikanischer Konsul in Larnaka lebte und mit rastlosem, wenn auch ziemlich dilettantischem Eifer die Insel kreuz und quer durchstreifte, viele Tausende von Gräbern öffnete und so die stattliche Sammlung zusammenbrachte, die jetzt größten- teils das Metropolitan Museum in New York füllt. Andere sind ihm in den achtziger Jahren, nachdem England von der Insel Besitz ergriffen hatte, gefolgt, so Max Ohnefalsch-Richter, seit 1888 auch die Englische Schule in Athen. So sind die altbe- rühmten Plätze von Kition Amathus Kurion Paphos Marion längs der Südküste, von Golgoi und Idalion im Innern durchstöbert, und es ist eine außerordentlich große, aber im ganzen recht ein- förmige Masse von Denkmälern den Gräbern und Tempeln ent- stiegen. Zuerst die Zeugnisse jener Zeit, da Kypros der Misch- 14s
Susa. Kypros 269
kessel ägyptischer und babylonisch-assyrischer Einwirkungen war und die Phöniker den Verkehr beherrschten. Sodann die Mengen kyprischer Tonwaren von eigentümlichem Stil der Ornamentik. i49f. Dann trat das allmähliche Überwiegen griechischer Einflüsse und des griechischen Teiles der sehr gemischten Bevölkerung ein. Darunter sind aber nur selten Werke, die anderen griechischen Schöpfungen gleichstehen, wie das Relief von Golgoi mit Hera- kles und Oeryon oder der Sarkophag von Amathus mit einem 154 Wagenfriese; meist sind es mehr oder weniger steife, immer mehr erstarrende Figuren (allein in Golgoi fand Cesnola ungefähr 152/53 800 Stück, vollständig oder zerbrochen), Belege einer provinziellen unlebendigen Kunstübung. Mit Recht hat Newton einmal auf die abgelegene, dem großen Strom hellenischen Lebens entrückte Lage der Insel hingewiesen, die diese einförmige und traurige Verkümmerung griechischer Kunstformen und das Festhalten an veralteten archaischen Manieren erklärt. Das steht in vollem Einklänge mit der seit Längs Entdeckung einer zweisprachigen Inschrift in Idalion (um 1870) durch die gleichzeitigen Be- mühungen vieler Gelehrter festgestellten Tatsache, daß die Kyprier noch im 4. Jahrhundert sich für ihren griechischen Dialekt nicht der griechischen Buchstabenschrift, sondern einer altmodischen und unvollkommenen Silbenschrift bedienten. Es war ein übler Einfall, wenn Cesnola, um einen verdienten Gelehrten irrezuführen, von einer Reihe unterirdischer gewölbter Kammern in Kurion fabelte, wo die Schätze eines Heiligtums wohlgeordnet unter dem bedeckenden Sande aufgefunden worden seien, in der ersten Kammer der feine Goldschmuck, in der zweiten die Silbersachen, weiter die alabasternen, die ehernen usw. Lag dem schlechten Scherze die Einsicht zugrunde, daß die kyprischen Schätze einiger phantastischer Nachhilfe bedurften um lebendiges Interesse zu erregen?
Unerwartet ergiebig erwies sich der schmale gegenüber- liegende Kästenstreifen, der einst von den Phon i kern bewohnt war. Freilich weniger an Denkmälern altphönikischer Zeit; die von Napoleon III. veranlaßte Reise Ernest Renans (1860) und eine spätere von Charles Simon Clermont-Ganneau (1881) ver-
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mochten das geringe Urteil von der selbständigen Kunst der alten Phöniker nur wenig zu heben. Eine große und schöne Überraschung bot dagegen die 1887 in Saida(Sidon) durch Zufall erfolgte Entdeckung einer umfangreichen Fürstengruft, die in mehreren Stockwerken und vielen Kammern eine Anzahl von Sarkophagen sidonischer Herrscher aus dem 5. und 4. Jahrhundert barg. Auch sie geben einen Beleg für die geringe eigene Leistungs- fähigkeit der phönikischen Skulptur, insofern sie samt und sonders aus Kleinasien und Griechenland eingeführt oder wenigstens von griechischen Künstlern gearbeitet worden sind. Die Marmor- sarkophage bieten einen förmlichen Überblick über die Kunst- entwickelung jener Jahrhunderte. Da sind zuerst griechische Nach-
6,2 bildungen jener ägyptischen Sargform, die sich dem menschlichen Körper anschmiegt und den Kopf in strengen Zügen ausbildet; dann der »Sarg des Satrapen« mit Schilderungen aus dem Leben des Fürsten in dem leicht abgewandelten Stile perikleischer Zeit;
54 dann der »lykische Sarkophag«, in der wohlbekannten Formen- sprache der lykischen Denkmäler aus der Zeit des peloponne- sischen Krieges ausgeführt und sicher in Lykien gearbeitet Diese Sarkophage gehören noch alle in das 5. Jahrhundert Deutliche Einwirkung praxitelischer Kunstweise verrät dagegen der schnell
56 berühmt gewordene »Sarkophag der Klagefrauen«, schönge- 515 wandeter Frauen die das ionisch ausgebildete Grabmal ihres Herrn " klagend umstehen; man denkt an den griechischen Harem Stra- tons L von Sidon (gest 361). An das Ende des 4. Jahrhunderts verweist uns endlich das vielbewunderte Prachtstück des ganzen 64 f. Fundes, der »Alexandersarkophag«, mit seinem wohlerhaltenen ix Farbenschmuck, der besser als irgend etwas anderes die feingestimmte Harmonie bemalter Plastik zu veranschaulichen vermag. Seine ebenso schön komponierten wie ausgeführten Reliefs zeigen uns die für diese Gegenden entscheidende Schlacht bei Issos (333), die Löwenjagd eines persisch gekleideten Fürsten und andere Szenen; sie scheinen auf Abdalonymos, den von Alexander nach jener Schlacht eingesetz- ten König von Sidon aus altsidonischem Fürstenhause, hinzuweisen. Um dieses Sarkophages willen reist heutzutage der Kunst- freund, nicht bloß der Archäologe, nach Konstantinopel; denn
Sidon. Museum in Konstantinopel. Petra 271
dorthin ist der ganze Fund verbracht worden. Welcher Wechsel der Zeiten! Ehemals zerstörte der bilderscheue Islam was er irgend von figürlichen Kunstwerken erreichen konnte; Konstantinopel, die kunsterfüllte Residenz der byzantinischen Kaiser, war seit der Verwüstung durch die Franken im Jahre 1 204 und der Einnahme durch die Türken (1453) eine der an antiken Kunstwerken ärmsten Städte. Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts entstand eine kleine Sammlung in der ehrwürdigen Irenenkirche und ihrem umgitterten Vorhofe, aber die allmählich sich mehrenden Antiken machten hier neben der großen Waffensammlung nur eine kümmer- liche Figur. Wenn heute der Tschinili-Kiosk (Porzellan-Pavillon) des Serai und das daneben errichtete Museum zu den vornehmsten Antikenmuseen Europas gehören, so ist dies das ausschließliche Verdienst Hamdy-Beys, eines in Paris ausgebildeten Türken, der dem Kunststudium einen Platz im türkischen Unterricht erobert hat, nebst seinem Bruder Halil Edhem-Bey die Antiken im weiten türkischen Reich beaufsichtigt und sie, so weit sie nicht besser an ihren Fundplätzen belassen werden, aus ihren oft unsicheren Schlupfwinkeln nach Konstantinopel schafft. Das neue Museum ward 1881 gegründet; im Laufe weniger Jahre füllten sich seine hellen Räume mit ansehnlichen Antiken, bis es im Jahre 1887 durch die Erwerbung jenes sidonischen Grabfundes, den Hamdy- Bey sogleich für Konstantinopel sicherte, sich auf eine Stufe emporschwang, von welcher aus sein Glanz weit über die ganze gebildete Welt erstrahlt. Die große Ausdehnung des türkischen Reiches und unsere dürftige Kenntnis von den Kunsterzeugnissen seiner entlegeneren Provinzen verleihen dem Museum im Tschinili- Kiosk auch abgesehen von den Glanzstücken durch die Mannig- faltigkeit seines Inhalts einen besonderen Wert. —
Nach dieser Abschweifung, zu der Sidon den Anlaß gab, wenden wir uns von hier aus südwärts in das Land der Edomiter, zu der Gräberstadt Petra. Seit Johann Ludwig Burckhardt 1 8 1 2 zum erstenmal die wunderbare Hauptstadt Edoms und der Nabatäer mit ihren engen Schluchten und steilen Felswänden besucht und beschrieben hatte, war sie das Ziel zahlreicher Reisender geworden, des Grafen Leon de Laborde (1827), David Roberts (1839), des
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Herzogs von Luynes (1864), des Photographen Edward L. Wil- son (1882); die Ansicht des »Schatzhauses« (Chazne) war selbst 889 in populäre Bücher übergegangen. Aber erst der längere Aufent- halt Rudolf Ernst Brünnows und Alfred von Domaszewskis (1897/98) hat uns ein vollständiges Bild der Örtlichkeit und ihrer Überreste verschafft. Mit Ausnahme des Chazne, das kein Grab sondern ein Isistempel des 2. Jahrhunderts ist, und des »Pharao- schlosses«, ebenfalls eines Tempels, liegt fast das ganze Interesse heutzutage in den Gräbern, deren allmähliche Formentwickelung sich deutlich verfolgen läßt: wir sehen, wie das altnabatäische Grab in Gestalt eines verjüngten Turmes allmählich und in immer 667 steigendem Maße mit hellenistischen Formelementen versetzt wird oder hellenistische Gräber neben sich aufkommen sieht, bis schließ- lich in der römischen Kaiserzeit jene breiten, mehrstöckigen, schmucküberladenen Prunkfassaden sich protzig entwickeln, deren reichstes Beispiel eben in dem Tempel El Chazne vorliegt.
Ein anderes Prunkgrab eigentümlicher Art überragt den oberen Euphrat nördlich von Samosata, auf dem etwa 2200 Meter hohen Nemrud-Dagh. Es ward 1881 von dem Ingenieur Karl Sester entdeckt, im folgenden Jahre von ihm und Otto Puchstein im Auftrage der Berliner Akademie untersucht. 1883 ward es sodann das Ziel zweier Expeditionen, im Mai von Hamdy-Bey, im Juni, wiederum im Auftrage der Berliner Akademie, von Karl Humann und Otto Puchstein. Auf der stolzen, weithin sichtbaren Höhe hatte sich um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahr- hunderts König Antiochos I. von Kommagene ein prunkendes Grabmal errichtet; auf der Spitze des Berges war ein mächtiger Tumulus aufgeschüttet und im Osten wie im Westen eine große Opferterrasse hergestellt worden. Hören wir Humann, nachdem er die Höhe erklommen hatte:
»Der erste Eindruck war ein wahrhaft überwältigender. Wie ein Berg auf dem Berge erhob sich auf dem höchsten Felsgipfel der Grab- hügel, an sich noch 40 Meter über der Terrasse, die wir erstiegen hatten, emporragend. Ihm den Rücken wendend saßen da auf erhöhter Felsenbank die Riesengebilde von fünf Gottheiten, von denen nur eins ganz unversehrt geblieben war. Dann schweifte der Blick unwillkürlich in die Feme. Wenn das Meer im wütendsten Orkan, während eine
Petra. Nemrud Dagh. Gräber bei Sardes 273
querkommende Dünung die grausigen Wellenberge zu schwindelnder Höhe auftürmt und wieder wild durcheinander würfelt, plötzlich erstarrte, so würde es im kleinen ein Bild dessen geben, was sich uns im Osten, Norden und Westen, so weit der Blick reichte, und im Süden auf einige Meilen Entfernung darbot. Die weißen Schaumkämme der Wellen sind hier die schneeglänzenden Qrate des Tauros. Wohl mögen die Täler und Schluchten sich in fortlaufenden, wenn auch gewundenen Linien durchziehen, uns erschien es als ein wildes Durcheinander, aus dem sich, gleichsam Ruhepunkte für das Auge, nur hier und dort ein massiger Gebirgsstock hoch emporhob. Nach Süden senkte sich das Felsenmeer; zuweilen blitzte der Spiegel des Euphrat herauf, und drüben verlor sich der Horizont in unabsehbare Weite, tief hinein nach Meso- potamien.«
Jene fünf Oötter, zum Teil Mischgötter wie der Zeus-Ormuzd 672 in der Mitte, lauter aus großen Blöcken aufgemauerte Kolossal- gestalten, schlössen mit Adlern, Löwen und großen Reliefplatten den Altarplatz nach hinten ab. Jederseits dienten andere Relief- 673 platten mit den Ahnen des Königs als Umgrenzung, links mit Alexander dem Großen und Seleukos L, rechts mit Dareios be- ginnend. So prunkte der halbbarbarische Kleinfürst mit zugleich makedonisch -syrischer und persischer Abkunft, ein Zerrbild der hellenistischen Könige, großartig in der prunkenden Anlage seines Grabes, aber barbarisch in der künstlerischen Ausgestaltung, die kaum noch einen Hauch hellenistischen Geistes verrät. Andere kommagenische Gräber, ebenfalls groß, aber doch hinter dem Nemrud-Dagh zurückstehend, sind über das Land zerstreut; auch sie wurden von Humann und Puchstein untersucht.
Das späte Königsgrab in Kommagene ruft die alte lydische Nekropole bei Sardes ins Gedächtnis. Wenn von dem unab- lässig abbröckelnden Burgfelsen der Königsstadt des Krösos der Blick nach Norden schweift, so gewahrt er jenseits des Flusses Hermos und seiner fruchtbaren aber wenig angebauten Ebene eine lange niedrige Erhebung mit »tausend Hügeln« (Bin-tepe), dahinter den stillen See Koloe. Es ist ein ergreifender Anblick, wie die große Stadt der Lebenden einst durch den breiten Fluß von der Stadt der Toten am acherusischen See geschieden ward. Jene tausend Hügel sind die aufgeschütteten Grabhügel der ly- dischen Könige und Großen, an ihrem Ostende überragt von
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 18
274 X. Einzelentdeckungen in den Außenländem
dem mächtigen Grabhügel des Königs Alyattes, der noch jetzt 70 Meter hoch ist Wie viele Geheimnisse mögen die Hügel noch bergen! Allerdings sind die Nachgrabungen, die der preußische Generalkonsul Spiegelthal 1854 in dem Hügel des Alyattes und 159 1882 der englische Konsul George Dennis in einem anderen Hügel angestellt hat, nicht allzu lohnend gewesen, da die Gräber sich als bereits ausgeraubt ergaben. Vielleicht würden unschein- bare Hügel bessere Ausbeute gewähren.
Ähnliche Grabhügel sind weit über Lydien und Phrygien verbreitet und mehrfach untersucht worden. Zuletzt haben 1900 die Brüder Gustav und Alfred Körte auf Kosten Friedrich Alfred Krupps die Nekropole der alten Hauptstadt Phrygiens, Gordion, des Schauplatzes von Alexanders des Großen populärster Tat, zum Ziel genommen und fünf ihrer Hügelgräber ausgegraben; auf den größten Hügel, vermutlich das Grab des Königs Midas (um 700), mußte verzichtet werden. Jene Hügel umspannen etwa anderthalb Jahrhunderte (rund 700 — 550) und gewähren einen belehrenden Einblick in die niedrige Kulturstufe des phrygischen Bauern- und Hirtenvolkes, zu dessen beliebtesten Lebensmitteln Bier und Butter gehörten, dessen einzige nachweisbare Kunstübung in der Töpferei bestand. Die ältesten Spuren reichen allerdings bis hoch ins 2. Jahrtausend hinauf; dann läßt sich kyprischer Einfluß nachweisen, bis mit dem 6. Jahrhundert griechische Ware ihren Einzug hält, nicht bloß von den benachbarten ionischen Küstenstädten her, sondern sogar aus Korinth und Athen. Es war keine geringe Überraschung, als eines der Hügelgräber eine Schale aus derselben frühattischen Fabrik lieferte, aus der die berühmte Frangoisvase (S. 66) stammt; einige rotfigurige Scherben lassen den Handelsverkehr mit Attika sogar bis an das Ende des 6. Jahrhunderts verfolgen (vergl. S. 239). Auch von dem ziem- lich bescheidenen Tempel, in dem einst Alexander den Knoten der Wagenstränge zerhieb, haben sich Überbleibsel der Tonbe- kleidung der Fassade gefunden. Diese sind in doppelter Weise wichtig, indem sie einmal Alfred Körtes früher gegebenen Nachweis, daß die ähnlich gestalteten und verzierten Felsfassaden Phrygiens nicht Gräber sondern Heiligtümer seien, zu bestätigen scheinen
Gordion. Hauran 275
und ferner die zuerst von Ramsay gegebene Zurückführung dieser geometrischen Verzierung auf ursprünglichen Kachelbelag tatsäch- lich als richtig erweisen.
Von den alten Nekropolen Lydiens und Phrygiens kehren wir noch einmal nach Syrien zurück zu den letzten Jahrhun- derten des Altertums. Während die hellenistische Zeit hier allzu wenig Spuren hinterlassen hat und diese, wie z. B. in Antiocheia, noch der Wünschelrute harren, die sie wieder ans Tageslicht zaubern soll, sind vielfache Denkmäler jener Blüte vorhanden, die das römische Kaiserreich seit Trajan hier wie in Kleinasien neu- geweckt hat. Eine Gruppe großartiger Stadtruinen liegt östlich vom Jordan, im Hauran und südlich davon, offen da. Sie ist von Guillaume Rey (1857/58), Ernest Renan (1860), Melchior de Vogüe (1861/62), dem Herzog von Luynes (1864), neuerdings von zwei amerikanischen Expeditionen, der einen unter Howard Crosby Butler (1899), der zweiten unter Butler und Enno Litt- mann (1904), besucht und beschrieben worden. Die späten kahlen Steinbauten des Hauran, wie aus Bauklötzen zusammengesetzt, aber für die Entwickelung des Gewölbebaues sehr wichtig, sind uns durch de Vogüe einigermaßen bekannt geworden; im südlichen Hauran haben sich durch Butler und Genossen auch nabatäische Bauten und Ornamente feststellen lassen. Aber die prächtigen Überreste blühender Städte, wie Bostra Gerasa Philadelphia, sind auch jetzt noch lange nicht gründlich genug untersucht worden; dazu würde es der Ausgrabungen bedürfen. Und doch ist es höchste Zeit; denn mit der Eisenbahn, die jetzt diese Gegend durchzieht, und angesichts der neuen baulustigen tscherkessischen Ansiedler steigt auch der Wert der alten Ruinen als Baumaterial, und was über das rasche Verschwinden der Bauwerke kund wird, klingt im höchsten Grade bedrohlich. Behördlicher Schutz, auch wenn er angeordnet wird, besagt natürlich in diesen abgelegenen Gegenden nichts; daher sollte wenigstens wissenschaftliche For- schung, ehe es zu spät wird, retten was zu retten ist. Eine inter- essante Einzelheit bietet die von der zweiten amerikanischen Ex-
18*
276 X. Einzelentdeckungen in den Außenländem
pedition untersuchte sog. Burg des Hyrkanos (Arak el Emir), östlich vom Jordan, etwa Jericho gegenüber, belegen. Kyklopische Mauern umgeben einen großen Bezirk; das Hauptgebäude, wahr- scheinlich ein Tempel aus dem zweiten Jahrhundert, weist eine Mischung griechischen und orientalischen Stiles auf; ein kolossaler Löwenfries ragt darunter hervor.
Günstiger als im Hauran ist das Geschick von Baalbek- Heliopolis, obschon auch hier die Eisenbahn, die Freundin der Menschen aber die Feindin der Bauten, nahe gerückt ist. Auf den ersten Entdecker Richard Wood (S. 10) waren gegen Ende des 18. Jahrhunderts L. Fr. Cassas, 1827 Leon de Laborde und andere gefolgt, aber eine Aufräumung und gründliche Untersuchung der berühmten Tempelruinen ward erst 1899/1904 auf Anlaß und Kosten des deutschen Kaisers, nachdem Robert Koldewey eine Voruntersuchung gemacht hatte, von Otto Puchstein und den Architekten Bruno Schulz und Daniel Krencker vorgenommen. Der gewaltige Tempel des hoch angesehenen Zeus von Helio- sss polis, dessen sechs aufrecht stehende Säulen heute den Eindruck Baalbeks bestimmen, ist namentlich in der kunstreichen Anlage seiner Vorhöfe erst jetzt genauer erkannt und dadurch seine Ähn- lichkeit mit Herodes Jehovahtempel in Jerusalem ans Licht gestellt worden. An dem kleineren Tempel hat namentlich die altsyrische Anlage eines erhöhten Chors (vgl. S. 114) mit einer Krypte, die für die Geschichte des christlichen Kirchenbaues von Bedeutung ist, helleres Licht erhalten. Der aus populären Büchern besonders bekannte kleine Rundtempel mit seinem seltsam geschwungenen ssim Gebälk hat durch die Aufdeckung seines Podiums mit einer Treppe ein ganz neues Aussehen bekommen. So hat die Untersuchung geleistet, was ohne große Ausgrabungen zu leisten war; man möchte wünschen, daß der Schwesterstadt Palmyra in der Wüste einmal die gleiche Gunst widerführe. In dem nordsyrischen Berglande, östlich von Aleppo, haben die Amerikaner (S. 275) 1904 mehrere Tempel, zum Teil in Kirchen verwandelt, und datierbare Privathäuser (207/8. 308) gefunden.
Baalbek, Palmyra und die Städte des Ostjordanlandes bilden eine zusammengehörige Gruppe von Bauganzen, die ebenso durch
Baalbek. Orient und Rom 277
viele Besonderheiten ihrer Gesamtanlage und ihrer einzelnen Bau- werke wie durch den reichen Barockstil ihrer Dekoration ein 886 Sondergepräge trägt. Zusammen mit den Städtebauten Kleinasiens (S. 1 74 ff.) zeugen die syrischen Städte von der hohen Blüte der Friedenszeit unter den römischen Kaisern, die im 2. Jahrhundert ihren Gipfel erreichte, aber auch noch weit in das 3. Jahrhundert hinein sich fortsetzte. Dies ist jedoch nicht der einzige Gesichts- punkt, unter dem jene östliche Baugruppe unser Interesse erregt. An sie knüpft sich die wichtigere Frage nach dem Verhältnisse dieser Kunst zu der in der Reichshauptstadt Rom. Ist Rom, wie die Einen behaupten, auch hier der Tonangeber und ist der syrische Baustil nur ein Teil der »Reichskunst«, die man von der Hauptstadt aus über das ganze weite römische Reich herrschend glaubt? Oder ist es — eine Ansicht, die namentlich Josef Strzy- gowski lebhaft vertritt — die alte künstlerische Kraft des Orients, die sich hier regt und die diesen Bauten ihr besonderes Gepräge und ihre besondere Bedeutung verleiht? »Orient oder Rom?«, so lautet das Kriegsgeschrei. Dem Fernerstehenden, der von dem zerstreuten und zerstückten Material keine eigene Kenntnis hat, kommt es nicht zu, in einem Streite, in welchem auf beiden Seiten hochangesehene Forscher kämpfen, den Schiedsrichter spielen zu wollen, besonders da das fast vollständige Fehlen von Kunst- überbleibseln des syrischen Hellenismus, die die Brücke zwischen den altorientalischen Künsten und den späteren syrisch -klein- asiatischen Werken schlagen würden, das Urteil erschwert. Aber die Frage gehört ohne allen Zweifel zu den einschneidendsten der Kunstgeschichte; ihre Bedeutung erstreckt sich weit über das Gebiet der antiken Kunst hinaus, ja sie hat sogar besonderes Ge- wicht für die Geschichte der christlichen Kunst, für die auf die Frage »Orient oder Rom?« die Antwort vielleicht »Orient und Rom« lauten dürfte.
Viel früher als Syrien sind die westlichen Strecken der Nord- küste des Mittelmeeres, die alten römischen Provinzen Mauretanien und Numidien, der Wissenschaft erschlossen worden. Mit der
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Eroberung Algeriens durch die Franzosen in den dreißiger Jahren tat sich allmählich eines der ruinenreichsten Länder auf, das ebenfalls wie der Osten im 2. und 3. Jahrhundert eine hohe Blüte erlebt hat. Bisher waren nur selten Reisende, wie Thomas Shaw (1720/32), in diese unsicheren Gegenden eingedrungen; jetzt sorgte die französische Regierung für eine umfassende wissen- schaftliche Erkundung des mühsam erworbenen Landes, wenn diese auch nur selten von bedeutenderen Ausgrabungen begleitet war. Eine besondere Anerkennung verdienen die französischen Offiziere, die sich den Resten der römischen Vergangenheit mit lebhaftem Interesse zuwandten und namentlich auf der Jagd nach Inschriften viele Texte vor dem Untergang gerettet haben. Denn in einem so weiten und schwachbevölkerten, stets von den Be- duinen durchstreiften Gebiete konnte zunächst für die Erhaltung der Ruinen und für die Sicherung des Gefundenen wenig getan werden, und oft geschah es, daß die kleinen Lokalmuseen nach wenigen Jahren von ihrem ehemaligen Bestände einen erheblichen, bisweilen den wichtigsten Teil eingebüßt hatten. Erst nachdem der Besitz Algeriens vollständig gesichert und die Ruhe herge- steHt, vollends nachdem 1881 auch Tunis, die ältere Provinz Africa, in die französische Verwaltung einbezogen worden war, konnte auch die archäologische Erforschung neu geordnet werden. Dies ist in musterhafter Weise geschehen: wissenschaftliche Männer wie Rene Cagnat, Paul Gauckler, Stephan Gsell, Pater Delattre (um nur diese zu nennen) haben sich hier unvergängliche Ver- dienste erworben. Die Ausgrabungen sind wohlgeordnet, und Ergebnisse wie die Aufdeckung von Timgad (Thamugadi), dem afrikanischen Pompeji, mit seinen langen Straßenzügen, seinem Forum, seinem alles überragenden Trajansbogen , oder die Frei- stö legung eines römischen Lagers in Lambäsis, haben die Bemühun- gen glänzend belohnt Verfallenes wird erhalten oder schonsam wiederhergestellt. Ganz erstaunlich ist die Masse der Römerbauten aller Art. Am seltensten sind Tempel, dagegen sind Amphitheater 87? und Theater, Wasserleitungen und Wasserschlösser (Nymphäen), Bäder und Gräber in Menge vorhanden. Die Zahl der Ehren- bögen reicht an 70; sie sind sozusagen die solideren Vorläufer
Nordafrika. Spanien 279
der später üblichen Lobreden auf die Kaiser. Mit den Bauten, die meistens einen ziemlich nüchternen, ornamentalem Schmuck abholden Charakter tragen, sind vielfach Mosaiken verbunden, ein überhaupt in der Römerzeit sehr beliebter Schmuck, der sich aber kaum irgendwo so verbreitet findet wie in Afrika; in einer einzigen Villa bei Uthina sind nicht weniger als 67 zum Vor- schein gekommen. Die Skulptur erhebt sich selten über das Durchschnittsmaß römischer Arbeiten. Eine um so willkommnere Ausnahme bilden die in Cherchel (Cirta) gefundenen Überreste der Sammlung, die König Juba II. (der als Geißel in Rom auf- gewachsen war und sich dort zu einem bedeutenden Kunstge- lehrten ausgebildet hatte) in jener seiner Residenz angelegt hatte, dar- unter vortreffliche Kopien älterer griechischer Meisterwerke, besser als die gewöhnlichen Nachbildungen der römischen Werkstätten.
Der künstlerische Charakter der afrikanischen Provinzen ist, unbeschadet mancher Sonderzüge, fast ganz römisch. Selten öffnet sich ein spärlicher Ausblick in die ältere Kunst des punischen Afrika, und wo das einmal der Fall ist, sehen wir diese unter dem deutlichen Einflüsse griechischer Kunst. So in dem numi- dischen Königsgrabe Medracen, dessen derbe dorische Halbsäulen an die älteren Tempel der Südküste Siciliens erinnern; so auch in dem 1902 in Karthago gefundenen Sarge einer Frau, deren bei der Auffindung in vollen Farben prangendes Abbild aus dem 4. Jahrhundert die nur leicht provinziell gefärbten Züge eines feinen griechischen Archaismus trägt.
Ähnliche Verhältnisse scheinen auch in dem noch wenig erforschten punischen Spanien bestanden zu haben. Hier sind ebenfalls Denkmäler einheimischen Stiles selten. Die seit 1830 beim Cerro de los Santos unweit Montealegre (Provinz Albacete) zum Vorschein gekommenen Bildwerke, die 1872 mit viel ge- fälschter Ware vermengt in das Madrider Museum gelangt sind, offenbarten zuerst den Mischcharakter einer einheimischen Kunst- übung, welche teils von phönikischen teils von altgriechischen Einflüssen bestimmt ward. Aber viel deutlicher und viel feiner sprach sich dieser Mischstil in einer reizvollen Frauenbüste aus, die 1897 in Elche (Ilici), unweit Alicante, gefunden ward und
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durch Pierre Paris Vermittelung alsbald ihren Weg in den Louvre fand; dort bildet sie den Glanzpunkt eines spanischen Kabinetts. Eingeklemmt in einen barbarisch verkünstelten Kopfschmuck, dessen Hauptstück zwei ungeheure seitliche Räder bilden, und mit kunstvoll ausgearbeitetem Goldschmuck beladen, läßt das Gesicht doch anmutige Züge durchblicken, die etwas von dem Reize der besten ionisch-attischen Mädchen von der athenischen Akropolis (S. 237 f.) besitzen.
Kleinasien, Syrien und das nördliche Afrika haben uns zur römischen Provinzialkunst hinübergeführt, die wir noch längs der nördlichen Grenzen des Reiches verfolgen müssen. Deutsch- land und die Donauländer besaßen keine nennenswerte eigene Kunst mit Ausnahme der dem Zuge der Alpen folgenden mittel- europäischen Hallstattkunst (S. 206 f.); Britannien lieferte wohl das kostbare Zinn, hatte sonst aber nicht einmal so viel zu bieten wie Germanien. Anders Gallien, wo neben der keltischen La- Tene-Kunst (S. 207) die Phokäerstadt Massalia (Marseille) eine Pflanzstätte griechischer Bildung gewesen war und diese Rolle auch noch beibehielt, als ihre politische Bedeutung durch Cäsar vernichtet worden war. Die Menge hervorragender Ruinen, an denen die Provence so reich ist, stammt allerdings aus nach-
27 cäsarischer Zeit, so einige der hervorragendsten, wie das Julierdenk- 782 mal bei St. Remy (dessen besondere kunstgeschichtliche Bedeutung 26 f. Heinrich Brunn 1869 zuerst betonte), die Malson carree in Nimes, 78o der in der Nähe belegene Pont du Gard Agrippas, der Ehren-
27 bogen des Tiberius in Orange aus der ersten Kaiserzeit. Natur- 783 lieh hat dieses »Italien in Frankreich« schon früh die Aufmerk- samkeit auf sich gezogen, teils in den umfassenden Werken Aubin Louis Millins (1807 ff.) und des Grafen Alexandre de Laborde (1816/17), teils in einer stattlichen Reihe von Sonderpublikationen, aber es fehlt noch an einer gründlichen, heutigen Ansprüchen genügenden Untersuchung der ganzen antiken Provence, welche ebenso alle einzelnen Erscheinungen mit wissenschaftlicher Ge- nauigkeit erforschte und feststellte, wie den großen Zusammen-
Spanien. Gallien. Frankreich 281
hängen, vor allem der Scheidung des rein Römischen und der griechischen Nachwirkungen, nachspürte. ' Letztere sind, obwohl * grade in ihnen der besondere Wert der Provence in der alten Kulturgeschichte besteht, noch allzuwenig verfolgt worden. Erst wenn dies ausgiebiger geschehen ist, wird sich auch über eine wichtige, neuerdings von Georg Löschcke aufgeworfene Frage mit größerer Sicherheit urteilen lassen, ob nämlich längs Rhone und Saone bis zur Mosel, d. h. längs der von der Natur vorge- zeichneten Straße des alten Bemsteinhandels von Norddeutschland nach Marseille, ein besonderer Strom griechisch angehauchter Kultur und Kunst sich hingezogen habe, dessen Einfluß beispiels- weise noch in dem Secundinierdenkmal zu Igel und in den 865 1877/78 zu Neumagen bei Trier gefundenen Reliefs spürbar sei. 866 Eine 1906 in Mainz in unzähligen Bruchstücken zum Vorschein gekommene und sachkundig wieder zusammengestückte Relief- sto: Säule aus neronischer Zeit scheint durch ihre Oötterzusammen- stellungen auf Massilia zurückzuweisen. So viel ist sicher, daß die bezeichnete Straße die Hauptstraße antiker Kultur in Gallien gewesen ist, der gegenüber die sonstigen Fundstätten antiker Kunstwerke mehr wie vereinzelte Oasen erscheinen. Nun ist ganz Frankreich mit einem Netz antiquarischer Vereine überzogen, die eifrig den provinzialen und lokalen Altertümern nachspüren; die vornehmste und wissenschaftlichste dieser Gesellschaften ist die schon 1804 gegründete Pariser Societe des antiquaires de France. Aber merkwürdig: während in dem Museum zu Saint- Germain durch A. Bertrand und S. Reinach ein ausgezeichnetes Zentralmuseum gallischer Altertümer geschaffen worden ist, fehlt es in dem sonst so gern zentralisierenden Frankreich anscheinend an einer Instanz, von wo aus die zersplitterten Lokalvereine wissen- schaftlich beeinflußt und zu einer, wenn auch getrennten, so doch gemeinsamen, ein gleiches Ziel anstrebenden Arbeit ange- halten würden. Seit in Frankreich statt der alten Fakultäten wirk- liche Universitäten eingerichtet und mit Lehrstühlen für Archäologie ausgestattet worden sind, kann es ja an den wissenschaftlichen Kräften, auf die eine solche Organisation sich stützen müßte, nirgend mehr fehlen.
282 X. Einzelentdeckungen in den Außenländem
Britannien ist von der "römischen Kultur nur flüchtig be- ' rührt worden. Außer den nördlichen Schutzwällen kommen nur ge- legentliche Funde von Badanlagen, von Mosaiken oder dergleichen in Betracht, die nichts Besonderes, Britannien Eigentümliches an sich haben. Unter diesen Umständen haben die archäologischen oder antiquarischen Gesellschaften des Inselreiches wenig Gelegenheit zu reger Tätigkeit auf dem Gebiete römisch-britannischer Kunst.
In Deutschland herrscht, wie in Frankreich, in zahllosen, meist den Staaten oder Provinzen entsprechenden Vereinen ein reger Betrieb antiquarischer Lokalforschung. Natürlich haben die Rheinlande mit ihren vielen römischen Resten, zumal mit den stolzen Überbleibseln römischer Kaiserpracht in und um Trier sti den Vorrang. In Wiesbaden hatte schon seit 1827 ein nassaui- scher Verein eine stille Tätigkeit begonnen; bedeutender entwickelte sich der 1841 in Bonn auf Ludwig Urlichs Betrieb gegründete »Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande«, dem hier und da bald andere Vereine folgten. Lange Zeit bildete das Jahrbuch des Bonner Vereins den Hauptsammelpunkt auch über die Rhein- lande hinaus, bis ihm 1882 Felix Hettners »Westdeutsche Zeit- schrift« zur Seite trat. Daneben entstanden überall Provinzial- und Lokalmuseen, teilweise von erheblicher Bedeutung, keines bedeutender als das zu Trier. Von den Vereinen gingen auch, vielfach mit öffentlicher Unterstützung, Ausgrabungen aus. Die alten Römerstädte an der Mosel und am Rhein, Trier, Andernachi Bonn, Köln, Neuß usw., wurden untersucht, Villen verschiedener Art aufgedeckt (am berühmtesten sind die in Nennig unweit Luxemburg durch ihre Mosaiken, die in Wasserbillig durch ihre Porträthermen geworden), überhaupt eine sehr rege Tätigkeit ent- faltet. Aber noch immer harrt beispielsweise eine Aufgabe, wie die genaue Aufnahme des großen Igler Grabdenkmals, dessen 865 Reliefs schon Goethes Aufmerksamkeit fesselten, ihrer Lösung; noch immer haben die Neumagener Reliefs keine angemessene 866 Veröffentlichung gefunden; die in der alten Belgica zutage ge- tretenen »Gigantensäulen« bedürften, damit schwierige daran ge- 87o knüpfte Fragen sicherer beantwortet werden könnten, einer zu- sammenfassenden Publikation.
Britannien. Zentralisation der deutschen Ausgrabungen 283
Auch hier hat sich die Zersphtterung der Mittel und der Vereine übel geltend gemacht. Einen Versuch zur Zentralisierung der Funde stellte Ludwig Lindenschmits 1852 gegründetes »Rö- misch-germanisches Zentralmuseum« in Mainz dar, in dem alle Arten einschlägiger Altertümer sei es in Originalen gesammelt sei es in Nachbildungen und Rekonstruktionen hergestellt werden. Aber in großem Maßstabe ward ein Vorgehen viribus unitis erst durch das von Theodor Mommsen angeregte Unternehmen des Deutschen Reiches, den germanischen Grenzwall oder »Pfahlgraben« (Limes) zu untersuchen, ins Werk gesetzt. Seit 1892 ist mehr als zehn Jahre lang unter Teilnahme zahlreicher Gelehrter die große Aufgabe vom Rhein bis an die Donau durchgeführt worden; nach manchen Irrwegen ist man zur Klarheit über die nicht überall gleichförmige Anlage, über die Bedeutung und die Geschichte des Limes gelangt. So wichtig die so gewonnene Kenntnis nun aber auch für die Altertümer, für die Kunde vom antiken Be- festigungswesen, für die Geschichte der Beziehungen zwischen Rom und seinen germanischen Nachbarn ist, so hat das ganze Unternehmen doch für die künstlerische Seite der Archäologie nur verhältnismäßig geringes Interesse, ebenso wie die unter Napoleon III. vorgenommenen antiquarisch überaus lehrreichen Untersuchungen von Alesia und Bibracte oder die neuerdings von A. Schulten auf Kosten der preußischen Regierung angegriffene Erforschung Numantias. Daher ist es auch vom künstlerischen Standpunkt aus weniger als vom antiquarischen bedauernswert, wenn ein wichtiges Monument wie die Saalburg wissenschaft- licher Forschung durch Restauration entzogen wird. Archäologisch erheblich sind besonders die kleineren Fundgegenstände, nament- lich, wie so oft, die Tongefäße, deren künstlerische Entwickelung von griechischen und gallischen Anfängen an durch die letzten Zeiten der Republik, die Zeiten Augusts, der flavischen Kaiser usw. sich aus den Funden am Limes und an anderen Orten, besonders den Rheinlanden, hat wiedergewinnen lassen. Damit hat ein bedeutsames Stück des römischen Kunsthandwerks Licht erhalten, und zugleich ist für Ausgrabungen ein wichtiges chrono- logisches Merkmal gewonnen worden. Das hat sich zum Bei-
284 X' Einzelentdeckungen in den Außenländem
spiel bei den Ausgrabungen in Haltern bewährt, zu denen die westfälische Altertumskommission sich mit dem Archäologischen Institute verbunden hat. Da wo die Lippe in alter Zeit schiffbar zu werden begann, zwei Tagereisen von dem römischen Legions- lager Castra Vetera (Xanten), werden seit 1899 ein Uferkastell, eine Hafenanlage und ein großes befestigtes Lager bloßgelegt, ohne daß ein einziger Stein gefunden worden wäre; nur aus der verschiedenen Beschaffenheit des Erdbodens läßt sich die ziem- lich verwickelte Anlage wiedergewinnen und entwirren. Da aber sämtliche Fundgegenstände, vor allem Münzen und Tongefäße, auf die augustische Zeit hinweisen, nichts aus späterer Zeit zum Vor- schein gekommen ist, so läßt sich mit voller Sicherheit sagen, daß diese Anlage aus der Zeit des Augustus stammt und daß der Platz auch schon in dieser Zeit aufgegeben worden oder zu- grunde gegangen ist: Umstände, die auf das aus Tacitus und anderen bekannte Aliso passen und daher die Vermutung be- gründen helfen, daß dies »Kastell an der Lippe«, wie Tacitus sich ausdrückt, eben Aliso sei. Indessen ist 1905 in einem römischen Kastell bei Oberaden, weiter lippeaufwärts, aber P/g Kilometer vom Flusse entfernt, ein Konkurrent erstanden, der in der benachbarten Mark Elsey einen Anklang an den Namen Aliso für sich geltend machen kann. Ist dies Aliso? und das Kastell bei Haltern etwa das davon zu trennende »Kastell an der Lippe«? Erst von weiteren Nachgrabungen wird man eine Lösung dieser Fragen hoffen dürfen.
Das Limesunternehmen hatte aber, indem es den Nutzen einer Zusammenfassung zerstreuter Kräfte handgreiflich gemacht hatte, die weitere Folge, daß es 1901 auf Löschckes und Conzes Betrieb die Gründung einer Abteilung des Deutschen Archäo- logischen Instituts für römisch-germanische Forschung hervorrief. So viel Verdienstliches auch die einzelnen Vereine geleistet haben, sie entbehrten doch des Zusammenhanges, und manche von ihnen litten unter der Enge des wissenschaftlichen Horizonts, die Lokal- vereinen so leicht eigen ist. Das Zusammenwirken mehrerer Nachbarvereine in Haltern bildete eine Ausnahme; zu ähnlichen Zwecken hatten sich 1 899 die südwestdeutschen Vereine zusammen-
Zentralisation der deutschen Ausgrabungen. Österreich 285
geschlossen. Nunmehr ist von Reichswegen eine Zentralstelle geschaffen worden, die allen Vereinen von der niederländischen bis an die österreichische Grenze mit Rat und, wo es erforderlich scheint, mit persönlicher oder pekuniärer Hilfeleistung beistehen soll; ohne die Selbständigkeit der bestehenden Organisationen anzutasten, ist die Möglichkeit zu gemeinsamer Wirksamkeit, zum vereinten Schlagen bei getrenntem Marschieren, gegeben. In den Fachkreisen war man sich darüber einig, daß ein solcher wissen- schaftlicher Mittelpunkt am besten mit dem Mainzer Zentralmuseum, dem das Reich ebenfalls erhebliche Mittel gewährt, vereinigt würde; auf diese Weise hätte sich von selbst eine hohe Schule für Aus- grabungstechnik, Museumsverwaltung, wissenschaftliche Unter- suchung ergeben. Leider haben mangelnde Einsicht und Rück- sichten anderer Ordnung die Vereinigung verhindert, so daß nun die beiden Nachbarstädte Mainz und Frankfurt sich in die Aufgabe teilen müssen.
In Österreich hat von jeher, trotz der Verschiedenheit der Länder, eine größere Konzentration der archäologischen Studien geherrscht. Schon in der 1853 gegründeten »Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmäler« hatten diese ein bescheidenes Plätzchen. 1876 schufen Alexander Conze und Otto Hirschfeld in dem Archäologisch -epigraphischen Seminar der Wiener Universität eine Schule, in deren »Mitteilungen« ein Organ für die wissenschaftliche Erforschung der römischen Ver- gangenheit der österreichischen Lande gegeben ward. 1898 fand diese Bewegung ihren Abschluß in der Gründung des Öster- reichischen Archäologischen Instituts, das unter Otto Benndorfs ziel- bewußter Leitung ebenso Reisen und Ausgrabungen (S. 189 ff.) wie wissenschaftliche Verarbeitung des archäologischen Materials ins Werk setzt. Um nur zwei Beispiele der archäologischen Tätigkeit zu nennen, so werden unweit Wiens seit 1877 höchst erfolgreiche Ausgrabungen veranstaltet, um die alte Römerfeste Carnuntum wiederzugewinnen; andererseits werden seit Jahren die weit zer- streuten Überbleibsel der denkmälerreichen Kolonie Aquileja, der wichtigsten Mittelstation für den Verkehr Italiens mit dem Nord- osten, gesammelt und bearbeitet. Museen bilden sich überall und
286 X. Einzelentdeckungen in den Außenländem
geben eine Anschauung des künstlerischen Charakters der einzelnen Bezirke, bieten auch den Ergebnissen der Ausgrabungen ein sicheres Unterkommen.
Österreichs wissenschaftlicher Einfluß erstreckt sich auch über die Grenzen des Kaiserreiches hinaus, namentlich entlang der Donau. Aus solchem Zusammenwirken ist die Untersuchung eines großen Monuments in der Dobrudscha, Adamklissi, her- vorgegangen, das schon 1837 von Helmuth von Moltke beachtet, 1882/90 auf Kosten der rumänischen Regierung unter Leitung Gregor G. Tocilescos bloßgelegt und unter Mitwirkung Benndorfs und George Niemanns bearbeitet ward. Ein runder Turm nach Art des Grabmals der Cäcilia Metella, oben von einem Metopen- fries umsäumt; darüber ein sechsseitiger Sockel mit einer sehr trümmerhaften Inschrift Trajans vom Jahre 109; darauf ein Tro- päum — so war das Denkmal beschaffen, um den ein Streit entbrannte, gleich den erbittertsten die die Ilias schildert. Der nächste Gedanke richtete sich auf trajanischen Ursprung; ihm trat aber die Zurückführung bis in den Beginn der Kaiserzeit, un- mittelbar nach der Schlacht bei Actium, entgegen; ja auch für die Zeit Konstantins ließ sich eine leise Stimme vernehmen. Der Streit kann wohl als zugunsten der ersten Annahme entschieden gelten, sei es daß hier die Stelle einer großen Niederlage der Römer durch die Daker unter Domitian war (87, gegen 4000 Mann fielen), sei es daß Trajan selbst im ersten Dakerkriege hier einen Erfolg errungen hatte. Auf alle Fälle errichtete Trajan nach endlich erfolgter Bezwingung der Daker (107) an dieser Stelle dem »rächenden Mars« sein großes Tropäum, von dem die Be- wohner der benachbarten Ortschaft den Namen Traianenses Tro- paeenses erhielten.
Die Möglichkeit eines solchen Streites beruhte, wenn auch nicht allein, so doch zum Teil auf dem barbarischen Stil der Reliefs in den Metopen. Sie führten mit besonderer Eindringlich- keit die Tatsache vor Augen, wie anders als in der Hauptstadt sich die Bildkunst im fernen Barbarenlande unter ungeübten oder anders gewöhnten Händen entwickelt hat. Dafür braucht man freilich nicht erst bis zur öden Dobrudscha zu gehen; schon der
Adamklissi 287
Augustusbogen in Susa, an der Alpenstraße über den Mont Cenis errichtet, lehrt dasselbe, und die Reliefs eines in Paris gefundenen Altars aus Kaiser Tiberius Zeit könnte man beinahe für romanisch halten. Herrscht auch vielerorten, z. B. an der rheinischen Militär- grenze, ein gewisser gemeinrömischer Charakter in den Bildwerken, so lassen sich doch auch lokale Verschiedenheiten nicht verkennen. Hier harren der archäologischen Forschung noch dankbare Auf- gaben. Was von den historischen Denkmälern der Kaiserzeit in der Hauptstadt Rom bemerkt ward (S. 249 f.), das gilt in noch viel höherem Grade von der bisher allzu stiefmütterlich behandelten Provinzialkunst. Und doch hat sie, namentlich in den Gegenden, wo einst Römer saßen oder wohin Roms Einfluß reichte, be- sonderen Anspruch auf Interesse, weil es sich dabei um die Vor- bedingungen der eigenen Heimatskunst handelt Der übliche scharfe Schnitt zwischen Altertum und Mittelalter ist unnatürlich. Wie sich die klassische Archäologie mit der prähistorischen For- schung in Fühlung gesetzt hat, so muß sie auch der altchristlichen und mittelalterlichen Kunstforschung die Hand reichen, damit auch hier die großen durchgehenden Zusammenhänge sich klarer her- ausstellen. An Rufern zum neuen Streit der Geister fehlt es ja nicht; dem neuen Jahrhundert ist hier ein weites Feld großzügiger Forschung eröffnet.
XI
ENTDECKUNGEN UND WISSENSCHAFT
nser Rundgang ist beendet. Wir sind der »Archäologie des Spatens« während eines Jahrhunderts in dem ganzen Umkreise der antiken Welt nachgegangen. Ihre Ein- wirkungen auf die archäologische Wissenschaft sind an den ein- zelnen Punkten oftmals berührt worden, jetzt gilt es noch einmal allgemeiner die Frage zu beantworten: Wie haben alle die Aus- grabungen und Entdeckungen die Archäologie der klassischen Kunst (denn nur von dieser soll jetzt die Rede sein) beeinflußt, gefördert, umgewandelt?
Zwei Perioden ließen sich deutlich unterscheiden. In den ersten Jahrzehnten handelte es sich fast ausschließlich um zufällige Entdeckungen, die uns einige Ecksteine der Kunstgeschichte aus dem 6. und 5. Jahrhundert kennen lehrten: Sicilien, Ägina, Athen, Bassä, Lykien, die bemalten Vasen. Planvoller wurden in den vierziger Jahren die Ausgrabungen in Ägypten und in Assyrien angegriffen, die zugleich den Gesichtskreis über die klassischen Länder hinaus erweiterten. Der Erste, der diese planvollere Weise auf griechisches Gebiet übertrug, war Newton, in den fünfziger Jahren. Ihm verdanken wir die Bereicherung unserer Anschauung mit wichtigen Werken zumal des 4. Jahrhunderts; im Mittelpunkt stand das Mausoleum. Mit den sechziger Jahren begann dann eine straffere Organisation der Unternehmungen, der sich später eine festere Technik wahrhaft erhaltender und wiederaufbauender Grabetätigkeit gesellte. Größere Aufgaben wurden gestellt, an- gegriffen, gelöst. Rückwärts wie vorwärts ward die Kunst weiter verfolgt, hier durch die Wiederentdeckung des Hellenismus, die
Die ältere Archäologie 289
auch auf die schon länger bekannte römische Kunst neues Licht warf, dort durch das Eindringen in die Fernen griechischer und vorgriechischer Frühzeit, das zu weiteren Ausblicken in die all- gemeinen Verhältnisse früheuropäischer Kunstübung führte.
Diese beiden Perioden finden wir auch in dem Betriebe der archäologischen Wissenschaft wieder. Wir müssen dabei Kunst- geschichte und Kunsterklärung unterscheiden.
In der Kunstgeschichte herrschte bis in die zwanziger Jahre Winckelmanns Auctorität unbestritten. Einzelnes war wohl von Friedrich Thiersch oder von Alois Hirt zu neuern und zu bessern gesucht, aber es drang wenig durch. Noch 1817 be- mühte sich Goethes Freund Heinrich Meyer die Elgin Marbles als ziemlich unerheblich neben dem »phidiasschen« Koloß von Monte Cavallo hinzustellen und gönnte ihnen erst 1824, viel- leicht durch den Enthusiasmus seines großen Freundes (S. 42 f.) angesteckt, etwas wärmere Anerkennung. Es lag eben damals noch so fern zu den eigentlichen Quellen hinaufzusteigen; man begnügte sich mit den dürftigen Literaturzeiignissen, mit den römischen Kopien und mit Winckelmanns darauf beruhendem Qeschichtsbau.
Für die Kunsterklärung bot Viscontis gefällige, elegante, aber selten in die Tiefe dringende Behandlungsweise das all- gemein befolgte Muster; sie beherrschte die Wissenschaft und half den Geschmack für die Antike im großen Publikum verbreiten. Zoegas tiefgründige, aber spezifisch nordische Art fand wenig Anklang. Obgleich Zoega in der Religionsgeschichte mystischen Spekulationen nicht abhold war, bewährte er in den eigentlich archäologischen Fragen eine nüchterne, rein sachliche Methode der' Erklärung, die unmöglich in einer Zeit Gnade finden konnte, wo Creuzers nebeliger mythologischer Synkretismus die roman- tisch gestimmten Kreise beherrschte. Auch Gerhard entwickelte sich unter dem Einflüsse Creuzers und bildete sich früh ein System mythologischer Kunsterklärung aus, das als Fachwerk bequem sein mochte, dem man aber am wenigsten Voraussetzungslosigkeit nach- rühmen konnte. Anders Zoegas Schüler Welcker, der vor allem die bildende Kunst in die engste Beziehung zur Poesie setzte.
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. IQ
290 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
Friedrich Gottlieb Welcker und Karl Otfried Müller sind die Archäologen, die am deutlichsten, sowohl als einflußreiche Lehrer wie als wirksame Schriftsteller, die lebendige Einwirkung der neu zutage getretenen Funde an sich erfuhren und so der Archäologie mit dem neuen Material auch neue Ziele wiesen. Für Müller war die Beschäftigung mit der griechischen Kunst nur ein Teil des Studiums der gesamten griechischen Geistesentwickelung, in deren Erforschung und Darstellung er seine Lebensaufgabe erkannte. Aber sein Handbuch der Archäologie (1830) mit dem zugehörigen Bilderatlas, aus den Bedürfnissen des Unterrichts hervorgegangen, stand auf dem neuen Boden. In einer Zeit entstanden, wo die Überfülle der Spezialforschung noch nicht den Überblick über das Ganze unmöglich machte, und aus der Masse des alten und des neugewonnenen Stoffes mit glücklich leichter Hand das Wichtigste auslesend, hat das Buch die Schulung mehrerer Gene- rationen besorgt, obschon grade die kunstgeschichtlichen Abschnitte hinter anderen zurückstehen; begreiflicherweise sind diese heute am meisten veraltet Auch Welcker lebte im Ganzen des Griechen- tums; Religion, Poesie und Kunst waren für ihn untrennbar ver- bunden und er empfand sozusagen wie ein Grieche. Er hatte nicht bloß durch ein Fenster in einen Raum des großen Baues hineingeschaut, sondern ihm war jeder Winkel vertraut, und jeder Winkel war ihm nur ein Abbild des Ganzen. Wärmeren Sinn für Kunst und Dichtung, als Müller besaß, verband Welcker mit einem feinen, manchmal wohl etwas zu feinem Sinn für das Indi- viduelle. Daher wurden ihm die einzelnen Dichter und Künstler zu Sondergestalten im großen Strome der Entwickelung, und bei der poetischen, intuitiven Richtung seines Geistes schuf er Ge- stalten, welche, wenn sie sich auch nicht immer als ganz ähnlich erwiesen haben, doch stets von griechischem Herzblut durchströmt waren. So traten ihm die Bildwerke vom Parthenon, der Sopho- kles, der lysippische Apoxyomenos, als er sie zuerst schaute, als lebendige Individuen, die er längst aus der Ferne gekannt, ent- gegen, und welche Bedeutung für ihn neben dem gelehrten Studium die Anschauung hatte, das bewies er durch die Gründung des ersten akademischen Abgußmuseums, der Bonner Musteranstalt
Müller. Welcker. Jahn 291
Hochbedeutend für den Betrieb der Archäologie waren die großen Vasenfunde der zwanziger und dreißiger Jahre (S. 60 ff.). Neue Schätze mythischer Szenen, reicher als man irgend hatte ahnen können, stiegen ans Licht und heischten Würdigung und Erklärung. So trat zunächst der Inhalt des Bilderschmuckes der Vasen ganz in den Vordergrund und die Wissenschaft ging für einige Zeit fast ganz in Exegese auf. Diese von den Willkür- lichkeiten methodelosen Ratens und mehr oder weniger geist- reichen Tüfteins befreit und auf feste Füße gestellt zu haben ist das Verdienst Otto Jahns. Er war von der Philologie ausge- gangen und übertrug, ein Schüler Lachmanns und Böckhs, die philologische Methode auf die archäologische Exegese. In der Verbindung der künstlerischen und der literarischen Quellen war ihm dabei, wenn auch mit minder strenger Kritik, Raoul-Rochette vorangegangen. Im Konfliktfalle trat bei Jahn noch leicht die der Philologie analoge Behandlung in den Vordergrund vor der rein künstlerischen Betrachtungsweise und deren besonderen Be- dingungen. Dafür förderte die Übersicht über die Gesamt- entwickelung, die Jahn ebenso wie Müller und Welcker im Auge hatte, auch historische Gesichtspunkte zutage, wie den bis dahin übersehenen, daß in der bildenden Kunst der Griechen ebenso wie in ihrer Poesie, ihrer Philosophie, ihrer Architektur die Stammesunterschiede von entscheidendem Einflüsse gewesen seien (1846); oder den Nachweis, daß der späteren griechischen Kunst ebenso wie der hellenistischen Poesie das Genre geläufig gewesen sei, eine Erkenntnis die damals (1848) noch manchem Zweifel begegnete. Heute ist es uns ja kaum begreiflich, daß dergleichen je hatte verkannt werden können.
Eins aber fehlte doch noch dieser ganzen älteren Betrach- tungsweise, für die Jahn nur als Beispiel dienen soll: die volle Verschmelzung der schriftlichen und der neueröffneten künstle- rischen Quellen; meistens flössen noch beide Bäche nebeneinander her und vereinigten nur selten ihre Gewässer. So behielt bei- spielsweise Johannes O verbeck in seiner vielbenutzten »Geschichte der griechischen Plastik« durch vier Auflagen hindurch (1857/94) die Scheidung beider Quellen bei und gab z. B. die Würdigung
19*
292 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
des Phidias getrennt von der Analyse der Parthenonskulpturen. Selbst Heinrich Brunn, dessen »Geschichte der griechischen Künstler« (1853/59) einen großen Fortschritt bezeichnete, be- schränkte sich damals noch fast ganz auf die von ihm kritisch gesichtete literarische Überlieferung und zog die Kunstwerke nur 71 heran, wo Originalwerke bestimmter Künstler, wie der Laokoon, 694 75 der »borghesische Fechter«, die »Apotheose Homers«, erhalten 69o sind. Daß übrigens Brunn zunächst einmal die überlieferte Ge- schichte der Künstler kritisch zu prüfen sich bemühte, war me- thodisch durchaus richtig; es ist nicht Brunns Schuld, wenn es lange gedauert hat, bis in den zahlreichen »Geschichten der griechischen Plastik« der Weg von der Künstlergeschichte zur Kunstgeschichte eingeschlagen ward. Und doch drängten die unaufhörlichen neuen Funde namenloser Werke, die oftmals die mit bestimmten Künstlernamen belegbaren an Wert weit über- trafen, gebieterisch in diese Richtung.
Der seitdem eingetretene Wechsel der Anschauung und der Behandlung beruht in erster Linie auf den Ergebnissen jener großen Unternehmungen, die sich in dem letzten Drittel des Jahr- hunderts Schlag auf Schlag gefolgt sind, die unsern Gesichtskreis räumlich und zeitlich erweitert, mit neuen Kenntnissen auch immer neue Probleme gebracht, dabei aber die Methoden der Ausgrabung, der Erkenntnis und der Verwertung bereichert und gekräftigt haben. Aber damit ist doch nicht alles gesagt; es kommen noch andere wesentlich mitwirkende Bedingungen in Betracht.
Die äußerlichste dieser Bedingungen ist die außerordent- liche Reiseerleichterung, die unsere Ära der Eisenbahnen und Dampfschiffe geschaffen hat. Das antike Wort, daß eine Reise nach Korinth nicht jedermanns Sache sei, hat, wörtlich genommen, längst seine Geltung eingebüßt. Heute ist dafür gesorgt, daß wir, wie es Plinius von den Bildnissen berühmter Männer in Varros Porträtwerk (imagines) rühmte, »allgegenwärtig wie die Götter« sein können. Ein längerer Aufenthalt im Süden gehört für unsere Archäologen zu den selbstverständlichen und verhält-
Neue Ziele. Reiseerleichterungen. Universitätsunterricht 293
nismäßig leicht erreichbaren Dingen; aber auch wenn es für einzelne Arbeiten, ja für bloße Einzelfragen, das Material zu sammeln oder zu vergleichen gilt, ist das Aufsuchen der Mu- seen, die fast überall dem Forscher liberal geöffnet sind, heute unendlich viel leichter als vor einem halben Jahrhundert. So gebieten wir heute nicht bloß über ein ganz anderes Ma- terial, sondern auch über eine viel größere Leichtigkeit seiner Benutzung.
Auch die wissenschaftlichen Anstalten haben sich stark geändert. Vor fünfzig Jahren gab es in Deutschland noch lange nicht an allen Universitäten Lehrstühle für Archäologie, in Österreich nur in Wien, in Frankreich nur in Paris, in Italien und England meines Wissens nirgendwo. Heutzutage fehlt nicht leicht einer europäischen Universität ein Lehrstuhl mit dem zu- gehörigen »Laboratorium«, dem Abgußmuseum. Das Bonner Museum war das erste, das, von Welcker mit dem Beistande des Freiherrn von Stein gegründet, planmäßig für die Zwecke des akademischen Unterrichts eingerichtet ward. »Diese Stiftung«, bemerkte Welcker 1827, »scheint so zeitgemäß, daß sie vermutlich nach und nach auf den meisten andern Universitäten Nachfolge finden wird.« Die Voraussage ist eingetroffen, zuerst in Deutsch- land, allmählich auch mehr oder weniger allgemein in allen anderen Staaten, in denen die Archäologie gepflegt wird. So mangelhaft auch der Notbehelf der Abgüsse ist, so weit auch der kalte undurchsichtige Gips hinter dem Marmor und Erz zurück- steht, so groß ist der Vorzug, nicht, wie in den eigentlichen Antikensammlungen, auf eine willkürliche Vereinigung meistens durch den Zufall zusammengeführter Stücke beschränkt zu sein, sondern den ganzen Verlauf der antiken Plastik in planvoller Auswahl sich anschaulich machen zu können. Auch lassen sich in Abgüssen viel leichter als an den Originalen gewisse für die wissenschaftliche Benutzung und für den künstlerischen Genuß gleich wichtige Operationen durchführen, z. B. Entfernung falscher Ergänzungen und bessere Ergänzung auf Grund methodischer Benutzung sicherer Anhaltspunkte, Bronzierung von Abgüssen nach Erzbildern oder nach Marmorstatuen, die von Erzoriginalen
294 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
kopiert sind. Freilich hat man auch mit einem Übelstande zu kämpfen: es ist nicht ganz leicht die wichtigsten und bezeich- nendsten Abgüsse zu beschaffen. Es bedürfte einer mit großen Mitteln ausgerüsteten Zentralanstalt, die unter wissenschaftlicher Leitung die Herstellung der bedeutendsten Abgüsse nach be- stimmtem Plan in die Hand nähme. Oder, wenn die Last für die Schultern einer einzigen Anstalt zu groß sein sollte, ließe sich an eine Vereinigung verschiedener Anstalten denken (wie das neuerdings für die großen Akademieunternehmungen ein- geführt worden ist); z. B. könnten Formereien in Berlin, London, Paris, Rom, Athen, München zu einem solchen Bunde sich zu- sammenschließen und eine Teilung der Aufgaben, natürlich unter Leitung eines wissenschaftlichen Ausschusses, vornehmen. Aber das sind Zukunftsträume; schon jetzt läßt sich eine Auswahl des Wichtigsten beschaffen, wie — von Staatsmuseen wie in Berlin und Dresden abgesehen — die Universitätssammlungen in Bonn, München, Straßburg, Leipzig, Cambridge, Lyon, Rom beweisen. An diese Sammlungen knüpfen die zuerst von Otto Jahn in den akademischen Unterricht eingeführten Übungen an; hier wird der Student in der schweren Kunst des Sehens geübt und lernt die Grundsätze der Kritik und Hermeneutik selbst anwenden. Der Student, der sich während seiner Studienzeit ein solches Museum wirklich zu eigen gemacht hat, ist mit dem nötigen Rüstzeuge versehen um draußen im Reiche der Originale mit eigener Forschung die Wissenschaft zu fördern, vollends wenn mit dem Abgußmuseum, wie beispielsweise in Bonn und Würz- burg, auch eine den Lehrzwecken angepaßte Sammlung von Originalstücken verbunden ist; anderswo, wie in Berlin und München, lassen sich sogar größere Sammlungen von Originalen mit heranziehen.
Zu den heimischen Universitäten gesellen sich dann die auswärtigen Beobachtungs- und Arbeitsplätze, die Institute oder archäologischen Schulen. Fast zwanzig Jahre stand das Archäo- logische Institut in Rom (S. 59) allein, dann trat die Französische Schule in Athen (S. 52) hinzu, die freilich der eigentlich archäo- logischen Arbeit noch längere Zeit fern blieb. Heutzutage blühen
Abgußmuseen. Archäologische Institute. Photographie 295
allein in Athen neben der französischen Anstalt, die neuerdings auch fremden Gelehrten gastliche Aufnahme bietet, ein deutsches Institut, eine amerikanische, eine englische Schule, denen seit kurzem noch eine österreichische Station zur Seite geht. Ähnlich ist es in Rom, das freilich, gemäß der größeren archäologischen Bedeutung Griechenlands, mehr und mehr an die zweite Stelle rückt. Alle diese Anstalten widmen sich neben anderen Aufgaben der Weiterbildung der ihnen mit immer besserer Vorbildung zu- gewiesenen oder freiwillig sich anschließenden Zöglinge; diese werden durch Vorträge, durch Führungen, durch gemeinsame Reisen in die Kenntnis der antiken Stätten und Kunstwerke ein- geführt und werden mit größerer oder geringerer Selbständigkeit bei den Ausgrabungen verwandt. Welch andere Schulung gegen- über den früheren Zeiten!
Eine gar nicht hoch genug zu schätzende Förderung hat ferner den Kunststudien die Entwickelung der Photographie gebracht. Vor fünfzig Jahren kannte man Photographien nach Antiken fast nur in Italien, hauptsächlich in Rom; heute gibt es nicht nur fast kein größeres Museum ohne photographische Publikation, sondern auch von zerstreuten Antiken ist es meistens nicht allzu schwer Photographien zu beschaffen, und ein photo- graphischer Apparat gehört zu der unentbehrlichen Ausrüstung eines archäologischen Reisenden. Photographien, mit oder ohne Skioptikon, spielen im archäologischen Unterricht ihre bedeutende Rolle; Brunn -Bruckmanns von Paul Arndt fortgesetzte »Denk- mäler griechischer und römischer Skulptur« sind für Vorlesungen ebenso unentbehrlich, wie die von Arndt und Amelung heraus- gegebenen »Photographischen Einzelaufnahmen antiker Skulp- turen« für den Forscher auf dem Gebiet antiker Plastik. Die künstlerisch ja nicht grade durchweg erfreulichen phototypischen und autotypischen Vervielfältigungsverfahren ermöglichen einen solchen Reichtum und eine solche Zuverlässigkeit der Illustration archäologischer Werke, strengwissenschaftlicher wie populärer, daß diese teils eine authentische Kenntnis antiker Kunstwerke in die weitesten Kreise zu tragen vermag, teils an die Stelle toter oder mißverständlicher Beschreibung die lebendige Anschauung
296 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
setzt Selbst die Kataloge der Sammlungen folgen, seit Berlin 1891 das Beispiel gegeben, wenn auch zögernd, dieser Spur.
Es ist aber keineswegs bloß die Menge neuer Anschauung, was wir der Photographie verdanken, sondern fast noch mehr kommt die Art der Wiedergabe in Betracht. Die Kupferwerke älterer Zeit trugen, desto mehr je weiter die Stiche ausgeführt waren, das Stilgepräge ihrer Zeit oder des Stechers; selten er- reichten sie einen so hohen Grad stilgetreuer Wiedergabe, wie der erste Band der Speämens of anclent Sculpture, die Ancient Marbles des Britischen Museums oder die besten Tafeln in Bouillons Musee des Antiques. So beschränkte man sich denn auf bloße Umrisse, die auch, sorgfältig gemacht, für Werke zweiten Ranges mit mehr inhaltlichem Interesse, wie in Zoegas Bassirilievi , ausreichten, aber auf Statuen und Büsten höheren stilistischen Charakters angewandt, wie in Pirolis Musee Napoleon oder in Müller-Österleys »Denkmälern der alten Kunst«, doch nur den Wert allgemeiner Erinnerungszeichen in Anspruch nehmen konnten. Wie sehr auch hier die Eigenart des Zeichners oder Stechers mitsprach, zeigen beispielsweise Stackeibergs elegante Blätter in seinen »Gräbern der Hellenen«. Dem gegenüber er- weist die Photographie, trotz gewisser ihr anhaftender Mängel der Verkürzung und trotz ihrer Abhängigkeit von der oftmals ungünstigen Beleuchtung der einzelnen Objekte, eine unendlich viel größere Treue und eine ebenso viel größere Bestimmtheit in der Wiedergabe aller stilistischen Feinheiten des Originals, seiner technischen Besonderheiten, seiner malerischen Wirkung. So haben wir mit Hilfe der Photographie neu sehen gelernt, und es ist nicht zum geringsten Teile das Werk der Photographie, wenn die ganze moderne Archäologie die entschiedene Wendung zur stilistischen Analyse und Würdigung genommen hat. Ein- zelne, wie Heinrich Brunn und Karl Friederichs, hatten auch ohne die Photographie bereits diesen Weg beschritten; daß er aber zur großen Heerstraße der modernen Archäologie geworden ist, das rührt doch zum großen Teil von unserer Gewöhnung photographischen Sehens her und von der durch die Photo- graphie gebotenen Möglichkeit, auch ohne die Originale selbst
Photographie. Neuere Kunstgeschichte 297
vor Augen zu haben, doch ihren stilistischen Charakter und ihre Verwandtschaft mit anderen bekannten Werken sicher erkennen zu können.
Der Einfluß der Photographie ist der Archäologie gemein mit der neueren Kunstgeschichte. Diese ist als Wissenschaft jünger als die Archäologie und hat, ebenso wie die neuere Ge- schichtschreibung, in den ersten Stadien ihrer Entwickelung, wo neue und alte Kunst noch nicht so scharf gesondert zu werden pflegten, manches von der älteren Schwester gelernt. Aber schon früh zeigte sich auch ihre besondere Art. Blicken wir nur auf Deutschland, so mögen Rumohrs »Italienische Forschungen« (1827/31) und Gayes »Carteggio inedito dl artistU (1839/40) als der Beginn wissenschaftlicher Behandlung der neueren Kunst- geschichte bezeichnet werden; in jenen ist stilistische Betrachtung ein Hauptelement geschichtlicher Würdigung, in diesem werden die Schätze der Archive in musterhafter Weise der Kunstgeschichte dienstbar gemacht. Nach beiden Seiten gebietet die neuere Kunst- geschichte über ein unendlich reicheres und zuverlässigeres Material als die Archäologie; bei der großen Zerstreuung der Kunstwerke, vor allem der Gemälde, hätte sie aber doch zu ihrer Fertigkeit stilistischer Analyse kaum ohne die Hilfe der Photographie kommen können, durch deren Vermittelung der Berg zum Propheten sich bemüht wo dem Propheten der Weg zum Berge versperrt ist. Der rein künstlerische Gesichtspunkt hat die neuere Kunstgeschichte, die nicht den Weg durch die Philologie durchgemacht hat, von Anfang an stärker beherrscht und dadurch vielleicht die Sub- jektivität des Urteils gefördert, aber auch die Ausbildung gewisser Bestimmungsmethoden hervorgerufen, die wir am kürzesten mit dem Namen Morellis bezeichnen. So hat die neuere Kunstge- schichte desto stärkeren Einfluß auf die Archäologie gewonnen, je bewußter auch diese den stilistischen, künstlerischen Gesichts- punkt in den Vordergrund zu rücken sich bestrebte.
Unter solchen Einflüssen hat sich der Wandel in der wissen- schaftlichen Anschauung und Behandlung innerhalb der Archäo-
298 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
logie vollzogen. Im Laufe der Entdeckungen kamen immer von neuem Einzelwerke oder Gruppen von Kunstwerken zum Vor- schein, die an literarischen oder urkundlichen Zeugnissen keinen oder nur schwanken Anhalt fanden und in dem wesentlich aus Plinius und Pausanias Angaben gezimmerten Fachwerke nicht untergebracht werden konnten. Sie verlangten also selbständige Beurteilung und Vergleichung mit schon bekannten und bestimmten Werken, um ihren Platz angewiesen zu erhalten, gelegentlich auch wohl um an dem überkommenen Fach werk zu rütteln und eine neue Einteilung oder einen neuen Anbau des Gerüstes zu ver- anlassen. Der Art war Brunns Aufstellung einer besonderen nordgriechischen Kunst, die an der literarisch überlieferten Tätig- keit eines Telephanes in Thessalien zur Zeit der Perserkriege nur einen schwachen Anhalt hatte, dafür aber in dem eigenartigen »pastosen« Stil einer Anzahl aus Nordgriechenland stammender Reliefs eine Stütze fand. Die Zweifel, denen diese Annahme namentlich in ihrer Verbindung mit Päonios als angeblichem Künstler des olympischen Ostgiebels (S. 123 f.) begegnete, ver- stummten mehr und mehr, seit Brunn selbst diese Denkmäler- gruppe an die ionische Skulptur Kleinasiens anschloß; freilich beruhte auch deren Existenz nicht sowohl auf literarischen Zeug- nissen als auf stilistischen und allgemein geschichtlichen Er- wägungen.
So kam es unter dem Drucke der neuen, noch der Etikette entbehrenden Funde mehr und mehr dahin, daß das alte philo- logische Moment zurück und die stilistische Analyse an die erste Stelle trat Der Führer dieser Bewegung war Heinrich Brunn. Sein Einfluß war um so größer, als er einer der eigen- ständigsten Forscher und der eindrucksvollsten Lehrer war. Alles spitzte sich, wie in der modernen Ästhetik, auf die Erkenntnis der Kunst formen zu; die Kunstgeschichte verfolgte nur noch die Entwickelung der künstlerischen Form. Das war die natür- liche Folge der stilistischen Analyse als der neuen leitenden Forschungsmethode. Heutzutage zweifelt niemand an der Berech- tigung der Bewegung im ganzen; man kommt vielleicht schon in den Geruch der Ketzerei, wenn man gegen ihre Alleinberech-
stilistische Analyse 299
tigung leise Bedenken äußert. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß eine neue Richtung am unduldsamsten gegen die zunächst vorhergegangene ist. So ist es denn ja auch nur natürlich, wenn die reifgewordene Stilarchäologie auf die philologisierende Periode der Archäologie geringschätzig zurückblickt. Nur die Kunstwerke haben noch mitzusprechen, der überlieferte Notizenkram ist nichts wert, hält überdies vor der höheren Kritik vielfach nicht stand. Die so sprechen, bedenken nicht, daß sie daran sind den Ast abzusägen, auf dem sie sitzen. Hätten wir die Schriftzeugnisse nicht, wie würden wir uns dann wohl auf bloß stilistische Urteile hin den Verlauf der Kunstgeschichte aufbauen? Man vergleiche nur einmal die wohltuende Sicherheit, mit der wir auf Grund
50 zweier deutlicher literarischer Zeugnisse den Diskobol Myrons 377/78 kennen und als feste Grundlage benutzen, mit der vielfachen Unsicherheit, die herrscht, sobald eine Zurückführung bloß auf stilistische Analyse sich gründet. Stilurteil ist eben seiner Natur nach subjektiv und schwankt je nach der Auffassung des Ein- zelnen, bisweilen sogar bei diesem nach der Zeit und dem je- weiligen Stande seiner Erkenntnis. Man denke an die Verschieden- heit der Ansichten über die Zugehörigkeit der olympischen
41 Giebelgruppen (S. 124 f.). Oder man wolle erwägen, daß kein 356/59 Geringerer als Brunn den Münchner Diomedes aus stilistischen Gründen dem 4. Jahrhundert zuweisen wollte, während Löschcke Studniczka Furtwängler ihn, gewiß mit Recht, für ein Werk des 5. Jahrhunderts erklären. Kalkmann, ein höchst subtiler Kenner namentlich der Proportionen, brachte es fertig die herrliche Jüng-
60 lingsfigur von Subiaco im römischen Thermenmuseum, ein Meister- werk flüssigen Stils aus der Zeit des Praxiteles, aus stilistischen Gründen als eine archaische Statue, ungefähr aus der Zeit der Perserkriege, »nachzuweisen«! Um den fälschlich sogenannten 38,9 Omphalosapollon streiten sich der Rheginer Pythagoras (Wald- 374 stein), der vermutliche Böoter Kaiamis (Conze, Furtwängler u. a.) und der Korinthier Kallimachos (Schreiber). Wer denkt dabei nicht an das mit Virtuosität geübte Taufen und Wiedertaufen moderner Gemälde, das bei so viel günstigerer Lage der Dinge, bei so viel zahlreicheren sicher beglaubigten Originalwerken,
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dennoch auch nicht immer zu übereinstimmenden Urteilen über den Urheber führt? Jeder Kritiker hält eben leicht seinen jeweiligen Glauben für den alleinseligmachenden.
Einen besonderen Weg hat Adolf Furtwängler einge- schlagen um eine Konkordanz zwischen den schriftlichen Zeug- nissen und den erhaltenen Bildwerken herzustellen. Nach ihm »ist uns in den römischen Kopien diejenige Auswahl aus den Meister- werken der klassischen Epoche erhalten, die antiker Geschmack und Kennerschaft in den Zeiten feinster Bildung getroffen hat. Es ist die Auswahl des Besten und Berühmtesten, das man im Alter- tum besaß. Unter diesen Kopien haben wir die von den Schriftstellern erwähnten Meisterwerke zu suchen, die Statuen, die Epoche machten, die bahnbrechend wirkten«. Unter der Voraussetzung, daß der erhaltene Kopien vorrat sich auf die von Plinius und Pausanias genannten Künstler müsse verteilen lassen, gelingt es ihm denn auch nicht bloß großen Meistern ein reicheres Werk zuzuweisen, sodern sogar so schattenhafte, nur gelegentlich erwähnte Künstler wie Telephanes von Phokäa und den Kaiamisschüler Praxias mit bedeutenden Statuen, wie dem 42. 43 ludovisischen Hermes und der Athena Albani, zu beschenken. Von 430 50 Myron kennen wir mit Sicherheit zwei Statuen, den Diskobol und 377,78 den Marsyas; auf dem Wege Morellischer Einzelbeobachtung sucht 379 Furtwängler eine Reihe anderer Werke für ihn zu gewinnen, die zum Teil, wie der Perseus, einen ganz abweichenden Typus zeigen, zum Teil ein zwar anscheinend reicheres aber auch viel mehr verschwimmendes, mit dem sicheren Ausgangspunkte kaum noch vereinbares Bild gewähren. Bei Kallimachos vereinigen sich die verschiedensten Züge zu einer ungreifbaren Persönlichkeit; bei Euphranor gelingt es überhaupt kaum einen festen Fuß auf den Boden zu setzen. Aber über Einzelheiten läßt sich ja streiten (obschon manche der von Furtwängler geschaffenen Künstlerbilder bereits vielfach als feste Besitztümer der Kunstgeschichte gelten); der Ausgangspunkt selbst scheint mir irrig, daß Plinius aus einigen sekundären Quellen zusammengestoppelte Kunstgeschichte oder die von Pausanias in seinem Reisehandbuch für Griechen- land angeführten Kunstwerke ohne weiteres als übereinstimmend
A. Furtwängler. Vorzüge stilistischer Analyse 301
mit der uns noch erhaltenen Auswahl antiker Statuen angenommen werden. Wer sagt denn, daß der Geschmack der Römer am Ende der Republik und am Anfange der Kaiserzeit, d. h. der Zeit, aus der ein großer Teil unserer Kopien stammt, mit den Quellen jener Schriftsteller sich deckte? Wie viele uns unerfind- liche Momente des Geschmackes, der Mode, bestimmender Ein- flüsse können da mitgespielt haben? So scheint mir das Fundament von Furtwänglers Statuentaufen zu wanken und das Unsichere seiner Bestimmungen das Sichere oder Wahrscheinliche weit zu überwiegen. Kaum eine einzige seiner zahllosen Zuteilungen dürfte den gleichen Grad von Sicherheit besitzen wie die schöne Wiedererkennung der lemnischen Athena des Phidias, von der 387 unten (S. 311 ff.) noch die Rede sein wird.
Lassen wir aber die Bedenken beiseite, die sich notwendig gegen jede Stilkritik als wenigstens teilweise subjektiv erheben werden, so wäre es andrerseits töricht zu leugnen, daß die Kunst- geschichte dadurch ein ganz neues Gesicht bekommen hat. Statt eines vermeintlich festen, weil auf die schriftliche Überlieferung gegründeten Gerüstes, das aber kaum mehr als ein dürftiges Lattengerüst war, haben wir einen formen- und farbenreichen Bau gewonnen, der wohl im Laufe der Zeiten noch manchen Umbau und Anbau, noch manchen veränderten Anstrich nötig machen wird, der aber doch in seinen Hauptlinien für sicher gegründet wird gelten können. Den Gestalten der Künstler, die früher als bleiche Schatten im Hades der schriftlichen Über- lieferung umherirrten, ist aus den Gruben der suchenden und grabenden Archäologen Blut in die Adern geflossen und sie reden zu uns in der Sprache lebendiger Wesen. Wir wollen versuchen uns den Fortschritt an einer Reihe von Beispielen an- schaulich zu machen.
Den augenfälligsten Gewinn hat die griechische Skulptur davongetragen. Es war nicht gar viel was das 18. Jahrhundert von bestimmten Werken bestimmter Künstler kannte. Abgesehen 71 f. vom Laokoon, vom farnesischen Stier und ähnlichen Werken 694|9j
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55 erkannte beispielsweise Winckelmann den praxitelischen Eidechsen- 503
55 töter, Visconti die knidische Aphrodite desselben Künstlers, den sos
Ganymedes des Leochares, den betenden Knaben des Boedas, 519
547 50 die Tyche des Eutychides, Carlo Fea 1783 den Diskoswerfer 549
Myrons. Es dauerte lange ehe die Reihe sich verlängerte. Wohl '
der bedeutendste Fund war es, als 1821 Antonio Nibby in dem
70 berühmten »sterbenden Fechter«, den Byrons unsterbliche Verse 677 als den in der Arena gefallenen dakischen Gladiator feierten, an den Zügen und Haaren, an der Halskette und dem Schilde die Nachbildung eines jener Galater erkannte, die nach einer Nach- richt des Plinius in Pergamon dargesteUt worden waren um die Siege des Attalos und Eumenes über die gefährlichen Nachbarn zu verewigen. Mit dieser Deutung war zugleich die der ludo-
70 visischen Galliergruppe gleicher Kunstart und gleichen Marmors, 678 die jetzt den Stolz des Thermenmuseums bildet, gegeben. So war die pergamenische Kunst neben die durch den Laokoon und den Stier vertretene rhodische getreten und damit für lange dem Abschnitt von der »hellenistischen« Kunst (dieser Ausdruck ward freilich erst 1833 von Johann Gustav Droysen geprägt) sein In- halt gegeben.
Erst um die Mitte des Jahrhunderts traten neue Entdeckungen und Zuweisungen ein, die sich nun rasch mehrten. Es war charakteristisch für den damaligen Stand unserer wirklichen Kenntnis
63 der Hauptkünstler, daß, als 1849 der Apoxyomenos im Trastevere 536 entdeckt ward, man zweifeln konnte, ob der polykletische oder der lysippische Schaber gemeint sei. Das Richtige drang freilich bald durch (ob Emil Braun es zuerst gefunden, oder wer sonst, steht nicht fest), und der Apoxyomenos ward zum Eckstein unserer Anschauung von dem großen Kunstreformator Lysippos. Wenige Jahre später (1853) erkannte Otto Jahn die Erinnerung an ein anderes lysippisches Werk, den Kairos, in der Abbildung eines angeblichen Mosaiks, das sich später als ein frühmittelalterliches Relief herausgestellt hat. Schon 1850 hatte Jahn aus der Menge
52 der erhaltenen Amazonenstatuen die drei »ephesischen« Typen 386
420
ausgeschieden, deren Zuweisung an die großen Künstler Polyklet, 431 Phidias und Kresilas seitdem mit oft schwankendem Urteil immer
Ältere Wiedererkennungen. Myron. Tyrannenmörder. Phidias 303
wieder versucht wird; 1850 waren die Kunstcharaktere der drei JMeister noch zu unbestimmt um einen solchen Versuch mit Aussicht auf Erfolg anstellen zu können.
In den fünfziger Jahren begannen dann jene Zuteilungen, die vorzugsweise auf stilistischen Beobachtungen beruhen. 1853 erkannte Heinrich Brunn in einem kürzlich im lateranischen
50 Museum aufgestellten bärtigen Satyr, obschon er mit Kastagnetten 379 tanzend ergänzt worden war, den Marsyas Myrons, wie er über die von Athena weggeworfenen Flöten in lebhaftes Staunen aus- gebrochen ist. Eine Angabe des Plinius, eine athenische Münze und ein damals verschollenes athenisches Relief stützten die Ver- mutung, die Brunn fünf Jahre später durch genaue stilistische Analyse zu voller Sicherheit erhob. So ist Myron der Künstler, der uns durch seinen Diskobol und seinen Marsyas zuerst in seiner höchst eigentümlichen Besonderheit vertraut geworden ist. Schon 1 859 folgte Karl Friederichs schöne Entdeckung der Gruppe
36 der »Tyrannenmörder« in zwei Athletenstatuen des Neapler 347 Museums, der erste Blick in die altertümliche Kunst. Auch hier dienten eine Münze und wiederum ein damals verschollenes Relief zur Grundlage des Beweises, der dann durch stilistische Betrach- tung verstärkt ward. Da es aber zwei Gruppen der Tyrannen- mörder gegeben hat, eine ältere von Antenor noch aus dem Ende des 6. Jahrhunderts und eine dreißig Jahre jüngere von Kritios und Nesiotes, so entstanden Zweifel, auf welche der beiden die erhaltenen Kopien zurückgingen, Zweifel, die sich allmählich immer mehr zugunsten der jüngeren Gruppe gelöst haben. Noch größeres Aufsehen machte der im gleichen Jahre 1859 in Athen erfolgte Fund einer unvollendeten Statuette, in der Charles Lenor- mant alsbald eine Kopie der Aihena Parthenos des Phidias erkannte. Oft hatte man sich bemüht auf Grund der vielen Nachrichten und vermutlicher Nachbildungen sich ein Bild des berühmten Meisterwerkes zu machen; man war auch der Wahr- heit ziemlich nahe gekommen; aber hier erst traten uns die ernste architektonische Haltung des Kolosses und die Verteilung seines vielen Beiwerkes in authentischer Gestalt entgegen, und alle weitere Forschung hatte ihren festen Halt gewonnen. Schon
304 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
43 1865 konnte Alexander Conze durch eine Marmorkopie des Schildes, die Newton kürzlich aus den Kellern Lord Strangfords gerettet und in das Britische Museum geschafft hatte, eine Be- stätigung und Erweiterung bringen. Dazu lieferte 1880 Athen
43 eine etwas größere Wiederholung der ganzen Figur; aus Peters- 392 bürg veröffentlichte 1883 Gangolf Kieseritzky goldene Relief-
43 nachbildungen des Kopfes mit seinem überreichen Schmuck, die
43 eine längst bekannte Wiener Gemme des Aspasios als bestes 394 Abbild des Kopfes zu Ehren brachten. Während so die Parthenos immer deutlicher in allen ihren Zügen herausgetreten ist, wie traurig sieht es da mit dem olympischen Zeus aus! Wir müssen Johannes Overbeck Dank wissen, daß er 1865/66 in ein paar
43 hadrianischen Münzen den einzigen bildlichen Anhalt zur an- 405 schaulichen Vergegenwärtigung nachwies; sonst sind wir nach wie vor fast ganz auf Pausanias Beschreibung angewiesen. Nichts kann deutlicher als der Vergleich dieser beiden Hauptwerke des Phidias den Fortschritt klar machen, den wir durch die Auffindung und Identifikation erhaltener Nachbildungen gemacht haben.
Im Jahre 1 863 trat Friederichs mit dem überzeugenden Nach-
52 weis hervor, daß Polyklets kanonische Jünglingsgestalt, der Speer- 430 träger (Doryphöros), in einer Neapler Statue und ihren Repliken erhalten sei, ein Gedanke, in dem er sich mit Brunn begegnete. Die gediegene, wenn auch etwas einförmige Art des argivischen Meisters war damit deutlich bezeichnet, und so war es für Heibig eine einfache Sache, 1871 in einer ganz ähnlich gebauten und
52 komponierten Statue des Britischen Museums, die Newton in 432 Vaison erworben hatte (S. 97), den Diadumenos desselben Künst- lers wiederzuerkennen, obschon Brunn diesen lieber in einer erheblich abweichenden Statue von attischem Typus suchte. 1867 deckte Brunn einen neuen Eckstein der Kunstgeschichte auf, indem
55 er in Winckelmanns »Leukothea«, einem der schönsten Werke 482 der Münchener Glyptothek, Eirene und Plutos, die Friedensgöttin mit dem kleinen Reichtumsgott auf dem Arme, erkannte, ein Werk von Praxiteles Vater, dem älteren Kephisodotos. Die Identifikation lag gewissermaßen in der Luft; nachdem Friederichs 1859 die »kindernährende« Göttin als das Wesentliche der Gruppe
Polyklet. Kephisodotos. Ägina. Attalosgruppe. Praxiteles 305
erkannt hatte, waren fast gleichzeitig Stephan i Stark Urlichs O ver- beck auf den Gedanken an Kephisodots Werk gekommen, aber erst Brunn vermochte die Vermutung durch den Nachweis einer athenischen Münze des Münchener Kabinetts, auf der die Gruppe abgebildet und der kleine Plutos an seinem Füllhorn kenntlich war, zur Gewißheit zu erheben. Nachträglich stellten sich be- stätigende Repliken des Knaben ein. Die Gruppe Kephisodots stand nun vermittelnd zwischen der Tradition der phidiasschen Schule und den Werken von Kephisodots großem Sohne Praxi- teles. Um dieselbe Zeit lieferte Brunn einen wichtigen Beitrag zur bestimmteren Kenntnis der archaischen Kunst, indem er durch
37 genaue Analyse in den beiden Giebelgruppen von Ägina zwei 350 a Stilstufen unterschied, eine ältere konservative im Westgiebel und eine jüngere im Ostgiebel, in der ein neuer lebendigerer Geist die starren Formen sprengt (S. 140). Endlich schloß Brunn die Reihe dieser glücklichen Entdeckungen 1870 mit dem schlagenden
70 Nachweis, daß in einer Anzahl halblebensgroßer Statuen, die, 679 f. sämtlich aus einem römischen Funde von 1514 herrührend, über verschiedene Museen zerstreut waren, die Reste jener vier Gruppen erhalten seien, die König Attalos einst auf die athenische Burg gewidmet hatte. Von dem Giganten- und dem Amazonenkampf, von der marathonischen Schlacht und den Galatersiegen des Attalos, von allen hatten sich mehr oder weniger Figuren er- halten, die im Stil zu den schon bekannten pergamenischen Statuen völlig paßten. Der Nachweis war so einleuchtend, daß 677/78 leise Zweifel, denen ein Mißverständnis eines von Pausanias ge- brauchten Ausdruckes zugrunde lag, bald verstummten.
So weit bezogen sich fast alle Künstlerbenennungen auf alt- bekannte Werke. Mittlerweile waren wir aber in die Ära der neuen Entdeckungen eingetreten. Die Ausgrabungen in Olympia
53 lieferten gleich zu Anfang (1875) die Nike des Päonios, zwei 457
55 Jahre später den Hermes des Praxiteles. Von beiden und den 505 Fragen, die sich an sie knüpften, war schon oben (S. 1 24. 1 27) die Rede; es verdient vielleicht erwähnt zu werden, daß Emil Braun einst geglaubt hatte den Bruder des Hermes, den belvederischen »Antinous«, an Polyklet anknüpfen zu dürfen, so stark überwog
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 20
306 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
der Eindruck der schweren Formen des Oberkörpers. Um bei Praxiteles stehen zu bleiben, so entdeckte 1883 Gustave Fougeres in Mantineia die Basis einer Gruppe jenes Künstlers (S. 241),
56 deren Musenreliefs uns deutlichere Aufschlüsse über die praxi- 513 telischen Gewandmotive darboten; und 1887 erkannten Benndorf und Furtwängler ungefähr gleichzeitig in einem schönen locken-
57 umwallten Jünglingskopf, der vor kurzem in Eleusis zum Vorschein 511 gekommen war, den Unterweltsgott Eubuleus, den eben damals Georg Kaibel durch eine Inschrift als ein Werk des Praxiteles sicher gestellt hatte (S. 133). Ja Furtwängler glaubte 1893 in einem Aphroditekopfe zu Petworth noch ein weiteres Original- werk desselben Künstlers erkennen zu dürfen.
Während die Künstlergestalt des Praxiteles schon früher nicht ganz schattenhaft gewesen war und nun immer klarer sich dar- stellte, war das Glück seinem älteren Genossen Skopas minder hold gewesen. Zwar hatte schon 1867 Newton an der östlichen Seite des Mausoleums, die Skopas zugeteilt gewesen war (S. 96),
59 drei Friesplatten nebeneinander gefunden und Skopas zugesprochen, 501 ohne dies jedoch durch genauere Analyse weiter zu begründen. Als dann 1882 Brunn in einer eindringenden Studie diese Stücke aus allgemeinen Gründen glaubte Skopas absprechen zu dürfen, folgten ihm manche. Und doch waren schon 1880 in Tegea Reste
57 der Giebelgruppen von Skopas zutage getreten, aus denen Kab- 484 badias und Treu dessen Charakter nachwiesen und deren Zu- sammengehörigkeit mit jenen Platten vom Mausoleum Treu mit Recht betonte. Auf solcher Grundlage gelang es dann L. R. Farnell (1886) und Botho Graf (1889) den Charakter des Skopas fester zu bestimmen und in einer Anzahl anderer Werke nach- zuweisen, so daß wir seine Art jetzt sicher kennen. Noch ganz neuerdings (1902) hat Georg Treu die Zahl seiner bekannten
57 Werke um eine Nachbildung seiner berühmten rasenden Mänade 492 bereichert
Mit Skopas waren an der Ausschmückung des Mausoleums drei Künstler verbunden, dergestalt daß Leochares die Westseite, Timotheos und Bryaxis die Süd- und Nordseite zugeteilt erhalten hatte (S. 96). Von diesen Künstlern trat uns zuerst Timotheos
Skopas. Timotheos. Bryaxis. Leochares. Pythios. Archermos 307
nahe durch die Skulpturen des epidaurischen Asklepiostempels
(S. 134), die Paul Foucart 1890 auf Grund der Baurechnungen
53 Timotheos zuweisen konnte. Der feine Gewandstil dieser Werke 473
veranlaßte Franz Winter 1894, dem Künstler auch eine oft wieder-
58 holte Ledastatue zuzuschreiben; seine später in den palatinischen Tempel Augusts versetzte Artemis von ähnlichem Charakter er- 492 kannte 1900 Walther Amelung in einem Relief wieder. Bryaxis erschien 1891 inschriftlich bezeugt auf einer athenischen Basis, deren dürftige Erfindung es begreiflich erscheinen lassen mochte, daß diesem Bildhauer , die ungünstigste Seite des Mausoleums, die nördliche, überwiesen worden war; allein die dort gefundene
59 prachtvolle Statue eines persisch gekleideten Reiters, eines der 499 schönsten Stücke unter den Skulpturen des Mausoleums, recht- fertigt den Ehrenplatz, den die antike Überlieferung Bryaxis zu- wies. Zweifelhafter ist sein Anspruch auf einige besonders schöne Friesplatten, deren weitaus hervorragendstes Stück von der Seite
56 des Skopas stammt, oder auf den Sarkophag der Klagefrauen 515
(S. 270). Ferner hat Winter 1892 an der Ähnlichkeit mit Leo- 53 chares längst bekanntem Ganymedes (S. 302) diesem schwung- 519
58 vollen Künstler auch den belvederischen Apollon zugewiesen, 520 eine Vermutung, die fast ungeteilten Beifall gefunden hat. Endlich ward uns Pythios, der Baumeister und fünfte Bildhauer am
59 Mausoleum, durch die Statuen des Mausolos und der Artemisia «s und die Reste ihres Viergespannes bekannt.
Noch einige andere Identifikationen, die auf neueren Aus- grabungen beruhen, mögen genannt werden. Die hochaltertüm-
34 liehe durch die Luft hüpfende Nike, die Theophile Homolle 1879 303 in Delos entdeckte, gehörte zwar nicht, wie man zuerst glaubte, mit einer zugleich gefundenen Inschriftbasis des alten Archermos von Chios zusammen, führte uns aber doch in die Inkunabeln der Skulptur ein, wo dieser Künstler zuerst fliegende Gestalten in diesem Sprung- und Laufmotiv in der griechischen Kunst einbürgerte. Nicht lange, so schwirrte die Luft förmlich von ähnlichen springenden Flügelgestalten. — Auf der athenischen
36 Burg kam 1886 die beste jener stehenden Frauengestalten (S. 238) 325 zum Vorschein, die sich aus vielen Bruchstücken fast vollständig
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308 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
wiederherstellen ließ und mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Künstlerinschrift Antenors verbunden ward. So lernten wir diesen Künstler der älteren Tyrannenmördergruppe (S. 303) aus einem Werke seiner Jugend kennen, wo er noch im Bann ionischer Schulung stand, aber bereits seine Lehrer weit übertraf. — Eine 1884 zum Vorschein gekommene geringe Hermenbüste mit
(62) dem Namen Piatons gab Winter 1890 Anlaß die Kunstart Sila- (480) nions, eines attischen Realisten, ins Licht zu stellen. — Einige Enttäuschung bereiteten 1889 Kabbadias Ausgrabungen in Lyko- sura, indem, wie schon oben (S. 241) bemerkt ward, der messe- nische Künstler Damophon, den man geglaubt hatte für einen Zeitgenossen des Skopas und des Praxiteles halten zu dürfen,
74,2 bei dem Kennenlernen seiner Werke sich als ein wohl technisch 624125 gewandter, sonst aber nicht eben erfreulicher Künstler der Spät- zeit, etwa des 2. Jahrhunderts, entpuppte. — Im Jahre 1891 wurden dem Bette des Tiber bei Gelegenheit seiner Reinigung 38, 8 zahllose Bruchstücke abgewonnen, aus denen sich der »Thermen- 376 apollon« zusammensetzen ließ, ein Werk von noch leise alter- tümlichem Anflug, aber so wunderbarem Reiz, daß Eugen Petersens Zurückführung auf den jugendlichen Phidias vielfache Zustim- mung gefunden hat. — Weiter haben die Ausgrabungen zu Ephesos (S. 190) als feinstes statuarisches Ergebnis die schöne Erzstatue eines Schabers geliefert, dessen Ursprung im 4. Jahr- 471 hundert von Anfang an keinem Zweifel unterliegen konnte. Nun ist in Ephesos früher eine Statuenbasis mit dem Künstlernamen des Da dal OS, eines Enkels Polyklets, gefunden worden; andrer- seits kennt Plinius einen Schaber des Dädalos. Aus diesen Prä- missen hat Friedrich Hauser 1902 geschlossen, daß das eben die gefundene Statue sei. Das hat auch insofern große Wahrschein- lichkeit, als die Statue allem Anschein nach die peloponnesische Plastik unter attischem Einflüsse zeigt, wie das für die späteren Generationen der Polykleteer an sich wahrscheinlich ist. An- scheinend gehört auch das Hauptstück des Fundes von Anti- 472 kythera (S. 241) derselben Richtung an. — Endlich ergaben die Ausgrabungen in Pergamon im Jahre 1903 eine bärtige Herme, 371 die durch ihre Inschrift, wie es scheint, als eine Kopie von AI-
Antenor. Damophon. Dädalos. Alkamenes. Verdoppelungen 309
kamen es »Hermes vor dem Tore«, d. h. von dem Hermes Propyläos der athenischen Akropolis, bezeichnet wird. Der Kopf, schon durch andere zum Teil bessere Wiederholungen als ein angesehenes Werk bekannt, zeigt altertümlich konventionelle Formen neben einzelnen lebendigeren Zügen. Genügen letztere, die überdies in den besseren Exemplaren fehlen, um in dem Meister den tüchtigsten Schüler und Fortsetzer des Phidias, von dem wir Werke ganz verschiedener, viel flüssigerer Kunstart nachweisen können, zu erkennen? Oder werden wir nicht viel- mehr einen älteren Alkamenes, auf den eine schwache Spur der Überlieferung führt, als den Urheber annehmen, ja vielleicht gar die Frage nach dem Urheber des olympischen Westgiebels (S. 123 f.) von neuem aufrollen? Wieder einmal ein Fund, der nicht lediglich eine Bereicherung, sondern auch ein neues Pro- blem bringt
Diese Verdoppelung des Alkamenes steht nicht vereinzelt da. Bekanntlich findet sich bei den Griechen häufig in derselben Familie der gleiche Name, besonders führt der Enkel gern den Namen seines Großvaters. So ist es von vornherein nicht un- wahrscheinlich dieser Erscheinung auch bei den Künstlern zu begegnen, zumal da der Kunstbetrieb sich so oft innerhalb einer Familie von Glied auf Glied vererbte. In der Tat hören wir aus sicherer Überlieferung beispielsweise von zwei Bildhauern des Namens Polyklet, von zweien des Namens Kephisodotos, von zwei Malern Aristeides. Überall sind es Großvater und Enkel, mag auch die Verteilung der überlieferten Werke unter die beiden gleichnamigen Bewerber nicht immer leicht sein; ja bei Aristeides gilt der Streit noch immer nicht für ganz ge- schlichtet, ob der Großvater (wie ich für sicher halte) oder der Enkel der hervorragendere Meister, der berühmte »Aristeides von Theben« gewesen sei. Ein ähnlicher Zwist knüpft sich an den großen Namen Praxiteles. Daß es auch in späterer Zeit ge- ringere Bildhauer dieses Namens gegeben, stand freilich längst durch Inschriften fest; aber gewichtigen Zweifeln begegnete es, als Otto Benndorf 1871 mit einer für mich ganz überzeugenden Beweisführung dem berühmten Meister der demosthenischen Zeit
310 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
einen älteren Praxiteles des fünften Jahrhunderts an die Seite stellte. Diesen bemühte man sich bald im Übereifer auf bloße Scheingründe hin bis in die kimonische Zeit zurückzudatieren, während eine ruhigere Betrachtung ihn den phidiasschen Nach- folgern um die Zeit des peloponnesischen Krieges zuweist; der Zeit nach kann er also füglich der Vater des älteren Kephiso- dotos (S. 304) und der Großvater seines gleichnamigen großen Enkels sein. Wie so oft hat der berühmtere Name in der Über- lieferung den minder berühmten in sich aufgesogen. Ein ver- meintlicher doppelter Dädalos, ein Sikyonier (S. 308) und ein jüngerer Bithynier, schwand aus der Liste der Homonymen, seit Theod. Reinach 1897 dem letzteren seinen echten bithynischen Namen Dödalses zurückgab. Aber ebenso überraschend wie überzeugend war jüngst (1906) der Nachweis von Emil Reisch, daß der eine Kaiamis, von dem es gar nicht hatte gelingen wollen ein einigermaßen deutliches Bild zu gewinnen, zwei ganz verschiedene Künstler gleichen Namens in sich schloß: den bisher allein angenommenen Künstler der kimonischen Zeit, dem die alte Kunstgeschichte seinen Platz unter den Vollendern des Archaismus anwies, und den viel bedeutenderen, Plinius allein bekannten, aber bisher gänzlich verkannten Zeitgenossen und Mit- arbeiter eines Skopas und Praxiteles. Auch hier wie so oft hat eine glücklich gewonnene Einsicht zugleich noch weiter Licht verbreitet. Es ward schon oben (S. 146) erwähnt, wie Kaiamis Schüler Praxias und Androsthenes, die man nicht abgeneigt war einem Mißverständnisse des Pausanias zur Last zu legen, jetzt ganz von selbst ihren überlieferten Platz bei der Ausschmückung des delphischen Tempels erhielten.
Doch zurück zu der Wiedererkenntnis wichtiger Werke und ihrer Urheber! Daß auch die schon länger bekannten Werke, dem allgemeinen Zuge entsprechend, fortwährend auf ihren Ur- sprung hin befragt werden, dafür noch ein paar Beispiele. Vom ApoUon von Belvedere war bereits die Rede (S. 307). 1893 habe ich versucht einige der pergamenischen Statuen auf Epi- gonos, einen Künstler, dessen inschriftlich bezeugte Bedeutung erst die Ausgrabungen in Pergamon gelehrt haben, zurückzuführen
Kaiamis. Epigonos. Lemnische Athena 311
70 und in dem sterbenden Gallier, der wie ein Held Roland seine 677 Trompete neben sich liegen hat, den »hervorragenden« Trompeter jenes Meisters, von dem Plinius berichtet, wiederzuerkennen. In demselben Jahre hat Furtwängler die treffende Kombination über die lemnische Athena dargelegt, auf die schon oben (S. 301) hingewiesen ward. Von dieser Athena wissen wir aus alten Zeugnissen, daß sie besonders berühmt war, daß sie den Helm abgelegt hatte und daß der Umriß ihres Gesichtes, die Zartheit ihrer Wangen und ihre schöne Nase bewundert wurden. Nun hatten schon mehrere, besonders Otto Puchstein, den phidiasschen Charakter einer Statue erkannt, deren beide besten Kopien im 387 Dresdener Museum stehen; Puchstein hatte auch schon an die unbehelmte Lemnierin erinnert. Beide Statuen haben, wie es bei größeren Statuen oft der Fall ist, besonders gearbeitete und ein- gesetzte Köpfe. Bei der einen ist der Kopf entschieden der Statue fremd, bei der anderen gehören Hals und Gesicht sicher ursprünglich zur Statue, während Hinterkopf und Helm moderne Ergänzung sind. Adam Flasch erkannte mit scharfem Blick, daß die echten Teile dieses Kopfes mit einem herrlichen Kopfe in Bologna übereinstimmen, einem Werke, in dessen Bewunderung alle einig waren, dessen Bedeutung aber sehr verschieden beurteilt ward: war es ein Jüngling? eine Amazone? eine Athena? Als nun Furtwängler einen Abguß dieses wiederum zum Einlassen in eine Statue hergerichteten Kopfes in die erste Dresdener Statue, deren falscher Kopf entfernt worden war, einfügte, paßten beide Teile so genau zusammen, daß an der ursprünglichen Zusammen- gehörigkeit kein Zweifel möglich war. Damit war also für jeden Unbefangenen der Beweis erbracht, daß hier eine antike Statue phidiasscher Art wiedergewonnen war; der helmlose Kopf wies auf die Lemnierin hin, und nur der sehr scharf seitwärts ge- richtete Blick schien noch einer Erklärung bedürftig. Auch diese ward von Furtwängler gegeben, indem er aus Gemmen, in denen ja oft berühmte Statuen ganz oder teilweise nachgebildet werden, nachwies, daß die Göttin auf ihren hohen Helm blickte, den sie in der etwas emporgebogenen Rechten hielt. Ein vortreffliches, noch etwas herbes Werk des Phidias aus der Zeit vor der Par-
312 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
thenos war wiedergewonnen, und damit zugleich der einzige Kopf in wirklich würdiger Nachbildung, aus dem wir diese Seite des Meisters kennen lernen können. Endlich hat Studniczka 1902 einen »Diomedes«torso des Palastes Valentinelli in Rom, von eigentümlich gewundener Haltung, mit einem Perseuskopf ver- einigt, den Furtwängler, meines Erachtens mit Unrecht (S. 300), auf den myronischen Perseus hatte zurückführen wollen. Nun hören wir, daß auch Myrons Zeitgenosse Pythagoras einen Perseus gebildet hat Es wäre sehr schön, wenn wir hier ein Werk wiedergewonnen hätten, welches uns endlich von diesem bedeutenden Meister eine lebendigere Vorstellung zu geben ver- möchte, als sie sich bisher aus einigen Gemmen und Münzen gewinnen ließ. Einen anderen Schritt auf dieser Bahn hat jüngst (1907) Fr. von Duhn getan, indem er aus den halb verloschenen Spuren der zugehörigen Inschrift den Schluß ziehen zu dürfen 39 glaubt, daß der delphische Wagenlenker (S. 148) zu einem Vier- 363 gespanne des Pythagoras gehört habe.
Genug der Beispiele um zu zeigen, wie im letzten halben Jahrhundert durch stilistische Analyse im Verein mit neuen Ent- deckungen (sie brauchen nicht immer frisch aus der Erde ge- schöpft zu sein, sondern können auch im älteren Antikenbestande noch alltäglich gemacht werden) eine große Reihe von Künstlern erst lebendige, greifbare Gestalten geworden sind. Man empfindet diesen Gewinn besonders lebhaft, wenn man bedeutende Meister wie z. B. Euphranor vergleicht, denen noch nicht das gleiche Glück zuteil geworden ist und um deren Namen sich deshalb Hypothesen über Hypothesen lustig emporranken. Dafür sind wir aber neuerdings noch einen Schritt weiter gekommen, indem es gelungen ist bei einigen Künstlern oder Kunstwerken mit Hilfe neuer Entdeckungen verschiedene Stadien ihrer Ent- wickelung aufzuweisen.
Der erste Schritt auf dieser Bahn ward am Parthenon getan.
43 Wir wußten aus antikem Zeugnis, daß die Goldelfenbeinstatue 392/94 von Phidias im Jahre 438 aufgestellt worden ist; damals muß also der Bau im wesentlichen fertig gewesen sein. Da ferner
44 die Reliefs der Metopen nach sicheren Merkmalen nicht erst an 395
Pythagoras. Stilunterschiede der Skulpturen am Parthenon 31 3
Ort und Stelle gearbeitet, sondern die Metopen fertig versetzt worden sind, so stand deren Vollendung etwa bis zum Jahre 440 fest; sie waren mithin der älteste Teil des plastischen Schmuckes, worauf auch ihr stilistischer Charakter hinwies. Wann aber der Bau begonnen worden und ob er 438 in allen Teilen vollendet gewesen, darüber tappten wir im Dunkeln, bis Ulrich Köhler (1879) und Georg Löschcke (1881) erkannten, daß die Bruchstücke einer über mehr als 14 Baujahre sich erstreckenden Bauinschrift den Parthenon betrafen. Hiernach war 447 das Anfangsjahr des Baues, der somit bis zur »Einweihung« nur neun Jahre in An- spruch genommen hat; weiter aber ergeben die Inschriftreste, daß noch bis 432, also unmittelbar vor dem Ausbruch des großen Krieges, am Parthenon fortgearbeitet worden ist. In diese letzten fünf Jahre fallen mit ziemlicher Sicherheit die auch in der Inschrift
44/46 erwähnten Oiebelgruppen , vielleicht auch ganz oder großenteils 3991.
46/47 der berühmte Fries, von dem sich sehr wahrscheinlich machen 396/98 läßt, daß er erst an Ort und Stelle ausgeführt worden ist. Der Fries zeigt trotz sehr verschiedener ausführender Hände ziemlich durchgängig eine Stilstufe, welche über die der besten Metopen hinausgeht; die Giebelgruppen weisen bedeutende Unterschiede von unverkennbarer Herbheit bis zu höchster Vollendung, von fast akademischer Korrektheit bis zu individuellstem Lebensgefühl auf. Danach waren also die Metopen in den vierziger Jahren, der Fries etwa im Beginn der dreißiger Jahre entstanden, die Giebelgruppen vermutlich erst nach Phidias Tod oder Abgang von Athen (438, s. S. 125 f.) von seinen Schülern ausgeführt worden. Dies steht ziemlich fest; ist es aber deshalb gerechtfertigt, wie es doch all- gemein geschieht, alle gleichzeitigen Skulpturen an diesem Kanon zu messen und chronologisch zu bestimmen? Das mag von allen den Werken gelten, die dem phidiasschen Kreise nahe stehen und unter dem bestimmenden Einflüsse des Meisters und Schul- hauptes entstanden sind. Aber es hieße doch alle Erfahrung ver- leugnen, wenn man die ganze Kunst der Zeit, ja auch nur die ganze attische Kunst in diese chronologische Zwangsjacke stecken wollte. Wir machen uns nach den spärlichen Brocken brauchbarer Überlieferung leicht ein zu enges Bild von dem Reichtum und
314 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
der Mannigfaltigkeit selbständiger Strömungen in einer künstlerisch so angeregten und tätigen Zeit; wir zwängen leicht den freien Gang der Geschichte in Formeln und weisen jeglicher Einzel- entwickelung einen ordnungsgemäßen Verlauf an, wo uns ein Blick in die Wirklichkeit zeigen kann, wie viel Irrationelles in jeder Entwickelung mit unterläuft, wie sie sich keineswegs Immer, nicht einmal in der Tätigkeit des einzelnen Künstlers, in gleichmäßigem Aufsteigen vom Unvollkommneren zum Voll- kommneren abspinnt.
An ein paar einzelnen Künstlern können wir, so scheint es,
36 eine Entwickelung verfolgen. Von Anten or, der aus ionischer 325 Schulung später unter dorische Einflüsse geriet, war schon oben (S. 308) die Rede. Polyklet ward uns zuerst durch seinen
52 Doryphöros in der Gestalt bekannt, die den Alten als die kano- 430 nische Ausprägung seines Stiles galt. Da kamen in Olympia eine Anzahl von Basen mit Künstlerinschriften Polyklets zum Vorschein, die auf ihrer Oberfläche die Ansatzspuren von Erz- statuen enthielten und deren ehemalige Standweise zu erschließen gestatteten. Eine von ihnen wies die Fußspuren eines siegreichen Knaben auf, dessen Namen Kyniskos die Inschrift kundgab, in Übereinstimmung mit einer Nachricht bei Pausanias. Da sprach 1892 Maxime Colligfnon die Vermutung aus, daß dieser Kyniskos uns in einer Knabenstatue polykletischen Charakters im Britischen 429 Museum erhalten sein möchte, und Eugen Petersen bestätigte das alsbald durch die völlig gesicherte Beobachtung, daß die Füße der Londoner Statue (der linke mit ganzer Sohle auftretend, der rechte leise zurückgesetzt und nur auf dem Ballen ruhend) ganz genau auf die olympische Basis passen. Nun zeigt aber der Knabe eine anmutigere, weniger »quadrate« Bildung und Be- wegung als der Doryphöros und seine Genossen, was nicht allein in dem jugendlicheren Lebensalter, sondern auch in der Stilweise begründet ist. Man hätte also an eine fortgeschrittenere Stufe gegenüber dem Doryphöros denken können. Da war es denn überaus interessant, daß Carl Robert 1900 aus der Siegerliste eines in Ägypten neugefundenen Papyrus nachweisen konnte, daß der Sieg des Kyniskos in das Jahr 460, die Statue somit in den
stilistische Entwickelung bei Antenor, Polyklet, Skopas 315
Anfang der Künstlertätigkeit Polyklets fällt. Wir erblicken also vielmehr in ihr ein frühes, sozusagen jugendliches Stadium poly- kletischen Stils, von dem er erst allmählich zu seinen stämmigeren Normalproportionen und dem soldatischen Antreten seiner kano- nischen Jünglinge fortgeschritten ist Inzwischen hatte Furtwängler 1 893 erkannt, daß zu dem Diadumenos, der sonst ganz den poly- 432 kletischen Normalstil aufweist, ein Kopf (in Kassel) gehöre, den man nach Formen, Haarfülle, Ausdruck allgemein für attisch ge- halten hatte. Da wir nun durch Piaton wissen, daß der Künstler sich in den dreißiger Jahren eine Zeitlang in Athen aufgehalten hat, so ergab sich leicht eine spätere Periode Polyklets mit attischen Einflüssen (vgl. S. 138). Dieser Spätzeit gehört nach sicherer Kunde auch die Hera des argivischen Heräon (nach 423)
52 an, deren Kopf, mit den Münzen von Argos übereinstimmend, 433 nach vielem vergeblichen Suchen hin und her, vor kurzem (1901) Charles Waldstein in einem Kopfe des Britischen Museums glück- 434 lieh wiedergefunden zu haben scheint
Ähnlich wie mit Polyklet steht es mit Skopas (vgl. S. 306).
57 Sicher lernten wir ihn zuerst 1 880 aus den Überresten der Giebel- 434
gruppen von Tegea kennen, die, wie der ganze Tempel, in seine
Jugend (nach 395) fallen und durchaus den Eindruck pelopon-
nesischer Schulung hervorrufen; war doch auch sein Vater Aristan-
dros trotz seiner parischen Herkunft für Sparta tätig gewesen.
Als wir aber so seinen Stil hatten kennen lernen, traten andere
57 Werke wie der vatikanische Meleagros, vielleicht auch der Herakles 489
533 Lansdowne, hinzu, die im Verein mit sicheren Nachrichten, die
Skopas längere Tätigkeit in Attika bezeugen, auch bei ihm deut- liche attische Einflüsse klarstellten, obschon in den Proportionen noch polykletische Nachwirkung erkennbar bleibt Dieser »attische«
57 Skopas tritt uns beispielsweise in dem packenden »Orabrelief 57,8 vom Ilissos«, am schönsten in einem herrlichen weiblichen Kopfe 488 von der Akropolis entgegen. Nach Attika gehört auch der später palatinische Apollon von Rhamnus, den W. Amelung 1900 in 490 einer Statue zu Florenz wiedererkannt hat; des Künstlers Gewand- 491 behandlung tritt uns darin entgegen. Endlich finden wir Skopas
59 abgeklärt und seine Genossen weit überragend an seinen Reliefs 501
316 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
vom Mausoleum wieder; er zeichnet sich durch Reichtum und Kühnheit der Motive wie durch Feinheit der Durchbildung aus. Diesen Gestalten reiht sich die erst jüngst wiedergefundene rasende Mänade an (S. 306), die den Alten als besonders treffendes Beispiel 492 seiner erregten pathetischen Richtung galt
Ganz neuerdings beginnen wir auch bei Lysippos Spuren einer allmählichen Entwickelung zu erkennen. Als das normale Beispiel seines nach allen Seiten ausgeprägten Stils gilt uns der 63 seit 1849 bekannte Apoxyomenos. Wesentlich die gleichen 536 stilistischen Eigentümlichkeiten weist der sitzende Ares der ludo- 534 visischen Sammlung auf, der denn auch schon 1853 von Welcker dem lysippischen Kreise zugewiesen ward. Diese allgemein ge- teilte Ansicht geriet aber ins Schwanken, als Adam Flasch 1892 an einem besseren Exemplare des Kopfes in München deutliche Anzeichen des mittlerweile bekannt gewordenen Skopasstiles er- kannte, und man war geneigt in der Statue trotz ihrem ausge- sprochen lysippischen Gesamtcharakter einen für Halikamass be- zeugten sitzenden Ares des Skopas wiederzufinden. Aber auch dies Rätsel löste sich 1899 infolge einer ebenso scharfsinnigen wie glücklichen Entdeckung Erich Preuners. Die delphischen Ausgrabungen hatten um 1897 eine Gruppe von Marmorstatuen einer thessalischen Fürstenfamilie ergeben, darunter eine Statue des Agias mit zugehöriger poetischer Siegerinschrift (S. 148). 532 Nun konnte Preuner aus Papieren Stackeibergs nachweisen, daß dasselbe Epigramm sich einstmals auch auf einer Basis in der Heimat des Agias, Pharsalos, befunden habe, hier aber mit dem Zusatz, daß die Statue ein Werk Lysipps sei. Also war die wohlerhaltene delphische Statue die Kopie einer lysippischen, und zwar nachweislich aus seiner frühen Zeit (um 340). Sie zeigt aber neben Anzeichen des künftigen Lysippos in dem Stande und der Haltung des Körpers nicht bloß einen ziemlich schweren Oberkörper, der noch an polykletische Traditionen erinnern kann, sondern im Gesicht entschiedene Züge der Art des Skopas. Sollen wir deshalb mit Percy Gardner unsere ganze bisherige Anschau- ung von Lysippos aufgeben und den Apoxyomenos entthronen? Oder ist es nicht natürlicher zu schließen, daß Lysippos, der
Lysippos. Chronologie der Malerei 317
selber Polyklet und die Natur als seine Lehrmeister angegeben haben soll, in seiner Jugend auch von Skopas, dem bedeutendsten Künstler der vorhergehenden Generation, gelernt hat? allerdings um alle diese Einflüsse später zugunsten einer ganz neuen Stel- lung zur Natur fallen zu lassen. Von dieser Betrachtungsweise fällt auch Licht auf andere Werke, die ein ähnliches Übergangs- stadium verraten, wie den Herakles der Sammlung Lansdowne. 533 Man kann doch auch unmöglich einem Künstler, dem man nicht weniger als 1500 Statuen zuschrieb, ein Verharren auf einem einzigen Standpunkte zumuten, am wenigsten einem so großen Meister wie Lysippos.
Die angeführten Beispiele fortschreitender Erkenntnis, sämtlich den letzten Jahrzehnten entnommen, berechtigen zu der Hoffnung, daß bei fortgesetzten Funden und Beobachtungen auch die Ge- schichte der Entwlckelung der einzelnen Künstler immer mehr inneres Leben gewinnen wird — eine aussichtsvolle Aufgabe für das neue Jahrhundert!
Es versteht sich von selbst, daß ähnliche Bestrebungen sich auch der Malerei angenommen haben. Sie konnten füglich nur bei der attischen Vasenmalerei ansetzen, der einzigen im Zusammen- hang erhaltenen Reihe griechischer Malereien. Hier stand die chrono- logische Abfolge, schwarzfigurig rotfigurig, im allgemeinen von vornherein fest (S. 63 f.), und wenn man auch durch einzelne Funde auf der Akropolis schon früh gelernt hatte, daß schon vor der persischen Eroberung (480) Vasen mit roten Figuren bemalt worden waren (S. 65), so datierte man doch in der Hauptsache diese Klasse von Kimon an bis durch das ganze 4. Jahrhundert, wobei im Anschluß an eine Bezeichnung Winckel- manns ein »strenger« und ein »schöner« Stil unterschieden und auch chronologisch geschieden wurden. Auf die Namen der Vasenfabrikanten (|7coCy](7sv) und der Vasenmaler (sypa^jjsv) ward nicht allzuviel Gewicht gelegt; ich erinnere mich in den sechziger Jahren bei Fachgenossen Kopfschütteln erregt zu haben, als ich in kunstgeschichtlichen Vorlesungen den bedeutendsten oder
318 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
charakteristischsten Vasenmalem ihren Platz in der Kunstentwicke- lung einräumte.
Da erschien 1879 Kleins »Euphronios«. Hier wurden durch eingehende stilistische und gegenständliche Prüfung ihrer Werke eine Anzahl von Vasenmalern als künstlerische Individualitäten nachgewiesen, ihre Persönlichkeiten und ihre Arbeiten miteinander in Zusammenhang gebracht, eine Einzelentwickelung in diesem Kunstzweige aufgezeigt. Es war der erste helle Blick in den athenischen Kerameikos mit seinen großen Töpferwerkstätten, mit seinem Kultus schöner Knaben und Jünglinge, mit seinem zum Teil recht ausgelassenen Leben, wo Wein Weib und Gesang herrschten, mit dem Brotneide der Töpfer, von dem schon Hesiodos gesungen hat. Euthymides, ein etwas rückständiger, wenn auch strebsamer Maler, rühmt sich auf einem Gefäße diesmal so schön gemalt zu haben, wie es Euphronios niemals gelungen sei; auf einem anderen ruft er sich selbst ein »Bravo« zu; auf einem dritten trinkt eine Hetäre ihm zu. Man sieht, daß es an Reklame nicht
88/89 fehlte. Klein unterschied zwei Stufen, den älteren »Kreis des Epiktetos«, der den Übergang vom schwarzfigurigen zum rot- figurigen Stil machte, und einen jüngeren Kreis, der sich im Gegensatze zu altmodischeren Meistern wie Euthymides haupt-
88,89 sächlich um Euphronios scharte, bei dem acht erhaltene Werke 332/33 den Nachweis einer allmählichen Entwickelung zu gestatten schienen. Unter seinen Schülern und Nachfolgern ragten Brygos, 89 Hieron, Duris hervor. Diese Emanzipation der athenischen Ton- 334 maierei setzte Klein der üblichen Datierung gemäß in die kimo- nische Zeit.
Nun kam in den achtziger Jahren die Aufräumung der atheni- schen Burg (S. 234 ff.), und aus dem »Perserschutt«, das heißt also aus den der Perserzerstörung von 480 vorhergehenden Schichten, traten Scherben von Vasen des Euphronios, des Hieron usw. ans Licht; ja eine Marmorbasis nannte den »Töpfer Euphronios« als Stifter eines Weihgeschenkes, das er anscheinend als Zehnten seiner Einnahme dargebracht hatte. Es war also nötig, nicht bloß mit Euphronios, sondern auch mit dem wohl etwas jüngeren Hieron bis über die Perserzeit hinaufzurücken; ja wenn man die noch weiter
Stellung der Malerei in der griechischen Kunst 319
zurückliegenden Vorstufen in Betracht zog, blieb nichts übrig als die Anfänge dieser Bewegung noch in die Zeit des Tyrannen Hippias, also vor 510, zurückzuverlegen. So ward es auch ver- ständlich, daß die Namen der von den Malern um ihrer Schönheit willen gepriesenen Jünglinge so viele Anklänge an bekannte Per- sonen aus dem Kreise der Tyrannen darboten. Es entstand also eine bedeutende Rückwärtsbewegung in der ganzen Chronologie der Malerei, um etwa ein halbes Jahrhundert!
Das war nun nicht etwa bloß eine Erkenntnis wie so viele, durch die ein beliebiges Datum etwas verrückt wird, ohne daß dieser Stein weitere Wellenkreise zöge. Die ersten Jahrzehnte der rotfigurigen Malerei bedeuten vielmehr nicht mehr und nicht minder als eine vollständige Emanzipation des attischen Kunst- geistes, seine Befreiung aus der Gebundenheit der archaischen Kunst in Zeichnung, Gegenständen und Komposition. Da uns nun dieselben Ausgrabungen auf der Akropolis auch die attische Plastik dieser Zeit genauer kennen lehrten (S. 236 ff.), so ergab eine Vergleichung, daß zwar auch in der Plastik etwas von dem gleichen Geiste sich spüren ließ, aber der neue Aufschwung sich doch viel freier und stärker in der Vasenmalerei regte. In der Vasenmalerei, das heißt im malerischen Kunsthandwerk; in wie viel höherem Grade wird das also in der für uns völlig ver- lorenen großen Malerei dieser Übergangszeit der Fall gewesen sein! Hier ließ es sich mit Händen greifen, daß die griechische Malerei der Plastik vorangegangen war — eine Wahrheit, die ich schon 1884 vor der Aufräumung der Akropolis, damals ziem- lich tauben Ohren, gepredigt habe. Oder war das etwa eine vereinzelte, also zufällige Erscheinung? Von Phidias hatte man schon seit Welckers Zeit (1838) immer lebhafter die Überzeugung gewonnen, daß er sehr stark von dem etwas älteren Maler Polygnot beeinflußt worden war. Ferner erlebte um die Zeit des pelo- ponnesischen Krieges die griechische Malerei durch den Über- gang von der Freskotechnik und der historischen Wandkompo- sition zur Temperamalerei mit Schatten und Licht und zu dem von der Architektur gelösten Staffeleibilde eine so durchgreifende Revolution, daß die schwerfälligere Plastik nur langsam folgen
320 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
konnte. Daß vollends in der hellenistischen Periode alles von malerischen Gesichtspunkten beherrscht ward und auch die Skulptur anh'ng malerisch zu werden, ist nie bezweifelt worden, seit man sich überhaupt um die hellenistische Kunst gekümmert hat. Da endlich auch in den ältesten Zeiten die viel leichter zu hand- habende Malerei sich nachweislich rascher entwickelt hat als die mehr an den Stoff und an eine mühsamere Technik gefesselte Skulptur, so ergab sich von selbst die Einsicht, daß durch die ganze griechische Kunstgeschichte hindurch nicht die uns so viel geläufigere Plastik, sondern die Malerei die führende Kunst gewesen ist. Wie wird also das Bild der griechischen Kunst verzerrt, wenn man, wie es doch so oft geschieht, die Plastik nicht bloß von der Architektur sondern auch von der wegweisenden Malerei trennt und isoliert behandelt!
Die Zurückdatierung der älteren, »strengen« Malerei in die Zeit vor den Perserkriegen zog selbstverständlich noch weitere Folgen nach sich. Auch die weiteren Entwickelungsstufen der Vasenmalerei mußten die Rückwärtsbewegung mitmachen. Unter ihnen schied Carl Robert 1882 eine besondere Klasse aus, meist 90 größere figurenreiche Kompositionen, die sich über bewegtes 381/82 Terrain mit auf- und absteigendem Grunde hinzogen; die Be- wegungen ebenso wie die Gesichtszüge der einzelnen Figuren strebten nach scharfer Charakteristik. Dies sind nun grade einzelne der Züge, die an den Gemälden Polygnots hervorgehoben werden. Somit fand Roberts Vermutung, daß jene Vasenbilder auf poly- gnotische Anregungen zurückgingen, fast ungeteilten Beifall; wie sie denn Robert als Anhalt dienten verloren gegangene Kom- positionen Polygnots, von denen wir nur mehr oder weniger aus- führliche Beschreibungen besitzen, bildlich wiederherzustellen, gleichsam um die Probe aufs Exempel zu machen. Polygnot war in Athen zur Zeit Kimons und in den Anfängen des Perikles tätig; somit war für das von seiner Weise abhängige Kunsthandwerk die Zeit gegen die Mitte des 5. Jahrhunderts gegeben. Wenn dann aber die nächste Entwickelungsstufe der Vasenmalerei unver- 427 kennbar den ruhig vornehmen Charakter der phidiasschen Kunst- weise trägt, so ist das vielleicht weniger, wie Franz Winter 1885
Polygnotische und jüngere Vasen 321
anzunehmen geneigt war, dem direkten Einfluß des Phidias zuzu- schreiben, als einer für uns nicht mehr sicher nachweislichen Stufe der großen Malerei, die sowohl auf die Skulptur wie auf das malerische Handwerk gewirkt hat. So wenigstens erklärt es sich am einfachsten, wenn beispielsweise zwei Metopen des Parthenon und ein feiner Krug dieser Periode die gleiche Komposition wiedergeben (Helena wie sie mit Aphrodites und Eros Beistand bei dem Bilde Athenas Schutz vor Menelaos Verfolgung sucht), die Vase aber eine Figur, Aphrodites Gefährtin Peitho, aus der Originalkomposition beibehalten hat, während in der Metope an ihrer Stelle ein gleichgültiger Begleiter des Menelaos auftritt.
Auch die neue Tafelmalerei (S. 319 f.), deren Anfänge noch in die perikleische Zeit fallen, ruft bei den Vasenmalern Versuche
91 hervor, es ihr in feinen farbigen Kompositionen auf weißem Grunde 423 gleichzutun oder durch Heranziehen anderer Farben mehr Ab- 465 wechselung in die Darstellung zu bringen. Dieser Versuch mußte freilich an den der Tonmalerei von selbst gesteckten Grenzen scheitern. Überdies ist es immer deutlicher geworden, wie das Scheitern des Zuges gegen Syrakus (413) die blühende Ausfuhr attischer Tonware nach Italien, die nach einer wahrscheinlichen Vermutung Furtwänglers durch die perikleische Kolonie Thurioi vermittelt worden war, zerstörte und damit dem athenischen Töpferquartiere sein bestes Absatzgebiet entzog. So trat denn anscheinend Tarent das Erbe Athens an und setzte die attische Tendenz auf mehrfarbige Malerei, wie sie beispielsweise eine schöne Vase des Britischen Museums mit dem Abenteuer von
91,6 Peleus und Thetis aufweist, in etwas steifen und bunten Kom-
92 Positionen fort, recht um nach horazischem Ausdruck den Unter- 524125 schied zwischen attischem Geld und apulisch-lucanischen Rechen- pfennigen zu zeigen.
So haben also auch auf diesem Gebiete neue Funde und schärfere Methode zu einer bedeutenden Verschiebung in der Geschichte der Malerei geführt.
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 21
322 XL Entdeckungen und Wissenschaft
In der Baukunst kann es sich nicht so sehr um stilistische Analyse handeln, als um schärfere Beobachtung und genaue Kenntnis der antiken Architektur, auch nach ihrer technischen Seite. So ist z. B. beobachtet worden, in welchen Zeiten in Athen der Akropoliskalkstein dem Porös vom Piräeus, dieser einer Breccia aus der Nähe Athens Platz gemacht hat (ebenso wie in der Skulptur Porös, hymettischer, parischer, pentelischer Marmor aufeinander gefolgt sind), woraus dann chronologische Schlüsse für erhaltene Bauten gezogen werden können. Selbst so neben- sächlich erscheinende Dinge wie die Form der Klammern, durch die die Quadern eines Baues miteinander verbunden werden, sind einem Wechsel der Zeiten unterworfen. Es läßt sich z. B. mit Hilfe der Klammerformen nachweisen, daß ein von Semper und anderen für hochaltertümlich gehaltener Bau auf Korfu (Kardäki, Cadacchio) erst der hellenistischen Zeit angehört. Aber das sind nur Hilfsmittel des Studiums; es wird sich lohnen an ein paar Beispielen zu zeigen, daß auch für wichtigere Fragen neue Funde neue Wege gewiesen haben.
An den Ruinen von Troja und Tiryns hatte Dörpfeld die Beobachtung gemacht, daß die Mauern der Häuser nur zunächst is» über dem Boden aus Steinen, weiter aber aus Luftziegeln (un- gebrannten, bloß an der Luft getrockneten Lehmziegeln) bestanden hatten, denen, wie noch heutzutage in Griechenland, behufs größerer Festigkeit hölzerne Balken der Länge und der Quere nach ein- gefügt worden waren. Dieselbe Bauweise mußte auch für das alte olympische Heräon angenommen werden (S. 123). Hier war 25* über dem Fundament lediglich die unterste Schicht steinerner Quadern (Orthostaten) erhalten, während die ganze Mauer sich unter der Einwirkung der Regengüsse in einen Lehmbrei ver- wandelt und alles bedeckt hatte. Offenbar hatte die Quaderschicht die Erdnässe von der Lehmmauer abhalten sollen, die im übrigen durch einen Mörtelbewurf und durch weiten Dachvorsprung vor der Witterung geschützt war. An den vorspringenden Wandenden (Anten) traten noch die Spuren aufrechter hölzerner Balken her- vor, die das Ende der Lehmwand befestigen sollten. Nun wußten wir aus Pausanias, daß noch im 2. Jahrhundert nach Christus
Bautechnisches. Dorische und ägäische Bauweise 323
im Opisthodom des Heräon eine der beiden Säulen von Holz gewesen war; der Schluß lag also nicht fem, daß einst alle Säulen des Tempels hölzern gewesen seien, wie die Säulen bei Homer und die Säulen der »mykenischen« Bauten. Dieser Schluß fand iss eine Bestätigung in der Beobachtung, daß die erhaltenen steinernen Säulen der Ringhalle die allerverschiedensten Verhältnisse und 260 Kapitelle aufwiesen, von den schwerfälligen, gedrungenen Formen 261 des sechsten bis zu den schlanken, trockenen des vierten oder dritten Jahrhunderts. Sie waren also ganz allmählich an die Stelle älterer — offenbar der hölzernen — Säulen getreten, im ganzen am frühesten an den Wetterseiten, dabei aber doch so durcheinander, daß nicht selten eine ganz alte und eine ganz junge Säule un- 260 mittelbar nebeneinander standen; ein schlagender Beweis, daß der Ersatz nicht abschnittweise, sondern je nach dem Bedürfnis im einzelnen Fall erfolgt war. Weiter hat sich von dem ganzen Gebälk des Tempels kein einziger Rest gefunden: wiederum ein deutliches Anzeichen, daß es bis zum Schluß lediglich aus Holz bestanden hatte und so zugrunde gegangen war. Nur vom Dach 11 waren Ziegel und ein kolossaler Firstschmuck in gebranntem und 262163 bemaltem Ton erhalten; ob sie zu dem ursprünglichen Bau oder zu einem Umbau gehört haben, wo das schräge Ziegeldach an die Stelle einer graden Balkendecke mit Lehmbewurf getreten wäre, das hängt von dem Alter des Tempels ab: eine Frage, deren Erörterung hier zu weit führen würde.
Diese Darlegung Dörpfelds (1884) ließ ein klärendes Licht auf die Zusammenhänge zwischen dem dorischen Tempel und der Bauweise der ägäischen Zeit fallen. Besonderheiten des
12,3 Steintempels, wie die an sich unmotivierte doppelte Höhe der 257 untersten Quaderschicht gegenüber den oberen Wandquadern,
1,3.7 wie die leicht vorspringende Pfeilerform der Anten, entpuppten 219 f.
sich jetzt als stehengebliebene Überreste des alten Lehm- und
Holzbaues. Die Säulen hatten allerdings beim Übergang vom
Holz- zum Steinbau einen vollständigen Wechsel durchmachen
0 müssen: die Verjüngung der Holzsäule nach unten (wie bei einem i85
modernen Tisch- oder Stuhlbein) hatte bei der Steinsäule einer 10 Verjüngung nach oben Platz gemacht. Aber im Kapitell ließ 223
21*
324 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
sich doch noch ein Zusammenhang finden: der gelegentlich
g,7 ornamentierte Wulst des ägäischen Kapitells hatte sich in den ge- iss schwungenen Echinos des dorischen verwandelt, und die darunter 225
10,6 befindliche Kehle war wenigstens in den beiden ältesten Tempeln 252 von Pästum noch in Gestalt einer blattgeschmückten Einziehung unter dem Echinos erhalten. Der Zusammenhang dieser beiden Formen ward vollends klar, als Puchstein 1899 darauf hinwies, daß Poseidonia- Pästum eine achäische Gründung war und das einzige Beispiel dieser Kapitellform in Griechenland sich auf der
10,5 alten achäischen Burg von Tiryns findet; offenbar handelt es sich also um eine achäische Tradition aus der alten Heroenzeii
Dörpfelds Kombination über das Heräon hat nicht überall Beifall gefunden, scheint mir aber dennoch in der Hauptsache gegenüber den erhobenen Einwänden das Feld zu behaupten. Allgemeiner Zustimmung hat sich Dörpfelds Untersuchung über 15 den ursprünglichen Plan der Propyläen auf der Akropolis zu 408 erfreuen. Nachdem der mittelalterliche Turm 1876 gefallen (S. 233) und dadurch wichtige Aufschlüsse über den südlichen Flügel des Torbaues gewonnen worden waren, hatte Richard Bohn 1879/80 den ganzen Bau neu aufgenommen, ohne daß doch über alle Punkte volle Klarheit geschaffen worden wäre. Die Anlage des südlichen Flügels mit einer gegen Westen aus der Flucht vor- springenden Säule und die Dachgestaltung der beiden Flügel blieb unklar; auf der Burgseite sind ferner an den Außenwänden des vorspringenden Mittelbaues, die durch eine Menge stehengelassener
15,4 Versatzbossen als unfertig bezeichnet werden, gewisse Anzeichen (Löcher und vorspringende Blöcke) vorhanden, die in dem übrigen Bau keine Erklärung finden. Durch scharfe Unter- suchung und Kombination aller vorhandenen Anhaltspunkte, wie sie nur einem geschulten Architekten möglich war, gelangte Dörpfeld 1885 zu der Einsicht, daß Mnesikles den Propyläenbau viel größer geplant hatte, daß dann aber dazwischen getretene Hindemisse eine Verstümmelung des Baues herbeiführten. Der Torbau sollte ursprünglich die ganze Westseite der Burg, beider- seits bis an den Rand des steilen Felsens, absperren. Auf der Innenseite sollten zwei große zweischiffige Hallen den Mittelbau
Geschichte des Propyläenbaues 325
flankieren. Im Norden war die Halle auch ganz oder teilweise ausgeführt worden, im Süden dagegen war es nicht dazu ge- kommen, ohne Zweifel weil hier das Heiligtum der brauronischen Artemis im Wege stand; es hätte sich eine starke Verkleinerung gefallen lassen müssen. Ähnlich stand es auf der Außenseite. Der Nordflügel konnte plangemäß ausgeführt werden, wie er noch heute kühn über seinem hohen Unterbau thront; im Süden be-
16 fand sich dagegen auf der vorspringenden Bastion ein Heiligtum 410 der Athena Nike, der man etwa zwanzig Jahre früher beschlossen hatte hier einen Tempel und einen marmornen Altar zu errichten. Wurde der Plan des Mnesikles ausgeführt, so ward auch hier der so schon beschränkte Bezirk der siegspendenden Stadtgöttin dermaßen eingeengt, daß der beschlossene Tempelbau sich nicht hätte durchführen lassen. Also mußte Mnesikles auch hier seinen großartigen Plan beschneiden. Statt einer die ganze Breite der Bastion einnehmenden Halle, deren Südflügel dem Nordflügel entsprochen, aber in freier Säulenstellung sich gegen das Nike- heiligtum geöffnet hätte, mußte er sich begnügen einen Notbau zu errichten, der nach Norden, gegen den Aufgang hin, freilich gleich lang wie die gegenüberliegende Fassade des Nordflügels war, gegen Westen aber, um dem Altar und dem Tempel Platz zu lassen, so weit zurückweichen mußte, daß ein verkrüppelter Bau» entstand. Das war augenscheinlich keine Lösung, sondern ein leicht erkennbarer Notbehelf, der überdies zu einer unbe- quemen Gestaltung des Walmdaches (ihre deutlichen Spuren er- kannte Dörpfeld) nötigte. Es ist begreiflich, daß der Baumeister auf bessere Zeiten hoffte um einmal seinen ganzen Plan auszu- führen und wenigstens die Fundamente vollendete. Aber statt dessen brach der peloponnesische Krieg aus; der Bau ward ab- gebrochen, ohne daß auch nur jene Versatzbossen entfernt worden wären, ohne daß die Wände und der Fußboden ihre letzte Be- arbeitung erhalten hätten. Nach dem Kriege aber hatte Athen andere Sorgen. Im Süden blieb neben dem gestutzten Marmorbau
15 des Mnesikles ein Rest der alten pelasgischen Mauer als Grenze 388 zwischen der brauronischen Artemis und Athena Nike, als Ab- sperrung des Burgplateaus bestehen; so konnte es im Mittelalter
326 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
als erwünschte Lücke den Weg zur Burg aufnehmen, auf dem die fränkischen Herren Athens und ihre türkischen Nachfolger die Burg betraten. Die Nordhalle im Innern der Burg aber, so weit sie etwa fertig geworden sein mag, ward niedergerissen, um später dem Kanzleigebäude der fränkischen Herzöge, denen die Propyläen als Schloß dienten, Platz zu machen.
So greift Dörpfelds schöne Ermittelung unmittelbar in die Geschichte Athens ein und macht uns Vorgänge, die wir sonst nur in großen Zügen aus den Berichten der Historiker kennen, im einzelnen lebendig. Ähnliche Aufschlüsse verdanken wir Dörpfeld für den Parthenon und die verschiedenen Stadien seiner Vorge- schichte. Wenn er neuerdings auch die starken baulichen Absonder- lichkeiten des Erechtheion aus einem ursprünglich umfassenderen, später um fast die Hälfte gekürzten Bauplan zu erklären unter- nommen hat, so wäre es voreilig seine Zweifel auszusprechen, ehe eine vollständige Vorlage der Akten erfolgt ist.
Den beiden griechischen Beispielen mögen sich zwei römische 30 anschließen. Bis vor kurzem galt das Pantheon in Rom als 839 f. das Musterwerk augusteischer Baukunst. Steht doch die Inschrift des Erbauers Marcus Agrippa noch heute groß und breit über den Säulen der Vorhalle. Aber es blieben doch Bedenken be- stehen. Im Pantheon Agrippas hatten die Säulen im Inneren Kapitelle von syrakusischem Erz gehabt und marmorne Karyatiden von dem athenischen Bildhauer Diogenes getragen — von beiden erscheint keine Spur, und der Versuch ihr Verschwinden durch einen teilweisen Umbau zu erklären ist durch technische Unter- suchungen widerlegt worden. Ferner berichten uns sichere Zeug- nisse, daß Agrippas Bau zweimal durch Brand zerstört worden ist, das erstemal bei einer großen Feuersbrunst unter Titus im Jahre 80, sodann im Jahre 1 1 0 unter Trajan durch den Blitz — wie konnte ein Gebäude verbrennen, das nur aus Ziegeln, Marmor und Metall bestand? Ja wie konnte es, wenn man nämlich die Ausdrücke »verbrannt« oder »vernichtet« nicht ganz wörtlich nehmen wollte, auch nur durch Brand schwer beschädigt werden? Man verweilte nicht bei diesen Bedenken, sondern begnügte sich mit der ebenfalls erhaltenen Kunde, daß zuerst Domitian,
Geschichte des Propyläenbaues. Das Pantheon hadrianisch 327
dann Hadrian das Pantheon restauriert habe; da waren also wohl die vorgefallenen Schäden ausgebessert worden, und was da noch nicht befriedigend hergestellt war, dafür hatten spätere — ebenfalls bezeugte — Restaurationen unter Antoninus Pius und unter Septimius Severus gesorgt. So waren die Zweifel beschwichtigt: die noch erhaltene Rotonda galt nach wie vor als augusteischer Bau.
Allein 1885 machte Heinrich Dressel darauf aufmerksam, daß man an verschiedenen Stellen des Rundbaues und der Vor- halle nach römischer Weise gestempelte Ziegel bemerken könne, die in die Zeit Trajans und Hadrians, sämtlich vor 126, gehörten (Ziegelstempel aus jener Zeit enthalten nämlich meistens bestimmte Daten oder allgemeine chronologische Merkmale). Die gleiche Beobachtung war schon im 18. Jahrhundert gemacht worden. Dressel schloß daraus, daß in hadrianischer Zeit der Rundbau verstärkt oder neu umkleidet worden sei, eine Annahme, die durch die anderweitig bekannte Innenkonstruktion der Mauer nicht grade empfohlen ward und das Vorkommen jener Stempel in der Vorhalle unerklärt ließ. In der Tat erwiesen genaue tech- nische Untersuchungen, die fast zu gleicher Zeit von zwei Archi- tekten, 1890 dem Österreicher Josef Dell und 1891/92 dem Franzosen Louis Chedanne, angestellt wurden, zwei Tatsachen: erstens daß der ganze Bau, Mauer und Kuppel, aus einem Gusse war und ein klug ersonnenes System von Pfeilern, Gurten und Entlastungsbögen durchgeführt zeigte; zweitens daß die hadriani- schen Ziegel in allen Teilen des Baues wiederkehren. Danach war also an dem hadrianischen Ursprung des erhaltenen Pantheon in seinem ganzen Kerne kein Zweifel mehr möglich — eine Tatsache von außerordentlicher Wichtigkeit für die Geschichte der römischen Baukunst. Was die augusteische Zeit an Glanz verlor, das wuchs der hadrianischen zu; die ganze Geschichte des Kuppelgewölbes mußte neu angegriffen werden. Die Inschrift Agrippas auf der Vorhalle entsprach der Sitte Hadrians, bei restau- rierten Gebäuden dem ursprünglichen Erbauer die alleinige Ehre zu lassen. Da es aber dem Schriftcharakter zufolge noch die ursprüngliche Inschrift war, die Hadrian wieder anbrachte, so war
328 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
damit ein leiser Anhalt gegeben für die Form des Pantheons Agrippas: es hatte eine gradlinige Fassade. Wie aber sah es sonst aus? Hatte es die gewöhnliche oblonge Form der Tempel? Oder war es ein Rundbau wie der hadrianische, nur nicht mit einer Kuppel, sondern mit einem hölzernen, also verbrennbaren Zeltdache bedeckt? Die Untersuchungen Chedannes und einer italienischen Kommission unter der Leitung L. Beltramis (1892/93) haben leider kein ganz sicheres Ergebnis geliefert, doch scheint es, als ob auch Agrippas Pantheon bereits die runde Form ge- habt habe.
Hat die augusteische Zeit auf das Pantheon verzichten müssen, so hat sie dafür die Ära Pacis gewonnen (S. 249). Es ist gar wenig was wir aus alten Zeugnissen über diesen Altar der au- gustischen Friedensgöttin erfahren. Die Literatur schweigt ganz davon, Augustus selbst aber erzählt in seinem inschriftlich er- haltenen Regierungsbericht (S. 101), daß der Senat im Jahre 13 vor Christo beschlossen habe zum Dank für seine glückliche Rückkehr nach langer Abwesenheit diesen Altar zu errichten und ein Jahresopfer einzusetzen. Weitere Inschriften ergeben, daß der Altar am 4. Juli 13 gegründet und am 30. Januar 9 einge- weiht ward. Als Friedrich von Duhn 1879, von spärlichen Winken älterer Gelehrter abgesehen, zuerst die zersprengten großen Relief- 80 platten des verschollenen Denkmals im Bilde zusammenstellte, 798 glaubte er ein Monument von ungewöhnlicher Größe annehmen zu müssen, von dem ein großer Teil des Bildschmuckes verloren gegangen sei. Zu anderen Ergebnissen kam fünfzehn Jahre später Eugen Petersen, indem er die noch erhaltenen, aber bisher nicht beachteten Architekturreste des Altars heranzog, zusammen mit dem Architekten Viktor Rauscher prüfte und daraus schloß, daß das Denkmal weit geringere Ausdehnung gehabt habe. Der Altarhof war danach einst mit einer marmornen Mauer von etwa 6 Meter Höhe umgeben; die Länge und Breite dieses Geheges ward auf 10,16 Meter berechnet. Im Innern bestand der Schmuck 794 der Wand hauptsächlich aus fein gearbeiteten Kranzgehängen, 797 80 außen aus einem Sockel ebenso schönen Rankenwerkes und darüber 796 80 einem 1^/^ Meter hohen Friese, in dem sich von einem symboli- 795
Ära Pacis 329
sehen Mittelpunkt au! der Rückseite aus die kaiserliche Familie und der Senat in feierlicher Grandezza an Heiligtümern vorbei zum Eingang bewegte um hier dem Opfer am Altare der Friedens- göttin beizuwohnen. Das ganze Denkmal, wie Petersen es 1902 restauriert vorlegte, war würdig den neuen Mittelpunkt der augustei- schen Kunstgeschichte zu bilden.
Alle Bruchstücke, die teils im Cinquecento teils 1859 zum Vorschein gekommen waren, stammten aus einem einzigen Fund- orte: sie waren unter dem Palazzo Fiano am Corso aus der Tiefe des Bodens hervorgezogen worden. Das stolze Denkmal, dessen Überreste 1903 anläßlich des historischen Kongresses in Rom von A. Pasqui im Abguß zum Ganzen zusammengefügt wurden, schien wichtig genug um eine Nachgrabung an Ort und Stelle zu lohnen. Die italienische Regierung nahm sie im Winter 1903/4 unter Pasquis Leitung und Petersens Mitwirkung in Angriff. Man mußte 6 Meter unter die jetzige Straßenhöhe und unter die Grundmauern der umgebenden Gebäude hinab graben, um im Dunkel der Schachte und im tiefen Grundwasser die Reste des Altargeheges aufzuspüren. Sie fanden sich aber, und di§ Seiten- länge der Mauer stimmte bis auf den Zentimeter mit Petersens Berechnungen überein! Die Eingangsseite dagegen war um etwa 1,20 Meter breiter, aber nur weil die Tür, wohl um den Opfer- tieren und dem Zuge bequemeren Durchgang zu gewähren, um ebensoviel breiter sich herausstellte: ganz ungewöhnliche Verhält- nisse, die man ebensowenig hatte voraussehen können, als daß dem vorderen Eingang eine gleiche Öffnung an der Rückseite entsprach. Mußten nun auch hiernach einzelne Teile von Peter- sens Anordnung einer Änderung unterzogen werden, im ganzen 794/95 bot doch seine Wiederherstellung des gesamten Denkmals einen glänzenden Beleg dafür, mit welchem Grade von Sicherheit vor- sichtige, methodische und scharfsinnige Kritik ins Schwarze treffen kann. Das Ergebnis aber war ein neues und wichtiges Blatt der Kunstgeschichte.
330 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
Die vorgeführten Beispiele werden dem Leser einen Blick in den wissenschaftlichen Betrieb der Archäologie gewährt haben. Wie die Wissenschaft durch neue Gesichtspunkte und Methoden auf die Ausgrabungen, so haben diese auf die Förderung der Wissenschaft mächtig eingewirkt und einen völligen Wandel der Richtung bewirkt. Nicht sie allein; wie wir sahen, haben auch andere Faktoren ihren Anteil daran. Selbst die an zweite Stelle gedrängte Philologie hört nicht auf sich der Archäologie hilfreich zu erweisen. Vor allen Dingen die Epigraphik: was wüßten wir von der Ära Pacis ohne die Inschriften? Nichts, wir würden den Überresten ziemlich ratlos gegenüberstehen. Ob Boethos, der
76 Schöpfer des »Gänsejungen«, wie die Handschriften des Pausanias 634 wollen, aus Karchedon (Karthago) stammte, ob sein Name etwa, wie Schubart nicht unwahrscheinlich fand, nur eine griechische Übersetzung eines punischen Esra oder auch Bonith war, oder ob er, wie Otfried Müller vermutete, aus Kalchedon (Chalkedon) gebürtig war, darüber würden die Philologen vielleicht noch heute mit den Archäologen streiten, hätte nicht eine kürzlich in Rhodos gefundene Inschrift für Müller entschieden und zugleich dem Künstler seine Zeit innerhalb der hellenistischen Periode, im Anfange des 2. Jahrhunderts, angewiesen (S. 194). Welche erbitterten Kämpfe sind seit Winckelmann und Lessing über die
VI Entstehungszeit der Laokoonsgruppe geführt, welche Ströme von 694 Tinte über die einschlägige Pliniusstelle ausgegossen worden! Zuerst schwankte man zwischen dem dritten vorchristlichen und dem ersten nachchristlichen Jahrhundert Dann sollte die Gruppe jünger als der Gigantenaltar von Pergamon (etwa 180) sein, während andere beim 3. Jahrhundert stehen blieben. Dann ward auf Grund der Inschriften die Zeit um 100 v. Chr., dann nach Maßgabe rhodischer Inschriften die Mitte des 1 . Jahrhunderts an- genommen; zuletzt haben chronologisch sicher bestimmbare In- schriften die Bestätigung der letzten Ansicht gebracht und den vermeintlichen Gipfelpunkt hellenistischer Kunst an das Ende des Griechentums versetzt (S. 194). Eine 1905 in Tenos (S. 137) gefundene Sonnenuhr hat uns die inschriftliche Belehrung ge- bracht, daß ihr Stifter Andronikos von Kyrros, den wir schon
Nutzen der Inschriften. Philologische Hilfe. Arbeitsteilung 33 1
als Stifter des sogenannten Turms der Winde in Athen kannten, kein Syrer war, wie wir bisher glaubten, sondern daß vielmehr die makedonische Stadt Kyrros seine Heimat gewesen ist. Und nicht allein die Steininschriften, die ja in der Mitte zwischen literarischen und monumentalen Zeugnissen stehen, sondern auch die neuerdings in einer eigenen Kammer der Philologie installierte >Papyrologie«, die ihre Vorräte immer neu aus dem trockenen Sand Ägyptens bezieht, erweist der Kunstgeschichte erkleckliche Dienste. Wie lange hat doch der Ansatz Polyklets geschwankt, ehe die Siegerliste eines Papyrus aus Oxyrynchos ihm seine feste Stelle neben Phidias anwies (S. 314).
Diese Hilfe und Kontrolle einer methodisch gefestigten Dis- ziplin, wie es Philologie und Epigraphik sind, erweisen sich als der Archäologie desto heilsamer und unentbehrlicher, je mehr bei der bloßen Stilbetrachtung, wie schon oben bemerkt ward (S. 298 f.), das subjektive Moment eine entscheidende Rolle spielt. Es ist noch nicht lange her, daß die moderne Umwertung aller Werte auch die Archäologie in den Fluß aller Dinge hineinzog und die antiken Statuen ihre Meister so rasch wechselten wie die Bilder unserer Galerien die ihrigen: so viel Köpfe, so viel Sinne. Es war ein notwendiges Entwickelungsstadium der entfesselten stili- stischen Analyse. Allmählich scheint größere Ruhe eingekehrt zu sein; an die Stelle des Hastens nach Neuem ist besonneneres Abwägen getreten, und auch manche »veraltete« Auffassung oder Zuteilung ist gleich dem Taucher aus dem großen Strudel wieder ans Licht emporgestiegen, während zahlreiche Eintagsgebilde im dunkeln Abgrunde hängen geblieben sind. Völlig festen Grund bietet schließlich nur ein unanfechtbares schriftliches Zeugnis.
Die Masse der uns neugeschenkten Kunstwerke hat noch eine andere minder erfreuliche Folge gehabt. Die Fülle des Stoffes läßt sich von dem einzelnen Forscher nicht mehr bis in alle Einzelheiten der Funde und der Forschung verfolgen. Wie auf allen Gebieten menschlichen Wissens und Betriebes ist auch in der Archäologie Arbeitsteilung eingetreten. Der Eine be- schränkt sich auf die Architektur oder gar nur einen Teil von ihr^ dem Anderen gilt nichts außer der Plastik; der Dritte fühlt
332 XI. Entdeckungen und Wissenschaft
sich befriedigt in den Schranken der rotfigurigen Vasenmalerei; ein Vierter glaubt die hellenistische oder die römische Kunst ignorieren zu dürfen. Gewiß ist eine Spezialisierung des Studiums nötig, um die Masse der neu auftauchenden Denkmäler und Fragen gründlich zu studieren, und nichts ist unerquicklicher als ein oberflächliches Bönhasentum, das ohne gründliche Kenntnis sich in solche Einzelfragen mischt. Aber immer sollen die Einzel- arbeiter sich bewußt bleiben, daß ihr Gebiet nur ein kleiner Aus- schnitt aus einem großen Ganzen ist; selbst die beliebten Ge- schichten der Plastik sind noch lange keine Kunstgeschichte. So nützlich, so unentbehrlich die Spezialforscher unzweifelhaft sind, doch sollte keiner das Schillersche Wort vergessen:
Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes werden, als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an.
Ein Handbuch der Archäologie, wie es Karl Otfried Müller 1830 entwerfen konnte, würde freilich heute kein Einzelner ungestraft unternehmen; vestigia terrenti Dazu bedarf es des Zusammen- wirkens vieler einzelner Forscher, aber es bedarf ebenso des Blickes aller Einzelnen auf das gemeinsame Gesamtziel, damit nicht eine Sammlung von Einzelkapiteln entstehe, sondern ein Geist durch das Ganze wehe und zum Ganzen strebe.
Und noch ein Punkt verdient Erwägung. Während in älterer Zeit die Archäologie allzusehr in Kunsterklärung aufging, hat die Fülle kunsthistorisch wichtiger Denkmäler zu einer ebenso ausschließlichen Betonung des kunstgeschichtlichen Gesichts- punktes geführt. Das ist nur die entgegengesetzte Einseitigkeit In der Philologie hat sich mehr und mehr die Einsicht Bahn ge- brochen, daß das Verständnis der Schriftwerke, wie es eben die Auslegekunst, die Hermeneutik, bewirkt, zum Allernotwendigsten gehöre und die Literaturgeschichte nur auf einer solchen Grund- lage sicher ruhe. In der Archäologie ist es nicht anders. Wir brauchen nicht gerade einfach zu der alten, wesentlich philologischen Erklärungsweise, die das Bild am Maßstabe des Wortes prüfte, zurückzukehren. Auch das Kunstwerk redet seine eigene Sprache, die es zu verstehen und in der Erklärung zur Geltung zu bringen gilt. Es gibt nicht bloß eine geschriebene, sondern auch eine
Einseitigkeiten 333
bildliche Tradition, die ihren besonderen Gesetzen folgt Aber es erscheint mir nicht richtig — mag das auch sehr unmodern klingen — im Kunstwerk nur die Form, im Bilde nur die Farbe und die Linie zu beachten, den Inhalt für mehr oder weniger gleichgültig zu erklären. Am wenigsten darf das für antike Kunstwerke gelten. Schon der Maler Nikias wies darauf hin, daß auch der Gegenstand einen erheblichen Teil der Malerei aus- mache. Die antike Kunst kennt sowenig wie das antike Leben eine absolute Herrschaft der Form. Den Athenern galt erst der für vollkommen, der mit der Schönheit die innere Tüchtigkeit verband. Nicht anders ist es mit der griechischen Kunst. Daß Lysippos an formaler Vollendung das Letzte der griechischen Kunst bezeichne, kann man zugeben; dennoch steht Phidias höher, weil er reicheren und höheren Inhalt bietet, der sich ganz mit seiner Form deckt. Die Form ist aber nur die Hülle, die sich der Inhalt schafft:
nichts ist drinnen, nichts ist draußen, denn was innen, das ist außen.
Form und Inhalt sind untrennbar und eins; erst ihr Verhältnis zueinander bestimmt den Wert des Kunstwerkes und bildet den wahren Gegenstand der Forschung.
Möchten die jungen Archäologen des neuen Jahrhunderts, denen das alte eine so reiche Erbschaft erworben und übergeben hat, diese unzeitgemäßen Betrachtungen und Mahnungen eines Veteranen nicht ganz unbeachtet lassen: unsere Wissenschaft, des bin ich gewiß, würde es ihnen danken.
CHRONOLOGISCHE ÜBERSICHT
1790 [Antiquities of Athens, Band II, 1787.]
1792 [Massi, Indicazione antiq. del Museo Pio Clemenäno.]
97 Vertrag von Tolentino: Auslieferung römischer Antiken an Frankreich.
98/01 Bonapartes Zug nach Ägypten.
99 Pompeji: Championnets Ausgrabungen.
1800/3 Athen: Elgins Arbeiten.
1801 London erhält die ägyptische Beute. „ Eröffnung des Mus^e Napoleon.
01/2 Clarke, Dodwell, Gell, Leake in Griechenland.
1802 Wilkins in Athen (Entasis).
1804 Paris: Societe des antiquaires de France. „ Miliin bereist das südliche Frankreich.
1805 London erwirbt die Sammlung Townley.
05/6 Dodwell, Gell, Leake von neuem in Griechenland.
1807 [Gell, Ithaca.]
„ [Wilkins, Antiquities of Magna Graecia.]
„ Pompeji: Arditis Ausgrabungsplan.
08/15 Pompeji: Ausgrabungen unter Königin Caroline.
1810 [Gell, Argalis.]
„ Bröndsted, Cockerell, Foster, Haller, Koes, Linckh, Stackeiberg in Athen. Cockerell untersucht die Entasis der Säulen.
1811 [Byron, Curse of Minerva.]
„ Ägina: Giebelgruppen des Tempels.
1812 Bassä: Fries.
„ Burckhardt entdeckt Petra.
„ Cockerell in Sicilien.
„ Kronprinz Ludwig von Bayern erwirbt die Ägineten für München.
12/13 Gell, Gandy, Bedford in Attika.
1814 London erwirbt den Fries von Bassä.
1815 [Visconti, Memoires sur des ouvrages de sculpture du Parthinon]
1816 Das Britische Museum erwirbt die Elgin Marbles. „ [Antiquities of Athens, Band IV.]
„ Rückgabe der Antiken aus dem Mus^e Napoleon.
„ Stackeiberg in Rom.
16/17 [Laborde, Monuments de la France.] 17/20 Ker Porter in Vorderasien.
Chronologische Übersicht 335
1818 [Quatremere, Lettres ä M. Canova.]
1819 [Dodwell, Class. and topogr. tour through Greece.]
1820 Aphrodite von Melos.
1821 Nibby erkennt die pergamenischen Galatergruppen. 21/22 Die athenische Akropolis von Voutier beschossen.
1822 Gerhard in Rom.
22/23 Harris und Angell in Selinunt.
1823 Panofka in Rom. Hyperboreisch-römische Gesellschaft. 23/24 Hittorff in Sicilien.
1824 Gerhard in Etrurien.
1826 Die athenische Akropolis von Reschid Pascha beschossen.
1827 Corneto: Wandgemälde.
„ Laborde in Syrien und Arabia Petraea.
1828 Luynes in Metapont. 28/29 Vulci: Vasenfunde.
28/30 Ägypten : italienische Expedition unter Rosellini u. Champollion.
1829 Rom: Instituto di corrispondenza archeologica. „ Olympia: französische Ausgrabungen am Zeustempel.
1830 Eroberung von Algerien begonnen. „ Berthouville bei Bernay: Silberfund.
„ Krim: Dubrux öffnet den Kul Oba bei Kertsch.
„ Eröffnung des Berliner Museums und der Münchner Glyptothek.
„ [Antiquities of Athens, Supplement]
30/32 Semper in Italien.
1831 Pompeji: Mosaik der Alexanderschlacht. „ [Gerhard, Rapporto volcente.]
1832 Thomsen scheidet Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit. 33/36 Athen: Aufräumung der Burg unter Roß.
33/37 Texier bereist Kleinasien.
1834 [Dodwell, Views of Cyclopian remains.] 34/42 [Serradifalco, Antichitä della Sicilia.]
1835 Athen: Wiederaufrichtung des Tempels der Nike Apteros. 35.37.43 Roß in Thera.
1836 Cerveteri: Grab Reguhni-Galassi.
„ Rawlinson entziffert die Inschrift von Behistan.
1837 Athen: Pennethorne entdeckt die Curvaturen am Parthenon. „ Athen: Archäologische Gesellschaft.
„ [Kramer, Styl und Herkunft der bemalten griech. Tongefäße.J
1838 Fellows bereist Kleinasien.
1839 Sophoklesstatue gefunden.
39/40 Fellows bereist wiederum Lykien.
1840 K. O. Müller in Delphi, stirbt in Athen.
40/41 Coste und Flandin bereisen Persien.
336 Chronologische Übersicht
1841 Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande,
„ Schönbom entdeckt das Heroon von Oiölbaschi.
1842 Luni: Giebelgruppe von Tonfiguren.
„ London erwirbt das Nereidendenkmal von Xanthos.
43/44 Lykien: erneute Expedition unter Fellows.
„ Roß in Rhodos (Künstlerinschriften).
„ Lebas bereist Griechenland und Kleinasien.
43/45 Ägypten: preußische Expedition unter Lepsius.
43/46 Chorsabad von Botta ausgegraben.
1844 Chiusi: Fran^oisvase.
1845 Roß in Kypros.
„ Falkener in Ephesos.
45/47 Nimrud von Layard ausgegraben.
„ Paccard in Athen.
1846 Halikamass: Reliefs nach London geschafft. „ »Apollon« von Tenea gefunden.
„ Erste Funde in Hallstatt.
„ Boucher de Perthes beginnt seine prähistorischen Veröffent- lichungen.
„ Athen: Ecole frangaise,
46/47 Penrose in Athen.
1847 Tetaz in Athen.
1848 Rom: Odysseebilder von Via Graziosa.
„ [Dennis, Cities and cemeteries of Etniria.]
1849 Rom: Lysipps Apoxyomenos.
„ Rom: De Rossi entdeckt die Calixtuskatakombe.
49/51 Kujundschik von Layard und Rassam ausgegraben.
49/52 Loftus in Babylonien.
50/80 Mariette in Ägypten.
1851 [Penrose, Investigation of the principles of Athenian architeäure.] 51/54 Oppert, Fresnel und F. Thomas in Babylonien.
51/55 Memphis: Mariette entdeckt das Serapeum.
1852 Heräon bei Argos untersucht.
„ Beginn der Ausgrabungen in Südrußland. 52/53 Athen: Beule legt den Burgaufgang frei. 52/59 Newton in der Levante.
1853 Spratt entdeckt des Smintheion. Villanova: Nekropole. Erste Höhlenfunde in Südfrankreich. Brunn erkennt Myrons Marsyas. Jahn erkennt Lysipps Kairos. Wien: Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der
Baudenkmäler.
Chronologische Übersicht 337
1853/55 Loftus und Taylor bereisen Babylonien.
53/59 [Brunn, Geschichte der griechischen Künstler.]
1854 Erste Pfahlbaufunde in der Schweiz.
„ Sardes: Spiegelthal untersucht das Alyattesgrab.
„ [Jahn, Einleitung zum Katalog der Münchner Vasensammlung.)
55/60 Pompeji: Stabianer Thermen.
56/57 Conze bereist die Inseln des thrakischen Meeres und Lesbos.
1857 Vulci: grotta Frangois.
„ Halikamass: Mausoleum von Newton aufgedeckt.
57/58 Knidos und Branchiden: Newton.
„ Rey bereist den Hauran.
1858 Athen: Odeion des Herodes Atticus. „ Lauersfort: Phalerä.
1859 Oppert untersucht Babylon.
„ Eleusinisches Relief; Athenastatuette Lenormant.
„ London erwirbt Vasen von Kameiros (Salzmann).
59/62 Athen: Attaloshalle.
1860 Renan bereist Phönicien.
„ Kyrene: Smith und Porcher.
„ {Boucher de Perthes, De V komme antediluvien.]
60/75 Pompeji: Fiorelli leitet die Ausgrabungen.
1861 Galatien und Bithynien: Perrot und Ouillaume. „ Makedonien: Heuzey und Daumet.
61/62 Delphi: Foucart und Wescher.
„ De Vogüe bereist den Hauran.
61/69 Rom: Ausgrabungen auf dem Palatin.
1862 Athen: Bötticher(Akropolis), Curtius (Pnyx) und Strack (Theater). „ Teos: Pullan entdeckt Friesplatten des Dionysostempels.
„ Samos: Humann untersucht das Heräon.
„ Alesia: Ausgrabungen auf Veranlassung Napoleons HI.
62/63 Nikopol: Grabfunde.
1863 Rom: Aug^stus von Prima Porta. „ Samothrake: Nike (Champoiseau).
„ Friederichs erkennt Polyklets Doryphoros.
„ [Kirchhoff, Studien zur Geschichte des griechischen Alphabets (chalkidische Vasen).]
1864 Luynes bereist Syrien. „ Thasos: Miller.
„ Brunn studiert das Julierdenkmal von St. Remy.
„ Erste Funde in La Tene.
1865 Cerveteri: altertümliche Vasengattung. „ Marzabotto: Nekropole.
„ Rom: kapitolinischer Tempel.
Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen. 22
338 Chronologische Übersicht
1865 Alexandrien: HeiUgtum Arsinoes.
1866 Stnintheion und Athenatempel in Priene: Pullan. 66/96 Humann in Kleinasien.
1867 Brunn erkennt Kephisodots Eirene. 67/76 Kypros: Cesnola.
1868 Schliemann bereist die homerischen Stätten. „ Hildesheim: Silberfund.
„ (Schöne, Pompeianarum quaestionum specimen.]
1869 Rom: Haus der Livia.
69/74 Ephesos: Wood entdeckt das Artemision.
1870 Athen: Gräberstraßen am Dipylon.
„ Brunn erkennt die Statuen vom attalischen Weihgeschenk. „ [Conze, Zur Geschichte der Anfänge griechischer Kunst (geometrischer Stil).] 70/74 Tanagra: Terrakottenfunde.
1871 Athen: Dipylonvasen.
„ Bologna: Friedhof an der Certosa.
„ Troja: Schliemann.
„ Curtius, Adler, Stark, Hirschfeld in Kleinasien.
„ Das Archäologische Institut wird preußische Staatsanstalt.
„ Heibig erkennt Polyklets Diadumenos.
1872 Rom: Reliefschranken auf dem Forum. „ [Michaelis, Der Parthenon.]
72/73 Rayet und A. Thomas im Mäandertal (Milet, Magnesia, Priene)»
1873 Samothrake: österreichische Ausgrabungen. „ Delos: Lebegue untersucht die Felsgrotte.
„ Mau erkennt die Stile der pompejanischen Wanddekoration. „ [Heibig, Untersuchungen über die campanische Wandmalerei
(Hellenismus).] „ [Fiorelli, Relazione degli scavi di PompeL]
1874 Mykenä: Schliemann.
„ Teos: G. Hirschfeld untersucht die Ruinen.
„ Das Archäologische Institut wird deutsche Reichsanstalt.
„ Athen: Deutsches archäologisches Institut.
74/78 Stolze in Persien.
75/80 Olympia: deutsche Ausgrabungen.
1875 Olympia: Päonios Nike.
„ Samothrake: neue österreichische Ausgrabungen.
75/76 Dodona: Monteyko und Karapanos.
„ Rom: Tempel des kapitolinischen Juppiter.
1876 Athen: Asklepieion. Südflügel der Propyläen (Turm abge-
brochen). Delos von Homolle untersucht.
Chronologische Übersicht 339
1876 La Tene: Beginn der Ausgrabungen. 77/94 Delos: französische Ausgrabungen.
77/78.80/81 Telloh: de Sarzecs Ausgrabungen.
1877 Olympia: Hermes des Praxiteles. „ Spata: »mykenische« Funde.
„ [Nissen, Pompejanische Studien.]
77/07 Camuntum: Ausgrabungen.
1878 Troja: Schliemann zum zweiten Male. „ Knosos: Kalokairinos Ausgrabungen. „ Andreas in Persepolis.
„ Rom: Haus in der Famesina. 78/86 Pergamon: preußische Ausgrabungen.
1879 Samos: Girard untersucht das Heräon.
„ Delos: fliegende Nike (des Archermos?).
„ London : Society for the promotion of Hellenic studies.
„ [Klein, Euphronios.]
79. 81 Duhn sammelt die Überbleibsel der augusteischen Ära Pacis.
1880 Flinders Petrie beginnt seine Arbeiten in Ägypten. „ Delphi: HaussouUier.
„ Orchomenos: Schliemann.
„ Menidi: Kuppelgrab,
„ Tegea: Überreste von Skopas Giebelgruppen.
„ Fr. Lenormant bereist Unteritalien.
80/82 Myrina: französische Ausgrabungen.
1881 Maspero beginnt seine Tätigkeit in Ägypten. „ Clermont-Oanneau bereist Phönizien.
„ Dörpfeld, Borrmann und Genossen studieren die farbigen
architektonischen Terrakotten. „ Tunis unter französischem Protektorat. „ Konstantinopel: Museum im Tschinili-Kiosk. 81/83 Assos: amerikanische Ausgrabungen. 81.84.86.88 Ramsay bereist Lydien und Phrygien.
81/03 Epidaurisches Hieron: griechische Ausgrabungen.
1882 Karien und Lykien: österreichische Expedition (Giölbaschi). Sardes: Dennis öffnet einen Grabhügel. Klazomenä: die ersten bemalten Tonsarkophage. Samos: Wasserleitung des Eupalinos. Wilson besucht Petra.
Alatri: Bassel untersucht die Wasserleitung. Robert erkennt eine Vasenklasse als polygnotisch. Athen : American school of classical studies. London: Egypt Exploration Fund.
82/90 Eleusis: griechische Ausgrabungen.
22*
340 Chronologische Übersicht
1882/90 Adamklissi: rumänische Ausgrabungen.
82/03 [Perrot und Chipiez, Histoire de Vart antique.]
1883 Nemrud Dagh: Humann und Puchstein. „ Rom: Tempel und Atrium der Vesta.
„ [Milchhöfer, Anfänge der griechischen Kunst (Kreta).]
1884 Kreta: Zeusgrotte am Ida, italienische Ausgrabung. „ Tiryns: SchHemann.
„ Athen: Stamatäkes beginnt die Ausgrabung der Akropolis.
„ Elateia: französische Ausgrabung.
„ Rom: Erzstatue eines Faustkämpfers.
„ [Wright: Empire of the Hittites.\
„ [Dörpfeld erläutert die älteste griechische Bauweise.]
84/86 Naukratis: englische Ausgrabungen.
84. 86/87 Oropos, Amphiaraeion: griechische Ausgrabung.
1885 Susa: Dieulafoy.
„ Pamphylien und Pisidien: Lanckoronski, Niemann, Petersen.
„ Athen: British school.
„ [Dörpfeld über die Propyläen.]
85/86 Lesbos von Koldewey bereist (Messa).
„ Ptoion: französische Ausgrabungen.
85/91 Athen: Ausgrabungen auf der Akropolis unter Kabbadias Leitung.
1886 Athen: Frauenstatue Antenors. „ Ägä: deutsche Untersuchung.
86. 89. 95 Athen: dionysisches Theater (Dörpfeld).
1887 Sidon: Fürstengräber (Alexandersarkophag).
„ Hierapolis: Humann, Cichorius und Genossen.
„ Tell-el-Amarna: Tontafelarchiv.
„ Fajum: die ersten Mumienbildnisse.
„ Delphi: Pomtow.
„ Eleusis: Eubuleus.
„ Rom: Thronlehne Ludovisi.
„ Falerii: italienische Ausgrabung (Tempel).
87/88 Athen: Eumeneshalle.
„ Mantineia: französische Ausgrabungen (praxitelische Reliefs).
„ Kabirion unweit Theben: deutsche Ausgrabung.
1888 Daphnä in Ägypten: englische Ausgrabung (bunte Vasen). „ Sendschirli: erste deutsche Ausgrabung.
„ Baphiö bei Sparta: griechische Ausgrabung (Goldbecher).
„ [Schreiber, Wiener Brunnenreliefs (hellenistische Reliefbilder).]
88/89 Tegea: französische Untersuchung.
„ Marzabotto: italienische Ausgrabung (Stadtanlage).
88/1900 Babylonien (Nippur): amerikanische Ausgrabung.
Chronologische Übersicht 341
1889 Illahun: englische Ausgrabung, „ Neandreia: Koldewey.
„ Lokroi: italienische Ausgrabung (ionischer Tempel).
„ Alatri: italienische Ausgrabung (Tempel).
89/90 Sikyon: amerikanische Ausgrabung (Theater).
„ Lykosura: griechische Ausgrabung (Damophon).
1890 Tell-el-Hesy: Ausgrabung Fl. Petries. „ Troja: Schliemann zum drittenmal.
„ Magnesia: Hiller v. Gärtringen (Theater).
90/91 Sendschirli: neue deutsche Ausgrabungen.
„ Megalopolis: britische Ausgrabung.
90/93 Rom: Untersuchungen am Pantheon.
1891 Delphi: Vertrag mit Frankreich.
„ Rom: Apollonstatue aus dem Tiberbette.
„ [Dörpfelds Arbeit über die Hypäthraltempel.]
91/93 Magnesia: Ausgrabungen des Berliner Museums.
1892 Collignon erkennt Polyklets Kyniskos.
92/93 Heräon bei Argos: amerikanische Ausgrabungen.
92/94 Sicilien und Unteritalien: Koldewey und Puchstein unter- suchen die Tempelruinen.
92/97 Athen: deutsche Ausgrabungen an der Pnyx (Enneakrunos).
92/1903 Erforschung des germanischen Limes.
1893 [Furtwängler, Meisterwerke der griechischen Plastik.] „ Furtwängler erkennt Phidias lemnische Athena.
93/94 Troja: Dörpfeld.
93/1901 Delphi: französische Ausgrabungen.
1894 Sendschirli: neue deutsche Ausgrabungen. „ Samos: Böhlau untersucht die Nekropole.
„ Rom: Petersen rekonstruiert die Ära Pacis.
„ [Reichel, Die homerischen Waffen.]
94/95 A. Körte bereist Phrygien,
„ Pompeji: Haus der Vettier.
„ Boscoreale: villa rustica.
94/96 Der el Bahri: Tempel der Hatschepsowet.
1895 Tell-el-Amarna: englische Ausgrabungen (Amenophis IV). „ Borchardt beginnt seine Tätigkeit in Ägypten.
„ Boscoreale: Silberfund.
„ Rom: Markussäule photographiert.
„ [Hartel und Wickhoff, Die Wiener Genesis.]
95/96 Didymäon: französische Untersuchung.
95/99 Priene: Ausgrabungen des Berliner Museums.
1896 Conca: französische und italienische Ausgrabungen. 96/97 Athen: Nordwestfuß der Akropolis (Pansgrotte).
342 Chronologische Übersicht
1896/1901 Thera: Hiller von Qärtringen.
96/1907 Ephesos: österreichische Ausgrabungen.
1897 Nagada: Menesgrab.
„ Kom-el-achmar: Statuenfund.
„ Susa: Beginn neuer französischer Ausgrabungen,
„ Elche bei Alicante: Frauenkopf.
97/98 Brünnow und v. Domaszewski bereisen die Provinz Arabia.
97/99 Thermos: griechische Ausgrabungen.
1898 Wien: Österreichisches archäologisches Institut, „ Berlin: Deutsche Orient-Gesellschaft.
98/99 Alexandrien: deutsche Ausgrabungen.
1899 Megara: deutsche Ausgrabung (Brunnenhaus). „ Syrien von Butler bereist.
„ Preuner erkennt Lysipps Agias,
99/1901 Abu Ourab, Heiligtum des Re: deutsche Ausgrabung.
99/1904 Baalbek: deutsche Untersuchung.
99/1907 Babylon: Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft.
„ Milet: Ausgrabungen des Berliner Museums.
„ Haltern: Ausgrabung eines Kastells (Aliso?).
1900 Gordion: A. und G. Körte.
„ Alexandrien: Grab Kom-esch-schukafa,
„ Antikythera: Bergung versunkener Erzstatuen.
00/1 Alexandrien: deutsche Ausgrabungen.
00/5 Knosos: Evans.
00/7 Pergamon: neue deutsche Ausgrabungen.
1901 Ägina: bayrische Ausgrabung am Tempel. „ Waldstein erkennt Polyklets Hera.
„ Römisch -germanische Kommission des Archäologischen In- stituts.
„ [Strzygowski, Rom oder Orient?]
1902 Samos: griechische Ausgrabung am Heräon.
„ Delos: Wiederaufnahme der französischen Ausgrabungen.
„ Treu erkennt Skopas Mänade.
„ [Petersen, Ära Pacis Augustae.]
02. 04 Kos: deutsche Ausgrabung des Asklepieion.
02/4 Abusir: Borchardt studiert die Pyramidenanlagen.
„ Tell-Taannek: österreichische Ausgrabung.
„ Lindos: dänische Grabungen auf der Burg.
„ Argos: holländische Ausgrabungen.
02/5 Geser: englische Ausgrabungen.
1903 Pergamon: Herme des Hermes nach Alkamenes. „ [Delbrück: Drei Tempel am Forum Holitorium.]
„ [Strzygowski, Kleinasien, ein Neuland der Kunstgeschichte.)
Chronologische Übersicht 343
1903/4 Rom: Ausgrabung nach der Ära Pacis. 03/5 Megiddo: deutsche Ausgrabungen. 03/7 Assur: Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft.
1904 Kamak: Fund alter Statuen.
„ Syrien von Butler und Littmann bereist. „ Der el Bahri: Totentempel des Mentuhotep.
1905 Oberaden: Fund eines römischen Kastells (Aliso?).
1906 Abessinien: deutsche Expedition.
1907 Jericho: österreichische Ausgrabung.
REGISTER
Aachen, Antiken 23.
Abdalonymos 270.
Abessinien 260 f.
Abgußmuseen 290. 293 f.
Abu Qurab 257.
Abu Habba 262.
Abu Hatab 264.
Abu Roasch 257.
Abu Simbel 82. 84.
Abusir 257.
Abydos 254. 258.
Achäer 219. 221. 222. 227. Kapitell 244. 324.
Adalia 187.
Adamklissi 286.
FAdler 122. 128. 129. 160.
Ägä 170.
Ägäische Kultur 227.
Agias 148. 316.
Ägina 11. 31. 32 ff. 138 ff. 305.
Ägisthosrelief 245.
MAgrippa 326 ff.
Ägypten 13 ff. 92 ff. 159. 245 ff . und >mykenische« Kunst 220 ff. 226ff. 256 f.
Aksum 261.
Alatri 246.
Alba Fucens 246.
Albani, Sammlung 6. 7. 22. 24.
Aldobrandini, Sammlung 6. Hoch- zeit 8.
Aleksandropol 103.
Alesia 207. 283.
Alexandermosaik 65. 108. 157.
Alexandersarkophag 270.
Alexandrien 195. 260.
Alexandros von Antiocheia 48 f.
Algerien 278 f.
Alinda 171.
Aliso 284.
Alkamenes 36. 123 f. 168. 308 f.
Alyattesgrab 274.
Amathus 268 f.
Amazonenstatuen 302.
EAmelineau 258.
WAmelung 75. 125. 295. 307. 315.
Amenophis IV. 84. 220. 221. 257.
Amerika, Archäolog. Institut 171.
Amphiaraeion 131. 151.
Amyklä, Thron 66.
Andernach 282.
Andrä 263. 264.
FC Andreas 266.
Andronikos von Kyrros 330 f.
Androsthenes 146, 310.
S Angell 44.
Ankyra 89. 101.
Antenor 238. 303. 308. 314.
Äntikythera 241. 308.
>Antinous«, Vatikan 127. 305.
Antiocheia 197. 275.
Antiochos I. von Kommagene 272.
Register
345
Apaturios 159.
Aphäa 139.
Aphrodite, Knidos 302. Medici 22.
Melos 47 ff. 109. 175. Petworth
305. Aphroditegeburt 248. »Apollon« 141. Belvedere 5. 7. 307.
Omphalos 299. PtoTon 141.
Rhamnus 315. Tenea51. Ther-
menmuseum 308. Apoxyomenos 69. 109. 290. 302.316.
Ephesos 308. Aquaiusha 222. Aquileja 285. Ära Pacis s. Rom. Arak el Emir 276. Arbeitsteilung 331. Archäolog. Institut 59 f. 74 ff. 77.
110.121. 168.171. 243ff. 284. 294. Archermos 307. EArdaillon 119. 120. MArditi 19. Ares, Ludovisi 316. Kopf, München
316. Arezzo, Chimäre 244. Argos 240.
Ariadne, Belvedere 5. Aristandros 315. Aristeides 309. Arkesilasvase 230. P Arndt 76. 295. Arne 217. Arsinoe 114. 260. Artaxerxes II. 267. Artemis, Palatin 307. Versailles 21. Artemision, s. Ephesos. Magnesia
173 ff. Arundel, Lord 9. 30. Asarhaddon 265. Aspasiosgemme 304. Aspendos 187 f. 198. Asses 89. 109. 171. 196, Asumasirpal 87. 264. Assur 264.
Assyrien 85 ff. 264.
Athen 10. 199. 201. 233 ff. Akro- polis 27 ff. 32. 49 ff. 106. 233 ff. 307. 317 ff. (Erechtheion 29. 49. 51 f. 326. Hekatompedon 234. Niketempel 29. 50 ff. 325. Parthenon 28 ff. 32. 49. 51. 234. 312 ff. 326, vgl. »Parthenon«. Pelasgikon 235. Propyläen 52. 234. 324 ff.). Asklepieion 130. 152. Attaloshalle 233. Dionysos- theater 106. 136. 233. Dipylon 199. 201. Enneakrunos 239 f. Eumeneshalle 233. Pansgrotte
239. Pnyx 106. »Theseion« 29. Turm der Winde 331.
Athen, Amerikanische Schule 137 f.
240. 295. Archäologische Ge- sellschaft 51. 130 ff. 143. 182. 203ff. Britische Schule 100. 240. 268. 295. Deutsches Archäolog. Institut 106. 118. 121 f. 130. 168. 295. Französische Schule 52. 111. 117 ff. 141 ff. 172. 241. 294. Österreichische Station 294.
Athena, Albani 300. Lemnierin 31 1 f.
Nike 50. 325. Parthenos 303 f.
312. Athenatempel, Priene 180 f. Attalische Weihgeschenke 305. Atreusgrab 31. 215. Augustus, Bevilacqua 22. Prima-
porta 106. Aurignac, Grotte 205. Äzanoi 89.
Baalbek 10. 276 f. Babylon 262 ff. Babylonien 261 ff. FHBacon 171. Balestra 27. ABaltazzi 172. Baphiö 217.
346
Register
Barberini, Sammlung 6.
JJBarthelemy 14.
Basilika 183. 197.
Bassä 31. 34 ff. 41. 55.
Baumaterialien 322.
Bauperioden Pompejis 155 f.
FBeaufort 90.
FBedford 31. 180.
Bedri Bey 262.
Behistan 267.
I Bekker 26.
C Beiger 212.
LBeltrami 328.
Belvedere 5.
Bemalung 43 f. 46. 236. 238. 242. 270. Vgl. Polychromie.
Benedict XIV. 7.
Benghazi 92.
Beni Hassan 83.
OBenndorf 75. 113. 115. 133. 183 ff. 189 ff. 285. 286. 306. 309.
VBerard 240.
Berlin, Museum 23. 161. 164. 175. 253. 257. 265. 294. Ägyptisches Museum 85. Deutsche Orient- Gesellschaft 257. 263 f. Orient- komitee 264.
Bemsteinstraße 281.
Berthouville 252.
A Bertrand 281.
Betender Knabe 23. 302.
E Beule 52.
Biban-el-muluk 258.
Bibliothek, Ephesos 190. Perga- mon 166.
Bibracte 283.
Biliotti 92.
Birs-Nimrud 262.
Wv Bissing 257.
Blacas, Sammlung 98.
CBlinkenberg 191.
Blondel 234.
ABlouet 49. 121.
ABöckh 26. 192.
Boedas 302.
Boethos 194. 330.
Boghasköi 89. 101 f.
JBöhlau 231.
RBohn 122. 164. 165. 170. 324.
JFBoissonade 26.
Bologna 207. 311.
Bonn 282. Museum 290. 293. 294.
Verein 282. Böotien, Vasen 232. LBorchardt 257. 258. Borghese, Sammlung 6. 23. 24. BBorghesi, Graf 76. RBorrmann 45. 129. Boscoreale 251 f. ABosio 78. Bostra 275. ^PEBotta 85 f. GBotti 260. ABötticher 122. EBötticher 224. KBötticher 106. 108. JBouchet de Perthes 204. Braschi, Sammlung 22. E Braun 74. 302. 305. EBreccia 260. Brest 47. Britannien 282. Britisches Museum 17. 25. 36. 40 f.
54. 86. 87. 88. 91. 93. 95. 96.
97 ff. 99 f. 304. 314 f. EBrizio 154.
POBröndstedt 32. 47. 55. Bronzezeit 203. 206. H Brunn 72. 74. 75. 76. 85. 110. 124.
139. 140. 161. 223. 250. 280. 292.
295. 296. 297. 303. 304 f. 306. Brunnenanlagen 181 f. 239 f. 279.
Vgl. Nymphäen. REBrünnow 273. Brüssel, Sammlung 73. Bryaxis 96. 307.
Register
347
Brygos 318.
Budrum s. Halikamass.
Bulak 255.
CJBunsen 55. 59. 82. 83.
JLBurckhardt 271.
TBurgon 201.
EBuraouf 111.
KBursian 138.
Busirisvase 230.
HC Butler 275.
Byron, Lord 32. 39. 302.
Cäcilie, Heil. 78. 80.
RCagnat 278.
GCalderini 250.
Callistus (Calixtus) 78.
FCalvert 210.
Cambridge, Abgußmuseum 294.
Camillus 4.
GP Campana 69 ff.
Candellori, Sammlung 61.
LCanina 246.
Canino, Prinz von 60 ff.
Canning s. Stratford.
Canosa 60.
ACanova 37. 40. 41.
Caracallathermen, Mosaik 69.
Cäretaner Vasen 70. 229 f. Vgl.
Cerveteri. Carnuntum 285. Caroline von Neapel 17. 19 f. Carpi, Sammlung 5. JCarrey 10. LFCassas 276. Castellani, Sammlung 98. SCavallari 45. Cerro de los Santos 279. Cerveteri 58. 62. 68. 70. 229 f. Cesi, Sammlung 5. LPdiCesnola 268 f. Chaffaud 205. Chalkis 229. JChamonard 119.
Championnet 18.
Champoiseau 113. 115.
J FChampollion 14. 82 f.
RChandler 11.
LChedanne 327 f.
Chelles 204.
Cheramyes, Hera 182. 237.
Cherchel 279.
Chigi, Sammlung 6.
Chimäre, Arezzo 244.
Chios 237.
Chiusi 58. 66.
Choiseul-Gouffier, Graf 28.
Chorsabad 85 f.
PChristie 205.
Christliche Archäologie 77 ff.
CCichorius 190. 250.
Clarac, Graf 48.
EDClarke 27. 31. 90.
JTClarke 89. 171.
GdeClaubry 129.
Ap. Claudius Pulcher 133.
Clemens XII. 7.
Clemens XIV. 11.
Meiere 170. 182.
CSClermont-Ganneau 269.
CRCockerell 32 ff. 43 f. 47. 139.
Cola di Rienzi 4.
MCollignon 75. 314.
Conca 244.
Consalvi, Kardinal 24.
HConvert 120. 144.
AConze 75. 76. 111 ff. 142. 160ff.
200 ff. 284. 285. 299. 304. Cori 247.
Cornelius, Heil. 79. 80. Corneto 58. Cortona, Leuchter 244. PCoste 266. ECourbaud 249. LCouve 119. 120. 144. FCreuzer 54 f. 289. Cromlech 203.
348
Register
Cumä 70.
ECurtius 106. 121. 122. 129. 156. 160. 189.
Dädalos 308. 310.
Dahschur 258.
Damasus 79. 80.
Damophon 241. 308.
JH Dannecker 42.
Daphnä (Defenneh) 231.
Dareios 267.
PJHDaumet 102.
ADaveluy 111.
PDavid 47.
Th Davis 258.
JDawkins 10.
FJDebacq 46.
ALDelattre 278.
JDelbet 101.
R Delbrück 240. 246.
JDell 327.
Delos 113. 119 f. 149. 151 f. 197.
198. 307. Delphi 142 ff. 150 f. 169. Lesche 147.
Schatzhäuser 145. 245. Tempel
146 f. 310. Demeter, Knidos 97. Demierre 119. HDemoulin 137. Dendera 15. 83. 254. G Dennis 98. 274. VDenon 15 ff. 22. 23. 24. Der el Bahn 254. 256. Desaix 14. 15. PDethier 96. Deutschland 282 ff. Diadumenos 315. Delos 120.
Vaison 97 f. 304. Didymäon 36. 180f. Sitzbilder 97.
100. 109. 118. 180. Mu.JDieulafoy 267. Dildtanti, Society 10. 11. 31.
37. 99.
Diomedes, München 299. Valenti-
nelli 312. Dioskuren, Monte Cavallo 3. Dipylonstil 201 f. 229. Diskobol 300. 303. PPDobree 26. Dödalses 310. Dodona 129. EDodwell 31. Dolche, Mykenä 216. 219. Dolmen 203.
AvDomaszewski 250. 272 TLDonaldson 96. 129 f. O Donner 154. Dorfschulze 255.
Dorischer und ägäischer Baustil 323. Domauszieher 4. 22. WDörpfeld 36. 45. 122. 129. 130 f.
132. 136. 168. 192. 212 f. 224.
233 ff. 239. 322 ff. Doryphoros 304. 314. G Doublet 119. HDragendorff 192. Dresden, Museum 6. 294. 311. H Dresse! 327. JQDroysen 302. JJDubois 49. PDubrux 103. FvDuhn 75. 249. 312. 328. FDümmler 222. 230. ADumont 118. JDumont d'Urville 47. Duris 318. FDürrbach 120. HDütschke 75.
MLEarie 240.
Echnaton s. Amenophis IV.
Echohalle, Olympia 128.
Edfu 16. 254.
Egypt explorationfund 100.256.265.
Ehrenbögen 278.
Eirene und Plutos 304.
Register
349
Eisenzeit 203. 206 ff.
Elateia 141 f. 149.
Elche 279.
Elephantine 16.
Eleusinisches Relief 132.
Eleusis 31. 131 ff. 149 f. 306.
Elgin, Lord 27 ff. 31. 37 ff.
Englische Sammler 6. 9 f.
Entasis 32.
Entwickelungsstufen der Künstler
312 ff. Ephesos 98 ff. 109. 156. 189 ff.
198. 308. Epidauros, Hieron 134 ff. 152.307. Epigonos 310. Epigraphik 76 f. 330. Epiktetos 318. G Erbkam 83. Eretria 136. AErman 255. Esagila, Babylon 263. Este, 207. Este, Sammlung 5. Etrurien 57 ff. 60 ff. 66 ff. 244 ff. Eubuleus 133. 306. Eumares 238. Euphranos 300. 312. Euphronios 318. Euripides, Mantua 22. Eusebius, Heil. 80. Euthydikos 238. Euthymides 318. Eutychides 302. Exekias 68. AEvans 224 ff. PEvstratiädes 131. Eyries 205.
EFabricius 165. 171. Fajumbildnisse 259. Falerii 245. EFalkener 189. Fara 264.
LRFamell 306.
Famese, Sammlung 5. 7. 98.
Faustkämpfer 249.
Fauvel 49.
CFea 59. 302.
Fedor 27.
CFellows 90 ff. 93 f. 94. 100. 183.
Feoli, Sammlung 61.
Ferdinand von Neapel 20.
Festplätze, Anlage 150 f.
EFiechter 183.
GFiorelli 153 ff.
CSFisher 262.
ENFlandin 86. 266.
AFlasch 125. 311. 316.
JFlaxman 40.
Florenz 246. Sammlungen 4. 7. 22. 66. 73.
Fond de Gaume 205.
J Fester 32. 34 ff. 47.
PFoucart 119. 142. 143. 194. 307.
GFougeres 119. 241. 306.
AFran9ois 66 ff.
Frangoisvase 66. 274.
Frankfurt, Röm.-german. Kommis- sion 284 f.
AWFranks 207.
Frauensarkophag, Karthago 279.
Frauenstatuen, Akropolis 237 f. 307 f. Frauenkopf (Skopas) 315.
CFredrich 182.
FFresnel 262.
OFrick 96.
KFriederichs 75. 139. 296. 303. 304.
Friedrich III., Kaiser 162.
Friedrich Wilhelm IV. 59. 83.
WFröhner 114.
AFurtwängler 33. 75. 118. 122. 124. 129. 133. 138 ff. 218. 250. 286. 299. 300 f. 306. 311. 315. 321.
Gabii 246. Galassi s. Regulini.
350
Register
Galatien 101.
Gallien 280 f.
Oalliergruppen 6. 7. 22. 160. 302. 31 1 .
JPGandy 31. 180.
Qanymedes 302. 307.
EAGardner 231. 240.
PGardner 316.
FC Gau 20.
PGauckler 278.
JGaye 297.
Gazara 265.
Geheimkulte 149 f.
WGell 21. 31. 131. 180.
Genf, Sammlung 73.
Genre 172. 232 f. 255. 291.
Genua 95. 96.
Geometrischer Stil 200 ff. 207. 208 f. 221.
Gerasa 275.
EGerhard 55 ff. 59 ff. 74. 75. 77. 110. 289.
Gerichtsgebräuche bei antiken Sta- tuen 3 f.
St. Germain, Museum 281.
»Germanicus« Louvre 21.
Geser 265.
Giebelgruppen 33. 123 ff. 146.
Gigantenaltar, Pergamon 161 ff.
Gigantensäulen 282.
Giölbaschi 93. 184 f.
PGirard 182.
Girgenti 244.
Gise 14. 15. 255. 257.
Giustiniani, Sammlungen 6.
Glavinaö 207.
Gleichnamige Künstler 309 f.
FGnaccarini 71.
Goldgeräte 216 ff. 219.
Goldkranz, Pergamon 169.
Golgoi 268 f.
Gordion 274.
Gortyn 223.
JWGoethe 9. 42. 65.
Gozzadini, Graf 207.
Gräber 90 f. 186. 188. 198 f.
FGräber 129. 168.
Grabreliefs 199. vom Ilissos 315.
BGräf 306.
PGräf 129.
HGraillot 244.
PGraindor 137.
Gregor XVI. 68. 69. 78.
Grimani, Sammlung 5.
GGropius 34.
SGsell 278.
Gudea 262.
EGuillaume 101.
Gymnasien 128. 198.
Hadrian 227.
Hagia Triäda (Kreta) 226.
FHalbherr 223. 226.
Halikamass 94 ff. 96. 196. 306 f.
Halil-Edhem-Bey 271.
KHaller von Hallerstein 32 ff. 47.
Hallstatt 206 f.
Haltern 284.
OHamdi-Bey 169. 271. 272.
WHamilton 40. 54.
WR Hamilton 27.
C Hansen 50.
»Harpyiendenkmal« 90 f. 109.
WHarris 44.
THarrison 27.
Hatschepsowet 256.
Hauran 275.
AHauser 113.
FHauser 308.
Häuser 120. 153 ff. 167. 177. 198.
214 f. 322. BHaussoullier 143. 180. AHauvette 119. RHawkins 93. BRHaydon 38 ff. 40. 41. JHHayne 262. BVHead 75. 100.
Register
351
RHeberdey 189 f. G Hecht 136. Heiligtümer, Anlage 149. Hekatompedon 235 ff. WHelbig 75. 110. 154. 243. 304. Heliopolis s. Baalbek. Hellenismus 109 f. 115. 136. 165.
170. 181. 193. 198 f. 302. WHenzen 77. Hera, Polyklet 315. Heräkleion (Candia) 226. Heräon, Argos 137 f. 149. Olympia
123. 322 ff. Samos 182 f. Herakles, Lansdowne 315. 316. Herculaneum 8 f. 17. 20. 54. 110.
251. O Hermann 26. Hermes, Ludovisi 300. Olympia
49. 127. 128 f. 305. Propylaios
168. 309. Hermogenes 173 f. 246. R Herzog 136. Hettiter 101. FHettner 282. LHeuzey 52. 102. HHeydemann 75. R Heyne 175.
Hierapolis 190. 196. 197. 198. 199. Hieron, Vasenmaler 318. Hieron s. Epidauros. H Hildebrand 207. Hildesheim 253. Hilleh 262.
FHiller von Gärtringen 174. 191 ff. HVHilprecht 262. Hippodamos 195 ff. G Hirschfeld 122. 160. 161. 173. O Hirschfeld 285. AHirt 56. 289. JJHittorff 45. Höhlenfunde 204. MHolleaux 141. Holz- und Steinbau 322 ff.
Homerische Kunst 68. 88. 210 f.
218 ff. 226. THomolle 118 ff. 143 ff. 307. E Hübner 75. C Hülsen 77. 247. J Hülsen 182. KHumann 160ff. 173 ff. 182. 189.
190. 265. 272 f. AvHumboldt 83. Wv Humboldt 24. 55. Hünengräber 203. PHunt 28. 29.
Hypäthraltempel 36. 116. 180. Hyperboreer, Römische 55 ff. Hyrkanos, Burg 276.
»lason«, Louvre 21.
Idalion 268. 269.
Idolino 245.
Igel 281. 282.
Iktinos 36. 132.
Illahun 256.
Imbros 112.
FInghirami 57.
Innocenz X. 6^
Inselsteine 223.
Ionische Kunst 88. 244 f. 298.
Vasen 229 ff. Istar 263. Ittar 27.
CJacobsen 194.
OJahn 64. 67. 74. 75. 110. 229. 291.
294. 302. AJarde 120. GJatta 75. Jericho 266. Jerusalem 276. Joachim von Neapel 19. Jordan 263. HJordan 247. Joseph von Neapel 19. Juba 11. 279.
352
Register
WJudeich 190. Julius II. 5. Julius III. 5. LJulius 139. FJunius 7.
PKabbadias 134 ff. 234 ff. 239. 241.
306. 308. Kabirion 116. 150. GKaibel 306. Kairo 255. Kairos 302. Kalach 86.
Kalamis 146. 299. 300. Kalat Schergat 264. E Kaiinka 189. AKalkmann 299. Kallikrates 260. Kallimachos 299. 300. M Kalokairinös 223. Kameiros 98. 231. Kanachos 180. Kaphthor 226. Kapitell, achäisch 244. 324. äolisch
171. Kapitol s. Rom. Kapodistria, Graf 50. Kappadokien 101. KKarapänos 129 f. Kardäki (Cadacchio) 322. Karer 222.
Kamak 254. 256. 259. Karthago 279. Kassel, Sammlung 23. Diadumenos-
kopf 315. Katakomben, Rom 77 ff. GKawerau 128. 182. 235. Kefti 226.
RKekule 75. 76. 124. 173. 175. O Kellermann 77. Kephisodotos 304 f. 309. Ker Porter 266. OKern 174.
Kertsch 103 f.
AKestner 55 f. 58. 59.
H Kiepert 99. 185.
GvKieseritzky 304.
Kilikien 189.
KFKinch 194.
Kips 166.
AKircher 6.
AKirchhoff 124. 229.
Kition 268.
Klagefrauensarkophag 270. 307.
Klammerformen 323.
Klazomenä 230 f.
WKlein 318.
Kleinasien 11. 89 ff. 94 ff. 100 f. 160 ff. 229 ff. 273 f.
LvKlenze 50.
H Knackfuß 178. 179.
GvKnaffl 185.
Knidos 96 f. 111. 195. Lesche in Delphi 147. Schatzhaus eben- da 145.
RPKnight 37. 39. 40.
Knochenzeichnungen 205.
Knosos 223. 224 ff.
WWKnowles 51.
GKoes 32.
U Köhler 222. 313.
WKolbe 182.
R Koldewey 1 71 f. 243 f. 263. 265. 276.
Köln 282.
Kolotes 124.
Kom-el-achmar 84. 258 f.
Kom-esch-schukafa 260.
Konstantinopel 95. 96. 270 f.
AKoraes 26.
Korinth 31. 240.
AKörte 274.
G Körte 274.
Kos 136 f. 152.
Kragos 186.
G Kramer 64.
Kremna 188.
Register
353
DKrencker 261. 276.
Kresilas 302.
Kreta 223 ff. 227. 242.
Krim 103 ff.
Kritios und Nesiotes 303.
Krösos 99.
FAKrupp 274.
Kujundschik 85. 87 f.
Kul Oba 103.
Kultplätze, Anlage 149 ff.
AKumanudes 216.
Kunstgeschichte, neuere 297.
Kurion 268 f.
Kyniskos 314.
Kypros 52. 88. 218. 268 f.
Kypseloslade 66.
Kyrene 98. 230.
Kyrosgrab 266 f.
Kyrros 330 f.
AdeLaborde, Graf 280.
LdeLaborde, Oraf 51. 271. 276.
Lachisch 265.
Lambäsis 278.
K Lanckoronski, Graf 187 ff.
H Lang 269.
K Lange 139.
RLanciani 247.
Lansdowne, Herakles 275.
Laokoon 5. 7. 194. 330.
ELartet 204. 205.
U Tene 207.
Lauersfort 252.
Laugerie Basse 205.
AHLayard 86 f. 262. 264.
WMLeake 30. 49. 129.
PLebas 89.
ALebegue 117.
Leda 307.
O Legrain 259.
Lehmbau 322.
Leipzig, Abgußmuseum 294.
Lekatzas 129.
Lemnierin 311 f.
Lemnos 112.
CLenormant 131. 303.
FLenormant 131. 243.
Leochares 96. 307.
B Leonardos 131. 241.
RLepsius 82 ff.
Lesbos 112. 171.
Lesche der Knidier, Delphi 147.
»Leukothea«, München 304.
Limes 283.
LLindenschmit 283.
Lindos 194.
JLinkh 32 ff. 47.
E Littmann 260 f. 275.
WKLoftus 261. 267.
Lokroi 243.
London, s. Brit. Museum.
AdeLongperier 88.
QLöschcke 125. 218. 231. 281. 284.
299. 313. Loubat, Herzog 120. Louvre s. Paris. Löwengrab, Knidos 97. Löwengruppe, Kapitol 4. ELöwy 185. JLubbock 204.
Ludovisi, Sammlung 6. 23. 248. Ludwig 1. von Bayern 33. 39. 43. Luftziegel 123. 133. 322. Luitpold, Prinz Regent 318. Luksor 256. Luni 246. ThvLüpke 261. FvLuschan 265. TLusieri 27. 29.
Luynes, Herzog 46. 59. 74. 272. 275. Lykien 90 ff. 183 ff. 199. Lykischer
Sarkophag, Sidon 270. Lykosura 241. 308. Lyon, Abgußmuseum 294. Lysipp 69. 147. 148. 302. 316 f.
333.
Michaelis, Ein Jahrhundert kunsiarchäologischer Entdeckungen.
23
354
Raster
RAStMacalister 265. Madelaine 205. Madrid, Sammlung 6. Magnesia 136. 169f. 173ff. 175. 190. Mahmud Bey 195. Mainz, Juppitersaule 281 . Zentral- museum 283. 285. Makedonien 102. Malerei, Priorität 319 f. Mänade, Skopas 306. 316. Mantineia 136. 241. 306. Mantua, Sammlung 22. deMarcellus, Vicomte 47. GMarchi 78. Marduk 263. AMariette 254 f. Marion 268.
Marktanlagen 20. 167. 171. 174. 197. Marsyas, Myron 300. 302. J Martha 75.
Marzabotto 154. 207. 245. OCMaspero 255. Massalia 280 f. Mastabas 84. Mattei, Sammlungen 5. FMatz 75. 76. AMau 155 ff.
Mausoleum 94 ff. 306 f. 316. LMayer 90. FMazois 20.
Medici, Sammlung 5. 6. 7. Medinet Habu 256. Medracen 279.
Megalithische Denkmäler 203. Megalopolis 136. 240. Megara 240. Megiddo 265 f. Meleagros, Vatikan 315. Melos 47 ff. 200. Memnonkolosse 16. 83. Memphis 83. 254. Menes 258. Menhir 203.
Menidi 217.
Mentor, Brigg 29. 30.
Mentuhotep 256.
Memeptah 222.
S Mertens-Schaaffhausen 95.
Messa 172. 174.
Metapont 46.
Mettemich, Fürst 112.
H Meyer 289.
GMicali 57.
AMichaelis 75. 142. 184. 310. 319.
LAMilani 246.
AMilchhöfer 223 f.
Milet 11. 97. 178 ff. 184. 197. 198.
231. Vgl. EMdymäon. E Miller 102. ALMillin 56. 280. SMineyko 129 f. Minos 224 f. Miot 19. Mnesikles 324 f. Modena, Sammlung 22. JMohl 85. HvMoltke 286. ThMommsen 77. 283. Montalto, Sammlung 5. OMontelius 208. Morelli 297. J de Morgan 257. 267. GdeMortillet 204. Mosaike 279. Mugheir 261. KOMüller 64. 74. 110. 142. 290.
330. 332. München, Abgußmuseum 294.
Glyptothek 24. 33. 43. 51. 294.
316. Sammlung 6. Musenreliefs, Mantineia 306. AMustoxydes 139. Mykenä 31. 107. 210 ff. 215 f. 224. »Mykenischerc Stil 216 ff. 219 ff. Myra 90. 186. Myrina 172.
Register
355
Myron 299. 300. 302. 303. 312. Mysterienkulte 149 f. Mytilene 231.
Nagada 258.
Nakschi Rüstern 267.
Napoleon I 13 ff. Musee Napoleon 21 ff. 39.
Napoleon 111. 101 f. 106. 195. 207. 247. 269. 283.
Naram-Sin 268.
Naukratis 231. 256.
ENaville 256.
Naxos 118. 237. Sphinx in Del- phi 145.
Neandreia 171.
Neapel, Sammlungen 7.
Nebi Junus 85.
Nebukadnezar 263.
Nemi 245.
Nemrud-Dagh 272 f.
Nennig 282.
HPNenot 119. 120.
Nereidendenkmal 91 f. 185.
Neumagen 281. 282.
Neuß 282.
New York, Museum 268.
CTNewton 95ff. 100. 106. 111. 112. 160. 180. 220. 269. 288. 304. 306.
ANibby 302.
BQNiebuhr 25. 55.
KNiebuhr 266.
G Niemann 113. 184 ff. 187 ff. 286.
Nikäa 197.
Nikandre 118. 237.
Nike, Archermos 118. 307. Päonios 124. 128. 305. Samothrake 113f. 115.
Nikias 332.
Nikopol 103.
Nil, Vatikan 5. 24.
Nimes 280.
Nimrud 86 f.
Ninive 85. 88.
Ninmach 263.
Niobe 5. Sipylon 101. 107.
Niobidenrelief, Petersburg 71. 73.
Nippur 262.
H Nissen 155 f.
FNoack 133.
Nointel, Marquis 10.
Nöldeke 263.
Norba 246.
Nordgriechischer Stil 102. 124. 298.
Nuffar 228.
Numantia 283.
Nymphäen 179. 188. 278.
NymphenreHef, Thasos 102.
Nymphiö, Karabel 89. 101. :
Obelisk, schwarzer, London 87.
Oberaden 284.
Odysseebilder 67 f. 157.
M Ohnefalsch-Richter 268.
Olympia 49 f. 121 ff. 149 ff. 299.;
JOppert 262.
Opramoas, Heroon 187.
Orange 280.
Orchomenos 210. 215.
Orient und Rom 277.
Oropos 131.
POrsi 223. 243.
Österreich 285 f.
Ostia 70.
Orvieto 58.
JOverbeck 250. 291. 304. 305.
Oxford, Sammlung 9.
Oxyrynchos 314. 331.
APaccard 51.
Palafitte 206.
Palästina 265 f.
Palästina-Verein, deutscher 265.
Palatitza 102.
Palmyra 10. 276.
Pamfili, Sammlung 6.
23*
356
Register
Pamphylien 187 f. 197.
ThPanofka 55 f.
Pantheon 326 ff.
Päonios 123 ff. 125. 298. 305.
Paphos 268.
Papyrusfunde 259. 331.
Paris, Cabinet des midailles 21. 252.
Louvre 21 ff. 39. 48 f. 50. 73.
86. 89. 102. 109. 172. 252. 267.
280. Sammlungen 6. 21. Societi
des Antiquaires 281. Tiberius-
altar 287. P Paris 119. 142. 280. WPars 11. Parthenon, Skulpturen 28 ff. 37 ff.
312 ff. 321. Vgl. Athen. Pasargadä 266. Paschalis I. 80. GPasparäkes 223. APasqui 251. 329. Pästum 9. 244. 324. RPaton 137. Paul III. 5.
Pausanias31. 125 f. 146. 147. 300. Peiräeus 195. Peisistratos 239. Peleusvase, London 321. Pennelli 71. JPennethome 51. FC Penrose 51. Pepy 259. PPerdrizet 144. Pergamon 136. 156. 159. 160 ff.
190. 195. 233. 302. 308. Perge 187. LPemier 226. O Perrot 52. 100. 120. Persepolis 267. Perserschutt 234. Perseus 300. 312. Persien 266 ff. Perugia, Erzwagen 244. JP Peters 262.
Petersburg 73. 105.
EPetersen 75. 185. 187 ff. 243. 244f.
250. 308. 314. 328 f. Petra 271 f.
FlPetrie 231. 256 f. 258. 265. Petworth 306. Pfahlbauten 205 f. Pflasterung 198. Pharis 217. Pharsalos 102. 316. Phästos 226. Phidias 30. 123. 125. 301. 302. 303.
304. 311 f. 313. 319. 320 f. 333. Phigalia s. Bassä. Philä 16. 82. 83. Philadelphia 245. DPhilios 132. Philippeion, Olympia 128. APhilippi 249. Philis 102. Phineusschale 230. Phönizien 269. Photographie 113. 116. 295 f. EPiette 205. LPigorini 242. Pinara 185. Pisa 66. ThPiscatory 52. Pisidien 188. 197. KPittakes 51. Plus VI. 11. Pius IX. 72. 79. V Place 86.
Piaton 238. 242. 315. Büste 308. Plinius 253. 300. RPococke 13. Poggio 2. 3. Polychromie d. Skulptur 44. 46. 50.
236. 238. Vgl. Bemalung. Polygnot 108. 147. 185. 318. 320. Polyklet d. ä. 98. 120. 137 f. 302.
304. 305. 309. 314 f. 316. 331.
d. j. 135. 309.
Register
357
SPomardi 31.
Pompeji 17ff. 54. 65. 108. 110. 153ff.
198. 251 f. HPomtow 143. Pont du Qard 280. EPontremoli 180. RSPoole 75. 100. EAPorcher 98. Pornacho 103. 104. 105. RPorson 26.
Poseidonfries, München 250. EPottier 172. Pourtales, Sammlung 98. APrachow 139. Prag, Sammlung 6. Prähistorie 111. 202 ff. 242. Praxias 146. 300. 310. Praxiteles 127. 133. 241. 302. 305 f.
309 f. EPreuner 148. 316. Priene 11. 98. 108. 169. 170. 175 ff.
190. 195. 197. Prima Porta 106.
Prokesch-Osten, Freiherr 51. 192. C Promis 246. Provence 280 f. Provinzialkunst 280 ff. 286 ff. Ptoion 141. 149. OPuchstein 164. 243 f. 272 f. 276.
311. 324. RPPullan 96. 98. 172. 173. 175 f. K Purgold 122.
Pyramiden 15. 83 f. 255. 256. 257. Pythagoras 299. 312. Pythios 307.
ACQuatremere de Quincy 41 f. JEQuibell 258 f.
Ramesseum 83. 84. WMRamsay 189. 275. AR Rangabe 138. ORaschdorff 165.
Rassam 262.
Rathaus 171. 179. 197.
V Rauscher 328.
GRawlinson 262.
HCRawlinson 267.
ORayet 174. 176. 178. 180.
Re 257.
Regulini 68. 107. 200.
ARehm 182.
W Reiche! 218.
Reichskunst 277.
SReinach 119. 170. 172. 281.
Th Reinach 310.
EReisch 146. 310.
Reisen 292 f.
Reliefbilder 252.
St. Remy 280.
E Renan 269. 275.
NRevett 10. 117. 175. 180.
QRey 275.
Rhamnus 31.
Rhodiapolis 187.
Rhodos 52. 95. 98. 194. 195. 220. 231.
Rhökos und Theodoros 182.
RBRichardson 240.
AdeRidder 75.
FundJRiepenhausen 108.
Riesenstuben 203.
K Ritter 184.
Riviere, Marquis de la 47 f.
C Robert 76. 103. 164. 314. 320.
D Roberts 271.
RRochette 89. 291.
HvRohden 76.
Rom 214 ff. — Columbarium Co- dini 70. Farnesina 248. Forum 247 f. Juppitertempel, Kapitol 245. Katakomben 77 ff. Konstan- tinsbogen 250. Marcussäule 250. Mater Matuta (>Fortunavirilis«) 247. Neptuntempel 250. Neros Goldenes Haus 8. Palatin 106 f.
358
Register
247; Haus d. Livia 107. 157. Prima Porta 106.Titusbogen249. Titusthermen 8. Trajanssäule 250. — Ägyptisches 13. Ära Pacis 249. 328 ff. Caracallamo- saik 66. Flußgötter, Monte Ca- vallo 3. Forumreliefs 250. Marc- aurel 2. 3. Marforio 4. Odyssee- bilder 67. Pasquino 9. — Alter Antikenbesitz 2 ff. Museen 5 ff. 68. 69 ff. 247. 248; Kapitol 5. 6. 7. 22. 24; Vatikan 5. 11 f. 22. 24; Abgußmuseum 294. — Vgl. Archäologisches Institut.
PRosa 106.
IRosellini 82.
Rosette, Inschrift 16.
LRoß 50 f. 52. 58. 121. 138. 139. 192. 194. 268.
QBdeRossi 77 ff.
Ede Rothschild 176. 251.
Ode Rothschild 176.
KFvRumohr 297.
Ruvo 60.
Saalburg 283.
Sagalassos 188.
Saitaphames, Tiara 105.
Sakkara 15. 254. 255.
AvSalis 182.
Salmanassar II. 87.
A Salzmann 98. 231.
Samos 11. 181 ff. 230. 231. 240.
Samothrake 112. 113 ff. 149 f. 169.
Sardanapal 88.
Sardes 273 f.
Sargon 85.
EdeSarzec 261.
Satrapensarkophag, Sidon 270.
B Sauer 140.
Säulen, ägyptisch 225. hölzern 215.
225. 383 f. Säulenhalle 197.
Sauroktonos 302.
LSavignoni 226.
Schachtgräber 216.
Schaffhausen 205.
O Scharf 91. 93.
E Schaubert 50.
P. Scheu 262.
A Schiff 192.
KFSchinkel 50.
Schlangensäule 96. 146.
HSchliemann 68. 162. 209 ff. 224.
233. ASchönbom 183 f. RSchöne 75. 155 f. 161. HSchrader 164. 175 f. 237. TSchreiber 75. 259 f. 299. Schreiberstatue, Louvre 255. JHCSchubart 330. KSchuchhardt 165. 168. A Schulten 283. RW Schultz 240. B Schulz 276. G Schumacher 265. KSchütte 128. Selge 188.
Selinunt 44 f. 46. 109. 244. E Seilin 265 f.
GSemper 45. 108. 203. 322. Sendschirii 264 f. Serapeum, Memphis 254. Serradifalco, Herzog 46. KSester 272. TShaw 278.
Sicherung der Ausgrabungen 169 f. Sicilien 43 ff. 243 f. Side 188. Sidon 270. Sidyma 186.
Siegerkopf, Olympia 249. ESieglin 136. 260. Qv Siemens 179. Signia 246. Sikyon 136. 240.
Register
359
Silanion 308.
Silbergerät 251 f.
Sillyon 187.
Sinai 84.
Siphnos, Schatzhaus in Delphi 145.
Sippar 268.
Sixtus II. 78. 80.
Sixtus IV. 5.
Skandinavien 203.
Skarabäen 220.
Skopas 96. 114. 241. 306. 315 f.
Smintheion 98. 172.
C Smith 100.
RMSmith 98.
Smyma 172.
Society for the promotion of Hellenic
Studies 100. ASogliano 75. Solutre 204.
Sophokles, Lateran 68. 109. 290. TSophules 182. GSoteriädes 242. Spanien 279 f. Sparta 240. Spata 217. 219. Sphinx, Delphi 145. Spiegelthal 274. JSpon 10.
TABSpratt 92. 172. 183. OiVlv Stackeiberg 32. 35 f. 47. 55 f.
58. 59. 64. 139. 296. 316. Stadtanlagen 153 ff. 176. 194 ff. 256. BStäes 138. PStamatäkes 212. 234. B Stark 74. 305. Stein, Freiherr von 293. Steinarten, architektonische 322. Steinzeit 203 ff. LStephani 74. 75. 103. 305. W Stier 45.
Stilanalyse 298 ff. 331. H Stiller 165. WJStillman 223.
F Stolze 266.
H Strack 106. 233.
Strangford, Lord 304.
Straßburg, Abgußmuseum 294.
Stratford Canning 86. 94. Stratford
de Redcliffe, Lord 95. Straton I. 270. JStrzygowski 277. J Stuart 10. 117.
FStudniczka 185. 237. 299. 312. Subiaco, Jüngling 299. Südrußland 103 f. Sunion 11. Susa, Persien 267 f. Susa, Piemont 287. Syngros 128. 148. Syrien 275 ff.
Tadius 157.
Tafelmalerei 319. 321.
Tanagra 232 f.
Tänzerinnen, Delphi 146.
Tarent 321.
CTarral 49.
JE Taylor 261.
Tegea 240. 306. 315.
Telephanes 298. 300.
Tell-el-Amama 84. 220. 257.
Tell-el-Hesy 265.
Tell-el-Mutesellim 265.
Tell-Taannek 265 f.
Telloh 262.
Tempel, altitalisch 245 f.
La Tene 207 f.
Tenea 51.
Tenos 137.
Teos 98. 173.
Termessos 147.
WTemite 20.
Terracina 68.
Terremare 180.
JMTetaz 52.
CTexier 89. 160. 173. 180. 266.
360
Register
Thaingen 205.
Thasos 102. 112.
Theagenes 240.
Theater 131. 135. 147. 167. 177. 178.
179. 180. 191. 198. 233. 240. 278. Theben, Ägypten 15. 16. 83. 84.
257. Thera 191 ff. 196. Therasia 193. Thermos 242.
Thersilion, Megalopolis 240. FThiersch 24. 289. HThiersch 138. Tholos, Epidauros 134 f. A Thomas 175. 178. 180. F Thomas 86. 262. CJThomsen 203. AThorvaldsen 33, 60. 139. Thronlehne Ludovisi 248. Thurioi 195. 324. JThürmer 58. Tiberis, Louvre 5. 24. Timgad 278.
Timotheos 96. 134. 306 f. Tiryns 31. 210 ff. 214 f. 224. 322. ATiteux 52. Tivoli 247. Tics 185. GQTocilesco 286. Tolentino, Vertrag 22. Tongefäße s. Vasen. Tonplatten, architektonisch 45. 246.
274. Tonreliefs Campana 71. 73. Torlonia, Sammlung 71. Torso, Belvedere 5. AToumaire 144. 148. CTownley 41. PTremaux 187. 190. OTreu 122. 126. 129. 306. Hagia Triäda, Kreta 226. Trier 282. Museum 282. Troja 162. 210 ff. 213 ff. 322.
CTsunias 213. 217. Tuffskulpturen, attisch 236. Tunis 278 f. Tunnel, Samos 181 f. Turin, Sammlung 22. Tyche von Antiocheia 302. Typhongiebel 236. Tyrannenmörder 238. 303.
HN Ulrichs 52. 142. 305. Universitäten, archäolog. Lehrstühle
293 f. »Unsterbliche«, Susa 267. LUrlichs 282. 305. Uthina 279.
Vaison 97. 304.
QValentinelli 75.
Valle, Sammlung 5.
Vasen 60 ff. 66. 193 f. 201 ff. 228 ff.
238 f. 268. 269. 274. 283 f. 291.
317 ff. Veji 58. 70. Veli Pascha 34 f.
Venedig, Erzrosse 22. Sammlung 6. NdesVergers 66. 67. Verona, Sammlung 22. Vestalin 249.
Vettierhaus, Pompeji 251. AVeyries 172. Villanova 207.
Villa rustica, Boscoreale 251. EQVisconti 12. 22. 23. 24. 39 f. 56.
289. 302. PE Visconti 72. MdeVogüe 275. W Vollgraf 240. KG Vollmöller 240. Volterra 66. Vulci 60 ff. 67.
Wadi Haifa 82. Wagenlenker, Delphi 148. 312.
Register
361
E Wagner 136. 139.
M Wagner 34. 36.
C Waldstein 138. 251. 299. 315.
Warka 261.
Wasserbillig 282.
RWeil 122.
FQWelcker 43. 74. 108. 110. 289 f.
293. 316. 319. Wellington, Herzog 24. KWescher 142. GWheler 10. F Wickhoff 249.
TWiegand 175 ff. 178 ff. 181. 236. Wien, Archäolog. Institut 189. 285.
Sammlungen 23. 185. Wiesbaden, Verein 282. F Wieseler 74. WWilberg 175. 190. 192. Wilhelm I. 182.
Wilhelm II. 250. 260. 263. 265. 276. WWilkins 30. 32. 43. JWilpert 81. PWilski 192. ELWilson 272. jJWinckelmann 7 ff. 11 f. 13. 24.
121. 289. 302.
HWinckler 101.
FWinter 76. 199. 307. 308. 320.
FAWolf 26.
Wölfin, Kapitol 4. 245.
P Wolters 75. 192.
JTWood 99. 189.
RWood 10. 276.
JJAWorsaae 205.
RWorsley 27.
WWright 101.
Würzburg, iVluseum 294.
Xanthos 91 ff. 181. Vgl. Harpyien-
denkmal. Nereidendenkmal. Xenophantos 104.
WZahn 20. LZanth 45.
Zeusgrotte, Kreta 223. Zeustempel, Olympia 123 ff. Zeus- statue 304. EZiebarth 182. Ziegelstempel 387. Ziggurat 262. 264. GZoega 13 f. 56. 289. 296.
Vergleichung der am rechten Rande dieses Buches angeführten Abbildungen
der achten Auflage von Springer- Michaelis Handbuch der Kunstgeschichte des Altertums mit denen der siebenten und der sechsten Auflage
8 |
7 |
6 |
8 |
7 |
6 |
8 |
7 |
6 |
8 |
7 |
6 |
1 |
1 |
— |
47 |
40 |
23 |
100 |
|
|
159 |
153 |
114 |
4 |
4 |
— |
48 |
41 |
{41) |
108 |
105 |
79 |
160 |
154 |
115 |
5 |
(5) |
— |
49 |
42 |
{42) |
109 |
106 |
80 |
161 |
155 |
116 |
6 |
6 |
— |
52 |
44 |
— |
111 |
108 |
162 |
(156) |
{117) |
|
7 |
8 |
— |
53 |
45 |
25 |
112 |
— |
— |
165 |
(159) |
{120) |
8 |
— |
— |
54 |
46 |
26 |
118 |
109 |
78 |
166 |
(161) |
{122) |
9 |
(7) |
— |
56 |
48 |
28 |
114 |
110 |
— |
167 |
(164) |
{125) |
10 |
— |
— |
57 |
49 |
29 |
117 |
114 |
— |
168 |
162 |
123 |
U |
— |
|
64 |
(57) |
{37) |
118 |
115 |
— |
169 |
163 |
124 |
12 |
9 |
— |
66 |
59 |
39 |
121 |
117 |
82 |
171 |
165 |
— |
13 |
10 |
— |
67 |
60 |
40 |
130 |
(128) |
{92) |
172 |
(166) |
{126) |
14 |
11 |
— |
71 |
65 |
44 |
131 |
126 |
90 |
173 |
(170) |
{130) |
15 |
12 |
— |
73 |
67 |
46 |
132 |
127 |
91 |
174 |
(169) |
{129) |
18 |
15 |
1 |
74 |
68 |
— |
138 |
— |
175 |
(168) |
{128) |
|
19 |
16 |
4 |
76 |
80 |
56 |
184 |
(129) |
{93) |
179 |
172 |
— |
23 |
20 |
6 |
77 |
82 |
58 |
135 |
130 |
{94) |
180 |
— |
— |
24 |
— |
81 |
(75) |
{53) |
136 |
(131) |
{95) |
181 |
181 |
.._ |
|
25 |
21 |
— |
82 |
77 |
— |
138 |
133 |
97 |
182 |
(182) |
— |
30 |
23 |
— |
83 |
78 |
54 |
139 |
134 |
{98) |
183 |
184 |
— |
84 |
(28) |
m |
84 |
79 |
55 |
140 |
135 |
99 |
184 |
185 |
^._ |
85 |
29 |
13 |
88 |
83 |
59 |
148 |
(142) |
{105) |
185 |
186 |
141 |
86 |
30 |
14 |
90 |
85 |
61 |
149 |
148 |
106 |
188 |
(194) |
{142) |
87 |
31 |
15 |
91 |
(86) |
{62) |
150 |
144 |
107 |
189 |
173 |
132 |
41 |
35 |
19 |
93 |
87 |
63 |
152 |
146 |
109 |
191 |
175 |
134 |
48 |
(37) |
m) |
94 |
88 |
64 |
153 |
147 |
110 |
193 |
177 |
136 |
45 |
— |
— |
95 |
(89) |
{68) |
154 |
(148) |
{111) |
194 |
178 |
137 |
46 |
39 |
— |
99 |
93 |
— |
155 |
149 |
— |
195 |
179 |
— |
Vergleichung der Abbildungen
363
8 |
7 |
6 |
8 |
7 |
6 |
8 |
7 |
6 |
8 |
7 |
6 |
196 |
180 |
— |
259 |
250 |
185 |
311 |
271 |
278 |
359 |
333 |
353 |
197 |
188 |
148 |
260 |
251 |
186 |
312 |
272 |
— |
363 |
337 |
354 |
198 |
— |
— |
261 |
252 |
187 |
314 |
274 |
— |
364 |
338 |
{207) |
199 |
190 |
— |
262 |
253 |
188 |
315 |
275 |
[279) |
365 |
339 |
{208) |
200 |
— |
— |
263 |
— |
— |
316 |
277 |
{281) |
866 |
340 |
361 |
201 |
187 |
— |
264 |
254 |
— |
317 |
278 |
— |
369 |
343 |
368 |
202 |
— |
— |
265 |
255 |
196 |
319 |
297 |
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{VIII) |
S. 256 Z. 4 V. u. lies: der Grabungen durch Borchardt im Jahre 1899
Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG
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