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Gew^erbehygiene.

TeU I. it^ ^4^^ ^ '

Allgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung.

Bearbeitet von

Dr. Em. Roth, Dr. Agnes Bluhm,

Regienings- and Medisioalrat in Kösüd. Arst in Berlin.

Max Kraft,

o. ö. Professor an der technischen Hocbschnle in Brfinn.

Mit 117 Abbildungen.

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JENA,

VERLAG VON GUSTAV FISCHER.

1894.

Diese Abhandlungen bilden zugleich die 12. Lieferung des

Handbuchs der Hygleno

herausgegeben von Dr. Theodok V/eyl iji Berlin.

ACHTER BAND. ERSTE LIEFERUNG.

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THfeNEVV VO'^K

PUBLIC Li bR.i.r/t

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AiTOR, LENOX AND TRDEN fO'JNDATlüNt,

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Inhaltsübersicht.

Sdte

1. Allgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung, bearbeitet

von Dr. Em. Roth, Regierungs- und Medizinalrat in Köslin 1

2. Hygienische Fürsorge fiir Arbeiterinnen und deren Kinder, be- arbeitet von Dr. Agnes Bluhm in Berlin 83

8. Maschinelle Einrichtungen gegen UnfäUe, bearbeitet von Max

Kraft, 0. ö. Professor an der technischen Hochschule zu Brunn LH

4. Die Lüftung der Werkstätten, bearbeitet von Max Kraft, o. ö.

Professor an der technischen Hochschule zu Brunn 179

Generalregister zur Allgemeinen Gewerbehygiene 218

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ALLGEMHNE GEWERBEHYGIENE

UND FABRIKGESETZGEBUNG.

BEARBEITET

VON

D». Em!: ROTH,

REOIEBUNOS- OND HEOlZIMAIiBAT IN KÖSLIK. ,

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Inhaltsübersicht.

Sdt«

Einleitung 1

I. Abschnitt. Einfluß von Industrie und Gewerbe auf

die Gesundheit der Bevölkerung 4

Sterblichkeit in Stadt und Land 5

Tuberkulose-Sterblichkeit in den Städten und auf dem Lande .' 5 bei Arbeitern im Freien und in ge- schlossenen Räumen 6

Einfluß der Beschäftigungsart auf die körperliche Entwickelung

gewerblicher Arbeiter 6

Erkrankungshäufigkeit männlicher und weiblicher Arbeiter . . 7

Einfluß der Berufsarten auf Morbidität und Mortalität .... 9

Mortalitäts-Tabellen nach Ogle 15

Bertillon 16

Spezialstatistische Untersuchungen 17

H. Abschnitt. Besondere Gefahren im Gewerbebe- trieb , 21

A. Schädigungen der Arbeiter 21

1. Un&lle im allgemeinen, Statistik 22

Ursachen der TJnfUle 25

2. Betriebsgefahren 26

a) Arbeitsdauer 26

b) Gewerbliche Gifte 28

c) Staubarten 29

d) Sonstige Betriebsgefahren 30

e) Infektionsträger 30

f) Schlechte Luft 31

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Vm Inhalt.

Seite

Handwerk 31

Hansindostrie 32

B. Schädigung der Anwohner 33

m. Abschnitt. Schutzmaßnahmen 36

A. Arbeiterschatz 36

1. Internationale Regelung 36

2. Unfallverhütung im allgemeinen 37

3. Verwendungsschutz 39

a) Arbeit von Kindern und jugendlichen Personen ... 39

b) Nachtarbeit 40

c) Sonntagsruhe 40

d) Weiterer Ausbau des Verwendungsschutzes . . . . 41

B. Betriebsschutz 42

a) Luftkubus 42

b) Lüftung 44

c) Künstliche Beleuchtung 44

d) Beinlichkeit 44

e) Schutz gegen giftige und staubentwickelnde Materialien 45

f) Fabrikaufsicht 46

C. Schutz der Anwohner gewerblicher Anlagen 48

IV. Abschnitt. Fabrikgesetzgebung und Gewerbesani- tätspolizei 51

Gesetzliche Bestimmungen in Deutschland 52

Gewerbeordnung 52

Gesetz betr. Anfertigung und Verzollung von Zündhölzern 57

Bekanntmachung betr. Anlage von Dampfkesseln 57

EinrichtungundBetriebvon Bleifarben-

und Bleizucker-Fabriken .... 57 Einrichtung und Betrieb der zur An- fertigung von Cigarren bestimmten

Anlagen 57

Beschäftigung von Arbeiterinnen und

jugendlichen Arbeitern in Glashütten 57 n n desgl. in Drahtziehereien mit Wasser- betrieb 57

desgl. in Cichorienfabriken .... 57 desgl. in SteinkoUeDbergwerken . . 57 desgl. in Eohrzuckerfabriken und Zucker- raffinerien 58

desgl. in Ziegeleien, in Walz- und

Hammerwerken, in den Hechelräumen

der Spinnereien 58

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Inhalt ZK

Seite

Anleitung znm Schutz gegen Gesundheitsschädigungen durch

ausländische Eohhäute 58

Preußen, Gesetz betr. Betrieb von Dampfkesseln 58

Cirkular betr. gesunde und gefahrlose Beschaffenheit der

Arbeitsräume 68

Nichtgenehmigungspflichtige Anlagen 59

Ausdünstungen und Luftverunreinigungen 60

Dienstanweisung der Aufsichtsbeamten 60

Spezial-Erlasse 61

Genehmigungsurkunde 62

Technische Anleitung zur Wahrnehmung der den Kreisaus- schüssen hinsichtlich der Genehmigung gewerblicher An- lagen übertragenen Zuständigkeiten 62

a) allgemeine Gesichtspunkte 62

b) einzelne Anlagen 64

Unfallversicherungsgesetz 65

Ausdehnung desselben 65

Betriebsunfall 66

Unfallverhütungsvorschriften 67

Reicbslande 68

Bayern 68

Sachsen 68

Württemberg 69

Hessen 69

Baden 60

England 70

Schweiz 71

Oesterreich 71

Ungarn 74

Erankreich 74

Schweden 75

Niederlande 76

Belgien 76

Italien 77

Dänemark 77

Rußland 77

Spanien und Portugal 78

Begister am Schlüsse der allgemeinen Gewerbehygiene.

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Einleitung.

Auf keinem Gebiet haben Staat und Gesellschaft größere Pflichten zu erfüllen als auf dem der Gewerbehygiene und Unfallverhütung, und zwar wächst diese Pflicht in demselben Maße, als die Schwere und Ge- fährlichkeit der Betriebe eine größere wird. Nachdem der Staat die Arbeiterfürsorge zu einer seiner vornehmsten Aufgaben erklärt hat, zieht diese Bewegung immer weitere Kreise, sehen wir Vereine und Private, Wissenschaft und Technik wetteifernd bemüht, auf dem Gebiet der Arbeiterwohlfahrt beispielgebend und helfend voranzugehen und zur Lösung der Arbeiterfrage an ihrem Teil beizutragen.

Ganz besonders sind es die materiellen, die sozialen und moralischen Folgen des heutigen Erwerbslebens, die zum Angriffs- und Ausgangs- punkt dieser Bestrebungen gemacht werden, während die spezieU hygi- enische Seite der Wohlfahrtsbestrebungen bisher weniger hervortrat. Und doch wird niemand leugnen wollen, daß die industrielle Frauen- und Kinderarbeit eine Verwendung der Arbeitskräfte bedeutet, die durch firtUizeitige und naturwidrige Ausnutzung und Erschöpfung der Kräfte die Familie nicht bloß moralischer, sondern auch physischer Ver- kümmerung entgegenzuführen geeignet sind, und daß die Gesundung und Festigung des Familienlebens die erste Bedingung aller sozialen Reform ist.

Es ist eine unbestrittene Thatsache, daß alle Schädlichkeiten der Fabrikarbeit, mögen sie durch Arbeitsdauer und Arbeitsmaß oder durch das Zusammensein der Menschen in geschlossenen Räumen oder durch besondere sog. Berufsschädlichkeiten veranlaßt sein, um so früher und um so nachhaltiger sich bemerklich machen, je weniger widerstandsfähig die davon Betroffenen sind, daß von den in demselben Betriebe be- schäftigten Personen, mag es sich um die Verarbeitung giftiger oder staubentwickelnder Stoffe oder um die Beschäftigung mit hautreizenden Substanzen oder um die Einflüsse der Witterung oder diejenigen einer verdorbenen Atmungsluft handeln, oder mögen die mehr mechanischen Einwirkungen in Frage kommen, die durch die besonderen einzelnen Gewerben eigentümlichen Zwangsstellungen oder einseitige Anstrengungen gewisser Muskelgruppen hervorgerufen werden daß von den dem- selben Betriebe angehörigen Arbeitern ein Teil überhaupt nicht erkrankt, ein anderer erst nach Ablauf von Jahren, während ein dritter Teil schon nach kurzer Zeit auf die genannten Schädlichkeiten in typischer Weise reagiert, sei es unter der Form specifischer Vergiftungserscheinungen oder Erkrankungen der besonders betroffenen oder besonders disponierten

Hudboeh dar HygleBe. Bd. VUI. 1

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2 ROTS,

Organe oder sei es unter der Form eigentümlicher Verkrümmungen und Difformitäten. Die Erklärung für dies verschiedene Verhalten kann nicht darin gefunden werden, daß die erste und zweite Gruppe den Schädlichkeiten weniger ausgesetzt sind oder dieselben besser zu ver- meiden wissen, sondern sie ist darin gelegen, daß sie gegen die be- treffenden Schädlichkeiten besser geschützt sind als die letzte Gruppe. Diese Schutzvorrichtungen sind zu einem Teil angeboren und in der Konstitution, der Widerstandsfähigkeit der Einzelorgane begründet, zu einem anderen Teil sind sie das Resultat der gesamten Lebensführung, wobei Emährungs- und Wohnungsverhältnisse die wichtigste Rolle spielen : je günstiger diese sozialen Faktoren und je gesundheitsgemäßer die Lebensführung, um so größer, je ungünstiger, um so geringer die Widerstandsfähigkeit des Organismus und seiner Organe.

In der Heranziehung eines physisch und moralisch gesunden, wirtschaftlich tüchtigen und deshalb gegen krankmachende Einflüsse möglichst geschützten Nach- wuchses liegt die außerordentliche hygienische Bedeu- tung der Wohlfahrtsbestrebungen und Wohlfahrtsein- richtungen für die Arbeiter und deren Familien. Die Thatsache, daß der sich selbst überlassene Arbeiter fast durchweg un- rationell lebt und für sein sauer erworbenes Geld minderwertige Nah- rungsmittel teuer einkauft, bedeutet eine Schädigung der Volksgesund- heit, welche entgegenzuwirken eine der wichtigsten Aufgaben der Sozial- hygiene darstellt

Die in den Vereinigten Staaten Nordamerikas durch das Arbeits- departement im Jahre 1^88 über die wichtigsten Industriezweige in Amerika imd in den Hauptindustrieländem Europas bezüglich der Pro- duktionskosten, der Lohnverhältnisse, der Arbeitszeit und LebensftUirung veranstaltete Untersuchung hat ergeben, daß in Europa nicht nur das absolute Einkommen des Mannes kleiner ist als in Amerika, sondern daß auch der Prozentsatz seines Beitrages zu dem Gesamteinkommen geringer ist als in Amerika, d. h. daß die Frau und andere Familien- gUeder in Europa in höherem Maße zur Bestreitung des Lebensunter- halts herangezogen werden^.

Aus der Enquete ergiebt sich aber weiter, daß der amerikanische Arbeiter für Bücher und Zeitungen mehr ausgiebt als der europäische Arbeitsgenosse, dagegen weniger für alkoholische Getränke als der englische, deutsche, belgische und vor allem der französische Arbeiter, und daß die wirtschaftlichen Opfer, die zur Befriedigung der Trinklust nötig sind, fast immer auf Kosten der häuslichen Bequemlichkeit ge- bracht werden, ein Beweis, daß es im letzten Grunde der Arbeiter selber ist, der das Hauptverdienst daran hat, wenn es ihm besser geht Die Thatsache, daß die Arbeitsleistung, auch die rein mechanische, bei uns an den Montagen um ca. 20 bis 25 Proz. geringer ist als an den übrigen Wochentagen, weist darauf hin, daß der Arbeiter und Handlungslehrling vielfeu^h noch nicht be- fähigt ist, von dem ihnen gewährten Schutz der Sonntagsruhe den vom Gesetzgeber gewollten physisch und sittlich fördernden Gebrauch zu machen.

Der Arbeiterschutz ist ein Postulat nicht nur der Humanität und Moral, sondern vor allem auch der Volksgesundheit; je mehr der Arbeiter lernt, durch eine sitt- lich und physisch gesunde und ökonomische Lebensführung sich selbst

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Allgemeine £^ewert>etiygieiie und E^abrikgesetzget)ang. 3

zn schützen, um so größere Erfolge werden die öffentlichen und privaten Bestrebungen auf dem Gebiet der Arbeiterwohlfahrt zeitigen.

Zweck und Bedeutung jeder Arbeit ist es, der Gesamtheit zu nützen und dadurch, daß die egoistischen Triebe des Einzelnen mit dem Lebenszweck der Gesellschaft in Uebereinstimmung gebracht werden, sittlich fördernd zu wirken. Zu dieser Auffassung die Arbeiter zu er- ziehen, ist die Aufgabe unserer Zeit; je früher es gelingt, um so eher werden die Arbeiter befähigt werden, an der Lösung der Frage des Arbeiterschutzes in ihrer sozialen, ethischen und gesundheitlichen Be- deutung mitzuwirken, und um so vollkommener wird diese Lösung sich gestalten.

1) B. B. Oonld, Du Letgt dtr arbeiUinden Klas§en in dm Em^ikulUtriaiuUm^ JakrbO^er ßtr NaiumaIök<momie md StatUUk, III. F6lgt, 5. Bd 174, /«na 1893.

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ERSTER ABSCHNITT.

Einflu88 Yon Industrie und Gewerbe auf die Gesund- lieit der Bevölkerung.

Unter denjenigen Faktoren, die den Gesundheits- zustand weiter Bevölkerangsklassen in erheblichem Grade zu beeinflussen imstande sind, nimmt neben der Oertlichkeit und den sozialen Faktoren die Industrie eine hervorragende Stelle ein, und zwar sind die durch die Verschiedenheit der Gewerbe verursachten Unterschiede der Sterblich- keit der verschiedenen Bevölkerungsklassen sehr viel erheblicher als die durch die Oertlichkeit und die sozialen Faktoren im allgemeinen be- dingten Unterschiede. Es giebt Beschäftigungen von so schädlichem Charakter, daß die Lebensversicherungsgesellschaften Anstand nehmen, darin Beschäftigte überhaupt aufzunehmen, während in anderen Berufs- arten die Aussichten auf ein langes Leben so groß sind, daß denselben ein bisweilen erheblicher Nachlaß der Prämie gewährt wird.

Nach den Listen des Registrar General starben in London und in den übrigen Städten Englands mehr Männer als Frauen, und dasselbe trifft auch für Frankreich und Deutschland zu. Nur da, wo der weib- liche Teil der Bevölkerung vorwiegend in der Industrie beschäftigt ist, wie es in einzelnen Städten Nordenglands in der Spitzen- und Hand- schuhmanufaktur oder in der Seidenindustrie in Lyon der Fall ist, sehen wir das Verhältnis sich umkehren. Auch die Sterblichkeit im allgemeinen ist in den Städten Englands eine größere als auf dem Lande, ein Verhältnis, das in Frankreich, Italien, Ungarn und Schweden sich wiederfindet, während dasselbe für andere Länder und speziell auch für Deutschland und Oesterreich nicht durchweg zutrifft ^

Während, wie die Zusammenstellungen Schlockow^s^, Finkeln- burg^s^ u. a. ergeben, für den Gesamtumfang des preußischen Staats die weibliche Bevölkerung noch eine geringe Mehrsterblichkeit an Tuber- kulose in den Städten gegenüber der ländlichen Bevölkerung aufweist, starben speziell in den Städten der Rheinprovinz weniger Frauen an Tuber- kulose als auf dem Lande. Sehr viel erheblicher ist dagegen die Mehr- sterblichkeit der Männer auf der städtischen Seite und zwar ergiebt ein Ver- gleich der einzelnen Bezirke und Städte untereinander, daß die Lungen- schwindsucht um so zahlreichere Opfer erfordert, je allgemeiner die gewerb-

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ROTH, Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 5

liehe BescbäftiguDg in geschlossenen Räumen vorherrscht. Speziell be- stätigten die UDtersuchungen von Kocks^, daß die Sterblichkeit an Lungenschwindsucht in den verschiedenen Bezirken der Rheinprovinz im allgemeinen der Größe der Industrie parallel ging.

Daß es aber nicht ausschließlich die industrielle Be- schäftigung ist, durch die diese Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen der männlichen und weiblichen Bevölkerung bedingt werden, sondern daß der Aufenthalt in den Städten als solcher und die Summe der damit einhergehenden Schädlichkeiten in Bezug auf Be- schäftigung und Lebensführung gegenüber dem Lande im allgemeinen dafür verantwortlich zu machen ist, wird dadurch bewiesen, daß auch in den überwiegend ackerbautreibenden Distrikten des Ostens sich dieser Unterschied zwischen Stadt und Land bemerklich macht^. So starben im Regierungsbezirk Köslin in dem Zeitraum 1889/91 an Tuberkulose 2,18% der Stadt- bewohner gegenüber 1,56% der Landbewohner ; auch war eine gewisse Beziehung der Häufigkeit der Tuberkulosesterblichkeit der einzelnen Kreise zu dem Vorherrschen der städtischen Bevölkerung erkennbar. Bezüglich des Geschlechts machte sich auch hier ein geringes Ueber- wiegen des männlipheu über das weibliche Geschlecht bemerklich, ein Verhältnis, das bei ausschließlicher Berücksichtigung der Städte noch mehr zu Ungunsten der männlichen Bevölkerung der Städte verschoben wurde. Auch der erhebliche Unterschied der Tuberkulose- sterblichkeit in den Städten der verschiedenen Länder in den Städten Oesterreichs starben im Durchschnitt der Jahre 1886/87 von je 100000 Einwohnern 600, in den ungarischen Staaten 547, dem gegenüber in Deutschland 329, in Frankreich 327, in der Schweiz 317, in Schweden 278, in Italien 238 weist darauf hin, daß es jedesmal eine Vielheit ursächlicher Momente ist, die diese Unter- schiede bedingen und in jedem einzelnen Fall sorgfältiger Feststellung bedürfen.

Wiedie allgemeine Sterblichkeit ist auch die Schwind- suchtssterblichkeit in England in den industriellen Be- zirken größer als in den überwiegend landwirtschaft- lichen Distrikten, und wie die Verbesserung der allgemeinen Lebensverhältnisse in der Abnahme der allgemeinen Sterblichkeit inner- halb der letzten Decennien ihren Ausdruck findet*, so zeigt sich der wirksame Einfluß der englischen Sanitätsgesetze in einer Abnahme der Schwindsuchtssterblichkeit im besonderen, eine Abnahme, die in den industriereichen Bezirken stärker ausgeprägt ist als in den überwiegend landwirtschaftlichen Bezirken.

Nach den Bezirken mit vorwiegend industriellem und solchen mit vorwiegend landwirtschaftlichem Charakter unterschieden, starben in England im Durchschnitt der Jahre

1858—1867 in der indostrieUen Gruppe [wo die indostrieUe Bertflkemiig 200 und mehr p. m. lihlt nnd gleichseitig die landwirtschAfÜiche 100 p. m. nicht erreicht]

auf Je 10 000 Lebende 37

in der vorwiegend landwirtichaltliehen Gruppe 24

im Darehschnitt der Jahre 1868 77 in der indostrieUen Gmppe ... 23

in der landwirttchaftllohen Gmppe 20

im Dnrehtohnitt der Jahre 1878 86 in der indnetrieUen Gmppe ... 19

in der landwirtschaftliehen Gmppe 17 *

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6 ROTH,

Der Unterschied zwischen Arbeitern im Freien und denen in geschlossenen Räumen bezüglich der Sterblichkeit an Schwind- sucht und sonstigen Lungenleiden erhellt aus folgender Zusammen- stellung:

Nach den Beobachtungen der Jahre 1880/82 starben in England im Alter von 2ö— 65 Jahren

a) an Beb windsnelit b) an Krankbeiten der

tmnn f^torgane

1. Seefitcher io8 90

2. Llndliobe BeTfflkanmg 115 112

8. Krftmer 167 Ii6

4. Tnobbindler .... 301 129

6. Scbneider 28$ 186

6. Bnchdineker .... 461 166 Mlnnliobe Personen dea-

selben AHera im gansen 220 182

Wird die Sterblichkeit der gesamten männlichen Bevölkerung im Alter von 25—65 Jahren = 1000 gesetzt, so betrug die Sterblichkeit der im Alter von 25—65 Jahren stehenden

1. Seefiscber 797

2. lindlieben BeTfilkemng 644

8. Krimer 771

4. Tnobbindler .... 883

6. Sobneider 1051

6. Bnebdmeker .... 1071

Die Sterblidikeit 46-'65-j&hriger Männer an Phthisis und Lungen- krankheiten, unterschieden, je nachdem die Gewerbekate- gorien auf reine, eingeschlossene oder stark verdorbene Luft angewiesen sind, betrug nach Ogle^ die Sterblichkeit der Fischer 100 gesetzt :

PbtbStit Erkrankungen der snaammen tmnngaorgane

Fiaebem 55 45 100

Farmern 52 50 102

Girtnem 61 56 117

landwirtaebaftUoben Arbeitern 62 79 141

n bei/ ^^^ «4 59 143

"• "^^ \ Tnobbindlem 152 65 217

L bei

^^'^^\ BBobdmokem 233 84 317

lieber den Einfluß der Beschäftigungsart auf die körperliche Entwickel'ung der gewerblichen Arbeiter im allgemeinen erfahren wir aus den Untersuchungen Erismann*s*, die sich auf mehr als 100000 Personen beiderlei Geschlechts im Alter von 8—80 Jahren erstrecken, und bei denen Körperlänge und Brustumfang, bei sehr vielen außerdem Körpergewicht, Druckkraft der Hände und Hubkraft der Arme und des Rumpfes bestimmt wurde, daß in Bezug auf die körperliche Entwickelung die Nicht-Textilarbeiter den eigentlichen Textilarbeitern bedeutend überlegen sind. In allen Altersstufen waren die ersteren höher gewachsen und von besseren Brustdimensionen als die letzteren. Den Nicht-Textilarbeitern nähern sich in ihren Körper- maßen in hohem Grade die Färber und Bleicher; am ungünstigsten

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Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 7

aber ist die Entwickelung bei den Baamwollspinnern, die eine um 1 —2 cm geringere Höhe und einen um 3—4 cm engeren Brustkorb zeigen, als dem für alle Arbeiter gefundenen Mittel entspricht. In der Blütezeit ihrer Jahre erreichen die russischen Arbeiter ein Körpergewicht von höchstens 60 kg, das bis zum Alter von 50 Jahren nur wenig zunimmt. Was die Druckkraft der Hände anbelangt, so fällt ihre stärkste Zu- nahme in das Alter von 15 18 Jahren, das ist diejenige Periode, die sich bei den Arbeitern auch durch die stärkste Gewichtszunahme und das stärkste Wachstum des Brustumfangs auszeichnet. Vom 19. Lebens- jahr an nimmt die Druckkraft langsamer zu, um im Alter von 25 Jahren ihr Maximum mit 62,5 kg zu erreichen. Auf dieser Höhe hält sich die Druckkraft ungefilhr 10 Jahre und nimmt dann ziemlich rasch wieder ab, sodaß sie im Alter von 60 Jahren nur noch 46 kg beträgt. In ähnlicher Weise verhält sich die Hubkraft der Arme, nur vnrd das Maximum etwas später, zwischen 30 und 40 Jahren, erreicht.

Auch die Untersuchungen von Schuler und Burkhardt'^, die sich auf durchschnittlich 18000 Mitglieder schweizerischer Krankenkassen, das sind ungefähr 25 Proz. der sämtlichen schweizerischen Fabrik- arbeiter, und 15 Industriezweige beziehen, liefern den Beweis, daß die industrielle Beschäftigung schon nach kurzer Zeit einen sehr ungünstigen Einfluß auf die körperliche Entwickelung der daran sich beteiligenden jugendlichen männlichen Personen ausübt. Neben allgemeiner Schwäche sind es namentlich Difformitäten des Thorax und der Wirbelsäule, sowie Augenleiden, die infolge üeberanstrengung des jugendlichen Organismus beobachtet wurden. Während in fabrikarmen Rekrutierungskreisen der Schweiz durchschnittlich 14,3—18,9 Proz. der Rekruten wegen mangel- hafter Körperentwickelung temporär entlassen werden mußten, stieg diese Zahl in &brikreichen Distrikten auf 19,7—23,3 Proz. Es erkrankten nach Schuler und Burkhardt

TOD 1000 Arbeitern fiberhanpt 291 H 1000 Arbeiterinnen 157.

Dieses Ueberwiegen des männlichen Geschlechts findet seine Erklärung in der hohen Morbidität der Arbeiter in den mechanischen Werkstätten, während innerhalb der einzelnen Industrien mit wenigen Ausnahmen die Arbeiterinnen mit bedeutend höheren Zahlen auftreten als die Arbeiter. So erkrankten in der Stickerei von je 1000 Stickem 302, von den Stickerinnen 332, von den in der Färberei und Bleicherei be- schäftigten Männern 279, von den Frauen 316; desgleichen war in der Baumwollweberei und -Spinnerei die Erkrankungshäufigkeit der Frauen bedeutend größer als die der Männer, und nur in der Baumwolldruckerei war das Verhältnis ein umgekehrtes. Ebenso wie die Erkrankungs- häufigkeit bei den Frauen im allgemeinen größer war als bei den männ- lichen Arbeitern, war auch die Summe der auf den Kopf entfallenden Krankheitstage bei den weiblichen Arbeitern eine höhere als bei den männlichen, und zwar betrug dieselbe bei ersteren 6,47, bei letzteren 6,25. Mit dem Alter nahm sowohl die Erkrankungshäufigkeit wie die Erankheitsdauer zu. Auf die Fehlerquellen, die diesem aus privatem Vorgehen gewonnenen Material anhaften, haben die Verf. selber mit . allem Nachdruck hingewiesen, doch waren einerseits die großen Zahlen, die den Verff. zur Verfügung standen, anderseits die Art ihres Vor- gehens geeignet, dieselben nach Möglichkeit zu eliminieren.

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8 ROTH,

Wenden wir uns zur Erörterung der Frage nach dem Einfluß der speziellen Berufsarten auf die Morbidität und Mor- talität der Bevölkerung, so muß vorausgeschickt werden, daß der Begriff der Gewerbekrankheit oder Berufskrankheit in dem gewöhnlichen Sinne überhaupt nicht existiert, da die eigentlichen sog. Berufsschädlichkeiten mit dem Beruf oder Gewerbe als solchem nicht unzertrennlich verbunden sind, wofür die spezielle Gewerbehygiene alle Tage Belege an die Hand giebt. Nur insofern die verschiedenen Gewerbe eine verschiedene Dauer und ein verschiedenes Maß körperlicher oder geistiger Thätigkeit in den einzelnen Gewerben und Berufsarten in Anspruch nehmen, oder auch mit Notwendigkeit ein anhalten- des Zusammenarbeiten in geschlossenen Räumen bedingen, kann von einer verschiedenen Einwirkung der Berufsarten auf den Organismus die Bede sein.

Die Untersuchungen der sog. Gewerbekrankheiten als specifischer, zu den einzelnen Gewerben in ursächlicher Beziehung stehenden Krank- heiten wird dadurch erschwert, daß diese Untersuchungen die Kenntnis aller Erkrankten der verschiedenen Berufszweige, sowie die Zahl der in den einzelnen Altersklassen lebenden Angehörigen jedes Berufs zur Voraussetzung haben. Während die Morbiditatstabellen der Soldaten in allen Kulturländern eine außerordentliche Uebereinstimmung zeigen auf 1000 Mann kommen täglich 40—50 Kranke und auf jeden Soldaten jährlich im Durchschnitt 16—17 Krankheitstage , gehen sowohl die wenig zahlreichen Morbiditätstafeln der verschiedenen Länder im allgemeinen wie die in Bezug auf einzelne Berufsarten aufgestellten Morbiditäts- statistiken sehr erheblich auseinander. Es erklärt sich dies daraus, daß diese Tabellen vielfach ohne Rücksicht auf das Lebens- alter aufgestellt sind, daß femer der Begriff der Krankheit nicht genau umschrieben ist. Während der eine Untersucher die leichten, nur wenige Tage währenden Erkrankungen nicht mitzählt und Unpäßlichkeit und Krankheit streng unterscheidet, werden von einem zweiten Untersucher auch die leichtesten Indispositionen gebucht, und während der eine Untersucher die chronischen Erkrankungen fortläßt und dem Siechtum zuzählt, ohne doch diesen Begriff bestimmt zu umgrenzen, rechnet ein zweiter dieselben den Gewerbekrankheiten zu.

Es muß daher den Forderungen Bertillon^s^^ beigestimmt werden, daß jede Morbiditätstafel sowohl das Alter der Genossen wie das Alter der Kranken und femer die vorübergehenden, die leichteren und schwereren Erkrankungen unter- scheiden und genau umgrenzen muß. Auch erscheint es richtiger, die Morbidität auf Grund der Krankheitstage als auf Gmnd der stattgehabten Krankheitsfälle oder nach der Zahl der Kranken zu berechnen. Endlich sind große Zahlen erforderlich, um den etwaigen Kinfluß persönlicher Verhältnisse Konstitution, wirtschaftliche Verhältnisse etc. zu eliminieren. Ganz besonders erscheint es notwendig, das Material der Krankenkassen dadurch verwertbar zu machen, daß die Versicherten nach Geschlecht, Alter, Civilstand und Beruf kenntlich gemacht, und daß die einzelnen Krankheiten nach einheitlichen Krankheits- und Altersgmppen und mit Berücksichtigung der Zeit des Krankheitseintritts und der Dauer der Erkrankung nachgewiesen werden. In ähnlicher Weise wäre eine Verarbeitung der Unfallstatistiken vorzubereiten.

Von den vorliegenden Morbiditätsstatistiken einzelner abgeschlos- sener Bevölkerungsgmppen verdient nächst derjenigen der Soldaten die

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Allgemeine Oewerbehygiene and Fabrikgesetzgebung.

9

1886

1887

89

82

66

64

56

54

53

48

42

38

36

26

26

Erkrankungsstatistik der Eisenbahn-Bediensteten be- sondere Erwähnung. Nach den Veröffentlichungen des Vereins deutscher Eisen bahn- Verwaltungen ^ ', die mit dem Jahre 1888 ihren vorläufigen Abschluß gefunden haben, erkrankten von je 100 Bediensteten durch- schnittlich

1886

1. Tom Zngbefördemogf-PersoiiAl 83

2. n Zogbegleltangs-Personal 65

8. niederen Stetions-Personml 54

4. Weichenwftrter-Personal 50

5. Bahnbewaebong«- und BihnunterhaltiuigB-Penonal 40

6. Btotions-Pertonal 33

7. Bfirean- und sonstigen Penonal 23

Die Erkrankungshäufigkeit im allgemeinen betrug bei den sämt- lichen an der Morbiditätsstatistik beteiligten Eisenbahn-Verwaltungen

im Jährt 1884 47 Pros. M ., 1885 48

M ♦« I806 51 »♦

,. H 1887 47

läßt also eine Zunahme nicht erkennen; dagegen hat die durchschnitt- liche Krankheitsdauer von 21 Tagen im Jahre 1882 allmählich zugenommen und betrug 1887 im Durchschnitt 24 Tage.

Ein Vergleich der Erkrankungshäufigkeit der verschiedenen Beamten- kate^orien mit der Sterblichkeit ergiebt, daß beide nicht einander parallel gehen. Von je 100 derselben Beamtenkategorie angehörigen Personen starben

1885 1. Tom niederen Stationidienst 1,7

5. Zagbegleitangs-Pertonal i,i

8. Bfirean- und eontt nicht benannten Personal . . 1,8 4. Welehenwirter-Personal i.o

6. Stations-Personal i«0

6. Bahnbewachnngs- and Bahnonterhaltangs-Pertonnl 0,9

7. ZngbefSrdenings-Personal 0,7

Es geht hieraus hervor, daß das am häufigsten erkrankte Zuffbefdrderungs-Personal die geringste Sterblichkeit aufweist

Die Häufigkeit der Erkrankungen nach d^n verschiedenen Alters- klassen ergiebt sich aus folgender Tabelle.

Von je 100 Beamten der betr. Altersklassen erkrankten:

1886

1887

1.4

1,51

l,»7

1.45

I.S6

1.8

MS

I.l

1,16'

1,18

1.14

las

0?76

0.7»

Im Alter

1

1

1

1

1

1

1

1

1

pg

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43 «d

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9.

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1

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J

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ö

1.

79

82

72

74

85

96

III

109

108

82

2.

48

49

54

56

68

77

92

103

64

3.

niederen Stations-Personal

23

39

48

54

58

58

68

70

54

4.

Weichenwlrter-Personal . .

25

»5

41

46

51

54

63

63

48

6.

Babnbewachongs-Personal

"4

»4

31

37

40

42

49

52

6.

Btations-Personal ....

V

«9

31

29

33

35

35

36

45

7.

Personal

H

21

22

22

26

»9

»9

36

s6

^9

36

9

40

43

47

53

71

59

57

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10 ROTH,

Aus dieser Tabelle ergiebt sich, daß mit zunehmendem Alter bei allen Beamtenklassen die Häufigkeit der Erkrankungen zunimmt, mit Ausnahme des Zugbeförderungspersonals (Lokomotivfiährer, Heizer), wo die jüngsten Altersklassen häufiger als die nächst älteren erkrankten. Auch geht aus der Tabelle hervor, daß das Zugbeförderungs- und Zug- begleitungspersonal inbezug auf Erkrankungshäufigkeit die übrigen Be- amtenklassen überragte.

Seit 1882 wurde bei den Eisenbahnbeamten außerdem eine stetige Zunahme der Erkrankungen der Girkulationsorgane, des Rheumatismus und der Krankheiten des Nerven- systems beobachtet, und zwar betraf diese Zunahme vorwiegend die höheren Altersklassen.

Von je 10000 Eisenbahnbeamten erkrankten:

188S 1883 1884 1885 1886 1887

an Krankheiten dei Nerrent jstems 223 233 335 273 304 307

,f der Kr elslanft Organe 73 89 87 94 100 109

darunter dei Henens 3> 30 32 31 38 43

Nach Schuler und Burkhardt erkrankten in der Schweiz von je 1000 Arbeitern:

{darunter Oiefser nnd SeCaer mit 304, Omcker mit 250, Baehblnder mit 98,

f, Seidenweberei 205

,, ,, BanmwoUtpinnerei 335

Baumwolldmckerei 357

P&rberei nnd Bleicherei . . . 383

,, BaamwoUweberei 385

Stickerei 307

Papierftibrikation 343

den mechanischen Werketfttten . . 419 <

imd iwar im Lnmpensaal 479, Handlanger 394, im Papiersaal 377, HolBstoffbereitong 219, am Holunder 193,

und swar die Oiefter 655 (damnter yiele

Yerletste), die HoUarbeiter 536, Schlosser nnd Dreher 427, Former 215.

Aus den Jahresberichten der Knappschaftsvereine ergiebt sich, daß die Zahl der Erkrankungen der im Berg- und Hüttenbau beschäftigten Personen seit 1887 einen geringen Rückgang erkennen läßt. Nach den Sanitätsberichten des oberschlesischen Enappschaftsvereins kamen Er- krankungen

a) auf je 1000 im Bergbau beschäftigte Personen :

1885 1886 1887 234,0 237,7 230,2

b) auf je 1000 im Hüttenbetrieb beschäftigte Personen :

647,0 630,0 549,4

Die Zahl der Lungenerkrankungen mit Ausschluß der Tuberkulose betrug:

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Allgemeine (JewerbehygieBe und Fabrikgesetzgebung.

11

1886

1886

1887

a8,o

129,0

31.8 105,2

33.1 84,»

iberknlose erkrankten:

▼on Je 1000 Bergleoten Ton 1000 Hfittonarbeitoni

-.2,0

3.0

2,1 4,0

0,4 i.s

Deritalieniscben Statistik ^^ (die Jahre 1881—1885 umfassend) ent- nehmen wir über die Erkrankungshäufigkeit einzelner Berufsklassen, daS im fän^ährigen Mittel von je 100 männlichen Personen jeder Altersklasse erkrankten:

im Alter Ton

15—30

30—45

45—60

«k^vk«!

Jahren

Jehren

Jehren

309

30.5

37.1

3^.8

31,4

«7^7

28.8

29,«

28.«

27.6

31,5

29,9

14.5

18,4

19.8

18,8

14.8

17,«

19.«

17.7

11,2

16,5

19,6

16.2

1. Berir- oad H&ttenlento . . . . . t. Schlier, Kohlenarbeiter ete. . .

3. LMttrig«r, Holsflller etc

4. Sehneider

6. Bvehhindler, Knnwarenhindler etc. 6. Küafttier, Beamte, GeiatUche . . .

Von je 100 weiblichen Arbeitern jeder Altersklasse erkrankten:

im Alter Ton

15—30 Jahren

30—45 Jahren

45—60 Jahren

flberhaapt

1. mt aehidliehen Stoffen (Zflndhölsehen, Giganren, Lvmpen) beeehiltigto Personen .

t. HiadlerinDen

3* I^hrerinnen

67,1 15,1 16,7

48,5 2I,S 23.1

4a,6

S;!

50,9

22,8 21.7

Tuberkulöse Erkrankungen wurden am häufigsten bri Spinnern, Webern, Tischlern, Schuhmachern, Lastträgern und bei Lehrerinnen an- getroffen, Krankheiten der Atmungsoi^ane bei Schleifern, Eohlen- arbeitem, Straßenkehrern; Krankheiten des Herzens und der großen GefiLße bei Berg- und Hfkttenleuteu , Feuerarbeitem und Tabaks- arbeitem.

Aus den Berichten der Krankenkassen entnehmen wir der Statistik von Wirminghaus** über die Morbidität der Betriebs - Kranken- kassen-Mitglieder in Deutschland, die nur solche Betriebszweige um- faßt, in denen wenigstens 20000 Personen beschäftigt waren, folgendes :

(Siehe Tabelle S. 12 oben.)

Eine Ergänzung dieser Morbiditätsstatistik, wie sie in den statisti- schen Nachweisungen über die Krankenversicherung der Arbeiter seitens des Kaiserlichen statistischen Amts al^ährlich veröffentlicht wird, wäre geeignet, die Morbidität der einzelnen Betriebszweige um so zutreffender zur Darstellung zu bringen, wenn die Altersklassen der Berufsgenossen gleichzeitige Berücksichtigung fänden. Aus dem Bericht der Arbeiter-Kranken- und Invalidenkasse in Wien, deren Mitgliederzahl

II

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12 ROTH,

Im Jahre 1888 kamen auf einen Angehörigen der

Krankheitsfälle

Krankheitstage

der

der

mftnnliehenlweibliehen

mlnnUchenlweiblichen

Mitglieder

MitgUeder

1. Tabak- und CigarrenftibrikAtion

0,80

0,85

3'6

S«i

t. Malerd

O.S6

0,81

4.1

5.1

S. EisenbahiMii

0,87

0.8«

Sil

4.9

4. Spinnerei

0,80

0,85

4*4

S.8

5. Spinnerei und Weberei

0,81

0,87

5«8

6.7

6. Töpferei, Steioi^at- und PorseUan-Industrie

0.84

0.84

6,1

58

7. Poet, Omnibus, StraAenbahn etc.

0«84

0,89

4.»

6,«

8. Baanntemehmiingen

0,87

0,9 u

6,1

3.5

9. Papierfabrikation

0.87

0,88

5'7

5.8

10. Zockerfkbrikation

0,88

0,84

S<s

4.4

11. Olaefikbrikation

0,88

O.40

4*8

6,1

lt. Masehinenfabrikation

0,44

0,88

7.4

5.9

13. Eiiengierserei , Schmiede, Schlosser,

Madler, Blecbbearbeitnog

0,47

0,88

6,8

5*9

14. Eisen-, Stahl- und Draht-Industrie

0,68

0,40

8.S

6,2

1885 44372 betrug, ergiebt sich für den zehnjährigen Zeitraum von 1876 bis 1885 folgendes:

Von je 1000 Mitgliedern der einzelnen Berufszweige zeigten die höchsten und niedrigsten Erkrankungsziflfem

a) an Tnberknlose.

M aschinenhilfsarbeiter (Hobler, Bohrer etc.) 29,4«

Schuhmacher 25,61

Tischler und Holsarbeiter 35,19

Anstreicher und Lackierer 24,50

Schneider und Kilrsohner 7,70

b) an Verletsnngen und Verbrennungen Schmiede und Feilenhaner 119,09

Maschinenhilfsarbeiter Il6,87

Vormer, Oiefser und OolSipataer 102,89

Biemer, Sattler 37,89

Schneider, Kürschner 24,08

0) an Angen- und Ohren kr ankheiten

Maurer und Steinmetser 14,80

Riemer, Sattler, Lederarbeiter 13,67

Schneider, Kfirsehner 8,60

Anstreicher and Lackierer 7,80

Tischler und Holsarbeiter 5,48

d) an Krankheiten der Atmangsorgai Former, Oiefser und Oafspntser Maschinenhilfsarbeiter Fabrikarbeiter and Tagelöhner Schmiede und FeUenhaner Riemer, Sattler, Lederarbeiter Schneider and Kürschner

e) überhaupt Maschinenhilfsarbeiter Tagelöhner and Fabrikarbeiter Former, Oiefser etc. Schmiede nnd FeUenhaner Riemer and Sattler Sehneider and Kürschner

12

78.88 78,18

77,50 73.45 48,68 35."

488.88 477.86

473.»i 451,57

a82,96 JI5,89

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Allgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 13

Es geht hieraus hervor, daß die Schneider und Kürschner den günstigsten Gesundheitszustand während des zehqährigen Zeitraums au&uweisen hatten, während die Maschinenhilfearbeiter am häufigsten erkrankten ; ihnen schließen sich an die Tagelöhner und Fabri^rbeiter, demnächst folgen die Former und Gießer, die Schmiede und Feilen- hauer, die Maurer, Steinmetzen und Steiubruchsarbeiter. Den Schneidern und Ktlrschnem stehen am nächsten die Riemer, Sattler und Leder- arbeiter, demnächst die Tischler und Holzarbeiter.

Abweichend hiervon zeigten nach dem in dem Statistischen Jahr- buch der Stadt Berlin veröffentlichten Bericht der Berliner Kranken- kassen für das Jahr 1888 die niedrigsten Erkrankungsziffem die Töpfer, Steinsetzer und Tuchmacher, die höchsten die WeiH^erber, Brauer, Mechaniker und Sattler , während die Tischler in der Mitte standen ; den Tuchmachern schlössen sich an die Schneider, weiterhin die Schorn- steinfeger, Weber, Maurer, Schuhmacher und Buchdrucker, die sämüich hinter dem Mittel zurückblieben.

Einen zuverlässigeren Maßstab für den Gesundheitszustand der ein- zeben Berufszweige als die Morbidität, die, wie schon hervorgehoben, kein eindeutiger Begriff ist, geben uns die Mortalitätstabellen an die Hand; aber auch hier sind eine Reihe von Vorsichtsmaßregeln und Einschränkungen geboten, wenn wir nicht den Grad der Unge- sundheit einer bestimmten Berufsart falsch beurteilen wollen. Vor allem ist auch hier notwendig, daß die Mortalität für jede Beschäftigung und auf jede Altersperiode berechnet und auf eine Bevölkerung von der nämlichen Altersverteilung in jedem gewerblichen Betriebe in Anwendung gebracht wird, eine Forderung, der nur wenige der vorliegenden Sta- tistiken genügen. Es kommt hinzu, daß die Klassifikation der ver- schiedenen Beru&arten keine einheitliche ist und dieselben bald weiter, bald enger umgrenzt werden ; je weiter aber die Berufsklassen, um so weniger durchsichtig wird der Einfluß des besonderen Berufe sich geltend machen.

Aus diesem Grunde sind die firtUieren Untersuchungen Conrad's *^, Körösi's^', Kayser's^® u, a., die mehr die Vermögensverhält- nisse, die soziale Lage im allgemeinen als die Berufsthätigkeit berück- sichtiigen, für eine Berufsstatistik im eigentlichen Sinne nicht verwertbar. Weitere Schwierigkeiten sind darin gelegen, daß die Gewerbebezeich- nungen in Bezug auf die Zahl der Lebenden und Gestorbenen vielfach nicht übereinstimmen; daß die Unterschiede zwischen Fabrikant und Händler in den Angaben nicht immer zum Ausdruck kommen, daß Viele mehrere Gewerbe nebeneinander oder im Winter ein anderes Gewerbe als im Sommer betreiben , wie die Gebirgsführer, ein großer Teil der sächsischen Weber u. a., und daß ein Wechsel des Berufs häufig vorkommt, alles Momente, die bei der Zählung ebensowenig Berücksichtigung finden wie die Dauer der Zugehörigkeit zum Beruf und die durch die Oertlichkeit bedingten UnterscM^e der Lebens- führung und der besonderen Ausübungsform des Berufs. Auch der Umstand, daß sich den leichteren, aber vielfach ungesunden Beschäftigungen gewöhnlich nur schwächliche Personen zuwenden (Hausierer, Krämer, Schneider u. a.), wälurend das Gewerbe der Schlosser, Brauer, Schmiede, Fuhrleute, Packer, Bergarbeiter u. a. gewöhnlich nur von kräftigen, von Haus aus gesunden Personen ergrifien wird, ist geeignet, die Er- gebnisse der Berufsstatistik zu beeinflussen. Es ist deshdb notwendig,

»3

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14 ROtH,

den Statistiken und Berechnungen möglichst große Zahlen zu Grunde zu legen und dieselben auf die am besten umgrenzten Berufearten zu beschränken.

Die ersten einigermaßen zuverlässigen Sterblichkeitstafeln verdanken wir W\ Farr für die Jahre 1860/61 und 1870/72; sowie seinem Nach- folger Ogle bezüglich der Jahre 1880/82, wobei zu berücksichtigen bleibt, daß die Verarbeitung des Urmaterials im Gensus Office in Eng- land von kompetenten Beurteilem als eine einwandsfreie nicht erachtet wird. Für die Schweiz stellte Kummer für die Jahre 1879 bis 1882 Sterblichkeitstafeln auf, während Bertillon für Frankreich für die Jahre 1885 bis 1888 Sterblichkeitstafeln nach Berufsarten zusammen- stellte. Bertillon beschränkte seine Untersuchungen auf nur 43 Be- rufsarten, ohne selbst bei diesen in jedem Falle genauer Angaben sicher zu sein, und auf das Alter von 20 60 Jahren. Ogle's Berechnungen beziehen sich auf 44 Beru&arten und das Alter von 25—65 Jahren. Wegen der größeren Zuverlässigkeit der Alters- und Berufisangaben be- sch^kten Ogle wie Bertillon und ihre Vorgänger die Untersudiungen auf das männliche Geschlecht

Wenn nun auch diese großen Statistiken nur eine mittelbare Ver- wertung ihrer Ergebnisse gestatten und unter Berücksichtigung der mittleren Sterblichkeit jedes der drei Länder immer noch mandierlei Abweichungen voneinander zeigen, so ist doch der hohe wissenschaft- liche Wert derselben nicht zu leugnen, namentlich auch mit Bezug auf die sozialpolitische Gesetzgebung Deutschlands. Sie sind geeignet, dem Hygieniker in Bezug auf die besonders gefährdeten Berufsarten Fingerzeige zu geben und anzudeuten, wo die Spezialuntersuchung einzusetzen hat, während die Ergründung der ursächlichen Schädlichkeiten sorg- fältigen Einzeluntersuchungen eng umgrenzter Kate- gorien von Gewerbetreibenden vorbehalten bleiben muß.

Nach Ogle zeigten die niedrigste Sterblichkeitsziffer die Geist- lichen, nämlich 8,6 auf je 1000; setzt man diese Verhältniszahl = 100 und berechnet aus den besonderen Sterblichkeitsziffem der wichtigste Berufsarten die entsprechenden Werte, so erhält man die nachfolgende vergleichende Sterblichkeitstafel nach Ogle, umfassend Be- rufsarten und das Alter von 25 65 Jahren.

(Siehe Tabelle S. 15 oben.)

Den lebenverkürzenden Einfluß des Alkoholismus zeigte Ogle in seinem auf dem VH. internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie in London gehaltenen Vortrage an folgender Tabelle.

Es starbt von 1000 im Alter von 25—65 Jahren stehenden

SpiritaoMD- tob aUtn M ImMrn

▼erkinfem

55

10

Leberkrankheiteil

340

39

Oicht

13

3

,, Nerrenkrankheiten

aoo

119

durch Seibetmord

s6

14

an Krankheiten des HamapparaU

83

41

CirkolationsapparaU

140

120

infolge anderer Ursachen

764

654

alle Ursachen snsammen

1531

1000

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AUgemeine Qewerbehygiene and Fabrikgesetzgebong.

15

1. G«isUieb6

S. Girtn«r

S. Fanner (Landwirt«, Vieh- sfiebter)

4. LandvirtocliafUiehe Arbaiter

5. PaiiUrmaelier

6. Krimer

7. flacher

8. Zimmerleate, Baatisehler .

9. AdYokaton

10. Seidenarbeitvr ....

11. Masebiaenbaaer .... IS. Ladenhalter im allgemeineD

15. Taehblndler

14. Kohleognibenarbeiter . .

16. Schlüter

16. Handlaiigirei»ende . . .

17. MfiUer

Ift. Bäcker

19. Knnstschreuier, Tapeiierer

50. Maurer «nd St^nhaaer

51. Sehmiede

55. Handlimgsdieuer . . .

53. Eisenbahn-, Chaussee- nnd Erdarbeiter

54. BüehsenmacLer ....

56. Arbeiter in Wollmannfaktor.

8,6

100

9,»7

108

9,76

"4

10,84

136

11,09

139

11,98

139

ia,88

143

12.69

14«

13,08

15a

1307

153

13^87

155

13-57

158

13.66

"59

13.78

160

14<9&

166

14.67

171

I4.8O

«72

14^8«

172

14.90

173

14.99

174

I5.O6

«75

15.11

179

15.86

185

15,96

186

i5»»7

186

S«. Schneider

57. Hntmacher

58. Bnehdmeker ....

59. Arbeiter in Banmwoil- mannfaktiiren ....

50. Aente (WnndArate) . .

51. Arbeiter in Stein- und Sehieferbrflehen . . .

SS. Bnehbinder

ZS. Fleischer (Schlichter)

84. Glasarbeiter

85. Bleiarbeiter, Anstreicher (Glaser)

86. Messerschmiede etc. . .

87. Brauer

88. Droschkenkutscher, Om- nibnsbedienstete . . .

89. Wirte und "Branntwein- hftndler

40. Feilenhaner

41. Steingot- and Thon waren- Arbeiter

4S. Bergleute in 2Hnng^ben (Comwall)

48. Vorkosthindler, Uansierer, StrafsenTerklofer . . .

44. Qasthansbedienstete . .

I6,i6 l6,46 16,57

l6,8S 17,86

17,86

l8,05

18,10

l8,41

l8,60 19,69 21,06

22,98

23,08 25,79

26,95

28,45

29,07 34.11

189 191 193

196 303

303 310 311 314

3l6 339 245

267

274 300

3*3

331

338 397

Ebendort Ulustrierte Ogle den Einfluß schlechter und namentlich stauberfüllter Luft auf die Atmungsorgane und deren Erkrankungen. Wird die Sterblichkeit der 25 6ö-jährigen Fischer an Phthisis und Erkrankungen der Atmungsorgane «» 100 ge- rechnet, so starben im Alter von 25—66 Jahren

an Phthisis

nisamm

64

103

166

103

67

170

8. B8eker

107

94

201

4. Kavrer, Steinhaner

127

I03

229

6. WoUarbeiter

130

104

«34

137

137

274

7. Stein- nnd Sehieferbreeher

156

13«

394

8. Measmehmiede, Zevgachmiede

187

196

383

219

177

396

la T5pfer

239

326

56s

(comith miners)

348

231

579

IS. Fischer

55

45

ICD

Diese Tabelle Ogle 's bestätigt auch die von anderen Beobachtern, insbesondere von Schlockow, Hirt, Merkel, Fossida u. A. gefundene Thatsache, daß die Sterblichkeit an Tuberkulose bei den Kohlengrubenarbeitern eine erheblich niedrigere ist als bei anderen gewerblichen Arbeitern.

15

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16

ROTH,

Nach Kummer ^^ entfielen auf je 1000 m&nnliche Individuen derselben Berufsklasse Schwindsuchtssterbefillle :

bei den Aekerbfirgarn

A«rit8ii

,, GMtwirton

^ Lehrern

tt Bdtlehem

Blekem

13,8

«9,4 32,8

ü::

Nachstehend lasse ich die Mortalitätstabelle Bertil- lon's, welche die Sterblichkeit der verschiedenen Berufsarten für die Jahre 1885/88 nach Altersklassen wiedergiebt, in abgekürzter Form folgen, unter Weglassung hauptsächlich deijenigen Berufsklassen, die nicht genau umgrenzt sind oder in technischer und gesundheitlicher Be- ziehung verschiedene Berufsarten umfassen:

Auf 1000 männliche Individuen starben im Jahre von den

im Alter yod

«0-2» Jahren

30—89 Jahren

40—49 JahreD

60—59 Jahren

1. Speaereihindlem

S. Pharmaseateii und Drogisten

8. Leitern and Lehrern an öffentliehen Lehranstalten

4. Post- und Telegraphenbeamten

5. Vorkost- nnd Qemflsehlndlem

«. Architekten

7. Aenten nnd Wondinteu

8. Geistlichen und Ordensbrfidem

9. Hat£abrikanten nnd Hftndlem

10. Adyokaten

11. Posamentier- nnd WeUswarenhIndlem ....

15. Oirtnem

18. Gerbern, Lederarbeitern

14. Konsttischlem, Mftbelfabrikanten

16. Bnchbindem

16. BOttohem, Korbmachern, Schachtel- und Kisten- machern

17. Fleischern, Wurstmachern und WursthAndlem .

18. Znokerbickem , Konditoren, ChokoladenCsbrt- kanten

19. Barbieren und Friseuren

tO. Maurern, Steinschneidern, Dachdeckern . . .

tl. Schlossern

ff. Schneidern

tS. Tischlern, Zimmerleuten

94. Maschinenarbeitem

96. Schuhmachern

96. Wein- und Liqneuriiftndlem, Bestanratenren, Gast- wirten

97. Beamten

98. Blekem

99. Fuhrleuten

80. Bankiers, Miklem, Agenten, AngesteUten der Banken

81. Druckern (Lithographen, GraTCoren, Kupfer- stechern)

89. Malern, Glasern, Dekorateuren etc.

der gesamten minnlichen BeTÖlkenuig von Paris

16

6,6

7,8

7,0 5.7 5«7 3»6 5,0 5.9 9,8 91

IM 9,1

9.0

11,9

10,9 10 6

15.0 14,8

9.A 10,9

9.1 10,5 13,7 13.4

13,0 10,8 12.4 17,«

I7.Ö

17.8 14,8

7*0

8,&

7.8

9,9

5.»

II. 8 8.9 8.8 11,6 18,9 13.6 11,6

13.« 14.1

14.8 140

16,6

16,0

14«

11,8 18.8 16,9 199

31,9

15,8 16,9 21,5

30,8

93,7 93.0

11,1 I 14.9

8,7 II,l

58

10,5

II.8 17,0 9.8 9.0 15.9 II. 1 20,4 21,6 11,1 16.8 13.9

17,7 22,6

30.4 18,1 23,7 23,8 23,4 94.8 21,9 20.4

25»7 22,4

24.4 36,7

28,1

36,7 28,8

11,4 15.7 17.0 19,3 174 35,8 21,9 30.5

236 22,8

23,8 24.» 27,4

36.1 37,5

35,0

33,2 31.4 32,9 39.8 30,7 36,0 35.8

30.9

42,9 39,0 30,4

30,7

40,6 43,0

31,9

31,0

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Allgemeine Oewerbehygiene und Eabrikgesetzgebang. 17

Auch aus der yorstehenden Tabelle sind absolute Schlösse nicht zu ziehen, was sich zu einem Teil aus der Kleinheit der f&r die ein- zelnen Altersklassen yielfach zu Gebote stehenden Zahlen, hauptsächlich aber aus der Unsicherheit der Umgrenzung der einzelnen Berufearten erklärt. Dies ist auch der Grund fQr die zum Teil erheblichen Ab- weichungen, welche die Tabelle Bertillon's von den entsprechenden Zahlen der en^chen und der schweizerischen Statistik zeigt. So ist, um nur eiuiges hervorzuheben, besonders auffallend das erheblich günstigere Verhalten der Aerzte und Apotheker in Frankreich g^en- Aber England, Deutschland und der Schweiz und die hohe Mortalität der Beamten in Frankreich. Während femer die Zimmerleute, Tischler, Schuhmacher und Bäcker in England verhältnismäßig günstig gestellt sind und hinter dem Durchschnitt zurückbleiben, gehören sie in der Tabelle Bertillon's zu den besonders ungünstig gestellten Berufs- arten, wobei bezüglich der Bäcker die Erklärung zum Teil darin gelegen sein mag, daß in England die Eonditoren, die eine günstige Sterblich- keit aufweisen, in diese Berufeklasse mit hineinbezogen sind. Umge- kehrt sind die Hutmacher in Frankreich sehr viel günstiger gestellt als in England, was wieder seine Erklärung darin findet, daß in der Tabelle Bertillon's die Händler derselben Kategorie zugezählt sind, wie es auch bei den Goldarbeitem , Uhrmachern und vielen anderen Berufeiarten geschehen ist. Ganz besonders auffallend sind endlich noch das ungünstige Verhalten der Buchbinder in England, die hier eiue höhere Mortalität aufweisen als die Buchdrucker, während sie in Frank- reich und Deutschland erheblich hinter dem Durchschnitt zurückbleiben, sowie die Unterschiede der Sterblichkeit der Brauer in den verschie- denen Ländern, die in England eine hohe Mortalität aufweisen, während die Mortalität derselben in der Schweiz und Amerika nur eine niedrige ist.

Bis daher zuverlässigere und in den verschiedenen Ländern mög- lichst übereinstimmende Grundlagen für solche großen allgemeinen Stati- stiken geschaffen sind, bleiben bloße Vergleiche derselben untereinander unsicher und trügerisch. Im Gegensatz zu diesen allgemein-statistischen Untersuchungen lassen sich mit einfachen Mitteln unmittelbare Resultate erzielen durch die Erforschung einzelner scharf umgrenzter Berufsarten auf Grund möglichst umfassender Zahlen. Von der Ausführung und Weiterführung solcher Unter- suchungen ist die Förderung gewerbehygienischer Maßnahmen in erster Linie abhängig.

Von den in dieser Beziehung vorliegenden zahlreichen Spezialunter- suchungen, die sidi mit dem Nachweis der Schädlichkeiten einzelner Berufsarten beschäftigen, verdienen wegen der ihnen zukommenden aU- gemeinen Bedeutung besondere Erwähnung die Untersuchungen von Oldendorff über die Schädlichkeit des Schleifergewerbes in Solingen imd Umgegend und diejenigen von H. Albrecht über die Häufigkeit der Tuberkulose im Buchdruckereigewerbe.

Nach Oldendorff*^ betrug das Durchschnittsalter der in Solingen und Umg^end in dem Zeitabschnitt von 1850—1874 über 20 Jahre alt gestorbenen

Schleifer

39,4 Jahre

Eisenarbeiter

48.» M

fibrigen minnliehen Bevölkerang

54*4

Hudboch der HygieiM. Bd. VItl.

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by^l^OglCL

18 ROTH,

das Durchschnittsalter der Schleifer stellte sich danach um 15 Jahre niedriger als das der fkbrigen Bevölkerung.

Die Sterblichkeit dieser drei Bevölkerungskategorien an Lungen- schwindsucht für das Jahr 1875 und die 8 der Stattetik zu Grunde liegenden Gemeinden ergiebt sich aus folgender Tabelle:

Von je 100 Todesfülen überhaupt fielen auf Lungenschwindsucht

im Alter beiden Eisen- der übrigen

m Innlichen

on Schleifern Arbeitern

Beyfflkernng

bis lu SO Jahren 85,7 63,6 «0— SO 76.9 77il 81,5

SO— 40 «7,0 73a 54.5

40—60 91 J 69,4 56,0

Aber 50 50^0 39^» 3»,»

BUS : 78,8 59,0 41o

Von je 1000 Lebenden starben an Lungenschwindsucht

»- ^^^" Schleifer .?j!f »1 m^nVuc\.

Bevölkernng

on ^vu*«w Arbeiter

bis SU SO Jahren 9,9 3,«

tO— SO 14,0 13,4 8,1

80—40 31,» 9,6 5,1

40—60 50,« 21,5 9,1

fiber60 67^3 3M I3,s

SOS.: 23,8 13,5 9,0

Trotz der Kleinheit der nur auf ein Beobachtungsjahr sich be- ziehenden Zi^en sind dieselben doch geeignet, die excessive Sterblich- keit an Lungenschwindsucht nicht bloß der Schleifer, sondern auch der übrigen Bevölkerungsgruppen darzuthun.

H. Albrecht*^ kommt auf Grund seiner Mortalitätsstatistik der Buchdrucker zu dem Schluß, daß die Beschäftigung der Buchdrucker zu denen mit relativ hoher Sterblichkeit gehört, und daß unter den Krankheiten, welche diese Sterblichkeit bedingen, weitaus die Er- krankungen der Respirationsorgane, speziell die Lungenschwindsucht in erster Linie stehen; besonders auffallend war der hohe Anteil, den die jugendlichen Altersklassen an der Sterblichkeit, speziell an der Schwind- suchtssterblichkeit aufweisen. Von den in einem Zeitraum von 33 Jahren beobachteten Sterbefidlen der Ortskrankenkasse der Buchdrucker in Berlin, 1309 Fälle umfassend, kamen auf Lungenschwindsucht 48,13 Proz., auf Erkrankungen der Respirationsorgane fkberhaupt 60,96 Proz., dem gegenüber fiel der Bleivergiftung nur ein geringer Anteil an der Sterblichkeit zu, während dieselbe als Krankheitsursache be- sondere Beachtung erfordert. Auf Grund dieser Ermittelungen nahm der Minister filr Handel und Gewerbe in Preußen Veranlassung, unter dem 15. Februar 1892 auf die Notwendigkeit hygienischer Maßnahmen in den Buchdruckereien hinzuweisen und eine Untersuchung der Ge- sundheitsverhältnisse der Buchdruckergehilfen anzuordnen.

Besonders wertvoll sind endlich die mit dem Jahre 1868 begonnentti und mit dem Jahre 1889 abgeschlossenen statistischen Nachriditen des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen, die sich auf durchschnittlich 200000 Eisenbahnbedienstete erstrecken und die Unterschiede in der Erkrankungs- und Sterbenshäufigkeit bei den verschiedenen Beamten- kat^orien erkennen lassen*^.

i8

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Allgemeine GFewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 19

Im Jahre 1887 starben von je 1000 Beamten:

im Alter bia 60 Jahren im Alter von 50 60 Jahren 1. bei dem Ziigbef5rderanfi^Pertonal 6,6 13.3

t.

Stations-Personal

7»»

10,8

s.

den WeichenwSrtem

7»4

18.5

4.

tt

dem Bahobewachangs-Personal

8.»

15.4

5.

•t

Zngbegleitongs-Personal

11,8

32,6

6.

niederen Stations-Pertonal

ia.9

20,7

Auf alle Altersklassen bezogen, war die Sterblichkeit am geringsten beim Zugbeförderungs-Personal, und zwar betrug dieselbe 7,2 p. m., am beträchtlichsten war dieselbe beim niederen Stations-Personal und dem Zugbegleitungs-Personal, n&mlich 15,1 und 14,5 p. m.

Unter den Todesursachen nehmen die Erkrankungen der Atmungsorgane die bei weitem erste Stelle ein; demnächst folgen die Krankheiten der Verdauungsoif^ane und des Nervensystems und weiterhin die Krankheiten der Kreislaufeorgane und die Verletzungen im Dienst als Todesursachen.

Eine vergleichende Betrachtung dieser Jahresstatistiken der Eisen- bahnbediensteten ergiebt, daß die Zahl der dienstunfähig gewordenen Beamten gegenfkber dem nach den Jahren 1868/84 zu erwartenden Durchschnitt aUjährlich zugenommen hat, während die Zahl der im Dienst gestorbenen Beamten hinter der zu erwartenden Zahl zurück- geblieben ist Es ergiebt sich femer, daß sowohl Verletzungen im Dienst wie auch Erkrankungen des Nervensystems und^ des Herzens bei dem Zugpersonal verhältnismäßig sehr viel häufiger beobachtet wurden als bei den fkbrigen Beamtenkategorien, und daß die Erkrankungen des Nervensystems und die rheumatischen Erkrankungen mit jedem Jahre zugenommen haben. Daß die sich hieraus ergebenden prophylaktischen Schlußfolgerungen der bessere Schutz des Zugbeförderungs-Personals gegen Witterungseinflüsse, sowie g^en die durch körperliche und geistige ÜeDeranstrengung und durch die andauernde Erschütterung hervor- gebrachten körperlichen Schädigungen der Eisenbahnverwaltung bezw. dem hygienischen Beirat derselben, den Bahnärzten, nicht en^angen sind, bezeugen die vielfachen Dienst- und Betriebsänderungen, sowie die mannigfachen technischen Verbesserungen, die ausschließlich zu dem Zweck getroffen wurden, diesen Schädlichkeiten nach Möglichkeit vor- zubeugen.

{Siehß EitmbakHhpgiene m Bd, 6 die». Handbuehei).

lieber den Einftufs der Industrie auf die weiblichen Arbeiter^ siehe Bluhm in diesem Bande.

1) Bahti, Beiträge mt, einer wUmationdUn StaUeUk der Todeeursaehen, ArheiUn otc« <fem KoMeerUehen Guundheüeheüeamt 4. Bd,

2) Sohlookow, Die Verbreüung der Iktberkuloee m DeuteelkUmd und einige ihrer üreaehen^ ZeiUckrift dee K. Pr. etai, Bureau» (1888) H0 8/4.

8) FinkelBbnrg , üAer den hpgieniiehen Gegeneai» von Stadt und Land, inebeeandere m der BheinpromnMy O, f aOg. Oee, (1882), 1. Jahrgang.

4) L. Koekl, Ueber die Sterbliehkeit an Tuberindote in der Rkeinpromn» bexOgüeh ihrer Ab- hängigkeit von induetrieiler Betehd^ftigungf O. /. aUg. Oee. (1890) 9. Jahrgang,

5) Both, VI. Oenertdberieht Über da» Sanität»- und Medimnalweeen im Begiervngtbeatirh KötUn u^faesend dk Jahre 1889/91 (1898).

6) A. Oldendorff, Einßu/» der Fabrikgetetagebung m England an^f die Sterbliehkeä der Frauen und Kinder ^ Ergänzungehe/te num 0. /. aüg. Qe». 1. Bd. Heft 8; Einflu/e der Beeehltftigung avf die LebeMdauer dee Meneehen nebet Erörterung der weeentUdien Todeeweaehen, Beiträge nur Forderung der Oßentlidien Oeeundheitepfiege, 2. Au/l. (1877).

7) D. Bandberg, Die Abnahme der Lungeneehwindeueht m England während der drei letzten

2* 19

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20 ROTH, Allgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebimg.

J>4cennwH natik Ben^ und €ft$ekUdd, an« dem Efgimmckm /MfdM dtr tMßträiäi Bem^ Z, /. H^g. ttnJ I^ftH. 9. Bd. 876.

8) W. Ogle, Mwridüb^ m rdaüom to oeeupation^ TVamaeiümB qftke VII, imt, Ccmgr, ^f Hyg. tmd V§m., Vol, X Div. II 18 (1891).

9) Fr. SriimAnB, UniUrnukimgm Mber die iörperUeke Eniwicktihang der FabrikarUiUr im Omttral-Ruftltmd (1889), TBbimg§m, SoHderabdruek omm dem Arek. ßhr umale Geeetagebum^ vmd iflfftfiffr^.

10) T. Bohnler, Fabrikkygiene idui FabrikgueU^febtmgt Arheüem der hygiemteken Bdttion dte inUmatitmaUm Komgrteeee ßtr Hygiene und Demographie^ Wien 1887 Brfi 14.

11) T. Solinler %md A. B. Bnrkhardt, Untereuänungen über die OeeundheüeverhOltmeee der FahrihbevffOterung m der S^wein, mit beeonderer BerMekeiektigung du Krankenkauem-' weiene^ Aaram 1889.

It) J. BertUlon, Bur ia morbidiU H epieialement mir la morbidOi profunmuXU^ Beme Mygibne ei de poliee •amtabre (1889) Nr. \\ \ De Ut morbidiU ei de la tnoriaiHi par pro- feteione, Bemte d^kygüne (1891) Nr. 11, 981; De la morbidiU ei de la mortaUU par profutiontf T^neaeÜOM of ihe VII, mt Cemigßr, of Hyg. and Demograpky^ Vol. Z Div, II 88.

18) H. Zimmermimi, Beiträge wur Tkeorie der Dieneimtfilkigkeäe' und BUrbene-Biatielik, im Auftragt du Vereine deutidter Bi»enbahmioer%pathmgen^ BerUn 1886, 1887, 1888.

14) VeröffenÜ. du KaiterUehen GeeundkeiitamU (1891) 641.

16) A. Wirmingliaiis, StaUeük der Krankemvereiekerung der Arbeiter im DeuUeken Beiek /ttr da» Jahr 1888, OonraJtt Jakrbüeker ßbr NaHonaUfkonomie 81. Bd. 8. H^ 298.

1«) Beitrag wur Untereuekung du Ein/ueeu mm LebeneeteOung und Ber^f amf die MoHaUtäie» werkäitnieUf Satnmhmg naüonatifkonomiteker und etaüetieeker Abkandbmgem von Dr. J. Conrad, Jena 1878.

17) J. Köröfi, Die SterbliehkeU der Btadt Peük in den Jakren 1874 und 1876 und deren Ureaeken, Berlin 1877.

18) B. KftjMr, Ueber den Sinflu/e du Ber^e aitf Bterbliekkeii und Lebensdauer, naek dem Material du etOdL §iaaiti§eken BMreaue m Breslau , V. f. g. M. und IffenO. Sanitäter IMM», Neue Folge 88. und 84. Bd.

19) Kummer, Bericht über die »chtoeiaeriedke StaÜetik, V. intemationdler Komgrefe flbr Hygiene und Demographie im Haag, (1884) V. Sektion: Demographie.

80) A. Oldondorff, Die MortaUtäte- und MorbiditäteverkOltniue der MetaUeekU^ in ßoUngen und Umgegend, eowie in Bemsekeid und Sronenberg, O. J, aüg. €he, (1888) 1. Jahrgang.

81) H. Albreoht, Die BenifthraMkeüen der Buekdrueker, ein Beitrag mar gewerbluken Morbidäate- und MortaHtätsstatiiiik , ßekmoOer^e Jakebmek pbr Ouetagebung eU. (1891) Heft 8 818.

88) VerößeniL du Kaie. Ouundktiteamtet X und folgende Jahrgänge und H. ZimBArmMUi ef, 18.

20

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ZWEITER ABSCHNITT.

Besondere Gefahren Im Gewerbebetrieb.

Die Gewerbehygiene hat die Aufgabe, einmal das Wohl des Arbeiters durch hygienische Maßnahmen innerhalb und außerhalb der Arbeitsstätte zu fördern und ihn vor Schädigungen seiner Gesundheit und seines Lebens durch den Gewerbebetrieb zu bewahren, un- zweitens, Schädigungen der Gesundheit der Anwohner im engeren und weiteren Sinne oder Beeinträchtigun- gen ihres Wohlbefindens zu verhüten.

Seh&digimg der Arbeiter.

Die hierher gehörigen Gefahren sind entweder allgemeiner Natur oder sie beziehen sich auf einen besonderen Gewerbebetrieb und eine spezidle Fabrikanlage.

Außer den Betriebsgefahren im engeren Sinne gehören hierher die Feuers- und Explosionsgefahr und die Gefahr zu verunglücken.

Ihrer Verhütung dienen außer den gesetzlichen und administrativen alle diejenigen Maßnamen, die den Arbeiterschutz und Betriebsschutz bezwecken mit Einschluß der Wohlfahrtsbestrebungen. .

{Vergl. auch dem AbtdmiU von Kraft m dieiem Bande).

1. UnfinUsgefSriir und UnfUlstatbtlk Im aUgemelneiu

Mit üebergehung der Feuers- und Explosionsgefahr geben wir in der nachfolgenden Tabelle eine Zusammenstellung, betreffend die Zahl der Unfälle in den gewerblichen und landwirtschaft- lichen Berufsgenossenschaften, sowie in den staatlichen Betrieben während der Jahre 1887/91*. (Siehe Tabelle S. 22 und 23.)

Es ergiebt sich hieraus, daß sowohl die allgemeine Unfall- Ziffer wie die der entschädigungspflichtigen Unfälle stetig zugenommen hat. Eine geringe Abnahme der ent- schädigungspflichtigen Unfälle im Verhältnis zur Zahl der UnMe

31

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22

ROTH,

1.

2.

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1.

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Pros.

Pros.

Pros.

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Pros.

Pros.

1000

Personen oder

1000

Personen oder

ver-

15 Proi.

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11,8 Pros.

sicherte

der Unfllle

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fiberhanpt

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1888

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1889

139549

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1880

149 188

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der Unfllle

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1891

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5604

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2092 6,9

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*) Die ▼orfibergehende Erwerbsunflttiigkeit umfsl^t die UnflUIe mit einer Erwerbs- **) In der ▼orstehenden Berechnung sind ▼on den staatlichen AusffihmngsbehArden der Eisenbahn^erwaltung berficksichtigt

22

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Allgemeine Gtowerbehygiene und Eabrikgesetzgebmig.

1.

9.

3.

1.

3.

8.

Von diesen ent-

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landwirt-

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(39 des Jahres 1888 ond

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9193

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der UnfUle überhaupt

der UnflUle fiberhaopt

10790

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der UnflUle fiberhaopt

der UnflUle fiberhaopt

1'^:,

1576 6,07

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1877

5842

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der UnflUle fiberhaopt

der UnflUle fiberhaopt

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der UnflUle fiberhaopt

ufiliigkeit Ton 18 Wochen bis zo 6 Monaten.

Bor diitjenigen der MarinoTerwaltong, der HeeresTcrwaltong, der Post, der Telegraphie ond

33

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24 ROTH,

Überhaupt läßt das Jahr 1889 bei den staatlichen AusfOhrungsbehörden und im speziellen im Bereich der Eisenbahnverwaltong erkennen. Aus der TabeUe ist femer ersichtlich, wie sehr viel niedriger die Unfall- ziffer in den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sich stellt, so- daß durch das Hinzukommen derselben die Unfallziffer im Ganzen einen erheblichen Bückgang erfahren mußte. Endlich zeigt die Zu- sammenstellung, daß die Zahl der Unfälle mit tödlichem Ausgang, mit Ausnalime wieder der Eisenbahnverwaltung , fortschreitend zurückge- gangen ist, während der Prozentsatz der Unfälle mit dauernder Er- werbsunfähigkeit einen solchen Bückgang nicht erkennen läßt.

Die Gesamtzahl der bei den 64 gewerblichen Berufegenossen- schaften im Jahre 1891 zur Anmeldung gelangten Unfälle betrug 31,94 auf je 1000 versicherte Personen. Diese Durchschnittsziffer wurde' von 21 Berufsgenossenschaften überschritten; die höchste Ziffer zeigte, wie in den Vorjahren, die rheinisch - westfälische Hütten- und Walz- werks - Berufsgenossenschaft mit 119,42 Unfällen auf 1000 yersicherte Personen.

Entschädigungspflichtige Unfälle kamen im Jahre 1891 in den 64 ge- werblichen Berufsgenossenschaften 5,55 auf je 1000 versicherte Per- sonen; am weitesten zurück hinter diesem Durchschnitt blieben die Tabaks-Berufsgenossenschaft mit0,44, die Seidenindustrie-Berufegenossen- schaft mit 1,16, die Bekleidungsindustrie-BerufiBgenossenschaft mit 1,67, die Straßenbahn-Berufegenossenschaft mit 1,73 und weiter die Töpferei-, Buchdruckerei- und Musikinstrumentenindustrie-Berufsgenossenschaften. Die höchsten Ziffern wiesen auf die Brauerei- und Mälzerei-Berufege- nossenschaft mit 12,78, die bayrische Holzindustrie-Berufsgenossenschaft mit 11,50, die Fuhrwerks-Berufegenossenschaft mit 10,30, die Speditions-, Speicherei- und Kellerei-Berufsgenossenschaft mit 10,54, die rheinisch- westfälische Hütten- und Walzwerks-Berufegenossenschaft mit 9,99, die bayerische Baugewerks-Berufsgenossenschaft mit 9,80, die Knappschafts- Berufsgenossenschaft mit 9,51 auf je 1000 versicherte Personen; ,e8 folgen weiter die Müllerei-Berufsgenossenschaft, die norddeutsche Holz- Berufsgenossenschaft, die Binnenschiffahrts- , die Baugewerks- und die Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaften.

Zum Zweck des Ausbaues der Unfallyerhütung, und um einen auf statistischer Unterlage gegründeten Einblick in die Natur der Unfidle nach der Zeit und Gelegenheit, nach den Ursachen und Folgen unter Berücksichtigung aller Umstände zu gewinnen, hat das ReichsversicherungB- amt eine Statistik der entschädigungspflichtigen Unfälle des Jahres 1887 auf Grund sorgfältiger Erhebungen veranstaltet'.

Die Zahl der UnfUle belief sich im Jahre 1887 auf 15 970; von diesen hatten 18,51 Proz. den Tod und 17,7 Proz. dauernde völlige Erwerbsunfähig- keit zur Folge. Auf 1000 versicherte Personen entfielen 0,77 getötete und 8,87 sonstige schwer verletzte. In der großen Mehrzahl 14 840 Fälle umfassend ^ bestanden die Verletzungen in auf mechanischem Wege herbeigeführten Wunden, Quetschungen, Knochenbrüchen etc. ; demnächst folgten Verbrennungen, Verbrühungen oder Aetzungen mit 851 Fällen; in 147 Fällen erfolgte der Tod durch Ertrinken, in 114 Fällen durch Erstickung und in 18 Fällen durch Frost, Blitz etc.

Unter den Wochentagen zeigte der Montag, Freitag und Sonnabend eine Zunahme der UnfUle. Von den Tageszeiten waren die Vormittags-

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Allgemeine Oewerbehygiene und Pabrikgesetzgebung. 25

stunden von 9 12 Uhr und die Nachmittagsstunden von 8—6 Uhr in höherem Maße mit Un&llen belastet. Für Montag Vormittag trat eine weitere durchschnittliche Steigerung um 0,84 Proz. und f&r Sonnabend Nachmittag eine solche um 4 Proz. ein, Durchschnitte, die bei einzelnen Berufsgenossenschaften ganz erheblich überschritten wurden.

Von den entschädigten Unfällen kamen auf Verletzungen durch Maschinen 4287 Fälle = 26,8 Proz., darunter 469 Todesfälle oder 10,9 Proz. Die Statistik lehrt weiter, daß nahezu der vierte Teil aller schweren Unfälle, die durch Maschinen ver- ursacht sind, auf den Verkehr an Treibriemen und Zahnrädern entfällt und somit bei sorgfältiger Beob- achtung und Ueberwachung der Unfallverhfltungsvor- schriften, insbesondere der Bestimmung, daß Riemen immer nur mittels Biemenaufleger und nur bei langsamem Gans oder Stillstand der Maschine auflegt werden dürfen, sowie bei vorschrifts- mäßiger Anbringung von Riemenkästen, Räderverdecken, Riemen- und Räderumwehrungen, mit Sicherheit vermeidbar ist.

Von den entschädigten Unfällen kamen auf anderweitige Verletzungen 73,16 Proz. mit 21,29 Proz. TodesMen. Unter diesen anderweitigen Verletzungen nehmen nach der Zahl der UnflÜ]e die erste Stdle ein die durch den Zusammenbruch und Einsturz von Fels, Sand, Erdmassen, Gerüsten u. a. verursachten Unfidle; hiernach kommen die Unfälle durch Sturz von Treppen, Leitern, Gerüsten etc. und auf ebener Erde, alsdann die Unftlle beim Auf- und Abladen, Heben, Tragen und Aebnlichem.

Als Ursachen der Unfälle ergaben sich:

A. Den tTnternehmern tarLast f » 1 1 n d (nuuigeUiaft« BetriebMinrichtangeo , keine oder ongenllgende Anweisong,

Fehlen Ton SchatiTorrichtungeo) 3156 Fftlle es 19,76 Pros.

B. Den Arbeitern zur Lest feilend (Niehtbenntinng ▼orhandener Sohntsvorricbtnngen, Hendeln wider Vorschrift, Leichteinn, Ungesebickliehkeit, Uneehtemmkeit, angeeignete

Kleidnng 4094 -=25,64

C. Teils den Unternehmern, teils den Arbeitern inrLast fallend (Fehlen Ton SchatsTorrichtnngen n. s. w. nnd Unachtsamkeit a. s. w. der Arbeiter selbst, Schuld von

Mitarbeitern) 123$ » 7,78

Samma 8485 KAlle « 53,1s Pros.

D. Andere Orsaohen (GeflUirlichkeit des Betriebes, so- -* dals sor Zeit eine Verhfttang dieser UnfftUe nicht möglich

erscheint, und nicht sn ermittelnde Ursachen) 7485 46,8?

Wenn aach, wie aus dem Bericht des Beichsversicherongsamtes hervorgeht, ein Teil der unter B und C summierten Fälle, soweit Leicht- simi und Ungesc^cklichkeit der Arbeiter in Betracht kommt, trotz aller Vorschrüten und Einrichtungen niemals ganz vermeidbur sein wird, der bei weitem größte Teil derselben, d. h. circa die Hälfte aller UnfiUle, ist vermeidbar, und dies zu erreichen, muß das stete Zid der Unfallverhtttung sein.

Aus den Berichten der Aufisichtsbeamten ergiebt sich, daß die Ndgung, sich über bestehende Vorschriften hinwegzusetzen, und der Leiditsinn bei dem Verhalten in den Betriebsräumen bei dem weib- lichen Geschlecht bedeutend überwiegt, und es deshalb

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geboten ist, weibliche Arbeiter nur an solchen Stellen za beschäftigen, wo diese Neigung ihnen möglichst wenig Gefahren bringt.

Wenn nun ungefähr die Hälfte aller Unfälle ver- meidbar ist, woraus erklärt es sich, daß von einer Ab- nahme der Unfallziffer, sowohl der Unfallziffer im all- emeinen, wie der entschädigungspflichtigen Unfälle ei der Mehrzahl der Berufsgenossenschaften bisher nicht die Rede ist, wenn im Gegenteil die meisten der- selben ein fortschreitendes Ansteigen dieser Zahlen erkennen lassen?

Der Grund liegt in der mangelhaften Ueberwachung den UnM- verhütungsvorschriften in Bezug auf ihre Befolgung einerseits und in der Gleichgiltigkeit und Indolenz eines Teils der Unternehmer andererseits. So Vieles und Mustergiltiges von einzelnen Arbeitgebern auf dem (Ge- biete der Unfallverhütung und der Wohlfahrtseinrichtungen gethan wor- den ist, bei einem größeren Teil fehlt dieses Interesse vollständig oder wird absorbiert durch rein materielle RQcksichten; dies trifft nament- lich fQr das Gros der kleinen Betriebe zu, deren Unternehmer vor- wiegend aus früheren Arbeitern hervorgegangen sind, und denen es an jedem Verständnis für die sociale Seite der Arbeiterschuts^^etzgebung fehlt Für einzelne Betriebe, namentlich den Bergbau, kommt außerdem hinzu, daß vielfach ungelernte und ungeübte Arbeiter in verantwortlichen Stellungen Verwendung finden, darunter nicht selten solche, die oft nicht einmal der deutschen Sprache soweit mächtig sind, um die Dienst- anweisungen und die Unfallverhütungsvorschriften zu verstehen.

(Siehe die Bygimu dee Bergbamee w dieeem Bande.)

3. BetriebsgefUireii.

a) Ärheitsdauer.

Unter den Betriebsgefahren im engeren Sinne nehmen in Bezug auf Verbreitung die durch zu lange Arbeitszeit oder ein Uebermaß an Arbeit hervorgebrachten Schädigungen die erste Stelle ein. Es steht fest, daß die , Gesundheit auch der kräf- tigsten männlichen Arbeiterleidet, wenn ein gewisses Maximum von körper- licher Arbeitsleistung überschritten wird, wenn dem ermüdeten Organ die notwendige Erholung vorenthalten wird. Es muß deshalb in jedem Falle eine Beziehung zwischen Dauer der Arbeitszeit und Schwere der Arbeit bezw. Arbeitsgefahr gegeben sein. Dasselbe gilt von der geist^n Ueberanstrengung, in der wir eine der häufigsten Ursachen fQr die Krankheiten des Nervensystems zu erblicken haben, und die es erklärt, daß die Fälle von Geistesstörung und Selbstmord unter den gebildeten Klassen, die anstrengender Geistesarbeit obliegen, im allgemeinen sehr viel häufiger sind als unter den handarbeitenden Klassen.

Nachdem die Erfahrung in allen Ländern täglich von neuem die Thatsache erhärtet bat, daß eine Verkürzung der Arbeitsdauer weder eine Verminderung oder Verschlechterung der Arbeitsleistung noch eine Lohneinbuße der Arbeiter notwendig zur Folge haben muß, machte sich in den letzten Jahrzehnten in den Kulturländern Europas eine an- dauernde Tendenz bemerklich, die Arbeitszeit herabzusetzen, eine Ten- denz, die im Interesse der Volksgesundheit nicht dringend genug unter-

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stützt werden kann. Je großartiger die Technik sich ent- faltet, je komplizierter die Maschinen, je rascher der Gang derselben, um so größer werden die an den Arbeiter zu stellenden Anforderungen, und um so mehr wird die Abkürzung der Arbeitszeit zu einer physiologischen Notwendigkeit. Hieraus erklärt sich die Thatsache, daß Arbeiter w&hrend der ersten Hälfte der Arbeitszeit Tielfach um 50 Proz. mehr leisten als in der zweiten Hälfte des Arbeitstages. Die Hauptsache ist, daß mit der Herabsetzung der Arbeitszeit allmählich vorgegangen wird, um den Arbeiter an eine bessere Ausnutzung und Einteilung seiner Arbeitszeit zu gewöhnen.

Während in einzelnen Industriezweigen, beispielsweise in der Textil- industrie, in Deutschland eine mehr als elfetündige Arbeitszeit zu den Ausnahmen gehört, kommen andererseits immer noch außerordentlich lange Arbeitszeiten in einzelnen Betrieben vor. So gehören im Müllerei- betriebe, namentlich in den östlichen Provinzen, 16 18-stündige und noch längere Arbeitszeiten nicht zu den Seltenheiten. Im Ziegelei- gewerbe begegnen wir Arbeitszeiten bis zu 16 Stunden noch sehr häuiSg, und in Zuckerfabriken sind selbst 24-stündige Schichten durchaus keine seltenen Vorkommnisse. Nach den Erhebungen der Kommission für Arbeiterstatistik in Deutschland im Jahre 1892 wurden außerordentlich lange Arbeitszeiten namentlich im Bäckereibetriebe gefunden, und zwar stieg die Arbeitszeit mit der zunehmenden Größe der Betriebe. Endlich sind es die Fuhrwerksbetriebe, die Brauereien, Glashütten und Hammer- werke, in denen übermäßig lange Arbeitszeiten gleich&lls die Regel bilden '.

Die Folgen jedes Uebermaßes an Arbeit, mag dasselbe durch eine übermäßig anstrengende Arbeit oder durch eine zu lange Arbeitsdauer veranlaßt sein, äußern sich entweder in allgemeinen Ernährungsstörungen oder Erkrankungen einzeber Organe infolge ungünstiger Beeinflussung der Verdauung und Blutbildung oder in einer Herabsetzung der Wider- standsfähigkeit gegen die gewerblichen Gifte, Infektionsstoffe und Be- triebsgefa&en im allgemeinen. Dieselben machen sich um so früher geltend, je weniger widerstandsfähig der Organismus und je körperlich oder geistig anstrengender und je gefährlicher die Arbeit ist Es kommt hinzu, daß die gewöhnliche Arbeitsdauer vielfadi durch das System der Ueberstundenarbeit noch weiter gesteigert wird.

Die fQr die Krankenpfl^erinnen der katholischen Orden geftmdenen hohen Sterblichkeitsziffem ^, namentlich infolge von Tuberkulose, finden ihre Erklärung in erster Linie gleichfalls in der ausgedehnten und überaus anstrengenden Berufsthätigkeit und in dem Mangel an Erholung in frischer Luft, vielfach vergesellschaftet mit unzureichender Ernährung. Auch bei unseren Diakonissen gehört eine mehr als 12-stündige tägliche Arbeitsdauer im Krankenhausdienst nicht zu den Seltenheiten. Gesellt sich zu der langen Arbeitsdauer noch ein hohes Maß an körperlicher oder geistiger Anstrengung, so sind die Folgen um so verderbUcher.

Wie hier ist in der Mehrzahl der Fälle für die aus der gewerb- lichen Thätigkeit resultierenden Gefahren eine Vielheit von Faktoren verantwortlich zu machen, sodaß es nur ausnahmsweise gelingt, eine einzelne Schädlichkeit, wie die Ueberarbeit, in ihrer besonderen Wirkung zur Darstellung zu bringen. Es kommt hinzu, daß die sociale Lage des Arbeiters, insbesondere in Bezug auf Wohnung, Ernährung und Leb^s- f&hrung, von erheblicheni Einfluß auf die größere oder geringere Krank- er

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heitsdispositioD ist, und daß je länger die Ärbeitsdaaer, um so weniger Raum einer gesundheitsgemäßen Lebensführung belassen wird.

b) Gewerbliche Gifte.

Von den dem Gewerbebetrieb eigentümlichen Berufisscbädlichkeiten sind es die Einwirkung der gewerblichen Gifte in fester, flüssiger und gasförmiger Form und die verschiedenen Staubarten, die seit lange G^enstand der Arbeiterfürsorge gewesra sind. In ersterer Beziehung kommen hauptsächlich in Frage Blei (Blei- oxyd und Bleisalze), Kupfer, Zink, Quecksilber, Arsenik, Phosphor, Antimon, Chlor und Chlorwasserstoff, Schwefelwasserstoff, Schwefel- kohlenstoff, Ammoniak- und Cyan wasserstoffdämpfe, schwdUge Säure, Salpeter- und salpetrige Säure, Salzsäure, Kohlensäure und Kohlenoxyd, Holzgeist und Pyridin, Benzol, Anilin, Nitrobenzol und Terpentinöl, deren Einwirkung die Arbeiter in Bleifarben- und Bleizuckerfabriken, in der Schrotfabrikation und Jaquardweberei, in der Glas- und Thon- warenindustrie, die Buchdrucker, Maler, Anstreicher, Lackierer, weiter- hin die Kupfer- und Zinkarbeiter, die Bronzearbeiter, die Spiegelbeleger, Barometermacher, die Arbeiter in Glühlichtlampen- und Zündhütch^i- fabriken, die Vcbrgolder, Berg- und Hüttenarbeiter, die Hutmacher, Hasenhaarschneider, Kürschner, Tapezierer, Blumenarbeiterinnen, sowie die Arbeiter in der Bunt- und Glanzpapierfabrikation und in Zündholz- fabriken, und weiterhin die Arbeiter in Sodafabriken, in Chlorkalk- und Papierfabriken, in Schnellbleichen, die Kloakenarbeiter, Kautschukarbeiter, die Gerber, Verzinner, galvanischen Yergolder, die Arbeiter in Schwefel^ säure-, Phosphor- und Ultramarinfabriken, in Strohhutbleichereien, die Arbeiter bei der Fabrikation der Salpetersäure, bei der Erzeugung von Nitrokörpem, in Zinkhütten, Kalkbrennereien, in der Leuchtgasfabri- kation, in Tischlereien und Goldleistenfabriken, und endlich in Anilin- und Teerfarbenfabriken vorzugsweise ausgesetzt sind'^.

Für die hohe Sterblichkeit der Bleiarbeiter, Anstreicher und Glaser in der Ogle 'sehen Tabelle (s. S. 15), zu einem Teil auch für diejenige der Feilenhauer, die vielfach eine Bleiunterlage zum Ausschlagen der Feilen benutzen, ist in erster Linie die Häufigkeit der Bleivergiftungen verantwortlich zu machen. Noch erheblicher ist die Be- deutung dieser gewerblichen Gifte, insoweit sie als krankmachendes Moment in Frage kommen. Auch die That- sache, daß Blei- und Quecksilberarbeiter eine gesteigerte Disposition zu Tuberkulose zeigen, erklärt sich aus dem schwächenden Einfluß, den diese Arbeit auf den Gesamtorganismus ausübt

Während die offensiven Staubarten außer durch Reizung und Eni* Zündung der Haut und der Augenbindehäute hauptsächlich durch Ein- atmung dem Körper gefährlich werden und je nach der Art des Staubes charakteristische Lungenbefunde ergeben ^, sehen wir die Einwirkung der gewerblichen Gifte verschieden sich gestalten nach der Spezifität des Giftes, nach der Art der Aufnahme und Einverleibung und der Dauer der Einwirkung und vor allem nach dem Grade der Widerstandsfähigkeit des Gesamtorganismus, sowie seiner Einzelorgane.

Erkrankungen des Nervensystems begegnen wir am häufigsten bei Arbeitern, die mit Blei, Quecksilber, Arsen, Benzin, Anilin, KoUenoxyd, Schwefelwasserstoff und Schwefelkohlenstoff zu thun haben und un-

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abhängig von den eigentlichen gewerblichen Giften bei den Geistes- «rbeitem, den EisenlMihn-Zagbeamten, den Feuerarbeitem, den Spiri- tuosenverkäufem und deren Bediensteten. Erkrankungen der Atmungs- organe sehen wir Tomehmlich auftreten bei Zink- und Grubenarbeitern, bei Arbeitern, die den Dämpfen der salpetrigen Säure, des Chlors, des Teers, der Schwefel- und schwefligen ^ure, der Salzsäure ausgesetzt sind und unabhängig von gewerblichen Giften und offensiven Staub- arten bei Fischern, Schiffern, Bäckern, Müllern, Fuhrleuten, Gerbern. Erkrankungen des Gefäßsystems sind vorwiegend den mechanischen Be- rufen der Schmiede, Schlosser, Metallschläger u. s. w. eigen und sind außerdem ein häufiges Vorkommnis bei Bieri)rauem, Wirten, Wirtinnen und Kellnern, sowie in allen Betrieben, die zu rheumatischen Erkran- kungen disponieren (Fuhrleute, Bäcker, Färber, Gerber, Feuerarbeiter, Porzellanarbeiter, Zugführer, Heizer, Schiffer, Bergarbeiter). Erkran- kungen der Verdauungsorgane sind besonders ausgesetzt die mit Blei, Quecksilber, Arsen, Zink, Schwefelwasserstoff, Schwefelkohlenstoff, Ter-

Smtin beschäftigten Arbeiter und unabhängig von den gewerblichen iften alle diejenigen Arbeiter, die eine überwiegend sitzende, und noch mehr diejenigen, die eine unregelmäßige Lebensweise führen, mag die- selbe durch ungenügende und unzureichende Ernährung oder durch übermäßigen Alkoholgenuß bedingt sein: Erkrankungen der Haut be- gegnen wir, von den Verbrühungen und Verbrennungen abgesehen, am häufigsten in Farbenfabriken, in der Teer- und Paraffinfabrikation, bei der Fabrikation chromsaurer Salze, bei Galvaniseuren, Möbelpolierem, Bäckern, Malern, Wäscherinnen, Schmieden, Leinenspinnem und bei Arbeitern in der Leimfabrikation. Zu den Erkrankungen der Ham- organe stellen von den gewerblichen Arbeitern das größte Kontingent die Bleiarbeiter und Bierbrauer, während Erkrankungen der Geschledbts- organe hauptsächlich bei Maschinennähterinnen und unter der Form des Abortus und der Frühgeburt bei Blei-, Arsen-, Phosphor- und Queck- silber-Arbeiterinnen angetroffen werden^.

Je länger die Einwirkung dieser gewerblichen Gifte andauert, um 80 verderblicher gestaltet sich dieselbe, und wie die durch den Alkohol bedingten organischen Veränderungen über das Einzelindividuum hinaus- gehen und den Nadikommen unter der Form der verschiedenartigsten nervösen Störungen sich mitteilen können, so ist dasselbe als Folge ge- werblicher Intoxikationen und insbesondere bei Bleiarbeitem beobachtet, die nach Berger die Neigung zu Erkrankungen des Nervensystems nicht selten auf ihre Nachkommen vererben. Es liegt auf der Hand, daß bei weiblichen Arbeitern diese Folgen noch weit mehr in den Vordergrund treten.

c) Staubarten.

Von den Staubarten ist der gefährlichste der Metallstaub. Daraus, daß die Staubeinatmung einen Reizzustand des afilzierten Organs zur Folge hat, der, je länger derselbe andauert, zu akuten und chroni- schen Entzündungen desselben führt, welche die Widerstandsfilhigkeit des betroffenen Organs herabsetzen, erklärt sich die Häufigkeit der Tuber- kulose bei den mit Staubentwickelung verbundenen Gewerbebetrieben. Nach der Statistik von Jehle^ waren unter je 100 Lungenkranken bei Metallarbeitern 53, bei Mineralarbeitem 61, bei Arbeitern, welche vege- tabilisohe Produkte verarbeiten, 46, und bei Vorarbeitern animalischen Rohmaterials 45 Kranke tuberkulös.

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Nach dem Grade ihrer Schädlichkeit geben die wesentlichsten der in Betracht kommenden Staubarten folgende Reihenfolge:

Metallstaub (Nadelschleifer, Messerschmiede, Feilenhauer, Gruben- arbeiter etc.). Glasstaub, Stein- und Schleifstaub (Stein- und Schiefer- brecher, Steinmetzen, Porzellanarbeiter, Töpfer, Maurer etc.), Perlmutter- und Hornstaub, Holzstaub von hartem Holz, Hanf-, Jute-, Roßhaarstaub, Baumwollenstaub, Wollenstaub, Staub in der Müllerei, feiner Holzstaub, Sandstein-, Hadern-, Seiden- und Kohlenstaub. Im allgemeinen sind die verschiedenen Staubarten um so gefährlicher, je spitzer und scharf- kantiger der Staub ist, und je energischer derselbe in die Atmungs- organe eindringt

Daß Eohlengrubenarbeiter weniger an Tuberkulose leiden als Stein- und andere Grubenarbeiter, ja kaum mehr als landwirtschaftliche Arbeiter, wie aus der Tabelle Ogle's (auf S. 15) hervorgeht, findet seine Erklärung weniger in dem Umstände, daß nur kräftige Männer dieser Arbeit sich zuwenden, als darin, daß dem Kohlenstaub gewisse antibakterielle Eigenschaften zukommen.

d) Sonstige Beiriebsgefahren.

Weitere Faktoren, die die Gesundheit der Arbeiter im Gewerbe- betrieb zu schädigen geeignet sind, sind von der größeren oder ge^ ringeren Gefahr, zu verunglücken, abgesehen excessive Tem- peraturschwankungen, Einwirkung grellen Lichts und strahlender Hitze, wie sie hauptsächlich in Hüttenwerken, Glas- hütten, Zuckerfabriken, Cichorien-, Porzellanfabriken, in Tuchfabriken, Seidenspinnereien, in Maschinen- und Kesselhäusern, in den Räumen über den Ringöfen der Ziegeleien und in Metallgießereien vorkommen, erhöhter Luftdruck, Sättigung der Luft mit Wasser- dampf, Nässe und Feuchtigkeit, wie sie den Taucherarbeiten, dem Bergbaubetrieb, zum Teil auch der BaumwoUeniodustrie eigen sind, einseitige Ueberanstrengung einzelner Körperteile oder Organe, sei es infolge gewerblicher Zwangs- stellungen oder infolge wiederholter Inanspruchnahme derselben Muskelgruppen und Organe, wie sie bei Bäckern (Genu valgnra), Schleifern, Spitzenklöpplern, Seidenwebem, Handschuh- machern, Stickern, Kohlengrubenarbeitem, Schuhmachern, Schreibern, Klavierspielern, Cigarrenarbeitem, Glasbläsern, und speziell bezüglich der Augen bei Fädlerinnen, Schriftsetzern und Bergleuten (Nystagmus), bezüglich der Stimmbänder bei Geistlichen, Lehrern, Sängern vorkommt, endlich die Unbilden der Witterung, denen gewisse Gewerbe- betriebe (Fuhrleute, Fischer, Erdarbeiter u. a.) ausgesetzt sind, und die Verleitung zum Alkoholgenuß, wie sie das Gewerbe der Schank- und Gastwirte, der Kellner, Kellnerinnen und sonstigen Gasthofbedien- steten, sowie der Bierbrauer mit sich bringt*.

e) Infektionsträger.

Als ein weiteres Schädlichkeitsmoment im Fabrikbetriebe ist die Möglichkeit der Uebertragung von Infektionsstoffen zu erwähnen, sei es daß dieselbe von einem Arbeiter auf den anderen stattfindet, oder durch Verarbeitung infizierter Rohstoffe erfolgt

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AUgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 31

Während für ersteres Vorkommnis in idlen Betrieben, wo viele Menschen zusammenarbeiten, die Möglichkeit g^eben ist (nur die Syphilisüber- tragong ist eine Spezialität der Glashütten), ist die letztere Eventualität, die U^rtraffung von Milzbrand, Rotz und Eitererregem in den Pinsel- und Borstenfabnken, sowie bei der Bearbeitung von Bohhäuten, des- gleichen in der BaumwoUenindustrie und Lumpensortiererei ein nicht seltenes Vorkommnis; auch wurden durch infizierte Lumpen vereinzelt Pocken und andere Infektionskrankheiten übertragend^.

f) Schlechte Luft.

Die Hauptschädlichkeit jedoch, die den meisten Gewerbebetrieben anhaftet, ist der lange Aufenthalt der Arbeiter in ge- schlossenen Bäumen und die durch das Zusammensein vieler Menschen hervorgebrachte Luftverschlechterung und Luftverderbnis, häufig vergesellschaftet mit einem zu geringen dem einzelnen Arbeiter zu Gebote stehenden Luftraum. Und zwar sind es nicht bloß die Produkte der Atmung und der Ausdünstung, sondern auch der Schmutz des Körpers und der Kleider, sowie allerhand Gase und Dämpfe, die von dem Arbeitsmaterial oder sonstigen Quellen der Luftverderbnis herstammen, die die Luft verschlechtem und nicht bloß die Verbreitung übertragbarer Krankheiten begünstigen, sondern auch dadurch, daß sie die Verdauung und Blutbereitung ungünstig beein- flussen, schließlich den Körper für Organerkrankungen aller Art wie für Infektionskrankheiten empfänglich machen. Auch in Industrien, in denen keine der oben aufgeführten eigentlichen Berufsschädlichkeiten auf die Arbeiter einwirkt, wo auch die Anstrengung eine verhältnismäßig geringe ist, wie beispielsweise in der Seidenwinderei und Seidenzwiraerei, weisen die Neueintretenden resp. die jüngsten Jahrgänge eine relativ hohe Erkrankungsziffer auf. Diese Gefahren steigern sich, wenn die künstliche Beleuchtung, wo sie keine elektrische ist, zur Luftverschlech- terung beiträgt und gleichzeitig die Luft trocken macht Es sind dies dieselben Schädlichkeiten, die auch im Kleinbetrieb des Handwerks sich geltend machen und in den Mortalitäts- ziffem dieser Gewerbetreibenden ihren teilweisen Ausdruck finden.

Bei einer Untersuchung der Werkstätten der Handwerker und der Schlafräurae der Gesellen und Lehrlinge in einer Mittelstadt Pommerns, die sich auf die sämtlichen Werkstätten der Schuhmacher und Schneider soweit sie Gesellen oder Lehrlinge hielten und deren Schlafräume, sowie auf eine größere Zahl sonstiger Gewerbe- treibender erstreckte, konnte Verf. feststellen, daß in Bezug auf die Größe des zu Grebote stehenden Luftraums sich am günstigsten verhielten die Werkstätten der Tischler, Töpfer, Sattler, Bäcker, Schlosser, Maler, Pantoffelmacher; am ungünstigsten verhielten sich die Werkstätten der Schuhmacher und Schneider, und zwar um so ungtUistiger, je größer der Betneb, je größer die Zahl der in denselben beschäftigten Gesellen und Lehrlinge war. Von den in Rede stehenden 13 Schuhmacherwerk- stätten gewährten 7 dem einzelnen Insassen weniger als 10 cbm Luft- raum, Yon den 12 Schneiderwerkstätten waren es 4, die hinter diesem Minimalraummaß zurückblieben. Wurden jedoch, den Verhältnissen des Kleinbetriebes entsprechend, die Meister mit eingerechnet, da sie den größten Teil des Tages gleichfalls in der Werkstatt zubringen, so waren unter den 25 Schuhmacher- und Schneiderwerkstätten nur 5, die dem

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Einzelnen einen Luftraum Ton 10 cbm und darüber gewährten; als niedrigste Werte wurden 3,8, 4,5, 5,6, 5,7, 6,4 u. s. w. cbm pro Kopf^ gefunden. Von den untersuchten Werkstätten hatten weniger als 2,5 m Hdite Höhe 16 ; hiervon entfielen auf die Werkstätten der Schiüunacher und Schneider 12, darunter Höhenmaße von 1,53, 1,68 und 1,78 m. Noch ungünstiger verhielten sich die Schlafräume: in 12 Fällen diente der Boden als Schlafraum, in 3 Fällen sog. Alkoven ohne Fenster, in 2 Fällen wurde die Werkstätte gleichzeitig als Schlafraum benutzt In einem Drittel der Fälle betrug der auf den Einzelnen entfallende Luft- raum weniger als 10 cbm, darunter als niedrigste Werte 2,15, 4,7, 5,0 u. s. w. cbm pro Kopf.

Berücksichtigt man, daß die jungen Leute in diesen Werkstätten fast den ganzen Tag, mit nur geringen Unterbrechungen während der Dauer der Mahlzeiten, sich aufzuhalten gezwungen sind, daß der Genuß der frischen Luft an den Wochentagen fast ganz entfällt, daß die Arbeits- zeit häufig eine ausgedehnte ist und, von der häufigen üeberzeitarbeit abgesehen, 12 und mehr Stunden beträgt, während die Arbeitszeit des jugendlichen Fabrikarbeiters gesetzlich auf 10 Stunden beschränkt ist, und daß endlich auch die Ernährung häufig zu wünschen übrig läßt, so nimmt die verhältnismäßig hohe Morbidität der Gesellen und Lehrlinge dieser Handwerkerklassen nicht wunder.

Was die Hausindustrie betrifft, als „diejenige gewerbliche Thätigkeit, welche zu Hause, nicht auf Bestellung von Kunden am Ort und Ar den lokalen Absatz, sondern regelmäßig für ein Geschäft oder für den Export, überhaupt für den Vertrieb im Großen, arbeitet"*^, so giebt es im Deutschen Reich etwa Vj Million Hausindustrielle, auf 1000 Einwohner durchschnittlich 10,5. Unter 100 Hausindustriellen waren 1882 43,9 Frauen gegenüber 26 Prozent in der eigentlichen In- dustrie. Da die meisten derselben in der Textilindustrie beschäftigt sind, ist die Verteilung derselben in den einzelnen Landesteilen eine sdir verschiedene ; am höchsten ist der Prozentsatz der Hausindustriellen im Königreich Sachsen, wo in der Amtshauptmannschaft Zwickau 80,1 Hausindustrielle auf 1000 Einwohner kommen. An der Zahl der Haus- industriellen sind die Frauen, wie erwähnt, mit 43,9 Prozent, davon fast die Hälfte verheiratet, beteiligt Obwohl in der Hausindustrie, wo die Wohnräume zugleich als Werkstätten dienen, alle die Schäd- lichkeiten der Fabrikarbeit in potenzierter Form zur Geltung kommen, gesteigert durch den Mangel jeder Ventilation, durch schlechte Beleuchtung, durch übermäßig lange, oft in die Nacht hinein ausgedehnte Arbeitsdauer und unznreidiende Ernährung, hat eine Ausdehnung der Arbeiterschutzgesetze auf dieselbe bisher nicht statt- gefunden, obwohl der § 154 Abs. 4 der deutschen (xewerbeordnung hier- zu eine Handhabe dann bietet, wenn in diesen Werkstätten nicht aus- schließlich Familienangehörige beschäftigt werden. Es kommt hinzu, daß zu diesen bausindustriellen Beschäftigungen vielfach Kinder im zartesten Alter Verwendung finden. Der von einigen Seiten betonte Vorzug, daß in der Hausindustrie das Familienleben, die Kindererziehung und GLinderpflege eine bessere sei als bei der Fabrikarbeit, dürfte nur für einige wenige wirtschaftlich günstiger gestellte Kat^orien von Haus- industriellen zutreffen, während für das Gros derselben dieser Vorzug durch die ungünstigen hygienischen und wirtschaftlichen Verhältnisse mehr als ausgeglichen wird. Zu diesen wirtschaftlich besonders un- günstigen gestellten Hausindustriellen gehören die schlesischen Hand-

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Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 33

weber, die bei 14 bis lö-stündiger täglicher Arbeitszeit und einem wöchentlichen Arbeitslohn von 6 bis 6 ^/^ Mark hauptsächlich von Kaffeesurrögat, Kartoffeln und Brot ihr Leben fristen. So schwierig eine Regelung dieser Materie, namentlich was die Kontrolle betrifft, erscheinen mag, zumal es sich vielfach um zurückgebliebene Betriebsformen handelt, die auf andere Erwerbsgebiete überznföhren sein würden, darf doch die Inangriffnahme derselben nicht länger hinausgeschoben werden, zumal die Schwierigkeiten in demselben Maße größer werden, als die Inan- griffnahme verzögert wird.

Wie dringend notwendig die Forderung eines genügenden Luft- raumes und ausreichender Luftemeuerung in Fabrikbetrieben ist, zeigen die Untersuchungen Sc hu 1er 's, der in Baum Wollwebereien und Spu- lereien einen Kohlensäuregehalt von 15—17 auf 10000, in Stickereien und Trikotfabriken einen solchen von 17,6 und in Gigarrenfabriken einen Kohlensäuregehalt von 39 auf 10000 feststellte. Nach v. Rozsa- hegi^^ betrug der Kohlensäuregehalt in einer Buchdruckerei, die Gas- beleuchtung hatte, bei Tage durchschnittlich 1,74, bei Abend 1,94 p. m., in einer zweiten BuchdruckereS, die mit Petroleum beleuchtet wurde, bei Tage 4,16, bei Abend 4,20 p. m.

Dfliür, daß der günstige Erfolg einer angemessenen Ventilation seinen Ausdruck findet in der Besserung der Gesundheitsverhältnisse der betreffenden Arbeiterklassen, liegen in den amtlichen Nachrichten der Aufeichtsbeamten zahlreiche Erfahrungen vor. So betrug in einer nicht ventilierten Weberei des Bezirks Düsseldorf die Zahl der Er- krankten 59 Proz., in einer anderen sogar 106 Proz., während in nur mäßig gut ventilierten Webereien die Prozentsätze der Erkrankten auf 36 und 44 herabgingen. In einem anderen Fall erkrankten in einer Plüschfabrik, solange die Lüftung unzureichend war, 54 Proz., nachdem sie verbessert worden, nur noch 33 Proz. der Arbeiterinnen ^*.

Alle die angeführten Schädlichkeiten machen sich umso früherund um so nachhaltiger bemerk lieh, jejünger und je weniger widerstandsfähig der Organismus ist. Außer von dem Alter ist diese Widerstandsfähigkeit abhängig von der gesamten Konstitution, die ihrerseits wieder teils eine angeborene, teils eine erworbene ist. In letzterer Hinsicht sind von besonderer Bedeutung die Wohnungs- und Emährungsverhältnisse, sowie die Lebens- führung in ihrer Gesamtheit. Je schlechter die Wohnung und je mangel- hafter und unzureichender die Ernährung, um so labiler das Gleichge- wicht der Körperzellen, und um so größer die Empfänglichkeit für Infektions- und Gewerbekrankheiten ; gesellt sich hierzu noch ein Mangel der Körperpflege und dauernder Alkoholmißbrauch, so genügen schon die schwächsten Reize, auf die der physisch und geistig gesunde Orga- nismus überhaupt nicht reagiert, um dauernde Störungen des Organismus zur Auslösung zu bringen.

{8ieke Oldendorff m Bd, 4 dteseB Handbuchs.)

B. Schädignng der Anwohner.

Was endlich die den Anwohnern im engeren und wei- teren Sinne drohenden Gefahren und Belästigungen be- trifft, so kommen hier in Frage die Unfälle durch Feuersgefahr und Explosionen, die Schädigungen durch fäulnisfähige oder giftige feste, flüssige und gasförmige Substanzen, die dem Boden, dem Wasser oder der Luft

Handbuch der Hygiene. Bd. YIH. .^ 3

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sich mitteilen, auf die Umgebung einwirken und die Infektionsstoffe, welche mit den Abgängen der Fabrikanlagen oder mit den Rohstoffen in die Umgebung der Fabrikanlage gelangen. Von den gewerblichen Anlagen^ die am häufigsten zur Verunreinigung der Wasserläufe Anlaß geben^ verdienen besondere Erwähnung die Zuckerfabriken, Stärkefabriken, Papierfabriken, Gerbereien, Leimsiedereien, Schlächtereien, Appretur- anstalten, Wäschereien, Brauereien, Mälzereien, Leuchtgasfabriken, Oel- gasfabriken, Sulfocellulosefabriken, Tuchfabriken, Brennereien, Kupfer- werke, Farbenfabriken, Bleichereien, Soda- und Pottaschefabriken * ^. Je nach der Menge und Beschaffenheit dieser Abwässer gestalten sich diese Schädigungen verschieden. Dabei darf jedoch nidit übersehen werden, daß die Abwässer stark bevölkerter Ortschaften vielfach die Verunreinigung der Wasserläufe steigern helfen und an derselben bis- weilen mehr als die gewerblichen Abwässer beteiligt sind.

Zu den Belästigungen, die in mittelbarer Weise zu Gesundheits- störungen Anlaß geben, sei es daß sie eine gewisse Dauer oder einen gewissen Intensitätsgrad übersteigen, oder in unmittelbarer Weise, inso- weit schon geschwächte und weniger widerstandsfähige Organismen be- troffen werden, gehören vor allem die durch Rauch und Ruß der Fab- riken verursachten Belästigungen, sowie die stark widerlichen Gerüche^ die dadurch, daß sie den Genuß der freien Luft beeinträchtigen, indirekt gesundheitsschädigend zu wirken geeignet sind. Hierher gehören ferner starke, aufdringliche Geräusche, heftige Erschütterungen, Störungen des Verkehrs durch Steinbrüche u. a. Endlich können den Anwohnern aus der Nähe von Fabrikanlagen gewisse Schädigungen erwachsen durch Beeinträchtigung der Vegetation, wobei hauptsächlich das Schwefel- dioxyd in Frage kommt, das im Rauch schwefelkieshaltiger Stein- und Braunkohle enthalten ist, durch Schädigung der Fischerei und wirt- schaftliche Nachteile anderer Art.

1) AwUUche Naehridkten de$ Beich$ver$iehenmg$amt*, Jahrgänge 1888 «. /.

5) Amtliche NachriekUn de» Beicktver$ieharung»omU 15. Mai 1890.

8) Amüieke MitUiiungen aus den JahretheriehUn der mit Beauftichtigung der Fabriken b^

troMien Beamten XIV. Jahrg, u, f, 4) Cornet, Die ßterUiehkeiteverkaltnitte m den Krankenpflegeorden, 8ep,'Abd, am» der Z, f. H^

6. Bd. (1889).

6) Merkel, Qtwerbekrankh^im II. Aufl. (1875); T. Pettenkofer wnd T. ZiemflMii, Handbuch der Hygiene und OetoerbekrankheOen, II. Teil Oetoerbekrankheiten wm Hirt umd Xerkel^ 3. Aufl., Leipaig\ L^on Poineari, IVaiti d'hygüne industrielle, Paris 1886; HapUf, Manuä d*hggihts industrielle^ eomprenant ete,^ Paris, Massen 188S~88 ; Soyka, Arbeiier^ hygiene, m Eulenburg's Bealencyklopädie der get. Heilk. 1. Bd, II. Aufi.\ L. PoinoarA^ Anndl. d*hygihse p. JuiUet 1885 p. %i\ Bnlenberg, Handbuch der Oewerbehygiens, Berlin 1876; derselbe, Handbuch de$ Of entliehen Gesundheitswesena, % Bände, Berlin 188S.

6) Fr. KniiM, Beitrag nur Lehre wm den Staubinhalationshrankheäen , Kiel, Dissertation 1887 ; J. Arnold, Untersuchungen über Btaubinhalation und Staubnutastaien, Ls^nig 1885 ; L. Hirt, Die Staubinhalationskrankheiten, Leiptig 1875; W HeMe, Usber quantitative /^ubbestmmungen in Arbeitträumen, V. f. g. M. u, Off. Sanüätsweten , Neue Folge 86. Bd. (1882) 889; Wemieh, Fabrikhygiene, Eulenburg*s eneyklopädtBche Jahrbücher der get. HeUk. I. Jahrg. 1891, und derselbe, ArbeOerschut», Oend. II. Jahrg. (1898); BUiM et HapiM, Note sur let poussibret ind., Revue tPhygihte publique (1883) 940; Oldendorir, Berufsstatistik, Eulei^urg's Bealencyklopädie der ges, Heilk. 1. Bd. II. A%i/l^

7) Popper, Lehrbuch der Arbeiterkrankheiten und Oewerbehygiene, Stuttgart 1888 ; de rtelbe, Beiträge mar Oeujerbepathologie , V. f. g. M. u. 0. 8. , Neue Folge 30. Bd. 98 ; Hirt, Die Krankheiten der Arbeiter, Breslau 1871 ; LekoiAiin, ExperimentelU Studien über den Einflu/s technisdi und hygienisch wichtiger Gate und Dämpfe etc., A. /. H. U. Bd^ 8. Hß. 185; Th. Weyl, Die Teer/arben mit besonderer Rücksicht ais^f SiMdlichkeit und Oesetagebumg , hygienisch und forensisch^ehemisch untersucht, Berlin 1889; Panieniki, Ueber geumbliehs Bleivergiftung eU., V. f. g. M. u. 9. S, 58. Bd. und dritte Folgo

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AUgemeine Oewerbebygiene und Fabrikgesetzgebung. 36

1. Bd.'jU. Jaeob, Ueber Blmkrankheiitn m Oberhar» und dermt Bemehtmg etc., D. M, W, (1886) Nr. 82 ymd 88; HeiBterling, DU Otfohrtn mmI Krafüch€iUm der ehewtüekm Imduitrie und die MiUd mt ihrer Vtrhitung und Beteüigung, Halie 1887, 1. und 8. Bd,

8) GeiundkgiU-Ingenieur U. Jakrg, (1898) Nr. 7.

9) John T. Arlidge, OöeupaÜom amd trade$ in rtiaHon to pubUe heaUh, The British Med. Joum. (1888) 580, 642, 766 { SaMriU et eieurOi du travaä dam Ue AMietemente induetrielet mtmurfaeUaret^ fabriquee icmuM, mmet, tkantiere et atelierBt Rapport ete. Becueü de$ travaum du amiti emuuU, tThyg, publique de Iranee T, XIV (1884) 858 ; Lftyet, Allgemeine und epeneOe Oeteerbehggiene , deuteeh von Mdnel (1882); Arlidge, The h^giene^ dieeaeee and wortaliig q/ oeeupation, London 1892.

10) DrAMho, üeber die Infektions/ähigkeit der Hadern, Bep^-Abdr, out Nr. M bie BS der Wiener med. Blätter, Wien 1887; Verhemdhmgon dee VI. intemat. Kongrutee für

Hggiene und Dentographie, Thema XVII, Durch welche nationalen und internationalen MHttel kann man dem schädliehen Eu^fiu/e der i^fisrierten Badern auf die Ausbreitung eon InfehtionAreakkheiten vorbeugen 1

11) W. StUda, Die deutsche Haueinduitrie, Le^psrig 1882, Schritt des Vereins Jür Bomal- poUtih 89. Bd. ; B. Smehf, Die Hausinduetrie in Thüringen, Jena 1885 ; K. FranVwirteln, Bevölkerung und Bausinduttrie im Kreise Schmalhalden, Tübingen 1887.

12) T. BoiMtliegi, Lu/i in Buchdruchereien, Arch. f. H. S. Bd. 522.

18) JakreeberiehU der mit Beaufeiohtigumg der Fabriken betrauten Bemten (1886) 44.

14) J. König, Dm Verunreinigung der Gewässer, Berlin 1887; Hook, 12. und 18. Jahres- bericht der diemischen Oentralttelle in Dresden^ Heiniorling, l. c. 2. Bd.; Amtliehe Mitteilungen aus den Jahresberichten der mit Beaiffsiditigung der Fabriken betrauten Be- amten, Jahrgänge 1885 u. /. ; K. W. Jorlaoh, Die Verunreinigwtg der Oewäster, BerUn 1890; Amonld, De la protection des oours d'eau, Bevue samt, de la provinee, Novembre 1889 Nr. 148; F. Fiflelier, Das Wasser, seine Verwendung, Sdnigung und Beur- teHung mit besonderer Berüdtsichtigung der gewerblichen Abwässer, II. Aufi., BerUn 1891.

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DRITTER ABSCHNITT.

Schutzmassnahmen. A. Arbeiterschatz.

Diejenigen Maßnahmen, welche darauf gerichtet sind, die in dem vor- angegangenen Abschnitt erörterten Schädigungen, denen Arbeiter und Anwohner unter dem Einfluß der Gewerbe ausgesetzt sind, abzuwenden, unterscheiden wir als Maßnahmen der Unfallverhatung im allgemeinen, nämlich erstens als Verwendungsschutz oder als Maßnahmen, welche auf die Verwendung der Arbeiter in Fabrikbetrieben Bezug haben, und zweitens als Betriebsschutz: das sind Maßnahmen, welche die Assa- nierung der Werkstätte zum Gegenstand haben, und drittens als Anwohnerschutz, (lieber die speziellen Maßnahmen und ebenso über maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle sind die betreffenden Abschnitte der speziellen Gewerbehygiene und Unfallverhütung zu vergleichen.)

Ueberblicken wir das auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes in Deutschland und den außerdeutscben Ländern in den letzten Jahren Geleistete, so ist zunächst die erfreuliche Thatsache festzustellen, daß die Ueberzeugung von der Notwendigkeit von Schutzvorkehrungen und vorbeugenden Maßnahmen im Gewerbebetrieb sich immer mehr Bahn gebrochen hat, daß in dem zwischen der Hygiene-Ausstellung des Jahres 1883 und der Ausstellung fQr Unfallverhütung im Jahre 1889 ver- flossenen Zeitraum auf allen Gebieten der Industrie in dieser Hinsicht hervorragende Erfolge gezeitigt sind.

1. Intemattoiude Regelung.

Was den gegenwärtigen Stand der Frage einer internatio- nalen Regelung des Arbeiterschutzes^ betrifft, so begegnet dieselbe zur Zeit noch erheblicheren Schwierigkeiten als die Frage einer internationalen Berufestatistik. Die Geschichte lehrt, daß für die internationale Normierung eines Gegenstandes erst dann die Zeit ge- kommen ist, wenn die nationalen Gesetzgebungen bis zu einem gewissen Grade sich einander genähert haben. Wie die vergleichende Uebersicht über die Fabrikgesetzgebung der verschiedenen Länder im vierten Ab- schnitt dieser Arbeit zeigt, haben auf diesem Gebiet die meisten Kultur- länder in den letzten Jahren eine hervorragende Thätigkeit entfaltet, sodaß bei weiterem Fortschreiten auf dieser Bahn eine spätere inter-

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ROTH, Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 37

nationale R^elung der wichtigsten hierbei in Frage kommenden Punkte nicht mehr in das Bereich des Unmöglichen verwiesen werden kann.

Bereits am 19. Dezember 1880 wurde in der schweizerischen Bundes- versammlung der Antrag eingebracht, den Bundesrat einzuladen, mit den hauptsächlichsten Industriestaaten Verhandlungen behufs Anbahnung einer internationalen Fabrikgesetzgebung anzuknüpfen, doch waren es vorwiegend volkswirtschaftliche Erwägungen, die der Fassung dieses Beschlusses zu Grunde lagen. Erst 10 Jahre später, am 15. März 1890, trat dank der Initiative Deutschlands die erste internationale Kon- ferenz zur Behandlung der Fragen des Arbeiterschutzes in Berlin zu- sammen. Die hoch bedeutsamen Beschlüsse dieser Konferenz entsprachen in den wesentlichsten Punkten, namentlich bezüglich der Sonntagsruhe, der Frage des Kinderschutzes und der jngendlichen Personen, des Schutzes der verheirateten Frauen, der Bergwerksarbeit und der Frage der Beschränkung der Arbeitszeit, den Forderungen der Hygieniker und Aerzte.

Besonders dringlich erscheint eine internationale Verein- barung in denjenigen Fällen, wo es sich um Untersagung gewisser, mit besonders schweren Gefahren verbundener Gewerbebetriebe oder um Eingriffe handelt, welche den heimischen Markt gegenüber dem aus- ländischen in besonderem Grade benachteiligen würden. (Verbot der Verwendung des gelben Phosphors, der Verwendung von Arsen, von Quecksilber in bestimmten Industrien; Anordnung von Desinfektions- maßnahmen gegenüber gewissen gefährlichen Rohstoffen Borsten, Roßhaare u. a.). Hauptsache aber bleibt, daß über diesen Bestrebungen die Aufgaben im eigenen Lande nicht verabsäumt, und daß alle Fortschritte auf dem Gebiete der Gewerbehygiene und Unfallverhütung möglichst bald Gemeingut aller Völker werden.

2. Unfallverhfltaiig im allgemeinen.

Von den Fortschritten der Technik abgesehen, die in erster Linie der Unfallverhütung zu dienen bestimmt sind, und die ihren Zweck um so besser erfüllen, je mehr die Schutzvorrichtungen von vorne herein einen integrierenden Teil der Maschine darstellen und mit der- selben ein einheitliches Ganzes bilden, steht unter den der Unfallver- hütung dienenden Maßnahmen obenan der Schutz des Arbeiters vor körperlicher oder geistiger Ueberanstrengung und eine Förderung aller derjenigen Maßnahmen, die auf eine gesundheitsgemäße Lebensführung des Arbeiters hinzuwirken bestimmt sind. In zweiter Linie gehört hierher die Hygiene der Arbeitsstätte selber, die Be- aufsichtigung und Kontrolle der Arbeiter und die per- sönliche Ausrüstung des Arbeiters.

Im allgemeinen wird zu wenig beachtet, daß die Gewerbehygiene, und zwar speziell der Betriebsschutz, die auf die Assanierung der ^- triebsstätte gerichteten Maßnahmen gleichzeitig in hohem Maße der Unfallverhütung zu gute kommen : je geräumiger die Arbeitsstätte, je staubfreier, je besser beleuchtet, je gleichmäßiger temperiert, um so besser befindet sich der Arbeiter, und um so geringer wird c. p. die Zahl der Unfälle sein.

Was die Beaufsichtigung der Fabrikanlagen nach der

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38 ' ROTH,

Seite der UnfallverhütuBg betrifft, so ist nicht zu leugnen, daß die Besichtigungen seitens der Aufsichtsbeamten wie auch seitens der Beauftragten mannigfache Anregungen auf dem Gebiete der Unfall- verhütung gegeben haben, die sowohl in der Herstellung von Schutz- vorrichtungen wie in dem Erlaß spezieller Unfallverhütungsvorschriften ihren Ausdruck fanden; immerhin wird diese Thätigkeit von den Auf- sichtsbeamten selber im allgemeinen als eine erfolgreiche nicht ange- sehen und ist seit Erlaß der neuen Dienstanweisung für die Oewerbe- Aufsichtsbeamten vom 23. März 1892, welche die Obliegenheiten dieser Beamten auf Grund der Vorschriften des Gesetzes zur Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 regelt (s. vierten Abschnitt), noch mehr in den Hinter- grund getreten. Unter diesen Umständen erscheint ein weiterer Aus- bau der Fabrikaufsicht nach der Seite der Unfall- verhütung geboten, und zwar muß diese Beaufsichtigung, wenn sie der Unfallverhütung dienen soll, vor allem eine fortlaufende und dauernde sein. Periodische Besichtigungen, und mögen sie noch so gründlich sein, können diesen Zweck nicht erreichen. Deshalb empfiehlt es sich, für größere Betriebe zu diesem Zweck besonders befähigte, aus den Reihen der Arbeiter hervorgegangene Unfall- aufseher seitens der Berufisigenossenschaften mit der Aufgabe anzu- stellen, die Befolgung der speziell die Arbeiter betreffenden Unfall- verhütungsvorschriften zu überwachen*.

Auch das Reichsversicherungsamt kommt in seinem jüngsten Rund- schreiben zur Frage der Unfallverhütung vom 17. Januar 1893 zu dem Schluß, daß gegenüber der Zunahme der Un&Ue ein weiterer Ausbau der Unfallverhütung geboten sei*; neben einer weiteren Ausdehnung des In- stituts der Beauftragten stellt das Reichsversicherungsamt der Erwägung der Berufsgenossenschaften anheim, ob nicht besonders geeignete Mit- glieder der Berufsgenossenschaften selbst zu veranlassen sein möchten, sich in den Dienst der Genossenschaft zu stellen, um die Ueberwachung der Unfallverhütungsvorschriften bei ihren Berufsgenossen zu übernehmen; ganz besonders empfiehlt das Reichsversicherungsamt diese Maßregel bei den Baugewerks-Berufsgenossenschaft^en wegen der Zersplitterung dieser Betriebe in viele Arbeitsstätten •.

Was die persönliche Ausrüstung des Arbeiters betrifft, so- weit sie der Unfallverhütung im engeren Sinne dient, so kommt hier in Frage der Arbeitsanzug (Tragen eng anliegender Kleider) und die- jenigen Schutzvorrichtungen, die ein Eindringen giftiger Substanzen und schädlichen Staubes zu verhüten oder Verletzungen der Körper- oberfläche, sowie Infektionen bei stattgehabten Verletzungen vorzubeugen bestimmt sind. Hierher gehört das ganze Heer der Respiratoren, Schutz- hauben und Schutzbrillen, der Schutz der Hände durch Handschuhe und deckende Ueberzüge, die Fußbekleidung, die gegen das Ausgleiten, wie gegen das Verbrennen und Verbrühen schützen soll. Hierher ge- hören femer die auf die erste Hilfe bei Unglücksfällen und Verletzungen gerichteten Maßnahmen, insbesondere die Bereitstellung von Verband- zeug und Unterweisung in der ersten Hilfe bei Unglücksfällen, weiter- hin die der Unfallverhütung dienenden Vorschriften und Belehrungen der Arbeiter.

Je unabhängiger diese persönliche Ausrüstung von dem Willen der Arbeiter sich gestaltet, und je sorg- st

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Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 39

f&ltiger dieselbe überwacht wird, um so wirksamer wird sich dieselbe erweisen. Deshalb ist es als ein Fortschritt zu begrüßen, wenn an die Stelle der Einzelausrüstung, wo es irgend erreichbar, allgemeine Schutzvorkehrungen treten, wie es beispielsweise in einigen Glashütten neuerdings dadurch geschehen ist, daß statt der Schutzbrillen große blau bezw. grau gefärbte Olastafeln, die dem Bereich des Willens der Arbeiter entrückt sind, Verwendung finden, durch die hindurch der Arbeiter in den Ofen sieht.

( Vergl, das folgende Kapüd von Kraft über die maeekineUen Einrichtungen gegen Unfälle.)

8. Yerwendangssehutz.

a) Jugendliche Arbeiter.

Oehen wir zu den gewerbehygienischen Schutzmaßnahmen im engeren Sinne über, die wir als Verwendungs- und Betriebsschutz unterscheiden, so wurde schon erwähnt, daß die nachteiligen Folgen des Gewerbebetriebes um so früher sich einstellen und in ihren Wirkungen om so verderblicher sich gestalten, je jugendlicher und weniger wider- standsfähig der Organismus ist. Deshalb hat das Gesetz, betr. Ab- änderung der Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891, für die Verwendung nicht bloß von Kindern und jugendlichen Arbeitern in Fabriken, sondern auch von Arbeiterinnen einen Maximalarbeitstag festgesetzt, während für erwachsene männliche Arbeiter davon abgesehen und nur dem Bundesrat die Befugnis vorbehalten worden ist, für solche Gewerbe, welche durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährden, Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täg- lichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorzuschreiben und die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen zu erlassen.

In Deutschland dürfen Kinder bis zu 13 Jahren überhaupt nicht in Fabrikbetrieben beschäftigt werden. Vom 13.— 14. Jahre darf die tägliche Arbeitszeit die Dauer von 6 Stunden nicht überschreiten.

Daß die Kinderarbeit, auch abgesehen von den specifischen Schädlichkeiten des Fabrikbetriebes, dem kindlichen Organismus nach- teilig ist, daß Wachstumshemmungen, Difformitäten des Brustkorbs, Skoliose, Kurzsichtigkeit u. a. häufige Folgen derselben sind, lehren die in allen Ländern gemachten Erfahrungen. Deshalb muß die Bestimmung des Gesetzes vom 1. Juni 1891, wonach als Beginn der Beschäftigung das 13. Lebensjahr festgesetzt wird, mit Freuden begrüßt werden. Ob- wohl dasselbe in seinem Hauptteil erst seit dem 1. April 1892 in Kraft getreten ist, hat es seine wohlthätige Wirkung bereits dahin geltend gemacht, daß die Zahl der jugendlichen Arbeiter und Kinder im Jahre 1892 in Deutschland um 33486 gegenüber dem Jahre 1890 zurück- ge^gen war, und daß speziell die Zahl der Kinder um mehr als 16000 sich vermindert hat Nächst Oesterreich und der Schweiz besitzt von den europäischen Staaten Deutschland die schärfsten Be- stimmungen in Bezug auf die Kinderarbeit.

Noch weiter vorgeschritten auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes im allgemeinen und des Verwendungsschutzes im besonderen ist Australien, das gleichfalls die Beschäftigung von Kindern unter 13 Jahren untersagt; außerdem müssen jugendliche Arbeiter unter 15 Jahren vor ihrer Aufnahme in die Fabrik ein Schulzeugnis bei- bringen, das bestätigt, daß sie ihrer Schulpflicht im Sinne der gesetz-

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lieben BestiromuDgen genügt haben. Von jugendUcben Arbeitern nnter 1(5 Jahren wird außerdem der Besitz eines fabrikärztlichen Zeugnisse» gefordert, aus dem hervorgeht, daß sie für die betreffende Arbeits- verrichtung physisch geeignet sind. Kein Knabe unter 14 und kein Mädchen unter 16 Jahren soll zwischen 6 Uhr abends und 6 Uhr morgen» in einer Fabrik beschäftigt werden ^.

Jugendliche Personen von 14 16 Jahren dürfen in Deutschland nicht länger als 10 Stunden täglich beschäftigt und zur Sonntags- und Nachtarbeit nicht herangezogen werden. Die Arbeits- stunden dürfen vor öVt Uhr morgens nicht beginnen und nicht über 8Vt Uhr abends dauern. Außerdem sind bestimmte Arbeitspausen vor- geschrieben. Bezüglich einer Reihe besonders anstrengender und ge- fährlicher Betriebe sind Ausnahmebestimmungen für die jugendlichen Arbeiter getroffen (vergl. den vierten Abschnitt).

Ueber den Schutz der weiblichen Arbeiter vergl. den folgenden Ab- schnitt von Bluhm.

h) Nachtarbeit,

Was die Nachtarbeit betrifft, die früher sowohl bei uns wie in anderen Ländern eine erhebliche Ausbreitung besaß, so hat dieselbe dank der gesetzlichen Fürsorge in allen Kulturländern erheblich abge- nommen, und in demselben Maße ist auch das Bedürfnis der Sonntags- ruhe mehr und mehr anerkannt worden.

Die Schweiz verbietet die Nachtarbeit überhaupt; nur ausnahms- weise kann der Bundesrat erwachsenen männlichen Arbeitern die Nacht- arbeit dauernd in solchen Betrieben gestatten, bei denen die Notwendig- keit des ununterbrochenen Betriebes nachgewiesen ist; vorübergehend und einen Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitend, kann die Be- zirksbehörde die Nachtarbeit durch erwachsene männliche Arbeiter auch in anderen Betrieben gestatten.

England verbietet die Nachtarbeit für die geschützten Personen, zu denen auch Frauen über 18 Jahre gehören. Ausnahmen sind nur unter besonderen Verhältnissen und fbr bestimmte Betriebe zulässig. Der gesetzliche Arbeitstag für die geschützten Personen darf 10 Stunden täglich nicht überschreiten und Sonnabends nicht länger als 6^/^ Stunden dauern. Auch sind die Arbeitszeiten iu den verschiedenen Industrien, sowie die Dauer der Pausen genau vorgeschrieben. Eine weitere Herabsetzung des Arbeitstages auf 8 Stunden für die staatlichen Betriebe steht demnächst bevor.

In Frankreich zählen zu den geschützten Personen außer Kindern und jugendlichen Arbeitern unter 18 Jahren auch Mädchen von 16 21 Jahren. Nachtarbeit und Sonntagsarbeit ist den geschützten Personen und Frauen verboten. Bezüglich der Nachtarbeit sind Ausnahmen zulässig.

InOesterreich ist den Frauen die Nachtarbeit verboten und kann durch ministerielle Verordnung für gewisse gefährliche und gesund- heitsschädliche Betriebe ganz untersagt oder nur bedingungsweise ge- stattet werden.

Auch in den Niederlanden, in Belgien, Schweden^ Dänemark und Rußland ist für die geschützten Personen die Nachtarbeit untersagt.

c) Sonntagsruhe, In der Frage der Sonntagsruhe hat die Gesetzgebung Deutsch- lands erst spät dem physiologischen Bedürfnis des Volksorganismus

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Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 41

Rechnong getragen. Das Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbe- ordnung vom 1. Juni 1891, hat für Deutschland die Sonntagsruhe dahin geregelt, daß die Gewerbetreibenden die Arbeiter zum Arbeiten an Sonn- und Festtagen nicht verpflichten können, und daß Arbeiter in Betrieben von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brüchen und Gruben, von Hüttenwerken, Fabriken und Werkstätten, von Zimmer- plätzen und anderen Bauhöfen, von Werften und Ziegeleien, sowie bei Bauten aller Art an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigt werden dürfen. Die den Arbeitern zu gewährende Ruhe hat mindestens für jeden Sonn- und Festtag 24, für zwei aufeinander folgende Sonn- und Festtage 36, für das Weihnachts-, Oster- und Pfingstfest 48 Stunden zu dauern. Im Handelsgewerbe dürfen Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter am ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingsttag überhaupt nicht, im übrigen an Sonn- und Festtagen nicht länger als 5 Stunden beschäftigt werden. Auf Gast- und Schankwirtschaften wie auf das Verkehrs- gewerbe findet das Verbot der Sonntagsarbeit keine Anwendung. Aus- nahmen können unter besonderen im Gesetz festgesetzten Bedingungen von den Verwaltungsbehörden zugelassen werden.

In der Schweiz ist die Arbeit an Sonntagen untersagt, außer in Notfällen und in solchen Betrieben, welche ihrer Natur nach einen un- unterbrochenen Betrieb erfordern. Für Arbeiterinnen ist eine frühere Unterbrechung am Sonnabend vorgesehen.

In Oesterreich ist durch das Gesetz vom 8 März 1885 für den Sonntag alle gewerbliche Arbeit verboten, abgesehen von Säüberungs- and Instandhaltungsarbeiten. Die Regierung ist jedoch ermächtigt, fllr einzelne Kategorien Ausnahmen zu gestatten und hat von dieser Ermäch- tigung wiederholt Gebrauch gemacht. Im allgemeinen wird der Sonntag in Oesterreich in den größeren Betrieben gewissenhaft beobachtet, wäh- rend in dem schwerer zu beaufsichtigenden Kleingewerbe, namentlich in einigen Zweigen (Bäckereien, Schneidereien n. a.) die gesetzlichen Be- stimmungen häufig überschritten werden und namentlich hinsichtlich der Lehrlinge die Befolgung derselben viel oder alles zu wünschen läßt.

In Schweden untersagt das Strafgesetzbuch am Sonntag die Ausübung eines Gewerbes und die Verrichtung einer Arbeit, welche auf einen anderen Tag verschoben werden kann, sofern nicht ein Zwang vorliegt, dadurch für seine und seiner Leute Existenz zu sorgen.

In England verbietet das Werkstättengesetz, Factory Workschop Act. von 1878, die Beschäftigung von Kindern, jugendlichen Personen und Frauen in Fabriken und Werkstätten für die Sonntage und die hohen Festtage, wie in der Regel für die Sonnabendnaohmittage und bestimmt außerdem acht halbe Feiertage im Jahr, von denen zwei durch einen ganzen Feiertag vertreten werden können.

In Belgien ist durch das Gesetz vom 18. Dezember 1889 ver- boten, daß Kinder und jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren, sowie Mädchen und Frauen unter 21 Jahren mehr wie 6 Tage in der Woche arbeiten. Desgleichen ist in Frankreich, Ungarn, Dänemark, Rußland und den Niederlanden die Sonntagsruhe für die ge- schützten Personen gesetzlich gesichert.

d) Weiterer Ausbau des Verwendungsschutges. Trotz der im Vorstehenden geschilderten gesetzlichen Maßnahmen auf

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42 ROTH,

dem Gebiete desVerweDdungsschutzesund der hier gemachten Fortschritte, wie sie namentlich auch Deutschland aufzuweisen hat, ist ein weiterer Ausbau des Verwendungsschutzes dringend notwendig.

Im Interesse einer gesunden Entwickelung des Volkskörpers muß verlangt werden, daß schwächliche und deshalb weniger widerstandsfähige Individuen von allen Betrieben, die mit Staubentwickelung oder mit der Entwickelung giftiger Gase und Dämpfe einhergehen, ausgeschlossen werden. Auch muß in allen besonders gefährlichen Betrieben für regelmäßigen Wechsel der Arbeiter und für periodische ärztliche Unter- suchung derselben Sorge getragen werden.

Die Arbeitszeit muß um so kürzer sein, je körperlich oder geistig anstrengender die Arbeit und je gefährlicher die gewerbliche Beschäf- tigung ist. Auch wo die Fabrikarbeit eine direkt nachweisbare körper- liche oder geistige Ueberbürdung nicht herbeiführt und mit erheblichen Betriebsgetahren nicht verbunden ist, darf die tägliche Arbeitszeit eine bestimmte Dauer nicht überschreiten.

Mit Ausnahme derjenigen Betriebe, die eine genaue Umgrenzung der Arbeitszeit nicht zulassen, ist eine länger als 10- bis höchstens II- stündige Arbeitszeit weder im Interesse der Arbeiter noch der Arbeit- geber gelegen. Desgleichen bedarf das System der Ueberstundenarbeit dringend notwendig der Einschränkung. Bei rechtzeitiger und geeig- neter Geschäfts- und Betriebsdisposition ist dieselbe in der Mehrzahl der Fälle vermeidbar.

Die Ausdehnung der gesetzlichen Schutzmaßnahmen auf Hausindustrie und Handwerk ist eine der dringendsten Forderungen der Gewerbehygiene.

Bezüglich der Kinder und jugendlichen Arbeiter muß verlangt werden, daß dieselben zur Fabrikarbeit nicht zu- gelassen werden dürfen, als bis das Zeugnis eines Fab- rikaufsichtsarztes darüber vorliegt, daß ihre körper- liche Entwickelung eine solche ist, daßdurch dieFabrik- arbeit ihre Ausbildung nicht geschädigt wird, da weder in allen Fällen das erreichte Alter genügt, um dem Kinde und jugend- lichen Arbeiter die zur Fabrikarbeit notwendige physische Reife zuzu- erkennen, noch die beigebrachten Altersnachweise jederzeit genau und richtig sind. Auch die Arbeiter von 16 18 Jahren bedürfen vielfach einer besonderen Fürsorge, wenn sie, wie es namentlich bei Arbeiterinnen dieser Alterskiasse häufig vorkommt, nach ihrer körperlichen Ent- wickelung den jugendlichen Arbeitern gleichzustellen sind.

Endlich erscheint eine weitere Ausdehnung der Sonntagsruhe auf das Transportgewerbe und die Verkehrsanstalten wünschenswert.

(Bezüglich eines weitergehenden Schutzes der Frauen vergl. den folgenden Abschnitt von Bluhm.)

4. Betriebsschutz.

a) Luftkübtis.

Wenden wir uns zum Betriebsschutz, so ist hier die erste und wichtigste Forderung, daß dem Arbeiter jederzeit ein ge- nügender Luftraum zur Verfügung steht, eine Forderung, die zur Voraussetzung hat, daß die Baupläne von Fabrikan- lagen in jedem Falle auch vom hygienischen Standpunkt aus geprüft werden.

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Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 43

Einen bestimmten Luftraum für jeden Arbeiter hat von den euro- päischen Fabrikgesetzgebungen nur Schweden vorgeschrieben, und zwar verlangt das Gesetz vom 10. Mai 1889 einen Luftraum von 7 cbm fQr jeden Arbeiter. Sehr viel weiter geht auch hierin das in Bezug auf Arbdterschutz am meisten vorgeschrittene Australien, das bereits seit l&nger als einem Vierteljahrhundert sich des achtstündigen Maximal- arbeitstags bei vorzüglichen Lohnverhältnissen erfreut, und das für jeden Arbeiter in Fabriken einen Luftraum von 500 enge Kubikfuß, ent- sprechend 14,2 cbm, vorschreibt.

VTenn es auch im allgemeinen nicht durchführbar erscheint, einen bestimmten Luftraum für alle gewerblichen Anlagen vorzuschreiben, da die Festsetzung abhängig ist von der Güte der Ventilationseinrichtungen und der Ausgiebigkeit der Luftemeuerung, so bedürfen doch die ge- wöhnlichen Forderungen eines „hinreichenden Luftraums und genügen- der Luftemeuerung^' in jedem Falle einer sachverständigen Interpretation and einer dauernden Kontrolle. Bei der Abmessung der Größe des Luftraums ist auf die Art des Betriebes und vor allem darauf Rück- sicht zu nehmen, ob der Betrieb als solcher eine Luftverunreinigung durch Dünste oder Gase oder durch Staubentwickelung zur Folge hat, die zur Zeit als völlig vermeidbar nicht zu erachten ist, sowie darauf, daß der Aufenthalt vieler Menschen nicht allein an sich luftverschlech- temd wirkt, sondern auch in Verbindung mit der künstlichen Beleuch- tung, der raschen Bewegung zahlreicher Maschinenteile gleichzeitig eine namhafte Temperaturerhöhung zur Folge hat

Die Ansichten über das zu fordernde Mindestmaß des Luftraums gehen im allgemeinen ziemlich auseinander. Soyka^ verlangt einen Raum von 15 cbm, der in Fällen, wo außerdem durch den Betrieb Ver- unreinigungen gesetzt werden, auf 20 cbm pro Kopf zu erhöhen ist. Popper^ verlangt 15 cbm Luftraum für den Kopf in Arbeitsräumen, in denen keine Entwickelung von Staub oder Gasen stattfindet, und die- selbe Forderung stellt Hirn. Das von Villaret^ u. a., auch von einigen Bezirksregierungen geforderte Mindestmaß von 5 cbm pro Kopf kann als ausreichend nicht erachtet werden, da eine mehr als sieben- fache Luftemeuerung in der Stunde nötig wäre, um den Zustand der Luft dauernd gut zu erhalten.

Wird dem einzelnen Arbeiter ein Luftraum von 10—15 cbm ge- währt, ein Maß, unter das nicht herabgegangen werden sollte, so ist auch hierbei hinsichtlich der Unschädlichkeit der Respirationsluft Voraus- setzung, daß in der Stunde eine zwei- bis dreimalige Erneuerung der Luft stattfindet, eine Annahme, die in der Regel den thatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht Auch sollte kein Arbeitsraum dem Ar- beiter weniger als 2 qm Grundfläche gewähren, da anderenfalls die Sicherheit des Verkehrs in solchen Räumen gefährdet wird.

In Deutschland hat der Bundesrat auf Grund des § 120 a der Gewerbeordnung für einige Betriebsarten, in denen die Arbeiter durch die Verunreinigung der Luft besonders gefährdet schienen, Vorschriften über das Mindestmaß der Höhe und des Luftraums der Arbeitsräume erlassen, und zwar ist dieser Luftraum in den Cigarrenfabriken auf 7, in den Abftllräumen der Phosphorzündholzfabriken auf 10 cbm festgesetzt. Für die Beleg- und Trockenräume in den Qaecksilber-Spiegelbelegen haben Preußen und Bayern bei einer Luftemeuerung von 60 cbm pro Kopf und Stunde einen Luftraum von 30 cbm für den Arbeiter vorge-

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schrieben. Für einzelne Betriebe ist in Baden ein Luftraum von 10 cbm festgesetzt.

In England muß in Werkstätten, in denen jugendliche Arbeiter be- schäftigt werden, nach den im Jahre 1882 erlassenen Bestimmungen ein Luftraum von 7,1 cbm vorhanden sein, wenn in den Räumen nur bei Tage gearbeitet wird; dagegen werden 11,3 cbm gefordert, wenn auch während der Nacht gearbeitet wird. Dieselben Anforderungen stellen die englischen Fabrikinspektoren auch für solche Werkstätten und Fabriken, in denen zwar jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden, bei welchen jedoch ein Einschreiten wegen UeberfüUung der Räume geboten erscheint.

b) Lüftung.

Die Lüftungseinrichtungen müssen derartig sein, daß sie nicht seitens der Arbeiter willkürlich außer Betrieb gesetzt werden können. Wo eine Winterventilation ausreichend ist, geschieht die Zuführung frischer Luft vielfach mittelst eines ins Freie mündenden, unter dem Boden des Arbeitsraums liegenden genügend weiten Kanals zwischen Ofen und Mantel. Wo mechanische Kraft zur Verfügung steht, bewährt sich am besten das Einpressen frischer Luft und Verteilen derselben mittelst an der Decke hingezogener, mit Oefihungen versehener Kanäle« nach Bedarf verbunden mit gleichzeitiger Luftbefeuchtung der Arbeits- räume.

Auch die Gefahren zu hoher Temperaturen lassen sich vielfach durch Einführung von Lüftungseinrichtungen oder durch Wasserbe- rieselung beseitigen.

Da die Ventilationsanlagen, bei denen Ventilatoren zur Verwendung kommen, sehr häufig hinter der geforderten Leistung zurückbleiben, in- folge technisch mangelhafter Ausführung der Anlage, erscheint es not- wendig, in jedem derai-tigen Falle eine sachverständige Prüfung der Ventilatoren in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit zu fordern.

c) Künstliche Beleuchttmg.

Neben der Beschaffenheit des Materials und der Anhäufung der Arbeiter in geschlossenen Räumen ist von besonderem Einfluß auf die Beschaffenheit der Luft der Arbeitsräume die künstliche Beleuchtung. Die zunehmende Verwendung elektrischen Lichtes in Fabrikbetrieben bedeutet nach dieser Richtung einen erheblichen Fortschritt Soll die verbrauchte erhitzte Luft gleichzeitig zu Ventilationszwecken nutzbar gemacht werden, so steht obenan das Gasgiühlicht, das vor dem ge- wöhnlichen Gaslicht nicht bloß durch größere Helligkeit ausgezeichnet ist, sondern auch dadurch, daß die produzierte Kohlensäure nur die Hälfte der durch Gasflammen erzeugten beträgt, die produzierte Wärme noch weniger als die Hälfte und unvollkommene Verbrennungsprodukte nur in verschwindender Menge in die Luft gelangen^".

d) Beinlichkeit Die Reinhaltung der Arbeitsstätte, insbesondere auch der Wände und des Fußbodens ist hygienisch von besonderer Wichtigkeit, da ohne durchgreifende Reinlichkeit alle Ventilationseinrichtungen nichts helfen. Ganz besonders wichtig sind die hierauf gerichteten Maßnahmen auch in Rücksicht auf die Verbreitung ansteckender Krankheiten, sei es daß

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Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 45

ein infektioDsverdäcbtiges Material verarbeitet wird oder der Import der Infektionsträger durch die Arbeiter selber erfolgt. Der Fußboden muß so beschaffen sein, daß er leicht staubfrei zu erhalten ist, welchem Zweck am besten steinerne Bodenbelege dienen ; die Wände sind zweimal jährlich zu weißen und der Reinhaltung der Maschinen und aller Teile be- sondere Aufmerksamkeit zuzuweQden.

Die Aufstellung von Spucknäpfen in Fabriken zum Zwecke der Verhütung der Weiterverbreitung der Tuberkulose begegnet sowohl bei den Arbeitern wie bei den Arbeitgebern vielfach noch großer Abneigung, die teils mit der Nichtbenutzung seitens der Arbeiter, teils mit der Schwierigkeit ihrer Aufstellung und ihrer Reinigung begründet wird.

Von besonderer Bedeutung sind alle diejenigen Einrichtungen, die der Reinlichkeit der Arbeiter und deren Hebung zu dienen bestimmt sind; dahin gehören vor allem Wasch- und Badeeinrichtuiigen, sowie die Bereitstellung besonderer Speise- und Ankleideräume.

Besondere Aufmerksamkeit erfordert auch die Beseitigung der Ab- fallstoffe und Fabrikabgänge, sowie die Lage und Beschaffenheit der Aborte. Erstes Erfordernis ist, daß dieselben in keiner Verbindung mit den Fabrikräumen stehn. Für kleinere Betriebe stellen die Torfmull- nnd Erdklosetts vielfach eine empfehlenswerte Einrichtung dar. (Siehe auch S. 64.)

Endlich gehört zum Wohlbefinden des Arbeiters eine ausreichende und jederzeit genügende Erwärmung der Arbeitsstätte, sowie die Ver- sorgung mit einem einwandsfreien Trinkwasser. Nament- lich die letztere läßt vielfach zu wünschen übrig, sei es daß das Wasser iJs Trinkwasser nicht geeignet oder den Arbeitern nicht in dem Maße leicht und bequem zugänglich gemacht wird, wie es wünschenswert wäre.

e) SchutB gegen giftige und staubentwickelnde Materialien.

Was diejenigen Berufsschädlichkeiten betrifft, die durch die Ver- arbeitung giftiger oder staubentwickelnder Materialien hervorgebracht werden, so verdienen in prophylaktischer Beziehung hier alle diejenigen Maßnahmen besondere Unterstützung, die darauf ge- richtet sind, statt giftiger Materialien, soweit es irgend möglich, giftfreie zur Verwendung zu bringen, wie es bei- spielsweise in den Quecksilber-Spiegelbelegen durch Verdrängung der Quecksilber- durch die Silberbelegung in großer Ausdehnung bereits erreicht ist. Während in den Spi^elbelegen in Fürth im Ja^^re 1886 auf 100 Arbeitstage noch 13,52 Krankheitstage entfielen, ging diese Zahl in den folgenden Jahren immer. mehr zurück, bis im Jahre 1891 bei den 56 in der Industrie noch Beschäftigten überhaupt kein Fall von Mercurialismus mehr sich ereignete. Neben der segensreichen Thätig- keit des Glasbeleger-Hilfsvereins, der eine Reihe hygienischer Normativ- bestimmungen für alle Anlagen festsetzte, findet dieser Rückgang darin seine Erklärung, daß in der Zwischenzeit 13 auf große Leistungsfähig- keit eingerichtete Anstalten für Silberbelegung entstanden waren, und daß außerdem die wenigen Belege, die noch mit Quecksilber arbeiten, nur besonders widerstandsfähige, gut bezahlte und entsprechend gut genährte Arbeiter beschäftigen, deren Arbeitszeit außerdem eine ver- hältnismäßig geringe ist^^

Die Thatsache, daß in Deutschland die Phosphomekrose von Jahr zu Jahr seltener geworden ist, und in Preußen in den letzten Jahren überhaupt kein Fall sich ereignete, während in anderen Ländern, wie in

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Oesterreich und der Schweiz, Fälle von Phosphornekrose verhältnismäSig immer noch häufig vorkommen, findet ihre Erklärung darin, daß in Deutschland der gelbe Phosphor in der Zündholzfabrikation fast gänz- lich durch den amorphen Phosphor verdrängt ist^'. Auch bezüglich des Bleies ist es in verschiedenen Industriezweigen gelungen, dasselbe zu verdrängen : so hat man in mehreren Fabriken Sachsens konkurrenz- fähige bleifreie Glasuren eingeführt, und dasselbe ist bei der Emaillierung der gußeisernen Geschirre gelungen. Hierher gehört femer der Ersatz der Bleigewichte in der Jacquard- Weberei durdh eiserne und die Besei- tigung der Bleiunterlage bei den Bemsteinarbeitem und Feilenhauem. Dagegen ist eine Verdrängung der bleihaltigen Farben durch giftfreie bisher nur sehr vereinzelt (Ersatz durch Zinkweiß und weißes Antimon- oxyd) gelungen. In der Blumenfabrikation sind an die Stelle arsenik- haltiger Farben vielfach arsenikfreie getreten, und dasselbe ist bei der Herstellung der Anilinfarben der Fall.

Vio ein solcher Ersatz nicht durchführbar, muß das Bestreben darauf gerichtet sein, giftige Gase und Dämpfe entweder in sogen. Konden- satoren niederzuschlagen oder, soweit dies nicht zu erreichen, zum Verbrennen unter die Kesselfeuerung zu leiten, oder durch Aufnahme in vollkommen geschlossenen Apparaten zu beseitigen oder endlich auf andere Weise, insbesondere durch Ver- arbeiten auf nassem Wege, die giftigen oder staubentwickelnden Materialien möglichst unschädlich zu machen. Letzteres ist bereits in einer Reihe von Betrieben, neuerdings auch in der Achat- und Nähnadel- schleiferei gelungen, und auch in der Blei- und Bleifarben-Industrie wird das Material möglichst in feuchtem Zustande verarbeitet Des- gleichen sind die Schmirgelscheiben, da wo die Arbeitsprozesse es ge- statten, mehrfach durch Einrichtungen zum Naßschleifen ersetzt, auch wird in Cementfabriken, Steinbrüchen etc. vielfach *durch vorherige An- feuchtung des zu verarbeitenden Materials der Staubentwickelung ent- gegen zu wirken gesucht.

Diese Maßregel der nassen Bearbeitung auf eine immer größere Zahl gefährlicher Betriebe auszudehnen, muß das stetem Bestreben der Technik sein, wie es andererseits dort, wo dies nicht erreichbar, ihre Aufgabe ist, den Staub am Orte seiner Entstehung durch einen starken Luftstrom aufzuncthmen und in besonderen Staubkammem oder mittelst Luftfiltern, die in die Absaugeleitung eingeschaltet sind, abzu- fahren. Erst als letzter Notbehelf dürfen Respiratoren und Schutzhauben sowie sonstige prophylaktische Maßnahmen (Gurgelungen, Milchgenuß etc.) in Frage kommen.

/) Fabrikaufsickt. Nach § 120e des Gesetzes betr. Abänderung der Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 können durch Beschluß des Bundesrats Vorschriften darüber erlassen werden, welchen Anforderungen an bestimmte Arten von Anlagen zur Durchführung der in den §§ 120a bis c enthaltenen Grundsätze zu genügen ist; soweit solche Vorschriften nicht erlassen sind, können dieselben durch Anordnung der Landescentralbehörde oder durch Polizeiverordnungen der zum Erlasse solcher berechtigten Be- hörden getroffen werden, eine Befugnis, von der seitens des Bundesrats in ausgedehnterem Maße als bisher Gebrauch gemacht werden sollte. Wenn aber der § 120d die Befugnis der Polizeibehörden festsetzt, für einzelne Anlagen die Ausführung derjenigen Maßnahmen anzuordnen,

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AUgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 47

welche zur Durchführung der in den §§ 120a bis c enthaltenen Grund- sätze erforderlich und nach der Beschaffenheit der Anlage ausführbar erscheinen, so können die Polizeibehörden nicht als die geeigneten Or- gcne hierfür erachtet werden, da hieraus unausbleiblich eine Verschieden- heit der Anforderungen resultieren würde, welche die Konkurrenzfähigkeit der einzelnen Industrien zu schädigen geeignet ist Es erscheint deshalb notwendig, daß diese Fragen auf reichsgesetzlichem Wege durch den Bundesrat einheitlich geregelt werden.

Als eine weitere Forderung ergiebt sich, daß die bereits für eine größere Zahl von Fabrikanlagen zum außerordentlichen Vorteil der Arbeiter erlassenen SpezialVerordnungen auf alle diejenigen Anlagen weiter ausgedehnt werden, welche die notwendige Gleichartigkeit besitzen, um den Erlaß solcher Normativbestimmungen über Einrichtung und Betrieb durchführbar erscheinen zu lassen (die Buchdruckereien, Spreng- sto£fiabriken u. a.).

Was die spezielle Ueberwachung der Fabrikanlagen be- trifft, die in Deutschland den Aufsichtsbeamten und weiterhin den Beauf- tragten und Polizeibehörden obliegt, so entspricht es nicht den Interessen der gewerblichen und öffentlichen Hygiene, wenn in Preußen der Medi- zinalbeamte vor Erteilung der Genehmigung bei den konzessions- pfiichtigen gewerblichen Anlagen nicht mehr gehört wird. Abgesehen davon, ob und inwieweit er imstande ist, am Grund des § 38 der Verordnung vom 19. Juli 1884 im Genehmigungsverfahren solche Gefahren, Nachteile oder Belästigungen, „welche in der physischen Ein- wirkung der Anlage auf ihre Umgebung ihren Grund haben'', zur Geltung zu bringen, unterliegt es keinem Zweifel, daß die Prüfung der Baupläne für Anlage neuer sowie Erweiterung oder Aenderung be- stehender Fabrikanlagen nicht bloß in Bezug auf die Umgebung, sondern in Bezug auf die Anlage selber vom hygienischen Standpunkt nur der Medizinalbeamte auszuführen imstande ist. Es kommt hinzu, daß die örtliche Lage einer geplanten Fabrikanlage, ihr Verhältnis zur Umgebung, zu benachbarten Flußläufen u. s. w. nur auf der Grundlage einer genauen Kenntnis der örtlichen Verhältnisse möglich ist, und daß bei den AufiBichtsbeamten neben den unerläßlichen technischen und volkswirtschaftlichen Kenntnissen die hierzu erforderlichen hygienischen Kenntnisse auch dann nicht vorausgesetzt werden können, wenn die praktische Gewerbehygiene, wie es bisher allein in Preußen an den drei technischen Hochschulen der Fall ist, an sämtlichen Hochschulen Deutsch- lands einen obligatorischen Unterrichtsgegenstand bildete. Auch be- züglich der nicht genehmigungspflichtigen Anlagen, soweit sie eine größere Zahl von Arbeitern beschäftigen, wie beispiels- weise die Zuckerfabriken, Brauereien u. a., die häu£g zu erheblichen Schädigungen und Belästigungen der Nachbarn, der Flußläufe u. s. w. Anlaß geben, ist es vielfach als ein Mangel empfunden worden, daß dieselben vor ihrer Errichtung, ebenso wie nach der bau- und feuer- polizeilichen Seite, nicht auch nach der gesundheitlichen Seite geprüft und genehmigt werden.

Aufgabe der ärztlichen Fabrikaufsicht würde es sein, die Einvrirkung des Fabrikbetriebes auf die gesamte Arbeiterschaft und vor allem auf die geschützten Personen zu überwachen, um etwaigen Schädigungen bei Zeiten vorbeugen zu können. In zweiter Linie wäre es ihre Aufgabe, die zum Schutze der Arbeiter getroffenen Einrichtungen und Maßnflübmen dauernd zu überwachen. Für einzelne Industrien,

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namentlich die Nahrun^mittel-Industrie, muß außerdem eine direkte Ueberwachung des Betriebes durch einen hygienischen Beirat im In- teresse des konsumierenden Publikums für notwendig erachtet werden. Nachdem der Staat sich bereits veranlaßt gesehen hat^ für einzehie gesundheitsschädliche Fabrikbetriebe Aerzte zur Mitwirkung heranzu- ziehen, sei es zwecks Ueberwachung der Betriebe, sei es bdiufe Beur- teilung der geeigneten Körperkonstitution jugendlicher und erwachsener Arbeiter für gewisse Betriebe (cf. vierten Abschnitt), darf- erwartet werden, daß eine einheitliche Regelung dieses Teils der Qewerbehygiene, wie eine solche in anderen Ländern, insbesondere in Sachsen, Baden, Württemberg und Hessen, bereits in die Wege geleitet ist, auch in Preußen nicht mehr länger auf sich warten läßt.

Mit dem Inkrafttreten des Unfallversicherungsgesetzes traten zu den Aufsichtsbeamten die auf Grund des § 82 dieses Gesetzes ernannten Beauftragten der Berufsgenossenschaften und die Vertrauensmänner, deren Kontrolle sich speziell auf den Betrieb selber und auf die von den Berufsgenossenschaften erlassenen Unfaltverhütungsvorschriften erstreckt. Am 1. Oktober 1892 waren bei 43 gewerblichen und einer landwirt- schaftlichen Berufsgenossenschaft 158 Beauftragten -Stellen vorhanden, welche von 145 Beamten versehen wurden. Mehrere von diesen Beamten, die nicht sämtlich technisch vorgebildet sind, bekleideten derartige Stellen bei verschiedenen Berufsgenossenschaften bezw. Sektionen. Not- wendig ist jedenfalls, daß die Beauftragten ausschließlich zu dem Zwecke der Beaufsichtigung der Betriebe angestellt werden, nicht aber eine so wichtige und die ganze Zeit und Thätigkeit beanspruchende BeschM- tigung im Nebenamt betreiben. Staatliche Befugnis ist dem Beauftragten in Preußen nur bezüglich der Untersuchung und Prüfung der Dampfifässer auf Grund der Verordnung vom 18. Dezember 1888 beigelegt.

Um die Beziehungen der Aufsichtsbeamten zu den Berufsgenossen- schaften zu regeln und ein sachgemäßes Zusammenwirken der Organe der Berufsgenossenschaft mit den Staatsverwaltungs- und Aufsichts- behörden, insbesondere auch auf dem Gebiete des Erlasses und der Handhabung von Unfallverhütungsvorschriften herbeizuführen, erließ der Minister für Handel und Gewerbe in Preußen unter dem 19. September*1887 eine Verordnung, die bestimmte, daß bei Erlaß neuer Vorschriften auf Grund des § 120 der Gewerbeordnung der § 81 des Unfallversicherungs- gesetzes zu beachten und Bestimmungen, welche mit den Vorschriften der Berufsgenossenschaften in Widerspruch stehen, ohne ausdrückliche Genehmigung des Ministers nicht aufgenommen werden dürfen. Vor Erlaß solcher Verordnungen ist zu prüfen, ob dieselben mit den von den Berufsgenossenschaften für Betriebe derselben Gattung erlassenen allgemeinen Vorschriften vereinbar sind.

Der dritte aufsichtsführende Faktor sind diePolizei- behörden. Der § 139b überweist, wie seither, so auch künftig neben den besonderen von den Landesregierungen anzustellenden Aufsichts- beamten den ordentlichen Polizeibehörden die Gewerbeaufsicht

B. Schatz der Anwohner.

Was endlich den Anwohnerschutz betrifft, so hat sich nament- lich in Industriebezirken mehr und mehr das Bedürfnis geltend ge- macht, gewerbliche und industrielle Anlagen, welche durch Ausdünst- ungen, durch Rauch oder durch lärmenden Betrieb die Gesundheit der

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Allgemeine GFewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 49

Anwohner oder die Annehmlichkeit des Wohnens beeinträchtigen, von bestimmten Teilen des Gemeindebezirks fernzuhalten. Da die §§18 ttnd 19 der deutschen Gewerbeordnung in vielen deutschen St&dten nicht ausgereicht haben, diese Forderung der öffentlichen Gesundheits- pflegß zu erfüllen, erscheint es notwendig, auf Grund des § 23 Abs. 3 der Gewerbeordnung den Gemeinden der deutschen Bundesstaaten durch Landesgesetzgebung die Möglichkeit zu geben, diese Forderung zu er- füllen und einzelne Stadtteile vorzugsweise zu Anlagen der im § 16 der Gewerbeordnung erwähnten Art zu bestimmen, in anderen Stadt- Udlen aber dergleiäen Anlagen entweder überhaupt nicht oder nur nnter besonderen Beschränkungen zuzulassen. Auf seiner vierzehnten Jahresversammlung in Frankfurt a. M. sprach sich auch der deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege in diesem Sinne aus. Von gröfieren Städten sind Dresden, Franl^urt a. M. u. a. in der Schaffung fabrikfreier Wohnbezirke und besonderer Fabrikbezirke vorangegangen. Speziell in Frankfurt a. M. ist die ganze Außenstadt zerlegt in Wohn- viertel, Fabrikviertel und gemischte Viertel, während die neue Berliner Bau-Polizeiordnung für die Vororte vom 5. Dezember 1892 nur die Be- stimmung trifft, daß die Landhausbezirke von großen Gewerbebetriebcai verschont bleiben sollen. Bei der Einrichtung solcher Fabrik-Stadtteile ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß sie an der der vorherrschenden Windrichtung abgdcehrten Seite gelegen sind ; auch ist der Verkehr auf alle mögliche Weise zu erleichtem, um auf diese Weise zu erreichen, daß ohne Zwang auch die bisher innerhalb anderer Gebiete befindlichen Groß- und Kleinbetriebe dorthin verlegt werden.

Um Gesundheitsschädigungen und Belästigungen der Nachbarn und des Publikums möglichst zu verhüten, ist femer notwendig, daß aus Feuerungs- und Schornsteinanlagen zu gewerblichen Zwecken, sowie aus Centralheizungen kein Rauch ent- weichen darf, der Ruß in, sichtbarer Menge enthält, da eine völlig rauchlose Verbrennung nach dem jetzigen Stande der Technik nicht verlangt werden kann. Zu diesem Zweck sind im Verordnungs- wege, wie es in West- und Süddeutschland bereits vielfach geschehen, für jede neue Dampfkesselanlage zugleich bei der Konzessionserteilung rauchverzehrende Einrichtungen und für schon bestehende Anlagen innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Herstellung geeigneter Rauch- verbrennungseinrichtungen, sei es durch Aenderung der Feuerungs- anlage, sei es durch Anwendung geeigneten Brennmaterials und sorg- same Wartung, vorzuschreiben, während andererseits der Gebrauch des Gases zu Heiz- und Kochzwecken auf alle Weise zu fördern ist. Ungelernte Personen als Kesselwärter anzustellen oder die Wartung des Kessels zu einer Nebenbeschäftigung zu machen, sollte unter keinen Umständen gestattet sein. Wünschenswert bleibt es, auch andere nicht konzessionspfiichtige gewerbliche Feuerungen, die häufig zu erheblicheren Klagen wie die üampfkesselfeuemngen Anlaß geben, beispielsweise Bäckereien, mit in das Bereich der Fürsorge hineinzuziehen.

Endlich muß der Frage der Reinhaltung des Grund und Bodens, sowie der Flußläufe von den Fabrikabwässern eine viel größere Aufmerksamkeit zugewandt werden, als dies bisher vielfach geschehen ist. Eine gesetzliche Regelung hat die wichtige Frage der Flußverunreinigung bisher in Deutschland nicht erfahren. Das einzige hierher gehörige Gesetz, das für Preußen noch Geltung hat, datiert vom 28. Februar 1843 und bestimmt, daß das zum

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50 ROTH, Allgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung.

Betriebe von Färbereien, Gerbereien, Walkereien und ähnlichen Anlagen benutzte Wasser keinem Flusse zugeleitet werden darf, wenn hierdurch der Bedarf der Umgegend an reinem Wasser beeinträchtigt oder eine erhebliche Belästigung des Publikums verursacht wird. Bemerkenswert ist eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 15. September 1886, die dahin lautet, daß jeder unterhalb einer Fabrik liegende Uferbesitzer sich die Zuführung deijenigen Quantität des Wassers bezw. eine Ver- änderung in der Qualität desselben gefallen lassen müsse, welche das Maß des Gemeinüblichen und Regelmäßigen nicht übersteigt. In Preußen beriet über die Frage der Flußverunreinigung im Jahre 1888 die wissen- schaftliche Deputation für das Medizinalwesen, deren Beschlüsse den sämtlichen Regierungspräsidenten zur Kenntnis mitgeteilt wurden.

Die Forderung, innerhalb der Städte Fabrikabwässer überhaupt nicht, unterhalb derselben, insoweit eine anderweitige industrielle Verwertung oder eine Reinigung durch Bodenfiltration nicht erreichbar, nur nach voran- gegangener, dem derzeitigen Stande der Wissenschaft und Technik ent- sprechender Klärung bezw. Fällung in die Flußläufe einzuleiten, muß bei jeder Neuanlage vor der Konzessionserteilung und bei nicht genehmigungs- pflichtigen Anlagen auf Grund polizeilicher Maßnahmen erfüllt sein.

Die Erfüllung dieser den Schutz der Nachbarn und des Publikums bezweckenden Maßnahmen gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Hygiene und Gesundheitstech- nik. So schwer die Erfüllung derselben in Industriebezirken vielfach sich gestaltet, um so schwerer, je später die Hygiene ihre Forderungen stellt, so lohnend und verhältnismäßig leicht ist ihre Durchführung überall dort, wo die Industrie erst im Entstehen begrififen ist. Principüs obsta. Luft und Wasser, Grund und Boden möglichst rein za erhalten, ist eine der wichtigsten Kulturaufgaben, nicht bloß im Hinblick auf das lebende, sondern noch mehr im Hinblick auf spätere. Geschlechter.

1) L. Ynld, InterruUumaJe FabrikgeMOMgtbvmg^ De%a$ehe Zek- uitd Streitfragen Hefi 64 Neu€ Folgt /F. Jahrg. \ Adler, Der intemaUonaU SlchiU der Arbeüer^ Anmalen de» DeuUcken Beicht (1888) 465; G. Oohn, JntemaÜanale Fahrikgetetugelrnng, Sdtriften de» Verein» für SoMitUpoiitik 21 Bd. Leipstig.

9) B. Both, ArbeiUrtcfutt» und UnfaüverhOtmg, DeuUehe Vterteljahrtschri^ f. 0. O. 24 Bd, und V, f. ger. M. u. ö. 8. N. F. 62. Bd.

8) Amiliehe NaekriekUn de» Beieh»»ereieherung»amU (1898).

4) Bnhland, Der aektetündige ArheitUag und die ArheüereckiOstgeeetngebung der a%utraii»eken Kolonie», ZeiUehr. für die ge». Staatewieeenitkaft 27. Jahrg. Heft 2, 279, Tübingen (1891); Seh&ffla, Zur Theorie und Politik des Arbeiteriehutzet, ZeiUchr. jir die ge». 8taatewi»aen»ehaft 46. und 47. Jahrgang.

5) Soyka, Arbeiterhygiene m Eulenburg'» RealenegUopädie der ge». Heilkunde 1. Bd. 2. Auß.

6) Popper, Lehrbu<A der Arbeiteriranhheiten und Oewerbehygiene 119, StuitgaH 1882.

7) Hirt, Arbeiierhygiene m Eulenberg*» Handbuch de» öffeniUehen Oe»undheittwe»en», 1. Bd, 147, Berlin 1881.

8) VUlaret, Gewerbe und Industrie, cm 3. Bande de» Bwiehi» über die allgemeine deuteche Au»9tellung aV «^'o* Gebiete der Hygiene u$id de» Bettungtweien», 269, Breslau 1886.

9) Beport Cff the Ohief-In^^eetor of ^aetorie» and workehop» /or the year ending 81. October 1887, 94, und 1888, 5.

10) Beok, Outachten, Hatte 1892.

11) SehftnlAiik, Die Fürther QueehtOber Spiegelbdeger und ihre Arbeiten^ StuttgaH 1888 ; Benk, Untereuehungen über da» Verttäuben und Verdamp/en von Queektüber mit besonderer Be-- rüekeiehtigung der VerhäUni»»» in Spiegelbeleganttaüen, Arb. au» dem Kai». OeeundheHt^ amt 6 Bd. (1889) Heft 1 ; Jahreaberichle der bayriechen Fabrikmtpektoren pro 1890; Amt- liehe Mitteüungen au» den Jahretberiehten der mit Beau/eiehtigung der Fabriken betrauten Beamten, iO und /olgend» Jahrgänge; Wollnor, Die QuedttUbertptegelbeleger der Stadt F^rih, D. F. /. 0. O. 19. Bd. Heft 8, 421 «. /.; Uffelmaiin, JahreeberiehU über die Forttebritte und Leittungen auf dem CMtieU der Hygiene, Jahrgamg 1885 u. f.

12) Amtliche Mitteilungen au» den Jahreeberichien u. ». to., 12. Jahrg. u. f.

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VIERTER ABSCHNITT.

Fabrikgesetzgebnng und Oewerbe-SanltatspollzeL

Einer eigentlichen Fabrikgesetzgebung, umfassend Art der Beschäftigung, Arbeitszeit, Schutzmaßregeln zu Gunsten der Arbeiter oder einzelner Kategorien derselben u. s. w. begegnen wir in Europa aufier in Deutschland in England, in der Schweiz, in Oesterreich- Ungarn, in Frankreich, Dänemark, Schweden, in den Niederlanden, Belgien, Italien und Rußland.

Während in England und auch in Frankreich die ersten Anftnge polizeüicher Maßnahmen in Bezug auf den Gewerbebetrieb sich in frühere Jahrhunderte znrückverfolgen lassen, begegnen wir in Deutschland, von einzelnen Bestimmungen aus früherer Zeit abgesehen, gewerbesanitäts- polizeüichen Bestimmungen zuerst zu Ende des vorigen und Anfangs dieses Jahrhunderts. In den Städten waren es die Zünfte, von denen aus eine Art Gewerbepolizei zuerst sich entwickelte. Während im Beginn des Mittelalters in Deutschland allgemeine Gewerbefreiheit bestand, nahm das Konzessionswesen und die dadurch bedingte Beschränkung der ge- werblichen Freiheit seinen Ausgang von dem Bannrecht der Städte, die dadurch gegen die Konkurrenz der Landbewohner sich zu schützen ge- dachten. Mit dem Verfall der Städte und dem Rückgang der Zünfte kamen die vielfach strengen gewerbepolizeüichen Bestimmungen, die be- sfiglioh des Konzessionsverfahrens in den Zunftverfassungen enthalten waren, bald in Vergessenheit, wurden aber erst im 17. Jahrhundert teils abgeändert im Sinne der Gewerbefreiheit, teils gänzlich aufgehoben. Die GFesetze vom 2. November 1810 und 7. September 1811 trennten in PreuBen den Gewerbebetrieb vom Innungszwang, und am 17. Januar 1845 wurde die erste allgemeine Gewerbeordnung für Preußen erlassen, der solche in anderen deutschen Ländern bald folgten.

Die heute in Deutschland giltige Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 erlangte am 1. Januar 1873 für das ganze Reich, mit Ausnahme der Reichislande, Giltigkeit und wurde abgeändert und er- gänzt durch die Novelle vom 17. Juli 1878 und durch die Gesetze vom 1. Juli 1883 und 1. Juni 1891, betr. Abänderung der Gewerbeordnung.

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Die wichtigsten für die Fabrikgesetzgebung in Frage kommenden Bestimmungen der Gewerbeordnung in der Fassung vom 1. Juni 1891 sind folgende:

§ 16. Zar Erriohtong von Anlagen, welche durch die örtliche Lage oder die Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder f&r das Publikum überhaupt erheb- liche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können, ist die Genehmigung der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörden er- forderlich.

Es gehören dahin:

Schießpulverfabriken, Anlagen zur Feuerwerkerei und zur Bereitung von Zündstoffen aller Art, Gasbereitungs - und Gasbewahrungsanstalten, Anstalten zur Destillation von Erdöl, Anlagen zur Bereitung von Braun- kohlenteer, Steinkohlenteer und Ooaks, sofern sie außerhalb der Qe- winnungsorte des Materials errichtet werden, Glas- und Ruflhütten, Kalk-, Ziegel- und Gipsöfen, Anlagen zur Gewinnung roher Metalle, Röstöfen, Metallgießereien, sofern sie nicht bloße Tiegelgießereien sind, Hammer- werke, chemische Fabriken aller Art, Schnellbleichen, Fimissiedereien, Stärkefabriken mit Ausnahme der Fabriken zur Bereitung von Kartoffel- stärke, Stärkesirupsfabriken, Wachstuch-, Darmsaiten-, Dachpappen- und Dachfilzfabriken, Leim-, Thran- und Seifensiedereien, Knochenbrennereien, Knochendarren, Knochenkochereien und Knochenbleichen, Zubereitungs- anstalten für Tierhaare, Talgschmelzen, Schlächtereien, Gerbereien, Ab- deckereien, Poudrette- und Düngpulverfabriken, Stauanlagen für Wasser- triebwerke, Hopfenschwefeldörren, Asphaltkochereien und Pechsiedereien, soweit sie außerhalb der GFewinnungsorte des Materials errichtet werden, Strohpapierstofffabriken, Darmzubereitungsanstalten, Fabriken, in welchen Dampfkessel oder andere Blechge&sse durch Vernieten hergestellt werden, ElaHfetbriken und Anstalten zum Lnprägnieren von Holz mit erhitzten Teerölen, Kunstwollefabriken, Anlagen zur Herstel- lung von Oelluloid- und D^grasfabriken, die Anlagen, in welchen Albumin- papier hergestellt wird, die Anstalten zum Trocknen und Einsalzen unge- gerbter Tierfelle, sowie die Verbleiungs-, Verzinnungs- und Verzinkungs- anstalten.

Das vorstehende Verzeichnis kann, je nach Eintritt oder Wegfall der im Eingang gedachten Voraussetzungen, durch Beschluß des Bundes- rats, vorbehaltlich der Genehmigung des nächstfolgenden Reichstages, abgeändert werden.

§ 18. Werden keine Einwendungen angebracht, so hat die Behörde zu prüfen, ob die Anlage erhebliche GFefahren, Nachteile oder Belästigungen für das Publikum herbeifahren könne. Auf Grund dieser Prüfung, welche sich zugleich auf die Beachtung der bestehenden bau-, feuer- und ge- sundheitspolizeüiohen Vorschriften erstreckt, ist die Genehmigung zu ver- sagen, oder unter Festsetzung der sich als nötig ergebenden Bedingungen, zu erteilen. Zu den letzteren gehören auch diejenigen Anordnungen, welche zum Schutze der Arbeiter gegen Gefahr ftir Gesundheit und Leben notwendig sind.

§ 23. . . . Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, fOr solche Orte, in welchen öffentliche Schlachthäuser in genügendem umfange vor- handen sind oder errichtet werden, die fernere Benutzung bestehender und die Anlage neuer Privatschlächtereien zu untersagen.

Der Landesgesetzgebung bleibt femer vorbehalten, zu verfügen, in-

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wieweit dnroh Ortsstataten darüber Bestimmnng getroffen werden kann, dafi einzelne Ortsteile vorzugsweise zu Anlagen der im § 16 erwähnten Ort zu bestimmen, in anderen Ortsteilen aber dergleichen Anlagen entweder gar nicht oder nur unter besonderen Beschränkungen zuzulassen sind.

§ 25. Die Oenehmigung zu einer der in dem § 16 bezeichneten Anlagen bleibt so lange in Kraft, als keine Aenderung ih der Lage und Beschaffenheit der Betriebsstätte vorgenommen wird, und bedarf unter dieser Voraussetzung auch dann, wenn die Anlage an einen neuen Er- werber übergeht, einer Erneuerung nicht Sobald aber eine Veränderung der Betriebsstiitte vorgenommen wird, ist dazu die Oenehmigung der zu- ständigen Behörde nach Maßgabe der §§ 17 23 einschließlich, beziehungs- weise des § 24 notwendig. Eine gleiche Oenehmigung ist erforderlich bei wesentUchen Veränderungen in dem Betriebe einer der im § 16 ge- nannten Anlagen. Die zuständige Behörde kann jedoch auf Antrag des Unternehmers von der Bekanntmachung 17) Abstand nehmen, wenn sie die Ueberzeugung gewinnt, daß die beabsichtigte Veränderung für die Be8it.zer oder Bewohner benachbarter Oxundstücke oder das Publikum überhaupt neue oder größere Nachteile, Oefahren oder Belästigungen, als mit der vorhandenen Anlage verbunden sind, nicht herbeiführen werde. Diese Bestimmungen finden auch auf gewerbliche Anlagen 16) An- wendung, welche bereits vor Erlaß dieses Oesetzes bestanden haben.

§ 27. Die Errichtung oder Verlegung solcher Anlagen, deren Be- trieb mit ungewöhnlichem Oei^usch verbunden ist, muß, sofern sie nicht schon nach den Vorschriften der §§ 16 25 der Oenehmigung bedarf^ der Ortspolizeibehörde angezeigt werden. Letztere hat, wenn in der Nähe der gewählten Betriebsstätte Kirchen, Schulen oder andere öffent- liche Oebäude, Ejrankenhäuser oder Heilanstalten vorhanden sind, deren bestimmungsmäßige Benutzung durch den Oewerbebetrieb auf dieser Stelle eine erhebliche Störung erleiden würde, die Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde darüber einzuholen, ob die Ausübung des Oewerbes an der gewählten Betriebsstätte zu untersagen oder nur unter Bedingungen zu gestatten seL

§ 105 a 105 g regeln die Arbeitsruhe an Sonn- und Festtagen und setzen die im Literesse des Handelsgewerbes und der Lidustrie gestatteten Ausnahmen fest (siehe auch S^ 40).

§ 107. Jeder Oewerbeuntemehmer ist verbunden, auf seine Kosten alle diejenigen Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, welche mit Bücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Oewerbebetriebes und der Betriebsstätte zu thunlichster Sicherung der Arbeiter gegen O^fahr Ar Leben und Oesundheit notwendig sind.

Im Betreff der jugendlichen und weiblichen Arbeiter lauten die Bestimmungen der BÜeichsgewerbeordnung:

§ 120a. Die Oewerbeuntemehmer sind verpflichtet, die Arbeits- Täume, Betriebsvorrichtungen, Maschinen und O^rätschaften so einzu- richten und zu unterhalten und den Betrieb so zu regeln, daß die Arbeiter gegen GFefahren für Leben und Oesundheit so weit geschützt sind, wie es die Natur des Betriebes gestattet.

Lisbesondere ist fftr genügendes Licht, ausreichenden Luftraum und Luftwechsel, Beseitigung des bei dem Betriebe entstehenden Staubes, der dabei entwickelten Dünste und Gkise, sowie der dabei entstehenden Ab- fUle Sorge zu tragen.

Ebenso sind diejenigen Vorrichtungen herzustellen, welche zum

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Schutze der Arbeiter gegen gefohrliche Berührungen mit Maschinen oder Maschinenteilen oder gegen andere in der Natur der Betriebsstätte oder des Betriebes liegende G-efahren, namentlich auch gegen die Gefahren, welche aus Fabrikbränden erwachsen können, erforderlich sind.

Endlich sind diejenigen Vorschriften über die Ordnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeiter zu erlassen, welche zur Sicherung eines gefahrlosen Betriebes erforderlich sind.

§ 120 b. Die Oewerbeuntemehmer sind verpflichtet, diejenigen Ein- richtungen zu treffen und zu unterhalten und diejenigen Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter im Betriebe zu erlassen, welche er- forderlich sind, um die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des An- standes zu sichern.

Insbesondere muß, soweit es die Natur des Betriebes zuläßt, bei der Arbeit die Trennung der Geschlechter durchgeführt werden, sofern nicht die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebes ohnehin gesichert ist.

In Anlagen, deren Betrieb es mit sich bringt, daß die Arbeiter sich umkleiden und nach der Arbeit sich reinigen, müssen ausreichende, nach Geschlechtem getrennte Ankleide- und Waschräume vorhanden sein. Die Bedürfnisanstalten müssen so eingerichtet sein, daß sie für die Zahl der Arbeiter ausreichen, daß den Anforderungen der Gesundheitspflege entsprochen wird und daß ihre Benutzung ohne Verletzung von Sitte und Anstand erfolgen kann.

§ 120 c. Gewerbeuntemehmer, welche Arbeiter unter achtzehn Jahren beschäftigen, sind verpflichtet, bei der Einrichtung der Betriebsstätte und bei der Regelung des Betriebes diejenigen besonderen Rücksichten auf Gesundheit und Sittlichkeit zu nehmen; welche durch das Alter dieser Arbeiter geboten sind.

§ 120 d. Die zuständigen Behörden sind befugt, im Wege der Ver- fügung für einzelne Anlagen die Ausführung derjenigen Maßnahmen an- zuordnen, welche zur Durchführung der in §§ 120 a 120 c enthaltenen Grundsätze erforderlich und nach der Beschaffenheit der Lage ausführbar erscheinen. Sie können anordnen, daß den Arbeitern zur Einnahme von Mahlzeiten außerhalb der Arbeitsräume angemessene, in der kalten Jahres- zeit geheizte Räume unentgeltlich zur Verftlgong gestellt werden.

Soweit die angeordneten Maßregeln nicht die Beseitigung einer diingenden, das Leben oder die Gesundheit bedrohenden Gefahr be- zwecken, muß für die Ausführung eine angemessene Frist gelassen werden.

Den bei Erlaß dieses Gesetzes bereits bestehenden Anlagen gegen- über können, solange nicht eine Erweiterung oder ein Umbau eintritt, nur Anforderungen gestellt werden, welche zur Beseitigung erheblicher, das Leben, die Gesundheit oder die Sittlichkeit der Arbeiter gefährden- der Mißstände erforderlich oder ohne unverhältnismäßige Aufwendungen ausführbar erscheinen.

Gegen die Verfügung der Polizeibehörde steht dem Gewerbeunter- nehmer binnen 2 Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungs- behörde zu. G^gen die Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde ist binnen 4 Wochen die Beschwerde an die Oentralbehörde zulässig; diese entscheidet endgiltig. Widerspricht die Verfügung den von der zuständigen Berufsgenossenschaft erlassenen Vorschriften zur Verhütung von Unfällen, so ist zur Einlegung der vorstehend bezeichneten Rechts-

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mittel binnen der dem Oewerbenntemehmer zustehenden Frist auch der Vorstand der Berufsgenossenschafb befugt.

§ 120 e. Durch Beschluß des Bundesrats können Vorschriften darüber erlassen werden, welchen Anforderungen in bestimmten Arten von An- lagen zur Durchfuhrung der in den §§ 120 a 120 c enthaltenen Grund- sätze zu genügen ist

Soweit solche Vorschriften durch Beschluß des Bundesrats nicht er- lassen sind, können dieselben durch Anordnung der Landescentralbehörden oder durch Polizeiverordnungen der zum Erlasse solcher berechtigten Behörden erlassen werden. Vor dem Erlaß solcher Anordnungen und Polizeiverordnungen ist den Vorständen der beteiligten Berufsgenossen- schaften oder Berufsgenossenschaflssektionen Gelegenheit zu einer gut- achtlichen Aeußerung zu geben. Auf diese finden die Bestimmungen des § 79 Abs. 1 des Gesetzes, betreflFend die Unfallversicherung der Arbeiter, vom 6. Juli 1884 (Reichsgesetzblatt S. 69) Anwendung.

Durch Beschluß des Bundesrats können für solche Gewerbe, in welchen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesund- heit der Arbeiter gefährdet wird, Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorgeschrieben und die zur Durchfuhrung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen erlassen werden. Die durch Beschluß des Bundesrats erlassenen Vor- schriften sind durch das Reichsgesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt zur Kenntnisnahme vor- zulegen.

§ 185. Kinder unter 18 Jahren dürfen in Fabriken nicht be- schäftigt werden. Kinder über 13 Jahre dürfen in Fabriken nur be- schäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind.

Die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren darf die Dauer von 6 Stunden täglich nicht überschreiten.

Junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren dürfen in Fabriken nicht länger als 10 Stunden täglich beschäftigt werden.

§ 186. Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter 185) dürfen nicht vor 5^/^ Uhr morgens beginnen und nicht über 8^/^ Uhr abends dauern. Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeitstage regelmäßige Pausen gewährt werden. Für jugendliche Arbeiter, welche nur 6 Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betragen. Den übrigen jugendlichen Arbeitern muß mindestens mittags eine einstündige, sowie vormittags und nachmittags je eine halbstündige Pause gewährt werden.

Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Be- schäftigung in dem Fabrikbetriebe überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Axbeitsräumen nur dann gestattet werden, wenn in denselben diejenigen Teile des Betriebes, in welchen jugendliche Arbeiter be- schäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig eingestellt werden, oder wenn der Aufenthalt im Freien nicht thunlich und andere geeignete Aufenthaltsräume ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten nicht be- schafft werden können.

An Sonn- und Festtagen, sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger för den Elatechumenen- und Konfirmanden-, Beicht- und Kommunionunterricht bestimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt . werden.

§ 187. Arbeiterinnen dürfen in Fabriken nicht in der Nacht- SS

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zeit von 8^/2 ühr abends bis 5^/^ Uhr m^gens und am Sonnabend^ sowie an Vorabenden der Festtage nicht nach b^/^ Uhr nachmittags beschäftigt werden.

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über 16 Jahre darf die Dauer von 11 Standen täglich, an den Vorabenden der Sonn- and Fest- tage von 10 Stunden, nicht überschreiten.

Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine mindestens einstündige Mittagspause gewährt werden.

Arbeiterinnen über 16 Jahre, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens 1^/^ Stunde beträgt

Wöchnerinnen dürfen während 4 Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden 2 Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugnis eines approbierten Arztes dies für zulässig erklärt.

§ 189 a. Der Bundesrat ist ermächtigt:

1) die Verwendung von Arbeiterinnen, sowie von jugendlichea Arbeitern für gewisse Fabrikationszweige, welche mit besonderen Ge- fahren für (Wundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich zu untersagen oder von besonderen Bedingungen abhängig zu machen;

2) fär Fabriken, welche mit ununterbrochenem Feuer betrieben werden, oder welche sonst durch die Art des Betriebes auf eine regel- mäßige Tag- und Nachtarbeit angewiesen sind, sowie für solche Fabriken^ deren Betrieb eine Einteilung in regelmäßige Arbeitsschichten von gleicher Dauer nicht gestattet, oder seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Ausnahmen von den in §§ 185 Absatz 2 und 8, 186, 187 Absatz 1 bis 8 vorgesehenen Bestimmungen ncush- zulassen ;

8) fär gewisse Fabrikationszweige, soweit . die Natur des Betriebes oder die Bücksicht auf die Arbeiter es erwünscht erscheinen lassen, die Abkürzung oder den Wegfall der für die jugendlichen Arbeiter vor- geschriebenen Pausen zu gestatten;

4. für Fabrikationszweige, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, Ausnahmen von den Bestimmungen des § 187 Absatz 1 und 2 mit der Maßgabe zuzulassen^ daß die tägliche Arbeitszeit 18 Stunden, an Sonnabenden 10 Stunden nicht überschreitet.

In den Fällen zu 2 darf die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit für Kinder 86 Standen, fär junge Leute 60, für Arbeiterinnen 66, in Ziegeleien für junge Leute und Arbeiterinnen 70 Stunden nicht über^ schreiten. Die Nachtarbeit darf in 24 Stunden die Dauer von 10 Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Oesamtdauer von mindestens 1 Stunde unterbrochen sein. Die Tagesschichten müssen wöchentlich wechseln. Li den Fällen zu 8 dürfen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als 6 Stunden be- schäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht eine oder mehrere Pausen von zusammen mindestens einständiger Dauer gewährt werden. Li den Fällen zu 4 darf die Erlaubnis zur XTeberarbeit für mehr als 40 Tage im Jahre nor dann erteilt werden, wenn die Arbeits- zeit so geregelt wird, daß ihre tägliche Dauer im Durchschnitt der Betriebstage des Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht überschreitet.

Die durch Beschluß des Bundesrats getroffenen Bestimmungen sind

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aeiilioh so begrenzen nnd können auch für bestimmte Bezirke erlassen werden. Sie sind durch das Beichsgesetzblatt za veröffentlichen nnd dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritt zur Kenntnisnahme vorzulegen.

§ 139b. Die Aufsicht über die Ausführung der Be- stimmungen der §§ 105a, 105b Absatz 1, 105c bis 105h, 120a bis 120 e, 134 bis 139 a ist ausschließlich oder neben den ordentlichen Polizeibehörden besonderen, Ton den Landesregierungen zu ernennenden Beamten zu übertragen

Auf Grund des § 139 b wurden von den Landesregierungen Auf- stditsbeamte (Gewerb er&te, Fabrikinspektoren) ernannt f&r Preußen sdt 1875. Nach Durchführung der Neuorganisation der Oewerbeinspektion werden in Preußen 80 Lokal-Gewerbeinspektoren, 40 Assist^ten und 26 Regierungs-Gewerberäte th&tig sein.

Ein anderes hierher gehöriges Gesetz ist das Gesetz vom 13. Mai 1884, betreffend die Anfertigung und Verzollung von Zündhölzern, nebst Ausführungsbestimmungen vom 8. Juli 1893. Dasselbe wird in der speziellen Gewerbehygiene (s. Zünd- waaren-Industrie) genauer besprochen werden.

Femer gehören hierher die folgenden Bekanntmachungen des Bundesrates:

1) Bekanntmachung, betreffend die Anlegung von Dampfkesseln vom 29. Mai 1871, abgeändert durch Bekannt- ■lachung vom 18. Juli 1883, die über Bau, Ausrüstung, Prüfung, Auf- stellung und Betrieb derselben die im Interesse der Vermeidung von Explosionen etc. nötigen Vorschriften giebt

2. Die Bekanntmachung vom 8. Juli 1898 betreffend Ein- richtung und Betrieb von Bleifarben- und Bleizucker- fabriken. Vergl. weiter unter Chemische Großindustrie.

3) Die Bekanntmachung betreffend Einrichtung und Betrieb der zur Anfertigung von Cigarren bestimmten Anlagen vom 9. Mai 1888, die im wesenUichen durch die Bekanntmachung vom 8. Juli 1893 bestätigt wurde.

Fem^ wurden auf Grund des § 139 a der Gewerbe-Ordnung vom 1. Juni 1891 nachstehende Bekanntmachungen des Reichs- kanzlers erlassen:

1) Am 11. M&rz 1892. Bestimmungen über die Be- schäftigung Ton Arbeiterinnen und jugendlichen Ar- beitern in Glashütten (Reichs^Gesetz-Blatt S. 317; s. Glas- industrie).

2) An demselben Tage über die Beschäftigung derselben in Drahtziehereien mit Wasserbetrieb (Reichs-Gesetz-Blatt S. 324).

3) Am 27. März 1892 Bestimmungen über die Be- schäftigung yon Arbeiterinnen und jugendlichen Ar- beitern in Cichorienfabriken (Reichs-G^tz-Blatt S. 317).

4) Ebenfalls an diesem Tage über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter auf Stein k oh lenberg werk en(Reich8- Gesetz-Blatt S. 318).

In diesen Bekanntmachungen werden Spezialbestimmungen über die Arbeitsdauer, die Pausen nnd das Aufhängen von Tafeln, aus denen letztere herroiigehen^ vorgeschrieben (s. Hygiene des Bergbaues).

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5) Die BekaQDtmachung über die Beschäftigung too Ar- beiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Rohzucker- fabriken und Zuckerraffinerien vom 24. März 1892 (Beichs- Gesetz-Blatt S. 334).

6) Die Bekanntmachung betreffend die Beschäftigung von Arbeiter in n en und jugendlichen Arbeitern in Ziegeleien vom 27. April 1893.

7) Die Bekanntmachung betreffend die Beschäftigung yon jugendlichen Arbeitern und Arbeiterinnen in Walz- und Hammerwerken vom 29. April 1892 (Reichs-Gesetz-Blatt S. 602) und

8) die unter demselben Datum erlassene Bekanntmachung betrefifend die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern in Hechel- räumen und dergl., durch welche die Bekanntmachung vom 20. Mai 1879 aufgehoben und damit die bisher zugelassene 11-stündige Arbeit der jungen Leute in Betrieben gedachter Art verboten wurde.

Eine im Kaiserlichen Gesundheitsamt ausgearbeitete und seitens des Reichskanzlers unter dem 18. April 1891 veröffentlichte Anleitung bezieht sich auf den Schutz gegen Gesundheitsschädigungen durch ausländische Rohhäute.

Für Preußen erschien unter dem 3. Mai 1872 ein Gesetz, betreffend den Betrieb von Dampfkesseln.

Dasselbe bestimmt, daß die bei Genehmigung der Anlage oder im allgemeinen vorgeschriebenen Schatzmaßregeln beim Betriebe derselben bestimmungsmäßig benutzt wei*den. Auf Grund des § 3 dieses Gesetzes erließ der Handelsminister unter dem 16. März 1892 eine Anweisung, betreffend Genehmigung und Untersuchung von Dampfkesseln. Danach liegt die Prüfung der Dampfkessel, mit Ausnahme der in staatlichen Be- trieben und in Bergwerken befindlichen, dem Gewerbeinspektoren und deren Assistenten ob; außerdem enthält die Anweisung spezielle Be- stinmiungen über Anlegung, Inbetriebsetzung und Art der Prüfung der Dampfkessel.

Unter dem 7. April 1874 erließ der Minister für Handel und Gewerbe ein Cirkular an sämtliche Königliche Regierungspräsidenten in Berlin, betreffend die gesunde und gefahrlose Be- schaffenheit der Arbeitsräume gewerblicher Anlagen, das unter dem 20. Februar 1889 im wesentlichen wieder in Erinnerung gebracht wurde.

Auf Grund desselben werden die Regierungen veranlaßt, darauf hin- zuwirken, daß gleich bei der ersten Einrichtung jeder gewerblichen An- . läge dem Schutze der Arbeiter gegen Gefahren filr Leben und GFesund- heit, namentlich in baulicher Beziehung, die erforderliche Berücksichtigung zu teil werde. Bei denjenigen Anlagen, welche unter den § 16 der Gewerbeordnung fallen, bietet das Konzessionsverfahren hierfür eine aus- reichende Handhabe, bei allen übrigen Anlagen aber kann der Zweck nur erreicht werden, wenn mit der baupolizeilichen Gonehmigung für ein Gebäude, welches für eine gewerbliche Anlage bestimmt ist, dem Unter- nehmer zugleich auch die auf Grund des § 120 der Gewerbeordnung zu stellenden Anforderungen zur Beachtung mitgeteilt werden. Um dies zu ermöglichen, weist der Minister darauf hin, daß, soweit die polizeilichen

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Vorschriften nicht schon ausreichen, im Wege der Bezirks- und Orts- polizeiverordnung Bestimmungen zu tre£Fen sind, wonach gleichzeitig mit dem Antrage auf Erteilung des Baukonsenses für jedes Gebäude, welches ftlr einen gewerblichen Betrieb bestimmt ist, Art und Umfang des letz- teren, Zahl, Größe und Bestimmung der Arbeitsräume, deren Zugäng- lichkeit, Licht- und Luftversorgung, die Maximalzahl der in jedem Räume zu beschäftigenden Arbeiter und die aufzustellenden Maschinen angegeben werden müssen. Die gleiche Verpflichtung wird fär die Fälle auszu- sprechen sein, in welchen ein bereits vorhandenes Gebäude ftir einen ge- werblichen Betrieb in Benutzung genommen werden soll.

Wenn der § 1 der Beichsgewerbeordnung bestimmt, „daß der Be- trieb eines Gewerbes jedermann gestattet ist, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind**, so bezieht sich diese Bestimmung nur auf die per- sönliche Zulassung zum Gewerbebetriebe, während die Art der Ausübung des Gewerbebetriebes sich nach den Landesgesetzen und den in Gemäßheit erlassenen Ver- ordnungen zu richten hat.

Diejenigen Beschränkungen, welche sich teils aus allgemeinen poli- zeilichen, teils aus den in Verordnungen der Behörden enthaltenen Vor- schriften ergeben , finden auf jedermann, mag er ein Gewerbe treiben oder nicht, Anwendung. Nach ihrer allgemeinen Aufgabe, „die nötigen Anstalten zur Abwendung der dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern bevorstehenden (Jefahren zu treffen" 10 Teil 11 Tit. 17 des Allge- meinen Landrechts), ist die Ortspolizeibehörde nicht nur beftigt, der Er- richtung von Anlagen, welche mit Gesundheitsgefahr für das Publikum verbunden sind, durch im Wege der Polizeiverordnung erlassene Verbote entgegenzutreten, sondern auch das auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen verkehrende Publikum vor Nachteilen und Belästigungen nicht bloß vor „Gefahren" wie sie schädliche Dünste oder starker Bauch oder ungewöhnliche Geräusche involvieren, durch polizeiliche Maßnahmen sicherzustellen 6, b und f des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 11. März 1850). Li § 16 der Beichsgewerbeordnung sind diejenigen gewerblichen Anlagen aufgeführt, welche einer besonderen gewerbepolizeilichen Ge- nehmigung unterstellt sind, und zwar als „Anlagen, welche durch die örtliche Lage oder die Beschaffenheit der Betriebsstätte f&r die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publikum überhaupt erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbei- fahren können". Daraus folgt jedoch nicht, daß Anlagen, die im § 16 nicht besonders namhaft gemacht sind, keinerlei sanitäts- und verkehrspolizeilichen Beschränkungen, welche auf Grund der Landesgesetze zur Verhütung von Gesundheitsge- fahr und Verkehrsbelästigung der Errichtung gewisser Betriebe, mögen sie gewerblicher oder nicht gewerblicher Art sein, auferlegt werden, unterworfen sind, ebensowenig wie der § 27, der den Betrieb von mit ungewöhnlichem Geräusch verbundenen Anlagen in der Nähe von Kirchen, Schulen oder anderen öffentlichen Gebäuden untersagt, die Be- fugnis der Polizeibehörden beschränkt, durch SpezialVerordnungen &tr alle mit Erregung ungewöhnlichen Geräusches verbundenen Betriebsan- lagen vorzuschreiben, daß ihre Einrichtung an Stellen, wo ihr Betrieb Gefahren für die Gesundheit oder Verkehrsbelästigung involviert, nicht zulässig ist.

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Die Frage, inwieweit Ansdünstungen und Luftver- uDreinigungen Gesundheitsgefabren oder nnr Belästig- ungen für das Pabliknm herbeizuführen geeignet sind, muß in jedem einzelneii Falle aaf das sorg&ltigste nach der Art der in Bede stehenden Ausdünstungen und der Qualität der davon betroffenen Personen erledigt werden. Die Beantwortung der Frage ist eine leichte, wenn die Ausdünstungen an und ftir sich giftig sind oder imstande, specifische Krankheiten hervorzumfen. Sind dieselben nicht direkt giftig, 80 können sie doch durch Verunreinigung der Lnft die Gesundheit schädigen, insofern ein anhaltender Mangel reiner Luft nachteilig auf die Gesund- heit einwirkt, „Wenn die freie Lnft häufig so verunreinigt wird, daß man gezwungen ist, sich dagegen abzuschließen, dann kann es keinem Zweifel unterliegen, daß es sich nicht mehr um eine einfache Belästigung, sondern geradezu um eine Schädigung der GFesundheit handelf* (Gkit- achten der Wissenschaftlichen Deputation vom 27. Juli 1886 und Ent- scheidungen des Oberverwaltungsgerichts, Bd. XIV Seite 826 u. £).

In der B.egel handelt es sich um widerliche Ausdünstungen, die entweder allgemein oder fär eine bestimmte Klasse von Menschen ekelerregende Wirkung besitzen und dadurch, daß sie zu oberflächlichem Atmen zwingen, eine Beeinträchtigung des Genusses der Luft und bM längerer Dauer eine entschiedene Störung des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit herbeizuführen geeignet sind (c£ auch urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 1889 und 17. November 1892).

Eine Dienstanweisung für die Gewerberäte erließ der Minister für Handel und Gewerbe unter dem 24. Mai 1879, abgeändert durch den Erlaß vom 23. März 1892.

Der § 12 der Instruktion lautet:

„Mit den technischen Beamten der Ejreise (Kreisphysikus, Kreisbau- meister) haben sich die Gewerberäte über die den amtlichen Wirkungs- kreis derselben berührenden Fragen ins Einvernehmen zu setzen. Halten sie in besonderen Fällen eine Mitwirkung derselben bei den von ihnen vorzunehmenden Hevisionen erforderlich, so haben sie ihre darauf gerich- teten Anträge bei der zuständigen Regierung einzubringen.

Nach § 1 der Instruktion umfaßt der Wirkungskreis der Gewerbe- Anfsichtsbeamten innerhalb der durch die §§ 189 b, 154, 154 a und 155 der Gewerbeordnung bezeichneten Grenzen die Au&icht über die Aus- führung:

1) der Vorschriften über die Sonntagsruhe mit Ausnahme der die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe betreffenden Bestimmungen,

2) der Vorschriften über die den Gewerbeuntemehmem auf Grund der §§ 120 a— 120 e obliegenden Pflichten,

3) der die Arbeitsordnungen betreffenden Bestimmungen (§§ 134 a 134 h),

4) der die Beschäftigung der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter betreffenden Bestimmungen 135 139 a),

5) die Beaufsichtigung derjenigen Anlagen, welche den Bestimmungen des § 16 der Gewerbeordnung und seiner Ergänzungen unterliegen,

6) in den ihrer Zuständigkeit unterstehenden Betrieben die Aufsicht über die Ausführung der die Arbeitsbücher und Zeugnisse 107 113) sowie die Lohnzahlung 115 119 a) betreffenden Vorschriften.

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Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 61

Der Verkehr mit Explosivstoffen wurde geregelt durch die Verordnungen vom 29. August, 25. September 1887 und 19. Oktober 1893.

Unter dem 18. Dezember 1888 erschien eine Verordnung, be- treffend die Einrichtung und den Betrieb von Dampf- f&ssern.

Unter dem 16. Januar 1888 erließ der Minister für Landwirtschaft, Dom&nen und Forsten in Gemeinschaft mit den Ministem des Innern und des Handels eine Verordnung an die Oberpräsidenten, in der die sorgfiütige Ueberwachung der landwirtschaftlichen Be- triebe, insbesondere der durch ein Göpelwerk in Bewegung esetzten Dreschmaschinen den Polizeibehörden zur flicht gemacht wird.

Unter dem 18. Mai 1889 erließ der Minister für Handel und Ge- werbe ein Cirkular an sämtliche Königliche Regierungen und den Polizei- präsidenten in Berlin, betreffend Vorschriften über die Ein- richtung und den Betrieb von Quecksilber-Spiegel- belegeanstalten. (Siehe Näheres im speziellen Teil der Gewerbe- hfgiene.)

Auf die Gefahren bei Verwendung des sog. „Wasser- gas^^ für Heiz-, Beleuchtungs- und Brennzwecke bezieht sich der Rund- erlaß des Medizinal- und Handelsministers vom 25. Mai 1889. Das toxische Prinzip des Wassergases und ebenso des Dowsongases ist das Kohlenoxydgas. Auf denselben Gegenstand bezieht sich der Runderlaß der Minister für Handel und Gewerbe und der Medizinalangelegenheiten vom 2. Juli 1892 (s. Beleuchtung Bd. IV d. Handbuches).

Für die im Bereiche der Staatsbauverwaltung beschäftigten Arbeiter enthält der Runderlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 24. Dezember 1890 ausführliche Anweisungen an die dienstthuenden Beamten betreffend Instandhaltung und Benutzung der zur Verhütung von Unfällen getroffenen Vorkehrungen und giebt eingehende auf die Förderung der Gesundheit der Arbeiter gerichtete Vorschriften.

Auf die Buchdruckereien und die von ihnen ausgehenden ge- sundheitlichen Gefahren bezieht sich der Erlaß des Ministers für Handel und Gewerbe vom 15. Februar 1892, der gleichzeitig eine Untersuchung der Gesundheitsverhältnisse der Buchdruiäergehilfen anordnet.

Endlich sind, je nach dem Vorherrschen dieses oder jenes Industrie- zweiges, in den einzelnen Bezirken lokale Polizeiverordnnngen erlassen, denen in gewerbesanitätspolizeilicher Hinsicht vielfach eine hervorragende Bedeutung zukommt

So ist die Sicherheit des Bergbaues auf Grund des § 196 des Berggesetzes vom 24 Juni 1868 durch ausführliche Polizeiverord- nnngen seitens der Oberbergämter geregelt und außerdem der Knapp- schwsberufisgenossenschaft die Befugnis verliehen, entsprechende UnfaU- verhütungsvorschriften zu erlassen.

Auf den Gebcauch landwirtschaftlicher Maschinen und die hierbei zu beachtenden Gefahren sich beziehende Polizeiverord- nungen sind von der Mehrzahl der Regierungen erlassen. Andere Ver- ordnungen regeln Anlage und Betrieb von Steinbrüchen und Gräbereien, von Ofenfabriken und Töpfereien, von Backsteinfabriken, Mineralwasser-, Tierhaarfabriken, Metallbrennereien u. s. w. oder beziehen sich auf die Verkleidung von Maschinen, die Kleidung der Arbeiter u. a. Wieder andere Verordnungen beschäftigen sich mit der Frage der Arbeiter-

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Wohnungen, indem sie den Unternehmern bestimmte im Interesse der Gesundheit und Sittlichkeit gebotene Forderungen bezüglich der Größe, der Reinhaltung u. s. w. zur Pflicht machen.

Ein sehr reiches Material von Verordnungen und Instruktionen ge- werbesanitätspolizeilichen Inhalts findet sich niedergelegt in den Jahres- berichten der Fabrikaufsichtsbeamten bezw. in den amtlichen Mitteilungen aus diesen Jahresberichten, wie sie alljährlich im Reichsamt des Innern behafs Vorlage an den Bandesrat und Reichstag zusammengestellt werden.

Diese Gesetze und Verordnungen finden in Bezug auf die konzes- sionspflichtigen Anlagen ihre weitere Ergänzung in den für jeden Fall geforderten und in der Genehmigungsurkunde niederzulegenden bau-f sioherheits- und gesundheitspolizeilichen Einrichtungen.

Technische Anleitung zur Wahrnehmung der den K reisauschüssen durch § 136 V. Nr, 1 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 hinsichtlich der Genehmigung gewerb- licher Anlagen übertragenen Zuständigkeiten, nach den Vorschlägen der Technischen Deputation für Gewerbe, erlassen vom Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten unter dem 14. April 1875*) (Ministerbl. S. 105).

I. Allgemeine Gesichtspunkte.

Bei Prüfang der Konzessionsgesuche ist davon auszugehen, daß nur solche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen, welche in der physischen Einwirkung der Anlage auf ihre Umgebung ihren Grund haben, zur Er- örterung zu ziehen sind, Nachteile anderer Art aber, auf welche zuweilen im kontradiktorischen Verfahren der Einspruch der Opponenten basiert wird, z. B. schädliche Konkurrenz, Verteuerung der Arbeitskräfte, stärkere Abnutzung öffentlicher Wege, Erhöhung der Feuerversicherungsprämie und dergleichen mehr, ebenso außer Betracht bleiben, wie Einwendungen, welche auf speziellen privatrechtlichen Titeln beruhen.

Es ist zu erwägen, ob jene Nachteile, Gefahren oder Belästigungen dasjenige Maß überschreiten, dessen Duldung sowohl den Nachbarn als dem Publikum im Interesse der ftlr die allgemeine Wohlfahrt unentbehr- lichen Industrie angesonnen werden kann.

Ist diese Frage auf der Grundlage der von dem Antragsteller vor- gelegten Projektstücke zu bejahen, so wird in eine weitere Erörterung darüber einzutreten sein, ob durch Vorschriften über die Einrichtung der Anlagen oder die Art und Weise des Betriebes der Umgebung genügen- der Schutz gewährt werden kann. Nur wenn sich dies als unausführbar herausstellt, wird die Abweisung des Konzessionsgesuches, anderen- falls aber die Erteilung der Konzession unter gleichzeitiger Festsetzung der fär erforderlich erachteten Bedingungen und Vorbehalte auszu- sprechen sein.

Besondere Sorgfalt verlangt die Behandlung der festen und flüssigen Fabrikabgänge. Das Vergraben und Versenken derselben wird nur aus- nahmsweise bei erwiesener Unschädlichkeit dieses Beseitigungsmodus ge- stattet werden können, und die Ableitung der Abgänge in öffentliche oder

*) Die feaerpoHzeilichen Bestimmangen sind im Texte weggelassen.

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Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 63

Privatgewässer ist häufig mit so schweren, die lebhaftesten und begrün- detesten Klagen der Adjazenten hervorrufenden Uebelständen verknüpft, daß gerade dieser Punkt die vollste Aufmerksamkeit der Konzessionsbe- hörde erheischt. Es kann nicht angemessen erachtet werden, in dem Konzessionsverfahren diesen Gegenstand von der Erörterung auszuschließen und der besonderen polizeilichen Regelung auf Orund der Kabinettsordre vom 24. Februar 1816 (Ge8.-8amml. 8. 108) und der §§ 3 und 4 des Gesetzes über die Benutzung der Privatflüsse vom 28. Februar 1843 (Ges.-Samml. S. 41) vorzubehalten, vielmehr ist die Konzession, wenn die Absicht des Unternehmers, sich der Betriebsabgänge durch Ableitung der- selben in Wasserläufe zu entledigen, aus seinen ausdrücklichen Erklärungen oder aus den Umständen des Falles erhellt, und hiervon erhebliche Uebel- stände zu besorgen sind, zu versagen oder an die geeigneten Bedingungen zu knüpfen. Im Falle der Konzessionserteilung ist es überdies ratsam, der Polizeibehörde ausdrücklich das Recht zu wahren, jederzeit die Ab* leitung der Abgänge in Wasserläufe von weiteren Bedingungen abhängig zu machen oder auch gänzlich zu untersagen, falls die bei Erteilung der Konzession gegebenen Vorschriften sich als unzulänglich erweisen sollten. Soweit Interessen von Fischereiberechtigten beteiligt sind, ist der § 43 des Gesetzes vom 30. Mai 1874 (GFes.-Samml. S. 137), insbesondere Ab- satz 2 und 6, zu beachten.

Nach alter Praxis pflegt bei Fabriken mit größeren Feuerungsanlagen vorgeschrieben zu werden, daß der Unternehmer verpflichtet sei, durch Einrichtung der Feuerungsanlage, sowie durch Anwendung geeigneten Brennmaterials und sorgsame Bewartung auf eine möglichst vollständige Verbrennung des Rauches hinzuwirken, auch, falls sich ergeben sollte, daß die getroffenen Einrichtungen nicht genügen, um Gefahren, Nachteile oder Belästigungen durch Rauch, Ruß u. s. w. zu verhüten, auf Anord- nung der Polizeibehörde solche Abänderungen in der Feuerungsanlage, im Betriebe, sowie in der Wahl des Brennmaterials vorzunehmen, welche zur Beseitigung der hervorgetretenen Uebelstände besser geeignet sind.

Die Beibehaltung dieser Konzessionsklausel empfiehlt sich nicht bloß im Interesse der Nachbarschaft, sondern ebensowohl des Unternehmers, dem in der Einrichtung der Feuerungsanlage und der Wahl des Brenn- materials freier Spielraum gewährt und infolgedessen die rasche Be- nutzung technischer Fortschritte und günstiger Konjunkturen ermög- licht wird.

Die Gewerbeordnung verpflichtet in § 107 alle Gewerbeuntemehmer, auf ihre Kosten alle diejenigen Einrichtungen herzustellen und zu unter- halten, welche mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Qe- Werbebetriebes und der Betriebsstätte zu thunlicher Sicherung der Ar- beiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit notwendig sind. Wenn nun auch der Behörde das Recht zusteht, bei konzessionierten Anlagen, wie bei solchen, welche der Konzessionspflicht nicht unterliegen, jeder- zeit auf Ausführung der entsprechenden Einrichtungen zu dringen 148, Nr. 10), so soll doch nach § 18 a. a. 0. das Konzessionsverfahren mit dazu benutzt werden, die zum Schutze der Arbeiter erforderlichen Maß- regeln zu erörtern und in Form von Bedingungen vorzuschreiben. In dieser Beziehung ist vornehmlich darauf zu sehen, daß die Arbeitsräume in Bezug auf Flächeninhalt, Lage, Heizung, Beleuchtung und Ventilation den allgemeinen Regeln der Gesundheitspflege entsprechen und die Trieb- maschinen, Transmissionen, Fallthüren und Treppenöffnungen eine Ein- firiedigung erhalten. Beachtung verdienen femer verschiedene andere

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Punkte, welche in der Formnlierang, die sie in dem Erlaß einer Proyin- zialregierung gefunden haben, wie folgt, lauten:

1) Jede gewerbliche Anlage und Fabrik muß mit einer ausreichenden Zahl angemessen eingerichteter und in gehöriger Ordnung lu haltender Aborte versehen sein und sEwar da, wo auch Arbeiterinnen beschäftigt werden, filr die Oeschlechter getrennt Die direkte Verbindung der Aborte mit den Arbeitsräumen, sodaß in letztere üble Ausdünstungen einzudringen vermögen, ist unstatthaft. Da, wo die Arbeiten in verhält- nismäßig warmen Bäumen und bei leichter Bekleidung stattfinden, ist darauf zu achten, daß die Aborte zugfrei sind und von den Arbeitsräumen aus ohne besondere Q^fahr vor Erkältung erreicht werden können.

2) In allen größeren Fabriken, wo die Arbeiter während der Arbeit einen Teil der Elleider abzulegen oder besondere Arbeitskleider anzulegen gezungen sind, müssen geeignete und angemessen eingerichtete Bäume hergestellt werden, in welchen die Kleider abgelegt und aufbewahrt werden; ganz besonders ist hierauf zu halten, wenn auch weibliche Ar- beiter und Kinder beschäftigt werden. Diese Bäume sind für die Ge- schlechter zu trennen und müssen überall da, wo die Arbeiter in erheb- licherem Maße dem Staub oder Erhitzung ausgesetzt sind, mit ausreichen- den Waschvorrichtungen versehen sein.

8) Können in größeren Fabriken die Arbeiter während der Mittags- stunde sich nicht nach Hause begeben, so sind fär dieselben ausreichende, heizbare und angemessen eingerichtete Speiseräume herzustellen, während gleichzeitig geeignete Vorkehrungen zum Erwärmen der mitgebrachten Speisen einzurichten sind.

Die sub 2 erwähnten Bäume können bei angemessener Ghröße und Einrichtung auch als Speiseräume verwandt werden.

Ein gesundes Trinkwasser muß in allen Fabriken den Arbeitern zu Gebote stehen.

IL Einzelne Anlagen.

Als solche werden erwähnt:

1) Gasbereitungs- und Gasbewahranstalten,

2) Anstalten zur Destillation von Erdöl,

3) Anlagen zur Bereitung von Stein- und Braunkohlenteer,

4) Glas- und Bußhütten,

5) Kalk- und Cementöfen,

6) Gipsöfen,

7) Ziegelöfen,

8) Anlagen zur Gewinnung roher Metalle,

9) Metallgießereien,

10) Hammerwerke,

11) Schnellbleicben,

12) Firnissiedereien,

13) Stärkefabriken,

14) Stärkesirupfabriken, 16) Wachstuchfabriken,

16) Darmsaitenfabriken,

17) Dachpappen- und Dachfilzfabriken,

18) Leimsiedereien, 9)-

19) Thransiedereien,

20) Seifensiedereien,

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Allgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 65

21) a. Knochenbrennereien, b. Knoehendarren, KDOchenkocbereien, Knochenbleichen,

22) Zubereitungsanstalten f(lr Tierhaare,

23) Talgscbmelzereien,

24) Schlächtereien,

25) Gerbereien,

26) Abdeckereien,

27) Pudrette- und Düngpulverfabriken.

Die Anffihrung der in obiger VerfQgung angegebenen Einzelheiten kann an dieser Stelle fortfallen, weil sich die einzelnen Kapitel der speziellen Gewerbehygiene mit dem Gegenstande ausführlich be- schMtigen.

Wenn auch ein Teil der in dieser Anleitung niedergelegten Ge- sichtspunkte inzwischen durch Wissenschaft und Technik bereits über- holt ist (ich erwähne beispielsweise die Bearbeitung der Tierkadaver in Abdeckereien mittels besonderer Desinfektionsapparate) und in jedem Falle der konzessionspflichtigen Anlagen der Gewerberat gehört wird, so ist die Anleitung doch geeignet, die wichtigsten der bei den einzelnen Betrieben zu beobachtenden (Gesichtspunkte vor Augen zu führen.

Krankenkassen- und Unfallversicherungsgesetz.

In Bezug auf Deutschland fanden die auf das Wohl der arbeitenden Klassen gerichteten gesetzlichen Maßnahmen und Bestimmungen ihren Abschluß in dem Krankenkassen-, Unfallversicherungs- und Alters- und Invaliditätsversicherungsgesetz. Nicht das Wenigste, was wir diesen sozialen Gesetzen verdanken, ist, daß sie in dem Arbeitgeber mehr und mehr das Gefühl der Verantwort- lichkeit für die ihm unterstellten Arbeiter rege machten, um dann in weiterer Folge Einrichtungen zu Gunsten der Arbeiter zeitigen zu helfen. Während aber diese Wirkungen bei dem Kranken- kassengesetz mehr indirekter Art sind und unabhängig von dem Ver- ständnis des einzelnen Arbeitgebers, auch ein zahlenmäßiger Beweis dafür nicht zu erbringen ist, wie viel an Arbeitskraft und Gesundheit dadurch gewonnen wurde, daß dem Arbeiter vom ersten Beginn der Erkrankung an freie ärztliche Hilfe und Arzenei zugänglich gemacht wurde, sind Arbeiterschutz und Unfallverhütungin letzter Instanz Zweck und Ziel des Unfallversicherungsge- setzes vom 6. Juli 1884 und des Gesetzes über die Ausdehnung der UnfaU- und Krankenversicherung vom 28. Mai 1885. Auf Grund der §§ 12 und 15 des Unfallversicherungsgesetzes wurde vom Bundesrat die Bildung von Berufsgenossenschaften beschlossen und deren Errich- tung genehmigt. Nach Bildung und Organisation der Berufsgenossen- schs^ten, der Sektionen und Schiedsgerichte trat das Unfallversicherungs- gesetz am 1. Oktober 1885 in Kraft. Durch das Gesetz vom 5. Mai

1886 wurden die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter in das Un- fallversicherungsgesetz einbezogen und hierzu für Preußen ein Aus- führungsgesetz unter dem 20. Mai 1887 erlassen behufs Bildung ent- sprechender Berufsgenossenschaften. Durch das Gesetz vom f3. Juli

1887 wurde die UnfaUversicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt beteiligter Personen angeordnet. Am Schluß des Jahres 1892 waren in 64 gewerblichen und 48 land- und forstwirtschaftlichen Be-

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rafegenossenscbaften, sowie in den 137 Beichs- und Staatsausfühnings- bebörden für Reicbs- und Staatsbetriebe und 219 Provinzial- und Kom- munal-Ausf&hrungsbehOrden über 18 Millionen Personen gegen Unf^ versichert.

Was die räumlicbe Ausdehnung der Berufsgenossenschaften betrifft, so sind von den 64 gewerblichen Berufsgenossenschaften 28 Beichs-Berufs- genossenschaften , 24 Beru&genossenschaften erstrecken sich über die Grenzen eines Bundesstaates hinaus, 6 Berufsgenossenschaften bleiben inner- halb des preußischen Staatsgebietes, je 2 Berufsgenossenschaften erstrecken sich auf Bayern und Sachsen, je 1 ai^ Württemberg und Elsaß-Lothringen.

Nach § 51 des UnfiAllyersicherungsgesetzes haben die Betriebs- untemehmer über jeden Unfidl, der eine ArbeitsunfiUiigkeit von mehr als 3 Tagen oder den Tod zur Folge hat, der Ortspolizeibehörde An- zeige zu erstatten.

Die Meldung an die Berufisgenossenschaft beruht auf statutarischen Bestimmungen. Mit Ausnahme der Privatbahn-Beru&genossenschaft, welche sich nur die entschädigungspflichtigen Unfälle melden läßt, haben alle Berufsgenossenschaften, zum Teil unter Strafandrohung, die Anord- nung getroffen, daß die Unternehmer von jeder der OrtspolizeibehOrde erstatteten Unfallanzeige an den Genossenschaftsvorstand eine Abschrift einzusenden haben. Diese Meldungen sind daher hinsichtlich der nicht entschädigungspflichtigen Unfidle nur als annähernd zutreffend zu er- achten, und dürften diese Zahlen im allgemeinen als in Wirklichkeit etwas höher anzunehmen sein.

Nach § 53 des UnfitUversicherungsgesetzes hat die Ortspolizeibe- hörde jeden Unfall, welcher eine Erwerbsunfähigkeit von voraussichtlich mehr als 13 Wochen zur Folge haben wird, einer Untersuchung zu unter- ziehen, wobei es irrelevant ist, ob die Erwerbsunfähigkeit eine völlige oder nur teilweise ist

Der § 78 überträgt den Berufsgenossenschafteo die Befugnis, Un- faliverhütangsvorschriften entweder f^ den ganzen Umfang des Oenossen- schaftsbesirkes oder f^ bestimmte Industriezweige oder begrenzte Be- zirke au&ustellen.

Eine erschöpfende Definition eines Betriebsunfalls, eine Fixie- rung derjenigen Merkmale, durch welche UnfUle als BetriebsunfiJle im Sinne des § 1 des Unfallversicherungsgesetzes „bei dem Betriebe sich ereignende UnfUle*' gekennzeichnet sind, ist schwer zu geben. Auch die Erklärung im Kommentar v. Woedtke^s, wonach unter einem Unfall bei dem Betriebe ein dem regelmäßigen Gkmge des Betriebes fremdes, aber mit dem letzteren in Verbindung stehendes abnormes Ereignis zu verstehen ist, dessen Folgen fOr das Leben und die Oesundheit schädlich sind, erscheint nicht zutreffend, da es weder des Nachweises eines unge- wöhnlichen, den Betrieb störenden Ereignisses bedarf, noch auch das Vor- handensein höherer Gewalt oder eigener Schuld fOr die Wirksamkeit des Unfallversicherungsgesetzes von Bedeutung ist, und andererseits unter Umständen die erlittene Körperverletzung selbst als der vom Oesetz be- zeichnete Unfall anzusehen ist. Erforderlich ist vor allem die Fest- stellung des Zusammenhangs zwischen G^sundheitsschädigung und Betrieb and zwar einem einzelnen, zeitlich begrenzten Moment des Betriebes ^. Oesundheitsschädigungen , wie sie infolge gewisser Betriebe allmählich sich ausbilden, wie Bleikoliken, Merkurialzittem , Verschlechterung des Gesichts, des Gehörs u. a. sind keine BetriebsunfUle, ebenso wenig wie

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ein sich allmählich entwickelndes Brachleiden einen Betriebsunfall im Sinne des Oesetzes involviert. Wohl aber kann eine durch plötzliches Einatmen schädlicher Oase oder durch plötzliches Eindringen von Krank- heitsstofFen in den Körper hervorgebrachte Gesundheitsstörung als ein Betriebsunfall zu erachten sein, ebenso wie ein Brnchleiden, dessen Ent- stehung auf eine zeitlich begrenzte, über den Bahmen der gewöhnlichen Betriebsarbeit hinausgehende Anstrengung zurückzufahren ist. Es handelt sich demnach bei einem Betriebsunfall um ein einmaliges, zeitlich be- grenztes und mit dem Betriebe im Zusammenhang stehendes Ereignis, dessen Folgen fftr das Leben und die Gesundheit schädlich sind. Nur in dem Falle der vorsätzlichen Herbeiführung eines Betriebsunfalls ist nach § 5 Abs. 7 des Unfallversicherungsgesetzes eine Entschädigung aus- geschlossen, während der Gesetzgeber alle durch Fahrlässigkeit und Leicht- sinn, eigene oder fremde Schuld herbeigeführten UnfiLlle entschädigt wissen wollte. Das Zusammenwirken mehrerer Ursachen bei einem Unfälle schlie£t die Entschädigungspflicht nicht aus, insofern sich nur eine dieser Ursachen auf den Betrieb zurückfahren läßt. Auf die individuelle Be- schaffenheit nimmt das Gesetz keine Rücksicht, eine Verschlimmerung eines schon vorhandenen Leidens ist in ihren Folgen in Bezug auf die Einbuße an ErwerbsfUiigkeit denen vorher gesunder Arbeiter in der Be- urteilung gleich zu achten. Bei der Begutachtung der ErwerbsftLhigkeit eines Verletzten darf nach einer Bekursentscheidung des Beichsver- sicherungsamts vom 26. November 1887 nicht lediglich das bisherige Arbeitsfeld des zu Entschädigenden und der Verdienst, welchen er etwa nach der Verletzung hat, in Rücksicht gezogen werden, vielmehr ist einer- seits der körperliche und geistige Zustand in Verbindung mit der Vor- bildung des Verletzten zu berücksichtigen und andererseits zu erwägen, welche Fähigkeit ihm zugemessen ist, auf dem Gebiete des wirtschaft- lichen Lebens sich einen Erwerb zu verschaffen; es soll ihm nach dem Gesetze derjenige wirtschaftliche Schaden, welcher ihm durch die Ver- letzung zugefügt worden ist, ersetzt werden, und dieser Schaden besteht in der Einschränkung der Benutzung der dem Verletzten nach seinen ge- samten Kenntnissen und körperlichen wie geistigen Fähigkeiten auf dem ganzen wirtschaftlichen Gebiet sich bietenden Arbeitsgelegenheiten*.

Der Unfallverhütung dienen im Unfallversicberungsgesetz die seitens der Benifsgenossenscbaften aufgestellten Gefahrentarife und ent- sprechenden BeitragsfQße und die seitens derselben erlassenen Unfall- verhütungs Vorschriften, die beide der Genehmigung des Reichs- versicberungsamts unterliegen.

Li Bezug auf die Gefahrenklassen der verschiedenen Betriebe wird weiter unterschieden „gewöhnliche Gefahr*', die keinen Zuschlag zu dem rechnungsmäßig gefundenen Beitragsfuß bedingt, „erhöhte Gefahr*', wo durch besondere Umstände, beispielsweise bauliche Einrichtungen, angün- stige Aufstellung von Maschinen u. s. w., größere Gefahren filr die Arbeiter vorliegen dabei wird zu dem rechnungsmäßig ermittelten Koeffizienten ein Zuschlag von 20 Prozent des normalen Beitragsfiises der betreffenden Klasse gemacht und „ausnahmsweise hohe Gefahr**, die durch einen Zuschlag von 50 Prozent des normalen Beitragsfußes der rechnungsmäßig ermittelten Klasse zu dem berechneten Koef&denten ausgedrückt wird. Das Reichsversicherungsamt hat es für zulässig erachtet, schon bei der ersten Einschätzung solche Betriebe, welche ausreichende Einrichtungen

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zur Verhütang von Unfällen nicht besitzen, zu einer entsprechend höheren Gefahrenklasse zu veranlagen, während im umgekehrten Falle eine Er- mäßigung des Beitragsfußes seitens des Vorstandes der Beru&genossen- schaft iu Anrechnung gebracht werden kann. Vielfach enthalten die Un- fallverhütungsvorschriften hierauf bezügliche Bestimmungen.

Die seitens der Berufsgenossenschaften erlassenen Unfallverhütungs- vorscbriften können dieselben nach § 82 des Unfallversicherungsgesetzes durch „Beauftragte'^ kontrollieren lassen; Zuwiderhandelnde können in eine höhere Gefahrenklasse eingeschätzt werden. Die Ausarbeitung von Normalunfallverhütungsyorschriften für gleichartige Gefahren in den verschiedenen gewerblichen Betrieben ist in der Vorbereitung be- griffen.

In den Beichslanden erfolgte die Einführung der Gewerbe- Ord- nung durch das Gesetz vom 27. Februar 1888, nachdeni einzelne Be- stimmungen desselben bereits früher durch Gesetz eingeftlhrt worden waren. Daneben hat von gewerbepolizeilichen Bestimmungen noch 'die allgemeine Berg-Polizeiverordnung vom 6. September 1879 und die Polizei- verordnung über den Betrieb der Steinbrüche und den Tagbau auf Eisen- erze vom 7. und 8. September 1879 in Elsaß-Lothringen Giltigkeit *.

Neben den für das ganze Reich erlassenen Gesetzen, Bekanntmachungen und Verordnungen auf dem Gebiete der Sanitätspolizei haben außer Preußen auch die einzelnen deutschen Staaten vielfach noch ihre besondere Gesetz- gebung bewahrt.

In Bayern sind es vor allem die Bestimmungen des Polizeistraf- gesetzbuchs vom 26. Dezember 1871 sowie der Ministerialerlaß vom 25. August 1873, Gesundheitsmaßregeln beim Gewerbebetrieb betreffend, die neben der Gewerbeordnung von besonderer Bedeutung für die Ge- werbe geblieben sind. Ganz besonders sind es die Gesundheitsschädigungen durch Miasmen, durch schädliche EfFluvien und durch Verunreinigung der Wasserläufe, die in dem Polizei-Strafgesetzbuch ihre Erledigung ge- funden haben. Außer einzelnen Spezial-Erlassen über Schlächtereien und Schlachthäuser gehört femer hierher die allerhöchste Verordnung vom 19. September 1881, die allgemeine Bauordnung betreffend, insoweit sich dieselbe auf die Arbeitsräume, Fabriken, gewerblichen und industriellen Betriebe erstreckt.

Auch in Sachs*en existiert neben der Gewerbeordnung eine große Zahl spezieller Verordnungen, von denen die ministeriellen Erlasse, betr. Einrichtungen von Schlachthäusern uud Schlächtereien, betr. die Ver- wendung grüner Farben in der Blumenfabrikation, betr. Verunreinigung der Flüsse und Wasserläufe durch Fabrik- und gewerbliche Abwässer (28. März 1882 und 19. Dezember 1886) sowie die auf die Gewerbe-Sanitäts- polizei bezüglichen Bestimmungen der Baupolizeiordnung besondere Er- wähnung verdienen. Nach den §§ 16, 17 und 18 der Instruktion vom 10. Mai 1884 haben die sächsischen Bezirksärzte bei der Handhabung der Baupolizei, bei Beinhaltung der Städte, Dörfer, Wasserläufe, Abzugs- kanäle sowie bei der Abnahme von Neubauten mitzuwirken und nach § 22 der Instruktion auf Ersuchen der Polizeibehörden die Prüfung und Begutachtung solcher gewerblichen Anlagen vorzunehmen, welche unter den § 16 der Gewerbeordnung fallen. Die sächsichen Fabrikinspektoren, deren Zahl zur Zeit 17 beträgt, und denen neben der Gewerbeinspektion, wie neuerdings in Preußen, auch die Kesselrevision übertragen ist, haben

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jeder ein bis drei Assistenten und je einen chemischen Sachverständigen zur Verfugung. Auf Grund des § 23, Abs. 3 der Gewerbeordnung^ ist fibr Sachsen ein besonderes Gesetz erlassen, das den Gemeinden die Möglichkeit giebt, durch ortsstatutarische Regelung gewisse Gemeinde- bezirke von der Errichtung der in § 16 der Gewerbeordnung erwähnten Anlagen frei zu halten, und dasselbe ist in Württemberg, Hessen, Braun- schweig und Anhalt der FaU. Unter dem 30. Juli 1889 erschien für Sachsen eine gleichlautende Verordnung wie die preußische, betreffend Ein- richtung und Betrieb von Spiegelbelege-Anstalten.

In Württemberg haben die Oberamtsärzte bei ihren Visitationen nach der Verf. vom 1. Juli 1885 auch den Zustand und den Betrieb von Fabriken und solchen gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen, soweit dieselben Anlaß zur Gesundheitsgefkhrdung geben, zu kontrollieren, wobei hauptsächlich die schädlichen Einflüsse für die Umgebung und die Arbeiter, die Beschaffenheit ihrer Quartiere, die Art der Beschäftigung, die festen und flüssigen Abgänge und die Verunreinigung der Luft durch Gase und Dämpfe in Betracht kommen.

In Hessen steht den Ejreisärzten nach § 83 ihrer Dienstinstruk- tion vom 14. Juli 1884 die gewerbesanitätspolizeiliche üeberwachung aller Betriebe zu, welche die öffentliche Gesundheit oder die der Arbeiter zu schädigen imstande sind, einschließlich der Hausindustrien. Außer- dem sind f&r die Kreis- und Ortsgesundheitsräte mehrfach Spezialverord- nungen erlassen, die sich gleichfalls auf die G^werbe-Sanitätspolizei beziehen. Von besonderen Bestimmungen sind noch zu erwähnen die Bekanntmach- ung vom 1. März 1880, betreffend den Transport explosiver, entzündlicher, ätzender und giftiger Stoffe auf dem Rhein und die Min.- Verordnung vom 9. Februar 1880 betr. Maßregeln zum sanitären Schutz der Arbeiter in Fabriken und beim Bahnbetrieb. Das Gesetz vom 1. Mai 1893 über- trägt den Gesundheitsbeamten des Staats, sowie den Ortspolizeibehörden die Üeberwachung der zum Vermieten bestimmten Wohnungen und Schlaf- stellen in der Richtung, daß aus deren Benutzung zum Wohnen oder Schlafen Nachteile für die Gesundheit oder Sittlichkeit nicht zu besorgen sind. Gleiche Befrignis steht den genannten Organen bezüglich der Schlafräume zu, welche von Arbeitgebern ihren Arbeitern (Gesellen, Ge- hilfen, Lehrlingen, Dienstboten) zugewiesen werden. Für diese Schlaf- räume wie ftir Mietwohnungen kann ein Mindestmaß von Luftraum (10 cbm) ftkr jede in einem Schlafraum zuzulassende Person vorgeschrieben werden.

Li Baden soll der Bezirksarzt ebenso wie der Kreisarzt in Hessen allen Gewerbebetrieben, welche die öffentliche Gesundheit oder diejenige der Arbeiter zu schädigen geeignet sind, seine stete Aufmerksamkeit zu- wenden und auf die Beseitigung wahrgenommener Mißstände, event. unter Lianspruchnahme der Polizeibehörden dringen. Auch hat der Bezirksarzt bei der Genehmigung gewerblicher Anlagen, die unter den § 16 der G^w.-O. fallen, mitzuwirken und Vorschläge nach der sanitätspolizeilichen Seite zu machen. Bei Betrieben, die der Beaufsichtigung des Fabrik- inspektors unterstellt sind, soll* der Bezirktsarzt letzterem seine Wahr- nehmungen mitteilen und gemeinschafüich mit dem Fabrikinspektor die HerbeiftÜirung der im sanitätspolizeilichen Literesse erforderlichen Maß- nahmen betreiben, wobei er besondere Aufmerksamkeit denjenigen Be- trieben zuwenden soll, die Wasser und Boden verunreinigen.. Auch be- stimmt der § 3 der Dienstinstruktion für die badischen Fabrikinspektoren vom 2. Januar 1880, daß bei Anlagen, welche durch Ausdünstungen, durch Verunreinigung des Wassers oder Bodens oder auf andere Weise

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die öfFentliohe Oesondheit oder die Gesundheit der Arbeiter gefährden, die Revisionen in der Eegel in GFemeinsohaft mit dem Bezirksarzt vor- zunehmen sind. Von ünglücks&llen im Gewerbebetrieb ihres Dienstbe- zirks haben sie dem Fabrikinspektor Anzeige zu erstatten. Die ministe- rielle Verordnung vom 23. Januar 1882 bezieht sieh auf die schädlichen, gefthrlichen, belästigenden und geräuschvollen Gewerbe und giebt eine erneute Anweisung filr das Verfahren bei der Errichtung, Beaufsichtigung und üntersagung solcher Anlagen. Mit der Ableitung der Abwässer aus gewerblichen Anlagen beschäftigt sich die Verordnung vom 27. Juni 1884, mit der Einrichtung von Schlächtereien die Verordnung vom 16. Juni 1876 und mit der Ansteckungsgefahr durch Lumpen die Verordnung vom 7. Februar 1870.

In den kleineren Bundesstaaten untersteht die Gewerbe-Sanitätspolizei den höheren Verwaltungsbehörden, denen als Sachverständige teils be- sondere Kollegien (Kommissionen oder Deputationen), teils die Medizinal- beamten der verschiedenen Verwaltungskörper zur Verfügung stehen.

In England lassen sich einzelne gewerbepolizeiliche Bestimmungen bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Die ältesten fabrikgesetz- lichen Bestimmungen zu Anfang dieses Jahrhunderts betrafen das phy- sische und moralische Elend der in den BaumwoU- Manufakturen be- schäftigten Kinder (Moral and Health Act 1802). Von da an brachte jedes Jahrzehnt eine Eeihe gewerbehygienischer Gesetze und Reglements, die sich auf einzelne Industriezweige, auf den Schutz der Frauen und jugendlichen Personen bezogen und später auch auf das Handwerk und die Hausindustrie ausgedehnt wurden ^. Die große Zahl dieser Gesetze wurde zusammengefaßt und ergänzt in dem Factory and Workshop Act vom 27. Mai 1878. Fabrik ist in England, abweichend von den- Be- stimmungen anderer Länder, die der BegrifiEsbestimmung die Zahl der beschäftigten Arbeiter zu Grunde legen, jede Unternehmung, welche Dampf, Wasser oder sonstige mechanische Betriebskraft für das gewerb- liche Verfahren gebraucht. Das ursprüngliche englische Fabrikgesetz enthält Vorschriften über den Zustand der Arbeitsräume, über Ein- richtungen der Maschinen und gefthrlichen Werkzeuge, über Reinigung derselben, über Beschäftigung der Kinder, jugendlicher Personen und Frauen in der Textilindustrie und der Nicht - Textilindustrie , in den Werkstätten und der Hausindustrie; es regelt femer den obligatorischen Schulbesuch der beschäftigten Kinder mit Rücksicht auf deren Be- schäftigung durch das sog. Halbzeitsystem, trifft besondere Fürsorge ftr Personen unter 16 Jahren und verpflichtet zur Meldung jedes schweren Unfalls an den Fabrikinspektor und den Distriktsarzt. Dies Fabrikgesetz wurde ergänzt durch das Factory and Workshop Act von 1883, durch The Cotton Cloth Factories Act von 1889 und durch das Gesetz vom 5. Aug. 1891, betr. Aenderungen des G^etzes über Fabriken und Werk- stätten. Dieses letztere Gesetz enthält Bestimmungen über Eeinhaltung der Werkstätten und Wäschereien, über Bereithaltung von Eettungsvor- richtungen bei Feuersgefahr und trifft Bestimmungen gegenüber gefähr- lichen und belästigenden Betrieben, sowie gegenüber der Üeberzeit-Arbeit bei Kindern und jugendlichen Arbeitern. Vom 1. Januar 1893 an dürfen Eänder unter 11 Jahren in Fabriken und Werkstätten nicht mehr be- schäftigt worden ; außerdem ist in einer Reihe namhaft gemachter schäd- licher Betriebe Kindern und jugendlichen Personen die Arbeit verboten. Diese sämtlichen Fabrikgesetze sind zusammengefallt unter dem Titel The Factory and Workshop Act 1878 to 1891.

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Das Institut der Fabrikinspektoren, das wir England verdanken, wurde dort zuerst 1833 eingesetzt und im Jahre 1878 reorganisiert. In den 39 Fabrikinspektionsbezirken sind zur Zeit 66 Au&ichtsbeamte mit entsprechonden Hilfsarbeitern thätig. Fünf Superintending Inspectors kontrollieren die Inspektoren und erhalten von denselben wöohentliohe Berichte, die sie dem Chief Inspeotor, der direkt unter dem Minister des Innern steht, einreichen. Zur Fabrikinspektion gehört auch der Fabrik- arzt, der Alter und Gesundheitszustand der Kinder zu kontrollieren und über Un&Ue an den Fabrikinspektor zu berichten haf^. Für die Ez- plosivindustrie wurden durch das „Explosive Act 1875'' besondere £z- plosivinspektoren eingesetzt, die sich von Jahr zu Jahr mehr bewährt haben.

In der Schweiz war die Gewerbe-Sanitätspolizei ebenso wie die Sanitätsverwaltung und die öffentliche Gesundheitspflege bis zum Jahre 1877 Sache der verschiedenen Einzelkantone, sodaß jeder Kanton seine besondere Fabrikgesetzgebung oder doch seine speziellen gewerbesanitäts- polizeilichen Bestimmungen hatte. An die Stelle dieser Sondergesetze trat das schweizerische Fabrikgesetz vom 23. März 1877 (abgeschlossen 1878), das in der Fürsorge fOr die Arbeiter Festsetzung des 11-stündigen Arbeitstages in der Begelung der Frauen- und Kinderarbeit bis zum vollendeten 14. Lebensjahre sind Kinder von der Fabrikarbeit aus- geschlossen — in der BrCgelung der Nachtarbeit und der Sonntagsruhe als mustergiltig zu erachten ist*. Außerdem ordnete das Fabrikgesetz die Einsetzung von Fabrikinspektoren an, die vom Bundesrat ernannt werden, und zwar ist das Land in 3 Fabrikinspektionsbezirke geteilt. Der Begriff der Fabrik ist in der Schweiz sehr weit ausgedehnt Nach den Beschlüssen des Bundesrats findet das Fabrikgesetz Anwendung

a) auf Betriebe mit mehr als 6 Arbeitern, welche mechanische Mo- toren verwenden oder Personen unter 18 Jahren beschäftigen oder ge- wisse Gefahren für Gesundheit und Leben der Arbeiter bieten,

b) auf Betriebe mit mehr als 10 Arbeitern, bei welchen keine der unter a genannten Bedingungen zutrifft,

c) auf Betriebe mit weniger als 6 resp. 11 Arbeitern, welche außer- gewöhnliche Gefahren für Gesundheit und Leben bieten oder den unver- kennbaren Charakter von Fabriken aufweisen.

Als Ergänzung des Fabrikgesetzes macht der Bundesratsbeschluß vom 19. Dezember 1887 diejenigen ge&hrlichen Industrien namhaft, auf welche die Haftpflichtgesetze vom 25. Juni 1881 und 26. April 1887 anzuwenden sind. Da das schweizerische Haftpflichtgesetz sich mit der Forderung begnügt, daß alle erfahrungsgemäß durch den Stand der Technik, sowie durch die gegebenen Verhältnisse ermöglichten Schutz- mittel angewandt werden sollen, so ist thatsächlich auf diesem Gebiete alles von dem freien Willen und dem Belieben der Arbeitgeber ab- hängig.

In Oesterreich war das Gewerbesanitätswesen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts vollkommen centralisiert, und fel)lte den Gemeinden jede Mitwirkung an demselben. Erst im Jahre 1870 wurden den Ge- meinden gewisse sanit&tspoUzeiliche Befugnisse eingeräumt. Die öster- reidiiscbe Gewerbeordnung datiert vom 20. Dezember 1859; dieselbe wurde durch eine Reihe von Spezialgesetzen über Kinderarbeit, über Maschinen, über Zündhölzer u. s. w., hauptsächlich aber durch die beiden Novellen vom 15. März 1883 und 8. März 1885 nicht unwesent-

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lieh abgeändert. Die wesentlichsteD durch die Gresetznovelle vom 15. März 1^83 zur Geltung gelangten Prinzipien sind 1) die Drei- theilung der Gewerbe in freie, handwerksmäßige und konzessionierte, 2) die Forderung des Befähigungs- nachweises bei den handwerksmäßigen und bei ge- wissen konzessionierten Gewerben, 3) die obligatorische Genossenschaft.

Bei den freien Gewerben hat der Unternehmer vor Antritt des Gewerbes der Behörde über seine Person, sowie Art des Gewerbes und Ort der Ausübung Meldung zu machen. Bei handwerksmäßigen Gewerben wird ein Befähigungsnachweis gefordert, welcher durch das Lehrzeugnis und das Arbeitszeugnis über eine mehrjährige Verwendung als Gehilfe in demselben Gewerbe oder in einem dem betreffenden Gewerbe verwandten Fabrikbetriebe, oder durch das Zeugnis über den mit Krfolg zurückgelegten Besuch einer gewerblichen Unterrichtsanstalt (Fachschule, Lehrwerkstätte etc.) erbracht wird.

Zu den 21 Gewerben der letztgenannten Kategorie gehören u. a. die polygraphischen und Druckereigewerbe, das Transportgewerbe, Schiffergewerbe, Buchbibliotheken und Buchhandlungen, das Baumeister-, Brunnenmeister-, Maurer-, Steinmetz-, Zimmermanns- und Rauchfang- kehrer-Gewerbe, das Gast- und Schankgewerbe, Abdeckereigewerbe, die Ausführung von Gasrohrleitungen, Beleuchtungseinrichtungen und Wasser- leitungen, die Darstellung von Giften und die Zubereitung arzneilicher Stoffe und Präparate, sowie der Verschleiß derselben außerhalb der Apotheken, das Hufbeschlag- und Kammeijägergewerbe, die Fabrikation künstlicher Mineridwässer und das Kanalräumergewerbe.

Außerdem unterscheidet die Novelle Betriebsanlagen, die einer Genehmigung der Behörde bedürfen und erst nach erteilter Geneh- migung errichtet werden dürfen. Das Verzeichnis derselben umfaßt 52 Nummern und stimmt im großen ganzen mit dem Verzeichnis im § 16 der deutschen Gewerbeordnung überein, kann aber im Verord- nungswege (in Deutschland nur auf dem Wege des Gesetzes) erweitert werden. Nicht erwähnt sind unter den genehmigungspflichtigen Anlagen die Wollfabriken, die Verbleiungs-, Verzinnungs- und Verzinkungs- Anstalten, die Stauanlagen fQr Wasserbetriebswerke u. a.

Durch das Gesetz vom 17. Juni 1883 wurde das Institut der Gewerbeinspektoren als technischer Aufsichtsbeamten eingeführt^. Zur Zeit fungieren als Aufsichtsbeamte 24 Fabrikinspektoren, die einem CentraUnspektor unterstellt sind. Von dem Prinzipe territorialer Sprengel wurde in Oesterreich insofern abgewichen, als zunächst ein besonderer Inspektor fQr das Schiffahrtsgewerbe und 1892 ein solcher für die Wiener Verkehrsanlagen eingesetzt wurde. Ungeachtet der Vermehrung durch die Assistenten sind die Gewerbeinspektoren in hohem Maße überbürdet.

Von besonderer Bedeutung in gewerbehygienischer Hinsicht ist das Gesetz vom 8. März 1886, das die an die Stelle des VI. Hauptstücks der Gewerbeordnung getreteneu B^timmungen enthält.

Dasselbe enthält im § 74 Bestimmungen über die zum Schutze der Arbeiter in gewerblichen Anlagen zu treffenden Einrichtungen (Be- kleidung von Wellen, Transmissionen u. s. w.). Die Arbeitsräume sollen während der Arbeitszeit möglichst licht, rein und staubfrei gehalten werden, auch muß für Lufterneuerung und Staubbeseitigung Sorge ge- tragen werden. Bei der Beschäftigung von Hilfsarbeitern bis zum voU-

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Allgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 73

endeten 18. Lebensjahr und von Frauenspersonen überhaupt ist thun- Üchst die durch das Alter und Geschlecht derselben gebotene Bücksicht auf die Sittlichkeit zu nehmen.

Der § 74 a bestimmt, daß zwischen den Arbeitsstunden den Hilfs- arbeitern angemessene Ruhepausen zu gewähren sind, welche nicht weniger als 1 ^/^ Stunden betragen müssen, wovon nach der Beschaffen- heit des Gewerbebetriebes thunlichst eine Stunde auf die Mittagszeit zu entfaUen hat. Wenn die Arbeitszeit vor oder diejenige nach der Mittags- pause 5 Stunden oder weniger beträgt, so kann die Ruhepause mit Ausnahme der für die Mittagszeit bestimmten Stunde für die betreffende Arbeitszeit entfallen. Außerdem kann der Handelsminister mit dem Ministar des Innern für einzelne Kategorien von Gewerben noch Ab- kürzungen dieser Ruhepausen eintreten lassen.

Nach § 76 hat an Sonntagen alle gewerbliche Arbeit zu ruhen; ausgenommen hiervon sind alle an den Gewerbelokalen und Werkvor- richtungen vorzunehmenden Säuberungs- und Instandhaltungsarbeiten.

In den vorgeschriebenen Arbeitsbüchern müssen Bestimmungen über die Arbeitstage, Beginn und Ende der Arbeitszeit und über die Arbeitspausen enthalten sein. Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Kündigung kann ein Hilfsarbeiter die Arbeit verlassen, wenn er ohne erheblichen Schaden für seine Gesundheit die Arbeit nicht fort- setzen kann. Bei gefährlichen oder gesundheitsschädlichen gewerblichen Yerrichtungen dürfen jugendliche Hilfsarbeiter und Frauen nicht oder nur bedingungsweise beschäftigt werden ; die Bestimmung dieser Betriebe hegt dem Handelsminister im Einverständnis mit dem Minister des Innern ob. Die Schonzeit der Wöchnerinnen beträgt 4 Wochen.

Der § 96 a setzt die Maximalarbeitszeit in fabrikmäßig betriebenen Gewerbsuntemehmungen auf 11 Stunden fest. Auch hier kann der Handelsminister im Verordnungswege für bestimmte Kategorien von Betrieben eine Verlängerung um 1 Stunde täglich eintreten lassen. Im FaUe zwingender Notwendigkeit und während längstens dreier Tage in einem Monat kann eine Verlängerung der Arbeitszeit gegen bloße Anmeldung bei der Gewerbebehörde erster Instanz erfolgen.

In fabrikmäßigen Betrieben das sind solche, in denen mindestens 20 Arbeiter unter Benutzung von Maschinen beschäftigt werden dürfen Kinder nicht vor dem vollendeten 14. Lebensjahre, in anderen gewerb- lichen Beschäftigungen nicht vor dem vollendeten 12. Lebensjahre be- sdiäftigt werden. Die Dauer der Arbeit dieser jugendlichen Arbeiter darf 8 Stunden nicht überschreiten. Nachtarbeit ist sowohl für jugend- liche Arbeiter wie Air Frauen untersagt, doch können auch hiervon Ausnahmen gestattet werden. Von dem Verbot der Sonntagsarbeit, das für alle gewerbliche Arbeit ausgesprochen ist, kann der Handelsminister mit dem Minister des Innern und des Kultus Dispens erteilen. Die Verordnungen vom 17. Mai 1885 und 21. September 1885 enthalten noch besondere Bestimmungen bezüglich der Arbeitspausen, der Sonn- tagsruhe, der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit, der Nachtarbeit sowie der Verwendung von jugendlichen Hilfsarbeitern und Frauens- personen bei Nacht. Für die beim Bergbau beschäftigten jugendlichen Arbeiter und Frauen enüiält das Gesetz vom 21. Juni 1884 besondere Bestimmungen. Auf die Wahrung der sanitären Rücksichten bei Er- h^ungen über die Zulässigkeit der Genehmigung neuer gewerblicher Anlagen bezieht sich der Ministerialerlaß vom 19. März 1890, während der Erlaß vom 22. Mai 1890 den Behörden zur Pflicht macht, in allen

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74 ROTH,

gewerblichen Angelegenheiten, bei welchen sanitäre Maßnahmen irgendwie in Betracht kommen, die amtsärztlichen Fachorgane za Bäte zu ziehen. Hierher gehört auch das Gesetz vom 9. Februar 1892 betr. die Förde- rung von Arbeiterwohnungen. Den Abschluß der gewerbehygienischen Bestrebungen bilden in Oesterreich das Krankenkassengesetz vom 30. M&rz 1888 und 4. April 1889 und das Unfallversicherungsgesetz vom 28. Dezember 1887 und der dazu gehörigen Novelle vom Dezember 1893. Das unter dem 27. Februar 1872 erUissene Gewerbegesetz f&r Ungarn, abgeändert durch Gesetz vom 1. November 1885, weicht in wesentlichen Punkten von den Bestimmungen der österreichischen Gesetze ab, so in Bezug auf die Zulassung der Kinder zur Fabrikarbeit (in Ungarn dürfen Kinder schon im Alter von 10 Jahren zur Beschäf- tigung in Fabriken zugelassen werden), in Bezug auf die Regelung der Arbeitszeit, der Nachtzeit, der Zahl der genehmigungspflichtigen An- lagen u. a. Bezüglich der Nachtarbeit berücksichtigt das unmrische Gesetz nur die jugendlichen Arbeiter, während die Frauen keine Berück- sichtigung gefunden haben. Ungarn besitzt bisher kein organisches Arbeiterversicherungswesen.

In Frankreich wurde auf Ghrund gewerbepolizeilicher Anweisungen zuerst eine Regelung des Konzessionswesens herbeigefCLhrt. Eine allge- meine Konzessionspflicht für die gewerblichen Anlagen, di^ je nach ihrer Schädlichkeit in 3 Klassen geteilt werden, wurde zuerst durch das Dekret vom 15. Oktober 1810, ergänzt durch das Reglement vom 14. Januar 1816 festgesetzt, eine Dreiteilung, die im wesentlichen bis heute beibe- halten und durch die späteren Dekrete vom 31. Dezember 1866, 31. Janoacr 1872 und 7. Mai 1878 nur ergänzt und vervollständigt worden ist. Zur ersten Klasse gehören die Etablissements dangereuz, die nur in sehr großer Entfernung von den Wohnstätten konzessioniert werden dürfen, zur zweiten Klasse die Etablissements insalubres, deren Entfernung von den Wohn- stätten nicht streng notwendig ist, deren Errichtung aber nur erlaubt werden kann, wenn die (Gewißheit vorhanden ist, daß die Fabrik in der Weise arbeitet, daß die Nachbarn nicht belästigt und in ihrer Gesund- heit nicht geschädigt werden. Zur dritten Klasse gehören die Etablisse- ments incommodes, deren Anlage in der Nähe der Wohnstätten zwar er- laubt ist, die aber der gewerbesanitätspolizeilichen Ueberwachung unter- stehen ^. Durch das Dekret vom 3. Mai 1886 wurden die Bezeic^ungen und Einteilungen der drei Klassen von gewerblichen Anlagen neu ge- regelt. Danach gehören von den 383 gewerblichen Anlagen 104 der. ersten, 131 der zweiten und 148 der dritten Klasse an. Die notwendige Erlaubnis für die Anlagen der ersten Klasse giebt der Staatsrat, fiGLr die der zweiten Klasse der Präfekt bezw. der Unterpräfekt, fär die dritten Klasse der Unterpräfekt oder der Maire. Die sonstigen fabrikgesetz- lichen Bestimmungen in Frankreich beziehen sich hauptsächlich auf den Schutz der Kinder, der jagendlichen Arbeiter und Frauen, sowie auf die Arbeitszeit. Das Gesetz vom 9. September 1848, betr. Dauer der Arbeits- zeit, das einen Normalarbeitstag von 12 Stunden für die Hüttenweike und Manufakturen zu statuieren versuchte, sowie das dazu gehörige Dekret vom 17. Mai 1851 und 31. Januar 1866 gestatten so viel Ausnahmen, daß dasselbe ohne Bedeutung geblieben ist. Auch das Gesetz vom 16. Februar 1883, das die Ueberwachung dieser Bestimmungen anordnet, scheint nicht geeignet, die Durchf&hrung derselben zu gewährleisten. Die Kinder- und Frauenarbeit wurde geregelt durch das Gesetz vom

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Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebong. 75

19. Hai 1874, an dessen Stelle neuerdings das Gesetz vom 2. November 1892 trat Danach dürfen Kinder vor vollendetem 13. Lebensjahr in ge- werblichen Anstalten nicht beschäftigt werden; nur ausnahmsweise und nach Feststellung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit dürfen Kinder, die im Besitz eines Volksschulzeugnisses sind, schon mit vollendetem 12. Lebensjahr Verwendung finden. Das Gesetz unterscheidet 3 Kate- ^rien geschützter Personen: Kinder unter 16 Jahren, jugendliche Per- sonen von 16 bis 18 Jahren und Frauen jeden Alters. Für die erste Kategorie darf der Arbeitstag nicht über 10 Stunden dauern; jugend- liche Personen beiderlei Geschlechts dürfen wöchentlich nicht länger als 60 Stunden beschäftigt werden, wobei der Arbeitstag 11 Stunden nicht überschreiten darf, desgleichen ist der Arbeitstag der Frauen auf 11 Stunden festgesetzt Die vorgeschriebenen Pausen müssen mindestens eine Stunde betragen. Nachtarbeit ist Frauen jeden Alters und den geschützten Per- sonen untersagt; doch sind sowohl hier wie bezüglich der Arbeitsdauer geschützter Personen Ausnahmen zulässig.

Die Fabrikinspektion wurde generell geregelt durch die Verordnung Tom 13. Dezember 1892. Durch diese Verordnung wurden 11 Divisions- inspektoren und 92 Departementsinspektoren oder Inspektorinnen einge- setzt. Für dieselben ist eine Prüfung vorgeschrieben. Außerdem unter- scheidet die Verordnung 5 Klassen von Departements- und 3 Klassen von Divisions-Lispektoren. Mit Ausnahme der Bergwerke, Gruben und Steinbrüche, deren Beaufsichtigung ausschließlich den Bergingenieuren und Bergkontroleuren überwiesen ist, haben die Fabrikinspektoren sämt- liche Betriebe zu überwachen. Außerdem besteht bei dem Minister fbr Handel und Gewerbe eine Kommission von 9 Mitgliedern als oberste beratende Instanz in Sachen betr. Arbeiterschutz und Fabrikaufsicht. Das Gesetz vom 2. November 1892 bestinunt femer die Einrichtung von comit^ de patronage in den einzelnen Departements mit der Aufgabe, den Schutz der Lehrlinge und der in der Industrie beschäftigten ELmder und deren Ausbildung sich angelegen sein zu lassen. Die Fabrikinspektoren haben das Becht, aUe Kinder und jugendlichen Arbeiter unter 16 Jahren in Fabriken einer ärztlichen Untersuchung daraufhin unterziehen zu lassen, ob die Arbeit ihren Kräftien angemessen ist, und eventuell die- selben zurückzuweisen. Den Schutz der Kinder in den professions am- bulantes regelt das Gesetz vom 28. Mai 1888.

In Schweden sind die ersten Anfinge der Fabrikgesetzgebung enthalten in den allgemeinen Bestimmungen der Fabrik- und Handwerker- ordnung vom 22. Dezember 1846. lieber das Verhältnis der Gewerbe- treibenden zu ihren Gehilfen und Arbeitern bestimmt die Kgl. Verordnung über die erweiterte Gewerbefireiheit vom 18. Juni 1846, daJB der Eintritt derselben vor dem vollendeten 12. Lebensjahre nicht erfolgen darf Das Gesundheitsgesetz vom 25. September 1874 enthält eine Beihe von Be- stimmungen, die sich auf die Fabrik- und Werkstättenhygiene, sowie auf die Hygiene der Arbeiter beziehen. Speziell gewerbehygienische und Unftdlverhütungsvorschriften enthält das Gesetz vom 10. Mai 1889 betr. Schutz gegen GefiEJlren im Betriebe; dasselbe enthält eine Beihe von Unfallverhütungsvorschriften allgemeiner Natur, die sich auf Motoren, Transmissionen, Fahrstühle u. s. w. beziehen. Außerdem bestimmt der § 2 dieses Gesetzes, daß in geschlossenen Bäumen für jeden im Betriebe beschäftigten Arbeiter ein bestimmter Luftraum, und zwar neben der Vorrichtung für den erforderlichen Luftwechsel von nicht weniger als

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76 ROTH,

7 cbm vorhanden sein muß, daß jedoch in schon bestehenden Fabriken, falls besonders wirksame Einrichtungen für den Luftwechsel vorhanden sind, ein kleinerer Lufbraum gestattet werden kann. Femer bestimmt das Gesetz, daß die Arbeit bei zureichender und zweckentsprechender Be- leuchtung und bei gehöriger, den Verhältnissen entsprechender Temperatur stattfindet und Einrichtungen getroffen werden, um zu verhindern, daß Staub, Gase und Dünste in einer der Gesundheit der Arbeiter gefährlichen Menge in den Arbeitslokalen sich verbreiten, und daß Beinlichkeit so- wohl in Bezug auf die Arbeitslokale als auf Maschinen und Werkzeuge beobachtet wird. Vor Ablauf von 4 Wochen nach der Entbindung dürfen auch in Schweden Frauen zur Fabrikarbeit nicht zugelassen werden. Dasselbe Gesetz ordnet auch die regelmäßige Ueberwachung der Betriebe durch Fabrikinspektoren an. Speziell auf die Verwendung Minderjähriger in Fabrik- und Handwerksbetrieben bezieht sich das Fabrikgesetz vom 18. November 1881 und das Gesetz vom 22. Juni 1883; danach dürfen Kinder vor dem 12. Lebensjahr nicht in Fabriken be- schäftigt werden, Kinder von 12 14 Jahren dürfen höchstens 6, jugend- liche Personen weiblichen Geschlechts höchstens 10, jugendliche Per- sonen männlichen Geschlechts höchstens 12 Stunden täglich arbeiten; auch ist für diese geschützten Personen die Nachtarbeit verboten. Endlich ist seit dem 1. Juli d. J. in Schweden und Norwegen das Gesetz betr. die Fabrikinspektion in Kraft getreten, das Bestimmungen über die Beschaffenheit der Arbeitsstätten sowie über Vorkehrungen zur Unfall- verhütung enthält und außerdem Festsetzungen trifft über Dauer der Arbeitszeit fBr Frauen und jugendliche Personen.

In den Niederlanden wurde unter dem 5. Mai 1889 ein Gesetz gegen übermäßige und gefährliche Arbeit junger Personen und Frauen erlassen, das im wesentlichen bestimmt, daß Kinder unter 12 Jahren in Fabrikbetrieben nicht arbeiten dürfen, daß für bestimmte Arbeiten in Werkstätten und Fabriken im Verordnungswege Personen unter 16 Jahren und Frauen die Arbeit untersagt werden kann, daß die Arbeit dieser geschützten Personen 11 Stunden mit mindestens ein- stündiger Euhepause nicht überschreiten darf, und daß Nachtarbeit und Sonntagsarbeit dieser geschützten Personen verboten ist. Die Beauf- sichtigung der Fabriken ist 3 Inspektoren unterstellt.

In Belgien wurde die Konzessionspflicht offensiver Gewerbe auf Grund derselben Dreiteilung wie in Frankreich durch die Gesetze von 1849, 1850 und durch das Gesetz vom 29. Januar 1863 geregelt. Unter dem 13. Dezember 1889 erschien das Gesetz, betr. die Arbeit von Frauen, jungen Leuten und Kindern in gewerblichen Anstalten; dasselbe bestimmt, daß in Gruben, Bergwerken, Steinbrüchen, in den Werkstätten, Manufakturen , Fabriken, auf den Bauplätzen, in den gef^rliohen , un- gesunden und belästigenden Etablissements, sowie in denjenigen, welche die Arbeit mit Dampfkesseln oder mechanischen Kräften verrichten lassen, auch bei Land- und Wassertransporten Kinder unter 12 Jahren nicht verwendet werden dürfen. Für alle Kinder und Arbeiter unter 16 Jahren darf die Arbeitszeit 12 Stunden nicht überschreiten; auch ist eine mindestens 1^/, -stündige Buhepause vorgesehen. Durch Kgl. Verordnung kann die Verwendung von Knaben und jugendlichen Per- sonen unter 16 Jahren und von weiblichen Personen unter 21 Jahren für gefährliche und besonders anstrengende Arbeiten untersagt oder unter gewissen Bedingungen zugelassen werden. Nacht- und Sonntagsarbeit ist für diese geschützten Personen verboten. Weibliche Personen dürfen

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AUgemeine Gewerbehygiene und Fabrikgesetzgebung. 77

erst 4 Wochen naoh der Entbindung zur Arbeit wieder zugelassen werden. Die Fabriken sind der Beaufidchtigung von Fabrikinspektoren unterstellt. Den Schutz der Eünder beim Betriebe im Umherziehen bezweckt das Gesetz vom 28 Mai 1888. Seit dem 1. Januar 1892 dürfen Mädchen und Frauen unter 21 Jahren in den Tiefen der Ghruben, in Bergwerken und Steinbrüchen nicht mehr beschäftigt werden. Auch das Gesetz vom 1. Juli 1858 über Assanierung ungesunder Wohnungen und Quartiere, so- wie das neuere Gesetz vom 9. August 1889 über Arbeiterwohnungen und die zur Beförderung derselben wie zur Förderung von Sauberkeit, Ord- nungssinn und Sparsamkeit der arbeitenden Klasse zu errichtenden comit^s de patronage gehören als arbeiterfursorgliche Maßnahmen hierher.

In Italien ist die Kinderarbeit geregelt durch das Gesetz vom 11- Februar 1886; dasselbe untersagt die Arbeit von Kindern unter 9 Jahren in oberirdischen, von Kindern unter 10 Jahren in unterirdischen Betrieben. Alle Eünder von mehr als 9 und weniger als 15 Jahren be- dürfen, ehe sie zur Arbeit im Gewerbebetrieb zugelassen werden, eines ärztlichen Attestes darüber, dass sie gesund und für die betreffende Arbeit körperlich geeignet sind. Femer bestimmt das Gesetz, daß Kinder von 9 12 Jahren nicht länger als 8 Stunden täglich beschäftigt werden. Die Untersuchung derjenigen Kinder , die in der Industrie thätig sein wollen, wurde durch Cirk.-Verf. vom 5. März 1890 dem Gemeinde- Sanitätebeamten auferlegt. Seit kurzem sind auch technische Beamte mit der Fabrikaufsicht betraut®.

In Dänemark beschäftigt sich das Gesetz vom 10. März 1852 mit der gesundheitlichen Einrichtung der Fabriken und ungesunden Werk- stätten. Das Gesetz vom 23. Mai 1873 enthält Bestimmungen über die Arbeit der Kinder und jungen Leute in den fabrikmäßig betriebenen Werkstätten, sowie über die öffentliche Beaufsichtigung derselben und berücksichtigt die in anderen Ländern gemachten Erfahrungen. Die Fabrik- arbeit beginnt in Dänemark mit vollendetem 10. Lebensjahr.

In Rußland gab es bis zum Jahre 1887 kein eigentliches Gewerbe- gesetz, doch war in dem Medizinal- und Baugesetz der Ortspolizeibehörde die Befugnis gegeben, für die Konstruktion, die Einrichtung und den Betrieb der Werkstätten und Fabrikanlagen diejenigen Bedingungen vor- zuschreiben, die im Interesse der Anwohner sowie im Interesse der Arbeiter notwendig sind. Die im Jahre 1887 erschienene Gewerbe- ordnung, sowie das revidierte Gesetz vom 24. Februar 1890, betr. die Arbeit von Minderjährigen, jugendlichen Personen und Frauen und die Ausdehnung der Bestimmungen über Arbeit und Schulunterricht von Minderjährigen auf die Handwerksbetriebe, enthält die wichtigsten der zur Zeit auf diesem Gebiete in Bußland giltigen Bestimmungen. Danach dürfen Minderjährige im Alter von 12 15 Jahren in den Fabriken, Werken und Manufakturen höchstens bis 6 Stunden täglich beschäftigt werden ; zur nächtlichen Arbeit dürfen sie nur ausnahmsweise in den Glas- fabriken bis zur Dauer von 6 Stunden zugelassen werden, in diesem Falle dürfen sie jedoch am folgenden Tage nicht vor Ablauf von 12 Stunden nach Beendigung der Arbeit wiederum zur Arbeit zugelassen werden. Jugendliche Arbeiter von 15 17 Jahren, sowie alle Personen weiblichen Geschlechts dürfen in industriellen Betrieben, welche baumwollene, leinene, wollene oder gemischte Gewebe, sowie Gewebe aus Flachs her- stellen, zur Nachtarbeit nicht verwendet werden. Ausnahmen sind nur unter besonderen im Gesetz vorgesehenen Fällen zulässig.

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78 ROTH, Allgemeine Oewerbehygiene und Fabrikgesetzgebimg.

In Spanien bestimmt der Art. 9 des G^setses vom 24. Jnli 1873, dafi Fabrikanlagen nicht eher errichtet werden dürfen, als bis die fär die Hygiene und Sicherheit der Arbeiter notwendigen Vorkehrungen ge- troffen sind.

Endlich ist es in Portugal das Oesetz vom 21. Oktober 1868, das sich auf die Errichtung gewerblicher Anlagen bezieht und sich im wesentlichen an das firanzösische Dekret vom 15. Oktober 1810 anlehnt. Außerdem überträgt das Gesetz vom 3. Dezember 1868, betr. die Organi- sation der öffentlichen Oesundheit, den Sanitätsbehörden die Oesundheits- polizei in den ge&hrlichen, ungesunden und belästigenden Fabrikanlagen.

1) ▼. Woedtke, Iku DnJalhertukenmtffMgeiU» vom 6. JvK 1884 ErUMenmge», BeHm 1886; L. Beekmr, Anleittmg mit B€Himmtmg der Arbedt- m^d Enoerbtw/äkigkeü nach VtrUtmmgtn tie., Bertm^ 8. Aufi,

2) AmiMU Nad&iehimi de$ Bmchmßßr»iökinmg9amU (1886) 250.

8) A. BravB, Dm ArhmUrtimiageMtm der €mtfpiti»ek§m AmIm, TUhmgm 1880, /. T. DemUddand.

4) ZusammmgetteOt m Rernmä de$ ^rawtmx dm eamM eamndtaiif tth^güne pMig^ de Fromm, Tcm. XIV (1884) 856 /.| r/, aueh Lohaaan, -»^ - -

Staotm des eurapOuehm KomimmiU, BerUn 1878; Tinkebib heütpflege SitgUmda^ Bcem 1874; Dammtr, HmudMOrterbui vaUfi OemmdheiUpfUge^ BkMgoH 1891.

5) Wajer, Die engUuHu FahfikmepektUm (1888) ; ▼. Pl«a«r, Die Berlin 1871; tob Bfldaaowiki, Da$ engUeeke Fabrik» und Jma 1882.

6) IhuBBMr I. e. 208.

7) ▼. lUma, Die öeterreiehieeke OmoerbemepekUom, Oomrad't Jahi Mki atatwfO, N. F, 18. Bd. 257 (1886); lÜMUer, Die buonderer Büekeiekt mrf de» Beridd von 1892, BramCt gebung eU. 6. Bd. 8. und 4. Hßjt 458; Vowak, LeMmek ZueaenmentUaemg «to., II, Aufl., Wien 1898.

8) J. Arnonld, ^ommms OhnenU d^hggüne U, 4d Paru 1889, 12 hggiimque de$ fabriquBM^ Bemm tPhygiku (1888) Oe^ 861 ^ ^ ^ ttdUmg des auf dem GOiei der öfentUeken GtemdheiUpfUge'^ v "^ * ^ , hie jebtt OeUieieUn, Berlin 1878, 62.

9) VflUmmim, JakreeberieHe Über die FarUehriUe und Leiet Hygiene, Jahrg. 1884, 2Uund foigende Jahrgänge-, deigL V OetundkeiUamU 1877 «. /.

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HYGIMISCHE FÜESOßGE

: ARBEITERINNEN UND DEREN KINDER.

BEARBEITET

VON

Db. msd. AONES BLUHM

IN BERLIN.

Hy

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THE KüW v.-.-^K

PUBLIC LIBRARY

A8T0R, LENÜX AND TILDEN fO«;^^>TIONd,

1»*6

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Inhaltsübersicht.

S«ito

L Weshalb bedarf die Arbeiterin einer besonderen

Fürsorge 83

Litteratur 92

IL Was müssen Staat, Arbeitgeber etc. zum Schatze

der Arbeiterinnen und ihrer Kinder leisten? . . 93

Litteratur 98

TTT. Was leistet der Staat zum Schutze der Ar- beiterinnen? (Die Arbeiterinnenschutz - Gesetzgebung in

den einzelnen Staaten) 98

1. Deutschland 98

Litteratur 100

2. Oesterreich-Ungam 100

Litteratur 101

3. Schweiz 101

Litteratur 103

4. Großbritannien 103

Litteratur 104

6. Frankreich 104

Litteratur 105

6. Belgien 105

Litteratur 105

7. Niederlande 105

Litteratur 106

8. Skandinavien ... 106

9. Italien 106

10. Spanien 106

11. Rußland 106

Litteratur 106

12. Nordamerika 106

Handbuch d«r Hjgiana. Bd. YIO.

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L Weshalb bedarf die Arbeiterin einer besonderen

Fürsorge?

W&hrend unsere Zeit von dem Streben beherrscht wird, die £r- werbsthätigkeit der Fran durch Erschließung der höheren Berufezweige zu erweitem, macht sich ffir die niederen Besdiäftigungen, die industrieUe Th&tigkeit im engeren Sinne, rQcksichtlich der Frauenarbeit eine ent- schieden einschränkende Tendenz geltend, und der Frauenschutz bildet den Kernpunkt der neuesten Arbeiterschutzgesetzgebungen in den meisten L&ndem. Zwei Gesichtspunkte sind dabei für den Gesetzgeber maß- gebend: es bedarf die arbeitende Frau einer besonderen Fürsorge,

1) weil sie dem Manne physisch nachsteht,

2) weil sie die Trägerin des künftigen Geschlechtes ist, dessen Gesundheitszustand wesentlich durch den ihrigen beeinflußt wird, und weil der Staat ein lebhaftes Interesse daran haben muß, sich einen lebens- und leistungsfähigen Nachwuchs zu sichern.

Die physische Inferiorität der Frau gegenüber dem Manne, inso- fern sie sich als geringere Muskelkraft äußert, bedarf keiner weiteren Erörterung, und es hat sich aus der Natur der Sache heraus ohne Eingreifen des Gesetzgebers ein Ausschluß der Frau aus den- jenigen Professionen, welche eine große Muskelkraft erfordern, heraus- gebildet. Meines Wissens besteht nur in Frankreich ein einziges hier- her gehöriges Gesetz (s. S. 104), welches bestimmt, daß jüngere Mädchen zum Ziehen von Lasten auf öffentlicher Straße überhaupt nicht verwendet werden und im Innern der Betriebe nur Lasten von bestimmtem Ge- wicht auf horizontalem Terrain fortbewegen dürfen.

Völlig unabhängig von der geringeren Muskelkraft, aber häufig fälschlicherweise eo ipso aus ihr gefolgert, ist eine zweite Erscheinungs- form körperlicher Inferiorität, nämlich die geringere Widerstands- fähigkeit gegenüber schädigenden äußeren Einflüssen.

Wie wenig beide zusammenhängen, dafür liefert den schlagendsten Beweis die größere Sterblichkeit der Knaben in den ersten 10 Lebens- jahren im Vergleich zu deijenigen der Mädchen. In England ^ starben in den Jahren 1861—70 jährlich

▼OD lOOO Knaben im Alter von O 5 Jahren 73,16 1000 Mädchen ,. o— 5 63,43

1000 Knaben ,, $—10 8,14

,, 1000 Mftdchen ,, ^ $— ^^ 7i7&

6*

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84 AGNES BLUHH,

In den Jahren 1871—80 lauteten die entsprechenden Zahlen

fOr das o.— 5. Lebenijmhr für Knaben 68,14 0.--5. MidelMn 58,10

5.— 10. KnabMi 6,67

tt 5.— 10. Hldehan 6.S0

Jenseits des 10. Lebensjahres überwiegt dann die Sterblichkdt anf Seiten des weiblichen Geschlechtes, um vom 20. Jahre an dauernd von deijenigen der Männer übertroffen zu werden. Die erstere Thatsache hängt entschieden mit der früheren sexuellen Entwickelung der Mädchen zusammen, ein Vorgang, der sie empfänglicher macht für äußere Schäd- lichkeiten.

Sehr beachtenswert ist die Rolle, welche die Phthise in diesem Alter als Todesursache der Mädchen spielt. Auf 100 Fälle bei Knaben kommen 175 bei Mädchen im Alter von 10—16 Jahren ; zwischen dem 15. ^20. Leben&ijahre ist das Verhältnis 100: 144^. In den dänischen Städten starben in dem Zeitraum von 1876 85 jährlich, auf 100000 Lebende berechnet, an Tuberkulose und Skrophulose im Alter von 5 15 Jahren 113 männliche und 165 weibliche Individuen'^. Die höhere Sterbe- ziffer auf Seiten der Männer jenseits des 20. Leben&gahres erklärt sich daraus, daß von diesem Alter an der Mann durch seinen Beruf mehr schädigenden Einflüssen ausgesetzt ist als das Weib.

Wichtiger als die Statistik der Sterbefälle ist für uns die Kranken- statistik. Leider verfügen wir in dieser Hinsicht über wenig brauch- bares Material Nach Hirt* ergeben die Listen der Friendly Societies in England einen weit höheren Krankheitsbetrag sowohl in den pas- siven wie aktiven Beschäftigungen für die weiblichen als für die männ- lichen Mitglieder, „d. h. die Arbeit im allgemeinen, die gewerbliche Beschäftigung, die Berufsarten, mögen sie sein, welche sie woUen, helfen beim Weibe eine weit größere Disposition zu Erkrankungen begründe als beim Manne^^

In gewissem Gegensatz hierzu steht das Ergebnis der österreichischen Krankenstatistik vom Jahre 1891 >. Danach „entfällt nämlich auf die Mitglieder weiblichen Geschlechts, wenn man die Ent- bindungen außer acht läßt, im Durchschnitte aller Krankenkassen ein geringeres Erkrankungsperzent, nämlich 41,6 (49,5 im Voijahr), als auf die Mitglieder männlichen Geschlechts, für welche dasselbe 43,6 (49,9 im Voijahr) beträgt; die durchschnittliche Krankheitsdauer dagegen ist für die weiblichen Mitglieder größer als für die männlichen Mitglieder, nämlich 18,7 (17,1 im Vorjahr) Tage für die ersteren, 16,0 (14,7 im Voijahr) Tage für die letzteren. Diese höhere durchschnittliche Krankheitsdauer be- wirkt, daß die Zahl der Krankentage für ein weibliches Mitglied größer wird als wie die entsprechende Zäl für ein männliches Mitglied, näm- Uch 7,78 (8,44 im Vorjahr) für ersteres, 6,99 (7,32 im Vorjahr) für letzteres".

Dieselben charakteristischen Unterschiede bei beiden Geschlechtern d. i. geringere Erkrankungdfrequenz , aber längere durchschnittliche Krankheitsdauer auf selten der Frauen, zeigt die Statistik Heym's^, welche auf langjähriger Erfahrung in der von ihm begründeten Krimken- versicherungsgesellschaft „G^enseitigkeit" beruht. Auch Schul er und Burckhardt^ fanden eine größere Morbilität auf selten der Männer, doch führen sie dieselbe lediglich auf den Einfluß der mechanischen

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Hygienische Fürsorge für Arbeiterinnen und deren Kinder. 85

Werkstätten znrQck. Innerhalb der gleichen Berufsart war das Ver- hältnis stets das umgekehrte, nämlich:

Zahl der Erkrankungen

weibl.

mftnnl.

in der Banmwolkpioiuierei

128

100

Bftam Wollweberei

139

100

FIrberei, Bleicherei, Appretur

"3

100

Stickerei

III

100

Diese Statistik beweist indessen nichts gegenüber den oben citierten ; denn gerade in der Textilindustrie sind Frauen und Männer in ziem- lich ungleicher Weise beschäftigt Der eigentliche Produktionsprozeß ruht zum großen Teil in weiblichen Händen, während die Männer viel- fach als H^fsarbeiter (Taglöhner, Handwerker u. s. w.) beschäftigt, also weniger Erkrankungen ausgesetzt sind.

Unter fast ganz gleichen Bedingungen vollzieht sich die Arbeit der männlichen und weiblichen Handlungsgehilfen. Die Statistik der Orts- krankenkasse für Handlungsgehilfen zu Berlin vom Jahre 1893, welche sich auf 5219 Frauen und 10100 Männer bezieht, ergiebt nun fQr je 100 weibliche Mitglieder einen Krankheitsbetrag von 8,5; für je 100 männliche 9,5. Während Erkrankungen in der Dauer von 1--8 Tagen in 23 Proz. Männer und nur in 13,43 Proz. Frauen betreffen und solche von 8--14-tägiger Dauer in 24 Proz. Männer und in 19,45 Proz. Frauen heimsuchten, prävaliert bei Krankheiten von über 14-tägiger Dauer das weibliche Geschlecht ganz erheblich'^. Wir sehen hier also allerdings im kleinsten Rahmen, aber innerhalb der gleichen Berufsart die Ver- hältnisse der österreichischen und der Heym 'sehen Statistik wider- gespiegelt.

Wie dem indes auch sein mag, wenn auch Frauen vielleicht weniger häufig erkranken mögen sds Männer, so berechtigt doch die größere Zahl der Krankheitstage auf selten der Frauen, welche aus allen Stati- stiken, auch aus der Schuler-Burckhardtschen, hervorgeht, zu der Annahme, daß die Frauen durch eine Erkrankung mehr angegriffen werden, sich langsamer erholen, und daß im großen ganzen die gewerbliche Thätigkeit dem weiblichen Organismus schädlicher ist als dem männlichen.

Besonders scheint der jugendliche weibliche Körper von den Schädlichkeiten der Fabrikarbeit betroffen zu werden. Nach Schüler^ verhält sich die Erkrankungsfrequenz der weiblichen Arbeiter unter 18 Jahren zu deijenigen der männlichen im gleichen Alter wie 174: 1 00. Wir müssen diese Zahl in Zusammenhang bringen mit der Pubertät, welche im weiblichen Organismus eine viel tiefgreifendere Rolle spielt als im männlichen. Namentlich ist es der Cirkulationsapparat, welcher dabei in hervorragender Weise in Mitleidenschaft gezogen wird, und die Bleichsucht darf, wenn sie auch nicht ausschließlich weibliche Individuen befällt, doch als spez. weibliche Entwickelungskrankheit bezeichnet werden. Bleichsucht giebt nun wiederum ein begünstigendes Moment für andere Erkrankungen ab, namentlich für diejenigen der Respirations- organe. Wir erinnern an die hohe Sterblichkeit an Phthise bei Mädchen von 10 15 Jahren in England. Bezüglich der Häufigkeit der Tuber- kulose unter den Gigarrenarbeitem sagt v. Philippovich^, daß heranwachsende Mädchen einer erhöhten Krankheitsgefahr ausgesetzt sind. Als Arzt an zwei Krankenkassen für Handlungsgehilfinnen in Berlin verfüge ich über ein ziemlich großes Materiid an Bleichsucht und finde.

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da ich es mir zum Gesetz gemacht habe, in solchen Fällen stets die Lungen zu untersuchen, ungemein häufig bannende Spitzenkatarrhe, welche als sekundär entstanden anzusehen sind. Bedenken wir nun, welchen günstigen Boden die Fabriken mit ihren geschlossenen, von schlechter Luft erfüllten, oft überheizten Räumen für die Entstehung von Bleichsucht abgeben, so begreifen wir den hohen Krankheitsbetrag der jugendlichen weiblichen Arbeiter. Welche Rolle „der geschlossene Raum mit hoher Temperatur als krankmachendes Moment"* spielt, er- hellt aus den Berechnungen Schuler^s®, aus welchen si(^ ergab, „daß, wenn man die Zahl der durchschnittlich auf jedes männliche Mit- glied aller Altersklassen und Industriezweige jährlich entfallenden Krankheitstage 100 annimmt, die entsprechende Ziffer für die 14 18-jährigen = 50 sich stellt, bei weiblichen Personen =^ 60. Es zeigte sich nun, daß bei der Baumwollspinnerei und -Weberei dieses Verhältnis für das männliche Geschlecht wie 100:71, für das weibliche wie 100:63 sich stellt; bei der Seidenzwirnerei, -winderei und -Weberei wie 100:55, bei Frauen 81, daß dagegen die Yerhältniszahl für jugendliche Stickerei- arbeiter (14 18-jährige beider Geschlechter, in kühlen Lokalen arbeitend) nur 100:38 betrug, für die Ziegelarbeiter 100:39, für die Bleicher und Färber gar nur 100 : 13^S Bei solchen Arbeitern, welche von Jugend auf der Hitze ausgesetzt sind, findet man nach Arlidge^ die Beine schlecht entwickelt, Knöchel und Kniee schwach, sich bi^end und difiform werdend unter dem Gewicht des Körpers. Diese Difformi- täten der Beine können nun unter Umständen solche des Beckens nach sich ziehen und dadurch dem weiblichen Geschlecht besonders verhängnis- voll werden.

lieber die schädliche Einwirkung der Fabrikarbeit auf die Ent- wickelung des Körperbaues belehren uns die Unsersuchungen Eris- m a n n 's ^. Ein Vergleich seiner Jahreswachstumstabelle mit deijenigen von Pagliani und Bowditsch^, welche Kinder besser situierter Stände in Schulen und Pensionaten untersuchten, ergiebt, daß während der Pubertätszeit das Wachstum der von den letzteren Autoren unter- suchten Mädchen rascher fortschreitet als bei den Fabrikmädchen Erismann's, „mit anderen Worten, daß bei den letzteren die körper- liche Entwickelung etwas zurückgehalten erscheint'\ Bei Knaben ist der entsprechende Unterschied in der Kurve von Erismann und Bowditsch nicht so groß in der Zeit des größten Wachstums. Die Untersuchungen Erismann's über den Einfluß der verschiedenen In- dustrien auf die körperliche Entwickelung beziehen sich leider nur auf männliche Arbeiter. Jedoch läßt der Umstand, daß nach seinen Er- mittelungen die Nichttextilarbeiter sich bedeutend besser entwickeln als die Textilarbeiter, zusammen mit der Thatsache, daß in den meisten Ländern gerade die Textilindustrie vom weiblichen Geschlechte frequen- tiert wird, die Schlußfolgerung zu, daß bei dem heutigen Stande der Industrie die weiblichen Arbeiter geringere Chancen für eine gute körperliche Entwickelung haben als die männlichen.

Von ungemeiner Tragweite können für das in der Entwickelung begriffene weibliche Geschlecht die mit der Arbeit häufig verbundenen Zwangskörperhaltungen werden, ebenso wie die einseitige Muskelthätig- keit. Herkner^^ citiert aus dem Bericht über eine von medizinischer Seite unter den belgischen Bergarbeitern unternommene Enquete: „So viel steht fest, daß die Arbeit bei den schon in der Jugend in Gruben

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besch&ftigten Frauen das Knochensystem verbildet, die Wirbelsäule krümmt, das Becken verengt; daß bei ihnen Fehl- und Frühgeburten sehr h&ufig sind, daß die Sterblichkeit unter der Geburt bei ihnen häufiger ist als bei anderen Frauen, daß, wenn die Verengung des Beckens auch nicht immer bis zur Veranlassung von Schwergeburten sich ausbildet, sie doch immer mehr oder weniger vorhanden ist Der Grad kann abhängen von dem Alter, in welchem das Mädchen die Grubenarbeit begonnen hat, von der Widerstandsfähigkeit seines Körpers, von der gewöhnlichen Dauer seiner Arbeit/^

Die Arbeit unter Tage bietet nun freilich das extremste Beispiel schädlicher Körperhaltung. Wie stark indes deren Einfluß auch schon l>ei sog. leichteren Beschäftigungen ist, erhellt aus der Bemerkung Schul er 's ^, daß Knaben, welche schon mit 14 15 Jahren als Maschinensticker arbeiten, schon nach kurzer Zeit durch ihren asym- metrischen Brustkorb als solche zu erkennen sind.

Außer einer allgemeinen größeren Disposition zu Erkrankungen wird von einzelnen Hygienikem dem Weibe eine spezielle stärkere Empfänglichkeit für die Schädlichkeiten bestimmter Gewerbe vindiziert. Hirt^ sagt: „Es scheint mit Sicherheit ange- nommen werden zu dürfen, daß gewisse Grewerbe einen ganz beson- ders ungünstigen Einfluß auf das weibliche Geschlecht ausüben, d. h. also, daß das in einzelnen Gewerbebetrieben beschäftigte Weib in noch viel höherem Maße zu Erkrankungen disponiert werde, als wir es schon bei dem arbeitenden Weibe überhaupt zu konstatieren Gelegenheit hatten.*^ Gemeint sind damit diejenigen Industrien, in welchen giftige Stoffe verarbeitet werden und es kommen dabei vor allem in Betracht: Blei, Quecksilber und gelber Phosphor.

Miss May E. Abraham *^ Lady Assistant Gommissioner to the Royal Gommission on Labour, berichtet, daß unter 135 Fällen von Blei- vergiftung, welche in den letzten 5 Jahren im Hospital von Newcastle, wo in den Bleiweißfabriken annähernd gleich viel Frauen und Männer beschäftigt sind, 94 Frauen und 41 Männer waren; die Mehrzahl der Frauen war jung. In den Jahren 1889—92 angestellte Umfragen im Newcastle-Distrikt ergaben 23 Todesfälle durch Bleivergiftung, darunter 22 Frauen und 1 Mann. Die Mehrzahl der Todesfälle betrs^ das Alter von 17—30 Jahren. Gewährsleute aus einer Bleiweißfabrik in Sheffield übermittelten der Miss Abraham eine Liste von 12 Todesfällen durch Bleiintoxikation, welche dort im letzten Jahr stattgefunden ; es befanden sich 11 Frauen darunter. Mr. Slaen, Direktor der Mersey White Lead Manufacturing Company, beschäftigt keine Frauen mehr in den gefährlichen Partien seines Betriebes, weil er ihren Erkrankungsprozent- satz weit höher fand als denjenigen der Männer. Im Gegensatz zu diesen Angaben stehen die Beobaditungen von Arlidge^, welche er als Arzt an dem großen North Staffordshire- Krankenhaus machte. Unter 800 ambulant behandelten Patienten, welche alle in irgend einem Zweig der Töpfermanufaktur beschäftigt waren, befanden sich 463 Männer und 337 Frauen. Die Frauen sind dort vorwiegend mit dem Eintauchen der irdenen Gefäße in die bleihaltige Glasurmasse, sowie mit dem Majolikamalen, wobei bleihaltige Farben mit dem Finger verrieben werden, beschäftigt, und der Prozentsatz an Bleivergiftung stellte sich auf 8,00 fQr Männer, auf 5,06 für Frauen. Aus der internen Abteilung des gleichen Krankenhauses wird übereinstimmend hiermit berichtet * ',

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daß im Jahre 1892 bei den an Bleivergiftung behandelten Patienten die Männer ein kleines Uebergewicht gegenüber den Frauen zeigten.

„Aber darauf wollen wir doch mit allem Nachdruck hinweisen, daß die Frauen, welche mit Quecksilber arbeiten, dem Einfluß desselben öfter und schneller erli^en als Männer^S sagt Hirt am erwähnten Orte^, und sich stützend auf nur 42 Fälle, beredinet er für die Frauen eine Erkrankungsfrequenz von 85,5 Proz. Hören wir andererseits den über weit größere Erfahrungen verfügenden Bezirksgerichtsarzt Wollner aus Fürth ^ ' : „Das Geschlecht scheint keinen wesentlichen Einfluß auf die größere Empfindlichkeit gegen Quecksilber zu haben; die Difiierenz zwischen beiden Geschlechtem beträgt nur 1,6 zu Ungunsten der Frauen; dagegen scheinen die Männer intensiver zu er- kranken, da die Krankheitstage sich wie 66,7 zu 50,5 verhalten/' Und in Uebereinstimmung hiermit heißt es in der Denkschrift über die sanitären Zustände der Quecksilberspi^elbelege in Fürth: „Fast alle Belegarbeiter, die nicht nur vorübergehend dieses 'Geschäft treiben, sind mercurialkrank. Die Ausnahmen von dieser Regel verschwindend/'

Was die Phosphornekrose angeht, so üben nach Hirt^^ „Ge* schlecht und Alter keinen wesentlichen Einfluß auf das Zustandekommen der Krankheit aus'', und auch laut Bericht der Schweizer Fabrik- inspektoren tritt dieselbe bei Frauen nicht häufiger auf als bei Männern.

Wenn es von der Dinitrobenzolvcrgiftung heißt, „Frauen scheinen empfänglicher als Männer" ^^, so sind die Beobachtungszahlen hier wohl viel zu klein, um solchen Schluß zu rechtfertigen.

Es ergiebt sich aus dem Obigen, daß die von Hirt behauptete größere Piädisposition der Frau für gewerbliche Vergiftungen sich bei näherem Zusehen beträchtlich reduziert und im wesentlichen nur für diejenigen Betriebe in Betracht kommt, wo das Gift in Staubform den Arbeitsraum erfüllt, sich also in Kleidern und Haaren ablagern kann; und daß dies bei der weiblichen Kleidung und Haartracht in weit größerem Maßstabe geschieht als bei der männlichen, liegt klar auf der Hand. Nicht die größere Empfänglichkeit des weiblichen Geschlechtes, sondern der ausgedehntere Kontakt mit dem Gifte, auch außerhalb der Fabrik, welchem die beim Verlassen der Arbeitsstätte ihre Kleidung nicht wechsetode und ihr Haar nicht oft genug waschende Arbeiterin ausgesetzt ist, erklärt das häufigere Auftreten von Satumismus bei Frauen in den Bleiweißfabriken. In welchem Maße das Haar als Staub- fänger wirkt, zeigt die Grün&rbung der Haare bei Kupferarbeitem, die nach Arlidge daher rührt, daß Kupferpartikelchen einfach am ein- zelnen Haar adhärieren. Wenn die Frauen dort, wo ihnen verständiger- weise vom Fabrikherm besondere zweckentsprechende Arbeitskleider, die sie nicht mit nach Hause nehmen dürfen, geliefert werden, klagen, daß diese Kleider nicht das Eindringen von Blei in den Körper ver- hinderten, ja daß sie sogar mehr litten, wenn sie solche Kleider trügen, so hat gewiß Arlidge recht, wenn er die Ursache davon darin sieht, daß die Arbeiterinnen mit ihren eigenen Sachen sorgfaltiger und sauberer umgehen als mit geliehenen. Einstimmig geben die Berichte der eng- lischen Fabrikinspektoren an, daß dort, wo die größte Sauberkeit herrscht, die kleinste Anzahl von Erkrankungen vorkommt. „Wir finden", sagt der Managing Director der Patent Enamel Company in Selly Oak bei Birmingham^', daß es nicht sowohl Sache der Konstitution als der Reinlichkeit und richtigen Ernährung ist, wenn wir weit mehr Erkrankung finden unter Mädchen aus der niedrigsten

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als ans der durchgängig besseren Klasse. Wir haben Fälle in der Fabrik von besseren Mädchen, welche ohne Unterbrechung 3 Jahre und mehr gearbeitet haben und niemals auch nur einen einzigen Tag wegen krankmachender Wirkung ihrer Arbeit fehlten; aber diese Mädchen haben auch ein warmes Mittagessen jeden Tag und halten auf sich in Bezug auf Ernährung und «Reinlichkeit/^ Mr. Hutchings, der Direktor der Gookson'schen Bleiweißfabrik in Newcastle, ist der An- sicht, daß es wünschenswert und auch durchzuführen ist, daß Personen und es kommen hierbei hauptsächlich Frauen in Betracht nicht die Arbeit an den sog. stoves (eine Art Trockenöfen), an deren Boden sich hauptsächlich der Bleistaub entwickelt, gestattet werden dürfe, bevor sie gefrühstückt haben. Großes Gewicht wird ferner von den englischen Aerzten auf obligatorisches Baden der Bleiarbeiter gelegt, und nach Dr. Oliver von der Newcastle Infirmary bildet es ein nidit zu beseitigendes Hindernis für die Beschäftigung von Frauen in der Bleiweißmanufaktur, daß sie zur Zeit der Menstruation nicht imstande sind, sich dieser Vorsichtsmaßregel zu bedienen. Daß ein Bad besser wirkt als einfaches Waschen, liegt auf der Hand; deshalb aber die Frauen völlig auszuschließen, ist nicht gerechtfertigt. Man gebe ihnen nur Gelegenheit, sich in einem warmen Raum mit warmem Wasser und Seife ausgiebig zu waschen, was während der Menstruation ohne jede Gefahr geschehen kann.

Als ein drittes Argument zur Beschränkung der Frauenarbeit hat man den Umstand herangezogen, daß in maschinellen Betrieben Frauen leichter Unfällen ausgesetzt sind als Männer. „Ganz selbst- verständlich'S sagt Schul er®, „sollte es wohl sein, daß Frauen und Kinder von gewissen ge&hrlichen Funktionen ausgeschlossen werden, wie es übrigens die meisten Gesetzgebungen verlangen, und daß nur Leute dazu verwendet werden, die vermöge ihrer Intelligenz und Körper- kraft geeignet sind und genügende Instruktionen erhalten haben.^' So- weit die geringere Körperkraft und die größere Gefährdung durch die weibliche Kleidung in Betracht kommt, können wir uns mit dem Aus- schluß der Frauen von gefährlichen Maschinenbetrieben nur durchaus einverstanden erklären. Ueberraschend ist, daß nach der sehr inter- essanten Unfallstatistik für das Deutsche Reich vom Jahre 1887^® der Prozentsatz der Unfillle, bewirkt durch ungeeignete Kleidung, beim weiblichen Geschlecht nur um 0,09 höher sich stellte als beim männ- lichen. Dagegen veranlaßte ungenügende Anweisung bei Frauen 4,24 Proz., bei Männern nur 2,01 Proz. aller Unfälle. Noch viel beträcht- licher ist der Unterschied bei den durch eigenes Verschulden herbei- geführten Unfällen speziell durch Handeln wider bestehende Vorschriften. 18,66 Proz. aller Unglücksfälle, von denen Frauen betroffen wurden, fallen in diese Rubrik; bei Männern nur 4,63 Proz. Leichtsinn (Balgerei, Neckerei) gab für Frauen in 2,6 Proz., für Männer nur in 1,95 Proz. die Ursache für Unfälle ab. Van der Borght*^ schließt daraus, daß die Neigung, sich über bestehende Vorschriften hinwegzusetzen, und der Leichtsinn beim Verhalten in den Betriebsräumen dazu zwingt, die weibliehen Arbeiter, soviel es angeht, nur an solchen Stellen zu beschäftigen, wo ihnen diese „wahrscheinlich schwer zu ^beseitigende Neigung"' möglichst wenig Gefahr bringt Schul er u. a. haben nach- gewiesen, daß der Montag besonders stark durch Unfälle belastet ist, und bringen dies mit dem sonntäglichen übermäßigen Alkoholgenuß der Männer in Zusammenhang. Analog dem Schlüsse von Bor gut müßte

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man hieraus folgern, daß männliche Arbeiter, da bei ihnen der abusns alcoholicus jedenfalls auch eine „schwer zu beseitigende Neigung^' ist, montags von gefährlichen Funktionen möglichst ausgeschlossen werden müßten. Wenn man die oben erwähnte Differenz in der Zahl der Un- fälle durch ungenügende Anweisung ins Auge faßt, so muß man wohl vor allen Dingen gerade wegen ihrer Neigung zu Leichtsinn etc. eine bessere Belehrung über die sie b^rohenden Gefahren für die Frauen verlangen, zumal, wie es in dem amtlichen Bericht heißt, die Gleichheit der Prozentziffer der Unfälle aus Ungeschicklichkeit und Unachtsamkeit bei beiden Geschlechtem beweist, „daß die weiblichen Arbeiter im übrigen an Vorsicht und Geschicklichkeit den männlichen nicht nach- stehen'^

Außer dem besonderen Schutze, welcher der Frau als dem durch die Fabrikarbeit stärker als ihr männlicher Mitarbeiter geschädigten Wesen zu gewähren ist, hat, wie gesagt, der Staat noch ein spe- zielles Interesse daran, dieFrau zu schützen, nämlichals Mutter der zukünftigen Generation.

Wir haben gesehen, daß die geschlechtliche Entwickelung bei der Frau das Allgemeinbefinden mehr beeinflußt als beim Manne ; umgekehrt scheinen auch Störungen des Allgemeinbefindens leichter die Ent- wickelung der weiblichen als der männlichen Geschlechtsorgane zu hemmen. Die Häufigkeit der infantilen Uteri bei sterilen Frauen, bei denen anamnestisch kein lokales Genitalleiden, wohl aber Bleichsucht etc. zu konstatieren ist, dürfte hierfür sprechen. Wir können somit a priori annehmen einen Beleg durch Zahlen zu erbringen, sind wir außer stände daß die Fabrikarbeiterin weniger Chancen für eine normale sexuelle Entwickelung hat als ein Mädchen besserer Stände. Dazu kommt noch, daß durch bestimmte industrielle Beschäftigungen der Genitalapparat im besonderen geschädigt wird. Hierher gehören alle jene Arbeiten, welche anhaltende aktive oder passive Hyperämien des Unterleibs bewirken, also zunächst alle diejenigen, welche mit an- dauerndem Stehen oder Sitzen verbunden sind, femer solche, welche eine einseitige Muskelthätigkeit der unteren Extremitäten erfordern, z. B. das Maschinennähen. Viel brauchbares statistisches Material steht uns hierüber nicht zu Gebote. Schüler* hebt die Häufigkeit der Genitalleiden bei den Baumwollweberinnen gegenüber den Spinnerinnen (48:27) hervor und führt sie wohl mit Recht auf die Erschütterungen des Bodens zurück, welchen die ersteren ausgesetzt sind. Zu wenig Beachtung hat unserer Meinung nach der Einfluß der Harnblase auf die Entstehung von Frauenkrankheiten gefunden. Die sich füllende Blase eleviert das anteflektierte Corpus uteri; erreicht der FüUungs- zustand einen sehr hohen Grad, so kann der Utems retrovertiert werden, und dauert dieser Zustand einige Zeit hindurch an und wiederholt sich öfter, so resultiert daraus eine dauernde Lageveränderung. Eine gute und bequem zugängliche Abortanlage, für beide Ge- schlechter getrennt, ist daher auch für die kleinsten Betriebe erforder- lich. Wie groß das Bedürfnis danach bei den Frauen selbst ist, geht aus dem Bericht der Miss Orme** hervor. In einer großen Fabrik in Wales thaten sich die Mädchen zusammen und bezahlten für ein Wasser- klosett zu ihrem ausschließlichen Gebrauch, welches sie selbst reinijgten. Die schädliche Einwirkung der Fabrikarbeit auf die weiblichen Genitalien muß sich besonders bemerkbar machen zu einer Zeit, wo der Uterus bereits unter dem Einfluß einer natürlichen Kongestion

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Steht, d. h. während der Menstruation. Man hat mit Rücksicht darauf, daß die Frau sich von 100 Tagen stets 14 16 in einem „hart an der Grenze des Pathologischen stehenden^' Zustand befindet, ihre Erwerbs- thatigkeit in weitgehendster Weise beschränken wollen. Wir können dem nicht ganz beipflichten. Uns scheint es wesentlich auf eine Scho- nung in den ersten Jahren, wo das Mädchen menstruiert ist, anzu- kommen; denn wir haben den Eindruck, als wenn die meisten Dys- menorrhöen, die wir mit B. S. Schnitze als zum größten Teil auf Metritis beruhend ansehen, in jener frühesten Zeit sexueller Entwicke- lung erworben würden. Haben die weiblichen Genitalien eine gewisse Entwickelungsstufe erreicht, so scheinen sie widerstandsfähiger geworden zu sein, und die unverheiratete Arbeiterin über 18 Jahre ist in dieser Beziehung wesentlich weniger gefährdet durch die Fabrikarbeit als die verheiratete, bei der häufig eine Reihe sich schnell folgender Schwanger- schaften eine entschiedene Disposition für Uteruserkrankungen ge- schaffen hat.

Daß während der Schwangerschaft selbst alle Schädlichkeiten, welche den Uterus treffen, besonders verhängnisvoll werden können, liegt auf der Hand. Wir erinnern nur an die Häufigkeit des Abortes bei den heftigen Bodenerschütterungen ausgesetzten Kattundruckerinnen und Weberinnen. Auch anderen, den Gesamtorganismus in Mitleiden- schaft ziehenden Erkrankungen ist die schwangere Frau zugänglicher als die nichtschwangere. Bekannt ist ihre Neigung zu Erkältungen. Dieselbe beruht jedenfalls auf der veränderten Blutcirkulation, in welcher auch die wohl unbestrittene größere Empfänglichkeit der Schwangeren für Intoxikationen zu suchen ist; das aufgenommene Gift wird schneller dem ganzen Organismus mitgeteUt Nach Kehrer^^ beträgt bei der Mehrzahl der Schwangeren die Pulsfrequenz etwas mehr als 80 Schläge in der Minute. Doch nicht nur die Schwangere selbst leidet unter dem Einfluß des Giftes, sondern dieses teilt sich auch dem Fötus mit, der natürlich nur eine sehr geringe Widerstandsfähigkeit besitzt, und be- wirkt häufig ein vorzeitiges Absterben oder eine mangelhafte Entwicke- lung desselben. Schönlank^^ erzählt von einem Spiegelbeleger, welcher dreimal verheiratet war; alle 3 Frauen waren Belegerinnen, mit allen hatte der Mann Kinder, welche sämtlich wie ihre Mütter an der Abzehrung starben bis auf diejenigen der dritten Frau, welche sie geboren hatte, ehe sie Belegerin wurde, die selbst aber auch an Ab- zehrung zu Grunde ging.

Die Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahr beträgt nach Hirt^ bei den Quecksilberarbeitem 65 Proz. Bei den französischen Findlingen erreicht sie nur 47 Proz.

Häufigkeit des Abortes, schlechte Entwickelung, ja Mißbildung der Frucht und enorme Säuglingssterblichkeit charakterisieren auch die Arbeiterschaft der übrigen Betriebe, in denen giftige Stoffe verarbeitet werden. Tardier und C. Paul fand^ bei den von Bleiarbeiterinnen geborenen Kindern innerhalb des ersten Lebensjahres eine Mortalität von 40 Proz. Es nimmt uns dies nicht wunder, wenn wir erfahren, daß es gelungen ist, im Fruchtwasser, resp. in Organen des Fötus Blei, Quecksilber, Phosphor, Jod, Kupfer, Anilin und Nicotin nachzu- weisen * ^ *.

Mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft steigen die an den mütterlichen Organismus gestellten Anforderungen; dazu kommt die Ausdehnung und Gewichtszunahme des Abdomens, welche die ganze

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Körperhaltung veräDdert, Schwerfälligkeit und UDgeschicklichkeit in den Bewegungen bewirkt und zusammen mit obigem Umstand Hoch- schwangeren jede anstrengende Arbeit verbietet. Im Jahre 1883 beUef sich der Prozentsatz der Totgeburten in der ganzen Schweiz auf 3,9; im industriellen Kanton Zürich auf 5,0 , in dem noch industriereicheren Glarus auf 6,4 und bei den Fabrikarbeitern allein auf 8,2®.

Das der Schwangerschaft folgende Wochenbett ist eine ergiebige Quelle für Genitalerkrankungen, indem zu frühes Aufstehen und Arbeiten Subinvolution des Uterus bedingt, welche wiederum chronische Metritis und Lageveränderungen nach sich zieht, die die Frau untauglich zu weiterem Gebären machen. Der Schutz der Wöchnerinnen spielt des- halb eine große Rolle in der neueren Arbeitergesetzgebung. Aber nicht nur der Mutter kommt er zu Gute, sondern in beinahe noch höherem Grade dem Kinde, dem künftigen Staatsbürger. Die Statistik eines jeden Landes wiederholt die Thatsache, daß die Sterblichkeit der Kinder unter einem Jahr am größten ist in den industriereichsten Be- zirken. Nach Wolff^<^ beträgt die Säuglingssterblichkeit bei den höheren Ständen 8,9 Proz., im Mittelstande 17,3 Proz., im Arbeiter- stande 30,5 Proz. In Kopenhagen starben in den Jahren 1820—79 von 1000 Lebendgeborenen im 1. Lebenqahr 204 Kinder der arbeitenden, 167 der anderen Klassen '^. Die Bedeutung, welche das Selbststillen durch die Mutter für den Säugling hat, erhellt aus den Berechnungen B o e e k h 's. Es starben im 1. Lebensjahr pro mille der im gleichen Alter lebenden ehelichen Kinder mit Muttermilch ernährte 7,4; mit Tiermilch ernährte 42,1 ; mit Tiermilch und Milchsurrogaten 125,7. Der Ausfidl des Selbst- stillens muß bei den Arbeiterinnen ganz besonders beklagt werden, weil sie nicht imstande sind, durch kostspielige Sterilisierungsapparate die künstliche Nahrung zuträglicher zu machen. Außerdem bedarf das künstlich ernährte Kind einer doppelt sorgsamen Pflege, die ihm die in der Fabrik weilende Mutter natürlich nicht angedeihen lassen kann. Die Bedeutung solcher Pflege illustrieren die Angaben Monot's **: Von den aus Paris heraus ins Arrondissement Ch&teau Chinon in den Jahren 1858—69 zur Pflege gegebenen Kindern, welche alle künstlich auf- gefüttert und nicht überwacht wurden, starben 71 Proz. im 1. Lebensjahr; von den vom Departement de la Seine unterhaltenen, aber zugleich einer dreimaligen Kontrolle unterworfenen Kindern nur 26 Proz. und bei den unter dauernder Deberwachung stehenden Kindern des Kinder- schutzvereins nur 12 Proz. Schon die Ernährung und Pflege in den ersten Lebenswochen übt einen großen Einfluß auf die Widerstandsfähig- keit des kindlichen Organismus aus. Es möge hier das oft citierte, aber immer noch lange nicht genug nachgeahmte Beispiel des Hauses J. DoUfus in Mülhausen Platz finden. Während dort früher 38 bis 39 Proz. der von mehreren hundert Fabrikarbeiterinnen geborenen Kinder im 1. Lebensgahr starben, sank die Säuglingsmortalität auf 25 Proz. herab, nachdem man den Arbeiterinnen 6 Wochen lang vor und nach ihrer Entbindung den vollen Lohn auszahlte, ohne daß sie während dieser Zeit zu arbeiten brauchten. Im Kanton Glarus ging, als durch ein Gesetz vom Jahre 1864 die Wöchnerinnen für 6 Wochen nach der Niederkunft von der Fabrik ausgeschlossen wurden, schon in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten desselben die Sterblichkeit der Kinder unter einem Jahr von 29 bis einige 30 Proz. auf 24 Proz. herab.

1) Supplement to the Bbth and 45th Annual Report qf the Registrar Oeneral of Bivth$^ Deaiht and Äfarriaget m England (1885).

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S) Ludwig Hirt, Du gewerbUeke ThäUghut der Frtmen wm hygienischen Standpunkt aus,

Breaiam u. Le^tng (1878). 8) Die Gebarung vnd die Brgebnieu der Krankenetatiitik der nach dem Gteetae vom

80. MOr» 1888 (B, O, Bl, Nr, 38) beirrend die Krankenvereieherung der Arbeiter ein-

geriekteten Krmnkenkaeien im Jahre 1891, Wien (1898).

4) Ei&jm, Änaahl und Damer der O-ankheiten in gemischter Bevölkerung, Leijpmg (1878).

5) Bclniler und Bnrokhardt, ÜnUrtutkungen Ober die Oeeundheitefferhalinitte der Fabrik- bewOikerung der Schwein mit besonderer BerUcksiektigung des KrankenkassenfvesenSt Äarau (1889).

6) Bcliillar, Fabrikhggiene und J^abrikgetetagebung, XIV, Hrft der BeriehU des 6. Jnter' »atitmalen Kongresses ßlr Hygiene %md Dessagraphie nu IVien 1887.

7) Blig«B ▼. Philipporieh, Die somaJU Lage der Oigarrenarbeiter im Orofiheruogttm Baden , Archie fltr ioniale Gesetzgebung und Statistik, herausgeg, von Dr, Heinrieh Braun, 8. Bd. 877 (1890).

8) Arlidge, Hygiene, diseases and mortalsty of oocupaüons, London (189S).

9) Xrinuüui, Untersuchungen über die kOrperiiehe Entwiekeiung der Fabrikarbeiter m Centralru/sland, Archiv /Br toniaie Gesstngiung und Statistik, herausgeg, von Dr, Hein- rieh Braun, l, Bd. 98 u, 429 (1888).

10) HerkUAT, Die belgisthe Arbeiterenquäe und ihre sozialpoUtitchsn Resultats, Arehh ßbr »omale Gesetngebung und Statistik herausgeg, von Dr, Hsmrieh Braun, 1 Bd, 40S (1888).

11) The employment of women, B^^orts ete, on the conditions of work in various industries in England, Wales, Scoüand and Ireland, presented to both Houses of ParUament by eommand of Her Mtyesty, February 1898 (1898).

IS) Report of the Ohief Impeetor of faetories and workshopes to Her Mq/esty'e Bineipal Seeretary qf StaU for the Home Department, for the year ending Bist October 189S, London (1898).

18) WoUaer, Die Quecksilberspiegelbelegen m der Stadt FUrth, V, f. öß, Ges, (1887).

14) Denkschrift an dae Kgl, bayrische Ministerium des Innern: Die tamtdren Zustände der QmedksHberspiegelbelegen m ß^Mh, im Auftrag und mit Hufe des äratlichen Bemrkt' Vereins bearbeitet von Dr, Wilh Mayer, FUrth (1888).

15) Hirt, Die Gasinhalationskrankheiten und die gewerbliehen Vergiftungen, m Pettenkofer- Zi6mM«ii'f Handb. der Hygiene, II, T, 4. Abt, 120.

16) AvaUche Nachr. des Beiehsversicherungiamtes (1890) H^ 10.

17) Van der Borght, Statistik der enUdMdigungspflichtigen Unfälle im Deutschen Beü^ ßlr 1887, Archiv fkr som, Gesetxgebung u. Statistik, herausgeg, von Dr, Heinrieh Braun, 3. Bd, 565.

18) Hehrer, Ueber die Veränderungen der Pulskurve, Heidelberg (1886).

19) Behftiilank, Die FOrther Quecksilbenpiegslbelegen und ihre Arbeiter, Stuttgart (1888).

20) Wolft; Untersut^ngen über Kindersterbliehkeit, Jena (1874).

21) Boeekh, Die Statist, Msssung des Einflusses der Ernährungsweise der hieinen Kinder auf die Sterbhehkeit dersslben, XXVIII, H^ der BeriehU des 6. IntemaL Kongrestes für Hygiene u. Demographie au Wien 1887.

22) Monat, De la mortaUti excessive des enfants, GekrOnte Preisichrift des Kinderschut»- Vereins, Paris (1874).

28) Gutachten der Orttkrankenkasee für Handlungsgehilfen und Lehrlinge au Berlin iOer Arbeitsaeit, Kündigungefristen und LehrUngsverhältniese im Handelsgewerbe an die Reiche- kommission ßbr Arbeiter- Statistik (1893).

24) Denmark Hs Medieal Organisation Hygiene and Demography, Oopenhagen (1891).

n. Was mfissen Staat, Arbeitgeber u. s. w. zum Schutze der Arbeiterinnen und ihrer Kinder

leisten?

Wenn wir jetzt daran gehen, die Konsequenzen aus obigen Be- trachtungen zu ziehen, so haben wir uns zunächst die Frage vorzulegen: Muß vom medizinischen Standpunkt die industrielle Frauenarbeit ebenso als ein notwendiges üebel be- zeichnet werden, wie es vielfach vom ökonomischen ge- schieht?

Wir befinden uns wohl in üebereinstimmung mit den meisten Hygie- nikem, wenn wir diese Frage mit nein beantworten. Es giebt eine

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ganze Reibe von Indastriezweigen, deren Betrieb unter Bedingungen verläuft oder wenigstens nach dem heutigen Stande der Technik ver- laufen kann, die weder für Mann noch Frau eine bemerkenswerte Ge- sundheitsschädigung mit sich bringen. Daß ein völliger Ausschluß der Frau aus der Fabrik heutzutage ökonomisch gänzlich unausfBhrbar wäre, liegt auf der Hand. Dies dürfte indes den Hygieniker, wenn er ihn filr notwendig erachtete, nicht beirren, seine Forderung immer und immer wieder geltend zu machen, um richtunggebend für den Oesetz- geber zu wirken und so schrittweise seinem Ziele näher zu kommen. Denn wenn auch Schüler^ berechnet hat, daß die Mädchen unter 18 Jahren fast ^5 sämtlicher Fabrikarbeiter der Schweiz bilden, und ihre Ausweisung im Kt. Glarus eine jährliche Einbuße von wenigstens 12 Frcs. auf den Kopf der Bevölkerung ausmachen würde, so müssen wir trotzdem vom ärztlichen Standpunkte den AusschlußderMädchen aus der Fabrik wenigstens bis zum vollendeten 16. Jahre fordern, mit Rücksicht ai^ die vor diese Jahre fallende geschlechtliche EntWickelung, die erstens, wenn sie gehemmt wird, die Frau untauglich macht zur Mutterschaft und zweitens eine entschiedene Disposition zu ernsten konstitutionellen Erkrankungen abgiebt.

Die meisten neueren Arbeiterschutzgesetzgebungen bestimmen eine tägliche Maximalarbeitszeit für Frauen, eine Bestimmung, die als ein großer Fortschritt anzusehen ist. Wir möchten unsere dies- bezügliche Forderung und schließen uns dabei völlig an Hirt an dahin formulieren, daß für Mädchen unter 18 Jahren, sowie für alle verheirateten oder verwitweten Arbeiterinnen, welche Kinder besitzen, die tägliche Arbeitszeit nicht mehr als 10 Stunden betragen möchte. Die unverheirateten resp. kinderlosen, gesunden Arbeiterinnen mögen 11 Stunden arbeiten, da ihre Gesundheit dies verträgt und sie keine Familienpflichten zu erfüllen haben. Natürlich ist in besonders gesund- heitsschädlichen Betrieben die Arbeitszeit für sämtliche Arbeiter er- heblich kürzer anzusetzen; der 10~ll-Stundentag für Frauen soll nur die äußerste Grenze des im allgemeinen Zulässigen bezeichnen. Leider ist in vielen Gesetzgebungen, welche einen Maximalarbeitstag für Frauen bestimmen, eine so große Anzahl von Ausnahmen vorgesehen, daß der Wert der Bestimmung oft illusorisch wird; so soUte z. B. die Nacht- arbeit sämtlichen weiblichen Arbeitern ausnahmslos verboten sein.

Ebenso wichtig wie die Begrenzung der Arbeitszeit ist die Fest- setzung der Pausen. Die Schweiz hat den Anfang gemacht mit einer erfreulicherweise auch von Deutschland aufgenommenen Bestimmung, daß Frauen, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, Vg Stunde vor der Mittagspause zu entlassen sind, wofern dieselbe nicht mindestens 1 7s Stunde beträgt Die MöglichJceit, ein ordentliches Mittagsmahl herzustellen, kommt außer der Arbeiterin selbst auch ihrer Familie zu gute. Nach meiner Erfahrung sind in Berlin fast alle Handlungsge- hilfinnen, welche in Geschäften mit sog. englischer Tischzeit angestellt sind, d. h. wdche mittags höchstens eine Tasse Milch und ein Butter- brot und erst nach 6 Uhr resp. 7 Uhr eine warme Mahlzeit genießen, magenkrank.

Um den Arbeiterinnen die Sonn- und Festtage als wirkliche Ruhe- tage zu sichern, sollten Hausfrauen an den Vorabenden dieser Tage mindestens 1 Stunde früher entlassen werden, wie dies auch verschiedene Gesetzgebungen fordern.

Wenn, wie wir gesehen haben, kein Grund vorliegt, die gesamten

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Hygienische Fürsorge fiir Arbeiterinnen und deren Kinder. 95

Fraaen von der Fabrikarbeit überhaupt auszuschließen, so können vir uns auch rücksichtlich der Ausschließung sämtlicher Frauen von einzelnen Gewerben auf den in den meisten Gesetzgebungen vorgesehenen Ausschluß von der Arbeit ,,unter Tage'^ beschränken. Anders stellt sich die Frage bezüglich des Verbotes für einzelne Kate- gorien von Arbeiterinnen.

Diese bedarf einer genaueren Erörterung. Wenn wir einen völligen Ausschluß der Mädchen unter 16 Jahren verlangten mit Rücksicht auf ihre geschlechtliche Entwickelung, so sollte damit nicht behauptet wer- den, daß diese mit dem 16. Jahr beendet sei, sondern nur, daß sie sich vor diesem in rapiderer und eingreifenderer Weise vollzieht Jenseits des 16. Jahres macht sie sich namentlich noch durch ihre spezifische Erkrankungserscheinung, die Bleichsucht, geltend, und deshalb bedürfen auch die Mädchen von 16—18 Jahren noch eines besonderen Schutzes. Da, wie wir bereits betonten, Bleichsucht eine Neigung zu Phthise verleiht, so sollten Arbeiterinneu unter 18 Jahren von allen Berufezweigen ausgeschlossen sein, welche eine Gefährdung der Respi- rationsorgane mit sich bringen. Femer, da anämische, schlecht genährte Menschen dem Einfluß der Gifte zugänglicher sind als solche in gutem Ernährungszustände, so muß man auch für jene jungen Mädchen das Verbot aller Industrien, in denen Gifte wie Blei, Queck- silber, Phosphor u. s. w. verarbeitet werden, verlangen.

Eine zweite Kat^orie weiblicher Arbeiter, für welche wir mit Nach- druck Ausschluß von einzelnen Gewerbszweigen fordern möchten, sind die Schwangeren. Auffallenderweise haben sie außer in der schweize- rischen in keiner Gesetzgebung Berücksichtigung gefunden, und auch der Schutz, den die Schweiz ihnen angedeihen läßt, steht zumeist nur auf dem Papier. Denn wenn es im § 15 des Bundesgesetzes vom Jahre 1877 heißt: „der Bundesrat wird diejenigen Fabrikationszweige bestimmen, in welchen schwangere Frauen überhaupt nicht arbeiten dürfen^S so ist doch bisher eine solche Bestimmung nicht erfolgt Schuler erklärt dies aus den Verhältnissen der Schweizer Industrie, in keinem von deren Zweigen ein völliger Ausschluß der Schwangeren begründet sei. Auch hält er es für unmöglich, einen solchen Ausschluß durchzuführen ; denn eine zwangsweise Untersuchung der Frauen durch Sachverständige würde, so fürchtet er, „dem ganzen Schweizer Fabrikgesetz ein jähes Ende bereiten'S Nun macht sich aber gerade in denjenigen Betrieben, aus welchen wir die Schwangeren ausgeschlossen wissen möchten, d. h. dort, wo Gifte verarbeitet werden, im Interesse der gesamten Arbeiter das Bedürfnis nach einer regelmäßigen ärztlichen Untersuchung geltend, um schon leicht Erkrankte von der Arbeit fernhalten zu können. Meines Erachtens könnte ganz gut mit einer solchen Untersuchung eine Prüfung auf event. Schwangerschaft verbunden werden. „Keine Gesetzgebung'', sagt Westergaard*, „dürfte das Arbeiten schwangerer Frauen in solchen Gewerben gestatten, in denen die Disposition für Tot- und Miß- geburten erhöht wird. Wenn man es auch im allgemeinen dem Arbeiter selbst überlassen will, sich schädlichen Wirkungen auszusetzen oder nicht, so darf man doch so offenbaren Kindermord nie und nimmer zugeben''.

Außer diesem völligen Ausschluß kommt f&r die Schwangeren noch ein zeitweiser in Betracht Die Schweizer Gesetzgebung sieht auch diesen vor, aber in so wenig präziser Fassung, daß er von höchst zweifelhaftem Wert ist, und die Mehrzahl der Schweizer Arbeiterinnen

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tritt erst dicht vor der Niederkunft aus der Fabrik aus. Gewiß werden die Frauen ihre Schwangerschaft zu verheimlichen suchen, aber in den letzten Wochen läßt sich dies selbst bei größter Geschicklichkeit in der Kleidung nicht mehr bewerkstelligen, und es müßte alsdann dem nicht vom Arbeitgeber, sondern von der Regierung abhängigen Arzt^ das Recht der Untersuchung zustehen. Durch regelmäßige ärztliche Untersuchungen der gesamten Arbeiterschaft 2—4mal im Jahr, die für dieselbe nur von größtem Nutzen sein könnten, ließe sich außerdem die Schwierigkeit der Feststellung des Schwangerschaftstadiums leicht be- seitigen. Wir müssen vom ärztlichen Standpunkte aus festhalten an der Forderung eines Ausschlusses der Schwangeren aus allen fabrik- mäßigen Betrieben 4 6 Wochen vor der Entbindung; außerdem muß der Schwangeren das Recht zustehen, jederzeit ohne Kündigung, so- wie sie Beschwerden von ihrem Zustande spürt, aus der Fabrik aus- zutreten.

Der Wöchnerinnenschutz ist heute in fast alle Gesetzgebungen angenommen. Allein nur in der Schweiz erstreckt er sich auf die volle Zeitperiode, die wir vom medizinischen Standpunkt aus als Wochen- bett bezeichnen und für welche wir den Schutz des Gesetzes in An- spruch nehmen müssen, nämlich auf 6 Wochen. Selbst unter günstigen Verhältnissen bedarf der Uterus dieser Zeit zu seiner völligen Rück- bildung. Angestrengte Arbeit vor 6 W^ochen wird in der Mehrzahl der Fälle Unterleibsleiden nach sich ziehen. Aber auch im Interesse des Kindes möchten wir die Ausdehnung des Arbeitsverbotes für Wöch- nerinnen auf 6 Wochen verlangen.

Natürlich kann der Schutz der Hochschwangeren und Wöchnerinnen nur von dem gewünschten Erfolge begleitet sein, wenn man sie so stellt, daß sie nicht gezwungen sind, statt der Fabrik- Hausarbeit anzunehmen. Die Hochschwangere sollte diesbezüglich als Kranke betrachtet, der Wöchnerin dagegen der volle Lohn ausgezahlt werden, wie es von ein- zelnen Fabrikherren und auch vom österreichischen Staat bei seinen Cigarrenarbeiterinnen geschieht. Natürlich wird man den Arbeitgeber niemals hierzu zwingen können ; aber vielleicht könnte die Zahlung von ihm und der Krankenkasse gemeinsam geleistet werden.

Wenn wir im Vorangehenden für die Frauen besondere Schutzmaß- regeln forderten, so sollten wir nicht versäumen, noch besonders daran zu erinnern, daß darüber das Wohl der gesamten Arbeiterschaft nicht vergessen werden möge. Jeder Fortschritt der Technik, welcher Be- triebsgefahren beseitigt, kommt ja auch den Frauen zu gute, und wenn der gelbe Phosphor aus den Zündhölzchenfabriken und das Quecksilber aus den Spiegelbelegen verschwunden sein wird, so wird nicht nur der Ausschluß der jungen Mädchen und Schwangeren unnötig, sondern den gesamten Fabrikarbeitern ist damit ein Dienst von großer Bedeutung geleistet. Wie weit die Einseitigkeit in den Schutzbestrebungen für den schwächeren Teil gehen kann, beweist die englische Gresetzgebung, welche bestimmt, daß jugendlichen Personen und Frauen das Einnehmen der Mahlzeiten in Räumen, wo Gifte verarbeitet werden, und der Auf- enthalt in diesen Räumen während der Mittagspause verboten ist, Männern dagegen nicht

Außer den vom Gresetze zu erfüllenden Forderungen giebt es noch eine Reihe von Dingen, die nicht von Staats wegen erzwungen werden können, die indes, wenn freiwillig vom Arbeitgeber, von Blassen u. s. w. geschaffen, für das körperliche Wohl der Arbeiter von weittragender

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Hygienische Fürsorge für Arbeiterinnen und deren Kinder. 97

Bedeutung sind. Der größere Teil dieser sog. Wohlfahrtsein- richtungen kommt Männern und Frauen in gleicher Weise zu gute und kann deshalb hier keinen Platz finden. Wir möchten nur daran erinnern, ob man nicht dort, wo man Fabrikküchen eingerichtet hat, um weit entfernt wohnenden Arbeitern ein ordentliches Mittagsmahl zu ermöglichen, die Mädchen unter 16 Jahren in denselben b^häftigen könnte, damit sie gleichzeitig eine bessere Küche führen lernten. Die schlechte Ernährung im Arbeiterstande beruht z. T. auf den mangeln- den Kochkenntnissen der verheirateten Arbeiterinnen. Von den Cigarren- arbeiterinnen, die meist schon sehr jung in die Fabrik gehen, heißt es^: „In allen Fällen der verheirateten Arbeiterinnen zeigt sich als hervorstechendes Kennzeichen die schlechte Führung des Haushaltes, ins- besondere der Küche.^^ Um die Arbeiterinnen zu guten Hausfrauen zu erziehen, hat man vielerorts Haushaltungsschulen für jugendliche Fabrikarbeiterinnen eingerichtet Nicht einverstanden können wir uns mit solchen Instituten erklären, welche den Unterricht in die Abend- stunden z. B. von ^/j8— VslO Uhr wochentags oder auf den Sonntag nachmittag verlegen. Der Unterricht muß in die gesetzliche Arbeits- zeit fallen, und den Arbeiterinnen muß für den Ausfall an Verdienst eine Entschädigung gewährt werden, wie es z. B. in der Koch- und Haushaltungsschule der Firma D. Peters und Co. in Neviges bei Elber- feld geschieht

Unter den speziell im Interesse der Arbeiterinnen und ihrer Kinder geschaffenen Wohlfahrtseinrichtungen nimmt die Versorgung der Wöch- nerinnen die erste Stelle ein. Wir lassen hier als ein Beispiel treff- licher Fürsorge von selten des Arbeitgebers (nach Post)* die Schilde- rung der in der Heyrschen Farbenfabrik zu Charlottenburg üblichen Wöchnerinnen- und Säuglingspflege folgen : Die Entlastung der Wöch- nerinnen von der Sorge für die Speisung des Mannes geschieht durch die Fabrikkantine. Verpflegung der Wöchnerin selbst mit kräftiger Suppe, gebratenem Fleisch und Kompott erfolgt 14 Tage lang unent- geltlich seitens der Fabrik durch Vermittelung der Frau Kom.-Rat Heyl und ihrer Gehilfin, welche Besuche abstatten und mit Rat und That zur Hand gehen. Für die Pflege der Säuglinge hat Frau Heyl eine den Arbeitergattinnen*) gewidmete und allein für diese bestimmte Anleitung geschrieben. Die in derselben erörterten Apparate und In- strumente zur Bereitung der Kindernahrung erhalten die nicht selbst- stillenden jungen Mütter unentgeltlich hergeliehen. Es kostet die Säuglingspflege der Fabrik ungefiär für jeden Säu^ing 20 M. Im Fall des eigenen Nährens werden zu diesem Betrage Suppenmehle verab- reicht. Post hebt noch besonders hervor, daß der Verkehr der Ar- beitergattinnen mit der „Frau", welchen die Wöchnerinnenpflege mit sich bringt, beiderseits eine Annäherung herbeigeführt hat, welche auch eine fortschreitende Empfänglichkeit und Zugänglichkeit für gute Rat- schläge, deren die Arbeiterfrauen gerade auf diesem Gebiete sehr be- dürfen, veranlaßte. Gewiß steht hier den Frauen unserer Fabrikbesitzer ein weites Feld segensreichster Thätigkeit offen.

Nach dem Wiedereintritt der Mutter in die Fabrik bleibt der Säug- ling einer oft zur Kinderpflege recht wenig qualifizierten Anverwandten oder Nachbarin überlassen, oder man giebt ihm gar ein opiumhaltiges Tränkchen, damit er bis zur Bückkehr der Mutter ruhig bleibt L o m -

*) Arboiterinnen kommen in der Heyl 'toben Fabrik nicht in Betracht. Handbuch dar HygieM. Bd. Vni. 7

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bard machte diese verbrecherische .Sitte für den Tod von 20000 Edn- dem, die aJ^jährlich in England an Krämpfen starben, verantwortlich. Mit lebhafter Genugthuung müssen wir deshalb die Einrichtung soge- nannter Krippen begrüßen, in denen die Arbeitersäuglinge tagsüber Aufnahme, Aufsicht und Pflege finden. Meist bringt die Mutter das Kind morgens auf dem Wege zur Fabrik hin und holt es abends auf dem Heimwege wieder ab. Besonders günstig ist es, wenn solche Krippen direkt mit der Fabrik verbunden sind, weil alsdann den Müttern Gelegenheit gegeben werden kann, ihr Kind selbst zu stillen. In der Krippe verbleibt das Kind meist bis zum 2. Lebensjahr; von da ab gewähren ihm die vielerorts eingerichteten Kleinkinderbewahran- stalten eine entsprechende Aufnahme und Pflege.

Zum Schluß wollen wir noch der von einzelnen Arbeitgebern und Vereinen gegründeten Mädchenheime gedenken, in denen allein- stehenden jugendlichen Arbeiterinnen zu mäßigen Preisen gesunde Woh- nung und Nahrung geboten wird. Die hygienische Bedeutung solcher Einrichtungen tritt ins rechte Licht, wenn wir von dem Gewerberat für Aachen-Trier, in dessen Bezirk 1887 7548 Arbeiterinnen beschäftigt waren, hören: Viele dieser Frauenspersonen kommen am Montag zur Arbeit und fahren erst am Sonnabend wieder heim. Die Mädchen über- nachten nun in der Zwischenzeit vielfach in der Weise, daß sie sich angekleidet in den Stepp- und Stopfsälen auf das Tuch oder auch wohl auf lose Wolle legen.

1) Belmlery Fahrikhygiene vnd FahrikgeteUgebung, XIV, Hejt der BmiehU des 0. Iniem. Kongrettes für Hygiene und Demographie wu Wien 1887.

2) WeatergMürd, Die Lehrt von der Mortalität und MorhüülU, Jena (1882).

8) S. T. PhUippovioh, Die soziale Lage der Oigarrenarbeiter im Orofihemogtum Baden,

Areh. /. 80», Oeietxgehung u, StatUtik, 8. Bd. 87S. 4) Pott, Muiteretätten perstfnUeher Fürsorge von Arbeüg^emy 1. Bd. 89 (1889).

m. Was leistet der Staat zum Schatze der Arbeiterinnen?

Die Arbeiteriiiiienscliutzgesetzgebang In den einzelnen Staaten.

1. Deutschland.

Die Arbeiterinnenschutzgesetzgebung Deutschlands ^ ist ein Produkt der neuesten Zeit. Während in Preußen schon im Jahre 1839 ein Ge- setz zum Schutze der Kinder erlassen wurde, stammt die erste Ver- fügung bezüglich der Frauenarbeit aus dem Jahre 1878, d. h. es wurde damals dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben, die Beschäftigung von Frauen aus Rücksichten der Gesundheit uod Sittlichkeit zu beschränken. Es erfolgte auch thatsächlich eine Reihe von Einzelbestimmungen; eigentliche Bedeutung gewann der Frauenschutz jedoch erst durch die Novelle vom 1. Juni 1891*. Dreji Punkte sind es, durch welche die Gesetzgebung hauptsächlich bereichert wurde:

1) Das Verbot der Nachtarbeit für Fabrikarbeiterinnen.

2) Die Festsetzung eines Maximalarbeitstages auf 11 Stunden, und 10 Stunden an den Vorabenden der Sonn- und Feiertage für Arbeiter- innen über 16 Jahr.

3) Die Erweiterung des Wöchnerinnenschutzes.

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Hygieniscke Fürsorge für Arbeiterinnen und deren Kinder. 99

Während Wöchnerinnen nach den früheren Bestimmungen nur 3 Wochen nach der Entbindung von der Arbeit ausgeschlossen waren, dürfen sie nach dem neuen Gesetz w&hrend 4 Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden 2 Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugnis eines approbierten Arztes dies f&r zulässig erklärt.

Bezüglich der Arbeitszeit ist bestimmt, daß die Mittagspause min- destens 1 Stunde beträgt, femer daß Arbeiterinnen, die ein Hauswesen zu besorgen haben, auf ihren Antrag Vs Stunde vor der Mittags- pause zu entlassen sind, sofern diese nicht mindestens 1^/, Stunde beträgt, und endlich daß Frauen an den Sonnabenden und Vorabenden der Festtage nicht nach 5^!^ Uhr nachm. beschäftigt werden dürfen.

Unter einer „Arbeiterin" versteht das Gesetz eine weibliche Person über 16 Jahre. Mädchen von 14 16 Jahren rechnen zu den ,jungen Leuten"; Mädchen von 13 14 zu den „Kindern", beide zusammen sind ^Jugendliche Arbeiter", und es gelten für sie die Bestimmungen für jugendliche Arbeiter im allgemeinen; nur dort, wo diesen ein ge- ringerer Schutz gewährt ist als erwachsenen Frauen, unterstehen sie dem für letztere giltigen Gesetz. Nur in Glashütten besteht für sie eine Sonderbestimmung.

Die oben erwähnten Vorschriften haben indes nicht unbedingte Geltung. Die Verwaltungsbehörde kann verschiedene Ausnahmen ge- statten, z. B. kann wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit auf Antrag des Arbeitgebers auf die Dauer von 2 Wochen die Beschäftigung von Arbeiterinnen über 16 Jahre bis 10 Uhr abends an den Werktagen außer Sonnabend unter der Voraussetzung erlaubt werden, daß die täg- liche Arbeitszeit 13 Stunden nicht überschreitet. Innerhalb eines Kalenderjahres darf diese Erlaubnis für einen Betrieb oder eine Ab- teilung desselben für mehr als 40 Tage nicht erteilt werden. Für eine 2 Wochen überschreitende Dauer oder für mehr als 40 Tage im Jahre ist die gleiche Erlaubnis nur dann zu gewähren, wenn die Arbeitszeit so geregelt wird, daß ihre tägliche Dauer im Durchschnitt der Betriebs- tage des Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht überschreitet. Femer dürfen im Notfall Arbeiterinnen über 16 Jahre, die kein Haus- wesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, an Sonn- und Vorabenden der Festtage nach 5 Vi Uhr, jedoch nicht über 8^2 Uhr abends hinaus beschäftigt werden. Endlich ist der Bundesrat ermächtigt, in Fabriken, welche durch die Art des Betriebes aitf eine regelmäßige Tag- und Nachtarbeit angewiesen sind, sowie für solche Fabriken, deren Betrieb eine Einteilung in regelmäßige Arbeits- schichten von gleicher Dauer nicht gestattet, oder seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Ausnahmen zu gestatten, doch darf die wöchentliche Arbeitszeit für Arbeiterinnen 65 Stunden, in Ziegeleien 70 Stunden nicht überschreiten.

Es erstrecken sich diese allgemeinen Bestimmungen der Gewerbe- ordnung auf Fabriken, Werkstätten, in denen durch elementare KridFt (Dampf, Wind, Wasser, Gas u. s. w.) bewegte Triebwerke dauernd zur Verwendung kommen, ferner auf Hüttenwerke, Bauhöfe, Werfte, Ziege- leien, Bergwerke, Brüche, Gruben, Salinen und Aufbereitungsanstalten. Außerdem giebt es noch eine Reihe von Sonderbestimmungen, die sich auf einzelne Betriebe beziehen.

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So dürfen nach der Bekanntmachung vom 23. April 1879 Frauen in Metall-, Walz- und Hammerwerken, welche mit ununter- brochenem Feuer betrieben werden, nicht beschäftigt werden.

In Glashütten darf in solchen Räumen, in denen vor den Oefen (Schmelz-, Kühl-, Glüh-, Strecköfen) gearbeitet wird, und in denjenigen, in denen eine außergewöhnlich hohe Wärme herrscht (Häfenkammem u. dergl.) Arbeiterinnen eine Beschäftigung nicht gewährt und der Auf- enthalt nicht gestattet werden, Ausnahmen hiervon kann der Bundesrat zulassen. Mit Schleifarbeiten dürfen jugendliche Arbeiterinnen nicht beschäftigt werden.

Das Gesetz vom 3. Februar 1886 bestimmt, daß in Drahtziehe- reien mit Wasserbetrieb, in welchen wegen Wassermangels, Frostes oder Hochflut die Einteilung des Betriebes in regelmäßige Schichten von gleicher Dauer zeitweise nicht eingehalten werden kann, Arbeiterinnen bei der Herstellung des Drahtes nicht beschäftigt werden dürfen. Auch darf ihnen der Aufenthalt in den zur Herstellung des Drahtes be- stimmten Bäumen nicht gestattet werden.

In Bleifarben- und Bleizuckerfabriken (Bekanntmachung vom 12. April 1886) dürfen Arbeiterinnen nur in solchen Räumen und nur zu solchen Verrichtungen zugelassen werden, welche sie mit bleiischen Produkten nicht in Berührung bringen.

Befremdlich erscheint es im Hinblick auf diese Bestimmung, daß weder in der preußischen noch bayrischen Verordnung über die Queck- silberspiegelbelege vom Jahre 1889 Schutzmaßregeln für die Frauen- arbeit getroffen sind.

In Anlagen, welche zur Anfertigung von Cigarren bestimmt sind, müssen nach dem Gesetz vom 9. Mai 1888 für männliche und weib- liche Arbeiter getrennte Aborte mit besonderen Eingängen und sofern vor Beginn und nach Beendigung der Arbeit ein Wechsel der Kleider stattfindet, getrennte Aus- und Ankleideräume vorhanden sein. Auf Betriebe, in welchen nicht über 10 Arbeiter beschäftigt werden, findet diese Vorschrift keine Anwendung.

Das Verbot der Beschäftigung von Frauen „unter Tage" in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, unterirdisch betriebenen Brüchen oder (Gruben ist älteren Datums. Bezüglich ihrer Verwendung „über Tage" erfolgten für Steinkohlen-, Zink- und Bleierzbergwerke, sowie für Kokereien sehr detaillierte Bestimmungen am 24 März 1892; desgleichen für ihre Beschäftigung in Rohzuckerfabriken und Zucker- raffinerien.

1) ÄrbeäertehutageteUgebtmg in Conrad' t Bandwörterbueh der StaattioüieiuehtufUn, 1. Bd, 401 (1890).

2) Btichtgewerbtordnung, 18. Aufl, (1892).

2. Oesterreich-Üngarn.

Die erste Andeutung einer Arbeiterinnenschutzgesetzgebung in Oesterreich ist enthalten in dem allgemeinen Berggesetze vom 23. Mai 1854, wonach man es für notwendig erachtet, die Frage über die Zu- lässigkeit der Frauen und Kinder zur Bergarbeit von Fall zu Fall durdi die Bergbehörde unter allCälliger Mitwirkung der Geistlichkeit und politischen Behörde erörtern zu lassen, nicht aber diesfalls bestimmte positive Verfügungen in das Gesetz aufzunehmen. Erst 30 Jahre später erfolgte die Aufnahme solcher Bestimmungen.

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Hygienische Fürsorge für Arbeiterinnen nnd deren Kinder. 101

Die neue österreichische Gewerbeordnung, welche aus der Bfitte der achtziger Jahre stammt, gewährt den Fabrikarbeiterinnen Schutz in folgenden Punkten:

1) Wöchnerinnen dürfen erst 4 Wochen nach ihrer Niederkunft beschäftigt werden.

2) Im allgemeinen ist die Nachtarbeit für Frauen verboten ; jedoch sind mit Einvernehmen des Handelsministers und des Ministers des Innern Ausnahmen zulässig.

3) Der Handelsminister ist im Einvernehmen mit dem Minister des Innern ermächtigt, im Verordnungswege jene gefährlichen und gesund- heitsschädlichen Verrichtungen zu bezeichnen, bei welchen Frauens- personen gar nicht oder nur bedingungsweise verwendet werden dürfen.

Es erfolgen diese Erlasse nach Anhörung der Handels- und Gewerbe- kammern. „Die gutachtliche Aeußerung dieser Körperschaften ist mit einem Erlasse vom 28. April 1893 eingeleitet worden, sodaß die ernste Absicht, eine derartige Verordnung zu erlassen, nunmehr zu bestehen scheint. Die Anträge der Gewerbeinspektoren nehmen auf die erhöhte Unfallsgefabr, vermehrte Verantwortung, gesundheitsschädlichen Staub, Gase und Dämpfe, Bleivergiftung, Schwere der Arbeit, Sittlicbkeitsrück- sichten. Zustand der Schwangerschaft u. a. m. Rücksicht^^ '.

Beim Bergbau dürfen nach dem Gesetz vom 21. Juni 1884 Frauen und Mädchen jeden Alters nur „über Tag'\ Wöchnerinnen erst 6 Wochen nach ihrer Niederkunft und nur auf Grund ärztlicher Kon- statierung ihrer Arbeitsfähigkeit schon 4 Wochen danach beschäftigt werden. Frauenspersonen, welche das 18. Altersjahr noch nicht über- schritten haben, dürfen beim Bergbau nur in einer Weise beschäftigt werden, welche ihrer körperlichen Entwickelung nicht nachteilig ist.

Erwähnt sei noch, daß der österr. Staat in seinen Gigarrenfabriken keine Arbeiterinnen unter 15 Jahren annimmt.

In Ungarn rechnen die Frauen nicht zu den geschützten Personen. Die einzige Bestimmung zu ihren Gunsten besagt, daß Frauen bis zu 4 Wochen nach ihrer Entbindung von der Erfüllung ihrer vertrags- mäßig übernommenen Arbeit ohne Erlöschen des Vertrages befreit sind.

1) ArheämrMehuttigtietmgtbtmg m OomratPs Handwihierbuek der 8taaUwi9$en»chtnfttn^ 1. Bd,

4SS (1890). S) BomkdpolU. CentrMUut, 8. Bd, 408.

3. Schweiz.

Die Arbeiterschutzgesetzgebung in der Schweiz ^ nahm ihren Aus- gang von der Hausindustrie, um im Laufe der Entwickelung sich immer mehr von dieser zu entfernen und im Bundesgesetz vom 23. März 1877 ' als reines Fabrikgesetz zum Ausdruck zu kommen. In den letzten Jahren geht nun in den einzelnen Kantonen die Tendenz dahin, Klein- gewerbe und Hausindustrie, soweit dies überhaupt möglich ist, mit ein- zuschließen und so ein allgemeines Gewerbegesetz anzustreben. Diese kantonalen Einzelgesetze berücksichtigen vor allem das weibliche Ge- schlecht.

Was das Schweizer Bundesgesetz vor anderen Arbeiterinnenschutz- gesetzen auszeichnet, ist die geringere Zulässigkeit von Ausnahmen. So dürfen Frauenspersonen unter keinen Umständen zur Sonn- tags- oder Nachtarbeit verwendet werden. Bezüglich der Mittagspause gilt für Frauen, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, dieselbe Be-

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Stimmung wie in Deutschland, nur fehlt der Zusatz „auf ihren Antrag^^ Auch in Bezug auf die Arbeitszeit sind die Frauen, da für alle Arbeiter ein Maximalarbeitstag von 11 resp. 10 Stunden besteht, ebenso gestellt wie die deutschen Arbeiterinnen. Hilfsarbeiten vor und nach der eigentlichen Fabrikation (z. B. das Putzen der Maschinen, Reinigen der Lokale etc.) sind in die 11 -stündige Maximalarbeitszeit nicht einzu- rechnen, falls sie von Frauen über 18 Jahre verrichtet werden. Kinder (Mädchen und Knaben) dürfen in der Schweiz vor vollendetem 14. Jahre nicht beschäftigt werden.

Zur Reinigung im Gange befindlicher Motoren, Transmissionen und gefahrdrohender Maschinen dürfen Frauenspersonen nicht verwendet werden.

Vor und nach ihrer Niederkunft dürfen Wöchnerinnen im ganzen während 8 Wochen nicht in der Fabrik beschäftigt werden. Ihr Wieder- eintritt in dieselbe ist an den Ausweis geknüpft, daß seit ihrer Nieder- kunft wenigstens 6 Wochen verflossen sind.

Der Bundesrat wird diejenigen . Fabrikationszweige bezeichnen, in denen schwangere Frauen überhaupt nicht arbeiten dürfen (siehe oben).

Bergwerke unterstehen dem Fabrikgesetze nicht.

Unter den einzelnen Kantonen ging Basel in der Gesetzgebung zum Schutz der weiblichen Arbeiter voran '. Dem Gesetze von 1884, betreffend die Arbeitszeit der weiblichen Arbeiter, folgte ein zweites 1888, das den 11-stündigen Maximalarbeitstag ausdehnt auf alle Ge- werbe, in welchen 3 oder mehr Frauenspersonen gewerbsmäßig arbeiten oder in welchen überhaupt Mädchen unter 18 Jahren oder Lehrtöchter beschäftigt werden ; ausgenommen sind Wirtschaften und Ladengeschäfte, in denen die weiblichen Angestellten ausschließlich zur Bedienung der Käufer verwendet werden. Leuten unter 18 Jahren und Schwängern darf keine Ueberarbeit gestattet werden. Das Wirtschaftsgesetz vom 19. Dezember 1887 bestimmt, daß Mädchen bis zum erfüllten 18. Jahr, wenn sie nicht zur Familie des Wirts gehören, nicht zur Bedienung zuge- lassen werden dürfen.

Das Gl am er Gesetz vom 8. Mai 1892 dehnt den Schutz für männ- liche und weibliche Arbeiter auf „alle dem Fabrikgesetze nicht unter- stellten Geschäfte, in welchen Personen gewerbsmäßig oder gegen Lohn im Dienste des Inhabers arbeiten oder als Lehrlinge oder Lehrtöchter regelmäßig beschäftigt sind^S aus. Ausgenommen ist der landwirtschi^t- liche Betrieb.

Die St. Gallener Gesetzgebung zeichnet sich vor allem durch ihre abweichende Fassung der Schutzbestimmung für Wöchnerinnen und Schwangere aus. „Wöchnerinnen sind 6 Wochen lang von allen ge- werbsmäßigen Arbeiten ausgeschlossen. Hochschwangeren Personen ist gestattet, jederzeit auf bloße Anmeldung hin die Arbeit einzustellen.^*

Für jugendliche Arbeiterinnen ist die schützende Bestimmung ge- troffen, daß sie nicht mehr als 3 Stunden ununterbrochen an Tret- maschinen beschäftigt werden dürfen, bevor sie das 16. Jahr zurückge- legt haben. Ebenso müssen ihnen die Unterrichtsstunden in den Maxi- malarbeitstag eingerechnet werden.

Bezüglich der Ladengeschäfte und Wirtschaften besteben die Be- stimmungen wie in Glarus resp. Basel, aber erst seit dem Juni 1893.

Im Kanton Zürich ist die Gesetzgebung zu Gunsten der weib- lichen Arbeiter noch nicht zum vollen Abschluß gelangt. Der Haupt- vorzug des Entwurfes besteht darin, daß schon eine einzige Arbeiterin

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Hygienische Fürsorge fttr Arbeitenxmen und deren Kinder. 103

den Schutz des Gesetzes genießen soll; die Hausindustriearbeiterinnen werden davon nur betrofifen, insofern sie ihrerseits wiederum Arbeiterinnen in Dienst nehmen. Ausgeschlossen sind, und dies ist entschieden zu beklagen, Ladengeschäfte, Wirtschaften, kaufmännische Bureaux und die landwirtschaftlichen Betriebe. Die Maximalarbeitszeit für Fraaen soll 10 Stunden an Werktagen, 9 Stunden an den Vorabenden der Sonn- und Festtage betragen. Wöchnerinnen dürfen in den ersten 6 Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden.

1) ArheiUnehdagesetMgtbung in CanraePi HaruhoOrterbueh der StaattwUttMehaJim, 1. Bd. 448. t\ Da» BundesgeiOM h€tr. die Arbeit in den Fabriken tfom S8. Mär» 1877, S. Auß. (1890). 3) Beliiiler, IHe Eniwiekebtng der ArbeitersehuiMgesetzgebunff m der Sthwei»^ Arch, /. sok, Geeetagebung «. ßtaiUttik^ 6. Bd, 857.

4. Großbritannien.

England ist das Geburtsland der Großindustrie, deren tiefgreifende soziale und hygienische Wirkungen daher hier zu allererst und am markantesten in die Erscheinung treten mußten. So kommt es, daß in England im Vergleich mit den übrigen Staaten verhältnismäßig früh, in Bezug auf die Erkenntnis der Lage der arbeitenden Klassen aller- dings erst spät der Grund zu einer Arbeiterschutzgesetzgebung gel^ wurde. Das erste Gesetz zum Schutz der Frauenarbeit stammt aus dem Jahre 1842^ und bezieht sich auf das Verbot der Arbeit „unter Tage". Ergänzt wurde es durch die Bestimmungen von 1872 und 1887, wonach in Kohlenbergwerken Frauen nur 54 Stunden pro Woche arbeiten und zum Schieben von Eisenbahnwagen nicht benutzt werden dürfen. 1845 verbot der Printworks-Act den Frauen die Nachtarbeit. Eine Bill vom Jahre 1850 setzte die gesetzliche Arbeitszeit für Frauen auf die Zeit von 6 Uhr früh bis 6 Uhr abends einschließlich einer 1 Vs ~ stündigen Mittagspause fest. In Bleichereien , Appreturfabriken und Färbereien wurde die Frauenarbeit 1855 reguliert. 1864 66 wurden einzelne schon bestehende Gesetzesvorschriften auf alle Eta- blissements ausgedehnt, in denen im Minimum 50 Arbeiter wenigstens 100 Tage im Js^r gemeinsam arbeiteten. Durch den Workshop Regu- lation Act wurde 1867 auch das Kleingewerbe mit einbegriffen, was namentlich den Frauen zugute kam.

Die heute giltige Gesetzgebung' ' beruht auf dem Fabrik- und Werkstättengesetz von 1878, das im Laufe der Jahre durch eine Reihe von Einzelbestimmungen weiter ausgestaltet wurde. Es unterscheidet

Smäß den englischen Verhältnissen: 1) Textilfabriken, 2) Nichttextil- i)riken und 3) Werkstätten. Unter „Frauen" versteht es weibliche Arbeiter über 18 Jahre. Ueberhaupt ausgeschlossen sind die- selben von Naßspinnereien, wo keine Vorkehrungen getroffen sind, welche die Arbeiter vor dem Durchnässen schützen ; femer von dem Reinigen im Gange befindlicher Maschinen und Transmissionen. Auch dürfen sie ihre Mahlzeiten nicht einnehmen oder sich während der Pausen nicht aufhalten in einer großen Reihe von Betriebsräumen, wo entweder Staub entwickelt oder giftige Stoffe verarbeitet werden.

Die Arbeitszeit der Frauen fällt im großen ganzen mit der- jenigen der jugendlichen Arbeiter zusammen.

In Textilfabriken gilt als wöchentliches Maximum 56^/, Stunden, für die ersten 5 Wochentage ist der Beginn resp. Schluß auf 6 oder 7 Uhr früh, resp. 6 oder 7 Uhr abends festgesetzt, innerhalb welcher

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104 AONE8 BLUHM,

Zeit 2 Stunden für Mahlzeiten gewährt werden müssen. Sonnabends dürfen Frauen nur bis 2 Uhr beschäftigt werden mit ^/|- stündiger Mittagspause. LlUiger als 4Vt Stunden darf hintereinander nicht ge- arbeitet werden, ohne daß eine mindestens ^/, -stündige Pause eintritt. Zsüilreiche Ausnahmen sind gestattet.

In Nichttextilfabriken wird für die Mahlzeiten eine Pause von IVf Stunde gefordert, wovon 1 Stunde vor 3 Uhr nachmittags fallen muß. An den Sonnabenden ist der Schluß auf 2 Uhr festgesetzt. So ergiebt sich eine wöchentliche Arbeitszeit von 59 Stunden. Ununter- brochen darf nur 5 Stunden gearbeitet werden.

In nicht häuslichen Werkstätten, wo keine Kinder be- schäftigt werden, beträgt die Maximalarbeitszeit für die ersten ö Wochen- tage 12 Stunden, einschließlich einer 1 Vt-stündigen Pause, sonnabends 8 Stunden mit ^/g-stündiger Pause.

In nicht häuslichen Werkstätten, wo neben Frauen Kinder und junge Personen arbeiten, gelten für erstere dieselben Bestimmungen, wie für letztere beide, und stimmen diese mit den Verordnungen für Nichttextilfabriken überein.

Für häusliche Werkstätten besteht kein Maximalarbeitstag.

Leider wird der Nutzen dieser im großen ganzen recht günstigen Bestimmungen stark herabgemindert durch die große Zahl von Ueber- zeitbewilligungen, für welche nach den Berichten der Fabrikinspektoren nicht einmal eine Notwendigkeit vorliegt.

Frappierend ist es, daß in einem Lande, wo die Arbeit verheirateter Frauen eine solche Ausdehnung besitzt wie in England, erst 1891 ein Gesetz betreffend den Ausschluß der Wöchnerinnen bis 4 Wochen nach der Entbindung erfolgt ist.

1) Hirt, Die gewtrbUehe ThiUigkmt der Frauen vom hygiemtehen StandpmikU (1878).

S) Arbeiter$ekutzgetetsigebung in Ootirad^$ Eandtcörterhueh der StaaUwigeenseka/te», 1. Bd,

483 (1890). 8) Bedgrave'l Faetory AcU, bth edä. (1893).

5. Frankreich.

Die heutige Arbeiterschutzgesetzgebung in Frankreich ^ beruht im wesentlichen auf dem Gesetz von 1874, welches auch die ersten Schutz- bestimmungen zu Gunsten der Frauen enthält.

Die dabei in Betracht kommenden Hauptpunkte sind folgende:

1) Nacht- und Sonntagsarbeit ist in Fabriken und Manufakturen verboten für Mädchen bis zum 21. Jahr.

2) Mädchen und Frauen, gleichviel welchen Alters, dürfen in Berg- werken, Steinbrüchen etc. zu unterirdischen Arbeiten nicht herangezogen werden.

3) Mädchen bis zum 16. Jahre dürfen zum Ziehen von Lasten auf dfientlicher Straße nicht verwendet werden und innerhalb der Be- triebe höchstens Lasten von 100 kg auf horizontalem Terrain fort- bewegen.

Der Gesetzentwurf vom Jahre 1889 * kam leider nur in beschränkter und modifizierter Weise zur Annahme, d. h. das Verbot der Nacht- arbeit für Frauen und ein Maximalarbeitstag von 11 Stunden (die Kammer hatte 10 Stunden gefordert) wurde gewährt. Erst im No- vember 1892 ging ein Gesetz ' durch, wonach alle diejenigen Gesund- heit und Sittlichkeit schädigenden Arbeiten, welche den Frauen zu

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Hygienische Fürsorge für Arbeiterinnen and deren Kinder. 105

Yerbieten sind, im Verordnungswege festgestellt werden sollen. Dieser Verordnungsweg ist mittlerweile beschritten worden, und es ist durch EiDzelbestimmungen verboten:

1) Mädchen und Frauen zum Schmieren, Reinigen etc. von in Be- wegung befindlichen Maschinen zu verwenden oder sie in Räumen zu brachäftigen, wo sich Maschinen ohne genügende Schutzvorrichtungen befinden.

2) Mädchen unter 16 Jahren Lasten von mehr als 5 kg und Mädchen von 16 18 Jahren Lasten von mehr als 10 kg tragen zu lassen.

3) Mädchen unter 16 Jahren an Nähmaschinen zu beschäftigen, die mit dem Fuße in Bewegung gesetzt werden.

Femer ist neuerdings ein Gesetzentwurf* fertiggestellt worden, welcher die Arbeit von Frauen und Kindern in Handlungshäusem regelt und verlangt: 1) Verbot der Nachtarbeit, 2) Maximalarbeitstag von 11 Stunden, 3) einen wöchentlichen Ruhetag.

Der Schutz der Wöchnerinnen ist im französischen Gesetz nicht vorgesehen.

1) ArbeUertehdzgeieiMgebuHg m OonratFt BandwöHerb, der StaaUwigatntekaften^ 1. Bd, 457. S) SoätüUpolü, CentraMaU, 1. Bd, 815. 8) ibid. 8. Bd, 431. 4) Und, 8. Bd, 396.

6. Belgien.

Das erste belgische Arbeiterinnenschutzgesetz ^ datiert vom 13. Dezember 1889 und bestimmt für die Arbeit weiblicher Personen unter 21 Jahren eine Maximaldauer von 12 Stunden pro Tag, und 6 Tagen pro Woche mit Ausschluß der Nachtarbeit aber unter Bewilligung zahl- reicher Ausnahmen. Femer verbietet es die Arbeit „unter Tage^^ fär mindeijährige Frauen und gewährleistet den Wöchnerinnen eine 4-wöchent- liche Schonzeit. Endlich sollte der König innerhalb dreier Jahre die Arbeitszeit für Frauen und Kinder nach den Erfordernissen der Industrie und nach der Art der Beschäftigung regeln. Mehrere solcher Erlasse sind auch im Laufe dieser Frist erfolgt Sie besagen : 1) daß die Arbeit von Weibern während der Nacht in Gruben verboten ist; 2) daß die tägliche Weiberarbeit in den Minen 10^/2 Stunden einschließlich einer IVj-stündigen Pause, nicht überdauern darf, für weibliche Personen unter 21 Jahren 10 Stunden mit 1 ^/^ Stunde Ruhepause. Endlich ist im Jahre 1893 die Arbeitszeit der Frauen in den verschiedensten In- dustrien in sehr detaillierter Weise bestimmt worden '.

1) AfheiUr§diuizg€$eUgebuHginC<mT€t^t BandwörUrhueh der Staatswietemeka/tenf 1. Bd, 467. 8) SomafyoUi, Oewtndblatt, 8. Bd. 889.

7. Niederlande.

Die Arbeiterschutzgesetzgebong in den Niederlanden ^ wurde zum Abschluß gebracht durch das Gesetz vom 5. Mai 1889, welches Fabrik-, Hausindustrie und Handwerk gleichmäßig umfaßt und auch die ersten Bestimmungen bezüglich der Frauenarbeit enthält.

Pringsheim giebt eine gute tabellarische Uebersicht der Verord- nungen, welche wir hier reproduzieren:

»3

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106 AONES BLUHM, Hygienische Fürsorge f. Arbeiterinnen tu deren Kinder.

1. GeschüUte Per- sonen

2. SoonUgsarbeit S. Arbeit nach der

Entbindung 4. Paosen

5. Dauer der täg- lichen Arbeits- seit

6. Nachtarbeit

a) Praaen

Verboten. 4 Wochen nach der Ent- bindung verboten. Mindestens 1 Std. swi- sehen 11 8. Verbot des Aufenthaltes in den Ar- beitsränmen wfthrend der Pansen.

Maximum 11 Std.; im Verordnnngswege 18 Std. gestattet. Verboten.

b) Kinder bis

18 J.

Absolutes Verbot

der Arbeit.

Jugendliche Arbeiter Fast gleiche Be- stimmungen wie

für Frauen.

Für gewisse besonders gesundheitsgefkhrliche Betriebe kann die Arbeit von Frauen überhaupt verboten werden.

1) Pringiheim, DU niederländische ArbettenduOageseUffebtmg vom 5. Mm 1889, Arek. /. soM. OeseUgeb u. ßkU, 2. Bd, 506.

8. Skandinavien.

In Schweden ist die Arbeiterinnenschutzgesetzgebung erst im Wer- den begriffen. Nicht einmal das Verbot der Arbeit „unter Tage" und der Nachtarbeit erstreckt sich auf sämtliche Frauen, sondern nur auf die- jenigen unter 21 Jahren. Diesen letzteren ist auch das Warten von Dampf- kesseln, Reinigen und Schmieren von im Oange befindlichen Transmis- sionen u. s. w. untersagt.

Arbeiterinnen dürfen im allgemeinen erst 4 Wochen nach ihrer Entbindung in Arbeit treten.

9. Italien hat es bis jetzt auch nur bis zu einer Vorlage zum Schutze der Frauen gebracht, welche das Verbot der Nacht- und unterirdischen Arbeit fxir Frauen fordert, Wöchnerinnen 4 Wochen nach der Entbindung schützt und der Regierung die Vollmacht zugesteht, Frauen von schädlichen Be- trieben völlig auszuschließen und ihre Arbeitszeit zu regeln.

10. Spanien.

In Spanien ist das einzige Oesetz zum Schutze der weiblichen Ar- beiter, welches fiir Mädchen bis zu 14 Jahren eine 5-stündige, fär solche bis zu 18 Jahren eine 8-stündige Maximalarbeitszeit festsetzt, ohne jede praktische Bedeutung geblieben.

11. Rußland

verdankt sein einziges Arbeiterinnenschutzgesetz der Initiative einiger Petersburger Industriellen. In Petersburg war in Webereien, Spinne- reien u. s. w. die Nachtarbeit der Frauen nicht üblich im Oegensatz zu Moskau, und die Fabrikbesitzer der ersteren Stadt sahen sich daher im Nachteil gegenüber denen der letzteren. Das Oesetz kam im Juni 1885 zustande und untersagt die Nachtarbeit fär Frauen von 10 Uhr abends bis 4 Uhr morgens. Demtn^eff, Die rtatisehe Fahnkgeeetmpehtng, AreK /. «os. Qeeetageb. «. BUit,^ 8. Bd, 884.

12. Nordamerika. Nur einzelne der Vereinigten Staaten haben Gesetze zum Schutze der arbeitenden Frauen ergehen lassen, und zwar beziehen sich dieselben nur auf die Arbeitszeit, die in Dakota, Massachusetts, Michigan, Minne- sota und neuerdings auch New- Jersey auf 10 Stunden, in Wisconsin auf 8 Stunden täglich festgesetzt ist.

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MASCHINELLE EINRICHTUNGEN

GEGEN UNFÄLLE.

BEARBEITET

VON

MAX KRAFT,

O. Ö. PSOFISSOB AM DBB TBOHMISOHBN HOOH8OHÜI1B IN BBÜNN.

MIT 90 ABBILDUNGEN IM TEXT.

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ASTOR, LENOX ANO TIL06N FOUNDATION«.

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Inhaltsübersicht.

Seite

Einleitang 111

A. Motoren 115

1. Dampfkessel 115

Die Speisewasserreinigang 116

Die Konstruktion des Kessels 120

Die Wartung des Kessels 120

2. Motoren im engeren Sinne 130

B. Transmissionen 135

C- Hebe- und Fördereinrichtungen 149

I>. Vorrichtungen gegen Feuersgefahr 155

fiegister am Schlüsse der allgemeinen G-ewerbehygiene.

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Jetzt, nachdem die erste bewegtere Periode der die Unfallverhütung betreffenden Bestrebungen vorüber zu sem scheint und durch Schaffung einschlägiger Gesetze und Verordnungen, durch Ausstellung mannig- facher, diesen Zwecken dienender Vorrichtungen, durch die diese Be- strebungen behandelnde Litteratur, namentlich aber durch die Ein- setzung der Gewerberäte und Inspektoren eine entsprechende und dringend notwendig gewesene Verbreitung, sowie eine ruhigere Ent- wickelung derselben angebahnt sein dürfte, nachdem ich mich endlich auf die beiden vorhergehenden Kapitel über die gesetzlichen Grund- lagen des Arbeiterschutzes berufen kann, bin ich der Mühe enthoben, erst durch Aneinanderreihung statistischer Daten die Notwendigkeit maschineller Einrichtungen zur Verhütung von Unf^en beweisen zu müssen.

Jedem Industriellen und gewiß dem größeren Teil selbst der kleineren Gewerbetreibenden ist heutigen Tages bekannt, daß die Anzahl der jährlich sich ereignenden Unfälle in Deutschland die Zahl Zweimal- hunderttausend überschreitet und daher eine Höhe erreicht, wie sie selbst von gewiegten Kennern der industriellen und gewerblichen Verhältnisse noch vor wenigen Jahren kaum geahnt wurde. Wenn nun auch einerseits zugestanden werden muß, daß unter dieser Zahl eine größere Menge unbedeutender Verletzungen enthalten ist, so kann man dem andererseits entgegenhalten, daß nur die Unfälle im engeren Sinne von der Unfall - Statistik berücksichtigt werden , während doch durch die sogenannten Gewerbekrankheiten gewiß eine ähnliche Anzahl von Menschen jährlich an Leben und Gesundheit geschädigt und, was das Schlimmste, diese Schädigung noch auf ihre Nachkommenschaft übertragen wird, worüber bisher keine zusammenfassende Statistik be- steht.

Es ist dies ein erschreckend hoher Bruchteil der Bevölkerung des genannten Staates, und diese Schattenseite des industriellen und gewerb- lichen Lebens zeigt sich in einem noch grelleren Lichte, wenn wir an die mittelbar Betroffenen, an die Familien der Verletzten und an die durch keine Statistik darstellbare Summe von Elend denken, welche diese Thatsache wohl unbestreitbar im Gefolge hat und welche auch durch die neueren Krankenkassen- und Versicherungsgesetze nur in ihrem finan- ziellen Teile etwas gemildert worden ist Sie stellt sich in einem noch schlimmeren Lichte dar, wenn wir die ethische Seite dieser That- sache in Betracht ziehen und hierbei gewahren, dass ein grosser Teil

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112 MAX KRAFT,

der den Gefahren der Industrie und Gewerbe ausgesetzten Menschen, durch zwingende Not getrieben, sich mit dem vollen Bewußtsein an die Arbeit steUt dadurch ihre Gesundheit zu schädigen oder ihr Leben zu verkürzen.

Die allgemeinen, alle Bewohner eines Staates gleichmäßig berühren- den hygienischen Maßnahmen, welche in den letzten Decennien in so erfreulicher Weise in den Vordergrund staatlicher und gesellschaftlicher Fürsorge gerückt wurden, sind gewiß von außerordentlicher Wichtigkeit, ja sie drücken dieser Fürsorge erst recht den Stempel des civilisatori- schen Prinzips auf; nicht minder wichtig aber sind die den industriellen und gewerblichen Arbeiter betrefifenden speziellen hygienischen Maß- nahmen, wenn sie auch nur einem Teil der Bevölkerung zu Gute kommen deshalb, weil dieser Teil der Bevölkerung den Gefahre der Schädigung der Gesundheit und des Lebens in weit höherem Grade ausgesetzt ist als der andere Teil und in sehr vielen Fällen durch Armut verhindert ist, sich dieser Gefe^r zu entziehen.

Es ist leider nicht zu bestreiten, daß diejenigen Prozesse und Thätig- keiten, welche die Befriedigung menschlicher B^ürfriisse bezwecken, in Industrie und Gewerbe niemals ganz der Gefahr entkleidet werden können; es ist aber grausam, daraus einfach zu folgern, daß die jährlich geforderten Opfer an Gesundheit und Leben nun bedingungs- los gebracht werden müssen. Denn der Betrieb von Industrie und Gewerbe ist schließlich nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zur Befriedigung gewisser Bedürftiisse der Menschen; und es entspricht durchaus nicht der Gerechtigkeit, das Wohl eines Teiles der Be- völkerung ruhig und gleichgiltig, als gelte es die Forderung eines Fatums zu erfüllen, den Bedürfnissen der ganzen Bevölkerung eines Staates oder der Menschheit überhaupt widerstandslos auf- zuopfern; sondern es muß im Gegenteil als allein dieser Gerechtigkeit entsprechend angesehen werden, daß man den Wert des Wohles dieses Bevölkerungsteiles gleich setze der Wichtigkeit, welche Industrie und Gewerbe im Leben civilisierter Staaten einnehmen. Hieraus folgt aber wohl für jeden wahrhaft gerecht Denkenden der zwingende Schluß, daß Staat sowie jeder Einzelne kein Mittel scheuen dürfen, um die Größe dieser jährlichen Opfer, soweit dies thunlich ist, herabzumindern.

Dem Unbefangenen werden diese Betrachtungen, da er die Grund- idee ftlr selbstverständlich hält, müßig erscheinen; es ist dies aber leider nicht der Fall, denn noch heutigen Tags wird von vielen Industriellen* nicht nur die oben behauptete Gleichheit geleugnet, sondern es werden auch alle die Unfallverhütung bezweckenden Be- strebungen und Einrichtungen im besten Falle mit mitleidigem Achsel- zucken, in vielen Fällen selbst mit Hohn abgefertigt; ja es begegnet den Gewerberäten und Inspektoren noch in jcnlem Jahre, daß einzelne Betriebsbesitzer bei Anordnung von Unfallverhütungseinrichtungen nur dem Zwange weichen zu wollen erklären.

Als hauptsächlichste Gründe werden gegen die Anwendung der maschinellen Einrichtungen vorgebracht, daß sie dem Arbeiter in der Arbeit hinderlich sind, demselben daher die Arbeit erschweren ; daß derselbe daher in den meisten Fällen selbst die zu seinem Wohle angeordnete Einrichtung außer Thätigkeit setzt; daß dieselben den Arbeiter in vielen Fällen sicher machen und dadurch die Gefahr erhöhen statt sie zu vermindern; daß mit den meisten dieser

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Maschmelle Einrichtungen gegen Unfälle. 113

Vorrichtungen eine absolute Verhinderung eines Unfalles nicht zu er- reichen ist u. s. w.

Alle diese Einwände beweisen aber nur die geringen Kenntnisse von den Eigenheiten technischer Arbeit. Daß eine absolute Sicherheit durch diese Vorrichtungen nicht erreichbar ist, ist selbstverständlich, da ein absolut sicherer Erfolg bei idlen menschlichen Thätigkeiten überhaupt, insbesondere aber bei technischen Arbeiten, deren Erfolg von einer großen Anzahl oft einander direkt entgegengerichteter Factoren abhängig ist, nie vorausgesetzt werden kann; es handelt sich daher auch hier nur um eine relative Sicherheit, d. h. darum, die Wahr- scheinlichkeit der Nichtbeschädigung auf den, unter den obwaltenden Umständen, erreichbar höchsten Grad zu bringen und die Vorrichtungen so zu konstruieren, daß sie bei thunlichst geringster Hinderung der Arbeit die thunlichst höchste Sicherheit erreichen lassen. Daß dies nicht gleich bei der Anwendung der ersten Apparate erreichbar ist, wird niemand befremden, da sich die exaktesten Maschinen stets nur allmählich aus den unexakteren, in oft langen Zeitperioden, durch fort- währende Beobachtung der Arbeitsbedingungen entwickelt haben, nie aber diesen Standpunkt höherer Exaktheit erreicht hätten, wenn nicht die weniger richtig konstruierten gleichfalls zur Anwendung gekommen wären. Wir stecken bezüglich der Konstruktion der Unfall Verhütungseinrich- tungen noch immer in den Kinderschuhen und die Kinderkrankheiten derselben können auch hier nur durch Beobachtung und Verbesserung der weniger vollkommenen, aber in Anwendung befindlichen Vorrichtungen überwunden werden.

Daß die Arbeiter durch diese Vorrichtungen in Sicherheit gewiegt werden, kann nur der behaupten, der die Arbeiter nicht kennt; die Sicherheit, die sich der Arbeiter, auf seine Geschicklichkeit pochend, selbst ancUchtet, ist in keiner Weise vergrößerbar. Ob eine Schutzvor- richtung vorhanden ist oder nicht, er hält sich in seiner Hantierung für absolut unfehlbar und weist jede gegenteilige Bemerkung mit ge- ringschätzigem Lächeln zurück, behauptend, daß die nachgewiesenen Unfälle eben nur ungeschicktere Arbeiter betrofifen haben können.

Wenn wir nun femer noch beachten, daß es sich in den meisten Fällen nicht nur um den Schutz der Arbeiter, sondern auch anderer Personen handelt, die durch Zufall in den Wirkungskreis gefährlicher Mechanismen gelangen, die sich der Nähe der Gefahr ^ar nicht bewußt sind; wenn wir femer beachten, daß viele dieser Emrichtungen wie z. B. die Fangvorrichtungen, Fälle betreflfen, bei welchen der Grad der Sicherheit von der Geschicklichkeit und Aufmerksamkeit ganz unbeein- flußt bleibt; wenn wir endlich in Betracht ziehen, daß die dem Arbeit- geber durch die bestehenden Gesetze aufgebürdete Verantwortung nur durch die Anwendung dieser Einrichtungen etwas gemildert werden kann und daß denn doch auch die Gewissensfrage in diese Angelegen- heit hineinspielt, so kommen wir zu dem Schlüsse, daß die angeführten Gegengründe unhaltbar sind und die Anwendung der schon vorhandenen oder der noch entstehenden Schutz- und Sicherheitsein- und Vorrich- tungen eine unbedingte Notwendigkeit darstellt, deren Aner- kennung in einem auf Civilisation Anspruch machenden Staate außer Frage stehen soll; im gegenteiligen Falle vom Staate im allgemeinen Interesse erzwungen werden muß, übrigens ohne Zweifel im Interesse des Arbeit- gebers selbst liegt.

Einen wirklichen Erfolg von all diesen Einrichtungen wird man sich

UudlHiGli dtr Hygim«. Bd. Viil. 8

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114 MAX KRAFT,

aber erst daon versprecheo können, wenn dieselben ununterbrochen streng überwacht, durch die bei ihrer Anwendung gesammelten Er- fahrungen fortlaufend verbessert, immer mehr dem praktischen Be- dürfnisse angepaßt, wenn die Beteiligten in der richtigen Anwendung unterwiesen und für die unerlaubte Ausschaltung derselben strenge be- straft werden.

Wenn ich nun einerseits durch das Vorhergehende die Notwendig- keit dieser Einrichtungen nachgewiesen zu haben glaube, so möchte ich doch andererseits wieder vor einem Zuweitgehen in den Anforderungen im Interesse der Sache warnen ; wenn von einzelnen Gewerberäten oder Inspektoren kostspielige, ausgedehnte Einrichtungen verlangt werden, die in ihrer Art neu sind und deren günstige Wirkung von vornherein nicht mit genügender Sicherheit beurteilt werden kann, so ist damit stets eine empfindliche Schädigung des allgemeinen Prinzips verbunden, die unzweifelhaft auch auf das schon Errungene zurück- wirkt. In diesem Falle soll die Wirkung einer solchen Einrichtung durch Versuche in kleinerem Maßstabe in Gegenwart vorurteilsloser Männer erst erprobt werden, da andererseits die einfache Behauptung der Unmöglichkeit einer solchen Einrichtung dem heutigen Stande des technischen Wissens und Könnens nicht entspricht und dieser hochaus- gebildeten Wissenschaft ohne zwingende Ursache ein unverdientes Ar- mutszeugnis ausstellt.

Ohne nun eine streng wissenschaftliche Einteilung der hier behan- delten Einrichtungen durchführen zu wollen, was bei dem heutigen Stande derselben noch nicht gut durchführbar ist, sei nur erwähnt, daß sich der größere Teil derselben in zwei Hauptgruppen scheiden läßt, nämlich in solche, welche einen Unfall nur mittelbar wie z. B. Kessel- wasserreinigungs-Vorrichtungen und in solche, welche denselben u n - mittelbar zu verhüten geeignet sind, wie z.B. die Sicherheitsventile, die Schützenfänger, die Fangvorrichtungen u. s. w. Es lassen sich femer unterscheiden: Einrichtungen, welche eine nahende oder schon vorhan- dene Gefahr bloß anzeigen und daher als Signal- oder Wächtereinrichtungen bezeichnet werden können; dann solche, welche den Unfall selbst- thätig automatisch solche, welche denselben nur durch das thätige Eingreifen eines Menschen zu verhindern geeignet sind, und endlich Einrichtungen, welche eine Kombination all dieser Fälle bilden.

Den selbstthätig wirkenden Einrichtungen wird der Vorwurf ge- macht, daß sie nicht immer ganz sicher wirken, außer wenn sie streng beaufeichtigt werden, und daß sie deshalb die Gefahr nur vergrößern, weil sich der zu Schützende auf sie verläßt, wodurch seine Aufmerk- samkeit von der Gefahr abgelenkt wird. Der Einwurf ist gewiß ein ganz berechtigter , aber es läßt sich demselben mit gleicher Berech- tigung entgegnen, daß fQr eine entsprechende Wirkung all dieser Ein- richtungen die strenge Beaufeichtigung eine unerläßliche. Vorbe- dingung ist. Daher verlangen die Automaten in dieser Richtung nicht mehr ids alle anderen Einrichtungen, während sie doch geeignet sind, eine Gefalu* auch dann noch unschädlich zu machen, wenn alle anderen Bemühungen ohne Erfolg bleiben, oder wenn diese Bemühungen zu spät, oder überhaupt nicht in Aktion treten. Namentlich dort, wo wir auf persönlichen Mut und Kaltblütigkeit der die Einrichtungen handhaben- den Menschen angewiesen sind, können Automaten unschätzbare Dienste leisten; der erwähnten, gewiß bedenklichen Eigenschaft, daß sie das Wächterpersonal in Sicherheit lullen, läßt sich in den meisten Fällen

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Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle. 115

dadurch entgegentreten, daß diese Einrichtungen unmittelbar einem höher gestellten Organ untergeordnet, dem Wächterpersonale als eine sie kon- trollierende Vorrichtung bezeichnet und alle Verhaltungsmaßregeln so angeordnet werden, als wenn die Vorrichtung nicht vorhanden wäre.

Alle gegen Unfall angewendeten Einrichtungen sollen wenn thun- lich selbstthätig, aber auch durch unmittelbare Handhabung in Aktion zu setzen sein.

Bei der Konstruktion und Projektierung der meisten dieser Vor- und Einrichtungen ist als oberster Grundsatz festzuhalten die Erreichung einer thunlichst vollständigen Sicherheit, nicht nur für den unmittelbar daran Arbeitenden, sondern auch für zufällig und unberufen in die Wirkungssphäre des gefährlichen Apparates Gelangende, bei gleichzeitiger thunlichst geringer Schädigung und Hinderung der eigentlich produk- tiven Arbeit, sowie die Durchführung der Konstruktion womöglich in der Weise, daß die Vorrichtung ihre Handhabung automatisch erzwingt. Aus diesen Anforderungen ergiebt sich sofort auch die Schwierigkeit einer vollkommen entsprechenden Lösung, namentlich wenn man die, durch die wechselnden Dimensionen und Formen der Arbeitsstücke be- dingte außerordentliche Mannigfaltigkeit der Hantierungen, die ver* schiedenen Grade von Geschicklichkeit der Arbeiter; die verschiedenen gewohnten Handgrifife u. s. w. in Betracht zieht.

Wenn ich nun auf die Beschreibung der maschinellen Einrichtungen gegen Unfälle näher eingehe, so habe ich vor allem darauf hinzuweisen, daß sich im letzten Quinquennium zwar so manches auf dem Gebiete der Unfallverhütung geklärt hat, daß eine bedeutende Anzahl neuer Konstruktionen aufgetaucht ist ; daß wir jedoch, was die Qualität dieser Konstruktionen anlangt, noch immer auf dem Boden der Berliner Aus- stellung 1889 stehen, deren Ausstellungsobjekte noch zum größten Teil bisher unübertroffen sind, und daß ich hier nur die, den verschiedenen technischen Betrieben mehr oder weniger gemeinsamen Einrich- tungen zu besprechen habe.

A. Motoren.

Zu den Einrichtungen, welche den meisten technischen Betrieben gemeinsam sind, gehören die Motoren, welche die zum Betriebe not- wendige Kraft irgend einem Kraftansammler entnehmen oder in sich selbst erzeugen und auf die im Betriebe nötigen Mechanismen über- tragen. Die wichtigsten Motoren sind:

a) Die Dampfmotoren.

b) Die Heißluftmotoren.

c) Die Gasmotoren.

d) Die Petroleummotoren.

e) Die Wassermotoren.

Die sogenannten Elektromotoren 4(önnen, streng genommen, nicht hierher gezählt werden, da sie die Kraft erst von einem der eben aufgezählten Motoren übernehmen und nur transformieren.

1. Dampfkessel.

Obige Motoren übernehmen den Kraftträger, und zwar die Dampf- motoren einem Dampferzeuger, die Gruppe b dem allgemeinen Luftreser- voire, Gruppe c einem Leuchtgas-, Gruppe d einem Petroleumbehälter, Gruppe e endlich dem von der Natur gebotenen fließenden oder aufge-

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116 MAX KRAFT,

speicherten Wasser. Ein eigentlich gefährlicher Betrieb kommt bei all diesen Kraftbehältern wenn wir die Gefährlichkeit der Füllung der Gas- und Petroleumreservoire außer Betracht lassen nur bei den Dampfer- zeugern, den sogenannten Dampfkesseln vor. Sie sind auch diejenigen, welche durch die ziemlich häufig vorgekommenen Explosionen die Aufmerk- samkeit zuerst auf sich gezogen und auf dem Gebiete der Unfallverhütung die ersten Erfolge aufzuweisen haben ; indem, durch diese Unglücksfälle veranlaßt, schon vor mehreren Decennien besondere Inspektoren zur Beauf- sichtigung dieser Apparate bestellt wurden. Ein eklatanter Erfolg wurde aber erst durch die vor etwa 25 Jahren gebildeten Dampfkessel- Untersuchungsvereine erreicht, welche die Kessel durch ge- schulte Maschineningenieure untersuchen lassen. Nach Reiche entfällt bei den unter Vereinsaufsicht stehenden Kesseln eine Explosion auf 9687, bei den unter Staatsaufsicht stehenden Kesseln schon auf 3573 Kessel.

Durch diese Vereine wurde auch die Statistik der Explosionen und hierdurch die Erkennung der wesentlichsten Ursachen derselben außerordentlich gef5rdert und an die Stelle der verschiedenen geheimnis- vollen, einige in ihrer Wirkung klarere Ursachen gesetzt. Als solche ergaben sich namentlich Wassermangel und örtliche Blech- schwächung, durch welche die Hälfte der Explosionen herbeigeführt werden; dann zu hohe Spannung, mangelhafte Konstruktion, schlechtes Kesselmaterial, Kesselstein, Gasexplosion in den Zügen u. s. w. Hieraus ergeben sich als die wesentlichsten Bedingungen für einen sicheren Kesselbetrieb: Reines Wasser, exakte Konstruktion bei Verwendung nur guten Materials und guter Kesselheizer.

Was nun den ersten Punkt betrifft, so ist der Kessel auf das lokal vorhandene Wasser angewiesen. Die etwa nötige Reinigung desselben sucht man entweder noch vor dem Eintritt in den Kessel, oder in diesem selbst zur Durchführung zu bringen. Das erstere ist dem letzteren unbedingt vorzuziehen.

Die Speisewasserreinigung.

Dieselbe ist bei den meisten im Gebrauch befindlichen Wässern not- wendig, weil die bei der Dampf bildung aus dem Wasser ausgeschiedenen erdigen Bestandteile im Kessel den oft mehrere Centimeter, ja selbst mehrere Dedmeter dicken, mehr oder weniger festen Kesselstein bilden, der das Kesselblech vom Wasser trennt, den Uebergang der Wärme an das letztere bedeutend erschwert und dadurch das Glühen der Bleche, d. h. die Vermin- derung der Festigkeit und ein Reißen der Bleche herbeiführen kann. Auch im besten Falle ist das Ablösen des Kesselsteins eine schwierige, zeitraubende Arbeit, bei welcher sehr leicht auch eine Schädigung der Bleche herbei- geführt werden kann. Das Hauptprinzip der Speisewasserreinigung be- steht darin, daß man durch Beimengen entsprechender Stoffe die lös- lichen Salze in unlösliche (fällbare) oder leicht lösliche Salze überführt und die gefällten Stoffe vom Wasser trennt

Die hauptsächlichsten Kesselsteinbildner im Wasser sind: doppelt- kohlensaurer Kalk, schwefelsaurer Kalk, doppeltkohlensaure Magnesia, schwefelsaure Magnesia, Chlorcalcium und Chlormagnesium. Als haupt- sächlichste Reinigungsmittel kommen kaustische und calcinierte Soda, Kalkmilch, Aetznatron u. s. w. in Verwendung.

Die zu diesem Zwecke in Anwendung stehenden zahlreichen Kon- struktionen bestehen der Hauptsache nach aus einem Mischgef&ß, in dem das Speisewasser mit den betreffenden Chemikalien in der be-

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Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle.

117

rechneten Quantität und mit Hilfe mechanischer Vorrichtungen innig vermischt wird; aus einem Klärgefäß, welches entweder durch einge- setzte Wände in einen langen Kanal verwandelt oder so hoch gebaut ist, daß das Wasser in demselben langsam aufsteigen muß und so Gelegenheit zur Absetzung des Schlammes gewinnt und endlich in vielen Fällen aus einem Filter, durch welches das gereinigte Wasser noch hin- dorchgepreßt wird, bevor es in den Kessel tritt Im letzteren Falle sollen keine Fettbestandteile im Wasser enthalten sein, weil diese das Filter verschmieren.

Von den neueren diesbezüglichen Apparaten ist der in Fig. 1 u. 2 dargestellte von Pollacsek zu erwähnen.

A

rft/ ^

e

Fig. 1 and 8.

Derselbe besteht aus zwei Behältern A^ von welchen jeder das pro Stunde nötige Speisewasser enthält. In den Behälter A ist ein gelochter Trog jB eingesetzt, der die Chemikalien aufzunehmen und mit dem aus A zufließenden, zu reinigenden Wasser zu vermengen hat. In jedem Bebälter A befindet sich femer das glockenförmige Filter G und das Dampfrohr /*. Durch Oefinen des Hahnes D vrird das zu reinigende Wasser in den Trog jB auf die Chemikalien gesprengt und fließt mit diesen in den Be- hälter A\ durch Oeffiien des Hahnes F tritt Dampf in das Wasser, erwärmt dieses und befördert dadurch das Fällen des Schlammes. Bei geöffiietem Hahne IE fließt das gereinigte Wasser durch das Filter C und das am höchsten Punkt desselben angeordnete Bohr e zur Speisepumpe. Wird E und F geschlossen und B. geöffnet, so tritt der Dampf durch e in das Filter G und reinigt dasselbe, wobei jedoch das Filter wasserfrei sein muß. Der gefällte Schlamm kann durch den Hahn Q abgelassen werden.

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118 MAX KRAFT,

Der Vorteil des Apparats besteht in seiuer Einfachheit und in der Verwendung von Dampf, wodurch nicht nur der chemische Prozeß ge- fördert, sondern auch das Wasser vorgewärmt wird.

Von den kleineren Apparaten sei hier der aus Fig. 3 ersichtliche Reiniger der Albany Steam Trap Company in Albany

vorgeführt, welcher aus einem min- destens 500 mm hohen Sandfilter be- steht, durch welches das Speisewasser mittels Dampfdruck hindurchgepreßt wird.

Das zu reinigende Wasser tritt aus dem Kessel darch das Rohr r^ in den Raum A, dann durch das im Räume B angeordnete Sandfilter und das Sand- ventil v, nach C und endlich durch das nach aufwärts geführte Rohr, den Schieber s, die Rohre Ti und r, in den Kessel zurück und zwar einige Conti- meter unter dem niedrigsten Wasser- stande. Durch eine Verschiebung von 5 nach links kann ein Gegenstrom er- zeugt und dadurch das Filter gereinigt werden. Um eine Verlegung des Sand- ventils zu verhindern, treten aufrecht stehende Stifte der geföhrten und durch Kurbel K, Excenter E und Stange S^ beweglichen Platte v, in Löcher der Platte Vj, wobei die Ketten r gleichzeitig eine Auflockerung der Filtermasse be- Fig. s. wirken.

Hierher gehören ferner die Einrichtungen von Berenger-Stingl, von W. Gyssling und Prof. Dr. Bunte; von A. L. G. Dehne, von Bohlig und Heyne, von Spengler, von Derveaux, von W. J. Nu SS in Poppeisdorf bei Bonn, von R. Reichling, von C. Kleyer in Karlsruhe; der Gebr. Howaldt in Kiel; von Stilwell u. Bierce in Dayton; von Klein, Schanzlin u. Becker; Rei- nicke; Schröter; Grimme, Natalis u. C; von Desrumeaux in Lille; von Breda, Berliner u. C. in Gleiwitz; von Maignen, wobei insbesondere auf den von R. Reich ling im Westfälischen Bezirksvereine über Speisewasserreinigung gehaltenen äußerst instruktiven Vortrag zu verweisen wäre.

Was die Im Kessel selbst gegen den Kesselstein ange- wendeten Mittel betriift, so ist vor allem vor den sogenannten Antiinkrustationsmitteln zu warnen, die ähnlich den geheimen Arznei- mitteln in großer Anzahl und zu ganz unverhältnismäßigen Preisen in den Handel gebracht werden und gewöhnlich ganz ohne Erfolg sind. Die Versuche, die Schlammablagerung im Kessel durch sogenannte Kesseleinlagen, welche der Wasserströmung eine bestimmte Rich- tung geben sollen, von den Kesselblechen abzulenken, sind häufig von ganz gutem Erfolge begleitet gewesen, die Vorrichtungen aber wahr- scheinlich wegen ihrer schwierigen Anordnung im Kessel bisher wenig

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Haschinelle Einrichtangen gegen Unfälle.

119

zur Anwendung gekommen. Eine der neuesten Konstruktionen in dieser Kichtung*ist der Schlammfänger von J. Savelberg in Stol- berg, welcher aus einer muldenförmigen Blecheinlage besteht, die sich bloß aber das Feuerblech oder über den ganzen Kessel erstreckt und an vier aus dem Kessel heraustretenden und hier in Schrauben endigenden Bolzen hängt, welche ihrerseits durch Muttern verstellt werden können. Dadurch ist es ermöglicht, die Längskanten dieser Mulde bald der einen, bald der anderen Kesselwand zu nähern, den Durchflußquerschnitt für das heiße Wasser zu verengen und hierdurch die Geschwindigkeit so zu erhöhen, daß der Schlamm mitgerissen und in der Mulde ab- gelagert vnrd. Die vier aus dem Kessel heraustretenden Bolzen sind jedenfalls ein vnmder Punkt der Konstruktion.

Um ein festes Ansetzen des Kesselsteins zu verhindern, wird der Kessel im Innern häufig mit einem Anstrich aus Teer, Oel- farbe, Firniß etc. versehen, was insofern günstig wirken kann, als zwischen Kesselstein und Kesselblech eine trennende Schicht geschaffen wird, die das Ablösen des ersteren erleichtert. Die Schwierigkeit liegt in der exakten Anbringung dieses Anstriches, der nur auf ganz trockenem Blech gut haftet und wt^en der Raumverhältnisse nur schwer überall anzubringen ist.

Endlich ist hier noch der Blechschwächung durch das Blechmaterial zersetzende Beimengungen des Wassers, der sogen. Rosionen zu ge- denken, die heutigentags als die Wirkungen freier oder frei gewordener Säuren erkannt sind. Nach den bisherigen Erfahrungen sind sie das Resultat der Zersetzung von Chlormagnesium und der hierbei gebildeten Salzsäure, von im Wasser vorhandenem Zucker und der durch Zersetzung von Zucker entstehenden Ameisensäure, endlich und insbesondere der mit Kondensationswasser aus den Dampfmaschinen in den Kessel ge- langten Fette und der durch diese gebildeten Fettsäuren. Sie zerstören das Blech oft bis auf wenige Millimeter.

Als ein zur Abscheidung von Luft und Fett ans dem Speisewasser dienender Apparat soll sich eine von Schwartzkopff in Berlin ge- baute und in Fig. 4 dargestellte Vor- richtung, Patent A. Lechner, be- währt haben.

Dieselbe besteht aus einem zwi- schen die Röhren des dargestellten Kessels eingebauten Röhrensystem (72), in welches das Speisewasser durch das Rohr B poch vor dem £intritt in den Kessel gelangt. Das Wasser fließt durch dünne Röhren nach abwärts und durch weitere, die dünnen Röhren umschließende Rohre mit geminderter Geschwindigkeit nach aufwärts, wodurch es Gelegen- heit erhält, Luftbläschen und Fett- bestandteile abzuscheiden , welche sich im Windkessel F sammeln und von hier abgeblasen werden können, während das gereinigte Wasser durch G in den Kessel gedrückt wird und hier, wo die geringste Temperatur

FiR. 4.

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120 MAX KRAFT,

bei dem dargestellten Flammrohrkessel herrscht, da es im Kessel selbst vorgewärmt wird, eine günstige Temperaturausgleichung herbeiftdirt.

Die KoDstruktion des Kessels.

In diesem Punkte ist das System des Kessels, sowie die Qualität des Kesselmaterials zu beachten. Von den geradezu zahllosen Kesselkonstruk- tionen, die sich allerdings in etwa 6-7 Gruppen teilen lassen, sind, was die Sicherheit anbelangt, die sogenannten explosionssicherenKessel hervorzuheben. Es sind dies die Wasserröhren- oder auch Kessel mit engem Wasserraum, deren Anzahl heutigestags im Zunehmen begriffen ist und die, wenn sie auch keine absolute Sicherheit gegen Explosion bieten, die Gefahr doch gewiß auf ein überhaupt erreichbares Minimum reduzieren, trotz- dem sie gewöhnlich hohen Spannungen ausgesetzt sind. Erreicht ist dieser Vorteil durch die Auflösung des großen Wasserraumes der übrigen Kesselsysteme in eine größere Anzahl kleiner Wasserräume, wodurch die plötzliche Entbindung sehr großer, bei Explosionen auftretender Kräfte hintangehalten und durch den geringen Durchmesser der das Wasser enthaltenden Röhren eine bedeutende Erhöhung der Wider- standsfähigkeit dieser Röhren erreicht ist. Die mit diesen Kesseln ver- bundenen großräumigen Dampfsammler sind durch ihre Anordnung ge- wöhnlich der Einwirkung hoher Temperaturen entrückt Als Nachteile sind die Komplikation des Kessels, die erschwerte Montage, Wartung, Reparatur und Reinigung hervorzuheben.

Um der für die Bekämpfung der Explosionen so wichtigen Güte des Kesselmateriales sicher zu sein, wurden in den letzten Jahren Vor- schriften für die Prüfung dieser Qualitäten (Würzburger Normen) vorgeschlagen, nach welchen außer Schweißeisen nur im Flamm- ofen erzeugtes Flußeisen Bessemer- und Thomaseisen ist also ausge- schlossen — zugelassen und ganz bestimmte Arten der Prüfung der Bleche vorgeschrieben werden, wodurch auf diesem Gebiete der Sicher- heit gewiß ein mächtiger Schritt vorwärts gethan wäre.

Die Wartung des Kessel3.

Die unstreitig beste und umfassendste Sicherheits- einrichtung an einem Kessel ist ein tüchtiger, pflicht- eifriger Kesselheizer.

Da jedoch ein solcher, der vollkommene Kenntnis von den physi- kalischen Vorgängen im Kessel und den in demselben schlummernden Kräften und Gefahren mit unermüdlichem Fleiß und großer Gewissen- haftigkeit paaren muß, ungemein selten ist, mußte eben an eine selbst- thätige Ersetzung einzelner Eigenschaften des Heizers durch ent- sprechende Vorrichtungen gedacht werden, und das ungemein zahl- reiche Erscheinen dieser Vorrichtungen zeigt leider, wie vielseitig die ungünstigen Erfahrungen mit den Kesselheizem sind.

Der gefährlichste Zustand im Kessel ist der Wassermangel, sodann ein zu hoher Druck; gefährliche Arbeiten an und in dem- selben sind das Entleeren, sogenannte Abblasen und Reinigen des Innern des Kessels; gefahrvoll endlich ist auch das Brechen der sogenannten Wasserstandsgläser.

Der Druck im Kessel wird gewöhnlich durch ein Feder- oder Quecksilber -Manometer angezeigt, bezüglich welcher nur zu er-

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Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle. 121

wähnen wäre, daß das erstere häufig durch ein sogenanntes Normal- manometer auf die Richtigkeit seiner Angabe geprüft werden soll.

Die Einrichtungen, welche das gefahrvolle Sinken des Wasser- standes unter den bestimmten tiefsten Wasserstand, der außen am Kessel deutlich und aufiallend markiert sein muß, Ter- hindern, sind sehr mannigfaltig, wir haben hier zu erwähnen:

Vorrichtungen zum sicheren Erkennen des Wasserstandes; solche, welche das Eintreten des Wassermangels durch hörbare und sichtbare Signale kennzeichnen Spelsemfer und solche, welche nicht nur Alarm schlagen, sondern auch gleichzeitig und selbstthätig Wasser in den Kessel bringen und in der Weise die Thätigkeit des Heizers voll- kommen ersetzen Speiseregler.

Die Vorrichtuns:en zum Erkennen des Wasserstandes sind sogenannte Probierhähne, welche, in verschiedenen Höhen der Kesselwand eingesetzt , beim Oeifnen erkennen lassen , ob in der be- treifenden Höhe Wasser oder Dampf enthalten ist. Statt der Hähne werden auch kleine Ventile in Anwendung gebracht, die sich recht gut bewährt haben.

Genauer wird der Wasserstand durch die Wassserstands- gläser und die sogenannten Schwimmerapparate ersichtlich ge- macht. Die ersteren bestehen aus einem senkrecht angeordneten, oben und unten durch wagerechte Rohre Ansatzstutzen mit dem Eessel- innem verbundenen, daher kommunizierenden Glasrohr, in welchem dem- zufolge das Wasser in gleicher Höhe steht wie im Kessel. Der Haupt- nachteil dieser Vorrichtung besteht darin, daß sich die Ansatzstutzen leicht mit Schlamm und Unreinigkeiten verlegen, wodurch der Apparat

Fig. 6.

Fig. 6

unbrauchbar wird. Diesen Uebelstand umgeht der Wasserstandszeiger von Ochwadt, welcher, wie aus Fig. 5 und 6 ersichtlich, aus einem einzigen, entsprechend hohen und mit dem Kes8el durch einen gleich

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122 MAX KRAFTf

hoheD Schlitz Yerbandenen Hahngehäuse besteht, das vorn durch eine starke Glasplatte geschlossen ist and dessen Innenraum daher unmittel- bar und nicht durch enge Rohre mit dem Kesselinnern in Verbindung steht Die Schwimmerapparate bestehen aus einem gewöhnlich linsen- förmig aus Blech konstruierten, im Innern des Kessels auf der Ober- fläche des Wassers schwimmenden Körper (Fig. 8), dessen dem Wasser- stand folgende Bewegungen durch eine senkrecht geführte Stange mittels Hebel oder S^hnstange auf einen an einer sichtbaren Skala laufenden Zeiger übertragen werden und dadurch den Wasserstand er- kennen lassen. Der HauptnachteQ der Konstruktion liegt darin , daß irgend ein Bestandteil derselben diese Bewegungen aus dem Innern des Kessels nach außen leiten, daher durch eine Stopfbüchse hindurch- gehen muß. Da nun schon durch das Dichtziehen der letzteren eine bedeutende Reibung entsteht, welche noch durch Festbrennen und Dn- reinigkeiten vermehrt werden kann, so können die Bewegungen mög- licherweise nur unvollkommen auf den Zeiger übertragen und die Genauigkeit der Anzeige bedeutend herabgesetzt werden. Solche Schwimmapparate sind die von Dreyer, Rosenkranz u. Droop in Hannover und von Amphlett in Kiew.

Zur Umgehung des letzterwähnten Uebelstandes dieser Vorrich- tungen wurde der in Fig. 7 dargestellte magnetische Wassers tands- zeiger von Schäffer und Budenberg in Magdeburg kon- struiert. Bei diesem wirkt der (nicht gezeichnete) Schwimmer durch Kette und Kettenrad auf einen wagrecht gelagerten, dreh- baren Hufeisenmagnet, welcher seinerseits durch die Wand hin- durch den ebenfalls drehbaren Zeiger einer kreisförmigen Skala in Bewegung setzt.

Die Speiserufer setzen bei eintretendem Wassermangel eine elektrische Klingel oder eine Dampfpfeife oder eine Signal- scheibe in Bewegung und sind dabei häufig noch so kombiniert, daß sie auch noch einen zu hohen Dampfdruck und das Erreichen des höchsten Wasserstandes an- zeigen.

Es wird dies entweder durch einen im Kessel angeordneten Schwimmer wie beim Ap- parat von Amphlett, Schäffer und Budenberg, Harrens, Dreyer, Rosen- Fi«. 7. kränz u. Droop, L. Reu-

ling, A. Schädel ; durch einen außerhalb des Kessels in einem besonderen kommunizierenden Ge- fäß befindlichen Schwimmer (von Wulff, Klein, Beckers, Macabilt, Murrie, Reimann); durch das Schmelzen leicht schmelzbarer Le-

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Maschinelle Einrichtimgen gegen ün&lle. 123

gierimgen (von Fletcher, Black, Schwarzkopff, Dreyer, Rosenkranz u. Droop, K Kildoyle, A. Toovey); durch die Ausdehnung eines Rohres (von Daelen, Dewhurst, Strubb,Perotte, Horsin-Deon); Ausdehnung von Luft(Stabinger); die Ausdehnung Yon Quecksilber (Steinle u. Härtung); durch C^- Wichtsverminderung oder -Vermehrung eines Wasser- gefaßes (Arndt, Bourdon, Amouroux); durch Verdampfung einer Flüssigkeit (M al m s); durch eine Membran (Millward, Murrie, Guibert) u. s. w. erreicht.

Der Speiserufer soll dem Heizer nur als Eon- trollapparat vorgestellt werden, der Unregelmäßig- keiten in der Wartung anzeigt; er soll daher, wie dies bei elektrischen Klingeln leicht ausführbar ist, das ^ Signal auf dem Umwege über das Bureau in das Kesselhaus abgeben, im ersteren aber auch ein Signal ertönen lassen, sodaß der Heizer das Grefühl hat, vom Bureau und nicht vom Kessel direkt gemahnt zu werden.

Beim Ertönen des Signals ist der Heizer schon strafiEUlig. Alle diese Vorrichtungen sollen öfter ge- prüft werden.

Zu den Vorrichtungen mit Schwimmer und Dampf- pfeife gehört der in Fig. 8 vorgeführte Speiserufer Yon Schäffer u. Budenberg. Er besteht aus dem linsenförmigen Schwimmer mit senkrecht ge- führter Stange, welche in ein auf dem Kessel be- festigtes, oben mit einer Dampfpfeife versehenes Ge- häuse hineinreicht und am oberen Ende ein Ventil a tragt, welches bei normalem Wasserstande den Zugang zur Pfeife verschließt, beim Sinken unter den Minimalstand denselben öfhet

Der verbreitetste und daher bekannteste Apparat dieser Art ist der Schwarz köpf fische, welcher Fig. s.

sowohl das Erreichen des niedersten Wasserstandes als auch das etwaige Erglühen eines Flammrohres, sowie Ueberhitzungen im Kesselwasser signalisiert. Er wirkt durch Legierungsringe, welche zwei Kontaktstangen umgeben und diese btd Erreichung der betreifenden Temperatur durch Schmelzen verbinden.

Diese Vorrichtung Fig. 9 und 10 besteht aus dem unten offenen und bis zum tiefsten zulässigen Wasserstand in den Kessel reichenden Rohre od, welches durch ein Loch der Kesselwand hindurchgeht, hier durch Flanschen befestigt ist und an seinem oberen Ende durch ein Schlangenrohr oo mit dem oberen hohlen Teil A eines zweiten Rohres B in Verbindung steht, das unten geschlossen, oben offen ist, konzentrisch durch das Rohr a hindurch geht und mit seinem unteren Ende bis nahe zur Feuerplatte in den Kessel hineinragt. In dieses letztere, oben offene Rohr wird die sogenannte Kette eingelegt, welche aus zwei Kontaktstangen ddi Fig. 10 und aus zwei, mit diesen Stangen verbundenen Hülsen besteht, von welchen die eine an den tiefsten Punkt der Röhre JB, die andere in den, durch den erwähnten Hohlraum umgebenen Kopf des Rohres aa zu stehen kommt. Diese Hülsen Fig. 10 bestehen aus einem Blechcylinder,

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124 MAX KRAFT,

welcher oben and unten durch eine Isoliermasse geschlossen ist, und durch welchen die beiden Eontaktstangen so hindurchgehen, daß sie von dem Legierungsring II umgeben sind, ohne denselben zu berühren. Der

Ring der oberen Hülse ist aus einer leichter, der der unteren Hülse aus einer schwerer schmelzbaren Legierung ge- bildet.

Wird der Lufthahn h geöffnet, so steigt das Wasser aus dem Damptkessel infolge des Dampfdruckes durch das äußere Rohr und das Schlangenrohr o in den Kopf Ä und wird hier so stark abgekühlt, daß ein Schmelzen der Le- gierung nicht stattfindet. Sinkt im Kessel aber der Wasserstand unter den vorge- schriebenen tiefsten Stand, so tritt an die Stelle des Wassers heißer Dampf, welcher

Fig. 9. ^fS' 10.

den Ring U zum Schmelzen bringt, durch das in die konische Vertiefung laufende, geschmolzene Metall die beiden Kontaktstangen verbindet und das Signal ertönen läßt. Dasselbe tritt auch in der unteren Hülse ein, sobald das Feuerblech wegen Wassermangels glühend wird oder eine

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Maschinelle Eiimchtungen gegen Unfälle.

125

Kiit. 12.

n

Ueberhitzung des Wassers eintritt. Die Vorrichtung hat sich in der Praxis vielfach bewährt.

Als Repräsentant der anderen Konstruktionen sei hier der Speise- rafer von St ei nie und Härtung in Quedlinburg vorgefahrt

Derselbe besteht, wie aus Fig. 11 und 12 er- sichtlich, aus dem stäh- lernen Behälter a und der hohlen Spiralfeder r, welche beide mit Quecksilber ganz gefüllt sind. PäUt das Wasser aus dem, bis zum niedersten Wasserstande reichenden Bohre w, wel- ches Wasser bis dahin durch den Dampfdruck im Rohre erhalten wurde, so tritt Dampf in dieses Rohr ; dadurch wird das Queck- silber erhitzt und steigt, wodurchJeine|Drehung der Feder r und der Spindel d eintritt, die auf eine Signal- scheibe fibertragen und wo- durch ein Kontakt mg be- rührt wird, der eine elek- trischeEllingel ertönen läßt. Durch das Ventil v kann die Vorrichtung geprüft werden, indem man heißes Wasser an a vorbeistrei- ^::::^-~^^^— ^^ chen läßt. Fig. ii.

Die Speiseregler, welche sehr häufig auch als Speiserufer kon- struiert sind, sollen bei eintretendem Wassermangel den Kessel selbst- thätig speisen und können deshalb nicht so anempfohlen werden wie die Speiserufer, weil der Heizer sehr bald wahrnimmt, daß ihn der Apparat vollkommen ersetzt. Sie sind entweder so gebaut, daß sie Wasser aus einem Gefäß in den Kessel abfließen lassen, oder daß sie die Speisepumpe in Thätigkeit setzen, oder daß sie das von der kon- stant bewt^ten Pumpe gelieferte Wasser in den Kessel leiten, wozu die verschiedensten Wege eingeschlagen werden.

Zu den ersteren Vorrichtungen gehört der in Fig. 13 dargestellte Speiseregler von F. Walter.

Der eigentliche wirksame Apparat dieser Vorrichtung ist die Mem- brane Pf deren eine Seite mit einem Rohr w in Verbindung steht, das bis zum tiefsten Wasserstand in den Kessel reicht, während die andere Seite durch einen geführten Stift mit dem Ventil v in Verbindung ge- bracht ist.

Infolge des Kesseldruckes ist das Rohr u? bis zur Membrane mit Wasser gefüllt, dessen Gewicht an dieser Membrane gewissermaßen hängt

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Fig. 13.

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126 MAX KRAFT,

und dieselbe nach rechts zieht, wodurch das Ventil v auf seinen Sits niedergedrückt wird. Fällt das Wasser im Kessel unter den tiefsten Stand, so wird w entleert, die Membrane entlastet, das Gleichgewicht an beiden Seiten derselben hergestellt und dadurch das Ventil v geöffiiet, sodaß der Dampf aus dem Kessel durch das Rohr d und das Ventil v in den Wasserbehälter K treten und dadurch eine solche Druckaus- gleichung bewirken kann, daß sich das Ventil i;^ öffiiet und das Wasser in den Kessel abfließt. Hierdurch steigt das Wasser im Rohr ti?, und das Ventil v wird geschlossen. Durch das folgende Kondensieren des Dampfes in K entsteht ein luftverdünnter Raum, der das Schließen des Ventiles Vj, durch den Dampfdruck das Oeflnen des Ventiles t?^ und damit die neuerliche Füllung von K mit Wasser bewirkt.

Ein Speiseregler, welcher die Pumpe bei sinkendem Wasserstand in Bewegung bringt, ist der aus Fig. 14 ersichtliche selbstthätige Speise- regler von Wymann.

Er besteht aus einer in der Höhe des Normalwasserstandes außen am Kessel angebrachten Schwimmerkammer, welche oben durch das Rohr d mit dem Dampfraum des Kessels, durch das Rohr d^ mit der Steuerung der Speisepumpe, unten durch das Rohr w mit dem Wasserraum des Kessels, durch das Rohr ti?, mit * dem Druckventil der Speisepumpe in Verbindung

steht. Im Innern der Kammer befindet sich der Schwimmer S, welcher gerade gefuhrt und durch einen kleinen Hebel mit einer senkrecht geführten Ventilstange in Verbindung steht, an deren Enden sich die Ventile t;, und v^ befinden, von welchem das erstere {v^) den Zutritt des Kesseldampfes zur Speisepumpe, das letztere den Zutritt des Speise- wassers zum Kessel zu öffiien und zu schließen ver- mag. Sinkt der Wasserstand, dann sinkt auch der Fig. 14. Schwimmer, mit ihm die Ventilstange, und beide

Ventile öffnen sich gleichzeitig, sodaß der Dampf von d durch die Kammer und das Rohr d^ zur Pumpe strömt, diese in Be- wegung setzt, während das von der Pumpe gelieferte Wasser durch u?i in die Kammer und durch w in den Kessel tritt, bis der steigende Schwimmer die Ventüe wieder schließt.

Am richtigsten sind die Speiseregler dort am Platze, wo der Kessel durch die Speisepumpe ununterbrochen gespeist wird, weil in diesem Falle die Verpflichtungen des Heizers durch die Vorrichtung gar nicht tangiert werden.

Der oben beschriebene Apparat von Wymann kann leicht in einen solchen umgewandelt werden, wenn das Ventil v^ ganz wegbleibt, d. h. der Dampf konstant zur Pumpe fließt und das Rohr w^ mit einer Ab- zweigung und diese mit einem entsprechend beschwerten Ventil versehen wird, durch welches das konstant gelieferte Wasser bei geschlossenem Ventil t;, abfließen kann.

Andere, denselben Zweck verfolgende Speiseregler sind die von S. Reith, H. Grünwald, Halsenberg, W. Schmidt, H. Mar- tini, H. Rauser, W. Ritter, L. Dreux u. s. w.

Für -den Kesselheizer sind femer noch von unmittelbarer Ge£ahr

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Maschinelle Einrichtungen gegen ünfeUe.

127

das Brechen des Wasserstandsglases, wobei Dampf und heißes Wasser gleichzeitig zur AusströmuDg gelangen, während dem Heizer schließlich nichts übrig bleibt, als die in unmittelbarer Nähe befind- lichen Hähne der Ansatzstutzen zu schließen.

Um nun den Heizer in diesem Falle zu schützen, sind selbstthätig schließende Wasserstandszeiger konstruiert, deren wirksamer Apparat in Kugel-, in neuerer Zeit in Klappen- und Tellerventilen besteht, welche durch den vehement ausströmenden Dampf resp. das Wasser auf einen Ventilsitz gepreßt werden; oder die Gefahr wird dadurch zu beseitigen gesucht, daß die Wasserstandsgläser mit durchsichtigen Um- hüllungen versehen werden, oder statt aus cylindrischen Gläsern aus ebenen starken Glasplatten bestehen, die den Spannungen durch un- gleiche Erwärmung besser zu widerstehen vermögen; endlich sind Einrichtungen in Aiir Wendung, welche das Schließen der Hähne der Ansatzstutzen selbstthätig bewirken.

Von den ersterwähnten Vorrichtungen, welchen die Konstruktionen von Seh äff er und Budenberg, Marchant, Bome, Baudoin, Hopkinson, Thomson, F. 6. Ditze, A. Robie, J. C. Braun, Bohlecke und Poggenpohl, P. Ruß und N. A. Svensson, F. Schuhmacher und M. Usbeck u. s. w. angehören, sei in der nebenstehenden Fig. 15 die Schutz- vorrichtung von Weber und Westphal in Hamburg vorgeführt.

Sie besteht aus einem Wasserstands- glas, an dessen oberem und unterem Ende die Klappenventile a und a^ angeordnet sind, die sich beim Bruche des Glases selbst- thätig schließen. Bei normalem Betriebe be- finden sich die Klappen in der punktierten Lage. Durch den Stift b kann die geschlos- sene Klappe a von ihrem Sitz entfernt, d. h. wieder geöffnet werden, während die Klappe a^ bei Herstellung des Gleichgewichtszustandes durch ihr eigenes Gewicht herabfällt.

Zu fürchten ist nur, daß durch die Verengung der Durchflußquer- schnitte leichter eine Verstopfung derselben eintreten könnte.

Die Umhüllungen der Wasserstandsgläser sind sehr mannigfaltiger Natur. Das Glas wird durch ebene Glas- oder Glimmer- scheiben in Metallfassung, durch GlascyUnder und Halbcylinder von größerem Durchmesser, durch geschlitzte Metallcylinder u. s. w. umgeben

Die aus Fig. 16 ersichtliche Vorrichtung von Engels besteht aus einem halbcylindrischen Glase, welches in MetaUringe gefaßt ist, die sich mit biegsamen Klammerarmen an den Muttern des Wasserstandsglases ober- und unterhalb des letzteren festhalten. Da hierbei möglicherweise ein Wegschleudem durch die Gewalt des anströmenden Dampfes und Wassers eintreten kann, dürfte die Anwendung eines aus starkem Glase herge- stellten und gut befestigten, das Wasserstandsglas vollkommen umhüllen-

Pig. Ift.

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128 MAX KRAFT,

den Cylinders, wie dies bei der in Fig. 17 dargestellten Konstruktion von E. Scholz der Fall ist, besser entsprechen. Das Schntsglas a ist durch die Körper b und d festgehalten, von welchen das erstere in dem Körper c steckt. Alle diese Teile werden mit den Stopfbüchsen g an die Hahnkörper h angeschraubt und dann das Wasserstandsrohr f von oben durch eine mittels Schraube verschließbare Oefihung eingeführt. b wird so lange aus e herausgeschraubt, bis a festsitzt.

Fig. 16. Fig. 17.

Hierher gehören die Scbutzapparate der Königl. preuß. Staats- eisenbahn-Verwaltung, von E. Asten, Wohanka u. C, Müller u. C, Ehrendorfer, Ulimann, B. Schrader und 6. Schmidtbauer, Dreyer, Rosenkranz und Droop, J. Blanke u. C, S. L. Stübinger, Serlink.

Wasserstandsgläser aus ebenen starken Glasplatten zeigen die Kon- struktionen von Ochwadt (siehe Fig. 5 und 6), M. Glass, Ull- mann u. s. w.

Einen auf anderen Grundlagen beruhenden diesbezüglichen Apparat von D. B. Morison zeigt die Fig. 18.

Das Wasserstandsglas g, welches durch den Hahnkörper h mit dem Wasserraum, durch den Hahnkörper h^ mit dem Dampfraum des Kessels JC in Verbindung steht, ist durch das Bohr r mit dem oberen Ende des kleinen Cylinders c verbunden^ während das untere Ende von c mit dem Dampfraum des Kessels durch r, kommuniziert. In c ist ein Kolben k angeordnet, welcher durch die Stangen s und 8| an den Hebeln der Blume h und A^ angreift. Ueber und unter dem Kolben befindet sich

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MaschineUe Eii^ohtangen gegen XJn&Ue.

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Fig. 18.

gleichgespannter Dampf^ weshalb derselbe infolge der größeren oberen Drackfläohe die untere ist durch die Kolbenstange verkleinert im normalen Zustande nach abwärts gedrückt wird. Bricht das Glas Qf so steht der Baum über dem Kolben mit der Atmosphäre in Verbindung; der Dampf- druck auf die untere JPläche desselben kommt zur Wirkung, schiebt k nach aufwärts, vrodurch mittels s und 8^ beide Hähne gleich- zeitig geschlossen werden.

Bei dieser Vorrichtung wäre nur zu fürchten, daß sich in den Zwischenpausen von einem Bruch des Wasserstandsglases zum anderen, welche Pausen mitunter länger dauern, der Kolben festsetzt; dies könnte jedoch dadurch verhindert werden, daß der- selbe mit einer durch den oberen Deckel hindurchgehenden Kolbenstange versehen wird, welche durch eine Zugvorrichtung von Hand aus bewegbar wäre; übrigens ist eine solche Bewegung auch durch die Stangen s und $1 zu erreichen.

Das Abblasen des Kessels, welches von Zeit zu Zeit behufs Entfernung des im Kessel angesammelten Schlammes stattfinden soll, ist deshalb gefährlich, weil sich das Abblaserohr häufig mit Schlamm versetzt, in welchem Fall der Heizer sich nur durch Oeffhen des Flansches und Durchstechen des Schlammansatzes mittels einer Stange zu helfen vermag und dann bei plötzlichem Freiwerden der Oefihung um so leichter verbrüht wird, weil die Abblaseventile gewöhnlich an einer schwer zugänglichen, engen Stelle des Kesselhauses angeordnet sind und eine Flucht sehr erschwert ist. Es sollte daher überall die Sicherheits- Abblasevorrichtung von R. Weinlig in An- wendung kommen.

Dieselbe besteht, wie aus Fig. 19 ersichtlich, aus zwei ineinander- gesetzten Ventilen, deren Stangen in senkrechter Richtung diagonal durch den Kessel hindurchgehend montiert sind und daher vom Heizer auf dem Kessel stehend bedient werden. Das größere, 70 mm im Durchmesser haltende eigentliche Abblaseventil hat seinen Sitz am tiefsten Punkte des Kessels im Blech imd ist an einer rohrf5rmigen Stange befestigt, welche durch den ganzen Kessel hindurchgeht, im Dampfraum mit Löchern ver- sehen ist und durch Schraube und Handrad, die aus dem Kessel heraus- ragen, bewegt werden kann. Durch das erwähnte Rohr geht eine zweite Ventilstange, an deren oberem Ende ein kleines Handrad, am unteren Ende ein 15 mm großes Ventil angeordnet ist, welches seinen Sitz und Oefhung im großen Ventil selbst hat. Vor dem Abblasen wird nun zuerst dieses kleine Ventil geöffnet und die Abblaseöffiiung durch den, durch die erwähnten Löcher in das Rohr tretenden Dampf vorerst gut durchgeblasen und gereinigt und dann erst das große Abblaseventil geöffiiet.

Handlwch ier Hygiene. Bd. YHI.

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MAX KRAFT,

Der Apparat kann auch vom Innern des Kessels gehandhabt werden, was wichtig ist, weil die Abblaseröhren mehrerer Kessel gewöhnlich miteinander in Verbindung stehen.

Zu den Sicherheitsapparaten gehören femer noch die Slcherhelts- rentile und Dampfrentlle.

Die ersteren sollen das Entstehen einer zu hohen Spannung im Kessel verhindern und sind so konstruiert, daß sie durch den Dampf- druck, wenn er die vorgeschriebene Höhe er- reicht, selbstthätig geöflhet werden, worauf so lange Dampf austritt, bis die Spannung auf das normale Maß gesunken ist und das Ventil infolge seiner Belastung sich wieder schließt.

Aus sämtlichen nebeneinander stehenden Kesseln tritt der Dampf gewöhnlich in ein ge- meinschaftliches Dampfleitungsrohr, welches zum Motor fQhrt und durch welches alle Kessel mit- einander verbunden sind. Da es nun häufig vorkommt, daß ein oder auch mehrere Kessd wegen Reparatur oder Entfernung des Kessel- steines außer Betrieb gesetzt worden sind, muß jeder Kessel gegen dieses gemeinschaft- liche Dampfrohr abschließbar sein, und dies geschieht durch das DampfventiL Das letztere kann daher nicht selbstthätig funktionieren, und soll so konstruiert sein, daß es nur lang- sam geöffnet werden kann, zu welchem Zwecke es gewöhnlich mit Schraube und Handrad ver- sehen wird; neuerer Zeit werden auch Keil- flächen von bestimmter Steigung zum Oefhen verwendet. Nie darf an die Stelle dieses Ven- tils ein Hahn gesetzt werden, da bei demselben ein zu plötzliches Oeffnen des Durchgangsquer- schnittes kaum zu umgehen ist.

Wird in einem der Kessel eine Reparatur vorgenommen, so soll das Dampfventil dieses Kessels so gesichert werden, daß ein Oefinen unm^lich wird, weil sonst aus den benach- barten Kesseln der Dampf in diesen Kessel eindringt und die an der Reparatur be- schäftigten Arbeiter in die größte Gefahr bringt. Am sichersten ist es, den Kessel unter dem Ventil durch einen sogenannten Blindflansch, d. h. durch eine Eisenplatte vollkommen ab« zuschließen.

Pig. 19.

2. Motoren im engeren Sinne.

Was nun die Motoren^anlangt, so sind nur die ersten vier Gruppen (S. 115) in Betracht zu ziehen, da die Wassermotoren gewöhnlich in schwer zugänglichen Räumen angeordnet sind und nur der Lager- schmierung b^tlrfen.

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Mascilinelle Einrichtungen gegen Unfälle.

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Die ersten vier Motorgruppen, welche sieh indofem ähnlich sind, als sie die Kraft durch einen hin- und herlaufenden Kolben aufnehmen imd in eine rotierende Bew^^ng verwandeln, verlangen die stete An- wesenheit des Wärters, können deshalb nicht so abgeschlossen werden, wie die Wassermotoren und sind daher viel mehr geeignet, UnfiÜle herbeizuffthren. Am gefthrlichsten sind selbstverständlich die bewegten Teile, namentlidi wenn man bedenkt, daß Wärter, sowie zufällig an- wesende Personen durch Ausgleiten oder Straucheln trotz aller Vorsicht in die Wirkungsphäre derselben gelangen können.

Die beim rückwärtigen Deckel heraustretende Kolbenstange soll durch eine feststehende Hülse dngesdüossen, der Raum um die Maschine zur Hintanhaltung des Zutrittes Unberufener eingegittert, die rotierende Kurbel ebenfalls durch Gitter gedeckt sein. Da das Schmieren sehr häufig Anlaß zu Unfällen giebt, soll ein jetzt oft anzutreflender Gentnd- schmierapparat oder durchw^ feststehende Schmierbüchsen angewendet werden, von welchen aus alle beweglichen Teile mit Schmiere versehen werden können. Bei Kurbeln wendet man oft einen Oelabstreif- Apparat an, welcher aus einem, an dem höchsten von der Kurbel ber&rten Punkte angeordneten, Leder- oder Metallstreifen oder Docht besteht, auf welchem kontinuierlich Oel läuft, das von der Kurbel beim Vorbdgange durdi eine rinnenförmige Konstruktion abgestreift und dem Schmierapparat zugeführt wird, oder es ist ein g^enkurbelartiges Röhrchen mit dem einen Ende in den Kurbelzapfen eingesetzt, durch das andere mit einer feststehenden Schmierbüchse in Verbindung und führt das Oel durch Bohrungen zu den Lagerschalen.

Der Laufkreis des Gentrifugal-Regulators soll eingegittert sein.

Zur Umwehrung der aus dem rückwärtigen (Minderdeckel heraustretenden Kolbenstange werden in den meisten FäUen die in den Fig. 20 und 21 dargestellten Einrichtungen verwendet

Die erste und richtigste besteht aus einem Blechrohr, welches, an der Stopfbüchse befestigt, die hin- und herbewegte Stange vollkommen umschließt und am Ende mit einer Oeff- nung versehen ist, durch welche die Luft ein- und austreten kann.

Die zweite besteht aus dner, in der Ebene der Stange angeordneten, an der Stopfbüchse festgesciu'aubten , gebogenen Stange, welche eine Annäherung an die Kolbenstange verhüten soll, die Umwehr- ung aber nicht in so exakter Weise zur Dim:hführung bringt, wie die erste Kon- struktion.

Der gefährlichste Teil eines Motors ist das Schwungrad, welches schon eine große Anzahl meist tödlicher Unfälle veran- laßt hat. Deshalb soll der Rand der Schwungradgrube durch 1 dm hohes, auf- recht stehendes Brett oder Gitter gegen Hineingleiten eines Fußes ge- schützt, das Schwungrad selbst auf etwa 1,3 m Höhe gut eingegittert, die OeffDUDgen zwischen den Armen verschalt sein.

Eine der gefährlichsten Operationen am Schwungrad ist das An- drehen desselben am Beginne des Betriebes, welches bei Gaskraft-

H

Fig. 81.

Fig. «0.

21

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MAX KRAFT,

maschinen immer, bei Dampfmaschinen nur dann durchgeführt werden muß, wenn die Kurbel in einer ungünstigen Stellung stehen geblieben ist. Zu diesem Behufe werden die Schwungnd-AndrehTorrlehtiuigeii in Anwendung gebracht Diese Vorrichtungen sind deshalb schwierig herzustellen, weil namentlich bei Gaskranmaschinen diese während des Andrehens kräftig zu arbeiten beginnen, dem Schwungrad eine große Geschwindigkeit erteilen und dadurch auf den Andrehapparat so rückzuwirken vermögen, daß der daran thätige Arbeiter in Gefahr gerät. Um dies zu verhüten, muß dieser Apparat so konstruiert sein, daß er sich selbsthätig auslöst, sobald das Schwungrad eine größere Geschwindigkeit erreicht als die Andrehvorrichtung. Eine solche von Langen und Wolf gebaute Vorrichtung ist in den Fig. 22 und 23 dargestellt

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Fig. 88.

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Fig. 88.

Dieselbe besteht aus einem Hand -Triebrad f, durch welches mittels des Zahnrades r das größere Rad K gedreht wird, an welchem

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Maschinelle Einrichtangen gegen Unftlle.

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sich die zwei um Bolzen drehbaren Klinken Ä und B befinden. Diese können mittels der Handhaben A A in die Zähne einer gezahnten Scheibe 8 eingeklinkt werden, welche Scheibe an der verlängerten Nabe des Schwungrades befestigt ist. Die Klinken werden durch die Federn f in der eingeklinkten Lage erhalten. Die Bewegong des Handrades wird in diesem Falle auf das Schwungrad übertragen. Erh&lt dieses und mit ihm 8 jedoch eine größere Geschwindigkeit als das Bad K, so heben die Zähne von 8 die Klinken selbstthätig aus, und diese werden auch im ausgeklinkten Zustande wie dies B zeigt durch die Federn f festgehalten, das Handrad vom Schwungrad daher automatisch getrennt.

Das Andrehen der Schwungräder bei gewöhnlichen Dampfmaschinen wird entweder durch das Eingreifen einer durch Handhebel bewegten Klinke in eine am Schwungradkranz befindliche Verzahnung Apparat von Starke und Hoffmann oder durch Reibung bewirkt Zu den letzteren gehören die Vorrichtungen der Görlitzer Maschinen- bau-Aktien-Gesellschaft, von K. Blanke in Barmen und ein in der Fig. 24 dargestellter Apparat, welcher aus dem Bremsklotz a bestdit, der seinersdts mittelst einer kniehebel- artigen Anordnung an den Schwungradkranz durch einen Druck auf den Hebel oc angepreßt werden kann und denselben in der Rich- tung des Pfeiles in Be- wegung setzt.

Andere durch Klem- men wirkende Andreh- Einrichtungen sind eher geeignet, die Gefahr zu vergrößern.

Der Nutzen, den die sogenannten Abstellvorrichtungen an Motoren gegen Unfälle bieten, ist nach den neueren Erfahrungen ein geringer. Für die unmittelbar am Motor eintretenden Unfälle sind diese Vorrichtungen gewiß gut, namentlich wenn es sich nicht um den Wärter, sondern eine andere Person handelt, da der Wärter in diesem Fall sofort eingreifen kann ; f&r Unfälle aber, welche in einer vom Motor fem gelegenen Werkstätte eintreten, kommt das Abstellen des Motors zu spät. Die Beobachtung des Unfalls, die Bethätigung der Vorrich- tung, die Wirkung dieser am Motor bei einer größeren Quantität be- w^er Massen oder gar bei Vorhandensein eines Schwungrades erfordern so viel aufeinander folgende Zeitmomente, daß eine Verhinderung des Unfalls hierdurch gewöhnlich unmöglich wird. Nur bei kleinen Werk- stätten, wo der Motor in der Werkstätte selbst steht, mögen sie noch Aussicht auf Erfolg bieten, welche jedoch, wenn ein Schwungrad vor- handen ist, nur sehr gering sein kann. Zu den besten dieser Vorrich- tungen zählen die von Dr. R. Proeil konstruierten.

Die bei Maschinen mit Kondensation in Anwendung gebrachte Vor- richtung von Dr. R Pro eil besteht, wie aus Fig. 25 zu ersehen, aus dem Doppelsitzventil v, welches so in die Dampfleitung eingesetzt ist,

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Fig. 84.

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MAX KRAFT,

daß der Dampf in der Pfeilrichtung während des Betriebes ununter- brochen durch das Ventil zieht. Die Ventilspindel s ruht mit der Bolle r auf einer (beweglichen) Unterlage, wodurch das Ventil geöffiiet erhalten wilrd.

Wird nun an irgend einer Stelle der Werkstätte ein elektrischer Kontakt geschlossen, so zieht der Elektromagnet m, welcher unter dem Ventil in einem Kasten angeordnet ist, den Anker a an, dadurch wird der wagrechte Arm K eines Winkelhebels frei, worauf die Feder f zur Wirkung kommt und mittels der Nase h die Unterlage unter der Bolle r zur Seite zieht. Das Ventil ÜHt und schließt die Dampfleitung zur Maschine ab. Um nun gleichzeitig eine Bremsung der Maschine zu er- reichen, ist seitwärts an dem Ventilkasten ein Messingansatz (Fig. 26 und 27) angebracht, in welchem sich der Kolben i befindet, der ftlr ge-

Fig. 86.

Fig. 86.

Fig. 87.

wohnlich die Oefßiung gegen die Atmosphäre abschließt. Fällt das Ventü, so saugt der Kolben der Maschine die geringe vor dem Ventil befindliche Dampfmenge ab, es entsteht links vom Kolben i ein luftverdünnter Baum, der Kolben wird durch den Druck der Atmosphäre nach links ge- schoben (Fig. 27), und es strömt Luft durch r^ in den Kondensator, dieser wird daher „belüftet", wodurch die Maschine resp. der Kolben ge- bremst wird und dadurch ein schnelles Stillstehen bewirkt, was aber wohl nur bei gleichzeitigem Bremsen des Schwungrades zu erreichen sein dürfte.

Die von Starke und Hoff mann in Kirschberg angewendete, in Fig. 28 dargestellte Vorrichtung wirkt durch das Fallen eines Gewichtes Q-^

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Maschinelle Einrichtangen gegen Un&Ue. 135

"wodurch sowohl das Bremsen des Schwungrades, als auch das Schlielten des BampfVentils erreicht wird.

Bei Herstellung eines elektrischen Kontakts an irgend einer Stelle der Werkst&tte zieht der Magnet m den Anker a an; dadurch wird das «n h befindliche Oewicht g frei, &llt, schlägt auf den einen Arm des

Fig. 88.

Hebels %|, wodurch wieder O frei wird und das Bremsband um das Schwungrad S festzieht, während gleichzeitig die an der Bremshebelaxe x befestigte Stange s und durch diese die Zugstange 0 nach abwärts ge- zogen wird und dadurch die Abstellung des Dampfes bewirkt.

Ebenso können auch die anderen AbstellvorrichtuDgen wie die von der preuß. Staatseisenbahn - Verwaltung, von der deutschen Jutespinnerei und -Weberei in Meißen, von der Firma W. Spindler, von E. Herberts, C. Q. Hoffmann, H. Mohrenberg, G. A. Schütz, Dollfuß-Mieg, Keil und Meister, G. Hambruch, R. Wolf, Siemens und Halske, des Vereins chemischer Industrieller Deutschlands, P. Brennicke u. C, der Friedr. -August-Hütte zu Pot- schappel etc. in Anwendung kommen, aber nur in kleinen Werkstätten, wo der Motor gewöhnlich unmittelbar in der Werkstätte steht; im anderen Falle soll die Abstellung stets an der Transmission angeordnet sein.

B. Transmissionen.

Zu den gefährlichsten Einrichtungen der Werkstätten gehören die Transmissionen, durch welche die weitaus zahlreichsten Unfälle mit meist tödlichen und schweren Verletzungen herbeigeführt werden. Unter Transmission verstehen wir alle diejenigen Mechanismen, welche die vom Motor gelieferte Arbeit auf oft weit entfernte Punkte an Arbeits- maschinen und sonstige Vorrichtungen übertragen. Sie bestehen der Hauptsache nach aus wagerecht und senkrecht gelagerten runden Stangen, den Wellen, den auf diesen befestigten und mit denselben rotierenden verschiedenartigen Rädern Zahnräder, Friktionsräder, Riemen-, Seil-,

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136 MAX KRAFT,

Schnur- und Kettenscheiben und den diese letzteren verbindenden Riemen, Seilen,* Schnuren, Ketten u. s. w.

Gefährlich ist meist schon der bloße Verkehr an oder ttber einem Transmissionsteil, weil aus der Welle hervorragende Teile, wie die zum Befestigen der Räder auf der Welle dienenden Keile resp. Keil- nasen, den Vorübergehenden zu erfassen vermögen, weil sich ein Klei- dungsstück desselben durch Adhäsion um die Welle herumwickeln, den Betreffenden mitnehmen und schwer beschädigen kann. Aus denselben Gründen sind alle Arbeiten an Transmissionsteilen, das Schmieren, Putzen, das Ein- und Auskuppeln, namentlich aber die Arbeiten an Treibriemen, das Auflegen auf die Scheibe, das Spannen und Reparieren der Riemen u. s. w. sehr gefahrliche Arbeiten, die nur während des Stillstandes der Transmission durchgeführt werden sollen; ein Befehl, der immer wieder nicht befolgt wird, weil es den Arbeitern nicht paßt, wegen des Aufl^ens eines Riemens die ganze Transmission in Stillstand zu versetzen ; dies in den meisten Fällen ohne Stillsetzen des Motors gar nicht angeht und immer mit Zeit-, also Arbeits- und Lohnverlust für die übrigen Arbeiter verbunden ist. Es sollen daher alle Transmissionen in entsprechend viele kleinere Abteilungen geteilt und diese durch leicht und auch von entfernteren Punkten ausrückbare Kuppelungen verbunden sein; einmal, um den obigen Befehl leichter befolgen, dann auch um bei eintretendem Unfälle von jeder Arbeits- maschine d. h. von vielen Punkten der Werkstätte aus den Stillstand des betreffenden Teiles der Transmission und der Arbeitsmaschinen schnell und sicher herbeiführen zu können. Es soll daher die Absteilvorrichtung vom Motor in die Transmission verlegt werden, da nur in diesem Falle auf Erfolg gehofft werden kann.

Von den Schutzvorrichtungen an Transmissionen wären folgende anzuführen :

Bedeckung der Wellen , wo der Verkehr nahe an oder über denselben vorbeigeht. Tief liegende Wellen sollen stets ganz, nicht nur an der Uebergangsstelle mit hölzernen Kästen bedeckt werden, da jeder die Stelle Passierende durch Ausgleiten oder Straucheln mit derselben in Berührung kommen kann. Senkrechte, durch den Fußboden der Werkstätten laufende Wellen sollen auf etwa 2 m Höhe durch zwei- teilige Blechmäntel oder Holzkästen, oder Drahtgewebe ummantelt werden.

Die Fig. 29 zeigt die üeberdeckung einer höher gelegenen Welle an einer Verkehrsstelle; dieselbe ist hier als Stiege ausgebildet Die Bedeckung soll aber auch daneben zur Ausführung kommen durch einen

einfachen , abhebbaren Kasten oder durch ver- steiftes Drahtgewebe etc. Fig. 30 ist der Schnitt durch den eine niedrig |:[) liegende Welle bedecken-

p den Kasten, der durch Winkelbänder oder in Fig. S9. Fig. 80. Fig. 81. Löcher des Bodens drin-

gende Stifte befestigt werden kann. In Fig. 31 ist die Ummantelung einer senkrechten Welle dargestellt.

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A

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Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle.

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BedeckiiBg herrorragender Teile, wie Keilnasen, Köpfe und Muttern von Verbindungsschrauben u. s. w.

Zur Bedeckung der Keilnasen kann die in Fig. 32 und 33 gezeichnete Vorrichtung von Schmidt dienen; sie besteht aus einer au£en abge- rundeten eisernen Hülle, welche im Innern mit Klemmfedem versehen ist und mit diesen an den Keilnasen festhält. Es kann auch eine ein- fache Blechummantelung verwendet werden, deren Befestigungsteile aber nicht hervorragen dürfen ; in vielen Fällen werden aus zwei Teilen bestehende Holzcylinder über die Nase geschoben, wie dies Fig. 34 und 35 zeigen.

Fig. 82 o. 33.

Fig. «4.

Fig. 86.

Die Köpfe und Muttern der Befestigungsschrauben an festen Kuppe- lungen müssen entweder, wie in Fig. 36 und 37 (System L. Wetz eil), versenkt oder durch hervorspringende Ränder der Kuppelung bedeckt, am besten aber die ganze Kuppelung, wie dies Fig. 38 zeigt, vollständig umhüllt werden. Dil Umhüllung kann dabei mitrotieren, wie dies bei Fig. 38 der Fall ist , darf aber dann keine hervorragenden Teile zeigen, oder, was besser, dieselbe wird mittels eiserner Arme an eine ntJie gelegene Wand oder Decke befestigt und steht still. Die Köpfe der Klemmschrauben an Stellringen sollen ebenfalls versenkt werden.

E^

Fig. 36.

r

-€^m^

Fig. 37.

I Fig. 88.

Das Schmieren sowie das Reinigen der Transmissionsteile soll immer und ausschließlich im Stillstande geschehen, da dies niemals so dringende Arbeiten sein müssen, daß nicht bis zum Stillstände gewartet werden könnte; es sollten daher auf die Ausführung dieser Arbeiten während des Betriebes ganz exemplarische, empfindliche Strafen gesetzt und es sollen alle diejenigen Sicherheitsvorrichtungen, welche diese Arbeiten während des Betriebes mit etwas größerer Sicher- heit auszuführen gestatten, eigentlich verpönt sein. Es kann unmöglich schwierig sein, eine bestimmte Zeit für die Ausführung dieser Arbeiten täglich anzusetzen, welche in die Periode des Stillstandes des Motors fällt ; ist dies durchaus nicht möglich, so soll die Transmission partien- weise durch Ausrückkuppelungen in Stillstand versetzt werden. Die an Stangen angeordneten Schmierkannen, sowie die Putzstangen, welche beide Arbeiten von unten aus an der hochliegenden Transmission aus-

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138 -MAX KRAFT,

zufahren gestatten, können immerhin beibehalten werden; ebenso die Laufbühnen und Sicherheitsleitern, welche bei beiden Arbdten das bequeme und sichere Stehen ermöglichen. Solche Leitern sind oben mit Fanghaken, unten mit an den Boden sich anschmiegenden, stellbaren und rauhgemachten FQßen versehen, oder mittels Rollen auf eisernen Schienen hängend und der Transmission entlang verschiebbar.

Die von der Augsburger Kammgarnspinnerei verwendete, in Fig. 39 dargestellte, Sieherheitsleiter besitzt an den oberen Enden homartige Haken, mit welchen sie über die betreffende Wdle greift und wodurch ein Seitwärtsgleiten verhindert ist. Das Rückwärtsgleiten wird dadurch umgangen, daß an den unteren Enden der Leiterwangen drehbare Schuhe angeordnet sind, deren Haftflächen mit Querleisten aus Holz oder Kautschuk versehen sind.

um das Schmieren der Lager, der Losscheiben u. s. w. nur in größeren Intervallen durchführen zu müssen, ist die Anwendung der sogenannten Selbatsehmlerrorrichtniigeii sehr zu empfehlen; dieselben bestehen der Hauptsache nach aus einem Schmierbehälter, aus welchem das Schmiermittel in entsprechender Weise an die zu schmierenden Flächen geführt wird. Hierher gehört die Schmiervorrichtung von Dürkopp u. Co. (Fig. 40), welche aus der centrisch in die Welle ein- gesetzten Schmierbüchse a besteht, aus welcher die Schmiere durch

Fig. 59. Fig. 40.

radiale Kanälchen infolge der Centrifugalkraft zum Lager und zu der neben dem Lager sitzenden Losscheibe geführt wird. Hierher gehören femer die Schmierbüchsen von Hoe finghoff und Lünnemann.

Die Umwehrungen und Umhüllungen der bewegten Räder, der Riemen, Seile, Schnüre, Ketten g^en die Ver- kehrsseite hin sollen konsequent zur Anwendung gebracht wmlen. Zahnräder sollen nicht nur an der Einlaufstelle oder dort, wo sie anffesten Stellen vorübergehen, durch ein einfaches Schutzblech gesichert werden, wie dies vor mehreren Monaten in einer Zeitschrift anempfohlen wurde, sondern sie sollen vollkommen ummantelt werden, da ja eine Berührung derselben nicht nur von oben oder unten, sondern auch von der Seite her gefährlich werden kann; eine konstante Beaufsichtigung solcher auf der Welle festsitzender und im richtigen Eingriff befindlicher Zaimräder ist gar kein Bedürfnis, da sie zu den stabilsten Mechanismen zählen, an welchen nur selten Reparaturen vorkommen, und diese nur solche sind, welche ein Abnehmen der Räder, d. h. ein Stillsetzen der Maschine bedingen. Das Schmieren kann auch durch eine Oefinung

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Hasohinelle Einrichtungen gegen UnfUle.

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des Mantels zur Ansf&hrung kommen. Zum bequemen und gefahrlosen Abnehmen des Mantels soll dieser mit einer entsprechenden Handhabe versehen sein. Die vollkommen ummantelten Zahnräder haben bisher gar keine üebelstände bemerken lassen und sind gegen Verstaubung geschlitzt Riemen-, Schnur-, Ketten- und Seiltriebe sollen stets gegen die Verkehrsseite durch Blech- oder Holzwände, hölzerne oder eiserne Stangen- oder Drahtgitter al^eschlossen sein, namentlich dort, wo sie durch einen Fußboden hindurchtreten.

Die Fig. 41—45 zeigen solche Umwehrungen. Das Schutzblech

Piff. 41.

Fi«. 4«.

Fig. 43.

Fig. 44.

in Fig. 41 genflgt an dieser Stelle, da es die Einlaufstelle der beiden Zahnräder nicht nur von oben, sondern auch ;von der Seite bedeckt; liegen die Zahnräder jedoch freier, als dies hier der Fall ist, wo der Zutritt durch die beiden Lager beengt und die Vor- richtung hoch oben angebracht ist, dann soll stets eine voUkommene ümmantelung durchgeführt werden.

Fig. 42 zeigt die Umwehrung eines schiefen, Fig. 43 und 44 eines wagerechten und Fig. 45 eines seärechten, durch den Boden der Werl^tätte hin- durchtretenden Biementriebes.

Die Blemen-Aus- und -Elnrilekvorrichtiing. Soll eine mit der treibenden Welle durch einen lUemen verbundene zweite Welle oder Arbeits- maschine in Stillstand, später wieder in Betrieb ver- setzt, oder an Biemen Beparaturen u. s. w. vorge- nommen werden, dann muß der Biemen von der Biemenscheibe abgestreift, später wieder auf dieselbe aulgelegt werden. Die hierbei durchzufahrenden Arbeiten gehören zu den gefährlichsten der technischen Betriebe. Das Abstreifen und Auflegen mit der Hand soll höchstens bei Biemen von weniger als 40 mm Breite geduldet, bei jedem breiteren Biemen auf das strengste untersagt werden.

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Fig. 45.

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MAX KRAFT,

Fig. 46 and 47.

Die yorrichtungen, welche diese BeweguDgen des Riemens gefahrlos machen sollen, sind sehr mannigfacher Natur.

Riementräger. Damit der abgestreifte Riemen nicht auf die rotierende Welle falle, wo er sich leidht aufwickeln und mit ihm in Bertlhrung kommende Menschen mitreißen kann, werden feste Vor- richtungen neben der Riemenscheibe angeordnet, auf welche der Riemen zu li^en kommt; sie sollen so konstruiert sein, daß ein Aufwickeln des Riemens auf die Welle unmöglich und das Wieder- auflegen des Riemens auf die Scheibe erleichtert wird. Zu den besten dieser Vorrichtungen gehört die von Bieder- mann, welche, wie aus Fig. 46 und 47 ersichtlich, aus einer neben der Riemen- scheibe an der Decke befestigten, ge- krümmten Schiene und daran ange- brachten wagerechten Bolzen besteht, auf welchen der abgeworfene Riemen so zu liegen kommt, daß das Auf- legen desselben auf die Scheibe mit einem einfachen Aufleger leicht ausfahrbar wird. Von den anderen Riementrägem sind zu erwähnen die der Webeschule in Spremberg, von Dietrich und Hammesfahr. Die Riemenaufleger. Dieselben sind entweder f&r sich be- stehend oder mit Riementrägem kombiniert.

Unter den für sich bestehenden Riemenaufl^ern sind als besondere Eonstmktion die sogenannten ausziehbaren, verlängerbaren Riemenauf- leger zu erwähnen, wie die von Pretzel, Hörn, Laichsenring, Hoffmann, Witt, Ruppert, Heilbrunner, der Victoria- Anfleger u. s. w. Sie sind hauptsächlich dadurch charakterisiert, daß der gewöhnlich am Ende der Auflegerstange angeordnete Finger, welcher beim Auflegen zwischen Scheibe und Riemen zu liegen kommt, von diesem letzteren mitgenommen wird, wodurch gewissermaßen eine Ver- längemng der Stange eintritt, die durch die Konstraktion ermöglicht sein muß. Da nun die Größe der Verlängerang vom Durchmesser der Scheibe abhängt, die Anwendung bei einer Scheibe von größerem Durch- messer möglicherweise gefährlich werden, da femer bei der vehementen Bewegung ein Herausreißen und Weg- schleudem des Fingers eintreten kann, da endlich die komplizierte Konstraktion einer solch gewaltsamen Be- handlung nicht lange standhalten dürfte, sind diese Riemenaufleger nicht zu empfehlen.

Von den anderen Riemenauflegem sind zu erwähnen die von Dülken, Köhsel, Hammesfahr, Brauer, Frenzel, Schorenberg, Martin, Hoffmann, Redlich, Greil u. s. w. Unter diesen sind einige von so komplizierter Konstraktion, daß an eine aU- gemeine Anwendung wohl kaum gedacht werden kann. Der einfachste ist der in der Fig. 48 dargestellte Riemen- aufleger von Dülken, welcher aus dem am Ende der Stange S um den Bolzen b drehbaren Finger d und der ebenfalls drehbaren Scheibe s besteht, an welch IrM^ letztere sich die Kante des Riemens beim Aullegen Fig. 48. stützt. Durch die Drehbarkeit der wirksamen Teile

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Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle. 141

ist die Reibung zwischen denselben und dem Riemen und damit die Gefahr vermindert; trotzdem muß sich der Arbeiter sehr hüten, daß der Finger zwischen Riemen und Scheibe genommen wird, was bei einem ungeschickten Arbeiter, sowie bei unvorhergesehenen Fällen, etwa Aus- gleiten, Straucheln, möglich ist und dann leicht eine Beschädigung des Arbeiters im Gefolge haben kann.

Die mit Riementrägern kombinierten Riemenaufleger bestehen meistens aus arm- oder scheibenartigen, neben der Riemenscheibe an- geordneten Trägem, welche entweder um die Welle drehbar sind und dadurch das Auflegen des Riemens bewirken, oder mit Hilfe einer Riemengabel das Auflegen in sicherer Weise zur Ausführung bringen lassen.

Eine neuere und gut durchdachte Konstruktion ist der Riementräger und -aufleger von G. Hauck, welcher aus der Fig. 49 zu ersehen ist.

Er besteht aus einer neben der Treibscheibe a angeordneten, nn- ninden Scheibe 6, deren Peripherie zum Teil konzentrisch zur ersteren und deren Umfangsfläche etwas konisch gegen die Treibscheibe a verläuft Diese Scheibe b läuft mit ihrer Nabe auf einer die Welle umschließenden, an dem Lager befestigten Hülse e und besitzt am Ende der Nabe eine konzentrische Nut, in welche eine in der inneren Fläche des die Hülse ebenfalls umschließenden Gylinders d ange- ordnete ringfbrmige Erhöhung eintritt. Dieser Gylinder d besitzt außerdem noch auf derselben Fläche eine schraubenförmig verlaufende Nut, in die wieder eine gleich- gestaltete, an der Hülse e angeordnete Erhöhung eintritt. Der Gylinder d ist durch einen Hebel drehbar. Pig- 49-

Das Abwerfen des Riemens muß durch eine besondere Vorrichtung zur Ausführung gebracht werden; der Riemen bleibt in diesem Falle auf der Scheibe b in Ruhe. Beim Aufechieben desselben auf die Trieb- scheibe a wird der erwähnte Hebel gedreht, dadurch der den Kopf dieses Hebels bildende Gylinder d und mit diesem die Scheibe selbst infolge des Schraubenganges gegen die laufende Triebscheibe a bewegt und ein an ersterer angeschraubter Konus c in einen Hohlkonus der letzteren gepreßt, demzufolge die unrunde Scheibe mitgenommen, wobei der Riemen infolge des konischen Umfanges auf die Triebscheibe selbst- thätig übergeht

Zum Auflegen über 100 mm breiter Riemen dienen die Aufleger von Reinhard und Schulze, bei Stufenscheiben der Riemen Verleger von Busse.

Losseheiben. Die beste diesbezügliche Vorrichtung ist die neben der festsitzenden Riemenscheibe angeordnete, gleich große Los- oder Leer- scheibe, auf welche der Riemen bei der Ausrückung auf-, von der er bei der Einrückung wieder abffeschoben wird. Die Verschiebung wird gewöhn- lich mit einer Riemengabel, d. h. einer gabelförmigen Konstruktion, welche den Riemen zwischen die Zinken faßt und zur Seite schiebt, bewirkt.

Bei der Verwendung von Losscheiben sind hauptsächlich zwei An-

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MAX KRAFT,

Ordnungen gebräuchlich; bei der einen läuft der Riemen mit der Los- scheibe während des StQlstandes der Maschine weitw, die Losscheibe muß daher geschmiert werden, bei der anderen steht der Riemen stiU, die Losscheibe muß aber dann bei der Ueberfilhmng des Riemens auf die Festscheibe vorher in Bew^ung gesetzt werden, was einen besomieren Apparat erfordert Beide Anordnungen sind gut, reduzieren die Gefedir am das thunlichst geringste Maß und sollten daher allgemein eing^hrt werden und Riementräger und Riemenaufleger verschwinden machen. Die zweite AnoidnuDg sei hier durch die Konstruktion von Leichsen- ring Fig. 50 und 51 illustriert

lig. 50.

Diese besteht aus der Losscheibe £, welche neben der Festscheibe angeordnet ist und mit der verlängerten Nabe in einer Hülse länfb, die ihrerseits in dem Hängeleger H liegt, über diese Hülse nach links hinaus- ragt und hier mit einer umlaufenden Nut versehen ist Li diese Nut greift der exzentrische Zapfen E (Fig. 51) mit dem Gleitstück K ein, welcher Zapfen auf der Spindel 8 sitzt und durch Rad JR mittels der Zngschnüre s und xr^ bewegt werden kann; gleichzeitig greift der Zahn D des Rades JR an einen der Zapfen A^ der Riemengabelstange. Durch eine Drehung des Rades JR wird daher gleichzeitig durch das Gleitstück K die lose Scheibe an die Festscheibe angedrückt und dadurch in Umdrehung versetzt und der Riemen durch den Zahn D auf die Festscheibe gerückt. Der einzige Fehler liegt in der Abnützung des Oleitstückes K^ das aber leicht auswechselbar ist; übrigens könnte auch hier die bessere, in Fig. 49 dargestellte Anpreßvorrichtung zur Anwendung kommen.

Die Femausrficknng. Bei der Besprechung der Schutzeinriditungen an Motoren habe ich (S. 133) erwähnt, daß ein Erfolg von der Ab-

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Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle. 143

steDuBg beweglicher MechaDismen nur daun zu hoffen ist, wenn das Abstellen nicht am Motor, sondern näher zur Unfallstelle an der Trans- mission vorgenommen wird. Diese Abstellung soll von jedem Arbeiter- stand aus ermöglicht werden.

Es soll daher die Transmission je nach Bedarf und den Lokalverhältnissen entsprechend in mehrere Ab- teilungen geteilt werden, die miteinander ausrückbar verbunden sind. Zu dieser Verbindung können verwendet werden Riementriebe, lösbare Kuppelungen, Seil-, Schnur-, Kettenscheiben, welche durch eine lösbare Kuppelung mit der Welle verbunden sind, endlidi lösbare

Zahngetriebe. Alle diese Ver- bindungen sollen so ge- baut sein, daß sie von jedem Arbeiterstand aus durch eine Zugvorrichtung oder einen elektrischen Kontakt gelöst werden können, und müssen außer- dem mit einer gleichzeitig in Thätigkeit gesetzten Bremse versehen sein, welche den ausgelösten Transmis- sionsteil sofort zum Stillstand bringt.

Der häufig hiergegen vorge- brachte Einwand, daß eine mehrere Pferdekräfte übertragende schwere Kuppelung durch einen einfachen Zug, ja selbst durch eine größere Anstrengung an einem Hebel nicht p. gj ausgerückt werden könne, ist

^' vollkommen hinfällig, denn es

handelt sieh gar nicht darum, die Auslösung unmittelbar durch die Hand des Arbeiters zu be- wirken, sondern darum, durch die Hand bloß den Anstoß zu geben, daß die Auslösung durch ein entsprechend schweres Gewicht oder sonst einen Kraftspeicher herbeigeführt werde. Daß dies eine schon gelöste Angabe ist, daß eine solche Auslösung selbst schwerer Kuppelungen durch einen Druck auf einen Kontaktknopf, durch eine dünne Schnur möglidi ist, hat doch die Berliner Ausstellung 1889 zur Genüge nachgewiesen; es sei hier nur auf die Konstruktion von Fre der- king verwiesen. Alle Konstruktionen, die durch solche Mittel die Bremsung eines schweren Schwungrades an einem Dampfmotor wirksam auszuführen imstande sind, können ohne Zweifel auch eine Kuppelung auslösen. Solche Einrichtungen sind aber in großer Zahl bekannt. Es ist wohl klar, daß, wenn man einen Motor durch Femwirkung abstellen kann, ein Teil der von diesem Motor getriebenen Transmission wohl leichter abstellbar sein muß.

Nur ein Einwurf kann vorläufig nicht widerlegt werden, der näm- lich, daß lösbare Beibungskuppelungen, welche zur Abstellung bei Un- iallen besonders günstig sind, für die Uebertragung großer Kräfte, wie z. B. von 100 Pferden, nicht zur Anwendung kamen, und daß die plötz- liche Abstellung so großer Kräfte, durch die momentane Entlastung des

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144 MAX KRAFT,

Motors, diesem gefährlich werden könnte, welch letztere Gefahr wohl durch gute Regulatoren und Bremsen zu beseitigen wäre. Diegenigen Techniker aber, die die Unmöglichkeit der Lösung dieser Aufgabe behaupten, stellen der heutigen Maschinentechnik ein ganz ungerechtfertigtes Armutszeugnis aus. Dieselbe hat bisher ganz andere Schwierigkeiten überwunden und würde auch diese überwinden, wenn die Mittel zu ent- sprechenden Versuchen geboten würden.

Ich bin vollkommen überzeugt, und diese Ueberzeugung gründet sich auf eine langjährige Praxis, daß, wenn bei der Neuanordnung einer Transmission die Sicherheit gegen Unfälle mit in Berücksichtigung ge- zogen wird, jeder tüchtige Konstrukteur dieselbe so zu projektieren vermag, daß nicht nur dieser, sondern auch den Anforderungen an die Oekonomie des Betriebes voll Rechnung getragen werden kann. Vor allem aber muß der Widerwille gegen die Berücksichtigung des ersteren Momentes schwinden, er ist das einzige ernste Hindernis, das sich einer erfolgreichen Lösung dieser Aufgaben entgegenstellt.

Bei der Lösung dieser Frage muß vor allem in Betracht gezogen werden, daß der Motor seine ganze Arbeit entweder an eine oder an mehrere Transmissionswellen abgiebt, welche ihrerseits die aufgenommene Arbeit wieder an mehrere Nebenwellen verteilen. Es wird also schwie- riger sein, die dem Motor näher liegenden Hauptwellenstränge als die entfernter liegenden und kleinere Arbeitsquanten übertragenden Neben- wellen abzustellen.

Das plötzliche Abstellen der von der Haupttransmission un- mittelbar betriebenen Mechanismen (Werkzeugmaschinen u. s. w.) soll daher nicht durch das Abstellen der Welle, sondern durch das Ausrücken des be- treffenden Einzelmechanismus, der Riemenscheibe etc., das Abstellen der von den Nebenwellen betriebenen Mechanismen kann ohne Anstand durch das Ausrücken der ganzen Nebenwelle erreicht werden, wenn diese Welle keine zu große Arbeit überträgt, was übrigens, wenn man mehr Erfahrung in dieser Richtung haben wird, gewiß ermöglicht werden dürfte.

Die Vorrichtungen, die hier namentlich in Betracht kommen, sind die lösbaren Kuppelungen. Dieselben können ausgeführt werden als Klauen-, Klinken-, Reibungskuppelungen und der Kombinationen dieser drei Systeme.

Von diesen Kuppelungssystemen ist für die Unfallverhütung nament- lich die Reibungskuppelung hervorzuheben, da bei derselben ge- wöhnlich nur eine ganz geringe Bewegungs-, d. h. Zeitgröße zur Aus- lösung notwendig ist, während bei den anderen Kuppelungen gewöhn- lich eine, wenn auch nicht bedeutende, größere Bewegung erforderlich wird ; dafür ist die Reibungskuppelung zur Uebertragung großer Kräfte bisher nicht ganz sicher verwendbar. Die Reibungskuppelung bedarf zur Auslösung nur einer Bewegungsgröße von 1 mm, die Klauenkuppe- lung einer Bewegung gleich der Klauenhöhe, die Klinkenkuppelung einer solchen gleich einer ganzen, einer V21 einer 1/3 oder V^ Umdrehung der Welle; im großen und ganzen allerdings dürfte namentlich bei schnell laufenden Wellen die Zeitgröße der Auslösung nicht um vieles variieren, sodaß zur Uebertragung größerer Kräfte die Klauen- und Klinkenkuppelungen, für kleinere Kräfte die Reibungskuppelungen und deren Kombinationen anzuwenden wären.

Für kleine Kraftübertragungen kann hier die einfache Klauen- oder Kegel-Reibungskuppelung, für größere Kräfte die reinen Reibungskuppe-

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Maschinelle EinrichtoDgen gegen Unfälle.

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loogen von Oawron in Stettin, von Mechwart in Budapest, Yon Lohmann und Stolterfoht in Witten, von Dohmen-Le- blanc (Berlin-Anhaltieche Maschinenbau-Aktiengesell- schaft in Dessau), von A. Oeser (Maschinenfabrik zu Penig), von M. Friedrich in Plagwitz-Leipzig, von A. Frederking in Leipzig, der Maschinenfabrik in Kappel; fQr schon verhältnismäßig bedeutende Kräfte die kombinierten Reibungs-Klauen- oder Klinkenkuppelungen von Lohmann und Stolterfoht, von Gawron, der Prager Maschinenbau-Aktiengesellschaft, von Heller verwendet werden.

Von all diesen ist eine der vorzüglichsten für den besprochenen Zweck die Reibungs-Klinkenkuppelung von Lohmann und Stolterfoht, welche in den Fig. 52—55 a. dargestellt ist. Dieselbe besteht aus drei Hauptteilen und zwar aus der mit zwei Kuppelungs- zähnen versehenen, auf dem einen Wellenende aufgekeilten Nabe c; aus

Fig. 62.

Fig. 63.

Fig. 64.

Fig. 66. Hudboeh der Hrgfene. Bd. VUI.

Fig. 66 a.

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146 MAX KRAFT,

dem, auf dem anderen Wellenende aufgekeilten Reibungskegel a, welcher c überragt, und aus dem zwischen den erstgenannten Teilen lose ein- geschobenen vollen Reibungskegel &, welcher durch den Ring d mittels 10 Schrauben so stark in den hohlen Kegel a hineingedrückt wird, daß die Mitnahme des einen Kegels durch den anderen bei belasteter Welle selbst dann eintritt, wenn die beiden Reibungsflächen geölt sind. Die periodische Verbindung der Nabe c mit dem Kegel b wird dadurch erreicht, daß der letztere an zwei oder mehreren Stellen mit um eine Achse drehbaren Klinken g versehen ist, welche durch Spiralfedern gegen die Zähne der Nabe e gelegt und von diesen daher mitgenommen werden. Behufs Ausrückung' sind die Achsen dieser Klinken mit kurzen Hebeln versehen, welche biei einer Verschiebung der Ausrückmufiie k gegen die Kuppelung auf excentrische Bahnen auflaufen und dadurch nach einer halben Umdrehung der Welle die Klinken ausheben. Um ein Gleiten der beiden Reibungsflächen zu signalisieren, ist eine kleine Glocke iy Fig. 55 a, angeordnet. In einer neueren Konstruktion ist diese Kuppelung so eingerichtet, daß sie gleichzeitig den Kegel b mit dem Ausrückmufiie k durch die Zähne hhy Fig. 55a» so verbindet, daß ein Stillstehen des ersteren, daher eine bremsende Reibung zwischen b und a erzeugt wird, wodurch ein plötzliches Abstellen der ausgelösten Welle erreicht werden kann.

Für die Uebertragung und Abstellung sehr großer Kräfte dürften wohl die Klauen- und Klinkenkuppelungen, kombiniert mit entsprechen- den Bremsvorrichtungen und einer Fernwirkung auf die Schwungrad- bremse des Motors, mit Erfolg verwendbar sein.

Alle diese Kuppelungen können mit Riemen-, Seil-, Schnur- und Kettenscheiben so verbunden werden, daß durch das Auslösen der Kuppelung nicht die Welle, sondern bloß die Scheibe zur Ruhe gebracht

wird. Eine solche, durch eine Reibungs- Klinkenkuppelung von Gawron mit der Welle gekuppelte Riemenscheibe ist aus der Fig. 56 ersichtlich. Das Wesen der Gawron 'sehen Kuppelung liegt darin, daß die Reibung auf ringförmigen, senk- recht zur Wellenachse gestellten Flächen _ erzeugt wird. In der Fig. 56 ist die Aus-

lösung durch einen Handzug mittels eines Winkelhebels zu bethätigen, was jedoch nur bei der Uebertragung ganz kleiner Kräfte anzuraten ist

Was nun die Fernausrückungs-

vorrichtung selbst anbelangt, so sind

^»8- '^ß- an dieselbe folgende Anforderungen

zu stellen:

daß bei Bethätigung derselben von jedem Arbeitsstandpunkte ans

a) die Auslösung mit absoluter Sicherheit und momentan stattfindet;

b) der ausgelöste Transmissionsteil nicht infolge des sogenannten Trägheitsmomentes, d. h. der in den bewegten Massen angesammelten Arbeit weiter rotiere;

c) bei der Auslösung größerer Kräfte ein gleichzeitiges Bremsen des Motorschwungrades in entsprechendem Maße bewirkt, d. h. ein Durchgehen des Motors verhindert werde.

Infolge dieser Anforderungen schließe ich die Bethätigung dieser

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Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle.

147

Auslösung durch die direkte, unmittelbare Verschiebung des Kuppelungsmuffes mittels einer von Hand bewegten Schnur aus. Sie ist nur bei der Uebertragung ganz kleiner Kräfte, etwa bis zu 5 Pferden, auf nicht zu große Strecken anwendbar; übrigens wären hier noch Ver- suche maßgebend. Die Auslösung soll daher durch ein entsprechend* großes, am Ende eines genügend langen Hebels angeordnetes Gewicht oder durch eine entpsrechend starke Feder zur Ausführung kommen, welches Gewicht, durch eine entsprechende Vorrichtung in schief stehen- der Lage erhalten, durch einen leichten Schnurzug oder einen elek- trischen Strom, pneumatische oder sonstige Wirkung zu Falle gebracht, die Auslösung mit absoluter Sicherheit momentan bewirkt und gleich- zeitig die Bremsung des ausgekuppelten Transmissionsteiles, sowie durch die Bethätigung eines elektrischen Kontaktes eventuell die Bremsung des Motorschwungrades zur Ausführung bringt. Solche Vorrichtungen sind in genügender Anzahl bekannt und bewährt; es können mit un- wesentlichen Aenderungen alle diejenigen in Anwendung kommen, welche in ähnlicher Weise zum Abstellen des Motors bisher angeordnet wurden, , wie z. B. die elektrische Vorrichtung von E. Herberts in M.-Glad- bach, der deutschen Jutespinnerei und -weberei in. Meißen, von H. Mohrenberg in Reichenau, von Dollfuß- Mieg u. G. in Mühlhausen, von Starke und Hoffmann in^ Hirschberg (Fig. 28), von Siemens und Halske, Berlin^ von Lohmann und Stolterfoht, der preuß. Staatseisen- bahn-Verwaltung etc. Die ebenfalls elektrischen Absteilvorrich- tungen für Kuppelungen resp. Transmissionsteile von Gawron, von« Wens, von Seiffert (mittels Schraubengang, daher etwas langsam), Frederking, die pneumatischen Vorrichtungen von Döring und Bückert, von Schütz in Würzen u. s. w.

Von all diesen Einrichtungen, welche durch eine oft geringe Aende- rung für den besprochenen Zweck tauglich gemacht werden könnten, sei nur die von Th. und A. Frederking hervorgehoben, obwohl sie nicht die einfachste ist, da ja die Auslösung auch durch einen un- mittelbar am Kuppelungsmuff angreifenden Winkelhebel be- q.

wirkt werden kann.

Bei der in Fig. 67 und 58 dargestellten Vorrichtung wird die Ausrückung der Kuppelung £* unmittelbar durch eine Gabel Gr bewirkt, deren zwei rechts und links von der Welle ange- ordnete Zinken aus Platten be- stehen, in welchen ein senk- rechter und ein geneigter Schlitz angebracht sind. In den ersteren greift ein am Lager fix be- festigter, in den letzteren ein am Kuppelungsmuff befestigter Bol- zen ein. Diese Gabel ist mit der senkrechten Stange S und diese mit den, um dem Fix- punkt X drehbaren, mit dem be-

Pig. 67.

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148 MAX KRAFT,

sprochenen Gewicht belasteten Hebel H verbunden. Dieser letztere ruht in der gezeichneten schiefen Lage, mit seinem Ende auf dem kleinen Arm eines doppelarmigen Hebels, der seinerseits an einer Drehung durch einen mit Zahn versehenen Winkelhebel gehindert ist. Der eine Arm dieses Winkelhebels ist als Anker ausgebildet, der von einem Elektromagnet angezogen werden kann. Der Druck auf einen Kontaktknopf an irgend einer Stelle der Leitung bewegt daher den Winkelhebel und bringt dadurch den Gewichtshebel zu Fsdl, der durch das Herabziehen der Gabel das Ausrücken bewirkt; durch eine an dem Hebel angeordnete zweite Stange das Bremsen der Kuppelung oder einer Bremsscheibe und durch das Auffallen des Gewichtes auf eine Unterlage (in der punktierten Lage) und den dadurch bewirkten Schluß eines elek- trischen Stromes die eventuelle Bethätigung der Schwungradbremse am Motor zur AusfElhrung bringt. Daß der kleine, als Anker ausgebildete Winkelhebel auch durch einen schwachen Schnurzug gehoben und da- durch alle erwähnten Wirkungen erreicht werden können, ist klar und braucht nur erwähnt zu werden. Um bei Ausrückung einer größeren Kraft das Durchgehen des Motors zu verhüten, braucht nur eine der in der Praxis bewährten Einrichtungen von Dollfuß-Mieg u. C, Brasseur, von Lecouteux und Garnier, von Matter u. C, von J. Farcot, welche entweder durch Eemwirkung oder den Regulator selbst bethätigt werden, zur Anwendung zu kommen.

Eine zweite, durch Federkraft zur Wirkung gebrachte Einrich- tung zeigt Fig. 59.

Sie besteht aus einer Klauenkuppelung, deren Kuppelungsmu£F von der Ausrückstange h umfaßt wird, welche Stange als einarmiger Hebel konstruiert, an der Decke drehbar, im unteren Ende mit der Feder f ver- bunden ist, die das Bestreben hat, die Kuppe- lung auszurücken, in diesem Bestreben aber durch die Klinke Jk (punktierte Lage) ge- hindert wird. Diese Klinke ist mit einer Schnur 8 verbunden, welche von jedem Arbeits- stande aus gezogen werden kann. Findet dies statt, so giebt die Klinke den Hebel frei, die Feder kommt zur Wirkung und rückt die Kuppelung aus. Die Einrichtung ist jedoch nur bei Uebertragung kleiner Kräfte ver- wendbar.

Ich glaube hierdurch nachgewiesen zu haben, daß die Fernausrückung selbst größere Kräfte übertragender Transmissionsteile von jedem Arbeitsstande aus durch die Bethäti- gung eines leichten Schnurzuges oder eines Fig. 59. elektrischen Kontaktes möglich ist, und daß

durch eine Weiterbildung dieser Konstruk- tionen begründete Hoffnung vorhanden ist, selbst große Kräfte über- tragende Transmissionsteile ohne Schaden für Betrieb und Motor, zum Heile der gefährdeten Arbeiter momentan zum Stillstande bringen zu können.

Ein entschiedener Schritt zum Besseren auf dem ganzen Gebiete

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Maschinelle Emrichtangen gegen Unfälle. 149

der bei Transmissionen in Frage kommenden Sicherheitseinrichtungen ist die unterirdische Anordnung der Transmission, welche die Bestellung besonderer Transmissionswärter zur unmittelbaren Folge hat, mit ihren gefthrlichen Riemen-, Seil- und Kettentrieben zum größten Teil dem verkehr in der Werkstätte entrückt ist, welche tief liegend, gehörig bedeckt und leicht zugänglich gemacht werden kann, und an welcher alle oben erwähnten Sicherheitseinrichtungen, so auch die Femaus- rückungen in gleicher Weise angebracht werden können.

Das Ideal einer unfallsicheren Transmission aber ist die elek- trische Transmission, welche darin besteht, daß von den primären I^amomaschinen Leitungen tu, jeder Werkzeugmaschine , zu jedem in Bewegung zu setzenden Mechanismus geführt und dort zur Bewegung einer sekundären Dynamomaschine verwendet werden.

In diesem FaUe werden alle, jetzt die Werkstätten unsicher machenden rotierenden Wdlenleitungen, den Luftraum der Werkstätten wie ein Gitterwerk durchsetzenden Riemen-, Seil-, Schnur- und Ketten- triebe und das Putzen, Schmieren und Reparieren all dieser Teile un- entb^lich, und es reduzieren sich all diese, so viele Unfälle hervor- rufenden Mechanismen auf die kurze, leicht zu sichernde Transmission von der sekundären Dynamo zum Triebwerk des zu treibenden Apparates.

Die allgemeine Einführung der elektrischen Transmission wäre ein epochemachendes Ereignis auf dem Gebiete der Unfallverhütung.

C. Hel^- and FSrder-Einriehtiiiigeii.

Diese Betriebseinrichtungen zum Heben und Senken von Lasten und zur Förderung von Menschen und Lasten auf verschiedene Höhen eines Gebäudes sind ebenfalls den meisten Werkstätten der Industrie und Gewerbe gemeinschaftlich und lassen sich hauptsächlich in soge- nannte Aufzüge und in eigentliche Hebemaschinen trennen. Beide Ckittungen gehören zu denjenigen Einrichtungen, bei welchen eine große Anzahl von Unfidlen sich jährlich ereignen.

Bei den Lastenhebemaschinen im engeren^Sinne des ^tTortes handelt es sich vor allem darum, daß alle Teile derselben sicher mitein- ander verbunden, gegen Reißen oder Brechen gesichert, und daß bei ein- zelnen derselben ein Umfallen durch die Wirkung der Last unmöglich sei. Dies läßt sich nur durch eine auf exakter theoretischer Berechnung auf-

Sebaute Konstruktion und durch die Verwendung ausschließlich besten [ateriales erreichen.

Gefährlich kann eine, diesen Anforderungen vollkommen ent- sprechende Hebeeinrichtung noch dadurch werden, daß das Sinken der gehobenen Last mit zu großer Geschwindigkeit vor sich geht und daß oei dieser Gelegenheit die von der sinkenden Last rückwärts gedrehte Kurbel (bei durch Kurbel bewegten Vorrichtungen) eine Verletzung des Arbeiters herbeiführen kann.

Zur Ermäßigung der Sinkgeschwindigkeit an Flaschenzügen kann die Einrichtung von Lüders in Anwendung kommen, welche darin besteht, daß beim Sinken der Last durch das die Last hebende Schneckenrad und Schnecke ein axialer Druck auf die Betriebswelle ausgeübt und dadurch das frei bewegliche Schaltrad zwischen zwei Flächen eingeklemmt und gebremst wird. Aehnlich wirken die Kon- struktionen von E. Bergmann, Westen u. s. w.

Bei den durch Kurbel bewegten Hebevorrichtungen ist gewöhnlich

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MAX KRAFT,

eine selbständige Bremse zur Ermäßigung der Geschwindigkeit ange- ordnet, in diesem Falle muß jedoch bei sinkender Last gebremst werden, bevor die Kurbel losgelassen wird, da diese sonst durch ihre schnelle Bückdrehung gefahrlich wird. Um nun diese Gefahr zu umgehen, werden sogenannte Sicherheitskurbeln angewendet, welche ein Bremsen der Last durch die Kurbel selbst, also ohne Loslassen derselben ermög- lichen. Von diesen Konstruktionen sei die in den Figg. 60, 61, 62 dar-

Fig. 62.

Fig. 61.

Fig. 60.

gestellte von E. Bergmann beschrieben. Bei derselben ist die lose auf der Achse drehbare Kurbel mit dem ebenfalls lose sitzenden Excenterstück D fest verbunden. Bei einer Drehung der Kurbel resp. von D werden durch die Excentricität von D zwei Reibungsbacken E gegen die innere Fläche des Hohlcylinders F gedrückt und dadurch erst F mit der auf der Welle Ä festsitzenden Scheibe .B, dadurch mit der Welle Ä und dem Zahnrad x verbunden, d. h. die Last gehoben.

Wird die Kurbel losgelassen, so verhindert Sperrrad und Sperr- kegel ein Drehen. Soll die Last gesenkt werden, so müssen vorerst durch* das Rückwärtsdrehen der Kurbel die Backen E gelöst werden. Von der herabgleitenden Last wird das Armstück k (FiR. 60) mitge- nommen, dadurch die in radialen Löchern mit ihren Zap^n gleitenden Friktionskeilrollen c durch die Gentrifugalkraft nach auswärts ge- schleudert und, da diese sich zwischen die entgegengesetzt bewegten Konusse a und b pressen, ein Bremsen erreicht.

Solche Kurbeln sind noch von R. Wens in Berlin, von Gebr. Dickertmann in Bielefeld, von Briegleb, Hansen u. C. in Gotha, Gebr. Weißmüller in Bockenheim, dem Eisen- werk Karlshütte in Delligsen, von Beck und Henkel in Kassel u. s. w. zu erwähnen.

Bei Aufzügen sind gefährlich: der gewöhnlich durch das ganze Gebäude hindurchreichende Förderschacht, weil Personen in denselben hineinfallen oder darin befindliche Personen durch hineinfallende Gegen- stände verletzt werden können, und der im Schacht sich bewegende Förderapparat, der durch das Reißen des Fördermittels (Seil, Kette u. s. w.) und Fallen des Apparates, durch das Auftreffen auf im Tiefeten des Schachtes befindliche Personen, durch das Einklemmen solcher zwischen sich und der Schachtwand oder zwischen sich und den Kanten der Schachtöffnungen verderblich werden kann.

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Maschinelle Einrichtungen ge^n ün&lle.

151

Gegen das Fallen in unverwahrte Oeffhungen überhaupt werden am besten feste oder selbstthätig bewegliche Verschlüsse der Oeffhungen angewendet Hierher gehören z. B. die Verschlüsse von E. Feyer- feil, welche entweder, wie aus Fig. 63 u. 64 ersichtlich, aus zwei durch Spreizen hhi in senk- rechter Lage erhaltenen Blechdecken a und 6, oder, wie aus Fig. 65 u. 66 er- sichtlich, aus einer durch

die Gelenkstangen a und 6 ^ ^

und die Spreize s in dieser Lage erhaltenen Platte P

bestehen. Bei b^ ist selbst- ^

verständlich ebenfalls eine Fig. es. i\ U

Schutzstange angeordnet. \\

Ein selbstthätiger Durch- *;;

gangsverschluß der Rhei- nischen Lokalabtei- ^ i '«*• Fig. ee. lung des Vereines che- mischer Industrieller Deutschlands ist in Fig. 67 dargestellt und besteht aus dem Gitter T, welches die Zugangsöffnung Q ver- Fig. 64. schließt und gleichzeitig die zum Verschluß der Schacht- Öffnung 0 dienende Klappe Fig, es. Jb in smefer, geöffneter Stel- lung erhält Wird O geöffnet, so fällt k selbstthätig und deckt die Schachtöffnung 0. Hierher gehört femer der hübsche Ketten Verschluß von Eiler t u. s. w.

Die Verschlußvorrichtungen für Aufzüge insbesondere sind manchmal mit dem Fahrstuhl direkt verbunden, wie bei dem Aufzug von H. Winkler, bei welchem, wie aus Fig. 68 ersichtlich, an dem Fahr- stuhl F zwei Gurte g angeordnet sind, die wagerechte Blechstreifen b, einem Gitter ähnlich, tragen, die sich vor die Schachtöffnungen legen. Um sicher zu sein, müssen die Enden dieser Streifen in einer Führung gehen. Aehnlich ist die Vorrich- tung von M. Martin in Bitterfeld, bei welcher der Verschluß aus einem breiten, im Schachte oben und unten befestigten Band besteht, welches sich über am Fahrstuhl angeordneteRollen so her- uml^ daß es den Fahr- ^ stuhl oben, rückwärts und ^ unten umhfUlt und die ^ Schachtöffhungen nur an

4'

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,— r ~fc- .

Flg. 67.

Fig. 68.

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MAX KRAFT,

der Stelle frei läßt, wo der Fahrstuhl eben steht Auch dieses Band sollte gegen eine Ausbauchung gesichert sein.

Zahlreich sind die Verschlußyorrichtungen, welche so angeordnet sind, daß sie erst durch den Fahrstuhl selbst geöfifhet werden und daher eine Oeffhung der Thüren nur dann gestatten, wenn der Fahrstuhl in der betreffenden Höhe angekommen ist. Dieselben sind dann gewöhn- lich mit einer Vorrichtung versehen, welche die Ingangsetzung des Fahrstuhles so lange unmöglich macht, als die Thür offen steht, diese daher vorerst geschlossen werden muß, wenn die Fahrt ermöglicht werden soll.

Die Verschlußthür soll nie bloß aus einer Querstange, sondern aus einer vollen Thür oder einem Gitter von 1,3 m Höhe bestehen.

Hierher gehören die Sperrvorrichtungen von M. Martin, der Berlin -An haltischen Maschinen bau -Aktiengesellschaft in Dessau, von Th. Lißmann in Berlin, F. G. Heller, Unruh und Liebig in Reudnitz, G. A. Kroll und G. Hannover, der König! preußischen Eisenbahnverwaltüng, von deren mehr- fachen Konstruktionen eine in Fig. 69 u. 70 dargestellt ist.

Bei derselben ist mit dem die Thür T sperrenden Riegel r eine in den Lagern {2^ drehbare Spindel x fest verbunden , welche an ihrem Ende die Gabel g und in der Nähe von l den Arm a trägt. Dieser Ann

ist an seinem unteren Ende mit einer Oe£F- nung versehen, in welche das umgebogene Ende des wagerecht geführten Vorschnbriegels V durch eine Feder f eingedrückt wird. Solange dies der Fall, kann sich x und damit der Sperrriegel r nicht drehen, die Thür daher nicht öffiien. Erst wenn der Biegel v durch die am Fahrstuhl befestigte Schiene 8 aus a herausgeschoben wird, kann die Thür geöffiiet werden. Dabei dreht sich aber mit x die Gabel g in einem Ausschnitt der Schiene 8 des Fahrstuhles so, daß dieser festgehalten wird.

UMJ

Fig. 69.

Flg. 70.

Die Nachteile dieser Konstruktion be- stehen darin, daß Riegel r nach abwärts g^reht, d. h. der Fahrstuhl frei gegeben werden kann , auch wenn die Thür nicht zu ist, und daß statt der Steuerstange der Fahrstuhl festgelegt wird, was bei Inbe- triebsetzung des Triebwerkes ein Reißen des Seiles herbeiführen kann. Beide Nachteile ließen sich jedoch leicht beseitigen.

Die Folgen des Reißens der Zugvorrichtungen werden durch die Anordnung der sogenannten Fangvorrichtungen unschädlich zu machen gesucht. Diese Vorrichtungen stehen in großer Anzahl in Verwendung und sind eingehend bei den maschinellen Einrichtungen gegen Unfälle in Bergbauen zu behandeln.

Hier sei durch die Vorführung einer der einfachsten Fangvorrich- tungen und zwar der von Unruh und Liebig zu Leipzig-Rend- nitz, Fig. 71, das Prinzip erläutert.

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Maschinelle Einrichtungen gegen Un&lle.

153

Bei dieser Konstruktion ist der Fahrkorb mittels der Bleche x und eiDem Bolzen beweglich mit dem darunter befindlichen Gitterträger T verbunden, dessen an den Führungen entlang gleitende Seitenstangen an ihrem unteren Ende zu Fangklauen aus- gebildet sind. Dieser Gitterträger, auf dem der Fahrkorb aufruht, hängt an den beiden Zugseilen ss. Reißt eines derselben, so stellt sich der Gitterträger T infolge des einseitigen Zuges schief, greift mit der entsprechenden Fangklaue in einen der an den Führungs- säulen angebrachten Zähne und bringt den- selben zum Stillstand.

Der Nachteil aller so plötzlich anhalten- den Fangvorrichtungen besteht in dem Stoß, den hierbei die im Fahrkorb Befindlichen zu erleiden haben, und der bei größeren Ge- schwindigkeiten unheilvoll werden kann. Man hat daher in manchen Fällen das allmäh- pjg. 7i,

liehe Anhalten und Instillstandversetzen des

Fahrkorbes zu erreichen gesucht durch die Anwendung von Bremsvor- richtungen. Eine hierher gehörige Konstruktion ist die in Fig. 72 u. 73 dargestellte Fangvorrichtung von Samain u. C.

Bei derselben läuft das Zagseil S in zwei Bänder a und h aus, an deren Enden die senkrecht geführten und am Ende mit einer Scheibe versehenen Bolzen oOj drehbar be- festigt sind. Zwischen diesen Scheiben und den Querstangen, durch welche die Bolzen gefuhrt sind, ist je eine Spiralfeder einge- schaltet, auf welchen Federn daher die ganze Last ruht.

Die oberen Enden dieser Bolzen oo^ sind mit den Winkelhebeln hh verbunden, deren kurze, senkrecht stehende Arme die Enden eines um die Trommel t gelegten Brems- bandes fassen. Diese Trommel ist auf einer Faogwelle w (Fig. 78) aufgekeilt, deren Enden in einer eisernen Vertikalfahrung gehen und mit je einem Zahnrade 0 verbunden sind, die in je eine parallel zur Vertikalfahrung ange- ordnete Zahnstange 0^ eingreift.

Beißt das Seil, so werden die Federn f frei xmd ziehen die Winkelhebel h so, daß eine Bremsung der Trommel t eintritt und demzufolge die Zahnräder g in den Zahn- stangen B'^ allmählich hängen bleiben oder eine langsame Senkung des Fahrkorbes her- beifuhren. Mit dem Hebel H kann ein Lüfben der Bremse und langsames Senken vom Fahr- korb aus besorgt werden.

Fig. 72.

Flg. 78.

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154 MAX KRAFT,

Bei hydraulischen Aufzügen, bei welchen das Reißen eines Rohres, Untaugliehwerden eines Hahnes oder VentUes gefährlich werden kann, sollen Geschwindigkeitsbremsen, wie die von M. Martin, Lißmann u. s. w., in Anwendung sein.

Die Antriebvorrichtung der Aufzüge besteht aus Transmissions- teilen und unterliegt den dort erwähnten Einrichtungen gegen Unfälle.

Der Fahrschacht der Aufzüge soll vollkommen nach außen geschlossen sein, die Gegengewichte des Fahrstuhles sich in einem vollständig um- wehrten Raum bewegen, um beim etwaigen Reißen der Hängseile eine Verletzung auszuschließen; aus gleichem Grunde soll der Fahrstuhl mit einem festen Dach versehen sein.

Um eine Verletzung von im Schachttiefsten stehenden Personen durch den niedergehenden Fahrstuhl zu verhindern, wendet Roß b ach ein unter dem Fahrstuhl an Kettchen hängendes Drahtnetz an, welches beim Auftreffen auf irgend einen Widerstand die Fangvorrichtung in Thätigkeit bringt und dadurch den Fahrstuhl in Ruhe versetzt.

Die Betriebssicherheit kann erhöht werden durch die Anwendung eines Glockensignals, welches während der Bewegung des Fahrstuhles ertönt; durch die Anwendung von Einrichtungen, welche es an jeder Einsteigstelle erkennen lassen, ob der Fahrstuhl sich ^ur'^Zeit oben oder unten befindet; durch die Anwendung sogenannter Aufeatzvorrich- tungen, welche den Fahrstuhl während des Beiadens festsetzen; durch Vorrichtungen, welche ein Herabfallen der am Fahrstuhl befindlichen Last verhindern; durch die Bestellung eines Aufzugwärters, der die Bewegung und Wartung desselben ausschließlich zu besorgen, und durch klare und streng gehandhabte Vorschriften.

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Maschinelle Einrichtungen gegen Un&lle. 155

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B. Bie Ein- und Yorrlchtungen gegen FeaersgefUir.

Diese EinrichtuDgen und Apparate lassen sich in drei Hauptgruppen teilen, nämlich:

1) diejenigen Ein- und Vorrichtungen, welche die Entstehung des Feuers verhüten sollen;

2) diejenigen, welche die Ausbreitung des entstandenen Feuers thunlichst einzuschränken haben, und

3) endlich solche, die zur Rettung der durch das Feuer gefähr- deten Menschen dienen.

Von diesen Ein- und Vorrichtungen nehmen an Wichtigkeit die unter 1) genannten den ersten Bang ein, denn es ist klar, daJS die ad 2) und 3) erwähnten gar nicht notwendig werden, wenn es durch die ersteren gelingt, jede Feuersgefahr mit absoluter Sicherheit auszu- schließen, was allerdings kaum zu hoffen ist Immerhin wird es durch eine entsprechende Ausführung der ersteren möglich sein, die Gefab: auf ein Minimum einzuschränken und die Anordnungen so zu treffen, daß ein bedeutendes Umsichgreifen des Feuers im vorhinein ausge- schlossen ist

Es ist daher auch hier, sowie auf dem ganzen Gebiet der Hygiene, das Präventivsystem allen anderen vorzuziehen.

Was nun die ad 1 angeführten Ein - und Vorrichtungen anbelangt, so müssen vor allem die Ursachen der Schadenfeuer in Betracht ge- zogen werden. Als solche sind folgende zu nennen:

a) unvorsichtiges oder ungeschicktes Gebaren mit einer schon vor- handenen Feuerquelle, sowie unrichtige Anordnung und Deckung der- selben und Auswerfen von Funken. Solche Quellen sind Heizungs-, Koch-, Schmelz-, Siede-, Abdampf- u. s. w. Einrichtungen; brennende Zündhöhschen, Zigarren, Tabakspfeifen; lichtspendende Flammen und Glühkörper; Venülationsflammen und -feuer;

h) unrichtig berechnete, verlegte, angeordnete oder isolierte elek- trische Leitungen;

c) Blitzschlag;

d) Beibung an nicht genügend geschmierten, rotierenden Konstruk- tionsteilen, sowie Beibung an verstreuten Zündhölzchen und sonstigen leicht entzündbaren Stoffen;

e) Selbstentzündung, wie sie bei längere Zeit lagernden, aus leicht entzündlichen organischen Stoffen bestehenden oder mit solchen ge- mischten Massen , infolge eintretender chemischer Zersetzungsprozesse und damit verbundener Temperaturerhöhung, herbeigeführt werden kann ;

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156 MAX KRAFT,

f) Funkenbildimg , Entzfindung oder Explosion durch Stoß oder Schlag.

Gegen das unvorsichtige und ungeschickte Handehi mit Feuer- quellen können entsprechende Vorschriften angewendet werden, welche aber wie dies bei allen Vorschriften der Fall ist nur dann einen Erfolg versprechen, wenn die betreffenden, mit Feuer gebahrenden Per- sonen vor allem eine entsprechende, verständige Anleitung empfangen und die Befolgung der Vorschriften sodann streng überwacht, Ueber- tretungen strenge bestraft werden.

Solche Vorschriften müssen namentlich dort in Anwendung gebracht werden, wo leicht entzündliche Massen, wie Oele, Fette, Firnisse u. s. w. erhitzt werden müssen, und wo daher die Gefahr des Ausbruches eines Schadenfeuers doppelt groß ist.

Was die Anordnung und Deckung solcher Feuerquellen anlangt, so ist dafür zu sorgen, daiS dieselben so umschlossen werden , daß das Auswerfen von Funken oder glühenden Brennmaterialteilchen vollkommen ausgeschlossen sei; daß solches auch beim Oeffnen derFeuerthür nicht stattfinden könne; daß der Feuerungsraum überhaupt von dem eigent- lichen Betriebsraume durch eine Wand vollkommen getrennt werde, was sich in den meisten Fällen ausführen läßt ; daß für feuersichere Bergung der heißen Asche Vorkehrung getroffen sei, uod daß der die Feuerung umschließende Raum nur aus feuersicherem Material hergestellt werde.

Unvorsichtiges Gebaren mit Zündhölzchen, mit brennenden Zigarren und Tabakspfeifen, sowie mit Leuchtflammen kann ebenfalls nur durch strenge Handhabung strenger Vorschriften ausgeschlossen werden. Die verhältnismäßig feuersicherste Beleuchtung ist unstreitig die elektrische, schon deshalb, weil zum Entzünden aller anderen Leuchtkörper eine Flamme in Verwendung gebracht werden muß, die leicht die Entstehung eines Schadenfeuers herbeiführen kann. Gute Dienste kann hierbei der elektrische Anzünder Patent Clarke's leisten, welcher aus einem cylindrischen Gefäß und einem aus diesem heraustretenden Stäbchen besteht, an dessen Ende die Funkenbildung durch Druck an einem Knopf des Gylinders hervor- gebracht wird. Uebrigens hat Mascart durch Versuche bewiesen, daß leicht entzündliche Stoffe im Eontakt mit der Außenfläche einer Glüh- lampe entzündet werden können.

Offene Beleuchtungsflammen sollen überhaupt nicht geduldet werden, jede derselben soll entweder durch eine Glas-, besser noch durch eine Drahtnetzumhüllung umschlossen werden.

Um die Folgen ungeschickten Gebarens mit sogenannten Steh- lampen zu verhüten, sind mannigfache Konstruktionen in Anwendung gekommen. Eine derselben ist die Lampeneinrichtung von Shaftes- bury in Bakow.

Diese besteht, wie aus Fig. 74 und 75 er- sichtlich, aus einem zweiteiligen Löschhut hhif dessen Teile an den Enden einer um x dreh- baren Zange angeordnet sind, während die anderen Enden dieser Zange mit Zugstangen 0 nnd diese wieder dnrch das Querstück i rmt einem, in einer Platte endigenden Bolzen ver- bunden sind. Die Platte wird beim Stehen Pig. 74. Fig. 75. der Lampe zurückgedrängt und dadurch der

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Maschinelle Einrichtmigen gegen Un&lle.

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LöBohhut in der in Eig. 76 dargestellten Lage erhalten. Fällt jedoch die Lampe um, dann kommt eine Feder zur Wirkung, zieht t und 0 herab und schließt den Hut. Jedenfalls muß noch eine Vorrichtung dabei in Verwendung kommen, welche es ermöglicht, beim Heben und Tragen der Lampe die Wirkung der Feder zu unterbrechen.

Durch Fun ken -Auswurf aus L 0 komo t iv- und sonstigen Scham- steinen sind schon viel Schadenfeuer verursacht worden. Gegen dies^ Dabeistand können Funkenfängerund Funkenlöscher verwendet werden, deren Konstruktion gewöhnlich auf einer Erweiterung des Rauch- kanales und dadurch erreichte Verminderung der Ausströmgeschwindig- keit basiert, wodurch eine Absonderung der schweren Kohlenteilchen ermöglicht wird, die dann in einem besonderen Raum gesammelt werden. Auch das Vorüberstreichen an gekühlten Flächen oder über Wasser- flächen kann zweckmäßig erscheinen.

Der in Fig. 76 dargestellte Funkenfänger von Neuhaus besteht aus einer in einen Konus auslaufenden Kappe iT, um einen Bolzen b drehbar und durch das Steuer s vom Winde stellbar. Die Rauchgase werden dadurch zu einer Um- kehrung ihres Laufes gezwungen, müssen daher nach abwärts in den Konus Ki treten, wo sie die schwereren Kohlenteilchen ausfallen lassen. Oegen den Anprall des Windes ist das Schutz- blech B in Verwendung.

Daß durch unrichtig verlegte elektri- sche Leitungen schon häufig Schadenfeuer entstanden sind, ist eine erwiesene Thatsache. Durch Kurzschluß solcher Leitungen, sowie durch Erhöhung des Leitungswider- standes kann leicht eine Entzündung be- nachbarter, leicht entzündlicher Stoffe herbei- Fig. 76. geführt werden. Kurzschluß kann entstehen

in Ställen durch die zerfressende Wirkung des Ammoniaks auf Drähte und Haspen, in Häusern durch das Scheuem der Fluren und durch die Verwüstungen, welche Ratten und Mäuse herbeiführen. Durch Feuchtigkeit und Temperaturwechsel werden Drähte infolge elektro- ly tischer Wirkung so angefressen und verdünnt, daß sie den Strom nicht mehr ohne Gefahr leiten können, ebenso nach Erhöhung der Stromstärke bei Anwendung einer größeren Anzahl von Lampen, ohne gleichzeitige Aenderung der Leitungen. Durch unrichtig ausgeführte Lötung und Isolierung, sowie auch durch qualitative Verschlechterung der Isoliermittel kapn ebenfalls Feuersgefahr entstehen u. s. w.

Um dieser Gefahr auszuweichen, müssen bei der Legung von Lei- tungen die mehrfach gegebenen Sicherheitsvorschriften streng eingehalten und dürfen nur beste Isoliermittel in Anwendung gebracht wenlen. Solche Vorschriften, die an dieser Stelle wegen Raummangels nicht vorgeftüirt werden können, sind unter anderen aufgestellt vom Verbände deutscher Privat-Feuerversicherungsgesell- schaften (Dingler, Bd. 288, S. 252); vom Elektrotechnischen Verein in Wien (Mitteilungen des Vereins zur Pflege des gewerbe- hygienischen Museums 1892 No. 34 und 35); von der Boston er

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Feuerversicherungsgesellschaft (Auszug in Diugler, Bd. 277, S. 287) u. 8. w.

Um die durch Erhöhung des Leitungswiderstandes entstehende Ge- fahr zu umgehen, werden sogenannte Stromunterbrecher in die Leitung eingeschaltet, welche den Strom selbstthätig unterbrechen, so- b^d der Widerstand über den berechneten wächst. Es werden zu diesem Behufe gewöhnlich kurze Stücke leicht schmelzbarer Metalle ein- geschaltet, welche im kritischen Momente schmelzen und die Leitung dadurch unterbrechen.

Ein solcher Stromunterbrecher, auch Sicherheitsschaltung ge- nannt, von G. Badenberg in Genua ist in Fig. 77 dargestellt und besteht ans den 8 Bleikontakten a & c, welche mit den Widerständen w so verbunden sind, daß nach dem Schmelzen eines solchen Bleikontaktes der Strom den Widerstand w durchlaufen muß, bevor er zum nächsten Blei- kontakte gelangt.

Hierher gehören die Vorrichtungen von Mix und Genest, Berlin; von Körting und Mathiesen, Leipzig; von S. G. Guthbert- Currie, Philadelphia u. s. w.

Die Gefahr der Zündung durch Blitz- schlag ist in deu letzten Decennien bedeutend gewachsen, wie dies aus statistischen Aufzeich- nungen klar ersichtlich. Man hat den Grund Fig. 77. dieser Erscheinung in der umfangreicheren Ver-

wendung von Eisen als Baumaterial, sowie in den zahlreichen eisernen Röhrenleitungen suchen zu müssen geglaubt. Diese Annahme stimmt jedoch mit den statistischen Daten nicht über- ein, da nach diesen die Blitzgefahr auch für das Land bedeutend ge- wachsen ist.

Nach Beobachtungen des Dr. Lang in München wächst die Gefahr mit dem Sinken des Grundwassers und umgekehrt, was sich durch die geringere oder größere Durchfeuchtung des Bodens vom Grundwasser aus erklären ließe.

Das einzige Mittel gegen die Blitzgefahr sind die Blitzableiter, deren Schutzgebiet jedoch ein sehr geringes ist und die heute noch sehr häufig unrationell angeordnet und hergestellt werden.

Der Schutzraum einer Blitzableiter-Fangstange wird als ein Kegel angenommen, dessen Grundflächen - Halbmesser gleich der Höhe der Fangstange ist. Freistehende Giebel und Schornsteine sollen besondere Berücksichtigung finden. Sämtliche Fangstangen eines Gebäudes sollen miteinander leitend verbunden und mindestens zwei Leitungen zur Erde hergestellt werden, um eine schnelle Zerstreuung des elektrischen Stromes zu erreichen.

Nach Rothen sollen die Leitungsdrähte folgende Durchmesser erhalten:

Kupfer 0,96 cm Zink 1,48 cm

Platin 1,28 M Messing 1,56

Eisen 1,88 Blei 2,is

Als Material soll thunlichst nur bestes, d. h. Kupfer genommen werden, und sollen alle Teile einer Blitzableiteranlage gut leitend und

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Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle. 159

sorgf&ltig miteinander yerbunden werden. Die Verbindung der aus Kupfer bestehenden mit den aus Eisen hergestellten Teilen kann leicht, trotz sorgfältigster Arbeit, durch Rost gestört werden. Dieser Umstand, sowie der, daß die Bearbeitung so starken Eisens bedeutend mehr Arbeit erfordert, lassen die eisernen Leitungen nicht um vieles billiger er- scheinen als die aus Kupfer bestehenden.

Die Fangspitzen werden häufig nach dem Patent P. Leder aus Retortengraphit hergestellt und haben dann den Vorteil der Un- schmelzbarkeit und der Unveränderlichkeit durch atmosphärische Ein- flüsse.

Die Frage des Anschlusses der Blitzleitungen an die eisernen Wasser- und Gasrohrleitungen der Städte ist bisher noch nicht abgeschlossen. Während sich mehrere technische Vereine sowie Kapacitäten auf dem Gebiete der Elektricität für diesen Anschluß ausgesprochen haben, nehmen bisher die betreffenden Wasser- und Gaswerksgesellschaften den entgegengesetzten Standpunkt ein. Jedenfalls müßten im Falle der Zulässigkeit dieses Anschlusses die Wasser- und Gasmesser überbrückt und die Anschlußkonstruktion sorg- &ltig ausgeführt werden. Es sind diesbezüglich mehrere Konstruktionen vorgeschlagen, von welchen wohl diejenige die beste sein dürfte, bei der das Ende der Blitzleitung um das an der betreffenden Stelle blank gefeilte Rohr herumgelegt und sodann mit Blei umgössen wird. Vergl. auch Oesten im Kapitel über die Technik der Wasserversorgung Bd. U, Abtlg. II dieses Handbuchs.

Bei Gebäuden, in welchen feuer- oder explosionsgefährliche Ma- terialien hergestellt oder gelagert werden, soll wenn thunlich die Blitzleitung nicht am Gebäude selbst, sondern an einem besonderen Ge- rüste angebracht werden, wobei jedoch zu beachten , daß die Auffang- stange sich über dem Firste des Gebäudes befinden, muß.

Die nur in seltenen Fällen eintretenden Schadenfeuer, welche durch Reibung verursacht werden, lassen sich durch aufmerksame Behandlung der rotierenden Mechanismen, d. h. genügende Schmierung, sowie durch Beobachtung der betreffenden Vorschriften leicht verhüten.

Namentlich sind es hier die Zündhölzchen, welchen, als den- jenigen Vorrichtungen, durch die mittels Reibung in der einfachsten Weise eine Feuerquelle geschaffen werden kann, erhöhte Aufmerksam- keit gebührt und die in den Händen spielender Kinder schon uner- meßlichen Schaden angerichtet haben. Gegen diese Gefahr giebt es nur ein Mittel, die stete Aufmerksamkeit deijenigen, welchen die Kinder anvertraut sind.

Selbstentzündung kann dort eintreten, wo leicht entzündbare Stoffe durch chemische Prozesse, die bei längerer Lagerung sowie durch besondere lokale Umstände eintreten, bis zur Entzündungstemperatur erhitzt werden. So kann sich selbst Holz, bei reichlicher Aufnahme von Sauerstoff, selbst bei einer Temperatur unter 100 ^ selbst entzünden.

Bei Dampf rohrumhüUungen sollen daher Sägespäne nie als Umhüllungsmittel verwendet werden.

Gegen diese Gefahr können namentlich die «sogenannten Fern- thermometer oder Temperaturmelder gute Dienste leisten, da sie die der Selbstentzündung in dem Lagerräume vorhergehende Er- höhung der Temperatur anzumelden imstande sind; sie können aber auch gegen die Verbreitung eines schon entstandenen Feuers Anwendung

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MAX KRAFT,

finden, da 8ie auch in diesem Falle die in dem Baume durch das Feuer entstandene Temperaturerhöhung melden werden.

Diese Vorrichtungen können in zwei Hauptgruppen geteilt werden: nämlich in die Femthermometer, welche alle in einem entfenit liegenden Räume vorhandenen Temperaturen erkennen lassen, und in die Tempe- raturmelder oder Wächterapparate, welche nur die Erreichung einer bestimmten gefahrdrohenden Temperatur oder auch eine plötzlich ein- tretende Temperaturdifferenz automatisch melden.

Die ersteren sind weitaus schwieriger zu konstruieren und daher auch seltener; alle sind elektrisch eingerichtet.

Das Fernthermometer von Chibout, welches in den Fig. 78 81 dar- gestellt ist, besteht, wie jeder dieser Apparate, aus dem in dem gefthr-

deten Raum angeordneten, mit einem Fig. 78. Fig. 79. Metallthermometer verbundenen Auf-

gebeapparat, welcher in den Fig. 78, 79,80 in mehreren Variationen und aus dem im Bureau aufgestellten Kontroll- oder Empfangsap- parat, welcher in Fig. 81 darge- stellt ist.

Der erstere, Fig. 78, zeigt ein mit dem Marmorwürfel o fest ver- bundenes Metallstäbchen B, welches seine Ausdehnung durch den kleinen doppelarmigen Hebel L auf das Stäbchen B^ und, vermehrt um die Ausdehnung des letzteren, durch den Hebel L| und die mit diesem ver- bundene Zahnstange T auf einen Zeiger A überträgt, dessen Stellung auf einer Skala abgelesen werden kann. Dieser Zeiger gleitet, wie aus Fig. 80 ersichtlich,auf einer aus Kupfer- lamellen bestehenden Scheibe S und schließt dadurch den, dem jeweiligen Temperaturgrade entsprechenden elek- trischen Kontakt und dadurch je einen besonderen Stromkreis, dessen Stärke durch eine bestimmte Wider- standsrolle von den Stromkreisen der Flg. 80. Fig. 81. anderen Temperaturgrade sich unter-

scheidet. Der Empfangsap parat besteht, wie aus Fig. 81 ersichtlich, aus einem Solenoid C7, in dessen Mitte, um h drehbar, sich der Zeiger 8 befindet, der an seinem Ende das Stäbchen f trägt Diesem gegenüber befindet sich das fixe Stäbchen f^. Beide Stäbchen werden unter dem Einflüsse eines Stromes gleichnamig elektrisch und stoßen sich um so mehr ab, je größer die Stromstärke, wodurch sich der Zeiger auf die betreffende Temperatur einstellt*

Fig. 79 unterscheidet sich nur dadurch von Fig. 78, daß der Dreh- punkt des Hebels L durch ein Stäbchen M von geringem Ausdehnungs- vermögen mit derselben Basis verbunden ist, wie das Stäbchen B und

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Maschinelle Einrichtungen gegen Unfälle.

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der Drehpunkt youL^. Beide Konstruktionen können die Temperatur- skalen sowie die Kontaktzeiger Ä^ getrennt erhalten.

Zu diesen Vorrichtungen gehören auch die Fernthermometer yon M. Berthold, Dr. P. Mönnich und Schwackhöfer.

Die Temperaturwächter können sehr mannigfdtig konstruiert werden und basieren entweder auf einem Quecksilber-, Luft-, Metall- oder sonstigen Thermometer, oder auf dem Schmelzen eines leicht schmelzbaren Körpers.

Wichtig ist bei diesen Apparaten, daß sie nur bei wirklich gefähr- licher Temperaturerhöhung melden, da sie sonst häufige Alarmierungen herbeiführen und das Vertrauen zu ihnen einbüßen würden.

Auf der Ausdehnung yon Metall beruhen die Wächter yon Schuch und Wiegel, yon W. Hart, E. Übrig, Rosen da hl, 0. Schöppe; auf der Ausdehnung yon Quecksilber der Apparat yon W. Kaiser; auf der Ausdehnung yon Luft oder anderen Glasen, die Vorrichtungen yon T. R. Douse, Th. Weißer, A. Jaksch, St. Ziembinski; auf der Ausdehnung einer Flüssigkeit die yon J. Bihrle; auf einem Schmelzkörper, der Wächter yon Schwartzkopf, yon C. W. J. Blanke, yon St. Ziembinski, F. Bahr.

Der in Fig. 82 und 83 dargestellte Temperatnrwächter yon A. J a k s c h

Pig. 8«.

der Hyglen«. Bd. YIII.

Fig. 85.

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m?t

162 MAX KRAFT,

besteht ans dem in den Metallcylinder C eingesetzten nnd mit Queck- silber gefüllten Oe&ße F, in welches das Böhrchen r eingesetzt ist, das mit seinem unteren Ende in das Quecksilber eintaucht. In diesem Röhr- chen befindet sich ein auf dem Quecksilber aufliegender Schwimmer aus Metall, dessen geführte Stange an ihrem oberen Ende die Kontaktplatte p trägt. Steigt die Temperatur in dem betreffenden Baume, so dehnt sich die Luft in dem Gefäße F aus, der Schwimmer steigt mit dem Quecksilber, bis die Kontaktplatte p den Blechstreifen t berührt und da- durch den über die Klingel Q und Batterie B zum Cylinder C fÄhrenden Stromkreis schließt. Soll der Apparat auch eine Minimaltemperatur an- zeigen, so dient hierzu der Kontakt ti und die anders gestimmte Klingel Q^, Durch die Schraube s kann das Oefaß F auf die entsprechenden Maximaltemperaturen eingestellt werden. Der Apparat ist so empfindlich, daß er nach entsprechender Einstellung schon beim Anhauchen Zeichen giebt.

Der in natürlicher Größe dargestellte Paraffin-Wächter von St. Ziembinski besteht aus einer an der Holzplatte P befestigten

kurzen Glasröhre g, die oben und unten durch eine Holzscheibe geschlossen ist. Auf der unteren Scheibe befindet sich eine Schicht Paraffin und g^ Sl ^ i- auf dieser etwas Quecksilber, in welches die von

"^ oben und unten in das Böhrchen eintretenden

Leitungsdrähte d und e eintauchen. Der Buhe- strom geht daher von a über d, das Quecksilber nach e und i^. Schmilzt nun infolge steigender Temperatur das Paraffin, dann sinkt das Queck- silber auf die untere Holzplatte und der Strom ist unterbrochen, wodurch ein Signal in Thätig- Plg, 84. keit gesetzt wird.

Die Funkenbildung durch Stoß und Schlag ist allerdings die seltenste Quelle der Schadenfeuer, kann aber in Explosivstofflfabriken furchtbaren Schaden anrichten. Auch bei Müllereimaschinen tritt die- selbe auf. Um die Funkenbildung bei Graupenmaschinen zu verhüten, wendet Martin eine sorgfältige Vorreinigung der Gerste, um harte Körper auszuscheiden, gute Lagerkonstruktionen mit selbstthätiger Schmierung und Zuführung von frischer Luft zwischen die Arbeits- flächen mittels Aspiration und Anwendung einer selbstthätigen Beschütt- ung und Entleerung der Maschinen an.

In Explosiystofffabriken kann die Gefahr nur durch strenge Vorschriften und strenge Einhaltung derselben gebändigt werden.

Die Ein- und Vorrichtungen, welche die Ausbreitung des Feuers zu verhindern haben, lassen sich in passive und aktive einteilen, von welchen die ersteren schon durch ihre Anordnung, Konstruktion, namentlich aber durch ihr Material eine Ausbreitung verhindern oder wenigstens thunlichst einschränken, während die letzteren das Feuer aktiv bekämpfen.

Zu den ersteren Maßnahmen gehört die Anordnung der Bäume, in welchen feuergefährliche oder explosible StoflFe verarbeitet oder ge- lagert sind, gegenüber anderen benachbarten. Bäumen So pflegt man z. B. in Baumwollspinnereien diejenigen Werkstätten, in welchen das Material noch in flocMgem Zustande verarbeitet wird, von den übrigen Manipulationsstätten vollkommen zu trennen und durch mit eisernen

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Maschinelle Emrichtongen gegen Ün&lle. 163

Thüren yerschließbare Gänge zu verbinden; ebenso yoUkommen getrennt and leicht abschließbar von solchen Werkstätten sollen alle jene Bäume sein, welche frei durch die ganze Höhe des Gebäudes hindurdiführen, wie Aufzagschächte, Lichthöfe, Ventilationskanäle und sonstige Verbin- dungsöffiiungen mehrerer Werkstätten u. s. w., weil sie schomsteinartig auf Luft und Verbrennangsgase wirken und eine sehr schnelle Verbrei- tung des Feuers durch das ganze Gebäude ermöglichen. Andererseits können sie durch schnelle Ableitung irrespirabler Gase zur Rettung bedrohter Menschen beitragen. Solche Bäume und Kanäle sollen stet^ vollkommen feuersicher hergestellt und mit Einrichtungen versehen sein, welche die Verbindungsöfihungen beim Ausbruche eines Feuers selbst- thäüg schließen, namentlich in Magazinen, in welchen sich Menschen nur selten aufhalten. Weitgedehnte Werkstätten und Lagerräume sollen durch mehrere, bis über den First gehende Brandmauern in kleinere Bäume geteilt werden, deren Verbindungsöfhungen durch feuer- sichere, selbstschließende Thüren gedeckt werden können. Eine solche vollkommene Abschließung ist z. B. in Theatern (vergl. Büsing in Bd. VI S. 117 dieses Handbuchs) zwischen Bühne und Zuschauerraum unumgänglich notwendig. Ebenso sollten die Wohnungen in einem Ge- bäude gegenseitig al^eschlossen werden.

Bei der Lagerung und beim Transport leicht entzünd- licher oder explosibler Materialien und Waren müssen selbstverständlich die vorhandenen Vorschriften streng eingehalten werden und ist namentlich der Transport solcher Materialen in voll- kommen geschlossenen Gefäßen, noch besser in geschlossenen, feuer- sicher hergestellten Böhrenleitungen und Kanälen, durch Pumpen, kom- primierte Luft, Transportseile und Ketten u. s. w. sehr anzuempfehlen.

Von größerer Wichtigkeit gegen die Ausbreitung des Feuers sind die baulichen Einrichtungen, welche sich auf die Verwendung nur feuerfesten Materiales und feuersicherer Konstruktionen beziehen.

Bei der Ausführung eines jeden Baues, namentlich solcher, in welchen mit leicht entzündlichen oder explosiblen Stoffen gehandhabt wird, in welchen solche Stoffe in größeren Quantitäten gelagert sind, oder in welchen an einzelnen Punkten hohe Temperaturen erzeugt werden müssen, soll dem Bauherrn sowohl wie dem Baumeister das Gespenst der Feuersgefahr stets vor Augen schweben und in jedem baulichen Detail seine Berücksichtigung finden, und es soll dabei nicht nur an die Verwendung unentzündbarer und unverbrennlicher Materialien, sondern auch an eine exakte, auch durch Erhitzung wenig veränderliche Verbindung der einzelnen Baubestandteile, d. h. also an die Erreichung einer auch durch hohe Temperaturen wenig beeinflußten Festigkeit im allgemeinen gedacht werden, denn es ist durch Thatsachen und Ver- suche erwiesen, daß sonst vollkommen feuerfest hergestellte Bäume resp. deren Begrenzungswände beim Entstehen hoher Temperaturen in- folge der Ausdehnung und ungleichmäßigen Ausdehnung der aus Metall hergestellten Baubestandteile der vollkommenen Zerstörung anheim- fielen.

Zu den schon längst bekannten unentzündbaren, aus Stein und Metall bestehenden Baumaterialien sind neuerer Zeit mehrere sdche Materiiüien resp. Konstruktionen getreten, die im Feuer ein sehr gutes Verhalten gezeigt haben.

Hierher gehören die Baukonstruktionen nach System Monier,

welche aus mit Gement umstampftem Eisenstab- oder Drahtgitterwerk

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164 MAX KRAFT,

bestehen, und welche nicht nur eine bedeutende Widerstandsfähigkeit gegen Belastung, sondern auch ein ausgezeichnetes Verhalten in hohen Temperaturen gezeigt haben, was namentlich auf die beinahe gleichen Ausdehnungskoäffizienten von Eisen und Gement zurückzuführen ist

Sehr günstig wirken bei dieser Konstruktion die bedeutende Adhäsion von Eisen und Gement und der Umstand, daß das Eisen durch den um- hüllenden Gement g^en Hosten geschützt ist

Wichtig ist, daß das Eisennetz immer in den am meisten der Dehnung ausgesetzten Teil der Konstruktion verlegt wird.

Hierher gehören femer die Gips dielen von Mack, bestehend aus einer besonders zubereiteten Gipsmasse, welche selbst aus Holz be- stehende Baukonstruktionsteile mit ^olg sogar gegen sehr beträchtliche Temperaturen zu schützen vermögen. Holz, ein sonst leicht entzünd- liches Material, kann jedoch, wie jeder andere Körper, nur bei Luft- zutritt brennen; wird nun die Liift durch einen selbst bei höheren Temperaturen gut haftenden Ueberzug gehindert, das Holz zu be- streichen, so ist ein Brennen des letzteren ausgesddossen. Die Schwierig- keit liegt nur in dem Erreichen des guten Haftens, was bei dem so- genannten Döhring'sehen Patentputz erreicht zu sein scheint, bei welchem auf die gerauhte Holzfläche eine Kiesschicht und auf diese erst ein Kalkputz angebracht wird.

Hierher gehören femer noch die Magnesitplatten, welche der Hauptsache nach aus Magnesitcement und Sägemehl hergestellt sind; der dem Hofmaurermeister G. Rabitz patentierte Putz, bestehend aus einem mit Mörtel gefüllten Drahtgewebe; die Deckenkonstruktion des Professors Melan, bestehend aus gebogenen Doppel-T-Trägern, zwischen welchen ein aus Gement bestehendes Gewölbe gespannt ist, in welchem Falle jedoch die Träger gegen eine unmittelbare Erhitzung geschützt werden sollen.

Als feuerfestes Material für Dekorations- und Baukonstruktionen ist der Asbest zu nennen.

Hierher gehören die aus Asbest, Zinkoxyd mit Ghlorzink auf einem Drahtgeflecht hergestellten Superatorplatten von J.Nagel; femer Asbestgewebe und -Anstriche von Metzeier u. G. in München und Asbest-Papierprodukte von L. Wertheim in Frankfurt

Solche Bau- oder Dekorationskonstruktionen u. s. w., welche ihr^n Zwecke entsprechend nicht aus feuerfestem Material hergestellt werden können, sollen künstlich mit der Eigenschaft hoher Entzündungstem- peratur ausgestattet werden, was durch Imprägnieren ermöglicht wird.

Zum Imprägnieren und feuerfesten Anstrichen werden Materialien verwendet, welche der Hauptsache nach aus Alaun, Kochsalz, Eisen- vitriol, Pottasche, Kalkmilch, Lehmwasser u. s. w. bestehen. Hierher gehören die Zusammensetzungen von Patera, Hottin, Versmann und Oppenheim, Kletzinsky, F. Konrad, R. Scherer, J. A. Odern heimer 's Nachfolger, M. Eck, E. Tepper u. s. w. (vergL Kratschmer in Bd. I S. 4ßO dieses Handbuchs).

Die Imprägnierung spielt namentlich in der Bübnenausrüstung eine große Bolle, hat aber noch immer nicht jene Verbreitung gefonden, welche in ihrer Wirkung b^ründet ist, wobei allerdings nicht verkannt werden soll, daß es nidbt leicht ist, den Anforderungen fiir die Sicher- heit g^en Feuersgefahr und denen, welche aus den mannigfachen TheaterefiiBkten erwachsen, gleichzeitig gerecht zu werden.

Hier wäre ferner zu erwähnen, daß aus Holz bestehende Treppen-

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Maschinelle Einrichtmigen gegen Unfälle. 165

Stufen, wie sie z. B. im Opernhause in Berlin in Verwendung waren, unter keiner Bedingung geduldet werden sollen. Es ist richtig, daß unter Umständen hölzerne Treppen bessere Dienste leisten werden als Steintreppen, deren Material unter Einwirkung höherer Temperaturen zerspringt, aber es ist ebenso richtig, daß hölzerne Stufen in Treppen- häusern, in welche beim Ausbruch eines Feuers die Flamme einge- drungen ist, zur Ausbreitung des Feuers wesentlich beitragen und die Ungangbarkeit der Treppe sofort herbeiführen werden. Die Stufen einer Treppe sollen sowohl in bewohnten Gebäuden, als auch in Theatern und Vergnfigungsr&umen weder aus Holz, noch aus leicht durch Hitze deformierbarem Stein, sondern aus Konstruktionen bestehen, die sowohl der Flamme, als auch der Hitze absoluten Widerstand leisten. Die auf eisernem, also leicht die Hitze leitendem Gerüste verlegten Holztreppen des Berliner Opernhauses waren wohl einzig in ihrer Art und hätten beim Ausbruch eines Feuers eine Katastrophe fraglos herbeigeführt.

Ich möchte hier endlich noch auf die öl- und schmieredurchtränkten Fußböden in den yerschiedensten FabrUräumen aufmerksam machen, die die Ausbreitung in außerordentlicher Weise begünstigen. Fußböden solcher Werkstätten, in welchen zu schmierende Maschinen und Trans- missionen sich befinden, sollen entweder aus Stein, Cement u. s. w. hergestellt oder wenigstens mit Blech belegt und mit Sammelrinnen für die Schmiere versehen sein. Für die gewöhnlich barfuß verkehrenden Arbeiter, deren Füße dadurch ohnedies den mannigfaltigsten Beschädig- ungen ausgesetzt sind, lassen sich wohl leichte, billige Pantoffeln ein- führen.

Für die Einschränkung der Ausbreitung des Feuers ist auch das Absperren der Gasleitung von Wichtigkeit, was z. B. durch den elek- trischen Gasabschluß von T. R. Douse geschehen kann.

Für das aktive Eingreifen gegen die Ausbreitung des Feuers ist es von großer Wichtigkeit, von dem Ausbruche eines solchen thunlichst schnell unterrichtet zu werden. Hierzu dienen die schon besprochenen Femthermometer, Temperaturmelder, besonders bestellte und besoldete Fenerwächter, selbstthätig wirkende, mechanische Feuerwächter und Feuerwehr- Alarmapparate.

Um die bestellten Feuerwächter, welche gewöhnlich nur in der Nacht ihren Dienst zu versehen haben, bezüglich ihrer Thätigkeit kon- troUieren zu können, werden sogenannte Kontrolluhren oder sonstige Kontrollapparate angewendet. Die ersteren bestehen aus einer Uhr, durch welche ein eingeteilter Papierstreifen oder eine solche Scheibe an der Spitze eines entsprechend angeordneten Druckknopfes vorüber- bewegt wird und den vom Wächter auf den Knopf zu einer bestimmten Zeit ausgeübten Druck zu markieren und zu kontrollieren gestattet. Solche I^en sollen aber in jedem zu beaufsichtigenden Baume ange- ordnet sein, um den Wächter zu zwingen, jeden dieser Bäume in be- stimmten Zeitintervallen entweder direkt zu betreten oder durch eine Oeffhung zu überblicken. Eine gute, diesbezügliche Einrichtung zeigt die elektrische Wächterkontrolluhr von Baratta, bei welcher der Wächter gezwungen ist, bei jedem Bundgang in jedem Baum einen Knopf zu drücken. Die Leitung ist bei jedem Knopf unterbrochen und wird nur durch das Drücken aUer Knöpfe schließlich durch den letzten ^opf geschlossen, wodurch in der Uhr die Markierung vor sich geht und die Leitung wieder für den nächsten Bundgang vorbereitet wird.

Solche Vorrichtungen und Kontrolluhren sind noch zu erwähnen

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MAX KRAFT,

von Siemens usd Halske, Mix und Genest, A. Friedländer, A. Loppens, Gebr. Naglo, Doehring, Gebr. Eppner, J. Bürk's Söhne etc.

Die selbstthätigen, mechanischen Feuer Wächter sind, wenn sie von Zeit zu Zeit ordentlich kontrolliert und in Stand gehalten werden, den menschlichen Wächtern entschieden vorzuziehen. Diejenigen von ihnen, welche schon durch die Hitze in Thätigkeit gesetzt werden, sind den Temperaturwächtern ähnlich. Diejenigen, welche erst durch die Flamme erweckt werden und Flammen Wächter genannt werden können, sind sehr verschieden konstruiert.

Der in den Fig. 85 und 86 dargestellte Flammenwächter von F. Bahr besteht ans zwei in einem Gehäuse h drehbaren Hebeln, deren mit Leitungsdrähten verbundene Kontaktenden i durch das Kautschukband h zusammengezogen, an einer Berührung jedoch durch die leicht entzünd- liche Schnur u gehindert werden. Brennt diese Schnur ab, so kommt das Kautschukband zur Wirkung, drückt die Enden ii aneinander und schließt den Strom. Diese Vorrichtungen sollen immer so eingerichtet sein, daß sie nicht nur den Ausbruch des Feuers angeben, sondern auch den betreffenden Baum kennzeichnen, was sich leicht ausführen läßt.

Die Feuerwehr -Alarmapparate, welche nun schon in jeder größeren Stadt, an verschiedenen Punkten derselben angeordnet sind, sollen nicht nur das Feuer und den Ort desselben, sondern auch die Gattung desselben Essen-, Stuben-, Keller-, Dach- etc. Feuer signalisieren und sind am besten mit einem Telephon zu verbinden.

Was nun die eigentlichen Vorrichtungen zur Bekämpfung des Feuers betrifft, so nehmen hier die Feuerwehr-Requisiten den ersten Platz ein, können jedoch hier wegen Raummangels nicht besprochen werden. Es soll nur auf die erprobte Einrichtung unserer Feuerwehren und auf die alles Lob verdienende Schulung und Tapferkeit unserer Feuerwehrmannschaften hingewiesen werden.

Das Feuer wird gewöhnlich durch Wasser bekämpft, kann jedoch auch durch Luft verdrängende Gase, wie Dampf, Rauch u. s. w. ein- gedämmt werden, wenn die Temperatur im Räume nicht schon zu hoch gestiegen ist. Bei der Bekämpfung durch Wasser hilft der geschleuderte, starke Strahl nur dort, wo er triflt; viel richtiger ist es wenn möglich eine vollkommene Trennung von der Luft durch ausgiebige Beriese- lung der brennenden Flächen und Materialien herbeizuführen, wobei gleichzeitig die bedeutende Abkühlung durch Verdunstung des Wassers, sowie die Dampfbildung wichtige Faktoren zur Untenlrückung des Feuers sind.

Die Handapparate, welche noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr in Anwendung kommen können, sind die in jedem feuergefährlichen Raum angeordneten Wasserhähne mit dazu gehörigen, leicht ver- bindbaren Schläuchen; der Handfeuerlöscher von P. Schwartz, bei welchen das aus einem Gefäß geschleuderte Wasser infolge der langen schmalen Austrittsöffhung zu einem breiten Strahl gezwungen

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Fig. 85 u. 86

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Machinelle Emrichtungen gegen Unfälle. 167

wird, die sogenannten Feuerlöschgranaten, Glasgefäße, in wel- chen feuerlöschende Gase entwickelnde Flüssigkeiten sich befinden, welche Vorrichtung bisher jedoch keine sehr günstigen Resultate gezeigt haben. Löschdosen, deren Inhalt aus Chemikalien besteht, welche den Sauerstoff der Luft schnell binden, oder diesen verdrängende Gase entwickeln und dort zum Löschen anzuwenden sind, wo z. B. bei Petroleum, Spiritus u. s. w. mit Wasser nicht gelöscht werden kann ; die flammenerdrückenden Rettungstücher von R Scherer, welche imprägniert sind und über die Flamme gebreitet werden; endlich die sogenannten Gasspritzen oder Extincteure, welche leicht am Rücken getragen werden können und aus einem genügend starken Blechkessel bestehen, in dem sich gewöhnlich mit doppeltikohlensaurem Natron gemischtes Wasser und ein Gefäß mit konzentrierter Schwefel- säure befindet. Im Falle der Gefahr wird dieses Gefäß durch eine ent- sprechende Vorrichtung zerbrochen, die Schwefelsäure ergießt sich in die Lösung, es bildet sich schwefelsaures Natron und freie Kohlensäure, durch deren Spannung die Lösung aus einem geöfiheten Hahn gegen die Flamme geschleudert werden kann. Bei einer anderen Konstruktion wird diese Spannung durch flüssige Kohlensäure erreicht, welche in einem mit dem Wassergefäß verbundenen besonderen Behälter bereit gehalten ist. Die Wirkung dieser Spritzen kann durch Anwendung von Feuerlöschmitteln erhöht werden. Ein solches kann z. B. aus einem aus 50 Proz. Kochsalz, 30 Proz. kohlensaurem Natron und 20 Proz. Alaun zusammengesetzten Pulver bestehen. Hierher gehören die Kon- struktionen von H. Bohle, F. F. A. Schulze, G. A. Poelmann, J. G. Lieb, B. Loeb, welche letztere gleichzeitig mit einem Respi- rationsapparat versehen ist, von E. Ali seh u. G., der The Edison Fire Extinguisher Company u. s. w.

Zu erwähnen sind femer noch die kleinen, trag- oder fahrbaren Hand- resp. Trittspritzen, welche ebenfalls gute Dienste leisten können.

Viel wirksamer sind cUe Feuerlöscheinrichtungen Feuerlöscher welche selbstthätig wirken und das Feuer zu löschen imstande sind, bevor nodi ein Mensch demselben nahe gekommen ist. Bei richtiger Konstruktion und Anordnung, sowie entsprechender Beaufsichtigung und Kontrolle können diese Apparate namentlich dort wichtige Dienste leisten, wo infolge der entstandenen Aufregung und Panik auf ein kalt- blütiges Handeln der Menschen nicht mehr gerechnet werden kann. Die Vorrichtungen bestehen entweder aus dem Mundstück eines Wasser- leitungsroh^es, welches so lange verschlossen bleibt, bis dassslbe durch den Ausbruch des Feuers resp. durch die Erhöhung der Temperatur selbstthätig geöffnet wird und das Wasser zum Ausfluß kommt, oder sie bestehen aus Ideinen, extincteurähnlichen Gefäßen, die entweder regelmäßig in bestimmten Distanzen oder an besonders gefährdeten Stellen angeordnet und so konstruiert sind, daß sie durch einen, einen elektrischen Strom schließenden Feuermelder in Thätigkeit gesetzt werden, wie dies z. B. bei dem Feuerlöscher von Douse der Fall ist.

Zu den ersteren gehört der bekannte Apparat von Grinell und die in den Fig. 87 und 88 vorgeführte Vorrichtung von E. Walker und C. Dieselbe zeigt das Mundstück R eines Wasserleitungsrohres, dessen Ende in Ruhe durch die Blechplatte p verschlossen und durch die E^autschukmanschette M abgedichtet ist und zwar in folgender Weise. An das Ende des Mundstückes R ist außen ein in der Zeichnung schwarz

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168 MAX KRAFT,

gehaltener Ebonitring m (Fig. 88) angeschraubt und dieser wieder durch einen Metallring gedeckt. Der Zwischenraum zwischen diesem Metall- ring und der wulstförmig aufgestülpten Platte p ist durch eine leicht schmelzbare Legierung (Fig. 87) gefüllt. Ein sicheres Festhalten wird

P

Fig. 87.

Fig. 88.

durch entsprechende Ausbuchtungen des Metallringes und der Platte erreicht. Schmilzt diese Legierung infolge der Erhöhung der Temperatur, so fällt die Platte p infolge des Wasserdruckes nach unten und bleibt mit ihren hakenförmig gestalteten Ansätzen h an dem ringförmigen An- satz hängen (Fig. 88), sodaß das ausströmende Wasser auf die Platte p auftrieb und nach allen Seiten geschleudert wird.

Ebenso selbstthätig wirkend kann und soll der vielbesprochene Regenapparat der Theaterbühnen eingerichtet sein. Dieser Apparat ist das einzige Mittel, einen auf der Bühne entstandenen uud nicht so- fort unterdrückten Brand, welcher sich bisher mit den gewöhnlichen Mitteln als unlöschbar erwiesen hat, noch zu bewältigen. Man hat von mancher Seite her die Selbstthätigkeit dieser Einrichtungen zu ver- dächtigen gesucht, jedoch gewiß mit Unrecht. Sie sind bei ent- sprechender Kontrolle und zeitweiser Erprobung durchaus zuverlässig, da ihre Konstruktion gewöhnlich auf unveränderlichen physikalischen Gesetzen beruht, und es giebt keinen ernsten und vernünftigen Grund gegen die Anwendung der selbstthätigen Oeffner an Regenvorrichtungen neben den vorgeschriebenen und stets vorhanden sein sollenden, von Hand aus bewegten Oefhungsvorrichtungen , von welch letzteren stets mehrere und mindestens eine in vollkommen geschützter LAge anzu- ordnen sind. Im Falle allgemeiner Ratlosigkeit und demzufolge Nicht- bethätigung dieser Handapparate werden die selbstthätigen Vorrich- tungen entschieden zur Wirkung kommen und den Menschen ersetzen.

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Maschinelle Einriehtangen gegen ünfUle.

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Bei all diesen Vorrichtungen ist es von Wichtigkeit, daß sie während ihrer Aktion ununterbrochen von einer Wasserleitung gespeist werden. Geschieht dies durch Reservoire, so kann durch eine ebenfalls selbst- thätig wirkende Einrichtung die zur Speisung der Reservoire die- nende Pumpe in Th&tigkeit gebracht werden. Ebenso ist alle Vorsorge zu treffen, um diese Einrichtungen in bestimmten Zeitintervallen prOfen zu können. Der Regenapparat kann, bei jedem Gebäude im Dachraum angeordnet, wichtige Dienste leisten.

Ein von H. Nonnen angeordneter Löschapparat besteht aus einer größeren Anzahl von Wasserleitungsmundstücken, welche an den Längs- wänden des zu schützenden Raumes so angeordnet sind, daß sie den ganzen Raum beherrschen. Unter diesen Mundstücken befinden sich Dampfetrahldrüsen, welche das Wasser anzusaugen haben.

Von den mannigfaltigen Vorrichtungen, welche die OefFhung eines eine Wasserleitung absperrenden Hahnes oder VentQes von irgend einem fem gelegenen Punkte zu bewirken haben, sei hier nur die in der bei- stehenden Fig. 89 ersichtliche Konstruktion von S. Ziembinski vor- geführt

Fig. 89.

Sie besteht aus dem entsprechend langen, mit einem genügend großen Oewicht G belasteten Hebel ^,, dessen Ende auf der Nase des Dreh- hakens c aufliegt und dadurch am Fallen gehindert ist. c ist an seinem unteren Ende drehbar mit dem Zughaken e verbunden, in dessen Nähe sich der Drehpunkt f des mit dem Gewichte g belasteten Fallhebels s befindet. Dieser Hebel ist normal durch die Nase des Ankerhebels a in einer schiefen Stellung erhalten. Wird infolge eines Stromschlusses

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der Hebel a vom Elektromagnet M angezogen, so föllt g nach rechts nnd zieht durch die angesammelte lebendige Elraft mittels des Hebel- endes e ebenfalls nach rechts, wodurch dem Hebel fl, die Stütze ent- zogen wird und dieser im Fallen auf eine Nase des Hebels H aufbifPb, welch letzterer mit dem Drehbolzen des Hahnes verbunden ist und diesen daher öffnet. J7, bewegt daher nicht unmittelbar den Hahn, sondern erst dann, wenn G eine gentlgend große lebende Kraft durch seinen Fall angesammelt hat. Der Hahn ist als Drehschieber gedacht, um große Oeffnungen zu erhalten. Die Vorrichtung kann, wenn sie regelmäßig kontrolliert wird, niemals versagen.

Endlich sei noch erwähnt, daß in jeder Fabrik eine spezielle Fabriksfeuerwehr bestehen soll; daß Vorschriften über das Ver halten der Arbeiter beim Entstehen eines Feuers erlassen und daß das hier Angeordnete von Zeit zu Zeit eingeübt werden soll.

Was nun die Rettungsapparate und -einrichtungen an- langt, so sind dieselben mannigfacher Natur. Bei der Anordnung der- selben ist namentlich im Auge zu behalten, daß die in Betracht kom- menden Menschen mehr der Erstickungs- als der Verbrennungsgefahr ausgesetzt sind.

Dort, wo eine größere Anzahl von Menschen gefährdet ist, wie in Fabriken, Theatern, Vergnügungslokalen, Schulen, Krankenhäusern, Strafanstalten, Hotels u. s. w., kann die Rettung nur durch entsprechende bauliche Einrichtungen mit Sicherheit erreicht werden, und ist hier namentlich auf genügend groß dimensionierte und vollkommen feuer- sowie auch hitzesichere Treppen und Treppenhäuser, Korridore u. s. w., auf nur nach außen offenbare und sich selbstthätig schließende, unver- brennliche Thüren in genügender Anzahl zu sehen. Die Anordnung soll thunlichst so getrofien sein, daß sich die betroffenen Menschen in natürlicher Weise von selbst in mehrere Gruppen teilen , jede derselben den ihr zugewiesenen Weg leicht zu finden und auch zu durcheilen vermag, ohne durch irgend welche Hindemisse, wie ausspringende Ecken, Wendungen, Stufen u. s. w. gehindert zu sein. Geschlossene Ausgangs- thüren sollen durch elektrische Einrichtungen von einem oder mehreren Punkten aus geöffnet werden können, wozu mehrere Konstruktionen in Anwendung stehen.

Sind solche Anordnungen, wie in alten Gebäuden, nicht thunlich, dann muß vor allem für das Abziehen irrespirabler Gase durch selbstthätig sich öShende und auch durch Hand öfienbare Abzugsschläuche und dafür gesorgt sein, daß sich alle Fenster leicht öffnen und durch dieselben ein außen angeordneter freier, mit Geländer versehener Korri- dor und von diesem aus an der Außenmauer herabführende eiserne Treppen erreichen lassen.

Für Krankenhäuser, wo solche Einrichtungen nicht anwendbar sind, soll namentlich dafür gesorgt sein, daß das Gebäude in mehrere, von- einander durch starke Feuermauem vollkommen abgeschlossene und nur durch feuersichere Thüren verbundene Teile geteilt sei, damit die Kranken in die benachbarten, nicht ergriffenen Teile gebracht werden können. In Strafhäusem müssen Korridore und Treppen selbstver- ständlich in Höfe führen.

Wichtig ist die Anordnung einer sogenannten Notbeleuchtung, welche vom Feuer nicht beeinflußt sein darf, und entsprechende Bezeich-

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Maschinelle Einrichtungen gegen UnftUe.

171

nung der Fluchtthüren , des einzuschlagenden Weges, der Wasser- hydranten, Rettungsvorrichtungen u. s. w. u. s. w.

Dort, wo es thunlich ist, sollen die gefährdeten Menschen durch eine bewegliche, feuersichere Zwischenwand vom Feuerherd getrennt werden können, wie durch den eisernen Vorhang in Theatern, der von mehreren, nicht gefährdeten Punkten und auch selbstthätig bewegbar sein soll. Solche elektrisch bethätigte Vorrichtungen zur Bewegung des eisernen Vorhanges, zum Oefifhen der Abzugsschläuche und Thüren sind vom Ingenieur G. A. Mayrhofer konstruiert.

In Theatern sollen sowohl auf der Bühne, als auch im Zuschauer- raum Abzugsschachte für die Verbrennungsprodukte auch dann vor- handen sein, wenn sonst alle nötigen Einrichtungen getroffen sind.

Die eigentlichen Rettungsapparate sind nur Notbehelfe, welche erst dann zur Verwendung kommen, wenn die baulichen Anlagen unrichtig hergegestellt sind oder aus lokalen Gründen überhaupt nicht ange- ordnet werden können. Sie erfordern, wenn sie richtig und mit Erfolg angewendet werden sollen, turnerische Gewandtheit und Mut, sind daher namentlich für das weibliche Geschlecht letzte Auskunftsmittel.

Die Feuerwehr verwendet, wie bekannt, Rettungsseile mit Bremsvorrichtungen, mittels welcher sich durch einen Leibgurt befestigte Personen langsam am Seile abgleiten lassen können; verschiebbare und fahrbare Leitern, offene und verschlossene Rutschen, Sprung- tücher, genäßte Einhülltücher u. s. w.

Als Selbstrettungsapparate, durch welche sich einzelne Menschen selbst zu retten vermögen, sind anzuführen:

Die an der Hausmauer aufziehbare Rettungsleiter von W. Cluse, die aufrollbare Rettungsleiter von B. Block, die in die Mauer eingemauerten herausschiebbaren Stufen von G. H. Thompson, die unter einem Fenster der Wohnung in einem Schrank dauernd aufbewahrte, mittels Scharnieren zusammenlegbare Rettungsleiter von Deschner und Bingler, die an Ketten ohne Ende hängende bremsbare Rettungsbühne von H. Aldefeld und J. South, der im Boden des Zimmers be- festigbare, in einer Höhlung mit einer Seiltrom- mel ausgestattete Rettungsstuhl von H. G. Powell, der aus einem Seil mit Bremsvorrichtung bestehende Rettungsapparat von J. G. Lieb, sowie der Rettungsschlauch von demselben, die W e n d e I - rutsche von R. W. Dinnendahl, die fahr- bare, durch eine den Nürnberger Scheeren ähn- liche Konstruktion heb- und senkbare Rettungs- bühne, genannt Demittant von G. Brißler, der mit Seilbremsen versehene Sicherheits- gürtel von P. J. Hartleff , von B. Burkin und T. Melville u. s. w.

Hier sei nur der aus Fig. 90 ersichtliche Rettungs- apparat von J. G. L i e b vorgeführt. Er ist so kon- struiert, daß er nicht nur mit den Enden eines be- festigten Seiles, sondern an jeder Stelle mit dem- selben verbunden werden kann. Eine an den Ring G befestigte Person kann sich durch Fest- ''"»K. öO.

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172 MAX KRAFT,

halten und allmähliches Nachlassen des Seiles leicht an demselben herab- lassen.

Die nun schon in mehreren Exemplaren konstruierten aufklappbaren Theatersessel sind so konstruiert, daß sie dem flüchtenden Publikum thunlichst freie Bahn bieten. Solche Stühle sind erdacht von G. A. Pa- ri ni, E. Schlösser, W. Schleicher. Sie können nur dann Dienste leisten, wenn sie nicht vom Publikum, sondern auf elektrischem Wege, von einem Punkte aus oder selbstthätig zuscunmenklappen.

Endlich soll auch an die Sicherheit der Feuerwehrmänner gedacht and alles gethan werden, um denselben ihren aufopferungs- YoUen Dienst so sicher zu gestalten als thunlich. Zu diesem Behufe dienen die Atmungsapparate, sowie auf Dächern, Theatern u. s. w. angeordnete Einrichtungen, welche den Feuerwehrmännern, so weit dies möglich ist, sicheren Verkehr und Standpunkt gestatten sollen.

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Handbuehe.

Die Figuren des Aufsatzes sind folgenden Quellen entnommen:

Fig. 1 and 2 ans Dingler, Band 987 Seite 95.

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der Zeitsohrift des <

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Ing.- und Areb. -

Vereins Jabrg. 1890

Taf. XXVm Fig. 89, 40. Flg. 76 ans der Zeitschrift des Oesterr. Ing.- «nd Arch.-Vereins Jabrg. 1890 Taf. XZVUI

Fig. 86. Fig. 90 aas der Zeitschrift des Oesterr. Ing.- and Arch.-Vereins Jabrg. 1890 Taf. XXVIII

Fig. 51. Fig. 88, 88 aas Üb I and, Maschinen-Konstraktear Jahrg. 1884 Skissenbl. IX, Fig. 11, 18. 84 ^ ff ff f) 1884 VII, 18.

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ff 69 y, 1884 IX 1.

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DIE

LÜFTUNG DER WERKSTÄHEN.

BEARBEITET

VON

MAX KRAFT,

O. Ö. PBOFBSSOB AN DBB TECHNISCHEN HOCHSCHULE IN BbONN.

MIT 27 ABBILDUNGEN IM TEXT. ,.

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THE NEW York! PÜÄIC LIBRARY]

A8TOR. LEWCX XfrS» TILDEN F^— T\T»0,>*#,

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Inhaltsübersicht.

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Einleitung 179

1. Die Verunreinigung der Luft in Werkst&tten 180

2. Die Mittel zur Reinigung der Luft in Werkstätten . . . 182

a) Mittel gegen gasförmige Verunreinigungen der Luft . . 182

b) Mittel gegen die staubförmigen Verunreinigungen der Luft 184

c) Mittel gegen abnorme Temperatur 185

d) Zusammenfassung 185

Kap. L Die Einrichtungen gegen Entstehung und

Ausbreitung schlechter Luft in Werkstätten . . 185 Kap. n. Die Verdünnung und Ableitung der verun- reinigten Luft 188

a) Luftbedarf 188

b) Luftbeschaffenheit 189

c) Die natürliche Lüftung 189

d) Die künstliche Lüftung 190

Kap. UL Die üeberführung der verunreinigten Luft

in geschlossene Räume, die Abscheidung undBin- dung der Verunreinigungen durch Filtration,

Kondensation und sonstige Mittel 205

Elap. IV. Die Filtration der verunreinigten Luft un- mittelbar an den Atmungsöffnungen des mensch- lichen Körpers 214

Kap. V. Die Vernichtung der in den Werkstätten und

am Körper haftenden Verunreinigungen . . . 215

Litteraturverzeichnis 216

GesamtregiBter zur allgemeinen Gewerbehygiene 218

Handbuch der Hjfl«iM. Bd. TIU. 12

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Einleitimg.

Die SchädiguDgeD, welcheD gewerbliche UDd industrielle Arbeiter durch dauerndes Ematmen unreiner Luft ausgesetzt sind, beanspruchen die gleiche, wenn nicht eine noch größere Aufmerksamkeit als die in dem vorhergehenden Kapitel behandelten Unfälle: nicht nur deshalb, weil sie durch schädliche Beeinflussung der körperlichen und geistigen Eigenschaften des Arbeiters mittelbar zur Vermehrung der Unfälle und zur Ver- schärfung der Folgen dieser letzteren beitragen, sondern namentlich deshalb, weil sie die Grundlagen der Gesundheit und des Lebens der Betroffenen untergraben und meist so zu schädigen vermögen, daß da- durch ganze Generationen dem Siechtum verfallen.

Wenn nun auch die mit giftigen Gasen und auffallend schädlichem Staub verunreinigte Werkstättenluft ganz eklatante und stark hervor- tretende Beispiele fQr das Gesagte zu liefern vermag, so darf daraus nicht gefolgert werden, daß die anderen, mit weniger schädlichen Luft- beimengungen gefüllten Arbeitsräume einer weiteren Beachtung nicht bedürfen. Wir sind heute glücklicherweise so weit, unwiderleglich und streng wissenschaftlich nachweisen zu können, daß eine, ausschließlich durch die gasförmigen Produkte der natürlichen Lebensprozesse des Menschen geschwängerte Luft, fortdauernd eingeatmet, eine der früher erwähnten im Schlußresultat ähnliche, wenn auch langsamer fort- schreitende Schädigung herbeizuführen vermag, und wir können daher ruhig schließen, daß die durch Unfälle im enteren Sinne und die durch dauernde Einatmung verunreinigter Luft den m Werkstätten arbeitenden Menschen zugefügten Schädigungen einander in ihrer Wirkung und Wichtigkeit vollkommen gleichstehen, ja die letzteren wegen ihres weitergebenden Einflusses vielleicht eine noch größere Berücksichtigung veondienen.

Eine Hauptursache der bisheriffen Vernachlässigung dieser letzteren Gattung von Schädigungen ist wohl in der Unkenntnis der wichtigsten physischen Lebensbedingungen des Menschen begründet, wie sie heutigen Tages noch in manchen Kreisen vorherrscht Es ist allgemein bekannt, daß die im Dienste gewisser Industrien und Gewerbe stehende Bevöl- kerung eine verminderte Lebenserwartung besitzt, welche man in den meisten Fällen den Schädlichkeiten der Handarbeit zuschreibt, ohne zu bedenken, daß Handarbeit, innerhalb der Grenzen der Leistungsfähigkeit

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180 MAX KRAFT,

uDd unter sonst günstigen Verhältnissen ausgeübt, kräftigend und ge- sundheitsfördernd wirkt. Wie wichtig das Einatmen reiner Luft, nament- lich bei der durch Arbeit erhöhten Respiration ist, geht daraus hervor, daß der Mensch 9 11000 1 Luft in 24 Stunden in den Körper auf- nimmt, welche mit den wichtigsten Lebenssäften in unmittelbare Be- rührung tritt, und daß die Luft daher mindestens ein ebenso wichtiger Faktor ftlr die Erhaltung der Lebensprozesse ist, wie die übrigen Nahrungsmittel.

Wenn nun heutigen Tags in den civilisierten Ländern Westeuropas kein Theater und kein dem Vergnügen gewidmeter Raum ohne kost- kostspielige und allen Anforderungen entsprechende Lüftungseinrichtung hergestellt wird, so ist es doch gewiß eine, jedem gerecht Denkenden klare und unbestreitbare Forderung, daß für alle jene Räume, welche zur Ausführung ernster, den Beschäftigten die einzige Möglichkeit des Lebens bietender Arbeit verwendet werden, die beste Atmungsluft gerade gut genug ist.

1. Die yeranrelnlgangen der Luft in Werkstätten.

IMese Verunreinigungen sind entweder gas- oder staubförmiger Natur, entweder durch die Sinne leicht oder schwer, d. h. nur durch künst- liche Verschärfung der Sinne, wahrnehmbar.

Die gasförmigen Verunreinigungen, welche in vielen Fällen durch ihren Geruch ihre Anwesenheit verraten, auch direkt gesehen werden können und je nach ihrer Qualität und Konzentration verschieden schwere Schädigungen herbeizuführen vermögen, entstammen den ver- schiedensten Quellen. Solche sind die gasförmigen Produkte des At- mungs- und Verdauungsprozesses, sowie die Hautausdünstungen der in dem Räume befindlichen Menschen ; die gasförmigen Ausscheidungen der Umgebung, wobei namentlich derjenigen eines feuchten, sumpfigen Bodens, der Mauerfeuchtigkeit, der durch den Fabriksbetrieb oft in hohem Maße verunreinigten Abflußwässer, der Haushaltungsgossen, der Aborte und deren Sammelgruben, etwa nahegelegener Ställe, insbesondere aber der Licht- und Wärmequellen zu gedenken wäre. Namentlich mag noch auf das Austreten des Leucht- und Wassergases aus undichten Rohr- leitungen hingewiesen werden. Außer diesen, auch in gewöhnlichen Wohn- räumen nachzuweisenden Verunreinigungen sind der Werkstättenluft, je nach der in den Werkstätten vorgenommenen Produktionsgattung und Methode, noch mehr oder weniger intensiv wirkende, oft direkt ^ftige, d. h. verhältnismäßig schnell wirkende Gase beigemengt, die oft in un- mittelbarer Nähe des Standortes des Arbeiters sich entwickeln und sich, je nach ihrem spezifischen Gewichte, in verschiedenen Schichten der Raumluft mit dieser vermischen. Besonders hervorzuheben sind in dieser Beziehung der Bergbau, die Blei-, Quecksilber-, Zink-, Arsen- und Messinghütten, die Spiegelbeleganstalten, die Zündhölzchenfabriken, die chemische Großindustrie, die Leuchtgasanstalten etc.; an diese reihen sich solche Werkstätten, deren Raumluft hauptsächlich durch Wasserdampf, oft wohl auch mit schädlicheren Gasen verunreinigt ist, wie die Wasch- und Appreturanstalten, Färbereien, Brauereien, Brennereien, Lack- und Farbenfabriken, Papierfabriken, Seifensiedereien u. s. w.

Eine eingehendere Begründung hat das oben gesagte in den Kapiteln 1 und 2 der allgemeinen Gewerbehygiene gefunden.

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Die Lüftung der Werkstätten. 181

Die staubförmigen VerunreiniguDgen der Luft entstammen ent- weder — wie bei den gewöhnlichen Wohnräumen der unmittelbaren und, durch Wind verschleppt, auch der weiteren Umgebung der Werkstätten. Sie entstehen aber auch unmittelbar am Standorte des Arbeiters bei der Durchführung der Produktionsprozesse, und treten in diesen Fällen oft so massenhaft auf, daß sie direkt sichtbar werden.

Schon durch den Transport der Roh- und Hilfsmaterialien in und durch die verschiedenen Werkstätten wird gewöhnlich viel Staub ent- wickelt Hieran schließen sich die Manipulationen, welche bei der Form- verändemng organischer und anorganischer Bohmaterialien ein Zer- drücken, Zerschneiden, Zerreiben, Zersprengen des ganzen oder nur eines Teiles des Rohmateriales erfordern, wiez. B. beim Hobeln, Sägen, Fräsen, Bohren, Drehen u.s. w. der Metalle und Steine, des Holzes, des Zuckers, der Knochen, des Hornes, der Muschelschalen u. s. w.

Dann folgen Arbeiten, welche das Glätten der Rohprodukte oder das Verschönem RiÄnieren derselben durch Abreiben der Oberfläche, Schlafen der Metalle, des Holzes, des Glases, des Thones, des Hornes etc. zur Ausführung bringen und einen gewöhnlich sehr feinen, scharfen Staub erzeugen; hieran reihen sich Entstaubungs- arbeiten, wie sie namentlich bei der Verarbeitung der Faserstoffe in der Textilindustrie, der Papierfabrikation, in der Tabakindustrie, auch als Nebenmanipulationen vorkommen und endlich Arbeiten, deren Zweck direkt die Stauberzeugung resp. die weitgehende Zerkleinerung der Roh- materialien ist, wie bei der Mühlen-, Cement-, Thonwaren-, Schmirgel-, Explosivwaren- und chemischen Industrie, welche eine große Anzahl der verschiedensten Stoffe in pulverförmigem Zustande herstellt. Schließ- lich wären zu erwähnen die Sammel-, Verpackungs- und Verladungs- arbeiten, welche bei staubförmigen Produkten gewöhnlich mit stärker Staubentwickelung verbünden sind.

Die Reihe der hier angeführten Arbeiten und Gelegenheiten zur Staubentwickelung ließe sich selbstverständlich noch um ein Bedeutendes vermehren; aber schon die hier angeführten dürften genügen, um in dem Leser die Ueberzeugung zu begründen, daß beinahe jede gewerb- liche oder industrielle Thätigkeit naturgemäß mit der Entwickelung mehr oder weniger großer, verschiedengradig schädlicher Staubent- wickelung verbunden ist, und daß daher die Luft der Werkstätten wohl eine weitaus größere Verunreinigung aufweisen muß als die Raumluft gewöhnlicher Wohnräume, in welchen die Respiration naturgemäß in weniger intensiver Weise vor sich geht als in den Arbeitswerkstätten.

Von den verschiedenen Staubgattungen sind die schädlichsten die- jenigen, welche aus den kleinsten, härtesten, scharfkantigsten und solche, welche aus direkt giftig wirkenden Partikeln bestehen, wie dies nament- lidi beim Hüttenstaub und bei der Verarbeitung der Metalle der Fall ist, sowie diejenigen Staubgattungen, welchen Bakterien beigemengt sind, wie bei der Hademsortierung in den Roßhaar-, Woll- und Pinsel- fabriken u. s. w. Dem gröberen Staub kann schon deshalb eine größere Schädlichkeit abgesprochen werden, weil er nicht lange nach seiner Entstehung aus der Atmungsluft ausgeschieden wird und zu Boden fiült, wo er allerdings einer immer weiteren Zerkleinerung anheimfäUt und dadurch an Schädlichkeit zunimmt.

Endlich kann als eine Art von Verunreinigung der Luft die Ver- breitung abnormer Hitze in derselben, das Entstehen hocherhitzter Luft- ströme oder strahlender Wärme angesehen werden, wodurch der meusch-

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182 MAX KRAFT,

liehe Organismus nicht nur direkt, sondern auch namentlich durch plötzlich eintretende bedeutende Temperaturunterschiede geschädigt werden kann. Solche außergewöhnliche Temperaturen sind in den Hüttenwerken, Bergwerken und in der chemischen Industrie nicht selten. Die Wirkung, welche die dauernde Einatmung dieser Verunreinig- ungen auf die Gesundheit des Menschen ausübt, sind in der speziellen Gewerbehygiene auseinandergesetzt Daß dieselbe eine ungünstige sein muß, ist jedem auch ohne besondere fachmännische Bildung ersichtlich.

3. Die Mittel zur Beinigang der Luft in Werkstätten.

Wie schon oben erwähnt, sind diese Verunreinigungen gasförmiger oder staubförmiger Natur, oder sie bestehen aus einer Art von Ver- schlechterung durch abnorm hohe Temperatur, oder es sind zwei oder alle diese Gattungen von Verunreinigung gleichzeitig wirksam.

a) Mittel gegen gasförmige Verunreinigungen

der Luft.

Die Mittel, durch welche die Atmungsluft von beigemengten gas- förmigen Verunreinigungen befreit werden soll, müssen sich den Eigen- schaften dieser Gase anbequemen. Wir können dieselben in zwei Hauptgruppen, nämlich in die permanenten und in die kondensierbaren Gase trennen. Wenn auch diese Einteilung heutigen Tages von der Wissenschaft nicht mehr anerkannt ist, da es sich gezeigt hat, daß die lange Zeit für permanent gehaltenen Gase unter gewissen Bedingungen kondensierbar sind, so wollen wir hier, wo diese Bedingungen nicht zur Wirkung kommen, der leichteren Verständigung wegen, diese Ein- teilung beibehalten. Zunächst wäre namentlich daraufhinzuweisen, daß die sogenannten permanenten Gase aus leichter verschiebbaren, die kondensierbaren, häufig auch Dämpfe genannten Gase aus schwerer bewegbaren Teilchen bestehen, was auf die Art ihrer Entfernung aus der Atmungsluft von wesentlichem Einflüsse ist.

Die Bestrebungen zur Bekämpfung dieser Verunreinigungen sollen vor allem dahin gerichtet sein, jede unnötige, für den Betrieb nicht un- bedingt erforderliche Gaserzeugung zu umgehen und jede noch so ge- ringe Gasausströmung und Verbreitung in der Atmungsluft, soweit dies thunlich, zu verhindern.

Wenn es auch sehr wahrscheinlich ist, daß die permanenten Gas- teilchen durch hindurchfallende Wassertropfen auseinandergetrieben und zerstreut, wahrscheinlich auch durch gleichzeitig eintretende Abkühlung verdichtet und vielleicht auch direkt absorbiert werden, so dürfte ihre Unschädlichmachung wohl am leichtesten durch ihre rasche Verteilung in einem großen Luftquantum, also durch Zulieferung reiner Luft und dadurch eintretende Verdünnung oder noch b^ser durch Absaugung aus dem Baume und Verteilung in die Atmosphäre erfolgen. Es soU jedoch nicht geleugnet werden, daß die anderen Wege der Verdichtung und Absorption möglicherweise auch bei diesen Gasen von gutem, die erstere Methode übertreffendem Erfolge sein könnten.

Die zur Beseitigung der permanenten Gase bisher angewendete Mittel bestehen ausschließlich in der Entfernung der verun- reinigten und in der Ersetzung derselben durch reine Luft

Hierher gehört namentlich das Kohlenoxydgas , die Kohlensäure,

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Die Lüftung der Werkstätten. 183

schweflige Säure, die flüchtigen Verbindungen des Chlors, die explosiblen Gasgemenge u. s. w.

Was nun die verhältnismäßig leicht kondensierbaren, schweren, ge- wöhnlich auch mit mitgerissenem Staub geschwängerten, in den meisten Fällen als sichtbare Dämpfe auftretenden Gase meist flüchtige Ver- bindungen der Metalle anlangt, deren Wirkung meist in kürzerer Zeit eintritt und die Gesundheit gewöhnlich schwerer zu schädigen ver- mag, 60 bestehen die bisher angewendeten Mittel hauptsächlich in der Kondensation und Absorption derselben in besonderen, von den Werk- stätten vollkommen getrennten Räumen unter Vernichtung oder Weiter- yerwendung derselben. Eine Verteilung in der Atmosphäre ist dag^en aus Rücksicht auf das menschliche und vegetabilische Leben der Um- gebung unstatthaft.

Die Kondensation kann nun in den meisten Fällen durch eine entsprechende Abkühlung der Gase am einfachsten erreicht werden, und hierzu wird namentlich die Berührung mit großen kühleren Flächen oder mit Wasser in Anwendung gebracht. Eine energische Abkühlung sollte hierbei häufiger als bisher in Anwendung gezogen werden.

Kondensationsanlagen müssen ebenso wie Absorptionseinrichtungen stets mit einer kräftigen Ventilation in Verbindung gesetzt werden. Unter diesen Bedingungen werden die schädlichen Gase mit Sicherheit unschädlich gemacht.

Die Kondensation ist sehr häufig mit einer Filtration verbunden, schon wegen des oft beigemengten Staubes, und weil sich durch die- selbe oft die zur vollkommenen Kondensation nötige Berührung von Gas mit dem abkühlenden Materiale erreichen läßt Das ScUußre- sultat ist die kondensierte Flüssigkeit , die je nach ihrem Werte und Beschaffenheit weiter verwendet oder in irgend einer Weise unschädlich gemacht wird. Im ersteren Falle ist die Wiedergewinnung und der Transport derselben gewöhnlich mit einer Verunreinigung der Luft ver- bunden.

Die Filtration wird in solchen Fällen, wo eine ausreichende Venti- lation und Reinigung der Werkstättenluft aus lokalen oder Gründen des Betriebes nicht durchführbar ist, unmittelbar vor den Atmungswerk- zeugen der in diesen Werkstätten Beschäftigten, daher durch Gesichts- masken und Respiratoren (s. u.) zur Ausführung gebracht.

b) Mittel gegen die staubförmigen Verunreinigungen

der Luft

Auch hier soll vor allem durch betriebstechnische Mittel jede nicht unbedingt an die Betriebsmethode gebundene Staubentwickelung unter- drückt oder wenigstens der Menge nach thunlichst eingeschränkt, der entstandene Staub aber an seiner Verbreitung in der Atemluft mög- lichst gehindert werden.

Das beste Mittel zur wirksamen Bekämpfung des schon mit der Luft vermengten Staubes ist die Bindung desselben durch Feuchtigkeit uid das Wegspülen desselben so weit als thunlich aus der Umgebung des Menschen. Alle Entstaubungseinrichtungen, mit Ausnahme deijenigen, durch welche kostbarer, wieder zu gewinnender Staub erhalten wird, müssen als ScUußresultat den aus der Luft abgeschiedenen, mit Wasser vermengten und daher für immer aus dem Kreise der Atmungsluft ge- schiedenen Staub ergeben, wenn nicht immer und immer wieder mit den-

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184 MAX KRAFT,

selben Staubmassen der Kampf angenommen werden soll. Was ntttzt es, den abgeschiedenen Staub in trockene Staubkammem zu liefern, wenn beim Ausheben und Transportieren dieses Staubes wieder große Quanti- täten desselben in die Atmosphäre gelangen; es ist dies eine moderne Sisyphusarbeit.

Auch bei dem Staube müssen wir den feineren, leichter beweglichen vom schwereren trennen. Der erstere, unsichtbare, kann ausschließlich nur durch Absaugung und Bindung in Filtern und sonstigen Einrichtungen unschädlich gemacht werden, während der letztere, gewöhnlich sichtbare Staub in seinen größeren Partikeln durch das spezifische Gewicht, in seinen kleineren Teilchen auch nur durch Absaugung und Bindung zu überwinden ist

IMe Mittel zur Bekämpfung des Staubes bestehen auch hier, wie bei den Gasen, aus der, soweit thunlich, vollkommenen Unterdrückung der Staubentwickelung und Staubverbreitung; der Verteilung des schon entstandenen Staubes in größeren Luftquanten ; der Absaugung der mit Staub gemengten und durch staubfreie Luft zu ersetzenden Atmungsluft ; der Bindung des so aus den Werkstätten geförderten oder mit der Er- satzluft in dieselben eindringenden Staubmengen durch Filter oder sonstige Einrichtungen; die Zurückhaltung des Staubes unmittelbar an den Atmungszugängen der in den Werkstätten befindlichen Menschen und aus mehreren nebenher laufenden, in ihrer Wirkung aber ebenfedls wichtigen Maßnahmen.

Da sich nämlich der in einer Werkstätte entwickelte feine Staub an jedem in derselben befindlichen Körper, namentlich aber an rauhen und feuchten Flächen, in Vertiefungen, z. B. an den Kleidern, in den Haaren, auf der Haut, im Munde und in den Augenhöhlen u. s. w. festsetzt und daher leicht wieder in die Atemluft der Werkstätte oder eines andei*en Raumes, oder unmittelbar in die Verdauungswerkzeuge des Arbeiters oder der in seiner Nähe befindlichen Personen gelangen kann, so soll auch gegen diese, oft viel zu wenig beachtete und doch oft folgenreiche VerscUeppung des Staubes vorgesorgt werden. Die hiergegen ange^ wendeten Mittel bestehen der Hauptsache nach aus Bädern und Wasch- ungen des ganzen Körpers oder einzelner Körperteile, aus der Anwen- dung einer entsprechenden, leicht zu reinigenden, nur in der Werk- stätte zu tragenden Arbeitskleidung u. s. w.

c) Mittel gegen abnorme Temperatur.

Die in einzelnen Betriebsräumen vorhandenen abnormen Temperaturen sind entweder durch den Betriebsprozeß bedingt oder nicht. Im ersteren Falle muß der Wirkung derselben durch einen häufigen Wechsel der in der Werkstätte arbeitenden Menschen, und wenn dies nicht genügt, durch selbstthätige Vorrichtungen, welche die Arbeit des Menschen- vollkommen entbehrlich machen, entgegengetreten werden.

Im letzteren Falle, in welchem die abnorme Temperatur durch zu bedeutende Wärmeausstrahlung einzelner erhitzter Apparate, durch ofiEene Feuer u. s. w. erzeugt wird, sind entsprediende Mittel gegen die un- mittelbare Ausstrahlung, namentlich aber Ableitung der erhitzten und Zuleitung abgekühlter Luft in Anwendung zu bringen und in allen Fällen dafür zu sorgen, daß eine plötzliche Temperaturemiedrigung von den Arbeitern abgehalten werde.

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Die Lüftung der Werkstätten. 185

d) Zusammenfassung.

Wenn wir nun alle Mittel zur Luftverbesserung in Werkstätten zu- sammenfassen, so finden wir, daß dieselben fflr verschiedene Verun- reinigungen gemeinsam sind : also namentlich die Präventivmittel gegen die Entstehung und Ausbreitung der Verunreinigungen in der Atemluft ; die Bekämpfung derselben durch Verdünnung der verunreinigten Luft entweder durch Zuführung reiner oder Ableitung der verunreinigten und Ersatz durch frische Luft

Die Kondensation und Absorption ist nur bei Gasen ausführbar, obschon diese Methoden leicht so anzuordnen sind, daß sie gleich- zeitig auch eine Bindung des Staubes und eine Abkühlung erhitzter Luft zu bewirken vermögen.

Die Mittel zur Bekämpfung der Verunreinigungen der Atmungs- luft gewerblicher Werkstätten sind daher:

1) Die Präventivmittel zur Verhütung und Aus- breitung der Verunreinigungen;

2) die Verdünnung und Ableitung der verunreinigten Luft durch verschiedene Lüftungseinrichtungen in die Atmo- sphäre;

3) die Ueberführung der verunreinigten Luft in ge- schlossene Räume und Abscheidung und Bindung der Verun- reinigungen durch Filtration, Kondensation und Absorption oder sonstige Mittel;

4) die Filtration der verunreinigten Luft unmittelbar an den Atmungsöffnungen des menschlichen Körpers;

5) die Vernichtung der nicht aus den Werkstätten entfernbaren, an verschiedenen Körpern haftenden Ver- unreinigungen.

Kapitel 1.

Die Elnrlehtimgen gegen Entstehung und Ansbreitnng sehleehter Luft In WerutXtten.

Eine umfassende, all die zahllosen in Gewerbe und Industrie ein- tretenden, hierher gehörigen Fälle berührende Besprechung ist an dieser Stdle nicht durchführbar und auch nicht am Platze, da sie den einzelnen Kapiteln der speziellen Gewerbehygiene zugehört. Die allgemeinen Ge- sichtspunkte dieser Maßregeln dürfen jedoch hier nicht übergangen und müssen, wenn auch kurz, berührt werden.

Die Verhütung der Entstehung einer vom Betriebsprozesse nicht ge- forderten, nicht unbedingt aus demselben sich ergebenden, daher unnötig großen Quantität von Gas, Staubund Wärme liegt nicht nur im Interesse der Werkstättenhygiene, sondern auch in dem der Betriebsökonomie, da diese stets von einem Verlust an Material oder Kraft, oder an beiden, be- gleitet ist Das Bestreben eines jeden Werkstättenleiters soll daher aus beiden Gründen diesen Verhütungsmaßregeln zugewendet sein. Und wenn auch jedem Techniker klar ist, daß diese Verhütung in vielen Fällen mit großen Schwierigkeiten verbunden, in manchen die Ent- stehung einer möglichst großen Quantität Gas, Staub oder Wärme direkt im Interesse des Betriebes gelegen ist, so giebt es dem entgegen eine große Anzahl unökonomisch eingerichteter oder geleiteter Betrieos-»

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186 MAX KRAFT,

Prozesse, bei welchen die Entstehung unnötig großer Quantitäten von solchen Verunreinigungen eine unmittelbare Folge dieser unrichtigen Ver- hältnisse sind. Ich will hier nur an die zahllosen Feuerungsstätten er- innern, durch deren unrichtige Konstruktion und Bedienung ungeheure, dem Verbrennungsprozeß durchaus nicht eigentümliche Quantitäten an Gas und Staub entstehen, die allerdings nicht die Feuerungsstätte un- mittelbar, dafür aber die Atmosphäre verunreinigen, welcher wir die frische Luft entnehmen.

Femer könnte die Entstehung großer Quantitäten von Staub in vielen Fällen durch entsprechende Vorrichtungen verhindert werden, welche insbesondere beim Transport spröder, leicht zerreiblicher Rohmaterialien, Mittel- und Endprodukte zur Werkstatt, sowie in der Werkstatt zur Anwendung kommen.

Wird z. B. bei der Herstellung eines Produktes durch Formver- änderungsarbeiten, welche häufig durch die Zerkleinerung eines Teiles des Rohmateriales zur Ausführung kommen, das Arbeitsstück zu groß gewählt, so müssen größere Quantitäten des Materiales zerkleinert, d. h. unnötig große Mengen an Staub erzeugt werden, die zu ihrer Erzeugung außerdem noch unnötige Mengen an Material und Kraft erfordern. Es wäre leicht, durch einschlägige Beispiele Seiten zu füllen.

Noch viel ärger ist es mit den Maßnahmen gegen Verbreitung dieser Verunreinigungen bestellt.

Speziell die diesbezüglichen, oft ganz unglaublich primitiven und unzweckmäßigen Einrichtungen, sowie das Verhalten der Arbeiter bei den betreffenden Manipulationen beweisen, daß man sich über die Schäd- lichkeit dieser Verunreinigungen entweder ganz unklar ist oder die- selben aus anderen Gründen negiert.

Die noch so häufigen offenen Feuer, offenen Glutkörbe zum Trocknen und Vorwärmen, die unbedeckten Schmelz- und Abdampfkessel und -p&nnen, die nicht genügend dicht hergestellten Wände und Zugangs- öffnungen der verschiedenen Rost-, Schmelz-, Schweiß-, Glüh-, Muffel-, Tiegel-, Abtreib- und Raffinieröfen ; die offenen Schmelzgefäße beim Her- stellen metallischer Ueberzüge auf Platten; die nicht gedeckten Kufen, Bottiche, Farbkessel u. s. w. in den Färbereien und Appreturanstalten, insbesondere aber das Ueberleiten geschmolzener und noch sehr heißer Flüssigkeiten in offenen Rinnen und Kanälen, oder das Transportieren derselben in offenen Gefäßen u. s. w. u. s. w. sind ebenso viele Quellen für die Verbreitung nicht selten außerordentlich schädlicher, ja direkt giftiger Gase, wobei es oft nur auf eine eingehendere Untersuchung dieser Manipulationen ankäme, um eine dauernde Verunreinigung der Atmungsluft zu erreichen.

Entsprechende Aenderungen in der Konstruktion, dichte Um- kleidungen, luftdichte Oeffnungsverschlüsse, entsprechend angeordnete Deckvorrichtungen ließen sich gewiß in sehr vielen Fällen zur An- wendung bringen.

In der Verbreitung des Staubes wird in den verschiedenen Werk- stätten ebenfalls ganz Unglaubliches geleistet, und sind es hier ebenfalls die oft sehr mangelhaften Transport-, Füll- und Verpackvorrichtungra für pulverförmige Rohmaterialien und Endprodukte, die oft unsinnige, ja mutwillige Handhabung von Schaufel, Besen und Spaten beim Ver- laden von Asche, Kehricht und pulverf&rmigen Materialien, sowie die oft ganz ungenügende Verwahrung stauberzeugender Apparate und

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Die Lüftung der Werkstätten. 187

Maschinen, das tage-, ja wochenlange Liegenlassen großer Mengen schäd- lichen, ja ge&hrlichen Staubes, der durch jede Luftbewegung und den vorüberziehenden Verkehr immer wieder aufgewirbelt wird. Sollte man es f&r möglich halten, daß heutigen Tages noch, nach all den hygienischen Bemühungen und Belehrungen, der in Hadersortierrräumen unter die Sortiertische fallende Staub vom Montag bis zum Sonnabend liegen bleibt in oft mehrere Decimeter hohen Haufen?

In dieser Richtung kann namentlich durch den Transport pulver- förmiger Materialien in luftdicht geschlossenen Kanälen und Röhren durch Transportschrauben und Ketten, durch Luftdruck u. s. w., durch die Einrichtung selbstthätig wirkender Füll- und Verladeapparate, durch das vollkommene Trennen deijenigen Räume, in welchen Staub erzeugt wird, von den anderen Werkstätten und durch die Anwendung selbst- thätig wirkender Zerkleinerungs- und Entstaubungsmaschinen sehr viel geleistet werden.

Das Gleiche ließe sich von der Verbreitung abnormer Temperaturen sagen.

Das Hauptstreben in hygienischer Richtung soll bei der Leitung von. Gas, Staub und Wärme in größeren Quantitäten erzeugenden, nament- lich aber von giftige oder explosible Gase und Staubsorten entwickelnden Betrieben vor iJlem auf peinliche Reinlichkeit in allen Werkstätten und deren Umgebung, auf exakte gas- und staubsichere Transport-, Füll- und Verladevorrichtungen sowie darauf gerichtet sein, den Ort der Gas-, Staub- und Wärmeentwickelung von der Atmungsluft der Werkstätten, wo möglich, luftdicht abzuschließen. Hierbei ist selbst in das kleinste Detail einzugdien; die Arbeiter müssen in den betreffenden Hantierungen genau unterwiesen und die Beachtung dieser Vorschriften auf das strengste gefordert werden.

Es ist für den Kenner dieser verschiedenen Werkstätten klar, daß gerade durch eine strengere Beachtung dieser Präventivmaßregeln namentlich bei den gefährlichsten Betrieben eine Herabsetzung der oft laut sprechenden Ziffern der Krankenstatistik zu ermöglichen wäre.

VKapitel n.

Die yerdannuag und Ableitung der Temnreinlgten Werkstattenloft'^).

Die Verdünnung der verunreinigten Luft, d. h. die Verteilung des in einer Werkstätte vorhandenen Quantums von Verunreinigungen auf ein größeres Luftvolumen hierauf kommt es doch schließUch an, da Ton einer vollkommen reinen Luft nicht die Rede sein kann ist ent- weder in der Weise durchführbar, daß der verdorbenen Werkstätten- luft kontinuierlich unverdorbene Luft zugeführt wird, wobei das die Baumverhältnisse übersteigende Luftquantum resp. ein dem, pro Zeit- einheit, zugefUhrten Luftquantum nahezu gleiches Quantum durch die Yorhandenen Oeffiiungen des Raumes, durch Thür, Fenster und Oefen ausströmen muß; oder was entschieden richtiger ist dadurch, daß die verdorbene Luft aus der Werkstätte stetig entfernt, dem allge-

*) üeb«r Lüftung and Heiinng siehe Aasfahrlicheret in Bd« IV diesei Hand- baohee.

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188 MAX KRAFT,

meiDen Luftspeicher der Atmosphäre UDinittelbar zugeführt imd durch frische, unverdorbene Luft ebenso stetig ersetzt werde.

Die erstere Methode, sowie die sogenannte Cirkulations- lüftung,bei welcher die verdorbene Luft immer wieder statt frischer Luft, namentlich im Winter, um die Kosten der Heizung zu sparen, zugeführt wird, sollte in Werkstätten, wobeständig eine größere Anzi^ von Menschen arbeiten, nicht in Anwendung gebracht werden, da die Luft der meisten Werkstätten durch Abhitze oder Abdampf billig erwärmt werden kann.

Die hier ausschließlich zur Anwendung zu bringende Methode ist diejenige, bei welcher die Ableitung der verunreinigten Luft in die Atmosphäre erfolgt und bei welcher neue, frische Luft der Werkstatt zugeführt wird ; höchstens für solche Werkstätten, in welchen Menschen nur in geringer Zahl oder aber nur für kurze Zeit anwesend sind, können die ersteren Methoden verwendet werden.

a) Luftbedarf*).

Welche dieser Methoden eigentlich zur Anwendung zu bringen ist, kann vernünftigerweise nur durch die Menge der Verunreinigungen resp. durch das Verhältnis der Raumgröße der Werkstätte zu der An- zahl der in diesem Räume arbeitenden Menschen bestimmt werden. Es werden in dieser Richtung heutigen Tages ziffermäßige Anforderungen, hier und da durch behördliche Verordnungen, gestellt, die sich gewöhn- lich auf die Bestimmung eines bestimmten Luftvolums für jeden Arbeiter beschränken, obschon dies nicht als maßgebend anerkannt werden kann, da die pro Zeiteinheit für jeden Arbeiter gelieferte reine Luftmenge von Wichtigkeit ist. Nur in verhältnismäßig sehr beschränkten Räumen, in welchen der eingeführten Luft, wegen des sonst allzu fühlbar wer- denden Luftzuges, nur eine geringe Geschwindigkeit erteilt werden kann, ist der Luftkubus von Wichtigkeit

Die Forderungen bezüglich des Luftkubus und Lüftungsquantums sind sehr verschieden. Eine heutigen Tages ziemlich allgemeine For- derung geht dahin, daß die auf jeden Menschen entfallende Luft in gewöhnlichen Wohnräumen pro Stunde 2 3 mal erneuert werde.

Morin fordert für gewöhnliche Werkstätten 60, für stark verun- reinigte Werkstätten lOU cbm frische Luft pro Stunde und Arbeiter. Diese dürften jedenfalls genügen, namentlich wenn man sich im letzteren Falle bemüht, die Quellen der Verunreinigungen thunlichst zu ver- stopfen. (Siehe S. 42.)

b) Luftbeschaffenheit*).

Die Verunreinigungen der Luft sind, wie schon besprochen wurde, äußerst mannigfaltig. In Wohnräumen und in Werkstätten ohne be- sondere Verunreinigungsquellen betrachtet man mit Fetten kof er den Gehalt der Luft an Kohlensäure als Indikator der Luftverschlechterung. Man mißt daher die Luftverschlechterung durch Kohlensäurebestimm- ungen.

Als Kohlensäure-Messungsmethoden, bezüglich welcher auf das Ka- pitel „Heizung und Ventilation'^ in Bd. IV dieses Handbuches verwiesen

*) Ueber Lfiftang and Heiiang siebe Ansfahrlicbes in Bd. IV dieses Hand- boches.

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Die Lüftung der Werkstätten. . 189

werden muß, sind zu nennen die von Pettenkofer, Lunge, Wolpert. Ein elektrischer Apparat von £. Martini soll das Steigen des Kohlens&uregehaltes automatisch anzeigen.

hk sehr stark durch Gase oder Staub verunreinigten Werkstätten ist die Untersuchung der Luftbeschaffenheit weniger gebräuchlich, weil man je nach dem Betriebszweig und den dabei auftretenden Erscheinungen mit Sicherheit auf das Vorhandensein gewisser Gas- oder Staubgattungen schließen kann.

Die Verunreinigung der Luft durch Staub läßt sich am besten aus den Niederschlagsmengen auf Filtern und in Kondensationsräumen er- kennen, und es wäre fOr die üeberzeugung der diesbezüglich Ungläubigen gut, wenn ihnen Gelegenheit geboten würde, ein solches Filter zu be- sichtigen und daraus zu schließen, wie groß die Verunreinigung selbst als ganz rein angesehener Luft ist, wobei noch die gasförmigen Verun- rdnigungen gar nicht zur Wirkung kommen.

c) Die natürliche Lüftung*).

Diese nur für einen gänzlich gas-, staub- und hitzefreien Betrieb und nur für sehr reingehtdtene Werkstätten mit wenig Arbeitern ver- wendbare Art der Lüftung beruht auf dem Temperatur- resp. dem durch die Verschiedenheit der Temperatur erzeugten Unterschiede des spe- zifischen Gewichts der Außen- und Innenluft. Die warme, leichtere Luft schwimmt und steigt ebenso in der kälteren Luft nach aufwärts, wie etwa ein Kork im Wasser.

Diese Art der Lüftung findet ununterbrochen in jedem Baume, selbstthätig, durch die vorhandenen Thür-, Fenster- und Ofenöfhungen, sowie durch das poröse Umfassungsmauerwerk eines Baumes statt und kann vom Winde mehr oder weniger beeinflußt werden.

Die natürliche Lüftung kann ohne Anwendung besonderer Appa- rate und Einrichtungen verstärkt werden durch das OefTnen der Fenster und Thüren, durch die Anwendung unbedeutender Ventilationseinrich- tungen, wie durchlochter Fensterscheiben, eines sogenannten Lüftungs- rädchens u. s. w., nur darf man sich von der Wirkung dieser Maß- nahmen keine übertriebenen Vorstellungen machen. Genaue Messungen haben ergeben, daß das durch ein offenstehendes Fenster oder eine Thür eingeführte frische Luftquantum etwa doppelt so groß ist als das durch die Fenster- und Thürritzen zugeführte. Es liegt dies namentlich darin, daß sich in einer solchen Fenster- oder Thüröffnung zwei entgegen- gesetzt gerichtete Luftströme ergeben, die sich gegenseitig ihre Ge- schwindigkeit herabsetzen. Nur wenn zwei, in gegenüberliegenden Wän- den angebrachte Fenster oder Thüren geöffnet werden, ergiebt sich eine energischere Lüftung, weil dann durch die eine Oefihung die Luft aus- ziehen, durch die andere eintreten kann.

Noch geringer ist selbstverständlich die Wirkung durchlochter Fensterscheiben oder der Ventilationsrädchen, die nur von der aus- zidienden Luft gedreht werden und daher ganz passiv sind. Die stell- baren Luftflügel können nur insofern als günstig angesehen werden, als sie in der Höhe der am stärksten verunreinigten Luft sich befinden und daher eine Luftauswechselung bewirken, ohne einen fühlbaren Luftzug

*) üeber Lfiftnng aod Heiioog $iehe AtufOhrlicherot in Bd. IV dieses Hand- buches.

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ZU erzeugen. Ihre Wirkung ist aber selbstverständlich viel geringer als die eines geöfiheten Fensters.

Solche LüftungsflQgel an Fenstern sind in den Fig. 1 und 2 dar- gestellt und bestehen aus je zwei am oberen Ende eines Fensters um horizontale Achsen beweglichen Fenstertafeln, von welchen die innere bei ihrer Lüftungsstellung den Lufteintritt von oben, die äußere den

Luftaustritt nach unten ermög- licht. Die BewegungSYorrichtungen dieser Fensterflügel sind bei der ersten, von J. Baumgartner in ViUach, sowie bei der zweiten, in der Tabakfabrik in Hainbui^ angewendeten Konstruktion so ausgeführt, daß durch eine Be- wegung beide Tafeln gleichzeitig, zwangläufig bewegt werden. Die Bewegungen gehen von den Stan- gen 8 aus, die ihrerseits durch Hebel H bewegt werden und über- tragen dieselbe entweder durch ein Gelenk auf den Arm A^, der durch den in die Schleife b grei- fenden Zapfen 0 die Stellung des einen Flügels besorgt, wie bei Flg. 1. Flg. 2. Fig. 1, oder durch zwei Spreiz-

stangen l und Zi, wie in Fig. 2. Im ersten Falle wird die Bewegung des zweiten Flügels, durch Hebel h und Spreizstangen 11^ vom ersten bewirkt

Mn Blick auf die geringen Dimensionen der so geschaffenen Lüf- tungsöfihungen läßt auf die verhältnismäßig geringe Wirkung schließen. Andere ähnliche Lüftungseinrichtungen sind als stellbare Jalousie- klappen konstruiert.

d) Die künstliche Lüftung*).

Die natürliche Lüftung zeigt den wichtigen Uebelstand, daß sie ganz von Witterungsverhältnissen abhängig ist und oft gerade an solchen Tagen versagt, an welchen die Lüftung we^en drückender Hitze be- sonders wünschenswert wäre. Es soll daher in Werkstätten, in welchen eine größere Anzahl von Arbeitern in Thätigkeit steht, in welchen aber die Entwickelung nicht giftiger Oase und ebensolchen Staubes in nicht allzu großen Quantitäten stattfindet, in welchen femer eine allzu peinliche Reinlichkeit der Eigentümlichkeit des Betriebes wegen nicht aufrecht zu erhalten ist, eine künstliche Lüftung in Anwendung kommen, welche die verunreinigte Luft in die Atmosph&*e zu liefern und mit dieser zu vermischen hat.

Die künstliche Lüftung kann entweder nur aus einer Unterstützung und Kräftigung der natürlichen Lüftung durch künstliche Mittel, wobei noch immer der erwähnte Temperaturunterschied als Motor dient, be- stehen, oder es kann zur Bewegung der Luft ein besonderer Motor in

*) üeb«r Lfiftnng und Heil an g liehe AusfUhrKcherei in Bd. IV dietei Hand- buchet.

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Die Lüftung der Werkstätten. 191

AnwendoDg gebracht werden, in welchem Fall wir die Lüftung als künstliche Lüftung im engeren Sinne bezeichnen können.

Diese Lüftungsmethoden können verschieden variiert werden, und wir können daher unterscheiden:

1) Diejenige Lüftung, durch welche die verunreinigte Luft aus dem Werkstättenraum abgesaugt und in die Atmosphäre befördert wird, ohne daß für eine besondere Zuleitung frischer Ersatzluft für die Werkstätte vorgesorgt wird.

2) IMe Lüftung, bei welcher die Werkstättenluft abgesaugt und mittelst besonders vorgesehener Zufuhrkanäle durch frische Luft ersetzt wird.

Beide Methoden werden als Aspirationslüftung bezeichnet.

3) Diejenige Lüftung, durch welche frische Luft in einen Werk- stättenraum gepreßt wird, ohne für die Ableitung der verunreinigten Luft besondere Vorsorge zu treffen, und endlich

4) die Lüftungsart, bei welcher die frische Luft in den Arbeits- raum gepreßt und dadurch gleichzeitig der Abfluß der verdorbenen Luft durch besonders vorgesehene Kanäle bewirkt wird.

Diese Methoden repräsentieren die sogenannte Pulsionslüftung.

Von diesen Methoden ist die erste nur dort in Anwendung zu bringen, wo man die Sicherheit hat, daß nicht verdorbene Luft aus be- nachbarten Räumen, Werkstätten, Aborten, Höfen etc. als Ersatzluft der Werkstätte zuströmt.

Die dritte muß als nicht ganz entsprechend bezeichnet werden, sobald der betrefiende Werkstättenraum nicht schon infolge seiner Bauart und Einriditung vollkommene Gewähr bietet, daß die Verdrängung der ver- dorbenen Luft durch die zugepreßte mit voller Sicherheit stattfindet, da sonst die Möglichkeit vorhanden ist, daß die soeben zugeführte reine Luft auf dem kürzesten Wege sofort wieder aus dem Baume austritt, ohne die verdorbene Luft in ihrem Verbleib wesentlich zu stören.

Die Methoden 2 und 4 sind beide in gleich günstiger Weise an- wendbar und bieten volle Garantie für die Erreichung des Zweckes, wenn sie richtig angeordnet und berechnet sind.

Bei aU diesen Methoden sind folgende Momente in Betracht zu ziehen: der Motor, welcher die Luftbewegung unterstützt oder herbei-

f&hrt, die Luftwege, deren Anlage und Dimensioniemng, die Beschaffung reiner Ersatzluft, die Temperatur und Feuchtigkeit dieser ErsatzlufL

Als Motor wird bei der Unterstützung der natürlichen Lüftung gewöhnlich die äußere bewegte Luft, der Wind, oder auch eine Wärme- quelle benutzt, deren Aufgabe es ist, das Intervall des Temperatur- unterschiedes der Außen- und Innenluft zu vergrößern.

Der Wind wird als Motor durch die sogenannten Lüftungsklappen im Wei^tättendache oder durch die ScUotau&ätze, Deflektoren, Saug- köpfe u. 8. w. dienstbar gemacht.

Eine gut konstruierte, selbstthätig wirkende Lüftungsklappe ist in Hg. 3 dargestellt Sie ist an dem Dachreiter eines Werkstättendaches angeordnet und besteht aus den vier, um horizontale Achsen drehbaren, vertikalen Klappen 5, von welchen je zwei gegenüber liegende durch

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MAX KRAFT,

Stangen e miteinander verbunden sind, an welchen Stangen je zwei um fixe Punkte schwingende, an den Enden etwas belastete Hebel cd an*- gelenkt sind, die gewissermaßen als Gegengewicht g^en den Wind dienen.

Wirkt der Wind, wie in der Fig. 3, von der linken Seite, so schließt er durch seinen Druck die links stehenden und öffnet gleichzeitig die rechts befindlichen Klappen, wodurch nicht nur sein Eintritt in den

Fig. 8.

Dachreiter und daher die Störung des aus der Werkstätte durch den Dachreiter tretenden Luftstromes gehindert, sondern auch durch sein Umstreichen des Dachreiters eine saugende Wirkung auf die Werkstätten- luft ermöglicht ist.

Solche oder ähnliche Klappen können auch an anderen Stellen des Daches, an den Dachrändem aufgestellt und durch Kanäle mit den Werkstätten in Verbindung gebracht werden, wie z. B. die eben&Us vom Wind gestellten, aber auch von Hand aus zu stellenden Klappen von Bale.

Die Windablenker oder Deflektoren, welche am obersten Ende der Luftabströmkanäle angeordnet werden, müssen so konstruiert sein, daß das Eindringen des Windes in das Luftabströmrohr, möge derselbe von welcher Seite immer und unter beliebigem Winkel das Ende dieses Rohres treffen, verhütet und gleichzeitig eine saugende Wirkung erreicht werde.

Solche Deflektoren sind in den Fig. 4 und 5 dargestellt und be- stehen aus einem cylindrischen Blechaufsatz und aus entsprechend ge- bogenen Blechringen.

Solche Vorrichtungen sind auch von A. Wolpert, von der Berliner Baudeputation, von Boyle u. Sohn, Käufer und C. Q. Hambruch u. s. w. angegeben.

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Die Lüftung der Werkstätten.

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Ein Aa£satz, welcher den Wind direkt zum Ansaugen von Werk- stättenluft verwendet, ein sogenannter Saugkopf von Körting, ist in Fig. 6 dargestellt. Derselbe besteht aus einem auf den LOftungsschlot au^esetzten kurzen Blechcylinder, mit dem ein wagerecht angeordneter, nut Steuerfahne versehener, drehbarer Blechcylinder verbunden ist. In

Fig. 6.

dessen Innern befindet sich eine konische Saugdüse D, durch welche der Wind hindurchstromt, dadurch saugend auf den Abzugsschlot wirkend.

Ein ähnlicher Saugkopf von E. Staub er und A. Drautz ist so eingerichtet, daß die Düse durch eine Klappe mittels eines Zuges geschlossen werden kann, in welchem Falle der Wind durch ein vor- handenes Ableitungsrohr Luft in einen bestimmten Raum zu drücken vermag. Femer sind zu erwähnen die Aufsätze der Eisenwerke Kaisers- lautern und Lauchhammer, von F. Bernatz, Käuffer und CA. Huber, Hill und Hay, W. Born, Brüning,H. Koriu. s. w.

Das Einpressen von Wind In die ArbeltsrSnme kann durch sogenannte Windfänger wie sie namentlich auf Schiffen gebräuchlich sind, zur Anwendung kommen. Dieselben sind hoch anzuordnen, dreh- bar einzurichten, mit Windfahne und mit einem Fangtrichter zu ver- sehen (s. Schiffshygiene Bd. VI).

Was nun die Unterstützung der natfirllchen Lfiftnng durch kfinst- Uehe Erhöhung der Temperaturdifferenz anlangt, so wird dieselbe ge- wöhnlich in der Weise zur Ausführung gebracht, daß die im Luftabzugs- rohre befindliche Luft durch eine Wärmequelle erhitzt wird. Hierzu können die meisten, in einer Werkstätte befindlichen Feuerquellen, namentlich aber die Abzugsröhren und Kanäle der Verbrennungsprodukte, die Beleuchtungskörper, aber auch ausschließlich zu diesem Zwecke be- nutzte, in den Luftabzugskanal gestellte Oefen und Flammen, sogenannte Lock Öfen und Lock flammen in Anwendung gebracht werden. Ebenso häufig, oder noch häufiger werden Oefen mit Mantel verwendet, welche, in der Werkstätte selbst stehend, nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Ansaugen und Einführen frischer Luft dienen.

Einen in ein Luftabzugsrohr eingebauten Kamin K zeigen Fig. 7 und 8, welcher über den Lüftungsschlot durch eine Blechverlängerung

HandhBch der HjgleiM. Bd. YUL

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MAJt KKAP¥,

hinausgeführt ist und durch seine Wärmeausstrahlung die Erhitzung der Abzugsluft bewirkt.

In manchen Fällen wird der umgekehrte Weg, nämlich das Ein- bauen des Lüftungsschlottes in den Rauchkamin leichter durchführbar sein: der Effekt bleibt, wenn entsprechend ausgeftüirt, der gleiche.

Diejenigen Motoren im engeren Sinne, welche künstlich die Be- wegung der Luft herbeiführen, sind gewöhnlich Schrauben- oder

Centrifugalgebläse, die ihrer- Fig. 7. seits wieder durch Luft-, Wasser, Dampf-

oder elektrische Motoren in Thätigkdt gesetzt werden; oder es sind soge- nannte Strahlapparate, die in be- kannter Weise durch einen Dampf- oder WasserstrsJil ein Vakuum und dadurch einen Luftstrom hervorbringen.

Die Schranbengebläse welche namentlich zur Bewegung größerer Luftmassen verwendet werden, ohne denselben eine größere Pressung zu erteilen, bestehen aus mehreren, an eine schnell rotierende Welle angesetzten Flügeln, deren Fläche, wie bei den SchifEsschrauben, in einer Schrauben- Fläche liegt, wodurch dieselben eine in der Richtung der Rotationsachse statt- findende Luftbewegung hervorzubringen vermag. Die Größe der geförderten Luftmenge, sowie deren Geschwindig- keit und Pressung ist vom Durchmesser des Gebläses, von der Anzahl der Umdrehungen in der Zeiteinheit, von der Schaufelkrümmung u. s. w. abhängig. Die Kraft kann von einem der oben erwähnten Motoren ausgehen und durch eine beliebige Transmission oder durch unmittelbare Verbindung des Gebläses ^^' ®- mit dem Motor auf das erstere über-

tragen werden. Hierzu werden nament- lich kleine Turbinen, Elektromotoren, aber auch kleine schnelllaufende Dampfmaschinen verwendet. Ein Nachteil aller dieser Gebläse ist der geringe ökonomische Efiekt, die geringe Ausnutzung der Kraft

Zu dem heutigen Tages am meisten verwendeten (Schraubenge- bläse gehört der, eine günstige Schaufelform zeigende Ventilator von Blackmann, welcher in einer Anordnung mit elektrischem Betrieb von Watel in Fig. 9, S. 195, dargestellt ist.

Das in die Wand eingesetzte Flügelrad besitzt an seiner Peripherie den Anker mit ebenso vielen Polen, wie ihn der an der Wand befestigte, mit acht abwechselnden Polen versehene Feldmagnet besitzt, welch letzterer den Anker konzentrisch umschließt. Es wirkt hierbei allerdings der Anker als Schwungrad, immerhin ist es fraglich, ob durch diese Anordnung nicht ein größerer Kraftaufwand eintritt als durch die An- ordnung des Ankers auf der Flügelwelle direkt; wie dies z. B. bei dem

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Die Lüftung der Werkstätten. 195

Schraubenradgebläse von F. J. Sprague der Fall und welche Anord- nung kompendiöser ist.

Recht kompendiös angeordnet ist auch das Schraubenradgebläse von Schäffer und Walker, auch Kosmos Ventilator ge- nannt, dessen Flügel an ihren äußersten Punkten von einer Partialturbine umgeben sind, in deren Schaufel ein Wasserstrahl aus einer unter Druck stehenden Wasserleitung tritt und dadurch die Rotation herbeiführt. Hierher gehören femer noch die Schraubengebläse von Schiele, von Combe, von A. Desgoffe und L. A. di Giorgio, der Allge- meinen Elektricitätsgesellschaft in Berlin mit elektrischem Antriebe; der Luft-Pulsions-A6rophor von Treutier und Schwarz u. s. w.

Die CentrlftiKal- oder Schlender-Yentilatoren sind die älteren Apparate und wirken in der Weise, daß die Luft durch mehrere radial an einer Achse sitzenden, mit ebenen oder gekrümmten, aber nicht in einer Schraubenfläche liegenden Flügeln, welche in einem eng anschließenden Gehäuse schnell rotieren, angesaugt, in radialer Richtung hinausgeschleudert, dadurch in einem Teile des Gehäuses kom- primiert und zum tangentialen Austritt aus dem letzteren gezwungen wird. Auch diese Schleudergebläse sind in einer großen Anzahl von Kon- struktionen in Anwendung, von welchen nur die hübsche Anordnung des sogenannten Verbundventilators von C. Wenn er in Fig. 10 vorge- fahrt werden soll.

Derselbe besteht aus dem durch eine Riemenscheibe drehbaren Flügelrad Ä B, welches durch eine Mittelwand in zwei Räder geteilt ist, von welchen nur das links- seitige Ä die Luft aus der Atmo- sphäre ansaugt. Diese Luft wird, den Pfeilen entsprechend, in einen Im Gehäuse konzentrisch angeordneten Kanal gedrückt,

Flg. 9. Flg. 10.

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196 MAX KRAFT,

von hier aus der Kammer K, durch das zweite Rad resp. die rechte Hälfte des Flügelrades B angesaugt, in den inneren, konzentrischen Kanal K„ gepreßt und aus diesem tangential durch die Austrittsöffnung zum Ausfließen gebracht. Dadurch wird eine entschieden höhere Pressung der Luft erreicht, was in einzelnen Fällen, bei sehr großen Werkstätten oder solchen mit starken, bedeutenden Verunreinigungen der Luft verwendet werden kann.

Zu erwähnen sind ferner noch die Ventilatoren von Ritt in ger, Heger, G.Schiele und C. F. Pelzer, Brodnitz undSeydel, Beck und Henkel, Danneberg und Quandt, Capell, E. D. Farcot und Sohn, P. Mortier, F. A. Geisler u. s. w.

Bei den in Bergwerken so wichtigen Ventilationseinrichtungen, durch welche diese Luftförderapparate besonders ausgebildet wurden, sind namentlich die Gebläse von Rittin ger, Guibal, Pelzer, Kley,Schwarzkopffu. s. w. in oft außergewöhnlichen Dimensionen in Anwendung.

Sowohl die Schrauben- als auch die Schleudergebläse können so- wohl saugend als auch drückend wirken, je nach ihrer Anordnung vor dem Luftein tritts- oder hinter dem Luftaustrittsrohre.

Was nun die Strahlenapparate betrifft, so sind sie charakterisiert durch einen unter Druck aus einer Düse austretenden Gas- oder Flüssigkeitsstrahl, welcher durch das Mitreißen der ihn umgebenden Luft hinter sich ein Vakuum erzeugt, durch welches eine energische Luftbe- wegung erreicht werden kann. Der Strahl wird in den meisten Fällen aus Luft, Dampf oder Wasser gebildet, und es kann nur in dem Falle, in welchem reine Luft als motorisches Gas in Anwendung kommt, die Vorrichtung auch als Pulsionsapparat verwendet werden; bei der Anwendung von Wasser oder Dampf ist derselbe nur als Aspi- rationsapparat verwendbar.

Die Strahlapparate sind namentlich durch die Firma Gebr. Körting in Hannover ausgebildet und zu den verschiedensten Zwecken verwend- bar gemacht worden. Der in der beistehenden Fig. 11 dargestellte Apparat von Körting be- steht aus einem in die Decke oder den Luftab- zugsschlauch einzusetzenden Blechcylinder , in welchen die übereinander geschobenen Düsen in der Mittelachse des Cylinders eintreten und den Dampf aus einem Kessel durch das axiale Rohr, wie der Pfeil zeigt, erhalten. Die unten ange- ordnete Schale hat die Aufgabe, das herabtropfende Kondensationswasser aufzufangen.

Der zur Strahlbildung nötige Druck wird Fig. 11. beim Dampfstrahlgebläse selbstverständlich dem

Dampfkessel entnommen; bei den Luft- und Wasserstrahlgebläsen müssen entsprechende Kompressoren oder Ven- tilatoren oder eine Druckwasserleitung in Anwendung gebracht werden. Die Wirkung dieser Apparate ist eine ganz energische, der Ver- brauch an Strahlmaterial aber oft ein sehr bedeutender.

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Die Lüftung der Werkstätten. 197

Bezflglich der detaillierten Eonstraktion und Berechnung dieser Motoren verweise ich auf die im Litteraturverzeichnis angeführten Werke.

Die Eonstruktton der LuftkanUe und deren Anordnung ge- hört zu den schwierigsten und am häufigsten verfehlten Punkten einer Lüftungsanlage. Als Grundsatz muß hier aufgestellt werden, daß die im Werkstättenraume vorhandene reinste Luftschicht sich in der Höhe der Atmungsöffnungen der Menschen befinde und daß die Luftbewegung in der Weise vor sich gehe, daß die eintretende reine Luft sich mit entsprechender Geschwindigkeit so gleichmäßig als möglich verbreite und aie verunreinigte Luft gegen die Austrittsöff- nungen dränge. Hierbei ist namentlich darauf zu sehen, daß die ein- tretende reine Luft auf ihrem Wege von den Eintritts- zu den At- mungsöffhungen an keiner Stelle vorüberkomme, an welcher eine be- deutende Verunreinigung der Luft stattfindet

Im allgemeinen werden dsJier die Lufteintrittsöflfhungen in Werk- stätten etwas über Eopfhöhe der Arbeiter anzuordnen und die Luft nach abwärts zu führen sein, wenn der Betrieb so gestaltet ist, daß die großen Gas- oder Staubmengen oder die Wärme unter der Eopfhöhe zur Entwickelung kommen. Ist dies in oder über der Eopfhöhe des Arbeiters der Fall, dann muß die Lufteinströmung unter dem Eopf, die Auströmung über demselben angeordnet werden. Schon hieraus ist ersichtlich, daß für solche Werkstätten die natürliche Lüftung nicht genügend sein kann, da bei derselben die Richtung des Ventilations- stromes von der Temperatur der Außen- und Innenluft abhängt.

Die reine Luft soll daher stets, soweit dies durchführbar ist, unmittel- bar von den Eintrittsöffnungen her den Atmungskanälen der Arbeiter zuströmen und von hier aus erst an den die verschiedensten Verun- reinigungen erzeugenden Apparaten vorüber den Ausströmöffnungen zugeführt werden.

Die Lösung dieser Aufgabe ist nicht einfach, in vielen Fällen so- gar mit großen Schwierigkeiten verbunden, da die Richtung des künst- lich erzeugten Luftstromes durch die stets, wenn auch in geringerem Grade stattfindende, natürliche Lüftung, also durch offenstehende Fenster, Thüren, Aufzugschächte, Lichthöfe, sowie durch bewegte Mechanismen und dadurdi herbeigeführte Luftwirbel stark beeinflußt werden kann. Zu den schwierigsten Aufgaben, welche hier zu lösen sind, zählt die gleichmäßige Verbreitung der frischen Luft in einem Räume, wobei die Schwierigkeit mit der Größe des Raumes wächst

Die ganz selbstverständliche Eigenschaft eines Luftstromes, immer den kürzesten Weg von der Einfluß- zur Ausflußstelle zu suchen, welche Eigenschaft allerdings durch den Einfluß der Temperatur stark modifiziert werden kann, macht die gleichmäßige Verteilung und die Verhütung sogenannter toter Räume und Luftwinkel oft sehr schwierig. Ebenso können durch Eigentümlichkeit in der Einrichtung der Werk- stätten, wie z. B. durch die Anwendung der beliebten, etwa in der halben Höhe des Raumes angeordneten, die Vergrößerung der nutz- baren Werkstättenfläche bezweckenden Gallerien, die Schwierigkeiten der gleichmäßigen Verteilung und der Ventilation überhaupt vermehrt werden.

Eine solche gleichmäßige Verteilung der reinen Luft wird, nament- lich in großen Werkstätten, nur durch die Anordnung einer größeren

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198 MAX KRAFT,

Anzahl von Einflußöffnungen erreicht werden können und zwar um so vollständiger, je größer diese Anzahl ist In Werkstätten, in welchen die Arbeitsstätten, wie früher erwähnt, übereinander angeordnet sind, ist die Unannehmlichkeit vorhanden, daß sowohl bei der Auf- als auch Abwärtsbewegung des Luftstromes verunreinigte Luft in die Atmungs- sphäre der oberen oder unteren Arbeiter gelangt Es bleibt da- her nichts anderes übrig, als den Werkstättenraum gewisser- maßen in zwei übereinander liegende Räume zu trennen und jeden für sich zu lüften.

Um sich ein klares Bild über die in einem gelüfteten Räume stattfindende Luftbewegung zu machen, kann Pulverdampf oder auch gefärbtes Gas verwendet werden. Letzteres wurde vom Ingenieur C. Ambt bei der Untersuchung der Lüftungseinrichtungen der Kopen- hagener Schulen durch Verbrennen einer Mischung von 1 g chlor- saurem Kali, 1 g Salmiak und 1 g gepulvertem Harz hergestellt

Wird eine größere Zahl von Einströmöflfnungen angewendet, so ist wieder die Anordnung der Kanäle für den Luftzufluß schwierig durchführbar und erfordert gewöhnlich bei großen Werkstätten die An- wendung mehrerer Motoren.

Die Ein- und Ausflußöffnungen der Luft sollen stets mit leicht beweglichen und stellbaren Schiebern oder jalousieartigen Klappen ver- sehen sein, um eine Regulierung des Luftstromes zu ermöglichen.

Die Luftwege, Kanäle, welche in Wohnungen aus ästhetischen und auch räumlichen Gründen stets in den Wänden angeordnet sind, können in Werkstätten, wo diese letztere Anordnung ebenfalls den häufigsten Fall bildet, auch aus der Wand heraustretend und an dieser entlang geführt, zur Durchführung kommen. Sie sind in diesem letzteren Falle sowohl aus Mauerwerk, aus Cement-, Blech- oder Holzröhren sogenannten Lutten hergestellt; sollen bei jeder Richtungs- änderung sanft in diese übergeführt, nicht scharf geknickt, an den inneren, mit der bewegten Luft in Berührung befindlichen Stellen thunlichst glatt hergestellt und so angeordnet sein, daß ihre Reinigung leicht und gründlich durchführbar werde. Die Säuberung der. Kanäle soll thunlichst naß, durch Einspritzen von Wasser oder durch Berieselung zur Ausführung kommen.

Die Aspirationslüftung dürfte im Großen den Vorzug verdienen, weil bei derselben richtige Anordnung der Ein- und Ausström- öffnungen vorausgesetzt sehr wahrscheinlich eine einheitlichere Ab- förderung der verdorbenen Luft stattfindet, während bei der Pulsions- lüftung leichter eine intensivere Mengung der reinen mit der ver- dorbenen Luft eintritt, namentlich wenn nicht für den leichten Austritt der Luft gesorgt wird.

Die Dimensionierung der Luftwege ist Sache der Berechnung und maßgebend für die richtige Eintrittsgeschwindigkeit der Luft, welche in unmittelbarer Nähe eines Menschen nicht mehr als 0,3 m be- tragen soll.

Diese Geschwindigkeit kann jedoch, namentlich in großen Werk- stätten, in entsprechender Höhe über den Köpfen bedeutend erhöht werden und ist in manchen Fällen schon auf 7 m erhöht worden. Eine 0,3 m übersteigende Geschwindigkeit in der Nähe wird als Zug em- pfunden. Jede Vermehrung des Kanalquerschnitts ermäßigt die Ge- schwindigkeit

Die Geschwindigkeit wird durch sogenannte Anemometer ge-

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Die Lüftung der Werkstätten. 199

messen, welche gewöhnlich aus einem in Steinen laufenden, aus Glimmer oder dünnem Metallblech bestehenden, in ein cylindrisches Gehäuse eingeschlossenen Flügelrädchen bestehen, das seine Umdreh- ungen auf einen Zeiger überträgt, der die Geschwindigkeit der Luft oft direkt an einer Tafel ablesen läßt Manchmal ist auch ein Zeit- meßapparat damit verbunden. (Vergl. Bd. IV d. Handb. unter Lüftung.)

Eine ganz exceptionelle Stellung nimmt die Lüftung der Berg- werke ein, die namentlich im Kohlenbergbau wegen der auftretenden sogenannten schlagenden Wetter, aber auch bei den anderen Berg- werken von großer Wichtigkeit ist und von den Ingenieuren dieser In- dustrie, welche auch in dieser, wie in vielen anderen Richtungen bahn- brechend vorgegangen sind, schon vor vielen Decennien in oft glän- zender Weise gelöst wurde. (Vergl. Hygiene des Bergbaues.)

Es wird hier immer Aspirationslüftung in Anwendung gebracht, zu deren AusflUirung oft sehr große, mit einer besonderen Dampf- maschine ausgestattete Motoren in Anwendung kommen. Zu einer regelrechten Lüftung sollen stets zwei Verbindungen mit der Atmo- sphäre vorhanden sein, von welchen die eine den ausziehenden, die andere den einziehenden Wetterstrom zu leiten hat. Von diesen Hauptluftwegen muß die reine Luft den einzelnen, oft weit entfernten Arbeitsstätten zugeführt werden, was entweder durch die entsprechende Verbindung der Eommunikationsgänge, der sogenannten Stollen oder Läufe, durch die Teilung eines Ganges durch eine senkrechte Holz- wand in zwei Gänge, oder durch die Anwendung von an der Decke (First) der Stollen angeordneten Luftleitungskanälen, den sogenannten Wetterlutten, aus Holz, besser aus schwachem, glattem, verzinntem Eisenblech zur Ausführung kommt. Dort, wo die Luft leicht einen unrichtigen Weg selbstthätig einschlagen könnte, werden Abschluß- wände, Verschisse mit Wetterthüren in Anwendung gebracht.

Der Vorwurf ist aber der Bergbauindustrie nicht zu ersparen, daß trotz des ausgebildeten Lüftungswesens doch noch allzu häufig die durchaus nicht genügende natürliche Lüftung und in gefährlichen Schlagwettergruben eine in vielen Fällen noch ungenügende künstliche Lüftung stattfindet, wobei allerdings nicht verkannt werden soll, daß die Schwierigkeiten in der Anordnung und im Betriebe solcher Lüf- tungseinrichtungen weitaus größer sind, als die in gewöhnlichen Werk- stätten auftretenden, und daß manchmal allen Anforderungen Ge- nüge geleistet wird.

Die aus den Gruben gesaugten verunreinigten Wetter strömen der Atmosphäre zu, teils weil die Bergbaue größtenteils fern von größeren, volkreicheren Gemeinden liegen, teils auch weil die unge- heuren Luftquantitäten nicht leicht von ihren Verunreinigungen befreit werden können und endlich, weil in den meisten Fällen nicht direkt giftig wirkende, sondern nur in bestimmten Mischungsverhältnissen mit der Luft explosible Gase in denselben enthalten sind.

Die Beschaffung reiner Ersatzloft gehört zu den schwie- rigsten Aufgaben einer Lüftungsanlage und ist in der Nähe großer Sädte oder Fabrikscentren überhaupt nicht allen Anforderungen ent- sprechend zu lösen, während dieselbe bei exponiert angelegten oder in der Nähe kleiner Gemeinwesen befindlichen Werkstätten keiner Schwierigkeit unterliegt

In dieser Beziehung! ist vor allem die unmittelbare Umgebung der Werkstätte, die Lage und Lüftung der Aborte, der Betriebs- Abfluß -

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200 MAX KRAFT,

Wässer, der benachbarten Werkstätten, dumpfiger Keller, sumpfiger oder mit Betriebsflüssigkeiten getränkter Bodenstellen u. s. w. maß- gebend. Die Ersatzluft aus einer benachbarten Werkstätte zu be- ziehen, ist nichts anderes als die Bevorzugung der Arbeiter der ersten, gegenüber denen der zweiten Werkstätte. Ist diese Anordnung aus lokalen oder sonst gewichtigen Gründen nicht zu umgehen, so soll diejenige Werkstätte, welche die meisten Verunreinigungen erzeugt, die zuletzt gelüftete sein.

Was speziell die Anordnung und Lüftung der Aborte anlangt, so unterliegen sie den gleichen Prinzipien der Lüftung wie andere Räume, nur daß die Lüftung leichter ausführbar ist Es sei diesbezüglich auf Bd. II dieses Handbuchs, namentlich auf das Kapitel „Abfnhr- systeme" verwiesen. Zu erwähnen sind die neuerdings auftauchen- den Feuerklosetts von Lönhold und Weyl-Seipp.

Was nun die Ersatzluft aus weiter entfernten Lufträumen anlangt, so können diese entweder durch andere naheliegende Werkstätten oder durch den Verkehr in naheliegenden Straßen verunreinigt sein, und es tritt hier der Einfluß der Straßenhygiene in das Ge- sichtsfeld, bezüglich welcher auf Bd. II, Abtlg. 2 dieses Handbuchs zu verweisen wäre. Hier möchte ich nur hervorheben, daß an die Stelle des Bespritzens der Straßen das Waschen derselben zu treten hätte. Statt das Wasser durch den hochgehobenen Schlauch auf thunlichst weite Strecken zu verteilen, soll der, gewöhnlich unter genügend starkem Druck stehende, Strahl unter einem entsprechenden Winkel der Straßenoberfläche zugewendet werden und das Bestreben des Schlauchleiters dahin gehen, jede Stelle der Straße, namentlich aber die stärker verunreinigten unmittelbar durch den stärksten Strahl zu treffen und die in den beiderseitigen Rinnen sich ansammelnden Schmutzwässer bis zu ihrem Einfluß in den Kanal zu verfolgen. Es soll nicht nur eine etwa Stunde dauernde Bindung des Staubes, sondern eine thunlichst vollständige Entfernung und Bindung desselben för immer angestrebt werden. Auch entsprechende Verordnungen zur Anwendung von Kautschukradringen für leichtere und schwerere Fahr- zeuge, von Federn für die letzteren u. s. w. würden gewiß von gutem Erfolge begleitet sein. In solch verunreinigter Atmosphäre dürfte die beste Stelle zum Ansaugen der Ersatzluft ein mit Bäumen besetzter Platz sein, an welchem der Einflußkanal etwas erhöht werden müßte, um ihn gegen mutwillige Verunreinigung zu schützen. Derselbe ist aus Mauerwerk herzustellen und die Oeffnung mit einem nicht zu groß- maschigen Metallnetz zu bedecken. Um die Verunreinigungen der Luft so weit als thunlich abzuhalten, wären die Bäume sowie der un- mittelbar umgebende Boden öfter zu besprengen, auch können aus grobem Segeltuch hergestellte, auf einen Rahmen gezogene, öfter be- netzte Filterkappen über der EinflußöflFnung angeordnet werden.

Soll eine, oft kostspielige Lüftungsanlage in ihrer Wirkung nicht empfindlich geschädigt werden, so ist diesem Punkte große Auftnerk- samkeit zu widmen.

In vielen Fällen wird die Aufnahme der Ersatzluft in größerer oder geringerer Höhe über dem Werkstättenraume rätlich erscheinen, namentlich in großen Städten, in welchen die in größeren Höhen über der Straße befindlichen Luftschichten, namentlich wegen des unein- geschränkter wirkenden Windes und der weiter vorgeschrittenen Ab- scheidung des Staubes, als die reineren gelten können.

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Die Lüftung der WerksUtten. 201

Alle diese Maßnahmen entfallen, wenn in den Saugkanal ein Lnft- Alter eingesetzt ist, was stets der Fall sein soll, wenn die Luft der Werkstättenumgebung als stark verunreinigt angenommen werden kann. Solche Filter liefern gewöhnlich den schlagendsten Beweis für die oft ganz unglaubliche Verunreinigung der. Lnft ^Diese Filter, welche aller- dings nur Staub und keine Gase abhalten, sind entweder trockene oder nasse Filter, von welchen die letzteren den Staub unstreitig voll- kommener zurückhalten als die ersteren, dafür aber auch mit größeren Betriebsschwierigkeiten und Kosten verbunden sind.

Die trockenenFilter bestehen gewöhnlich aus einer den groben Staub abscheidenden, größeren Staubkammer und aus dem in diese oder hinter diese Kammer eingesetzten Filter für den feinen Staub.

Die Abscheidung des gröberen Staubes erfolgt infolge der in der Staubkammer eintretenden Ermäßigung der Geschwindigkeit der Luft. Das eigentliche Filter besteht aus einem fixen oder drehbaren, mit Gewebe überzogenen Rahmen, welcher am besten schief gegen die Stromrichtung gestellt ist, nicht nur, um dadurch eine größere Fläche zu erhalten, sondern auch, um ein leichtes, teils selbstthätiges, teils durch Schütteln bewerkstelligtes Abfallen des anhaftenden Staubes zu erreichen. Behufs Herstellung großer Filterflächen wird dasselbe mehr- fach im Winkel gebogen, gefaltet Als Filtermaterial wird Gaze, ge- rauhter Barchent, Drahtgewebe etc. in Anwendung gebracht und oft, je nach Bedarf, in mehreren Lagen übereinander gelegt

Jedes solche Filter wird in der Zeiteinheit ein bestimmtes Luft- volum je nach der Wirkung des Motors und je nach der Feinheit des Gewebes und der Anzahl der Lagen durchziehen lassen, welches Volum zur Verbrauchszeit in verkehrtem Verhältnisse steht

Auch bei diesen trockenen Filtern soll unter denselben sowie am Boden der Staubkammer in einer Vertiefung eine mindestens täglich zu wechselnde, besser kontinuierlich überströmte seichte Wasserschicht angeordnet sein, um den vom Filter oder in der Staubkammer herab- fallenden Staub dauernd zu binden. Diese Einrichtung kommt aller- dings im Winter durch das Frieren des Wassers außer Thätigkeit, aber sie besitzt in dieser Jahreszeit, in welcher der Staub ohnehin stärker gebunden ist, auch eine geringere Wichtigkeit

Die nassen Filter, deren Wirkung selbstredend eine viel ener- gischere ist, können in verschiedener Weise zur Ausführung kommen, näm- Bch entweder dadurch, daß man Wasser über das Filtergewebe rieseln oder durch ein wagerechtes Sieb in Form eines Regens nach abwärts fließen läßt und der Luft entgegenbewegt; oder indem man die Luft durch ein senkrecht stehendes größeres GefiLß zu strömen zwingt und derselben einen Wassersprühregen entgegen spritzt; oder indem man die Luft durch die Zwischenräume eng gestellter, mehrfach hinter- einander angeordneter, berieselter Flächen durchleitet

Alle diese Filter könnten im Winter nur unter Anwendung warmen Wassers oder dadurch in Thätigkeit erhalten werden, daß sie hinter die Heizvorrichtung verlegt werden.

Von den zahlreichen diesbezüglichen Konstruktionen sei hier nur das Filter von D. Grove in der Fig. 12, S.202, dargestellt Dasselbe be- steht aus einer großen Anzahl in zwei Reihen angeordneter , sehr nahe aneinander gestellter, senkrecht gespannter, konstant über- rieselter Gewebestreifen, von welchen jeder im Winkel gebrochen ist Zwischen diesen Streifen strömt die Luft hindurch und setzt den Staub

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202 MAX KRAFT,

an das feuchte Gewebe an, was namentlich durch das Brechen des Luftweges gefördert wird. Außerdem wären noch zu erwähnen die Filter von Joaks und Behrns, von Lacy, Vogt, H. ter Jung, von Dr. K. Möller u. s. w.

Daß eine häufige Reinigung dieser Filter nötig, daß nur die An- wendung reinen Wassers gestattet ist, dürfte als selbstverständlich erscheinen. Sehr häufig bestehen die Filter aus gemauerten Räumen,

in welchen aus mit Wasser überrieselten Steinen ein Gitterwerk hergestellt oder in welchem ebenfalls überrieselter grober Schotter aufgehäuft ist. Ebenso wird die Luft im Filter- *^ ^"^^ räum durch eingesetzte und ebenfalls über-

spülte Querwände mehrmals auf und ab ge- führt und dadurch die Entstaubung zu bewirken gesucht, was allerdings durch derartige An- Ordnungen nur in untergeordnetem Grade zu *' ' erreichen ist.

Bezüglich der Temperatur derErsatzluftist wohl klar, daß dieselbe 17 ^ C nicht übersteigen soll, da ja die in den Werkstätten arbeitenden Menschen, sowie auch die bewegten Mechanismen Wärme erzeugen und dadurch ohnedies eine unbeabsichtigte Erhöhung der Werkstätten- temperatur eintritt

Diese Temperatur soll jedoch thunlichst Winter und Sommer in gleicher Höhe erhalten werden, woraus sich ergiebt, daß die Ersatz- luft im Winter vorgewärmt, im Sommer abgekühlt werden muß. Be- hufs Erwärmung der Luft kommen die verschiedenen Heizeinrichtungen zur Geltung, bezüglich welcher auf Band IV dieses Handbuchs „Heizung und Ventilation" verwiesen werden soll, da die Einrichtungen für Räume, in welchen eine größere Menge von Menschen sich auf- hsdten, in gleicher Weise auch auf Werkstätten angewendet werden können.

In vielen Werkstätten, in welchen zur Ausführung der Betriebs- prozesse z. B. zum Schmelzen, Glühen, Abdampfen, Trocknen ohnehin Feuerquellen konstant erhalten werden müssen, wird eine Heizein- richtung in den meisten Fällen nicht angewendet werden können, wenn auch nicht zu leugnen ist, daß die ungleichmäßige Verteilung der Wärme in diesem Falle gerade nicht als hygienisch richtig be- zeichnet werden kann.

Das Abkühlen der Luft bei zu großen Außentemperaturen ist für die Durchführung namentlich der Handarbeiten in den Werkstätten von wesentlichem Einflüsse, da hohe Temperatur nicht nur eine Er- schlaffung der Muskeln herbeiführt, sondern auch ungünstig auf die bei jeder Arbeit notwendigen geistigen Funktionen einwirkt. Es liegt daher nur im Interesse der Arbeit selbst und auch der ökonomischen Durchführung derselben, eine Kühlung der Luft zur Ausführung zu bringen. Eine solche Kühlung tritt schon in gewissem Grade durch die Ventilation ein und kann gesteigert werden durch Abkühlung der Ersatzluft. Diese Abkühlung kann in sehr verschiedener Weise zur Ausführung kommen.

Eine der einfachsten Methoden besteht darin, daß die Lüftung auch in der Nacht in Thätigkeit bleibt; sie kann ferner dadurch zur Ausführung kommen, daß man die Ersatzluft durch Röhren oder Kanäle hindurchstreichen läßt, welche etwa 1 1,5 m tief in die Erde

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Die Lüftung der WerkstÄtten. 203

verlegt, oder von kaltem Wasser überrieselt und umspült sind, wobei das Einlegen der Röhren in etwa zur Verfügung stehendes fließendes Wasser jedenfalls als günstig zu begrüßen wäre. Eine Abkühlung kann ferner durch unmittelbare Berührung der Luft mit kaltem fließenden oder zerstäubten Wasser, durch Vorüberleiten an Eis oder durch eis- gekühlte Gefäße zur Ausführung kommen.

Auch das Vorhandensein kühlen guten Trinkwassers kann das Ertragen bedeutender Temperaturen bei der Arbeit erleichtern.

In jeder Werkstätte soll ein gutes Thermometer angebracht sein.

lieber die Wirkung der Lultfenchtigkelt auf den mensch- lichen Organismus ist man heute noch nicht ganz klar. Während man früher der Meinung war, daß diese Feuchtigkeit der Gesundheit förder- lich sei, wird in letzter Zeit die Ansicht verfochten, daß zu große Feuchtigkeit schädlich wirke, indem sie bei höheren Temperaturen die Verdunstung der Körperfeuchtigkeit hindere und demnach eine Wärmestauung im Körper herbeiführe, bei niederen Temperaturen aber durch massenhaften Uebergang der Körperwärme an die Feuchtig- keit der Luft intensives Frostgefühl erzeuge.

Die dem Menschen entsprechendste Luftfeuchtigkeit wird mit 40 bis 60 Proz. angenommen. (Vergl. in Bd. I dieses Handb. : Ass- mann und Schellong.)

Um die Feuchtigkeit der Luft auf diese Höhe zu bringen, müssen gewöhnlich besondere Vorrichtungen in Anwendung kommen.

Hierzu dienen Verdunstungsgefäße, gewöhnlich mäßig tiefe, schalenartige GeftLße, welche in der Nähe der Heizeinrichtungen aufgestellt werden und die Feuchtigkeit durch Verdunstung auf die Luft übertragen.

Die Befeuchtung durch Einführung von Dampf in den Luft Strom ist nicht besonders zu empfehlen, weil dadurch leicht Ver- unreinigungen aus dem Dampfkessel in die Luft gebracht werden; besser ist es, durch in Wassergefllße gelegte Dampfrohre eine Verdunstung des Wassers und dadurch eine Befeuchung der Luft herbeizuführen.

Am häufigsten angewendet sind die Zerstäubun gsapparate, welche jedoch die Luft sehr stark mit mechanisch zerteilten Wasserstäub- chen belasten, aber überall dort in Anwendung stehen, wo von dem Be- trieb ein hoher Feuchtigkeitsgehalt gefordert wird, wie z. B. bei der Kammgarnspinnerei. Solche Zerstäubungsapparate sind häufig mit Schraubengebläsen kombiniert, aber auch als Strahlapparate zur Aus- führung gebracht

Der in den Fig. 13 und 14, S.204, dargestellte Apparat von Schmid und Köchlin besteht aus einem an der Decke angeordneten, in einem Blechcylinder rotierenden Schraubenrad, welches die Luft durch den darunter liegenden größeren Blechcylinder B ansaugt und in der Pfeilrichtung in die Werkstätte drückt. In dem Cylinder B befindet sich eine rotierende Trommel, deren Mantelfläche aus mehreren Reihen von Holzstäbchen gebildet ist, die in konzentrischen Ringen ange- ordnet sind und welche bei der Rotation das bei b zulaufende und durch die hohle Achse eingespritzte Wasser zerstäuben. Das nieder- fallende Wasser sammelt sich im Cylinder B und fließt durch das Rohr c ab. Aehnliche Apparate sind der Luft-Pulsions- Aörophor von Treutier und Schwarz, der Luftanfeuchter von C. Wenner, A. Petit, G. Richter, M. A. Lutzner, E. Mertz, H. K. Oehl- mann, J. Döbbel, H. Rietschel, der Gesellschaft für Linde-Eismaschinen etc.

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MAX KRAFT,

PIg. 18.

Fig. 14.

Von den Strahlapparaten sind zu erwähnen die der Gebr. Kör- ting, »der Aärophor von Kindermann- Amier und der Vik- toria-Ventilator von Gumtow und Gijllet; welch letzterer in den Fig. 15 und 16 dargestellt ist. Derselbe- besteht aus einem huf- eisenförmig gebogenen Blechrohre, in dessen beide Schenkel je eine, mit einer Druckwasserleitung verbundene Düse eingeführt ist, welche nach Oeflfnung des entsprechenden Hahnes einen Wasserstrahl in den Schenkel entsendet (Fig. 15), durch welchen das Ansaugen der Luft dicht hinter der Düse, das Befeuchten und Einpressen derselben durch den-zweiten Schenkel zur Ausführung kommt Die Fig. 16 zeigt die

Fig. 16.

Fig. 16.

Anwendung des Ventilators bei einer Lüftungsanlage und ist auch ohne Erklärung verständlich. Der Ventilator kann saugend und drückend in Anwendung kommen ; die Befeuchtung wird jedoch nur in letzterem Falle von Bedeutung sein.

In vielen Fällen werden in oder unter den Werkstätten angeordnete Befeuchtungskammern in Anwendung gebracht, in welchen die Ersatzlufl direkt mit berieselten Flächen in Berührung tritt Es ist dies entweder in der Weise erreicht, daß die Luft durch einen Wasser- schleier oder durch ein berieseltes Backsteingitter oder an berieselten Querwänden, zwischen welchen sich die Luft hindurchzuwinden hat, entlang geführt wird.

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Die LüftüDg der Werkstätten. 205

Die nassen Filter bewirken stets auch eine Befeuchtang der Luft Das Messen der Feuchtigkeit wird mittels der Hygrometer oder Hygroskop genannten Instrumente zur Ausführung gebracht, von welchen die Haarhygrometer von Kappe und W. Lamprecht, das aus einem Gelatinestreifen bestehende von Weiler, das Volum- Hygrometer von Schwackhöfer und das Membranhygrometer von H. Rohr b eck u. s. w. zu erwähnen wären.

Zum Schlüsse dieses Abschnittes sei noch hervorgehoben, daß die Anordnung jeder Lüftungseinrichtung nur durch einen theoretisch und praktisch geschulten Ingenieur zur Ausführung kommen soll, da keine technische Anlage so sehr von der richtigen Erfassung lokaler Ver- hältnisse abhängt, wie eine Lüftungsanlage.

Kapitel nL

Die üeberfUiniiig der Temnrelnlgten Luft In gesehlossene filume. Die Abseheldiing und Blndniig dfer Yemnrelnignuigen durch Fil- tration, Kondensation, Absorption nnd sonstige Mittel.

Sobald wir es mit Werkstätten zu thun haben, in welchen Gase und Staub in größeren Quantitäten, oder in solchen Qualitäten ent- stehen, daß sie entweder unmittelbar giftig oder heftig reizend und daher mit der Zeit schädlich auf den menschlichen Organismus einwirken, teilt sich unsere Aufgabe in zwei Teile, nämlich in die Einrichtungen, durch welche die in der Werkstätte befindlichen Ar- beiter, und in diejenigen, durch welche die in der Umgebung woh- nenden Menschen geschützt werden müssen. Hierbei ist sofort klar, daß die ersteren weitaus wichtiger sind, da die Arbeiter zweifellos der Gefahr in viel höherem Grade und zwar dem konzentrierten Gas und Staub ausgesetzt sind, während diese Verunreinigungen selbst im schlimmsten Falle schon bedeutend verdünnt in die Atmosphäre gelangen ; ganz abgesehen davon, daß solche Werkstätten ohnedies niemals in un- mittelbarer Nähe von menschlichen Ansiedelungen hergestellt werden und die Schädigungen daher sich hauptsächlich auf die Vegetation be- schränken. Diese Schädigungen an Pflanzen und Bäumen beweisen aber schlagend, welch schlimmem Einflüsse] von Gas und Staub die in der Werkstätte selbst arbeitenden Menschen ausgesetzt sind. Die schädigenden Verunreinigungen sind hier, wie schon früher erwähnt, durch Behandlung verschiedener Materialien im oder mit Feuer ent- stehende Gase, flüchtige Verbindungen der Metalle und Metalloide, welche sehr häufig mit Staub stark geschwängert auftreten, und verschie- denartiger, bei den mannigfaltigsten Betriebszweigen entstehender Staub.

Die erste Anforderung, die an einen solchen Arbeitsraum in hygienischer Beziehung gestellt werden muß, besteht darin, daß der- selbe energisch gelüftet werden muß. Die dabei in Anwendung zu bringende Lüftungsmethode muß dem Witterungseinflusse vollkommen entzogen und daher eine künstliche Lüftung sein, welche pro Arbeiter und Stunde 100 cbm frische Ersatzluft zu liefern vermag. Die Wieder- verwendung der schon gebrauchten, wenn auch filtrierten Luft sollte in diesem Falle vollkommen ausgeschlossen sein, weil sie stets At- mungsprodukte enthält, welche nicht im Filter bleiben und die ohnedies und trotz aller Maßregeln ungünstige hygienische Situation der Arbeiter nur zu verschärfen vermögen, ganz abgesehen davon, daß bei den meisten

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MAX KKiJ'f ,

Werkstätten so viel Abdampf vorhanden ist, um die reine Luft genügend vorzuwärmen.

Die zweite Forderung, die hier gestellt werden muß, besteht darin, daß die gas- oder staubförmigen Verunreinigungen, wenn nicht andere, früher schon besprochene Anordnungen getroffen sind, am Orte ihrer Entstehung unmittelbar (örtliche Lüftung) und in solcher Richtung abge- saugt werden sollen, daß der frische Lu^trom zunächst an dem Arbeiter vorüber, dann erst auf die Verunreinigungen trifft und diese in das Abzugs- rohr reiJSt. Die Geschwindigkeit des Luftstromes darf in diesem Falle nicht zu klein genommen werden, um jede Verbreitung zu verhindern. Entstehen Gase und Staub in Oefen, so kann hierbei manchmal die auf den betreifenden Punkt beschränkte natürliche Lüftung zur Anwendung kommen, da in diesem Falle der Temperaturunterschied ein so großer ist, daß er durch Witterungs- und Jahreszeitenwechsel nicht wesentlich alteriert wird.

Die hierbei in Anwendung gebrachten Einrichtungen bestehen ge- wöhnlich aus vertikalen, über das Dach geführten oder in eine Esse mündenden Röhren und Kanälen, welche unmittelbar über der be- treffenden Stelle angeordnet, hier mit einem nach abwärts gerichteten Holz- oder Blechtrichter versehen sind, um einen größeren Raum zu beherrschen. An Stellen, wo die Gas- oder Staubentwickelung nur periodisch eintritt, sind diese Trichter verschiebbar hergestellt Auch hier ist jedoch die künstliche Lüftung entschieden vorzuziehen. Sehr häufig können auch schon in diesen Fällen die örtliche Kondensation, Absorption und Filtration in Anwendung gebracht werden, obschon die praktische Ausführung dieser Methoden in diesen Fällen oft mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat

Bestehen die gas- und stauberzeugenden Einrichtungen aus nahe dem Fußboden der Werkstätten stehenden Maschinen und Mechanismen, welche nicht gedeckt werden können, dann sind die Abzugsöflfnungen unmittelbar unter diesen anzuordnen und die Verunreinigungen scharf nach abwärts abzusaugen.

Eine solche Einrichtung in einer Seidenspinnerei zeigt die Fig. 17. Unter den reihenweise aufgestellten, punktiert angedeuteten Maschinen M befinden sich Kanäle und zwar für jede Reihe ein Kanal, aus welchem die Luft durch ein, in den Kanal eingesetztes Schraubenrad v

angesaugt und durch den Kanal K in das Staubhaus H geliefert wird, dessen Fensteröffnungen mit Filter- gewebe bespannt sind, um den Staub von der Außen- luft abzuhalten.

Staub und Gas erzeu- gende Apparate und Ma- schinen, bei welchen der Arbeiter keine Handarbeit auszuführen hat, sind dicht einzuschließen und außerdem mit einer künstlichen Lüftung zu versehen.

In sehr vielen Fällen lassen sich alle zur Verarbeitung des Mate- rials nötigen Vorrichtungen sowie die Transporteinrichtungen zwischen denselben vollkommen einschließen, der ganze oder größere Teil des

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Fig. 17.

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Die Lüftung der Werkstätteil.

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Betriebes selbstthätig gestalten, wie dies jetzt bei den Thomasmühlen nahezu erreicht ist

Wird die mit der Entwickelung der besprochenen Verunreinigungen verbundene Manipulation vom Arbeiter ausgeführt, so soll nicht nur ein scharfes Absaugen zur Ausführung kommen, sondern die Arbeits- stelle von den Atmungsöffnungen des Arbeiters durch eine Zwischen- wand getrennt werden, welche entweder ganz aus durchsichtigem Material hergestellt ist oder Fenster eingesetzt erhält In vielen Fällen ist diese letztere Anordnung leider nicht ausführbar.

Eine Einrichtung zum Absaugen des bei der Hadernsortierung entstehenden Staubes, welche auch bei vielen anderen Arbeiten zur Anwendung kommen kann und bei der Hadernsortierung direkt amt- lich vorgeschrieben werden sollte, ist aus Fig. 18 und 19 ersichtlich. Sie besteht aus 12 paarweise gruppierten Sortiertischen, unter deren

Fig. 18.

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Fig. 19.

Siebflächen Holztrichter angeordnet sind, aus welchen der durch- fallende Staub durch einen Exhaustor E mittels eines gemeinschaft- lichen Kanals K, in welchen die Trichterkanäle münden, abgesaugt wird.

Andere, ebenfalls in den verschiedensten Fällen anwendbare Vor- richtungen sind aus den Fig. 20 23 ersichtlich.

Bei Fig. 20 wird der Staub, eventuell auch Gas von der Arbeits- stelle Ä mittels des von der Drehspindel s welche gleichzeitig Ar- beitsspindel ist bewegten Schraubenrädchens r durch die Kanäle KK in den Blechkasten c gesaugt, und wäre hier selbstverständlich durch Wasser oder Absorption, Kondensation etc. zu binden.

In der Fig. 21 werden die Verunreinigungen durch den Exhaustor E von dem Tisch T, auf dem sie entstehen, abgesaugt. Die Vor- richtung wird beim Glasschleifen in Verwendung gebracht

Die Fig. 22 zeigt eine horizontal angeordnete, schnell rotierende Schleifylatte, an deren Achse unmittelbar das von einem Gylinder b umhüllte Schraubenrad B angebracht ist, das den beim Schleifen ent- stehenden Staub direkt absaugt, aber auch einem geschlossenen Raum zuführen soll, in welchem der Staub durch Wasser zu binden wäre.

Fig. 23 endlich zeigt einen direkt ventilierten Schleiftisch T, dessen Lüftung durch einen Wasserstrahl-Exhaustor bewirkt wird, und welcher ebenfalls bei den mannigfaltigsten Arbeiten anwendbar ist Das Mund-

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MAX KRAFT,

stück der Röhre JJ, in welcher die Wasserstrahldüse nach abwärts wirkt, ist unmittelbar bis an die Stelle der Staubentstehung heran- gerückt. Die Bindung des Staubes geschieht hier sofort und voll- ständig.

Fi^ 20.

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Eine Einrichtung zum unmittelbaren Absaugen der Dämpfe über den Gießformen in einer Gießerei, die ebenfalls mannigfaltige Ver- wendungfinden kann, ist aus Fig. 24, S. 209, ersichtlich und zeigt einen aus Zinkblech hergestellten, in eine Holz- oder Blechröhre mündenden Trichter, welcher die über den Gießformen entstehenden Gase durch natürliche Lüftung absaugt

Bei all diesen Apparaten und Einrichtungen kann nicht genug Gewicht darauf gelegt werden, daß Gas und Staub, soweit dies thun- lich, unmittelbar der Vernichtung oder der dauernden Bindung zuge- führt werde.

Andere Maßregeln sind noch später zu besprechen.

Wenn wir uns nun dem SchutzederUmgebung zuwenden, so ist es vor allem selbstverständlich, daß die aus solchen Werkstätten ab- gesaugte oder sonstwie entfernte Luft nicht der freien Atmosphäre zugeführt werden darf, ohne vorher einer gründlichen Reinigung unter- zogen zu werden.

Hierbei sind namentlich zwei Sorten von Verunreinigungen zu unterscheiden, nämlich solche, deren Wiedergewinnung aus der Luft im Interesse des Betriebes liegt, und solche, bei welchen dies nicht der Fall ist Die ersteren waren es namentlich, die schon vor ge- raumer Zeit namentlich im Hüttenwesen, entsprechende Einrichtungen hervorgerufen und dadurch, freilich nicht gerade zur besonderen Ehre der Industrie, auch mittelbar die hygienische Seite der Frage ge- fördert haben ; denn zuerst steht der Mensch und dann das Produkt

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Die Lüftung der Werkstätten. 209

Bei der ersteren Gattung von Verunreinigungen sind außer dem Abscheiden und Sammeln derselben in einem geschlossenen Raum auch noch die Wiedergewinnungsarbeiten in Betracht zu ziehen. Hier- bei wird zu entscheiden sein, ob der Wert derselben mit der voraussicht- lichen Schädigung der Arbeiter bei den Gewinnungsarbeiten in einem günstigen hygienischen Verhältnisse steht, da sonst von diesem Standpunkte die Vernichtung der Wiedergewinnung vorzuziehen wäre.

Fig. u.

In vielen Fällen wenigstens kann dieses Verhältnis als ein günstiges nicht bezeichnet werden, insbesondere wenn man bedenkt, daß eine voll- ständige Vernichtung oder dauernde Bindung nicht immer leicht aus- führbar ist und zu verschiedenen anderen hygienisch ungünstigen Zu- ständen führt, wie dies in der Abwässerfrage längst klar geworden ist

Bei den nicht wieder zu gewinnenden Verunreinigungen soll die Vernichtung oder dauernde Bindung nach der thunlichst vollkommenen Abscheidung aus der Luft das Ziel aller Bestrebungen bilden.

Was nun die ersterwähnten gas- und staubförmigen Verunreinig- ungen anlangt, so müssen dieselben durch einen energisch wirkenden Lüftungsapparat in einen luftdicht verschlossenen Raum gepreßt und hier von der Luft so vollkommen als möglich getrennt werden. Dann erst darf man die reine Luft der Atmosphäre wieder zuführen.

Man gab diesen Einrichtungen gewöhnlich früher eine solche Form, daß man die verunreinigte Luft resp. die Betriebsgase, Dünste und auch den Staub durch einen sehr hohen oder auf eine Anhöhe gestellten Schornstein ansaugen und in höhere Luftschichten austreten ließ, wobei namentlich durch die langen Kanalleitungen eine, wenn auch nicht genügende, Reinigung erreicht wurde. Entschieden richtiger ist es,

Hanibocb dm HygteM. Bd. VlU. 14

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2lö MAX KRAJ'f,

Luft, Gase und Staub durch ein starkes Schleudergebläse aus dem Werkstättenraum anzusaugen, in dem geschlossenen Raum vollständig zu reinigen und dann in die Atmosphäre zu leiten. Ein Schleuder- gebläse wird hier deshalb häufig anzuwenden sein, weil einzelne Reinigungsmethoden eine Pressung erfordern.

Als Reinigungsmethoden kommen hier zur Anwendung:

1) die mechanische Abscheidung durch das spezi- fische Gewicht,

2) die Filtration,

3^ die Kondensation,

4) die Absorption und Neutralisation,

5) die Kombination zweier oder mehrerer Methoden.

1. Die mechanische Abscheidung durch das spezifische Gewicht kann nur mit dem Staub zur Ausführung gebracht werden. Zu diesem Zwecke leitet man die verunreinigte Luft oder die Gase in thunlichst groß dimensionierte Staubkammern, in welchen sich der schwerere Staub infolge der Abnahme der Geschwindigkeit des Gas- oder Luftstromes abscheidet und zu Boden fällt. Hierbei soll nun die Einrichtung so getroffen werden, daß der niederfallende Staub sogleich in leicht transportable Gefäße oder in eine Grube fällt, aus der er durch eine Transportvorrichtung behufs Wiedergewinnung gehoben werden kann, womöglich ohne die Staubkammer öffnen zu müssen.

Noch besser ist es, die stauberzeugenden Apparate in die Staub- kammer gewissermaßen einzuschließen, wie dies bei der in Fig. 25 dargestellten Thomas schlackenmühle der Fall ist. Hier wird die Schlacke durch den Steinbrecher a grob zerkleinert und in eine Ver- tiefung fallen gelassen, aus welcher dieselbe durch eine eingeschlossene Transportkette 6 in die Sortiertrommel c gehoben, in dieser, sowie auf darunter liegenden Sieben g sortiert, zwei Kollermühlen d zuge- liefert, von diesen wieder in die Grube gebracht, nochmals gehoben, wieder sortiert wird und endlich den Trichtern h zufällt. Alle diese Vorrichtungen sind zum größten Teil staubdicht abgeschlossen.

Die mechanische Abscheidung durch das spezifische Gewicht kann oft durch das Einbauen von Wänden in die Staubkammer geför- dert werden, da an diesen die Geschwindigkeit des Luft- oder Gasstromes stets eine geringere ist und das Abscheiden des Staubes erleichtert.

2. Die Filtration ist hier, wo es sich um Wiedergewinnung des ausgeschiedenen Materiales handelt, meist auf trockenem, bei Gasen allerdings, wo sie mit der Kondensation gewöhnlich verbunden ist, auch auf nassem Wege zur Durchführung gebracht

Die Luft wird durch ein Schrauben- oder bchleuderrad angesaugt und in eine Kammer gedrückt oder auch durch die Kammer gesaugt, aus welcher die gereinigte Luft nur durch Filtergewebe austreten kann, wobei der Staub zurückbleibt. Um diese Filter stets wirkungsfähig zu erhalten, sollen dieselben häufig gereinigt werden.

Solche Staubsammler sind heutigen Tags in den verschiedensten Konstruktionen in Anwendung. Sie bestehen entweder aus einfachen Staubtürmen, wie in Fig. 17, einfachen Räumen mit filterbedeckten Fenstern oder aus besonderen Apparaten. Es sei Von diesen nur der in der Fig. 26 dargestellte von M. Martin besprochen. Das eigent- liche Filter besteht aus einer langsam rotierenden Trommel, welche durch radiale Wände in 6 Abteilungen geteilt ist Jede dieser Ab- teilungen ist an ihrer äußeren Bogenfläche durch 3 rinnenförmige

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Die Lüftung der Werkstätten. 211

Flg. »ö.

Filterstreifen geschlossen. Die verun- reinigte Luft wird durch a in das die Trommel umgebende Gehäuse ge- saugt und kann nur durch den Filter- stoff hindurch in das Innere der Trom- mel und aus dieser in der Achsen- richtung zum Exhaustor gelangen, wo- bei der Staub auf dem durch Fäden gespannt erhaltenen Filterstoff zurück- bleibt Jede dieser Abteilungen kommt bei jeder Umdrehung in die unterste Stellung Ci, bei welcher durch die dann hergestellte Oeffnung t durch die hohle Achse der Trommel Luft in den Sektor tritt, die Filterstreifen nach auswärts stülpt und dadurch das Ablösen des Staubes bewirkt

Hierher gehören die Staubfilter von Nagel und Kamp, von Un- ruh und Liebig, von Hausloh, Joaks und Behrns, von Kesztele, H. Seck, G. Kiefer, F. Pelzer, pj ,^

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MAX KRAFT,

G. M. Hardenbergh, C. R. Grundig, F. Zahn und E. Löwe, G. Luther, W. F. F. L. Beth, K. und Th. Möller u. s. w.

8. Die Kondensation, welche sehr häufig mit der Filtration und Absorption kombiniert ist, wird namentlich bei der Wiedergewinnung des Staubes und Abscheidung der schweren giftigen Gase aus der Luft oder den flüchtigen Produkten chemischer Prozesse in Anwendung gebracht und trachtet eine Verflüssigung der leicht kondensierbaren Gase durch Abkühlung zu erreichen.

Die Kondensation kann auf trockenem oder nassem Wege zur Ausführung gelangen.

Auf trockenem Wege wird sie gewöhnlich dadurch zu erreichen gesucht, daß man die Kondensationskammern, in welche die Gase ge- saugt oder gedrückt werden, lang und weit herstellt und eine thun- lichst große Berührungsfläche durch Einstellen von Quer- oder Parallel- wänden darbietet Die Anordnung dieser Kammern, sowie das Material derselben und der Kondensationsflächen soll so gewählt werden, daß eine möglichst weitgehende Abkühlung erreicht wird. Es sollen daher Kammern und Wände aus Metall, neuestens aus Monier-Wänden, wegen des Angreifens der Metalle durch die Gase und sich bildenden Säuren, hergestellt und womöglich gekühlt sein. Namentlich die Kondensationsflächen im Innern der Kammern ließen sich als hohle Platten konstruieren und mittels durchfließendem Wasser kühlen. Kondensationskammern mit gekühlten Röhren sind schon in Anwendung.

Eine solche Kondensationseinrichtung ist in Fig. 27 dargestellt und in Friedrichshütte in Anwendung. Die Gase und Staub

werden aus dem Bleischmelzofen durch das Rohr r in den Kühlturm T geleitet resp. durch einen Exhaustor gesaugt Der obere Teil des Turmes ist als Wasserbehälter konstruiert, aus dem das Wasser in 140 senkrechte Kondensationsröhren r^ fließt, die vom Gas umströmt

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Die Lüftung der Werkstätten. 213

sind und 598 qm Oberfläche besitzen. Von da strömen Gas nnd Staub in die Kanäle d, in welchen 50000 Stück 2 mm starke Drähte mit 942 qm Oberfläche aufgehängt sind. Es sollen 84 Proz. Staub dadurch gewonnen werden.

Die nasse Kondensation wird gewöhnlich in der Weise durch- geführt, daß man die Gase über Wasser hinweg, durch einen Wasser- schleier hindurchstreichen oder durch genäßte Filter treten läßt Es kommt femer noch ein Entgegensprühen von Wasser und auch ein Mischen mit Dampf zur Anwendung.

Die Filter bestehen aus übereinander angeordneten Lagen von Latten, auf welchen Reisig, Schotter, Coaks oder sonst stark poröses Material aufgehäuft ist und durch welches man Wasser rieseln läßt Ebenso werden mit Filtermaterial gefüllte Gefäße in Anwendung gebracht

Das Mischen mit Dampf soll eine innige Mengung mit Wasser ermöglichen, hat jedoch keine guten Resultate geliefert und die Kon- densation nur bis zur Nebelbildung gebracht, was jedoch durch An- wendung kühlender Einflüsse gewiß zu umgehen wäre.

Am besten läßt sich die Kondensation durch das Durchpressen der Gase durch Wasser erreichen, in welchem Falle aber ein Zer- stäuben der Gase unter Wasser durch einen Wasser- oder Dampfstrahl- apparat zur Ausführung kommen soll.

Das Durchpressen der Gase kann auch durch im Wasser rotierende Schrauben oder Schnecken oder auch durch tauchende Flügelräder zur Ausführung kommen, hat jedoch wegen der Bildung großer Gasblasen in diesem Falle keine guten Resultate gegeben.

Bei dieser Kondensationsart wird selbstverständlich eine voll- kommene Abscheidung und auch Bindung des mitgerissenen Staubes erreicht

Solche Kondensationseinrichtungen sind die der Altforthütte in England, der Richmond- und Eureka-Gesellschaft zu Nevada, der London Lead Company Works von A. Fellize, A. Courage, von Heinzerling etc.

4. Die Absorption besteht in der Eigenschaft mancher Flüssig- keiten, bestimmte Gase in sich aufzunehmen, zu lösen oder chemische Verbindungen mit denselben einzugehen, und ist daher sehr gut ge- eignet. Gase und gleichzeitig auch den begleitenden Staub abzuscheiden und zu binden, ist aber trotzdem nur sehr wenig in Anwendung ge- bracht Eine Weiterbildung dieser Methode könnte noch sehr günstige Resultate zu Tage fördern. Heutigen Tages wird sie beinaJie aus- schließlich zur Bindung der in vielen Prozessen austretenden schwef- ligen Säure verwendet

Zur Ausführung gebracht wird diese Methode durch eine innige Berührung oder Vermischung der Flüssigkeit mit dem Gas, was durch Dorchleiten des letzteren durch einen Flüssigkeitsregen, durch Zer- stäuben der Flüssigkeit, durch Zerstäuben des Gases in der Flüssig- keit u. s. w. erreicht werden kann.

Hierher gehören auch diejenigen Methoden, bei welchen durch chemische Einflüsse, z. B. durch Oxydation, Ozonisierung des Phos- phors, eine chemische Aenderung, Neutralisierung, gewissermaßen Bindung der schädlichen Eigenschaften bezweckt wird, welche Methoden ebenfalls noch sehr ausbildungsfähig sind und nur gute Resultate ergeben könnten.

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214 MAX KRAFT,

Bei all diesen Methoden handelt es sich schließlich darum, bei der Wiedergewinnung dieser Materialien, beim Ausräumen und In- standsetzen dieser Filtrierungs-, Kondensations- und Absorptions- kammern die Arbeiter gegen die dabei auftretenden Schädigungen, namentlich bei den trockenen Methoden zu schützen und die ganze Arbeit womöglich mechanisch zur Ausführung zu bringen.

Was nun die Vernichtung der nicht wiederzugewinnenden Verunreinigungen betrifft, so ist der Ausdruck selbstverständlich nicht genau zu nehmen, da nur eine relative Vernichtung denkbar ist Dieselbe kann als erreicht gelten, wenn die schädlichen Eigenschaften dieser Verunreinigungen vernichtet werden, was häufig durch Ein- wirkung hoher Temperaturen, durch Verbrennung durch chemische Ver- änderung u. s. w. durchführbar ist

Die dauernde Bindung läßt sich bei Gasen durch Konden- sation und Absorption, beim Staub am einfachsten durch Wasser er- reichen. Jeder Staubturm, jedes Staubhaus soll auf seiner Sohle mit einem seichten Wasserbehälter versehen sein, in welches der Staub fällt und dessen Wasser von Zeit zu Zeit erneuert werden muß. Noch wirksamer wäre die Anwendung eines Wasserregens. Das Ein- leiten des Staubes in fließendes W a s s e r , die Bindung durch Dampf können ebenfalls als günstige Lösungen angesehen werden. Das Bestreben soll auch hier thunlichst dahin gerichtet sein, mit der einmal bewältigten Staubmasse für immer abgeschlossen zu haben, soweit dies überhaupt erreichbar ist

Abnorme Temperaturen lassen sich ebenfalls durch eine örtliche Lüftung, sowie durch verstellbare Schutzplatten, welche zwischen Arbeiter und Apparat eingeschoben sind, wenigstens mäßigen.

Zum Schlüsse dieses Kapitels sei noch hervorgehoben, daß auch in solchen Werkstätten mit starker Gas- und Staubentwickelung für frische und möglichst reine Ersatzluft vorgesorgt werden muß, daß auch hier alle jene Maßnahmen und zwar in erhöhtem Grade zur Geltung kommen, welche in dem vorhergehenden Kapitel II (S. 188) erörtert wurden.

Kapitel IV.

Die Filtration der Teranrelnlgteii Luft unmittelbar an den AtmungsSffhnngen des menscUiehen KSrpers.

In solchen Fällen, in welchen ein genügender Schutz durch die bisher besprochenen Maßnahmen nicht erreicht werden kann, wie z. B. in Fällen, in welchen an einem, giftige Gase oder Staub entwickelnden Apparat eine Reparatur vorzunehmen ist oder eine nur hier und da zu leistende, sehr schädliche Arbeit vorgenommen oder wenn in mit irrespirablen Gasen gefüllte Räume eingedrungen werden muß, kann die Filtration der Luft unmittelbar an Mund und Nase des Menschen zur Anwendung kommen.

Sie besteht der Hauptsache nach darin, daß die verunreinigte Luft, bevor sie zu den Atmungsorganen tritt, ein unmittelbar vor Mund und Nase angebrachtes Filter passieren muß, welches ebenfdls als trockenes oder nasses Filter konstruiert sein kann. Als trockene Filter werden poröse Stoffe, wie Baumwolle, Gewebelagen, Holzkohlen- stückchen, gebrannter Magnesit, welch letztere auch gleich als Ab- sorptionsmittel dienen, verwendet; während die nassen Filter aus

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Die Lüftung der Werkstatten. 215

porösen, mit Absorptionsflüssigkeiten gefüllten Materialien, wie Baum- wolle, Schwamm, Gewebe, etc. bestehen.

Als flüssige Absorptionsmittel werden Lösungen von Oxal- oder Weinsäure, Glycerin u. s. w. in Anwendung gebracht und in vielen Fällen trockene und nasse Filter hintereinander angeordnet Diese „Respiratoren'' sind äußerst mannigfaltig konstruiert Oft schützen sie nur den Mund, während die Nase durch eine Quetschvorrichtung geschlossen wird ; bisweilen verbindet man sie mit größeren Behältern, in welchen komprimierte reine Luft oder Sauerstoff enthalten sind. Die Respiratoren , welche von B. L o e b in Berlin in den verschie- densten Konstruktionen hergestellt werden, sind aber in Werkstätten nur als selten und nur in außergewöhnlichen Fällen zu gebrauchende Instrumente anzusehen. Ein kontinuierliches Arbeiten mit denselben ist kaum denkbar, weil sie die Respiration erschweren, die Absonde- rung der Mund- und Nasensekrete steigern, die Unterhaltung bei der Arbeit verhindern und aus diesen Gründen von den Arbeitern meist verschmäht werden. Sie können daher zu dem konstanten Rüstzeug des Arbeiters nicht gezählt werden.

Kapitel V.

Die Yernichtang der in den Werkstätten und am KSrper liaftenden Yerunreinigungen.

Da sich in Werkstätten mit starker Gas- und Staubentwickelung diese Verunreinigungen in porösen Körpern oder an rauhen Flächen, sowie in stillen, vom Lüftungsstrom nicht berührten Winkeln des Raumes und der darin befindlichen Vor- und Einrichtungen in großen Quantitäten festsetzen, ist an einen guten Erfolg der vorher behandelten Maßnahmen nur dann zu denken, wenn auch gegen diese, allen Lüftungs- bestrebungen sich entziehenden Verunreinigungen energisch vorge- gangen wird. Namentlich ist auch darauf zu sehen, daJS eine Ver- schleppung derselben in andere Räume nicht stattfinde.

Zu diesem Behufe sind folgende Maßregeln anzuwenden:

Die Herstellung thunlichst glatter Wände aus feinem Cement- oder Gipsputz oder das üeberziehen derselben mit glatten und waschbaren Stoffen, wie entsprechend präpariertem Papier oder Pappe, Blech, Glas, Linoleum u. s. w. sowie das eingehende Waschen mindestens jede Woche einmal.

Die Herstellung eines glatten Fußbodens aus Stein- oder Metallplatten oder sonst leicht zu glättenden, waschbaren Stoffen, wie Asphalt etc., wobei selbstverständlich eine Fläche ohne Fuge unbe- dingt vorzuziehen ist

In Werkstätten, wo mit Quecksilber gearbeitet wird, soll der Fußboden aus durchlochten Steinen, wie sie in der Papier- fabrikation angewendet werden, bestehen, unter welchen ein seichter Hohlraum anzuordnen ist, dessen Fläche sich allseits einer Mittelrinne zuneigt, welche endlich in einen anderen Raum in ein mit Wasser gefiilltes Gefäß mündet Dieser durchlochte Fußboden ist jeden Tag vor Beginn der Arbeit mit Wasser reichlich zu durchspülen, um da- durch die kondensierten Quecksilbertröpfchen unschädlich zu machen. Ein Kehren mit Besen soll in solchen Werkstätten überhaupt ausge- schlossen sein und jede Reinigung nur auf nassem Wege vollführt

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werden. Die Vorrichtungen in solchen Werkstätten müssen täglich mittels feuchter Lappen oder Bärsten gereinigt und diese wieder in besonderen Räumen, wo möglich in selbstthätigen Apparaten gereinigt werden.

Die Haare der Arbeiter sind kurz zu halten oder dicht in eine waschbare, aus Wachsleinwand hergestellte Kappe einzuhüllen.

Die Kleider der Arbeiter sind aus glattem Stoff, mit thun- lichst wenig Nähten und Falten, ohne Taschen herzustellen, an den Händen, Füßen, der Taille und dem Hals eng anliegen zu lassen und nur bei der Arbeit zu gebrauchen.

Dieselben müssen nach der Arbeit abgelegt, in einen reser- vierten Raum gebracht und wöchentlich zweimal durch einen selbst- thätig wirkenden Klopfapparat ausgeklopft werden. Der hierbei ent- stehende Staub ist abzusaugen und zu binden. Außerdem sind die Kleider wöchentlich zu waschen.

Den Arbeitern ist jeden Tag abends nach der Arbeit ein warmes Bad zu verabreichen, in welchem eine gründliche Waschung des Körpers vorzunehmen ist

In Fabriken, wo nicht alle Werkstätten durch solche Verunreini- gungen infiziert sind, sollen die Arbeiter gewechselt, für solche schäd- liche Arbeiten aber nur gesunde Arbeiter verwendet werden.

Das Mittagessen ist in einem separierten, gut ventilierten, rein- lich gehaltenen Raum einzunehmen und der Mund vor demselben mit antiseptischen Mitteln mehrmals zu spülen. Das Mundspülen soll außerdem jeden Abend vor dem Verlassen der Werkstätte zur Aus- führung kommen.

Verschiedene Maßnahmen, welche hier nur erwähnt sind, werden bei den folgenden Kapiteln der speziellen Gewerbehygiene zu eingehender Behandlung gelangen.

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Die Lüftung der Werkstätten. 217

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IS Zeitschrift des Oesterr. Ing.- und Aroh. - Vereins Jahrg. 1890

Taf. XXVm Fig. 18. 20, Sl, S3, 28„ Zeitschrift des Oesterr. Ing.- und Aroh. - Vereins Jahrg. 1890

Taf. XXVm Fig. 13, 18, 14, 17. 26, 27 Zeitschrift des Oesterr. log.- and Ardi. - Vereins Jahrg. 1890

Taf. XXVni Fig. 4, 39. 24 Zeitschrift der Oentralstelle f. Arbeiter- Wohlfiüirtseinriohtongen

Jahrg. 1894 8. 114. 26 Bericht ttber die Berliner AnssteUong f. UnftOlrerh. Bd. II,

2. Hälfte 8. 148. II 11 PreblKonrant von Körting in Hannover.

1889

1)

972.

1889

II

814.

1898

II

16.

1889

11

816.

1889

II

897.

1889

,1

897.

39

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Register

zur Allgemeinen Oewerbehygiene.

Abblaien der Dampfkessel 189. AbblueToriehtnng r. B. Weiolich 189. AbUhlmig der DAmpfe in Werkstüten 188. AbrahAm, Miis, fiber Bleivergiftmig 87. AbttellYoniektmigeB 188, 148.

T. Dr. B. Proell 184.

yt ,, Sterke n, Hoffinann

186. AbragHchUaelio 170. 171. Aftrophor 808.

AentUcho Fabrikanfticht 46 ff. Albaay Btaani Trapp Compa&y 118. Albreeht, H., Aber Taberknlose bei Bach-

druckem 17. Aldefold, H. n. Boatb J., 167. AUieh, E. u. 0. 167.

Alkoholiimiu, Einfla£i auf Sterblichkeit 14. Allarmapparat 166.

Allgemeine Elektrielt&tsgeaeUiehaft 196. AltforthftUe 818. Amonrom 188. Amphlett 188.

AndrehTorriehtimg f&r Schwangrider 188. ,, H ▼• Langen a. Wolf 188.

Anemometer 198. AntiinkmatattonimiUel 118. AniAnder, elektrischer 166. Anwohner, Schfidignngen der 88 ff.

Schute der 48 ff.

Arbeiter, jngeDdüche 39. ArbeitenehntegOMte s. die Inhaltofibersicht

I ff. ArboitertterbUohkeit 6. Arbeiterinnen 83 ff.

Krankheiten der 88 ff.

Sehnte der 86. 98 ff.

SterbUchkeit der 88.

Arboitidaner 86 fL Arbeitipanien 94. Arboitaiait Ar Frauen 94. Arndt 188.

Arnold, Staabkrankheiten 84. Arlidge, Erlcrankong der in heifser Luft Arbeitenden 87. Oewerbehygiene 86. Haare bei Knpferarbeiterinnen 88.

Amonld, FlnüiTeranreinigang 86. Atbeftanitrioh 164.

gewebe 164.

papier 164. Aapirationilftftiing 191. Alten, S. 188. Anf^beapparat 160. AnMge 160.

Angaborger Kammgamapinnerei 188. Anagangfltnrm 170. Ans- ond Binrftok-Yorriehtnngea 189.

Badenberg, O. 168.

Bahr, F. 161. 166.

Bale 198.

Baretto 166.

Bandoin 187.

Banmgartner, LOftongsflOgel 190.

Beauftragte der Bernfsgenossenschaften 48.

Beek u. Henkel 160. 196.

Beoker, ErwerbsunfiUiigkeit 78.

Beoken 188.

Befeuehtongakammem 804.

Behma 808. 811.

Belenehtnngiflammen 166.

Berenger-Stingl 118.

Bergbau 61.

Berger, Hereditftt von Nervenkrankheiten

bei Arbeitern 89. Bergleute, Erkrankung der 10. Bergmann, S. 149. 160. Bergwerke, Lüftung der 196. 199. Barlin-Anhaltiaehe Xaaehinenbau-Aetien-

OeMllsehaft in Dessau 146. 168. Berliner Bandeputatlon 198. Berliner n. 0. 118. Bemata 198. Berthold, M. 161. BertiUon'8 Morbiditfttstafel 8 ff. MortaUtitetaÜBln 16.

Bemftgewoieeniehaften 88. Beth 818.

BetrlebiMshnte 48 ff: gofiihren 86 ff. nnftdl, Definition 66. Blodmann 140.

40

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ROTH, BLTTHM u. KRAFT, Gewerbehygiene.

219

Bibrld, J. 161.

BU«k 1S8.

BlMkmaiui 194.

BlmiM 8. NftpUs.

Blanko, J. o. 0. 128. 188. 0. W. J. 161.

Bleiohiuelit 85.

BleiYergiftiing bei Praaen 89.

Blitsableitor 158.

BUtESehlag 158.

Block, B. 171.

Böokh fiber StUlkinder 98.

Bttdo, H. 167.

Bohloeko o. Poggonpohl 187.

Bohlig a. Hoyno 118.

BcjftBOWSkj, eoglische Arboitenobotsgesotse 78.

BOBBO 187.

▼an dar Borgkt, Leicbtsiiiii wtiblicber Ar- biter 89.

Born 198.

Bootonor Fonorrortiehoninga - OofoUfohaft 157.

Boordon 188.

B07I0 ft Sohn 198.

Brafionr 148.

Braiiar 140.

Braus, Arboiterscbotsgesetze 78.

Braun J. 0. 187.

Broda 118.

Bronnieko, P. Q. 0. 185.

Brioglob, Hamen o. C 150.

Brifiüor, O. 171.

Brodmiti 196.

Brflning 198.

Baehdmekor, Taberknlose der 17.

Bnohdraokeroion 61.

Bunte Bo. 118.

Bnrkkardt siebe Rebuler

Bnrkin, B. a. JfelTiUe, T. 171.

Bürek'i Bökne 166. 141.

OipeU 196.

Centrifngalgobliao 194. Chibont 160. Chromfarben, giftig 870. Cigarrenarbeiter 54. Clarkea 156. Cime, W. 171. Combo 195.

Condenaation der D&mpfe in Werkstätten 188. Conrad 18.

Comet, Sterblichkeit and Krankenpfleger- orden 34. Courage 818. Cnthbert, 8.0.-Cnrrie 168.

Daelen 128. BampfOfier 61.

keaael, Ueberwacbang der 58.

rohmmhflllnngen 159.

TentUe 180. Banneberg 196. Beflektoren 192.

Dehne A. L. e. 118.

DemSttant 171.

Derroam 118.

Deaehner u. Bingler 171.

Doigrofo 195.

Deammeaiix 118.

Dentache Jateapinnerel o. Weberei in Meifsen 185. 147.

Dewhnrat 128.

Dickertmann, Oebr. 150.

Dietrich 140.

Dinnendahl, B. W. 171.

Ditio, F. 0. 127.

Doehring 164 166.

Döring o Bftekert 147.

Dehmen n. Leblanc 146.

Dollfmi n Mieg 185. 147. 148.

Dome, T. B. 161. 166. 167.

Draiche, Hademkrankheit 85.

Dranti 198.

Drem, L. 126.

Drecchmaachinen 61.

Dreyer, Boaenkram u. Droop 122. 128. 128.

Dülken 140.

Dflrkopp u. 0. 138.

Dnrehgangi\rerachln£i der rheinischen Lokal- Abteilung des Vereins chemischer In- dnstrieller Deotschlands 151.

Eck, M. 164.

Ehrendorfer 188.

BUert 151.

Siaenbahn-Beamte, Sterblichkeit der 9.

Elektrotechniacher Verein in Wien 157.

Empfangsapparat 160.

Engela 128.

Eppner, Oebr. 166.

Eriamann Aber Sterblichkeit der Arbeiter 6.

Eraatiloft 199.

Enlenberg, Oewerbehygiene 84.

Exploaivatoire 61.

Eztinetenr 167.

Fabrikanfkieht 38 ff. 46.

gesetsgebnng siehe Inhaltsfibersicht an Both, I.

inspoktoren 46 ff. Fangapitae für BUtsableiter 159.

atange 158.

Torrichtiingen 162.

V. Samain n. C 158«

ünmb a. Liebig 152.

Farcot * Sohn 148. 196. Farini, O. A. 172. Farr'a Sterblichkeitstafeln 14. Fellise 218. Femanarfteknng 142. 146.

V. Th. n. A. Frederking 147.

Femthermometer 169. Fettabtcheidnng im Dampfkessel 119. Feuer durch Blitsschlag 155. 158.

elektrische Leitung 157.

Funkenbildung 167.

Reibung 166.

Selbstentsfindung 155.

ünrorsichtigkeit 155.

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220

ROTH, BLUHM U. KRAFT,

Fonerfette Bftakoostraktioii 168.

kloMt 800.

löfehor, selbsUhätiger 167.

ISfohgimnaten 167.

maaom 168.

tieherer Verpats 164.

H wfltohter 165.

,t mechanische 166.

H wehr-Allarmapparate 16ü. FeyerfaU, S. 151. Filtration der Luft 214 ff. Fink 816.

Finkelnburg über Tuberkulose 4 Fiieher, H., Rfihlvorrichtaogen 816. FUmmenwftohter 166. Flaaeheniftgo 149. Fleck*! Jahresberichte 36. Flotcher 188. Flnehttküran 171. Frankenitoin, Hausiodustrie in Schmalltalden

35. Fred«rking, Th. a. A. 148. 145. 147. FrenMl 140. Freie 216. Friedrieh, M. 145.

Friedrieh-Angnft-H&tte in Potschappel 185. Friedriehahfttte 218. Friedlftnder, A. 166. Friendly tooietiee 84. Fnld, Pabrikfcesetsgebang 50. Fnnkenaniwnrf 157.

Onger 157.

löseher 157. FoübMen, 51getränkt 165.

Gasabtehlnfk, elektrischer 165.

fpritien 167. Oawron 145. 146. eebliae 194. Gefahrentarif 67. Oeiiler 196.

Oeaehwindigkeitebremeen 154. Oeaetigebnng fiber Schati der Arbeiterinnen

98 ff. Gewerbeordnung 51 ff. Ctowerber&te 60. Gifte, gewerbliche 28. GiUet 204. Giorgio 195. Glaia, M. 128. Gftpelwerke 61. Gdrlitier llaiehinenban-Aktien-GeMllfohaft

138.

Gonld tlber Arbeiterschnts 8.

GreU 140.

Chrimme, Hatalia n. 0. 118.

GrineU 167.

GroTO, Luftfilter von 801.

Grflnwald, H. 186.

Gmndig 818.

Gnibal 196.

Gnibert 188.

Gnmtow 804.

Gyptdielcn 167.

GTMÜng, W. 118.

Hademtortlemng 807.

Hambnioh, G. 185. 198.

Hammeifaiir 140.

Handapparate som Löseben 166.

Hardenbergh 818.

Harrent 188.

Hart, W. 161.

Harttofe; P. J. 171.

Hanaindnitrie, Scbidlichkeiten der 88.

HaothaltiiBgMehale 97.

Haoaloh 211.

Hebe- n. Fftrder-Binriehtnngen 149.

Heilbrunner 140.

Heinierling, chemische OroCiindnstrie 85.

218. Heller 145. 152. Henkel 196. HerberU, S. 185. 147. Herkner 93.

Heeae, Staub in Arbeitsrinmen 34. 216. Henek C. 141.

Heyl, Wohlfahrtseinrichtnngen der Frau 97. Heym, Sterblichkeit der Arbeiterinnen 84.

98. Hill ft Ray 198.

Hirt, Kindersterblichkeit bei Qoecksilber- ar heitern 91.

Sterblichkeit der Arbeiterinnen 84. Hoeflngihoff 188. Hofhuuin 185. 140. Hopkinaon 127. Rom 140. Horfin-Deon 123. Hottin 164. Howaldt, Gebr. 118. Hnber, 0. A. 198. Hfllaenberg 186.

Hntohingi, Frauen als Bleiarbeiterinnen 89. Hygrometer 805.

Jaeob, M., Bleivergiftung 84.

Janei 816.

Jakseh, A. 161.

Jehle über Tuberkulose bei StaubentwicklnoK

89. Joaka 808. 811. Jugendliebe Arbeiter 89. ter Jong 808.

Jnriaeh, Flui^Terunreinigung 85. Impr&gniemng 164. Irreapirable Gase 170.

Kaiaer, W. 161.

Karlshfttte in Delligsen 150.

Kftnfer 198.

Kehrer, Pnlifrequens der Sehwangeren 91.

KeU n. Meiiter 185.

Kellnaeeniehnti 187.

V. Schmidt 187.

KoMeleinlagen 118.

heisen 120.

konitmktion 180.

roiionen 119.

stein 116. 119.

Wartung 180. Xesitelle 811.

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Gewerbehygiene.

221

Kiete Sil. KUdoyle, E. ISS. Xiadamwiin-Aiiiler 204. Kinderarbeit 89.

iterbUelikttit 91 ff. Klappen swr Lfiftniig 192. Klaiii 122.

Klein, Sdumilin n. Becker 118. KletrlBiky 164. Kley 196. Kleyer, 0. ti8.

Koeke Aber Tnberknloeesterblichkeit 6. KSohlin 208. Uhael 140.

Kfinig, J., Yeranreiiiigang der Gew&sMr 86. KMii, Sterblicbkeit in Pest 20. Körting n. Matkiesen 158. Körting*! Saoger 198.

H Strahlapparate 196.

Koklengrabenarbeiterf Sterblichkeit der 15. Kolbmatangenachnli 181. Kondentation 212. Kondentatoren 212 ff. Konrad, 7. 164. Kontrollapparat 160. 165.

H Uhren 165. Kori 198.

Koamoa Ventilator 195. Krankenkaaien 65. Kreiaanisc^üife 62. Krippen 98 Kroll, e. A. 152. Kommer*! Sterblichkeitotafelo 14. Käme Aber Stanbk rankheiten 84. Kuppelungen 187. 144.

lAcy 202.

laiehaenring 140 142.

Lampreekt 204.

landwirtfckaftlieke Maschinen 61.

Lang. Dr. 158.

langen n. Wolf 182.

Lappena, A. 166.

Laatenhebemaeckinen 149.

Leckner, A. 119.

Leicktfinn der Arbeiterinnen 89

Leconten n. Garnier 148.

Lehmann, K. B., f^tüge Gase etc. 34.

Leitern, fahrbare 171.

Leitungen, elektrische 157.

Leiler, P. 159.

Lieb, J. G. 167. 171.

Liebig, StaabHlter von 211.

Liaamann, Tk. 152. 154.

Lockflammen 198.

Locköfen 198.

Lob, Respiratoren von 167. 215.

Lönbold 200.

Löebare Kuppelungen 144.

Löccbapparate 166.

XÖMkdoien 167.

Löwe 212.

I^okmaan u. Stolterfokt 145. 147.

engliscke Fabrikgesetagebung 78 IiOMckeiben 141. Udera 149.

Lüftung der WerkstStten 179 ff.

natflrliche 189. Lftnnemann 188. Luft, Filtration der 214 ff.

., in Werkstfttten 180 ff.

,, schlechte : Wirkung auf die Arbeiter 3 1 .

bedarf in Werkstfttten 188.

kan&le 196.

kubua 42.

filter 201 ff.

feucktigkeU in Werkstfttten 208. Lunge, Kohlensftnrebestimmnng nach 189. Luther 212. Lutaner 208.

HacabUd 122.

Mack 164.

Mftdckenheime 98.

mnnlioke Arbeiter, Erkrankung der 10.

Kagneaitplatten 164.

Kaignen 118.

Kalma 128.

Manometer 120.

Marchant 127.

Martini, H. 126.

Matter u. 0. 148.

Martin, M. 140. 151. 152. 154. 162. 210.

Ma^^rt 156.

Maachinenfabrik in Kappel 145.

Maadmalarbeitiaeit für Frauen.

Meekwart 145.

Melan, J. 168.

Membrankygrometer 205.

Merkel, Qewerbekrankheiten 84.

Merta 208.

Metieler u. Oo. 164.

Meyrkofer, 0. A. 171.

Millward 128.

Mieohler, Gewerbeinspektion in Oesterreich

78. Min u. Geneat 158. 166. Moennioh, T., Dr. 161. Mohrenberg, H. 185. 147. Monier-Bauten 168. Monot Aber Kindersterblickkeit 92. Morin, Luftbedarf in Werkstfttten 188. Moriaon, D. B. 128. Mortier 196. Motor 115. Mflller u. Co. 128. Murrie 122. 123.

Nacktarbeit 40.

der Frauen 94.

Kagel 164. 211. Kaglo, Gebr. 166. Kapiaa, Gewerbehygiene 84. Keuhaua 157. Können, H. 169. Kotbeleucktung 170. Hulk, W. J. 118.

Ockwadt 121. 128. Odemkeimera Kackfolger 164. OeAiunga-yerachlilaie 151. 208.

43

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222

ROTH, BLUHM U. KkAFT,

Oelabftreif-ToRielitiiBg 181.

Oeter, A. 145.

Oldeodorff, Sterblichkeit der Schleifer 17.

Oliyer, Bleiyerf^ftanf^ 89.

Orme, Beinlichkeit der Arbeiterinnen 00.

Paniemld, Bleivergiftung 84.

Patent 164.

Paul, Kindersterblichkeit bei Bleiarbeiterinnen 91.

Fanten der Arbeit flir Frauen 94.

Pelter 196. SU.

Perotte 123.

Peters f D. k Oo., Haoshtltangsschule 97.

Petit 208.

Pettenkofer , Kohlenslnrebestimmnng naeh 188

▼. PhilippoTieh, Sterblichkeit der Arbeiter- innen.

PhotphomekroM in Dentschland 45.

Plener, englische Fabrikgesetsgebnng 78.

Poelmann, G. A. 167.

PollaoMk 117.

Popper, Arbeiterkrankheiten 84.

Pott, Aber Wohlfahrtseinrichtnngen 97.

Powell, H. G. 171.

Prager Xaieliinenban-Aktion-Getellfoliaft 145.

Pretsel 140.

Prenfiitehe Staats-Eisenbalin-yerwaltang 188. 185. 147. 152.

Probierhahn 121.

Proell, B., Dr. 134.

Pntsitangen 187.

Pnliionflflftnng 191.

<|nandt 196. <|noekiilbenrergiftnng 50.

,y 8. a. Spiegelbeleger.

,, bei Arbeiterinnen 88.

Babiti, 0. 164. BadgebUae 195.

Bahti Aber internationale Statistik der Todes- ursachen 19. Banier, H. 186. BedUoh 140. Begenapparat 168. Baibnngsknppelnng 144.

-Klinken-Knppelnng v. Lohmann n. Stolterfoht 145. BaioUing, B. 118, Bi»inianw 188. Beinhard 141. Beinieke 118.

BeinUehkttit in WerkstftttenV44. Baith, 8. 126. Bank 50.

,, Aber Spiegelindustrie 50. Betpiratoren 215. Bettongtapparat 170.

btthne 171.

alnriehtnngen 170.

leiter 171.

•eUe 171.

■tnhl 171.

Bettnngftfteher 172. BeuUng, L. 122. Biohter, C. 208. Biemenanfleger 140.

V. D&lken 140. V. Leichsenring 142.

trigor 140.

V. Bledermtnn 140.

n. Aufleger v. C. Hank 141. Bietsehel 203. Bitter. W. 126. Bittinger 196. 216. Bobie, A. 127. Bohrbeok't Hygrometer 205. Boftbaeh 154. Bosendahl 161. ▼. Bofiahegl Aber Kohlensiure in Wei^-

stfttten S3, Both, Arbeiterschutz 50.

Medicinalbericht fAr Kdslin 19. Bothen 158. Buppert 140. BuTt, P. 127. Butfchen 171.

Saehs, E., Hausindustrie in ThAringen 85. Bamain u. Oo. 158.

Bandberg Aber Tuberkulose in England 19. Bandfllter der Albany Steam Trapp Companj

118 8angk5pfe 192 ff. Savelberg, J. 119. Beek, 211 Seiffert 147. Seipp 200.

Belbftrettongiapparate 171. SelbitsohmierTorriehtiingen 138. SerUnk 128 Beydel 196. Bhafteibary 156. SieherheitigArtel 171.

kurbel v. E. Bergmann 150. kurbeln 150. ,. leitem 138.

der Angsburger Kamm-

garnspinnerei 188. tohaltung 158. ▼entüe 180. ▼oraehriften 157. Biemeni n. Halake 185. 147. 166. Bonntagirohe 40. Boyka, Arbeiterhygiene 84.* Bpeiseregler 121.

V. F. Walter 125.

V. Wymann 126.

nifer 121.

V. Schiffer u. Badenberg 123.

y. Schwartskopff 124.

y. Steinle u. Harting 125.

waiserreinignng 116. Spengler 118. Spiegelbeleger 50. Spindler, W. 135. Spragne 195. SpmngtAeher 171. Beh&del, A. 122.

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Gewerbehygiene.

223

8ehftffer u. Badenberg 122. 128. 127.

Behftffer * Walker 195.

Bdilflle, ArbeitersobuU 50.

Beharrath 216.

Soherer, B. 164. 166.

Beldele 195.

Sehlaekenmühle 210.

Bohlammfiüiger y. Savelberg 119.

Sebleioher, W. 172.

Solileifer, SterbUchkeit der 17.

SehleiftiMh 207.

Schleuder- Ventilatoren 195.

Sehloekow fiber Taberkulose 4.

BchlötMr, E. 172.

Behmidbaaer 128.

Behmidt 126. 187.

Bolunidt ft Köcblin 208.

Behmierrorriebtang y. Dürkopp u. C. 188.

ftehols, B. 128.

Soborenberg 140.

Scbfinlank über Spiegelindnstrie 50.

über Taberkulose bei Spiegelbe-

legerinnen 91.

Behdppe, 0. 161. Sebrader, B. 128. Behranbengebl&se 194. Sehrdter 118. Bebocli n. Wiegel 161. Bebobmaeher, 7. 127.

Sebnler, Morbidität in schweiseriscben Kran- kenkaseen 7. 10. Sterblicbkeit der Arbeiterinnen 84. Sebnltie, B. 8., Metritie 91. SebnlM 167. 141. Sebnti 147.

der WScbnerinnen 96.

y, geiotM für Arbeiterinnen 98 ff.

debe Inbaltsyerseicbnie L

SebütB, G. A. 185. BebwaeUidfer 161. 205. SebwartB, F. 166. Sebwankopff 119. 128. 161. Sebwaagere, Scbats für 95. Bebwaagenehaft der Arbeiterinnen 91. Bebwimmerapparate 121. Stadt ii Land, bygieniecbe üntencbiede 5. Starke u. Hoffinaan 188. 185. 147. Staub» EinfloDi auf Sterblicbkeit 15.

in Werkstitten 181 iL

arten 29 ff. Stanber 198. Stanbhan« 206. Stanbtfirme 210. Btainle n. Härtung 128. 185. Sterbetafeln der Arbeiter 14. Sterbetafel von Bertillon 16.

Ogle 14. Sterblicbkeit, siebe die einzelnen Krankbeiten imd die einzelnen Gewerbe. an Tuberkulose 5.

der Arbeiter 6. 11.

^ der Kinder 91 ff.

Stieda, Hausindustrie 85. StUwell IL Bieroe 118. Strablapparate 194. 196. Stronumtarbreeher 158.

Stmbb 128.

Stftbinger, S. L. 128. 228. Snperatorplatten 167. Svensson, H. A. 127.

Tardier, Kindersterblicbkeit 91. Temperatnrmelder 159.

w&obter 161.

,, abnorme in Werkstätten 184. Tepper, E. 164. Tbe Edifon 7ire Eztinguiaber Company

167. Tbeateritobl 172.

Tbomaeioblaoke, Verarbeitung der 210. Tbompflon, G. H. 171. Tbomien 127.

Töpfer, Krankheiten der 87. Tooyey 128.

Trentler It Scbwan 195. 208. Traaimisiion 185. Treppenstufen, hölzerne 164. Tnberkuloie 5.

Sterblichkeit an 5.

der Cigarrenarbeiter 85.

Kolilenarbeiter 15.

übrig, E. 161. UUmaa 128. Umwehmngen 181. Unf&Ue 111. Unfallagefkbr 21.

H itatietik 21 ff. 28. 25.

Terbfitong im allgemeinen 87 ff.

▼erbütongiTonebriften 67.

▼ereiebemng 65 ff. Unrnb n. Liebig 211. 152. Uibeek, M. 127.

Tentilatoren 194 ff.

Terband denticber Venerreniehenuige-Oe-

■ellsohaften 167. Verein cbemifober Industrieller Dentseh-

lands 185. 151. Veneblnlk y. Treyerfeil 151.

vorriebtong 151.

y. M. Martin 151.

y. H. Winkler 151.

der königL preuXs.

Staats-Eisenbahn-Verwaltung 152. Venmaan n. Oppenheim 164. Veroareiaignagea der Luft, gasförmige 182. Verwenduijgisobnti 89. Viktoria-Ventilator 204. Villaret, Ausstellungsbericht 50. Vogt 2U2. 216. Vorhaag, eiserner 171.

W&obterapparate 160.

koatrollnbrea 165. Walker, E. u. 0. 167. Walter, 7. 125. Waadelmtsebe 171. Waiiergae 61. bftbae 169. maagel 116. 115.

45

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224

ROTH, BLUHM u. KRAFT, Gewerbehygiene.

WMierstand 121. ftandigl&ser ,, lohnti

V »» V. Engels 127. ,, V. Morison 128.

,. V. B Schola 128.

., V. Weber n. Weetphal

127. leiger v. Ochwadt 121.

tj v.Schäffern. Badenberg

122. Watel 194.

Webeiehule in Spremberg 140. Weber n. Weitphal 127. Weibliche Arbeiter, Erkrankung der 10. FQrsorge filr 88 ff.

Weiler 205. Weinlig, B. 129. Weibbaeh 216. WeiTter, Tb. 161. WeiXkmflller, Oebr. 160. Wellenachnti 186. Wenner 196. 203. Went, B. 147. 160. Werkitftttea, Loftbedarf in 188 ff.

Loftbesohaffenbeit in 189.

LOftong der 179 ff.

Untersncbang der 31.

Veranrdnigong der 180 ff.

Wemieh, Fabrilüiygiene 84.

Wertheim, L. 164.

Weitergaard, Schnts der Sebwangeren 96.

Westen 149.

WetreU 137.

Weyl, Th. Fenerklosett von 200.

Aber Teerfarben 84.

Windablenker 182. Winkler, H. 161. Wirfflinghavt über MorbidiUt der Arbeiter

11. Witt 140.

WSehnerinnenf Schutz für 92. 96. Woedtfce über Betriebfunfall 66. Wohank n. Co. 128. Wohlfahrtteiiirichtiuigeii 39 ff. Wollaer über Spiegelindustrie 60.

M 93. Wolpert, Kohlensllnrebestimmnng naoh 189.

Laftianger von 192. Wolf. B. 186. Wulff 122. Wjmann 126. Zahn 212

Zent&nbimgiapparata 208. Ziembrintky, 8. 161. 168. 169. Zimmermaim über Hortalitit der Eisenbahn*

arbeiter 20.

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Ge^^^erbehygiene.

Teil n.

Spezielle Gewerbehygiene. Abteilung 1.

Hygiene der Berg-, Tunnel- und Hüttenarbeiter.

Bearbeitet von

Dr. med. M. Ffliler, C. Meissner,

Sanitälsrat und Leiter des Knappechafts- Bergrat im köni^l. prenß. Ministerium lazarettes in Neunkirchen. für Handel und (bewerbe.

0. Saeger,

königl. preuß. Bergassessor in Friedrichshütte O.S. Mit 94 Abbildungen.

r i :

JENA,

VERLAG VON GUSTAV FISCHER.

1895.

Diese Abhandlungen bilden zugleich die 18. Lieferang des

Handbuchs der Hygiene

herausgegeben von Dr. Theodor Weyl in Berlin.

ACHTER BAND. ZWEITE LIEFERUNG.

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THE NEW YORK PUBLIC UBRARY

9H1343

ASTOft, LENOX ANO TILDEN FOUNOATK>«#. II

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Spezielle Gewerbehygiene

Abteilung 1

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Inhaltsübersieht.

A. Hygiene der Berg- nnd Tnimelarbelter.

Bearbeitet yon C M.

Bergrat Meissner in Berlin nnd Sanitätsrat Dr. Eäller in Neunkirchen.

Seite

Einleitung. (Verfasser: Bergrat Meissner.) 225

Der Bergwerks- nnd Tnnnelbetrieb im allgemeinen 225

1. Der Bergwerksbetrieb 225

2. Der Tnnnelbetrieb 232

Litteratwr 234

Erster AbMhxiitt. Die Gefahren des Bergwerksbetriebes für die Arbeiter und Schutzmaßnahmen hiergegen.

(Verfasser: Bergrat Meissner.) 235

A. Die Betriebsgefahren und deren Verhütung im allgemeinan . 235

1. Statistik der UnfeUe 236

2. Beaufsichtigung der Ghruben 238

a) durch den Staat 238

b) durch Beauftragte der Berufsgenossenschaft 240

c) durch Vertreter der Arbeiter 240

d) durch die Orubenbeamten . . . . t 240

3. Beschäftigung der Arbeiter 241

a) Erwachsene Arbeiter 241

b) Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter 244

lAtieratur 249

B. Die besonderen Betriebsgefahren und deren Verhütung . . . 249 I. Für die Arbeiter unter Tage 249

a) Die Ein- und Ausfahrt und die Fahrt zu und von der Arbeitsstätte 249

b) Die bergmännischen Arbeiten 255

1. Die Sprengarbeit 255

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II Inhalt.

Mte

2. Die sonstigen Hereingewinnnngsarbeiten nnd die Ver- zimmerung 259

3. Die Förderung 261

c) Die Luft in den Qruben 264

1. Die schädlichen Ghuse und der Kohlenstaub .... 265

2. Verhütung von Schlagwetter-Ansammlungen . . . 272

3. Unschädlichmachung des Kohlenstaubes 277

4. Verhütung der Entzündung von Schlagwettern und Kohlenstaub 279

d) Der Staub in der Ghrubenluft 282

e) Die Beleuchtung in den Gruben 283

f) Das Ghrubenklima 285

g) Wasserdurchbrüche und Grubenbrand 288

h) Die Rettung Verunglückter 290

n. Pur die Arbeiter über Tage 292

Litteratur 294

Verzeichnis der Abbildungen 295

Zweiter Abschnitt. Mortalität, Invalidität und Mor- bidität der Bergleute. (Verfasser: Dr. Füller.) ... 296

Mortalität 296

Sterblichkeit nach Altersperioden 297

Sterblichkeit im Verhältnis zu anderen Beru&arten .... 297

InvaHdität 300

Vergleich der Invaliditätszahlen der Bergleute mit anderen Be- rufsarten 303

Morbidität 304

1 Krankheiten durch plötzliche Einwirkung der Schädlichkeiten 304

a) Verletzungen, Verbrennungen 304

Todesursache nach Verbrennungen 305

b) Erstickung, Vergiftung durch Kohlensäure 306

n n Kohlenoxydgas .... 306

Kohlendunst 306

n

n n Schwefelwasserstoffgas . . 308

Transport und Behandlung der Verletzten 309

Behandlung der Asphyktischen 311

IL Krankheiten durch allmähliche Einwirkung der Schädlich- keiten 311

Allgemeines, Statistik, Ursachen . . 311

Krankheiten der Lufkwege, Statistik 313

1. Kohlenlunge 319

Emphysem als Folge von Kohlenlunge 323

2. Idiopathisches Emphysem 328

3. Tuberkulose , 331

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Inhalt. III

Seite

4. Pleuritis und Pneomonie 334

5. BheamatismilB 335

6. Krankheiten der Verdanongsorganei S&uferdyskrasie . . 336

7. Vergiftungen im Bergwerksbetrieb 336

Krankheiten der Quecksüberberglente 336

Blei- und Silberbergleute 337

Kupferbergleute 338

Sohwefelgrubenarbeiter 338

Arbeiter der Kobaltgruben in Schneeberg 338

Arsenikgrubenarbeiter 338

Salinenarbeiter 339

8. Gefahren der komprimierten Luft 339

9. Augenkrankheiten 340

Nystagmus 341

Bheumatische Augenerkrankungen und Vermeidung der- selben 342

10. Anämie und Ankylostomiasis 343

LütertUur 349

Erklärung zu den Tabellen I— XV 350

Erklärung der Figuren 350

Dritter Abflohnitt. Wohlfahrtseinrichtungen für Berg- leute. (Verfasser: Dr. Eüller.) 351

A. Bäder und Waschkauen 351

Allgemeines, Notwendigkeit der Bäder 351

Waschkauen, Bassinbäder 352

Brausebäder 352

Bäder fOr Bergleute in Frankreich, England, Westfaleü . . 353 Brausebad der Ghruben Dudweiler und Kreuzgräben im Saar- revier 355

Vorschrift für das Brausebad benutzende Arbeiter .... 357

Litteratur 358

B. Wohnungen, Kolonien und Schlaf häuser 358

Allgemeines 358

Bergmannskolonien oder Ansiedelungen in Dörfern mit ge- mischter Bevölkerung 359

üeberlassung von Arbeiterhäusem und Wohnungen zum Be- sitz oder zur Pacht 359

Wohnungsverhältnisse der Bergarbeiter in Prankreich . . . 361

Nordbecken (Pas de Calais) 361

Ghruben in Mittelfrankreich (Centre) 362

Belgien 363

In England und den Vereinigten Staaten 363

In Deutschland 364

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IV Inhalt.

Sdt«

Prämienhäuser in Prenßen . 364

Bergarbeiterhäuser in Oberschlesien, Westfalen, Oesterreich . 366

Oesundheitliche Vorschriften beim Bau vou Bergmannshäusem 368

Einlieger . 370

Muster von Bergmannshäusem 370

Schlafhäuser 372

Allgemeines 372

England 372

Prankreich 372

Belgien ., 372

Oberschlesien 374

Oberbergamtsbezirk Halle 376

In V^estfalen und im Saarbecken 376

In Oesterreich 378

VP'itwen- und V^aisenhäuser 378

LiUeratur 378

0. Konsumvereine 379

Allgemeines 379

In Prankreich 381

In England 382

In Deutschland 882

D. Menagen, Speisewirtschafben 383

E. Schulen, Bibliotheken 386

In Prankreich 386

In England 386

In Deutschland 386

P. Geselligkeit der Bergleute 388

Deutschland 388

Prankreich 388

England 389

LiUeratur 389

G. Knappschaftskassen 389

Saarbrücker Knappschaftsverein 890

Geschichte, Vergleich zwischen 1817 und 1893 890

Oberschlesischer Knappschafbsverein 391

Allgemeiner Knappschaftsverein zu Bochum 891

Preußische Knappschaftsvereine 392

Statuten, Pensionsleisttingen 392

Oesterreichische Knappschafbsvereine 894

Knappschaftskassen in Prankreich 394

England 896

H. Knappschaftslazarette 896

Litteratur 898

Verzeichnis der Äibüdungen 661

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Inhalt. V

Mto

Vterter Absohnitt Die Soh&digangen des Bergwerks- betriebes für die Umwohner und Schntzmaß-

regeln hiergegen. (Verfasser: Bergrat Meissner.) . . 899

Litteratur 401

Ffinfter AbBOhzkitt. Die Gefahren des Tunnelbaus und

deren Verhütung. (Verfasser: Bergrat Meissner.) . . 403

Litteratur 410

B. Hygiene der Hflttenarbelter.

Bearbeitet Ton Bergassessor Saeger in Friedrichshütte O.-S.

L Einleitung 411

1. Der Hüttenbetrieb im allgemeinen 411

Eisen 412

Blei 416

Kupfer 418

Silber 420

Gold 424

Zink 424

Quecksilber 426

Zinn 427

Arsen 428

Antimon 428

Nickel, Kobalt, Wismut, Platin 430

2. Beiträge zur Unfalls- und Erkrankungsstatistik der Hütten- arbeiter 481

Litteratur .484

n. Die gesundheitsschädlichen Einflüsse der Hfltten-

arbeit 434

1- Betriebsunfälle 434

Die Arten der Körperverletzungen 435

UnfUle an Motoren, Transmissionen und bewegten Maschinen- teilen 436

Unfälle beim Gebrauch von Handwerkszeug und gewöhn- lichen Geräten und G^zähen 436

ünfUle bei den Transportarbeiten 436

durch Fall und Sturz . 437

durch glühende tind geschmolzene Massen .... 437

2. Die Schwere der Arbeit 437

3. Die gesundheitsschädlichen Einflüsse von Eeuer, Luft und Licht 488

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VI Inlialt.

Mte

üebermäßige Schweifiabsonderung 488

Haut- Tind Bindegewebeentzündmig 488

Kheumatisohe Erkranktmgen der Oelenke und Muskeln . 489

Erkältungen 489

Schädlicher Einfluß des grellen Lichtes 440

4. Die gesundheitsschädlichen Beimengungen der Luft auf den

Hüttenwerken 440

a) Der schädliche Einfluü der staubförmigen Verunreinigungen

der Luft auf den Hüttenwerken 441

Kohlenstaub 441

Staubförmige Erze und Zuschläge 441

Staubförmige Hüttenprodukte 442

Mechanische Wirkung der Staubarten 443

Chemische Wirkung der Staubarten 443

b) Der schädliche Einfluß der dampf- und gasförmigen Ver- unreinigungen der Lufb auf den Hüttenwerken .... 444 Flüchtigkeit der Metalle und Metallverbindungen . . . 444 Der schädliche Einfluß des Quecksilbers 446

n Antimons 446

n n ^^^ Arsenikalien 446

des Zinks und Zinkoxyds . . . 447

» » n 7) Kupfers 447

n » n n Bleics 447

der schwefligen Säure .... 448

des Arsenwassersto& .... 448

der Salzsäure- tind Ghlordämpfe . 448

n n ^^ Sohwefelwassersto& . . . 449

n Cyanwasserstofe 449

ff n Kohlenoxyds 449

Litteratur 449

nL Betriebliche Schutzvorkehrungen gegen die ge- sundheitsschädlichen Einflüsse der Hüttenarbeit 449

1. Der Schutz gegen die Betriebsunftlle 450

G^etzliche Bestimmungen 450

ünfallverhütungsvorschriften allgemeiner Natur . . . v. . 451 Schutzyorkehrungen an Motoren, Transmissionen und be- wegten Maschinenteilen 452

Schutzvorkehrungen an Dampfhämmern 453

im Walzwerksbetriebe 463

an Warmsägen 454

in Drahtwalzwerken 455

in Drahtziehereien 455

an Drehbänken 456

ff

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Inhalt. VII

Seite

Sohutzvorkehrangen an Schleifsteinen 466

beim Oebrauoh von gewöhnlichem Hand- werkszeug und einfachen Oeräten . 458

Schutzbrillen 459

Schutzmasken 460

Schutzvorkehrungen bei den Transportarbeiten 460

beim Verkehr auf der Hütte .... 461

gegen Verbrennungen 462

2. Der Schutz gegen die Schwere der Arbeit 466

Ersatz der Menschenarbeit durch Maschinen und mechanische

Vorrichtungen 466

Mechanische Oefen 468

Bessemerei 471

Erhaltting und Erneuerung des Ofenfutters 472

Arent'scher Bleistich 473

Orford'scher Kupferbrunnen 473

sing' sehe Bleipumpe 474

Zinkdestillierofen von Francisoi 474

Leo Lynen 474

3. Der Schutz gegen die schädliche Einwirkung von Eeuer,

Luft und Licht 475

Metallgewinnung auf nassem Wege 475

elektrolytischem Wege 477

Elektrische Beleuchtung und Arbeitsübertragung .... 479

Schutzbleche gegen die Ofenhitze 481

Kühlung des Plattenbelages vor den Oefen 481

Ventilation des Arbeitsraumes 482

Durststillende Oetränke 482

Schutz gegen grelles Licht 482

4. Der Schutz gegen die schädlichen Beimengungen der Luft

auf den Hüttenwerken 483

Femhaltung der Arbeiter von den gefährlichsten Stellen 484

Isolierte Aufstellung der gefährlicheren Betriebsapparatei . 487

ümmantelung der Zerkleinerungs- und Siebapparate . . . 489

Verschluß der OfenöfFnungen bei den Schachtöfen .... 490

n Flammöfen .... 493

Gefäßöfen 496

Ableitung der aus den Zerkleinerungsapparaten entweichenden

Luftverunreinigungen 498

Vorkehrungen dieser Art bei den Schachtöfen 500

Flammöfen 504

Gef&ßöfen 505

Persönliche Ausrüstung der Arbeiter 513

lAUeratur 616

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VIII Inhalt.

Setta

IV. Sonstige Einrichtungen auf dem Gebiete der

Hygiene und Arbeiterwohlfahrt 517

Bücksioht auf Alter, Geschlecht und körperliche Entwiokelung 517

Arbeitsdauer 518

Sonntagsruhe 519

Wechsel der Beschäftigungsart 520

Beinlichkeit in den Arbeitsräumen 520

der Kleider 521

des Körpers 521

Erste Hilfe bei Unfällen und plötzlichen Erkrankungen . . 523

Diätetische Maßregeln 523

Medikamente 525

Arbeiterwohnungen 526

Spar- Tind Vorschußkassen 527

Haushaltungs-, Industrie-, Volks- und Fortbildungsschulen . 527

Fürsorge fOr Erkrankte und Verunglückte 628

Anhang: Der Schutz der Anwohner 530

Schutz gegen Geräusch 530

Erschütterungen 531

Funkenauswurf 532

die Luftverunreinigungen 532

Einfluß der Luftverunreinigungen auf den tierischen und pflanz- lichen Organismus 533

Auffangung bez. ünschädlichmachting der festen StofPe . . . 535

Metalldämpfe ... 547 sauren Dämpfe und

Gase 548

Verhütting von Wasserverunreinigung 550

Litteratur 550

Figwrenvereeicknis 651

Begister zu allen Abteilungen 663

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Vorwort

Die nachstehenden Abschnitte geben einen Ueberblick tlber die Hygiene der Berg-, Tunnel- und Hüttenarbeiter, soweit diese von all- gemeinem Interesse ist. Sie machen auf Vollständigkeit keinen An- spruch. Eine erschöpfende Darstellung der Entwickelung und des gegenwärtigen Standes aller hierfür in Betracht kommenden Verhält- nisse würde über den Rahmen dieses Handbuches weit hinausgegangen sein. Insbesondere konnten von den bedeutenden Fortschritten, welche beim Bergbau und bei der Metallverarbeitung in den letzten Jahren auf dem Gebiete der Dnfallyerhütung gemacht worden sind, nur die wichtigsten berücksichtigt werden. Auch über die hygienisch so vor- teilhafte Metallelektrolyse durfte nur das notwendigste Aufnahme finden.

In der Abteilung A sind die Abschnitte I, IV und V von Bergrat Meissner, die Abschnitte n und IH von Dr. Füller verfaßt, während Abteilung B von Bergassessor Saeger herrührt

Die Yer&sser.

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Elnleltang.

(Verfasser: Bergrat Meissner«) Der Bergwerks- und Tnnnelbetrieb Im allgemeinen.

1. Der Bergwerksbetrieb.

Der Bergbau bezweckt die GevminuDg nutzbarer Mineralien. Diese finden sich teils oberflächlich abgelagert, wie Seifengold, Torf, Rasen- eisenerz u. s. w., teils als Ausfüllung von Spalten und Höhlen im Gebirge (Erzgänge, Stöcke, Nester) oder in diesen schichtenförmig einge- lagert (Erz- und Steinsalzlager, Steinkohlen- und Braunkohlenflötze).

Läßt die geognostische Beschaffenheit einer Gegend das Vorhanden- sein nutzbarer Lagerstätten vermuten, so werden letztere je nach der Tiefe, in der sie voraussichtlich auftreten, durch Gräben, kleine Schächte oder Stollen oder durch Bohrlöcher aufgesucht und auf ihre Bau- würdigkeit untersucht.

IMe Gewinnung bauwürdiger Lagerstätten erfolgt, wenn sie an der Tagesoberfläche oder in geringer Tiefe lagern, durch Tagebau, im übrigen unterirdisch. Im letzteren Falle werden sie zu diesem Zwecke zunächst durch Stollen oder Schächte aufgescUossen (ausge-

Fig. 1. AniriohtQDg dnreb einen StoUen.

richtet). Erstere sind annähernd wagerechte, von Thalsohlen aus ins Gebirge getriebene Strecken (Fig. 1), letztere mehr oder weniger senk- rechte Zugänge zu den Lagerstätten. Die Stollen sind, da man sidi Qurer nur in Gebirgsgegenden und auch meist nur zur Gewinnung der

Bnameh te HjgliBe. Bd. TUl. , 15

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226

MEISSNER,

über den Thalsoblen befindlicheD Lagerstätten bedienen kann, bei uns

gegenwärtig fast nur nr>ch beim Erzbergbau von Bedeutung.

Die Schächte werden gewöhnlich lotrecht abgeteuft (saigere Schächte),

selten noch im Einfallen einer Lagerstätte (tonnlägige, flache Schächte).

Ihre Querschnittsform ist verschieden, meist aber rechteckig oder rund.

Die runde Form ist beim Steinkohlenbergbau überwiegend. Die Ab- messungen richten sich nach den Be- diirfnissen und Verhältnissen. Die Stein- kohlengruben mit ihren großen Förder- mengen erfordern im allgemeinen grö- ßere Schachtquerschnitte als die Erz- bergwerke. Wo die Schächte eine be- deutende Tiefe erhalten oder besonders schwierig niederzubringen sind, giebt man ihnen einen möglichst großen Quer- schnitt, um allen in der Zukunft heran- tretenden Anforderungen gerecht wer- den zu können. Soll ein Schacht mehre- ren Zwecken zugleich dienen, z. B. zur Förderung, Wasserhaltung, Fahrung

oder gleichzeitig zum Ein- und Ausziehen der Luft, so wird er durch

Wände oder einfache Querbalken (Einstriche) in Abteilungen (Trumme,

Trümmer) zerlegt (Fig. 2).

Vom Schachte aus werden in bestimmten Abständen quer zum 6e-

birgsstreichen Strecken (Querschläge) aufgefahren und hierdurch

die Lagerstätten in Hauptabschnitte (Sohlen) geteilt (Fig. 3), welche

Fig. 9. Querschnitt eioes Schachtes.

(A Fördertrumm , B Fahrtramm,

0 PompeDtrumm.)

-^ II 7

Fig. 8. Aasrichtang darch Schacht- and Qaertchlige.

nacheinander in Bau genommen werden. Zur Vorbereitung für den Abbau einer jeden Sohle werden die Lagerstätten durch streichende*) (Grund - Gezeugstrecken) und schwebende oder, einfallende '*''*') Strecken (Bremsberge) einer weiteren Teilung unterworfen, vorgerichtet Für den Abbau bestehen verschiedene Verfahren, deren Anwendung

*) d. h. in der Läogsriehtnog der Lagentitle getriebene. **) d. h. in der PaUriehtang der Lagentfttte aaf- bet. abirärts getriebene.

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 227

sich nach der Mächtigkeit, dem Einfallen und der sonstigen Beschaffen- heit der Lagerstätte, sowie nach dem Verhalten des Nebengesteins, des Hangenden über und des Liegenden unter ihr, richtet. Man unter- scheidet insbesondere zwei Arten, den Abbau mit Berge versatz, bei dem die durch Wegnahme der Lagerstätte entstandenen Hohlräume dnrch die beim Abban mitfallenden, seltener von anderen Arbeits- punkten oder Yon Tage herbeigeschafften Gesteinsmassen (Bergen) wieder ausgefällt (versetzt) werden, und den Abbau ohne Berge versatz, bei dem man die Hohlräume unansgefüllt hinter sich zusammenbrechen läßt Ein Beispiel der ersteren Art ist der besonders auf steilen Erz- gängen und Steinkohlenflötzen ge- bräuchliche Firstenbau, der a^^g^aagg^B^gg^'TTk.TrW' zweiten Art der beim Steinkohlen- '^^^:^^^ nnr^rnr^rrirtr

bergban vielfach angewandte strei- chende Pfeilerbau.

Der Firstenbau (Fig. 4) kennzeichnet sich dadurch, daüB bei ihm die Lagerstätte in wagerechten Streifen (Stößen) von einer schweben- den Strecke aus und zwar nach

einer oder nach beiden Seiten (Flu-

geln) bis zu einer bestimmten

Grenze herausgewonnen wird. Hier- *'iK« *• zweiflögUgw Fint«nbaa.

bd ist immer der untere Stoß dem

nächst oberen um einige Meter voraus, so daß sich die Arbeitspunkte wie eine umgekehrte Treppe darstellen. Die Leute stehen bei der Arbeit auf dem Bergeversatz , welcher auf der tlber der unteren Ge- zeugstrecke angebrachten Zimmerung oder Mauerung aufruht. Die ge- wonnenen Mineralien gelangen unmittelbar oder in Kanälen (Rollen), welche im Bergeversatz offen erhalten werden, in die Gezeugstrecke.

Dem Firstenbau sehr ähnlich ist der auf flachliegenden Gängen und Flötzen gebräuchliche Strebbau.

Beim streichenden Pfeilerbau (Fig. 5) werden vom Brems- berge aus streichende Strecken (Abbaustrecken) a, welche man zur besseren

Fig. 5. Streichender Pfeilerban. (Die Pfeile geben die Bichtnng des Wettorstrome an.)

15* 3

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228 MEISSNER,

Ventilation in gewissen Entfernungen durch Querstrecken (Durchhiebe) b mit einander verbindet, bis zur festgesetzten Grenze aufgefahren (Fig. 5 II) und sodann von letzterer zurück die zwischen ihnen befindlichen Kohlen- streifen (Pfeiler) e herausgeholt (Fig. 5 I und Fig. 6), hierbei pflegt der Betrieb der oberen Strecken und Pfeiler den unteren voraus zu sein.

Die Lösung des Gesteins und Minerals aus ihrem natürlichen Zu- sammenhang, die sogenannte Hereingewinnung, geschieht da, wo wenig feste Massen in Frage kommen, mittels einfacher Werkzeuge (Gezähe), insbesondere der Keilhaue (vgl. Fig. 6), einer Art Hacke,

[Fig, 6. Abbaabatrieb. Letiter PMler aob Bremsberge.

welche vom in eine Spitze ausläuft oder in welche eine abnehmbare Spitze eingesetzt ist, im übrigen meist mit Hilfe der Sprengarbeit. Gesprengt wird in Bohrlöchern, welche entweder mit der Hand (vgl. Fig. 25 S. 288), was beim Bergbau gegenwärtig noch die Regel bildet, oder mittels Maschinen hergestellt werden. Die Bohrlöcher müssen eine solche Länge haben, daß sie außer für die Sprengladung und die Zündvorrichtung noch Raum für den Besatz, einen meist aus weichem Letten bestehenden, fest eingestampften Verschluß, bieten, durch welchen das Entweichen der Sprenggase aus den Bohrlöchern verhindert werden soU.

Zur Förderung der gewonnenen Mineralien bedient man sich f&r gewöhnlich auf Schienen laufender Wagen von ^/^ cbm oder mehr Raum- inhalt, welche an den Arbeitsstellen selbst oder, wie beim Firstenbau, an der Mündung der Rollen beladen werden (vgl. Fig. 7). In den Bremsbergen werden die beladenen Wagen an einem DrahtseU mit Hülfe eines Brems-

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Hygiene der Berg- and Tannelarbeiter. 229

Werkes herabgelassen und die leeren in gleicher Weise aufgezagen. Auf kleineren Gruben läßt man die Förderung von den Arbeitspunkten bez. Ein- ladestellen bis zum unteren Anschlagspunkt (Füllort) des Sdiachtes durch jüngere Arbeiter (Schlepper) besorgen, auf größeren bringen diese Arbeiter die Wagen nur zu EUiuptsammelpunkten, von wo der Weiter- transport zum Schacht durch Pferde oder maschinelle Vorrichtungen (Seil, Kette, elektrische Lokomotiven) bewirkt wird. Am Füllort werden die beladenen Wagen auf eiserne, ein- oder mehretagige Fördergestelle (FOrderkörbe) aufgeschoben und mit diesen an Seilen, meist Drahtseilen,

Fig. 7. Schlepper beim Einladen an der Bolle.

durch die über Tage stehende Fördermaschine zu dem Anschlagspunkt daselbst (Hängebank) gehoben, während gleichzeitig auf einem zweiten Gestell leere Wagen abwärts gefordert werden.

Ueber Tage werden Kohlen und Erze, bevor sie in den Handel gebracht oder verhüttet werden, meist einem Aufbereitungspro- zeß unterworfen, dessen Zweck darin besteht, bei den Kohlen: sie nach Korngrößen zu scheiden und von den mitgef5rderten oder mitver- wachsenen Bergen zu befreien, bei den Erzen: sie von dem mitge- wonnenen tauben Gestein, und wenn mehrere Erze zusammen vorkommen.

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230 MEISSNER,

diese voneinander zu trennen. Soweit diese Trennung in nicht ge- nügender Weise auf trockenem Wege durch Ausklauben oder Abschlagen des Gemengteils mit Hämmern geschehen kann, wie bei unreinem Kohlengrus oder stark verwachsenem Erz, schließt sich an die trockne die nasse Aufbereitung an, bei welcher nach vorheriger Klassierung des Grubenkleins in einzelne Korngrößen und, soweit erforderlich, nach wiederholter Zerkleinerung der durchwachsenen StQcke in Setz-, Spitz- und Schlemmkästen, Herden u. s. w. mit Hilfe von ruhendem oder bewegtem Wasser eine Trennung der verschiedenen Mineralien nach dem spezifischen Gewichte erfolgt.

Das Gebirge besitzt selten solche Festigkeit, daß die Baue ohne künstliche Unterstützung in einem gefahrlosen und betriebssicheren Zu- stande erhalten bleiben. Es bedarf daher meist eines Ausbaues der- selben durch Holz, Eisen oder Mauerwerk. Die Figuren 8 und 9 zeigen den gewöhnlichen Ausbau in Schächten und in den Pfeilern, die Figuren 6 (S. 228) und 16 (S. 264) den in Strecken. An den Abbaustößen, sowie in den Abbaustrecken und Bremsbergen muß die Zimmerung infolge

Fig. 8. Schachtausbau. m tn Versugbretter, M J/ TrMgepfosten (BolzeD), // Führnngslattcn oder Leitongsbfiame,

tt Aokerbolzeo.)

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter. 231

des durch den Abbau entstehenden Gebirgsdrucks häufig umgewechselt werden. Um die Hauptbaue, Schächte, Querschläge, Grund- und Wetter-r strecken nicht durch GebirgjBdruck zu gefährden, schützt man sie durch Sicherheitspfeiler, d. h. man läßt die Lagerstätte bis zu einer gewissen Entfernung von ihnen unabgebaut (vergl. Fig. 5).

Die durch die unterirdischen Baue durchfahrenen Gebirgsschichten sind mehr oder minder reich an Wassern, deren Beseitigung (Wasser- haltung) mitunter große Schwierigkeiten bietet. So hatten z. B. die Mansfelder Kupferschiefergruben im Jahre 1892 durchschnittlich 81 cbm Wasser in der Minute zu wältigen ^. Man führt die Wasser in Rinnen

Fig. 9. Ausban im Pfeiler.

(Wassersaigen) nach einem tiefer gelegenen Stollen oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist , nach dem Schachte hin ab , wo sie in Sumpfstrecken gesammelt und mittels Pumpen unmittelbar zu Tage oder zu einem oberen Stollen gehoben werden. Die Sumpfstrecken werden in der Regel so groß genommen, daß sie bei etwaigem Versagen der Pumpen die Wasser für einige Tage halten können.

Ein notwendiges Erfordernis für den Aufenthalt von Menschen und Tiere in einer Grube und dadurch für den unterirdischen Betrieb über- haupt ist die fortwährende Erneuerung der Luft (Wetter), also eine genügende Ventilation. Hierzu bedarf es zweier getrennter, die unterirdischen Räume mit der Tagesoberfläche verbindender Wege, des* einen zum Ein- und des anderen zum Ausziehen der Luft Diese beiden Wege brauchen nicht notwendig in zwei besonderen Schächten oder StoUen oder in einem Schachte und einem Stollen auszulaufen, sie können auch in demselben Schachte, lediglich durch eine künstliche dichte Wand getrennt, nebeneinander herführen. Ein Luftwechsel läßt sich bereits auf natürliche Weise da erzielen, wo sich die Mündungen der beiden Wege in verschiedenen Höhenlagen befinden, also in gebirgigen Gegenden. Da sich nämlich die Temperatur in der Grube schon bei

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232 MEISSNER,

¥ Bringer Tiefe im Laufe des Jahres im Gegensatz zu der äußeren emperatur wenig verändert, so strömt, je nachdem die äußere Luft wärmer oder kälter ist als die Grubenluft, erstere in die obere oder in die untere Tagesö£fhung ein und letztere in der unteren bez. oberra aus. Eine künsüiche Ventilation wird dadurch herbeigefiihrt, daß man entweder an der einen Tagesöffnung die Luft durch Erwärmung oder Verdünnung ansaugt (saugende Ven^tion) oder sie durch Zusammen- pressüng einbläst (blasende Ventilation). Die Erwärmung der Luft ge- schieht durch ein offenes Feuer in einem gemauerteir Ofen (Wetterofen), oft auch nur durch eine Dampfleitung oder dadurch, daß man die be- treffende Tagesöfihung mit dem Kamin der Kesselanlage in Verbindung bringt. Die Verdünnung der Luft erfolgt, wenn nur geringe Luftr mengen durch die Grube geführt zu werden brauchen, aurch Dampf- strahlapparate, im übrigen meist durch Ventilatoren, d. s. in einem Gehäuse sich bewegende Flügelräder, welche die Luft auf der Grube aussaugen und in die Atmosphäre scUeudem. Zum Einblasen bedient man sich ebenfalls der Ventilatoren, nur läßt man sie hierbei umge- kehrt die Luft aus der Atmosphäre saugen und in die Grube ein- pressen. (Ueber Ventilatoren s. h. näheres bei Kraft Bd. 8 S. 194 ff. dieses Handbuches.)

2. Der Tunnelbetrieb«.

Der Tunnel dient der unterirdischen Führung eines Verkehrsweges, einer Eisenbahn, Straße oder Kanals. Zur schnelleren und leichteren Fertigstellung wird ein langer Tunnel gleichzeitig von beiden End- punkten aus in Angriff genommen. Auch teuft man zu demselben Zweck, wenn der Tunnel nur in geringer Tiefe unter der Erdoberfläche oder unter tiefen Thälern durchführt, Schächte ab, von denen aus den Tunnelörtem entgegengetrieben wird. Dem Tunnel wird in der Regel ein Stollen (Richtstollen) yorausgetrieben, einerseits zu dem Zweck, die lUchtung und die Höhenlage des Tunnels zu bestimmen und Aufschluß über die Gebirgsverhältnisse zu erhalten, andererseits um die erforder- lichen Angriffspunkte zum Ausbruch des Tunnelprofils zu schaffen, die aufgeschlossenen Wasser abzuführen und den Transport der Gesteins- massen und Baumateralien zu erleichtem.

Für den Abbau des Tunnelprofils und die Herstellung der Mauerung stehen yerschiedene Methoden in Anwendung. Liegt der Richtstollen in der Firste '^), so kann der weitere Abbau des oberen Profilteils unmittelbar durch seitliche Erweiterung des ersteren stattfinden, während der untere von einem dem Firststollen meist in 2 oder 3 Absätzen nachfolgenden Sohlenschlitz aus abgebaut wird. Bei Anwendung eines Sohlenstollens (a in Fig. 10), welche gegenwärtig die Regel bildet, schafft man sich die nötigen Angriffspunkte für gewöhnlich durch Aufbrüche 6. Von diesen werden dann nach beiden Seiten Firststollen e streckenweise vor- getrieben (vergl. auch Fig. 11), die nun in gleicher Weise wie bei der ersteren Methode den Abbau des noch übrigen Profils dd und ee er- möglichen, sofern derselbe nicht etwa gleich in vollem Profil dem Richt- stoUen nachfolgt

Das Auffahren des Richtstollens und der Firststrecken findet in neuerer Zeit mehr und mehr unter Anwendung maschineller Bohr-

*) Firste, d. i. oberer Teil, im Gegensati inr Sohle, d. i, anterer Teil.

S

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter.

233

maschinell, sowie unter möglichster Arbeitsteilung statt Das Bedienen der Bohrmaschinen wird von den Bohrern, das Besetzen und Abthun der Sprenglöcher, das Beräumen *) des Ortsstoßes und das Einladen der Schuttmassen von den Schütterem besorgt Das Einladen geschieht direkt mit der Hand, mit der Schaufel oder tnittels Körben oder Trögen in Wagen, welche zwischen ^/t und 3 cbm fassen. Ein Umladen wird möglichst yermieden. Da, wo es nötig ist, wie bei Firststollen, wenn diese mit geringem Quersdinitt aufgefahren werden, benutzt man Sturz- bühnen oder Rolllöcher. Die Förderung wird auf kurze Längen durch Schlepper, auf größere meist durch Pferde bewirkt, in den fertigen Tunnelstrecken be- cUent man sich auch vielfach der Lokomotiven, die mit Druckluft, wie im St Gott- hardtunnel, oder mit Damp^ wie im Arlbergtunnel, be- trieben werden. Im letzteren Falle benutzt man eigens hierzu konstruierte Motoren, die wenig Dampf und Bauch ausströmen lassen.

Bevorder definitive Aus- bau in Gestalt der Ausmauer- ung ausgef&hrt wird, ist in

den meisten Fällen, nicht nur ^*«- ^^- .Eintdlnng des Tannelprofils für den Abbaa.

in vollem Profil, sondern auch

in den einzelnen Teilen (Stollen u. s. w.) ein provisorischer Ausbau erforderlich, den man meist aus Holz, gegenwärtig auch unter Zu- hilfenahme von Eisen herstellt Der Ausbau gestaltet sich besonders schwierig beim Durchfahren von klüftigem oder schwimmendem, d. h. losem, von Wasser durchzogenem Gebirge.

Fig. 11. LXogsschnitt dorch einen im Aasbrach befindlichen Tunnel.

Die erschrotenen Wasser werden, wenn der Stollen oder Tunnel mit genügender Steigung in das Gebirge getrieben wird, mittels einfacher Gräben (Wasserröschen) abgeführt. Muß aber der Stollen oder Tunnel von Tage aus mit Gefälle oder von einem Schachte aus aufgefahren werden, so ist man gezwungen, das Wasser auszuschöpfen oder auszupumpen.

Was die Herstellung des nötigen Luftwechsels anlangt, so sucht man, wenn möglich, oder wenigstens so weit als möglich, mit der natür- lichen Ventilation auszukommen. Diese läßt sich bewirken auf kurze Längen dadurch, daß man den mitgefUhrten Wassergraben dicht abdeckt

*) Beriomen ■■ Hereinreiften der gelockerten MMsen.

9

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234 MEISSNER, Hygiene der Berg- imd Tunnelarbeiter.

und damit zwei getrennte Wetterwege schafift, auf größere dadurch, daß man Bohrlöcher von 20—30 cm Weite oder auch Schächte auf den Richtstollen niederbringt und von der Einmündungsstelle der letzteren Röhren aus Holz oder Zinkblech (Lutten) mitnimmt, durch welche die Luft vor das Stollenort hin- oder von diesem zurückgeführt wird (vergl. die Luttenventilation beim Bergbau S. 275).

Die natürliche Ventilation im Tunnel hört auf, wenn die Tem- peratur der Luft innen und außen gleich ist Bei langen Tunneln reicht sie überhaupt nicht aus. Hier können daher künstliche V^nti- lationsmittel meist nicht entbehrt werden. Als solche dienen in der Regel Wetteröfen, Dampfstrahlapparate oder Ventilatoren in Verbindung mit bis zu 50 cm weiten Lutten. Werden bei einem Tunnelbau Luft- bohrmaschinen benutzt, so begnügt man sich zur Ventilation für ge- wöhnlich mit der zum Betrieb der Maschinen erforderlichen Luft oder läßt auch Luft frei aus der Leitung austreten. Beim Bau des pro- jektierten Simplon-Durchstichs soll eine beim Tunnelbau bisher gänz- lich neue VentUationsmethode Anwendung finden (vgl vierten Absdmitt).

1) ZmUehr,/. d. Berg-, HUtUn- u, Std-W. 41. Bd, 8UU, T, 177.

2) Bsiha, lAiil^€kdtn der geiomten Tu$melba»ikuH8t{l9B7, 1872); Haupt, Die StoUmanlagen (1884); O. Maekexiimi und B BioliArd. Timnelbau {Handbuch der Jngenieuruneee»^ fe^/toi, 1. Bd,, Kap. 9, 1887); Dolenlek, Der Tunnelbau (1889).

lO

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ERSTER ABSCHNITT. (Verfasser: Bergrat Meissner.)

Die Gefahren des Bergwerksbetriebes für die Arbeiter nnd Schatzmassnalimeii hiergegen.

A. Die Betriebsgefialiren und deren Yerlifltniig im aUgemeinen.

Der Bergwerksbetrieb vermag auf zweierlei Weise Gesundheitsschädig- ungen der Arbeiter hervorzurufen, einmal durch Unfälle, sodann durch afi- mählich wirkende nachteilige Einflüsse. Die letzteren sind im Laufe der letzten Jahre sehr zurückgetreten, so daß im Vergleich zu anderen Berufs- arten die Arbeit in den Gruben heute nicht mehr wie früher als eine der ungesundesten angesehen werden kann (vergl. Füller im zweiten Ab- schnitt). Dagegen muß sie auch gegenwärtig noch, was die Zahl der Unfälle anlangt, zu den gefährlichsten Beschäftigungen gerechnet werden.

Diese große Gefährlichkeit beruht in der Natur des unterirdi- schen Betriebes. Die ungleichmäßige und schwer erkennbare :Be- schaffenheit des Gebirges, das Fehlen des Tageslichtes, das nur unge- nügend durch die Grubenlampe des Bergmanns ersetzt werden kann, das Auftreten giftiger und explosibler Gase und andere Umstände wirken zusammen, um die Verhältnisse, unter denen die Arbeit in der Grube ausgeführt werden muß, höchst ungünstig zu gestdten. Dazu kommt noch die mangelhafte Verbindung der Baue mit der Tagesoberfläche, welche die Flucht der Arbeiter in Fällen der Gefahr sehr erschwert Eine größere Explosion oder der Ausbruch eines Brandes vermag über- dies diese Verbindung gänzlich zu zerstören oder die Belegschaft durch die Entwickelung giftiger Gase von ihr abzuschneiden. Der Durchbruch großer Wassermengen bringt oft ausgedehnte Grubenteile und mit ihr den Zugang zum Schacht in kurzer Zeit zum Ersaufen. Infolge dieser Verhältnisse treten beim Bergbau neben der großen Zahl von Einzel- verunglückungen häufige Massenunfälle ein, wie sie in ähnlichem Maße in anderen industriellen Betrieben unbekannt sind. Bis vor wenigen Jahren besaßen noch viele Bergwerke, namentlich viele tiefe Steinkohlen- gruben, nur einen einzigen zu Tage führenden Ausweg, von dessen Erhaltung das Leben der ganzen unterirdischen Belegschaft abhing. Gegenwärtig besteht jedoch in fast allen bergbautreibenden Ländern die Vorschrift, daß jedes Bergwerk mit zwei getrennten, fahrbaren Ausgängen versehen sein muß, die über Tage nicht in demselben Gebäude ausmünden dürfen.

Diese Maßregel ist eine der wichtigsten, welche in den letzten Jahren zur Verhütung von Massenunfällen getroffen worden ist.

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236

MEISSNER,

L Statistik der UnOUe.

Wie aus der nachstehenden Uebersicht hervorgeht, kommen beim Bergbau in Deutschland nicht nur verhältnismäßig weit mehr ünfiLlle Oberhaupt, sondern auch mehr entschädigungspflichtige und unter diesen mehr tödliche UnfiLUe vor als im Durcliichmtt bei sämtlichen Gewerbe- betrieben (einschl. des Bergbaues) und, soweit die beiden ersteren in Betracht kommen, auch bei der Eisenbahn^.

Zahl der

entsohft-

detoT ün- d'P««»- flUle Pfli^«*««'

Ton den

entschidignngs«

UnflUU bd

Jahr

Pflichtigen Un^

flUlen waren töd-

anf Je 1000 ver-

lich in Pros,

tieherte Personen.

den gewerblichen Berofsgenossen-

1889

39>4S

4.71

15,1

•ohaften (ygl. auch Both, AUg. Ge-

1890

30,18

5,»6

13,6

werbebygiene in Bd.ym d. Handb.)

1891

Zh9i

500

13.8

1898

3V9

5.68

11,5

1898

35.8»

6,08

11.6

der Eisenbahn

1889

46,0B

5»74

22,8

1890

48,08

6,07

23,6

1891

4987

6,48

24,8

1898

52,90

6.94

20,4

1898

57,6B

7,06

20,8

1889

72.0s

8.48

25.7

•ehalt

1890

7M9

8.54

24.8

189t

79.61

9.61

H.4

1892

8i,so

9.86

19,8

1898

89,86

10,59

20,8

Die tödlichen Unfälle bilden in Preußen nicht weniger als 23 Proz. aller Sterbefälle bei den Bergleuten. Denn es starben von 1000 Afit- gliedem der preußischen Enappschaftsvereine in den Jahren 1883—1892 durchschnittlich 8,91 Personen, davon 2,08 durch Verunglückung bei der Arbeit.

Was die Ursachen der Grubenunfälle anlangt, so kamen beim Bergwerksbetriebe Preußens in den Jahren 1883 1892 durch- schnittlich jährlich zu Tode ' :

▼on 818479

durchschn.

anf Je 1000

JfthrL besch.

Arbeiter

Arbeitern

, Ers-

etc.

Hassen

288

0,919

in Schichten und Bremsbergen

157

0,501

dnrch schlagende Wetter

100

0,8 19

bei der Sprengarbeit

34

0,108

b^ der Streckenförderong

28

0,089

dorch andere Ursachen unter Tage

49

0,157

dnrch Maschinen fiber nnd unter Tage

13

0,041

durch sonstige Ursachen fiber Tage

69

O.990

tusammen

738

2,954

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Hygiene der Berg- und Tünnelarbeiter.

287

Auf die Verunglflckungen durch hereinbrechende Gesteins u. s. w. -Massen entfallen hiemach in Preußen 39 Proz. aller tödlidien UnftUe. Ein ähnliches Verhältnis findet sich auch in den anderen [bergbau- treibenden Ländern.

Die Unfallgefahr ist bei den einzelnen Bergbauzweigen nicht gleich In Preußen kamen in den Jahren 188&— 1892 durchschnittiich jährlich zu Tode:

Beim Stdnkoblen- Bergbau BraunkohUii' f> Bri-

sonstigen (Sals- nnd Erden-)

Von

beeebiftigten

Arbeitern

211099 «4 59« 67432

10278

Im ganien

Auf Je 1000 Arbeiter

588.4 18,5

2,787 2,07S I«189

1,800

Der Steinkohlenbergbau weist hiemach die höchste Verunglückungs- ziffer auf. Es entfallen auf Um in Preußen nur 67 Proz. aller Be^- arbdter, dagegen 80 Proz. aller tödlichen ünf&Ue beim Bergbau. Es erklärt sich dies dadurch, daß die UnfiLlle durch schlagende Wetter sich fast ausschließlich auf den Steinkohlenbergbau beschränken, und daß die Förderung der großen Massen an sich größere GeÜEÜiren her- vorruft.

Aber auch der Steinkohlenbergbau selbst zeigt in den einzelnen Becken bedeutende Abweichungen in Bezug auf die Zahl der Unfiüla Diese Abweichungen können ihre Ursache haben in der Ungleichheit sowohl der natürlichen als auch der betriebstechnischen und der sonstigen hierbei in Betracht kommenden Verhältnisse. Von Einfluß sind insbesondere die Beschafienheit und das Einfallen des Gebirges, die Entwickelung von Schlagwettern und Kohlenstaub, die Vertrautheit der Arbeiter mit den BendSsgefahren, die Art der Aufsicht in den Gruben und die Beschaffenheit der Betriebseiurichtungen.

Die nachstehende Uebersicht* läßt erkennen, daß die Verunglflck- ungsziffer beim Steinkohlenbergbau in Belgien, Frankreich und Groß- britannien in den letzten Jahrzehnten erheblich gesunken, in Preußen dagegen bedeutend gestiegen ist, und daß sie infolgedessen gegenwärtig in Preußen weit höher ist als in den anderen Ltodem, wälu*end frtiier das umgekehrte Verhältnis bestand.

(Siehe Tabelle S. 238.)

Diese f&r uns betrübende Thatsache ist zum Teil auf die im all- gemeinen ungtlnstigeren natürlichen Verhältnisse unseres Steinkohlen- bergbaues, zum Teil aber auch auf die außergewöhnlich starke Ent- wickelung unserer Kohlenförderung zurückzuführen, weldie sich im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte fast verdreifachte, während sie sich in den drei anderen Ländern nur um etwa 60—80 Proz. hob, und welche dazu zwang, viele mit dem Bergbau gänzlich unvertraute Arbeiter heranzu- ziehen ^.

Wie übrigeois aus der obigen Nachweisung weiter hervorgeht, ist in Bezug auf die Fördermenge auch in Preußen die Verunglückmigs- ziffer in den letzten Jahrzehnten gesunken.

13

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288

MEISSNER,

Dnrehsohnittliche

Vemoglückangen

Zeitranm

Zahl der

Jfthrlieh be-

•chifUgten

ArbeiUr

Jlhrliehe PSrderiing in

Mf Je 1000 Ar.

«nfje 1 MiUioo t

Millionen t

heiter

PSrdening

1861—1860

66429

8,08

9,988

24.09

Bälgten

1861—1870

85467

11,78

2,606

18,90

1871—1880

103 196

15.OS

2460

l6,89

1881—1890

104964

18,88

1.992

II.4i

1858—1860

53746

7.40

3*404

84*74

Frankreich

1861—1870

78852

11.88

2.961

1974

1871—1880

103680

16.77

2,S19

«3.78

1881—1890

105 115

21,64

1,868

9,06

186S— 1860

246032

61 6t

4.071

1629

GrofsbritoDDien

1861—1870 1871—1880

319240 482 183

99.01 133-20

3829 2.864

10.78 8,48

1881—1890

53« 357

177.10

1,986

5 81

1858-1860

56089

7.91

2,064

14,66

PrenTsen

1861-1870

89391

18.41

2.864

13.91

1871—1880

151 189

33>"

2.896

12,96

1881—1890

193 365

53 »4

2,984

10,62

2* Beaoffliohtigiixig der Graben.

a) Durch den Staat.

Solange der Bergbau unter staatlicher Leitung stand, wie im rechtsrheinischen Preußen bis zum Jahre 1851 oder solange er da, wo die Bergwerksbetreiber die Verwaltung selbst unbeschr&nkt aus- üben konnten, wie in Großbritannien, Frankreich und Belgien, noch in engen Grenzen getrieben wurde, trat ein dringendes Bedtbrmis, ihn unter bindere polizeiliche Aufsicht zu stellen, nicht hervor. Erst als mit der stetig zunehmenden Entwickelung des Steinkohlenbergbaues im Laufe dieses Jahrhunderts große Unfidle immer häufiger wurden und die öffentliche Aufmerksamkeit erregten, hielt man gesetzgeberische Maß- nahmen in dieser Beziehung für notwendig.

Zuerst ging Frankreich vor, indem es auf Ghrund des Gesetses vom 21. April 1810 durch Dekret vom 8. Januar 1818, welches auch in dem Gebiete des heutigen Belgien, sowie in einzelnen Teilen des heutigen Deutschland Anwendung fand, eine strenge staatliche Aufsicht über den Bergwerksbetrieb einführte. Verhältnismäßig spät folgte Eng- land, dessen Akte vom 10. August 1842 der Ausgangspunkt einer Beihe weiterer, die staatliche Aufsicht betreffender Gesetze wurden ^.

Preußen erließ, nachdem den Bergbautreibenden in den rechts- rheinischen Provinzen durch G^etz vom 12. Mai 1851 über die Ver- hältnisse der Miteigentümer eines Bergwerks die Verwaltung ihrer G^ben freigegeben war, fSr diese Provinzen am 21. Mai 1860 ein die Aufsicht der Bergbehörden über den Bergbau regelndes Gesetz, dessen Bestimmungen mit wesentlichen Abänderungen und Ergänzungen in das f&r den Umfang der ganzen Monarchie in Geltung gesetzte Allgemeine Berggesetz vom 24. Juni 1865 aufgenommen wurden.

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 239

Dieses letztere Gesetz, welches später auch in die neuen Provinzen eingeführt worden ist und für die meisten der in den übrigen deutschen Staaten erlassenen Berggesetze zum Muster gedient hat, bestimmt in der ihm durch die Novelle vom 24. Juni 1892 gegebenen Fassung im § 196, daß sich die polizeiliche Aufsicht der Bergbehörden über den Bergbau zu erstrecken habe auf

die Sicherheit der Baue,

die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter,

die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebes,

den Schutz der Oberfl&che im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs,

den Schutz gegen gemeinschädliche Einwirimngen des Bergbaues.

Der Betrieb eines Bergwerks darf nach § 67 ff. nur auf Orund eines Betriebsplanes geführt werden, welcher der Prüfung des Bevier- beamten nach den vorgenannten Gesichtspunkten unterliegt und gegen welchen von dem Bevierbeamten Einspruch erhoben werden kann. Wird in dem zur Erörterung der beanstandeten Betriebsbestimmungen ange- setzten Termin eine Verständigung nicht erzielt, so hat das Oberbergamt diejenigen Abänderungen des Betriebsplanes festzusetzen, ohne welche derselbe nicht zur Ausführung gebracht werden darf.

Der Bergwerksbesitzer hat auf seine Kosten ein Grubenbild in 2 Exemplaren anfertigen und regelmäßig nachtragen zu lassen, von welchem das eine an die Bergbehörde zum Gebrauch abzuliefern ist.

Der Betrieb darf nur unter Leitung, Aufisicht und Verantwortlichkeit von Personen geführt werden, deren Befähigung hierzu anerkannt ist. Wird der Betrieb von einer Person geleitet, welche das erforderliche Anerkenntnis nicht besitzt oder welche diese Befähigung wieder verloren hat, so ist die Bergbehörde befugt, die sofortige Entfernung derselben zu verlangen und nötigenfalls den in Betracht kommenden Betrieb so lange einzustellen, bis eine als befUiigt anerkannte Person angenommen ist.

Tritt auf einem Bergwerk in Beziehung auf die im § 196 bezeich- neten Gegenstände eine Gefahr ein, so hat das Oberbergamt die geeig- neten polizeilichen Anordnungen nach Vernehmung des Bergwerksbesitzers oder des Repräsentanten durch einen Beschluß zu treffen. Ist die Gefahr eine dringende, so hat der Revierbeamte sofort und selbst ohne vor- gängige Vernehmung der Genannten die zur Beseitigung der Gefahr er- forderlichen Maßnahmen anzuordnen, gleichzeitig aber dem Oberbergamt hiervon Anzeige zu machen. Letzteres hat die getroffenen Anordnungen nach vorheriger Vernehmung der genannten Personen durch einen Be- schluB zu bestätigen oder wieder aufzuheben. Gegen die Verfügungen und Beschlüsse des Obergamtes ist der Rekurs an den Handelsminister zulässig.

Die Oberbergämter sind befugt, für den ganzen Umfang ihres Ver- waltungsbezirkes oder für einzelne Teile desselben Polizeiverordnungen über die im § 196 bezeichneten Gegenstände zu erlassen.

Auf Ghrund der letzteren Bestimmung haben die Oberbergämter in Preußen u. a. auch eine Reihe von Bergpolizeiverordnungen erlassen, welche die Verhütung von Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Arbeiter bezwecken. Dieselben treffen Vorschriften einesteils über die Art, wie der Betrieb geführt und eingerichtet werden muß, anderen- teils über das Verhalten der Arbeiter im Betriebe. Ihre Befolgung wird durch die Revierbeamten überwacht, welche durch die ihnen erteilten

IS

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240 MEISSNER,

Instroktionen angewiesen sind, zu diesem Zwecke die kleineren Ghraben ihres Bezirks mindestens einmal jährlich, die gröBeren öfter zu be&hren. In Großbritannien ist die staatliche Aufsicht den Bergwerk»- Inspektoren übertragen, in Frankreich den Pr&fekten, welche sich zu ihrer Ausübung staatlich angestellter Bergingenieure bedienen. Die Befugnisse dieser Organe sind jedoch nicht so weitgehend wie die der Bergbehörden in Preußen.

b) Durch Beauftragte der Berufsgenossenschaft.

Den durch das Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884 in Deutschland gebildeten Berufsgenossenschaften ist durch § 78 ff. dieses G^etzes die Befdgnis eingeräumt, für den Umfang ihres Bezirkes oder für bestimmte Industriezweige oder Betriebsarten oder bestimmt abzu- grenzende Bezirke Unfallverhütungsvorschrifben zu erlassen und deren Befolgung durch Beauftragte zu überwachen. Von dieser Beftignis hat die Elnappschafts-Berufsgenossenschaft bisher noch keinen Gebrauch ge- macht, hauptsächlich aus dem Grunde, weil die bergpolizeilichen Ver- ordnungen dem Bedürfnisse bis jetzt im allgemeinen entsprochen haben, und weil man nach Erlaß von Unfallverhütungsvorschriftien seitens der Berufsgenossenschaft und nach Bestellung von Beauftragten zur Ueber- wachung dieser Vorschriften Kollisionen zwischen den Beauftragten und den Bergbehörden befürchtete^.

c) Durch Vertreter der Arbeiter.

Das großbritannische Kohlenbergwerksgesetz vom 16. Sept. 1887 bestimmt im Teil II, Vorschrift 38, daU die in einem Bergwerke beschäftigten Personen von Zeit zu Zeit zwei aus ihrer Mitte oder zwei nicht als Bergwerksingenieure thätige Personen, welche aktive Bergleute sind, bestellen können, um das Bergwerk auf ihre] eigenen Kosten besichtigen zu lassen, und daß diesen Personen gestattet sein soll, mindestens einmal in jedem Monat jeden Teil des Bergwerks zu befahren. Ueber das Ergebnis ist ein wahrheitsgetreuer Bericht zu erstatten, der in ein auf dem Bergwerk aufzubewahrendes Buch einzutragen ist. Wenn der Bericht eine vorhandene Gefahr oder die Besorgnis einer solchen feststellt, so hat der Eigentümer, Repräsentant oder BetriebsfiÜbrer dem Bergwerksinspektor Abschrift einzusenden. Von dieser Befdgnis scheint jedoch bisher noch kein allgemeiner GFebrauch gemacht worden zu sein. Auch sind die Ansichten über den Wert der ganzen Einrichtung noch sehr geteilt^.

Eine ähnliche Einrichtung ist in Frankreich durch das Gesetz vom 8. Juli 1890 ins Leben gerufen worden mit dem hauptsächlichsten Unterschiede, daß hier für adle Bergwerke Delegierte bestellt werden müssen und daß die Bergwerksuntemehmer die Kosten der Besichtigungen tragen. Letztere müssen zweimal im Monat vorgenommen werden. Bei schweren Unfällen ist die Unfallstelle sofort zu besichtigen. Eine Ab- schrift der von dem Delegierten gemachten Eintragungen ist dem Pr&- fekten zu übersenden, welcher sie dem Bergingenieur zugehen läßt.

d) Durch die Grubenbeamten.

So scharf die Aufsicht durch amtlich bestellte Organe auch aus- geübt werden mag, sie wird sich meist doch darauf beschränken müssen,

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 241

darüber zu waohen, daß der Betrieb in der durch die Gesetze oder Ver- ordnungen vorgeschriebenen Weise geführt wird. Dagegen wird man es in der Hauptsache immer den Orubenbeamten überlassen müssen, auf die Befolgung der Sicherheitsvorschriften von Seiten der Arbeiter zu achten. Es bleibt auch in erster Linie Sache dieser Beamten, sämtliche Orubenr&ume regelmäßig auf ihre Sicherheit zu untersuchen und gefahr- drohende Zustände zu beseitigen.

Die Anstellung einer genügenden Zahl zuverlässiger und tüchtiger Orubenbeamter ist daher eine der ersten Anforderungen, welche im Interesse der Unfallverhütung an den Bergwerksbesitzer gestellt werden müssen. Bisher hat man es in Preußen für ausreichend angesehen, wenn die Zahl der Grubenbeamten so groß bemessen wird, daß abgesehen von besonderen Fällen jeder Arbeitspunkt einmal in der Schicht von einem Beamten befahren werden kann. Diese Zahl dürfte jedoch nicht immer ausreichen. Es bleibt zu wünschen, daß wenigstens alle besonders gefährlichen Arbeitspunkte zweimal in der Schicht besucht werden. Denn die Arbeiter werden bei nur einmaliger Revision nach deren Be- endigung leicht nachlässiger in der Befolgung der Sicherheitsvorschriften. Die Thatsache, daß in dem Bezirke Durham-Northumberland weit weniger TJnföUe vorkommen als in anderen englischen Bergbaubezirken, schreiben die nordenglischen Bergingenieure nicht zum wenigsten der verschärften Aufsicht in jenem Bezirke zu^. Ebenso führt Borchers die geringe Yerunglückungsziffer des Zwickauer Steinkohlenbezirks wesentlich auf dieselbe Ursache zurück *.

d. Besohftftlgaiig der Arbeiter.

a) Erwachsene Arbeiter.

Die große Anstrengung, mit welcher die Bergarbeit verbunden ist, macht es notwendig, nur solche Personen zu dieser Arbeit zuzulassen, welche ihr körperlich gewachsen sind. Die Statuten der Enappschafts- vereine, denen die Bergarbeiter in Preußen beizutreten gesetzlich ver- pflichtet sind, bestimmen deshalb fast durchweg, daß die Bergwerks- besitzer niemand zur Arbeit annehmen sollen, der nicht schon Mitglied des betreffenden Vereins ist, oder dem nicht vom Knappschaftsarzt be- scheinigt werden kann, daß er zur Zeit arbeitsfähig und zur Verrichtung seiner Berufsarbeit tauglich sei.

Außerdem aber muß mit Rücksicht auf die eigenartigen Verhältnisse 4es Bergwerksbetriebes wenigstens für die Ausübung selbständiger Hauerarbeiten auch eine gewisse geistige Befähigung und eine ge- nügende praktische Vorbildung gefordert werden.

Bei der Zersplitterung und großen Ausdehnung der Betriebe kann die Aufsicht in den Bergwerken niemals auch nur annähernd so intensiv sein wie etwa in einer Fabrik, wo die Arbeiter gewöhnlich in großen Gruppen und in leicht übersehbaren Räumen beschäftigt sind. Die Thätigkeit des einzelnen Bergmanns kann immer nur während ver- hältnismäßig kurzer Zeit überwacht werden. Während des größten Teils der Arbeitszeit müssen die Bergleute sich selbst überlassen bleiben. Der selbständig arbeitende Hauer muß daher mit den mannigfachen Gefahren, welche ihn und seine Mitarbeiter bei der Arbeit bedrohen, and mit den Maßregeln zu ihrer Beseitigung gründlich vertraut sein. Hierzu aber bedarf es mehrjähriger Erfahrung.

Handbuch dsr Hygiene. Bd. VIII. 16

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242 MEISSNEK,

Diese Umstände haben in früheren Jahren von selbst dazu gefOhrt, die Berdeute in regelrechter Weise priüctisch auszubilden und ihnen erst naoi mehrjähriger Beschäftigung in der Grube als Schlepper oder Lehrhauer selbständige Hauerarbeiten zu übertragen. Die alten Berg- ordnungen machten den Steigern die Ausbildunff der Bergleute aus- drücklich zur Pflicht. Infolge der außergewöhnlich starken Vermehning der Belegschaft auf den Steinkohlengruben Preußens in den letzten 20 Jahren wurde jedoch die Ausbildung der Arbeiter dieser Graben mehr und mehr erschwert und schließlich ganz yemachlässigt. Der Fall war nicht selten, daß kräftige Arbeiter, welche vorher nie in Berg- werken thätig gewesen waren und die oft aus mangelnder Kenntnis der deutschen Sprache gar nicht einmal die Sicherheitsvorschriften ver- standen, bereits wenige Monate nach ihrer Annahme mit selbständigen Hauerarbeiten betraut wurden. Solche Arbeiter bildeten aber bei il^r geringen Bekanntschaft mit den unterirdischen Gefahren selbst eme stete Gefahr für sich und ihre Mitarbeiter. Bei dieser mangelhaften Ausbildung mußte außerdem die für die Sicherheit beim Bei^werks- betriebe so notwendige Disciplin der Arbeiter leiden. Die Zunahme der Unfälle auf den preußischen Steinkohlengruben in den beiden letzten Jahrzehnten muß zu einem großen Teile auf die ungenügende Schulung der verunglückten Arbeiter oder ihrer Mitarbeiter zurückge- führt werden i<>.

Man ist deshalb in neuerer Zeit in den Bezirken, wo die genannten Uebelstände besonders hervorgetreten waren, nämlich in den Ober- bergamtsbezirken Breslau und Dortmund, sowie in Saarbrücken, und wo bis dahin keine polizeiliche Bestimmung bestand, welche, wie im Oberbergamtsbezirk Halle, es verbot, in der Hauerarbeit unerfahrene Arbeiter bei dieser allein anzulegen, dazu übergegangen, durch Polizei- verordnung oder Arbeitsordnung die Uebertragung selbständiger Hauer- arbeiten von einer gewissen Vorbildung abhängig zu machen.

So bestimmt die Allgemeine Bergpolizeiverordnong des Oberberg- amtes zu Breslau, daß Arbeiter, welche nicht mindestens 1 Jahr lang als Lehrhauer unter Aufsicht eines erfahrenen Hauers gearbeitet haben^ bei der Hauerarbeit nicht allein angelegt werden dürfen. Nach den von den Verwaltungen der staatlichen Steinkohlengruben bei Saarbrücken Ende 1892 erlassenen Arbeitsordnungen kann da- selbst kein Arbeiter Vollhauer werden, der nicht mindestens 2 Jahre Schlepper und 1 Jahr Lehrhauer gewesen ist und seine Befllhigang durch eine praktische Probe nachgewiesen hat. Die bereits mit 16 Jahren angenommenen, unter Tage beschäftigten Arbeiter müssen 6 Jahre Schlepper und 2 Jahre Lehrhauer gewesen sein, ehe sie Vollhauer werden können, doch kommt hierbei die Zeit der Militärpflicht in Anrechnung.

Die am 28. Mai 1894 erlassene Bergpolizeiverordnung des Ober- bergamtes zu Dortmund schreibt vor, daß zur selbständigen Aus- führung von Hauerarbeiten nur solche Personen zugelassen werden sollen, welche das 21. Lebensjahr vollendet^ wenigstens 8 Jahre in der Ghrube gearbeitet haben und während dieser Zeit mindestens 1 Jahr mit Hauer- arbeiten unter Aufsicht eines selbständigen Hauers beschäftigt gewesen sind. Wird die Lehrzeit durch Ableistung der Militärdienstpflioht unter- brochen, so darf die Militärzeit bis zu 1 Jahre auf die S-jährige Lehr- zeit — jedoch mit Ausschluß des fär die Erlernung der Hauerarbeiten bestimmten Jahres angerechnet werden.

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Hygiene der Berg- und Tmmelarbeiter. 243

Das großbritannische KoUenbergwerksgesetz vom 16. Sep- tember 1887 sieht ebenfalls eine gewisse Lehrzeit f&r die selbständig arbeitenden Hauer vor. Danach dturf ein Arbeiter, welcher noch nicht als Hauer bei der Kohlen- oder Eisensteingewinnung beschäftigt gewesen iatf nicht eher allein als Hauer vor dem AbbaustoBe arbeiten, als bis er eine 2-j&hrige Erfahrung in solchen Betrieben unter Aufsicht eines er- fahrenen Hauers hinter sich hat oder nur dann, wenn er früher 2 Jahre hindurch in einem Bergwerk vor dem Abbaustofle oder im Zusammen- hang damit beschäftigt gewesen ist.

Von großer Bedeutung fQr den Arbeiterschutz beim Bergbau ist eine angemessene Regelung der täglichen Arbeitszeit. Unzweifel- haft kann eine übermäßige Dauer derselben, wie sie sich früher infolge der unbeschränkten Zulassung sogenannter üeberschichten und Neben- schichten vielfach herausgebildet hatte, leicht zur Gefährdung der Gto- sondheit und selbst des Lebens der Arbeiter führen. Oanz besonders wird eine solche Regelung in den Fällen nötig sein, wo die Arbeit bei hoher Temperatur oder großer Nässe ausgeführt werden muß oder wo durch üebermüdung und dadurch bedingten Mangel an Aufmerksamkeit gewisser Arbeiter auf ihre dienstlichen Verrichtungen Leben und Gto- snndheit zahlreicher anderer Arbeiter gefithrdet werden kann. Dies trifft namentlich zu bezüglich der die Seilfahrt bedienenden Arbeiter, der Anschläger, Abnehmer, Maschinenwärter u^ s. w.^^

Diese Erwägungen haben in Preußen dazu geführt, den Oberberg- lUntem durch Art V der Berggesetznovelle vom 24. Juni 1892 die Be- fugnis zu erteilen, für solche Betriebe, in welchen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorzuschreiben und die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen zu erlassen, eine Befugnis, wie sie für die gewerblichen Betriebe dem Bundesrat durch die Gewerbe- ordnung beigelegt worden ist

In den Fällen, wo sich aus übermäßiger Arbeitszeit eine unmittel- bare und augenfällige Gefahr für Gesun&eit und Leben der Arbeiter ergab, sind übrigens die Bergbehörden bereits früher auf Grund der §§ 1% ff. des Allg. Berggesetzes eingeschritten. So ist z. B. durch einzelne Verordnungen bei Temperaturen von mehr als 29 bezw. 30® C. eine längere als 6-stündige Arbeitszeit verboten, ebenso ist die Arbeits- zeit der bei der Seilfahrt thätigen Arbeiter in angemessener Weise be- schränkt worden. Für die Arbeitszeit bei nassen Arbeiten sind bisher behördliche Vorschriften nicht erforderlich gewesen, weil sich bei diesen, namentlich bei Schachtabteufongsarbeiten, die 6-stündige Schicht schon von selbst «mgißbürgert hatte.

In Oesterreich ist durch ät» Cksetz vom 21. Juni 1884 die Schicht- dauer beim Bergbau auf 12 Stunden, die wnkliche Arbeitszeit während derselben auf 10 Stunden beschränkt. Der Begin» der Schicht wird nach der Zeit der Einfahrt, ihre Beendigung nach der Zeit der vollendeten Ausfahrt berechnet. Ausnahmen hiervon kann der Ackerbauminister für hochgelegene Bergbaue der Alpenländer mit der Maßgabe bewilligen, daß die Zahl von 60 wirklichen Arbeitsstunden in der Woche nicht über- schritten werden darf. Die Berghauptmannschafib ist ermächtigt, im Falle

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außerordentlicher Ereignisse oder zeitweiligen dringenden Bedarfes nach Zahl nnd Dauer beschränkte üeberschichten zu gestatten.

Abgesehen von den erwähnten Bestimmungen bestehen speziell fOr den Bergbau keine gesetzlichen oder polizeilichen Beschränkungen der Arbeitszeit Seit einiger Zeit gehen jedoch die Bestrebungen der Berg- leute in fast allen Ländern auf gesetzliche EinfQhrung der 8-stündigen Schicht einschl. Ein- und Ausfahrt für die Arbeiter unter Tage.

Gegenwärtig ist die Arbeitszeit beim Bergbau in den einzelnen Ländern und Bezirken sehr verschieden. i<ür den größten Teil der Arbeiter unter Tage beträgt die übliche Schicht einschl. der Zeit für die Ein- und Ausfahrt beim Steinkohlenbergbau im nieder- rheinisch-westfälischen Bezirk, in Aachen und Saarbrücken 9, in Nieder- schlesien 10, in Oberschlesien teils 10, teils 12 Stunden ; beim übrigen Bergbau schwankt sie zwischen 8^1^ und 11 '/^ Stunden. Bei einer Arbeitsdauer von über 10 Stunden werden meist r^elmäßige Pausen bis zu 2 Stunden eingehalten ^^. In Großbritannien verfahren die Hauer in Durham-Northumberland nur T—T^/s-stündige Schichten (die Ein- und Ausfahrt mit eingerechnet), die Förderleute dagegen 10 11 -stün- dige, in Südwales wird von beiden Arbeiterklassen 10— lOVs Stunden gearbeitet. Nach dem Parlamentsbericht vom 8. Juli 1890 betrug die Arbeitszeit einschl. Ein- und Ausfahrt der Arbeiter unter Tage im Ver. Königreiche im Mittel 8 Stunden 36 Minuten, die wirkliche Arbeitszeit vor Ort 7 Stunden 26 Minuten ^ *. Die Tagearbeiter haben, abge- sehen von den die Seilfahrt bedienenden Personen, fast überall 10 12- stündige Schichten, einschl. der bis zu 2 Stunden betragenden Pausen.

In einzelnen Bezirken, wie in Saarbrücken, ist die normale Arbeits- zeit im Jahre 1890 herabgesetzt worden. Aber auch in anderen Be- zirken, wo sie keine Kürzung erfuhr, wie im niederrheinisch-westfUischen, ist dennoch infolge des Bergarbeiterausstandes im Jahre 1889 die Ar- beitsdauer durch den Wegfedl oder die erhebliche Einschränkung der Ueber- und Nebenschichten sehr zurückgegangen.

Auf den Bergwerken mit einer Förderschicht fällt diese in der Regel in die Zeit zwischen morgens 6 Uhr und abends 6 Uhr, auf den mit zwei Förderschichten wird meist in der Zeit von morgens 5 Uhr bis abends 10 Uhr gearbeitet Nachts werden utiter Tage fast nur Reparaturen und solche Arbeiten vorgenommen, welche besondere Eüe erfordern ; über Tage beschränkt sich die Nachtarbeit auf die Bedienung der Maschinen, Kessel und Koksöfen und die Reinigung der Sicher- heitslampen. Sonntags wird unter Tage nur höchst selten gearbeitet und dann auch nur, wenn es sich um schnelle Erledigung gewisser Notarbeiten handelt, die in den Werktagen ohne Störung des Betriebes nicht ausgeführt werden können. Die Arbeiten über Tage bestehen fast lediglich in der Instandhaltung der Wasserhaltung und Wetterführung, sowie in der Wartung der Koksöfen. Durch die am 1. April 1895 in Kraft tretenden Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Sonntagsruhe wird eine Aenderung in dieser Beziehung nicht hervorgerufen.

b) Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter.

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern auf Bergwerken unterliegt in fast allen Staaten gewissen gesetzlichen Beschränkungen. In Deutschland finden die Bestimmungen der §§ 135

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 245

bis 139b der Oewerbeordnung (vgl Roth, Allgem. Gewerbehygiene, Bd. VIII d. Handb.) auch auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken Anwendung.

Die Beschäftigung weiblicher Personen unter Tage ist in fast allen Staaten hauptsächlich mit Rücksicht auf die schweren sitt- lichen Gefahren, welche sie in sich schließt, verboten. Sie findet heute wohl nur noch in Belgien statt. Aber auch hier dürfen nach dem Ge- setz vom 13. Dezember 1889 vom 1. Januar 1892 ab nur noch Mädchen und Frauen über 21 Jahre, sowie diejenigen Arbeiterinnen unter 21 Jahren unter Tage beschäftigt werden, welche bereits vor diesem Tage bei unter- irdischen Arbeiten thätig gewesen sind. Für die letzteren Arbeiterinnen, für welche die Nachtarbeit verboten ist, ist nach der Königl. Verord- nung vom 15. März 1893 die Schichtdauer auf 11 Stunden begrenzt. Hierin ist die Zeit für die Ein- und Ausfahrt, sowie für die auf ^/g der Schichtdauer vorgeschriebenen Ruhepausen einbegriffen ^^. Im Jahre 1893 arbeiteten auf den belgischen Steinkohlengruben noch 2172 weibliche Personen unter Tage, davon waren 623 über 21 Jahre, 1505 zwischen 16 und 21 und 44 zwischen 14 und 16 Jahren alt ^^. Die Beschäftigung dieser Arbeiterinnen besteht in dem Beladen, Transportieren, Haspeln, Bremsen der Förderwagen, im Schienenlegen und Berge versetzen ^*.

Ueber Tage werden weibliche Personen hauptsächlich bei der Förderung, Verladung und Aufbereitung verwandt. In Deutschland ist ihre Beschäftigung nur auf den oberscUesischen Bergwerken von Be- deutung. Im Jahre 1893 waren auf den Bergwerken Deutschlands 11 651 Ar- beiterinnen (einschl. der jugendlichen), = nahezu 3 Proz. der Belegschaft, tbätig, davon allein 8902 in Oberschlesien ^ "* . Hinsichtlich der Beschäftigung von Arbeiterinnen auf Steinkohlenbergwerken, Zink- und Bleierzbergwerken und auf Kokereien im Regierungsbezirk Oppeln hat der Bundesrat durch Bekanntmachung vom 24. März 1892 Ausnahmebestimmungen erlassen. Hiemach dürfen auf diesen Werken Arbeiterinnen bei gewissen Förder- ungs-, Verladungs- und Aufbereitungs- u. s. w. Arbeiten auch fernerhin zur Nachtzeit beschäftigt werden. Die Dauer der Schicht darf 10 Stunden nicht überschreiten und muß durch einen oder mehrere Pausen in der Oesamtdauer von mindestens 1 Stunde unterbrochen sein, die (xesamt- dauer der wöchentlichen Beschäftigung darf nicht über 60 Stunden be- tragen. Auf den Werken, deren Betrieb auf eine doppelte tägliche Arbeitsschicht eingerichtet ist, dürfen Arbeiterinnen über 16 Jahre mit den vorbezeichneten Arbeiten nicht länger als 8 Stunden beschäftigt werden, zwischen welchen eine mindestens halbstündige Pause gewährt werden muß. Die erste Schicht darf nicht vor 4^/^ Uhr morgens be- ginnen, die zweite nicht nach 10 Uhr abends schließen. Arbeiterinnen zwischen 16 und 18 Jahren dürfen in der zuletzt bezeichneten Weise nur beschäftigt werden, wenn durch är^iches Zeugnis nachgewiesen ist, daß die körperliche Entwickelung der Arbeiterin die Beschäftigung ohne Gefahr für ihre Gesundheit zuläßt. Auf Arbeitsstätten, wo Ar- beiterinnen nach den vorgenannten Bestimmungen beschäftigt werden, muß neben der nach § 138 Abs. 2 der Gewerbeordnung auszuhängenden Tafel eine zweite angebracht werden, welche diese Bestimmungen in deutiicher Schrift wiedergiebt.

Was das Ausland betrifil, so ist die Arbeitszeit beschränkt: in Großbritannien nach dem Kohlenbergwerksgesetz vom 16. September 1887 far alle weiblichen Personen wöchentlich auf 54, täglich auf 10 Stunden,

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ansschl. Pansen bis zu ^/^ Stande bei ö-stündiger, bis sn 1^/, Standen bei mehr als 8-8tündiger Arbeitszeit, in Belgien nach der bereits er- wähnten Verordnang vom 15. März 1893 för die über Tage beschäftigten Arbeiterinnen zwischen 16 and 21 Jahren aaf 10^/, Standen mit IJnter- brechangen von 1^/, Standen fär Bohepaasen. In Frankreich anter- liegt die Beschäftigang der minderjährigen Mädchen and der Fraaen aof Bergwerken den Bestimmangen des G^etzes vom 2. November 1892. Die Nachtarbeit ist für die geschützten weiblichen Personenin Oesterreich, Großbritannien and Frankreich ontersagt, in Belgien nnr bei Arbeiten in den Lampenstaben gestattet (vgl. im übrigen Eoth, Allg. Cle Werbehygiene , and Blahm, Hygienische Fürsorge fGbr Arbeiterinnen und deren Kinder, Bd. Vill d. Handb.).

Weibliche Arbeiter über 16 Jahre warden im Jahre 1898 beim Steinkohlenbergbaa in Belgien 7271 (einschl. der anter Tage thätigen), d. h. 6 Proz., in Ghx)flbritanmen 4245 ('/g Proz. ^^), beim Bergwerks- betrieb Oesterreichs 2328 (4 Proz.i»), Frankreichs 4524 (3 Proz. der ganzen Belegschaft) beschäftigt'^.

Die Altersgrenze, von welcher ab jugendliche Arbeiter auf Bergwerken beschäftigt werden dürfen, ist festgesetzt: in Spanien bei 9, in Italien bei 9 in oberirdischen, bei 10 in unterirdischen Betrieben, in Großbritannien und Belgien bei 12, in Deutschland und Frankreich bei 13 (ausnahmsweise in Frankreich bei 12), in Oesterreich bei 14 Jahren (ausnahmsweise bei leichten Arbeiten über Tage bei 12 Jahren).

Bezüglich der Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter hat in Deutschland der Bundesrat durch Bekanntmachung vom 1. Fe- bruar 1895 in Abänderung früherer Bestimmungen für diejenigen Ar- beiter märunlichen Geschlechts über 14 Jahre, welche auf Stein- kohlenbergwerken über Tage beschäftigt sind, gewisse Ausnahmen von den Beschränkungen der §§ 136 und 138 der Gewerbeordnung mit folgenden Maßgaben eintreten lassen. Diese Arbeiter dürfen beschäftigt werden: 1) auf den Werken, deren Betrieb auf 8-stündige Schichten eingerichtet ist, bei Arbeiten, welche unmittelbar mit der Förderung der Kohlen zusammenhängen, in 8-stündigen Schichten, wobei ihnen zwischen den Arbeitsstunden eine oder mehrere Pausen in der Ge- samtdauer von mindestens 1 Stunde zu gewähren sind; von den Pausen müssen 2 mindestens je V4 Stunde oder 3 mindestens je

10 Minuten betragen; 2) auf allen Werken in 6-8tündigen Schichten unter W^all der im § 136 Abs. 1 vorgeschriebenen Pause bei Ar- beiten, welche ihren Kräften angemessen sind, sofern die Art des Betriebes an sich Unterbrechungen der Beschäftigung mit sich bringt Die Beschäftigung der genannten Arbeiter darf nicht vor 5 Uhr morg^is binnen und, wo in 2 Tagesschichten gearbeitet wird, nicht nach

11 Uhr abends schließen (am Tage vor Sonn- und Festtagen nidit vor 4 Uhr bezw. nicht nach 1 Uhr nachts). Zwischen zwei Arbeitsschichten muß ihnen eine Ruhezeit von mindestens 12 Stunden gewährt werden. Die Beschäftigung in der bezeichneten Art darf nur erfolgen, wenn durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen ist, daß die körperliche Entwickelang des Arbeiters die für ihn in Aussicht genommene Beschäftigung ohne Gefahr für seine Gesundheit zuläßt. Auf Arbeitsstellen, wo jugend- liche Arbeiter nach Maßgabe dieser Vorschriften beschäftigt werden, muß neben der nach § 138 Abs. 2 der Gewerbeordnung auszuhängenden TaM eine zweite ausgehängt werden, welche diese Vorschriften in deut-

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Kcher Schrift wiedergiebt. Die höhere Verwaltungsbehörde kann ein* zeine Betriebe, in denen jugendliche Arbeiter in der unter 1) bezeich- neten Art beschäftigt werden, auf Antrag von der Angabe des Beginnes und Endes der Pausen in der nach § 138 a. a. O. zu erstattenden An- zeige und von der entsprechenden Angabe in dem Aushang für solche im einzelnen namhaft zu machende Beschäftigungszweige entbinden, bei denen nach der Art der Arbeit regelmäßig mindestens Arbeitsunter- brechungen von der vorerwähnten Dauer eintreten. Diese schriftlich zu erteilende Genehmigung ist jederzeit widerruflich.

In Frankreich ist durch Verordnung des Präsidenten der Eepublik Tom 8. Mai 1893 bestimmt, daß Knaben unter 16 Jahren unter Tage täglich nur 8 Stunden, ausschließl. der Zeit für die Ein- und Ausfahrt und 1 Stunde far Ruhepausen, beschäftigt werden dürfen. Junge Leute von 16 18 Jahren sind zu eigentlichen bergmännischen Arbeiten nur als Gehilfen oder Lehrlinge und nur höchstens 5 Stunden zuzulassen. Ln übrigen sind für die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter die Bestimmungen des Gesetzes vom 2. November 1892 maßgebend (vergl. Both a. a. 0.).

Li Belgien beträgt die Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter unter 16 Jahren unter Tage 10^/, Stunden, einschUeßlio|i Ein- und Ausfahrt und der bis zu ^/^ der Schichidauer betragenden Buhepausen, fär die über Tage 10*/, Stunden mit Unterbrechungen von 1*/, Stunden f&r Buhepausen. Knaben zwischen 14 und 16 Jahren dürfen auch nachts unter Tage bei gewissen Arbeiten beschäftigt werden, jedoch dann nur 10 Stunden.

Li Großbritannien dürfen Kinder unter 13 Jahren über Tage nur 6 Stunden täglich arbeiten, wenn die Beschäftigung an mehr als 3 Tagen in der Woche stattfindet, sonst 10 Stunden. Die Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter von mehr als 13 Jahren über Tage ist dieselbe wie die der Arbeiterinnen (s. S. 245). Unter Tage können Elnaben zwischen 12 und 16 Jahren 54 Stunden wöchentlich und 10 Stunden täglich beschäftigt werden, wobei die Ein- und Ausfahrt eingeschlossen ist Die Nachtarbeit ist för jugendliche Arbeiter untersagt.

Wenn auch die meisten unterirdischen Arbeiten, bei denen Knaben Verwendung finden, nämlich bei der Bedienung von Handventilatoren und Wetterthüren, bei der Förderung, beim Bergeversetzen u. s. w., selbst keine besondere Gefahr bieten, so bringt doch der Aufenthalt unter Tage allgemeine Gefahren mit sich, denen namentlich unerfahrene jugendliche Personen, welche in der Regel nicht genügend beaufsichtigt werden können, ausgesetzt sind.

Unstreitig ist aber auch ein großer Teil der unterirdischen Arbeiten, bei denen Knaben beschäftigt werden, der körperlichen Entwickelung nachteilig, in welchem Maße, hängt außer von der Art der Arbeit selbst von mancherlei Umständen ab, in erster Linie von der Häufig- keit und der Dauer der dabei eintretenden Unterbrechungen, von der Höhe der Arbeitsräume und von der dadurch bedingten Körperlage, bei der die Arbeit ausgefiUirt werden muß, u. s. w. Ganz besonders anstrengend und aufreibend ist die Arbeit der Kinder in den Schwefel- bergwerken Siciliens, wo dieselben schwere Erzblöcke an schmalen Leitern in Schächten von 150 m Tiefe und darüber herauftragen mflssen'^. Die internationale Arbeiterschutzkonferenz empfahl, die untere Altersgrenze, von welcher ab Kinder zu unterirdischen Arbeiten

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MEISSNER,

zugelassen werden sollten, in den nördlichen Ländern auf 14, in den südlichen auf 12 Jahre festzusetzen^^. In Preußen untersagte der £rlaß der Minister für geistliche etc. Angelegenheiten, für Handel, Ge- werbe und öffentliche Arbeiten und des Innern vom 12. August 1854 die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter unter Tage vor vollendetem 16. Lebensjahre. Für die Mansfelder Gruben wurde dieses Verbot später auf die Knaben unter 14 Jahren beschränkt Diese Vorschrift ist jedoch nach Erlaß der Gewerbeordnung von 1869 außer Kraft ge- treten. Die Verwendung von Knaben zu unterirdischen Arbeiten wunle von da ab wieder gestattet Das Oberbergamt zu Halle beschränkte sie aber auf Arbeiten, die der körperlichen Entwickelung nicht schäd- lich seien, und das Oberbergamt zu Dortmund verbot die Anlegung von Knaben als Wagenstößer oder Pferdetreiber. In letzter Zeit ist jedoch das Oberbergamt zu Dortmund wieder auf den früheren Standpunkt zurück- gekehrt und hat in seiner bereits erwähnten Polizeiverordnung vom 28. Mai 1894 überhaupt jede unterirdische BeschMtigung von Knaben unter 16 Jahren untersagt.

Infolge der gesetzlichen und polizeilichen Beschränkungen, vod denen sich namentlich die über die Einhaltung bestimmter Pausen mit dem unterirdischen Betriebe schwer vereinbaren lassen, hat die Be- schäftigung jugendlicher Arbeiter unter Tage in Preußen im Laufe der letzten Jahre mehr und mehr abgenommen und ist zur Zeit ziem- lich unbedeutend. Sie beschränkt sich größtenteils auf den Mansfelder Kupferschieferbergbau, wo das Ziehen (Trecken) der Förderhunde in den engen und niedrigen Streben nur von Knaben ausgeführt werden kann (s. h. unten Förderung).

Dagegen finden die jugendlichen Arbeiter über Tage noch in ausgedehntem Maße Verwendung, vornehmlich bei der Verladung und Aufbereitung. Diese Arbeiten sind im allgemeinen nicht anstrengend und können auch nicht als gesundheitsschädlich angesehen werden. Da- gegen sind sie nicht ungefährlich; es verunglücken jährlich nicht wenige jugendliche Arbeiter. Man legt jedoch mit Recht auf diese Beschäftigung um so mehr Wert, als man in ihr eine vorzügliche Vorbildung für die spätere unterirdische Thätigkeit sieht, indem die jugendlichen Arbeiter bereits über Tage an die später zur Verhütung der weit größeren unter- irdischen Gefahren so notwendige Aufmerksamkeit, Vorsicht und Disciplio gewöhnt werden.

Die nachstehende Zusammenstellung giebt eine Uebersicht über die Zahl der im Jahre 1893 beim Bergwerksbetriebe Preußens, Oester- reichs und Frankreichs, sowie beim Steinkohlenbergbau Großbritanniena und Belgiens beschäftigt gewesenen jugendlichen Arbeiter unter 16 Jahren.

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18) Watte-Krftmmer, a. a. O. 8, 86.

in

12)

18)

14) Zeitsehr. /. Bergrecht, 86. Bd. 42.

16) Han4, Statt

Statittiqus des mmes eU. (1898) 6.

16) RisuUeU de Venquite sur la Situation des ouvriers dans les mines ete. de la Belgique (1869).

17) Statistik des Deutseken Reiches, 4. Vierteljahrskeft (1894), Die Bergwerke, Salinen und Hütten eU,, während des Jahres 1893.

18) Summaries of the Statistical portion of the reports of her majestg*s impeetors of mines (1898) 8.

Statistisches Jahrbuch des k, k, Ackerbauministeriums für 1898, 2. Hrft 2. Lief, 82. Stettistique de Vindustrie minirale tte, en Iranoe et en AlgMe p. Va. 1898, 86.

21) Die Protokolle der internationalen Arbeiterschutekonferenm (1890) 189.

22) Ebenda 98.

28) Jahresberichte der KOnigl, preu/s. Regierungs^ u. Oewerberäte u. Bergbehörden für 1 893^ 479. 4

19) 20)

B. Die besonderen Betriebsgefahren und deren YerhUtnng ^.

I. Ffir die Arbeiter unter Tage.

a) Die Ein- und Ausfahrt und die Fahrt zu und von der

Arbeitsstätte.

Da, wo Stollen oder schwach geneigte Strecken den Zugang zu den unterirdischen Arbeitspunkten bilden, bietet die „Fahrung'^ wenig Bemerkenswertes. Wo stark geneigte oder saigere Schächte zur Ein- nnd Anfahrt benutzt werden müssen, erfolgt diese auf Leitern (Fahrten)^ auf FiJirkünsten oder auf dem Fördergestell.

Auf der Fahrt bewegt sich der Fahrende beim [Abwärtssteigen rückwärts, wobei er seine Grubenlampe am Daumen zu tragen pflegt. Damit das Ab- und Aufsteigen möglichst bequem und ungefährlich statt- finden kann, sind besondere Einrichtungen getroffen und größtentefls überall bergpolizeilich vorgeschrieben. Die Fahrten dürfen nicht über 80^ Neigung haben und sind auf Ruhebühnen aufzustellen. Ueber letzteren, welche nicht mehr als 8—10 m Abstand haben sollen, müssen entweder die Fahrten wenigstens 1 m hervorragen, oder es müssen Handgriffe angebracht sein. Das Fahrtrumm (vergl. Fig. 2) ist gegen

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anstoßende Tmmme dicht abzuschließen, um ein seitliches Abstfirzen des Fahjrenden oder eine Beschädigung durch sich bewegende Förder- gefäße oder Pumpen zu verhindem. Die im Schachte niedergehenden Wasser werden abgefietngen, damit die Fahrenden yor Nässe geschützt sind.

Bei Tiefen yon mehr als 200 m wird das Fahren auf der Fahrt, namentlich das Ausfahren, bereits sehr anstrengend und gesundheits- schädlich. Fast die gesamten Bewegungsorgane werden dabei in An- spruch genommen und die Herzthätigkeit beschleunigt Haerting und Hesse beobachteten auf den Schneeberger Gruben in Sachsen bei ausfahrenden Bergleuten, wdche in einer halben bis einer Stunde aus einer Tiefe bis zu 382 m aufgestiegen waren, eine Pulsbeschleunigung, welche 168 Schläge, und eine Atemfrequenz, welche 42 Zflge in der Minute erreichte. Durch eine Reihe von Jahren fortgesetztes Fahrten- steigen können organische Veränderungen in der Herzmuskulatur und eine Vergrößerung des Herzens herbeigeführt werden.

Aus diesem Grunde läßt man in tiefen Schächten die Belegschaft entweder auf Fahrkünsten oder, was zur Zeit die Regel bildet, am Seile ein- und ausfahren und die Fahrten nur in Notfülen benutzen.

Die Fahrkünste stehen zur Zeit hauptsächlich nur noch im Harz, in Belgien und England in Anwendung. Sie bestehen aus zwei mit Tritten und Handgriffen versehenen, etwa 70 cm entfernten Ge- stängen, welche auf maschinellem Wege abwechselnd um eine bestimmte Länge auf und ab bewegt werden. Zwischen jeder Auf- und Abwärts- bewegung tritt eine kurze Pause ein, welche der Fahrende benutzt, um von dem Trittbrett des einen Gestänges auf das andere überzu- treten. Hierdurch gelangt er in die Tiefe oder aus der Grube zu Tage.

Die Fahrkonst im Eönigin-Harienschachte bei Clausthal befördert bei 3,84 m Hubhöhe und 3,75 Hüben in der Minute in 1 Stunde 40 Minuten 300 Mann auf 652 m Tiefe.

Zum Schutze gegen herabfallende Gegenstände befinden sich über den Handgriffen Blechdächer. Die Gestänge sind zur Verhinderung ihres Absturzes bei etwaigem Bruche mit Fangvorrichtungen versehen. Seitlich von ihnen sind Signalapparate angebracht, welche es dem Fahrenden ermöglichen, Notsignale zu geben. Trotz dieser Vorkehrungen sind Unfälle nicht selten. Sie sind meist durch Unvorsichtigkeit beim Uebertreten von dem einen Gestänge auf das andere veranlaßt, nament- lich wenn gleichzeitig auf derselben Fahrkunst ein- und ausgefahren wird. Man hat deshalb die Fahrkunst auf dem neuen Tiefbauschacht bei Clausthal zweiseitig eingerichtet, d. h. auf zwei Seiten jedes Ge- stänges Handgriffe und Trittbretter angebracht und läßt die einfahrende Mannschaft auf der einen, die ausfahrende auf der anderen Seite fahren *.

Die am wenigsten anstrengende Art des Ein- und Ausfahrens ist die Seilfahrt, die Fahrt auf dem Förderkorbe (vergl. Fig. 12). Auch braucht der einzelne Mann bei ihr die geringste Zeit Um in eine Tiefe von 500 m zu gelangen, sind bei der Seilfahrt heute meist nicht mehr als 2^/t— 3Vs Minuten nötig; auf einer Fidirkunst, welche bei 4 m Hubhöhe 5 Spiele in der Minute macht, würden hierzu 12 Vt Minuten erforder- lich sein. Aber auch zum Einhängen der ganzen Belegschaft wird auf tiefen Gruben mit großer Arbeiterzahl, wenn die Leute, wie dies wenig-

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter. 251

stens anf Stemkohleograben gewöhnlidi der Fall ist, nur nach ein oder zwei Punkten gefördert zu werden brauchen, bei den jetzigen Einrich- tungen, wo auf zwei- oder mehretagigen Förderkörben vidCach bis zu 30 Personen auf einmal eingelassen werden, weit weniger Zeit bean- sprucht, als zur Einfahrt auf der Fahrkunst notwendig sein würde.

Fig. IS. Eiofabrt am Seil.

Die Seilfahrt gilt aber heute nicht nur als das bequemste, sondern bei den immer mehr vervollkommneten Sicherheitsvorkehrungen und infolge der ausgedehnten, für sie erlassenen polizeilichen Vorschriften audi als das sicherste Fahrmittel. Im Durchschnitt der Jahre 1883 bis 1892 verunglückten z. B. in Preußen von 1000 Mann, welche zur Fahrung benutzten^

die Fabrkanit 0,i86 Mann die Fahrten o,05S das Seil o,04S i,

Gegenwärtig findet deshalb die Seilfahrt auf fast allen größeren Gruben des In- und Auslandes, insbesondere auf den Steinkohlengruben Anwendung. So benutzten in Preußen im Jahre 1893 zur Fahrung

die Fahrkanst 3 402 Mann die Fahrten 43 768 ,,

das Seil 193 042 ^ v

Die wesentlichsten zur Sicherung der Seilfahrt getroffenen Einrichtungen sind folgende:

Der Ford er korb ist mit einem festen Dach aus Eisenblech ver-

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sehen, welches die Fahrenden vor herabfallenden Gegenständen and vor Nässe schützt. Er wird mittels Thüren dicht abgeschlossen, so* daß niemand herausfallen oder mit einem Körperteil oder Kleidungs- stück der Zimmerung zu nahe kommen kann. Zur Verhinderung des Absturzes wenlen meist Fangvorrichtungen am Korbe ang^icacht. Die Wirkung der letzteren beruht darauf, daß eine durch das Seil' an- gespannte Feder beim Freiwerden des Korbes einen Mechanismus in Bewegung setzt, welcher den Korb an die Leitung festklemmt. Dieses Festklemmen darf jedoch wegen der sonst unvermeidlichen starken Er- schütterungen nicht plötzlich, sondern nur allmählich geschehen.

Als Beispiel einer allmählich wirkenden Fangvorrichtung sei hier die in letzter Zeit mehrfach angewandte Münz n er 'sehe Fangvorrich- tung angeführt. Ihre Einrichtnng ist aus Fig. 13 a und b ersichtlich.

Wird auf irgend eine Weise das Fördergestell vom gespannten Seile frei, kann also die Feder F sich ausdehnen, so drückt sie den aus den Teilen üü bestehenden Bahmen am Gestell nach unten. Auch die in dem Eabmen liegenden Drehpunkte D der Fänger K folgen dieser Be- wegung abwärts in der Acbsenrichtung des Gestells. Aus der nach dem Leitungsbaume hingeneigten Lage gelangen sie dabei, da ihre Auflagerung bei A der Bewegung des Eahmens nicht mit folgt, in mehr wagerechte Lage und dadurch zum Eingriff in den Leitungsbaum und zum Anschlagen an die über A liegende Fläche B, Da aber jener Eingriff nur bis zu einer gewissen Tief^ stattfindet, so werden sie vom Leitungsbaume nicht plötzlich festgehalten. Sie gleiten vielmehr, tiefe Furchen im Holze ziehend, an ihm auf eine gewisse Länge herab, bis durch die Arbeit, welche sie hierbei verrichten müssen, diejenige Arbeit wieder aufgezehrt ist, welche dem fallenden Fördergestell innewohnt, bis also das Gestell ruhig an den Leitxmgsbäumen hängt '.

Von den vielen bisher konstruierten Fangvorrichtungen hat sich noch keine unbedingtes Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit erwerben können. Immerhin kann nach den bisherigen Erfahrungen ihr Wert nicht gering angeschlagen werden.

So traten z. B. bei 79 Seilbrüchen, welche in den Jahren 1884 bis- 1890 auf den Steinkohlengruben des Königreichs Sachsen vorkamen, in 60 Fällen die Fangvorrichtungen in Thätigkeit *.

Die beste Sicherung gegen den Absturz des Förder- korbes bleibt immer ein gutes Seil neben einer inallen Teilen genügend kräftigen und richtig konstruierten Maschine, sowie einer aus- reichend starken und sicheren Verbindung des Korbes mit dem Seil.

Die Seile, von denen man mehr und mehr die Oußstahldrahtseile vor den Seilen aus Eisendraht oder Aloe bevorzugt, werden so stark gewählt, daß sie jederzeit noch eine mindestens 6-fache Sicherheit bei der Produktenförderung und damit eine noch größere bei der Menschen förderung, bei welcher die Belastung des Förderkorbes nicht halb so groß sein darf, gewähren. Wird durch Versuche an abge- hauenen Seilstücken gefunden, daß die Tragfähgkeit des Seils jene 6-fache Sicherheit nicht mehr bietet, so muß das Seil abgelegt werden. Zu diesen Versuchen benutzt man das letzte Stück des SeUendes, an

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter. 253

irelchem der Förderkorb befestigt ist und welches, da es erfahrungs- gemäß am meisten leidet, gewöhnlich nach wenigen Monaten abgehauen werden muß.

Um die Seile in möglichst gutem Zustande zu erhalten, empfiehlt ^s sich, alles zu vermeiden, wodurch die Drähte leicht verscUeißep •oder brüchig werden oder plötzliche Stöße erleiden. Es ist deshalb besonderer Wert darauf zu legen, daß die Seile häufig geschmiert werden, •und daß die Seiltrommeln, auf welche sich die Seile auf- und ab- wickeln, die Seilscheiben, über welche sie in den Schacht geführt werden.

Fig. 18 1

I I 1

Fig. 18b. Münzne r *9che Fangvorrichtang.

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aoYfia die Vorrichtungen zmn Aufsetzen der FörderkOrbe zweckm&Sig konstruiert sind. Der Führer der Fördermaschine darf aus demselben Grunde die Maschine zu Beginn des Treibens nicht plötzlidi in Be- wegung setzen und sie ebensowenig am Ende desselb^ plötzlich ans dem Zustand der Bewegung in den der Ruhe überführen.

Bei zu schneller Fahrt oder Unachtsamkeit des Maschinenf&hr^rs kann der aufgehende Korb über die Seilscheibe getrieben oder der niedergehende zu stark auf die Aufsatzvorrichtungen aufgesetzt werden. Die Geschwindigkeit bei der Seilfahrt darf deshalb in Preußen im allgemeinen nicht über 4, ausnahmsweise nicht über 6 m in der Sekunde gesteigert werden. Damit der Führer genau über die Geschwindigkeit, mit welcher erfährt, über den jedesmaligen Stand der Förderkörbe im Schacht und über die bevorstehende Beendigung der Fahrt unterrichtet ist, sind an der Maschine Apparate angebracht, welche ihm dies anzeigen. Mittels einer Bremsvorrichtung ist er in der Lage, die Maschine jeden Augenblick leicht zum Stillstand zu bringen. Diese Bremsvorrichtung wird zur Verhütung des Uebertreibens des Förderkorbes neuerdings so eingerichtet, daß sie selbstthätig in Wirksamkeit tritt, sobald der Korb eine gewisse Höhe über der Hängebank erreicht hat Man wendet auch zu demselben Zweck noch besondere Vorrichtungen an, welche den zu hoch gezogenen Korb vom Seile audösen und auffangen sollen. Völlig brauchbare Ein- richtungen, um ein zu starkes Aufsetzen des Korbes am Füllort zu verhindern oder für die Mannschaft unschädlich zu machen, giebt es noch nicht Man hat hierzu vorgeschlagen, die Au&atzvorrichtungen selbst oder die Böden oder Sitzbretter auf dem Förderkorbe elastisch herzustellen oder Aufhängevorrichtungen auf ihm anzubringen, an welchen sich die Fahrenden hängen sollen, wenn der Korb in Sie Nähe des Füllortes kommt. Es haften diesen Einrichtungen jedoch schwer- wiegende Nachteile an, welche ihrer allgemeinen Verbreitung in der Praxis entgegenstehen dürften'^.

Die Verständigung über Beginn undEnde jederFahrt wird durch Signale bewirkt, zu deren Abgabe nur besonders beauf- tragte, zuverlässige Personen (die Signalgeber, Anschläger) befugt sind. Der Maschinenführer darf die Maschine nicht eher in Gang setzen, als bis er von dem Anschläger an der Hängebank das Zeichen hierzu er- halten hat, und dieser darf es nicht eher geben, als bis das eriorder- liche Signal vom Füllort gekommen ist

Um den Fahrenden selbst die Möglichkeit zu gewähren, in Not- fäUen vom Korbe aus Zeichen zu geben, sind auf diesem selbst oder von ihm leicht erreichbar im Schachte Signalvorrichtungen angebracht

An den Ein^ und Aussteigepunkten muß der Schacht während dm Auf- und Niedergehens der Förderkörbe durch Thüren oder Gitter ab- gesperrt sein. Diese richtet man jetzt meist so ein, daß sie durch den Förderkorb selbstthätig geöffnet und geschlossen werden (vergl. Fig. 12).

Für die Sicherheit bei der Seilfahrt ist es von besonderer Wichtig- keit, daß alle Einrichtungen regelmäßig und zwar die Seile, deren Be- festigung an der Seiltrommel und am Förderkorbe, die Fangvorrichtung, der Teufenzeiger, die Bremsvorrichtung täglich, vor Beginn der Seilfahrt auf ihren guten Zustand untersucht werden. Zur Kontrolle des MaschinenfQhrers empfiehlt es sich, den Apparat, welcher die Ge- schwindigkeit während jeder Fahrt anzeigt, selbstregistrierend einzu- richten.

Die Länge der Wege, welche die Bergleute in der Grube zurück-

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zulegen haben, um zu ihrer Arbeitsstätte zu gdaugen, ist sehr «yer- schieden. Der Umstand, daß beim Vorhandensein mehrerer Lagerstätten diese nicht gleichzeitig in Angriff genommen zu werden pflegen, sondern der Bau der einen dem der anderen vorangeht, sowie die Art der Ge- winnung der einzelnen Lagerstätte in Sohlen, von denen immer mindestens eine im Abbau und eine in der Vorrichtung begnfien ist, bringen es mit sich, daß in der Begel ein Teil der Betriebe in der Nähe des Forderschachtes, der meist zugleich Ein- und AusCedirtschacht ist, ein anderer Teil in der Nähe der Feldesgrenzen umgeht. Je nach der Größe des Grubenfeldes und der Lage des Förderschachtes in dem- selben können die längsten AnMrwege nur wenige Minuten oder aber audi mehr als Vt Stunde betragen.

Die Hauptförderstrecken, die gewöhnlich zugleich die Hauptanfahr- wege fOr die Belegschaft bilden, lassen sich im allgemeinen ohne Be- schwernis durchschreiten, wenn sie den Fahrenden auch nicht immer oder nicht überall ein Aufrechtgehen ohne Neigen des Kopfes gestatten. Es empfiehlt sich für den Fall, daß in solchen Strecken Wasser- oder Luftleitungsröhren an der Firste entlang geführt sind, die Flanschen der Röhren weiß anzustreichen, damit sie der Fahrende schon von weitem sieht und nicht gegen sie anrennt

Die Wege von der Hauptfahrstrecke durch die Fahrüberhauen und Abbaustrecken sind dagegen weit weniger bequem und mitunter sogar anstrengend. In flachliegenden, niedrigen Flötzen müssen diese Strecken,, die zusammen oft mehrere 100 m lang sind, von den Bergleuten in. gebückter Körperhaltung, mit dem Blick nach oben, um nicht mit dem Kopf an die Zimmerung zu stoßen, durchfahren werden. Dennoch kommt ein solches Anstoßen, besonders in Strecken, welche in Druck geraten sind, häufig vor. Meist aber schützt den Bergmann seine derbe Kopfbedeckung vor ernsten Verletzungen. Zur Erleichterung dea Fahrens bedient er sich gern eines Stockes. In stark geneigten Flötzen oder Gängen ist das Auf- und Abklettern an den Leitern in den Fahr- überhauen vielfach wegen des engen Raumes beschwerlich. Die Abbau- strecken sind dagegen hier höher und daher bequemer zu begehen.

In der Regel bietet die Fahrt zu oder von der Arbeitsstätte keine besondere Gefahr. Verunglückungen auf dieser Fahrt sind [deshalb selten. Die meisten derselben dürften auf nicht sehr tiefen Gruben mit zum Teil unbewachten Ausgängen vorkommen, und dadurch ver- anlaßt sein, daß die betreffenden Arbeiter, um früher Schicht machen zu können, verbotene und daher nicht immer in Stand gehaltene Wege zur Ausfahrt benutzten.

b) Die bergmännischen Arbeiten.

1. Die Sprengarbeit.

Von den Sprengstoffen werden beim Bergbau hauptsächlich ange- wandt fOr nicht sehr feste Gebirgsschichten : das Sprengpulver (Kali- salpeter, Schwefel und Kohle), für sehr feste: Guhrdynamit (Nitroglycerin und Kieseiguhr), Sprenggelatine (Nitroglycerin und Kollodium) und Gelatinedynamit (Sprenggelatine und Salpeterpulver). Daneben sind in neuerer Zeit, besonders in Steinkohlengruben, wegen ihrer verhält- nismäßigen Sicherheit bei Anwesenheit von Schlagwettern und Kohlen- staub cUe sogenannten SidierheitssprengstoSe in Gebrauch gekommen,.

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nämlich WetterdTnamit (Dynamit mit krystallwasserhaltigen Salzen), Karbonit (salpeterhaltiges Dynamit mit Zumischungen von kohlenstoff- reichen organischen Körpern), Roburit (Dinitrobenzol und Ammoniak- salpeter) und die ähnlich zusammengesetzten Sprengstoffe, Sekunt, Dahme- nit, Westfalit u. a.

Das Pulver kommt im Gegensatz zu den anderen genannten Spreng- stoffen, welche von der Fabrik in fertigen Patronen geliefert werden, lose in den Handel. Aber auch Pulver soU nur eingeschlossen in einer Hülse von starkem Papier gebraucht werden, da bei Einführung losen Pulvers in ein nicht ganz trockenes Bohrloch dieser Sprengstoff leicht unwirksam wird, und da außerdem leicht Pulverkömer an der Bohr- lochswand hängen bleiben, welche beim nachherigen Besetzen zur Entr Zündung gelangen und die ganze Ladung zur Explosion bringen können. Die Pulverpatronen unter Tage durch die Arbeiter selbst anfertigen zu lassen, ist dort, wo mit offenem Grubenlicht gearbeitet wird, nicht un- bedenklich. Hierbei sind schon häufig durch unvorsichtige Hand- habung des Lichtes Pulverexplosionen vorgekommen. In England und Belgien und neuerdings im Oberbergamtsbezirk Dortmund ist |es ver- boten, den Arbeitern die Sprengstoffe anders als in Patronenform zu überliefern. Auch in einzelnen anderen] Bezirken Preußens, wie in Saarbrücken, ist diese Art der Verausgabung von Pulver längst ge- bräuchlich.

Sprengpulver kann durch brennende oder glühende Körper un- mittelbar entzündet werden. Hierzu benutzt man einen mit feinkör- nigem Pulver gefüllten Halm mit angehängtem Schwefelfaden oder eine Zündschnur, d. i. ein Hanfgewebe mit eingeschlossener Pulverseele. Die Entzündung der anderen, der sog. brisanten Sprengstoffe, kann dagegen nur durch die Explosion eines anderen Sprengkörpers herbeigefcärt werden. Man bedient sich hierzu der Knallquecksilber -Zündhütchen oder -Sprengkapseln, welche ihrerseits wieder durch eine Zündschnur, auf elektrischem Wege oder durch sog. Reibungszünder entzündet werden. Bei der elektrischen Zündung wird durch den elektrischen Fimken eine explodierbare Mischung (gewöhnlich Schwefelantimon und chlor- saures Kali), in welche die an einem Holzstäbchen oder geteertem Papierstreifen geführten Leitungsdrähte münden, entzündet, von welcher die Explosion auf das Zündhütchen übertragen wird. Bei der Reibungs- zündung bewirkt ein Zug an einem am Ende gezahnten Drahte die Ex- plosion eines Zündsatzes und damit des Zündhütchens.

Die Länge der Schwefelfäden oder der Zündschnüre wird von den Arbeitern so bemessen, daß sie nach dem Anzünden noch genügend Zeit behalten, um sich in Sicherheit zu begeben und etwaige in der Nähe beschäftigte Arbeiter zu warnen. Als Sicherheitsörter werden Seitenstrecken, Nischen oder Schutzverschläge in ausreichender Ent- fernung vom Arbeitspunkte benutzt, hierbei müssen alle Zugänge zur Schußstelle bewacht werden, damit sich ihr kein Unbeteiligter nähert.

Wenn die Zündschnur schlecht gearbeitet oder auf irgend eine Weise beschädigt worden ist, so brennt sie oft viel langsamer ab, als erwartet wird, die Arbeiter begeben sich dann, in der Annahme, der Schuß habe versagt, oder wenn mehrere Schüsse zusammen angesteckt worden sind, zwei Schüsse wären gleichzeitig explodiert, zu früh vor Ort und werden dort oder auf dem W^e dorthin durch die Explosion überrascht. Gerade die häufigsten Unfälle bei der Schießarbeit werden durch verspätetes Losgehen der Schüsse verursacht

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Hygiene der Berg- and Tannelarbeiter. 257

Diese DofftUe siad bd Aowendaog der elektrischeii Zttndmig oder der Beibangszündang ausgeschlossen, da die Erzeugung des dektxischeii Fonkens oder das Anzidiea des Reiouiigsdrabtes vom Sicberheitsort aus geschieht. Die eldctriscbe Zftiiduiig gewährt außerdem den Vorteil^ daS bei ihr am aichersteu mehrere Schüsse gleichzeitig abgethan werden können. Diesen beiden Zündverfahrea haften jedoch noch mancherlei Uebelstände an, welche ihrer allgemeinen Verbreitung bisher hinderiidi gewesen sind. Die elektrische Zttndung verlangt eme sorgfältige Be- handlung (vergl. auch 8. 282), die Anwradung der bisher konstruierten Beibungszflnder erfordert große Vorsicht beim Besetzen der Schlisse, da eine unvorsichtige Handhabung leicht ein unfreiwilliges Losgehen der- selben verursacht. Auch kommen bei beiden Zfindarten häufig Ver- sager vor.

Versager sind auch sonst nicht selten. Sie können ihren Grund haben in einer Zersetzung des Sprengstoffes so werden die gegen Feuchtigkeit sehr empfindlichen Sprengstoffe, Roburit, Earbonit, Sänuit u. a. nadi längerer Lagerung leicht unwirksam, in einer Beschädigung des Zündmittels, in der Anwendung eines zu schwachen Zünd- hütchens oder in einer schlechten Verbindung des Sprengmaterials mit dem Zündmittel. Versagte Pulverschüsse lassen sich durch Einführung eines neuen Zündhalms vielfach noch zur Explosion bringen. In den meisten Fällen wird aber ein versagter Schuß au^^egeben werden müssen. Das sog. Ausbohren des Schusses, d. h. die Entfernung des Besatzes zu dem Zweck, das Bohrloch von neuem zu laden, ist äußerst gefährlich und daher bergpolizeilich untersagt, weil hierbei leicht eine Explosion eintreten kann. Trotzdem wird diese Oe&hr noch häufig mißachtet Um einen versagten Sprengschuß zur Explosion zu bringen, oder unschädlich zu machen, muß in einer gewissen Entfernung in Großbritannien nach dem Kohlenbergwerksgesetz mindestens 6 Zoll ein neuer Sprengschuß abgethan werden.

Das Dynamit und die diesem verwandten Sprengstoffe haben vor dem Pulver u. a. den Vorzug, daß ihre Behandlung im allgemeinen viel ungefährlicher ist. Doch ist immerhin auch bei diesen Sprengstoffen, namentlidi beim Dynamit, Vorsicht geboten. Dynamit geniert bereits bei + 8 ^ C. und ist alsdann durch Enallquecksilber nicht zur voll- ständigen Explosion zu bringen. Dennoch zeigt es sich in diesem Zu- stand im Gegensatze zu seinem gewöhnlichen gegen Stoß und Schlag sehr empfindlich. Gefrorenes Dynamit muß deshalb vor dem Ge- brauch vorsichtig wieder aufgethaut werden. Die Bergleute besorgen dies noch vielfach durch Erwärmen der Patronen auf ihrem bloßen Körper. Am besten geschieht dies jedoch in besonderen Wärme- apparaten. Ebensowenig wie an kalten Stellen, darf Dynamit an Orten gelagert werden, wo es einer Temperatur bis zu 60^ G ausgesetzt ist, da hierbei eine Zersetzung und in deren Folge Explosion ein- tritt Das in Bergwerken benutzte Dynamit wird deshalb zweck- mäßig unter Tage, an sicheren, von dem Schacht und den Betriebs- punkten genügend weiten Punkten gelagert, an denen eine mäßige und sich gleichbleibende Temperatur herrsdit Das gewöhnliche E^amit läßt in nassen Bohrlöchern Nitroglycerin austreten und wird binnen korzem unwirksam. Nicht selten sind Unfälle dadurch verursacht worden, daß das in das Gestein eingedrungene Nitroglycerin durch das zufiUlige Aufischlagen eines Bohrers oder eines anderen Gezähes ex- plodierte. Bei nassen Bohrlöchern verwendet man deshalb besser Ge-

dar HTCfene. Bd. YHI. 17

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2S8 MBI88KBR, i

lafinedjnämit oder Sprenggelatine« welche sich in Wasser nicht yer- ftndem.

; ' Nitrogljrcierin wirkt sehr giftig, und zwar stdlt sich schon bdni VerscUucken sehr winziger Mengen Schwindel, heftiger Kopfischmers tinä: oft BewtiBtloiägkeit ein. Man soll es daher vermeideD, lütch dem Ait&ssen Von Dynamit mit den Fingern den Mond oder die Aiuren zu l)di^en. Bei Vergiftongserscheinungen werden schwarzer Kaffee» kidite Umschläge im Nacken und auf der Stirn, sowie essigsaures Mor* phittnd' empfohlen, letzteres unter ärztlich^ Aufsicht*.

^^ Wenn di6 Spren^toffe gut yerarbeitet sind und bei ihrer Entzttn- dünfe 2ur tollen fS^phmon getengen, so bestehen die Sprenggase haupt- säcWch aus Kohlensäure und Wasser. Diese Gase rufen in geringen Mengen keine nachteiligen Wirkungen hervor. Bei der EntzOndung einei schlecht und ungleichmäßig zusammengesetzten Materials oder \m Anwendung eines zu schwachen ZflndhQtchens bildet sich jedoch neben der Kohlensäure auch Kohlenoxydgas und andere schädliche Oase. Be* gdben sich die Arbeiter zu früh wieder vor Ort, noch ehe die Oase abge^gen sind, so yerfedlen sie in eine Art Trunkenheit und werden bewußtlos. Sogar Erstickungen in Sprenggasen gehören nicht zu den Seltenheiten. Man hat diese Erfahrung sowohl Im dem gewöhnlichen Sprenkpulyer als auch bei den anderen Sprengstoffen, namentlich den Kitrogiycenn enthaltenden, gemacht Die Dynamitgase sollen, wie u. Stapff, Oeorgi und Charon annehmen, meist unzersetztes Nitro- glycerin und auch häufig Stickstoffoxydgase und salpetrige Säure enthalten^ welche die Schleimhaut angreifen, ErstickungsanfUle, heftigen Husten und ein Brennen der Augenlider hervorrufen. Charon rät, bei Vergiftungs- erscheinungen schwarzen Kaffee, noch besser Ammoniak, scbwefelige ^ure oder konzentrierte Essigsäure zur vorsichtigen Inhalation anzu- wenden. W a p p 1 e r glaubt, daß bei Benutzung recht starker Zündhfltchen, gehörigem Emsetzen des Zündhütchens in die Sprengpatrone, guter Verbindung des ersteren mit der Zündschnur einerseits und der Zünd- schnur mit Patrone andererseits, sowie bei ruhigem Einführen derselben ins Bohrloch, dichtem Aufeinanderladen der einzelnen Patronen, Verwen- dung von ganz weichem Dynamit, Ausfallen des Bohrlochs über der Laoung mit trockenem Letten oder Sand alle Bedingungen erfiUlt seien» um völlige Explosion mit unschädlichem Rauche herbeizuführen^.

Bei der häufigen Aenderung, welche die sog. Sicherheitsspreng- stoffe in ihrer Zusammensetzung erfahren haben, hat sich bisher ein endgiltiges Drteil über die Beschaffenheit der von ihnen erzeugten Sprenggase nicht gewinnen lassen. Nach Oeorgi erregten Earbonit- sdiwaden anfänglich Kopfschmerzen und einen üblen Oeruch, den man den ganzen Tag nicht los wurde. Doch änderte sich dies infolge anderer Zusammensetzung des Sprengstoffes. Derselbe Fachmann femd die Oase von Wetterdynamit besonders schädlich, die von Sekurit dagegen nichts was letzteres auch Lohmann bestätigt Burrows giebt an, daß Ro- buritgase eine Vergrößerung der Halsdrüsen und Heiserkeit hervorrufen. Oeorgi, Cockson u. a. halten sie dagegen fOr nicht nachteilig^

lieber die Oefahren der Schießarbeit bei Anwesenheit von Schlag- wettern und Kohlenstaub vergl. unten.

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Hygiene der Berg- und Tmmelarbeiter. 259

Jfld. Die sonstigen Hereingewinnnngsarbeiten und die jf Verzimmerang.

/ Der Sprengarbeit geht vielfach die Schräm- und die Schlitzarbeit voraus, welche bezwecken, die Lagerstätte aas ihrer natürlichen Spannung zn lösen und sie dadurch leichter und vorteilhafter hereinschieBen zu ktanen. In wenig festen Lagerstätten bedient man sich ilurer auch in Verbindung mit anderen mechanischen Arbeiten zur Hereingewinnung des Minerals ohne Zuhilfenahme von Sprengmitteln. Die Schräm- arbeit besteht in der Herstellung eines gewöhnlich bis zu 1 m tiefep sdmialen Einschnitts, des Schrams, in einer unter, aber oder in der Lager- stätte befindlichen weichen Gebirgsschicht oder auch in der Lagerstätte sdbst Dnter der Schlitzarbeit versteht man das Einhauen eines Emschnitts rechtwinklig gegen den Schräm. Sie bildet im allgemeinen nur eine Ergänzung der Schrämarbeit da, wo diese allein zur Lockerung des Arbeitsstoßes nicht ausreicht Beide Arbeiten werden mit der Keilhaue ausgeführt und finden ganz besondere Anwendung beim Eohlen- bcori^au.

In flachfallenden, niedrigen Plötzen, wie sie in den meisten Be- zirken die Regel bilden, muß der Hauer die Arbeit des Schrämens auf der Seite liegend (Fig. 14), die des Schützens knieend, also beide Male

Fig. 14. H«a«r beim Sehrlmen.

in einer für den Körper anstrengenden Haltung ausführen. Auf den Mansfelder Eupferschiefergrubeu liegen die Hauer beim Schrämen auf angesdinallten Brettern, auf denen sie auch vor Ort fahren, da die niedrigen Baue eine andere Lage nicht gestatten.

Da die Kohle nicht in sich selbst verwachsen ist, sondern innere ZerUflftungen (Schlechten) besitzt, und da auch nicht selten Spalten und Bisse das ganze Gebirge durchsetzen, so muß bei diesen Arbeiten die Kohlenbank durch Spreizen oder senkrecht aufgestellte Holzstützen (Bolzen) am vorzeitigen Hereinbrechen gehindert werden. Diese Vor- sichtsmaßregel wird jedoch häufig von den Bergleuten vernachlässigt, weil ihnen die Stützen bei der Arbeit hinderlich sind. Sie verlassen sich dann darauf, daß, solange die Kohlenbank beim Anklopfen mit der Keilhaue noch einen hellen Klang giebt, sie noch genügende Festigkeit

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besitze. Das Anklopfen wird jedoch nicht immer so zeitig wiedermolti als dies erforderlich ist, bietet flbrigens auch kein unbedingt za^n^ lässiges Erkennnngsmittel.

Bisher haben die Bestrebungen, die mOhercrile und gefthrliclie Arbeit des Schrämens durch Maschinen bewerkstelligen zu bissen, bei uns noch nicht den gewünschten Erfolg gehabt, weil die bis jetzt her- gestellten Maschinen noch zu kompliziert sind und zu kost^ieUg ar- beiten. Dagegen werden sie in England und Amerika, wo ftr äre Anwendung besonders gOnstige Verhältnisse, regelmäßige und fla^ Lagerung^ vorhanden und wo die Arbeitslöhne sdhr hoch sind, bereits mehrfach benutzt.

Die weiteren Hereingewinnungsarbeiten beschränken sich meist auf das Hereinreißen der durch die Sprengschttsse oder durch den Oebirgs- druck gelockerten Massen, welche Arbeit mit einem der KeiUiaue ämi« liehen Werkzeug oder einer Brechstanffe vorgenommen wird, sowie auf das Abheilen unterschrämter und gesclditzter Kohlenbftnke. Diese Ar- beitien sind gleichfalls nicht ohne Gefeihr, und zwar hauptsächUch des- halb, weil sich häufig einzelne Stücke unversehens ablösen, beim Herein- reißen außerdem aus dem Grunde, weil der Arbeiter, namentlidi auf stark geneigten Lagerstätten mit glatter Sohle, leicht zu Falle kommen und von dem hereinbrechenden Stack getrofien werden kann.

Beim Abbau der bis zu 10 m mächtigen Sattelflötze Oberschlesiens mflssen die Hereingewinnungsarbeiten, das Schrämen, Bohren und das Abreißen der durch die Sprengschflsse gelockerten Kohlenmassen zum Teil von der Leiter aus geschehen, wobei zu der gewöhnlichen Muskel- anstrengung, welche die Arbeit erfordert, noch das Bestreben hinzu- kommt, den Körper im Gleichgewicht zu erhalten und mit den Fttßen die Leitersprossen festzuhalten.

Die über der Lagerstätte befindlidien Gebirgsschichten bestehen von Natur aus nur selten aus in sich fest zusammenhängenden Massen; namentlich Schiefer, welcher in einzehien Bezirken, wie West&len und Saarbrücken, überwiegend das unmittelbare Hangende der Steinkohten- flötze bildet, löst sich gern in einzelnen Bänken ab. Beim Abbau, wo weite Flächen des Hangenden entblößt werden, findet außerdem ehie künstliche Zerreißung desselben über dem anstehenden Kohlenstoß statt, hervorgerufen durch den starken Druck des niedergehenden Gebirges. Es muß deshalb für gewöhnlich das Hangende möglichst bald nach seiner Freilegung unterstützt werden, eine Arbeit, welche darum auch von den KoUenhauem selbst ausgeführt zu werden pflegt Bei der ungleichmäßigen Beschaffenheit des Hangenden an sich und bei der verschiedenen Wirkung des Gebirgsdruckes beim Abbau lassen sich be- sondere Vorschriften oder Regeln über die zweckmäßigste Art, Stärke und Stellung der Verzimmerung kaum geben. Es muß in der Haupt- sache der Erfahrung und Einsicht der Hauer selbst überlassen bleiben, wo und wie die Verzimmerung anzubringen ist Da bei der mangel- haften Beleuchtung die Beschaffenheit des Hangenden durch den Augen- schein meist nur ungenügend untersucht werden kann, so bleibt den Hauern fOr gewöhnlich nur das Mittel des Abklopfens des Hangenden zur Untersuchung. Aber selbst der erfahrenste Bergmann kann sich hierbei täuschen. Es ist deshalb erklärlich, daß ein großer Teil der zahlreich vorkommenden UnfiÜle durch Steinfall einem unglücklichen Zufell zugeschrieben werden muß. Um diese UnMe nach Möglichkeit zu vermeiden, wird man in erster Linie bestrebt sein müssen, die Be-

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter. 261

knchtiing za yerbessern (vergL unten Beleuchtung) und bei der WaU der Abbaumetbode und der Abmessungen der Strecken il s. w. mehr als bkher Rücksicht auf das Gebirgsverhalten zu nehmen.

Das Stellen der Zimmerung ist in niedrigoi FlOtzen wenig an^ strengend und ziemlich gefahrlos; anders dagegen beim Abbau der mächtigen SattelflOtze in Oberschlesien, wo mit sehr langen und schweren H&lzem hantiert werden muß»

Beim Abbau mit Bergeversatz, bei dem zur vorläufigen Unt^r stfltznng des Hangenden Holzverzimmerung angewandt wird, sucht man, wenn möglich, sobald der Bergeyersatz weit genuff herangerückt istv das Holz wiederzugewinnen; dasselbe geschieht häufig auch beim Abba.ii ohne Bergeversatz, wenn das. Hangende fest ist, und zwar hier be-, sonders zu dem Zwecke, um das letztere schneller zu Bruche zu werfen. Auf den hohen FlOtzen Oberschlesiens hat sich dieses sog, Bauben der Zimmerung vielfach als durchaus notwendig erwiesen, da sonst bei der

Eoßen Festigkeit des dortigen Hangenden zu weite Räume offen bleiben^ i deren plötzlichem Zusammenbruch nicht nur die Arbeiter in der Grube, sondern auch die Tagesoberfläche gefiüiirdet werden.

Der infolge des Abbaues entstehende Gebirgsdrnck legt sich außer auf die anstehenden Stöße der Lagerstätte auch auf die in der Nähe befindlichen Strecken und bringt diese häufig zum Zusammengehen. Es muß alsdann ein Nachreißen des Hangenden oder Liegenden, sowie eine Erneuerung der zerbrochenen Zimmerung erfolgen. Diese Arbeit erfordert bei der großen Gefahr unvermuteter Steinmlle große Vorsicht. In den unmittelbar zu den Abbaustößen führenden Strecken läßt man sie gewöhnlich durch die Hauer des betreffenden Abbaustoßes in den übrigen Strecken, den Bremsbergen, Wetterstrecken u. s. w., durch be- sondere Leute, die sog. Zimmerhauer oder Verbauer, besorgen. Fig: 15 veranschaulicht die Arbeit der Zimmerhauer bei Ausbe»Berung einer Strecke.

Auch in den Schächten und Bremsschächten werden mitunter Beparaturarbeiten notwendig, welche zu den gef&hrlidisten Arbeiten beim Bergbau gerechnet werden müssen. Man überträgt deshalb diese Arbeiten den umsichtigsten und erfedirensten Leuten. Dennodi ver- unglücken viele Schachtzimmerhauer durch Sturz in den Schacht Man macht auch hier wie anderwärts die Erfahrung, daß infolge des steten Umgangs mit der Gefahr selbst von den besten Arbeitern nicht selten die nötige Vorsicht außer acht gelassen wird.

3. Die Förderung.

Bei zweckmäßig angelegter Bahn und bei genügender Instand- haltung der Förderwagen ist die Arbeit des Fortschaffens der gewonnenen Minendien und das Aidiahren der leeren Wagen, die sog. Schlepper- förderung, nicht sonderlich beschwerlich. Auf Steinkohlengruben, wo die Sdüenengeleise durch den Gebirgsdruck häufig aus ihrer Lage gerückt und die Förderwagen infolge der fast ununterbrochenen Be- nutzung stark mitgenommen werden, wird diese Arbeit mitunter sehr anstrengend.

Eine eigentümliche und sehr anstrengende Fördermethode findet sich seit alters her in den Streben auf den Mansfelder Eupferschiefer- sruben. Die niedrigen Räume gestatten dort kein Abschleppen auf Schienen. Das Fortschaffen der mit etwa 3 Ctr. Schiefer bdadenen

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sehi" niedrigen Wagen geschieht durch Knaben, welche sich liegend ndt Unterstatznng eines Bein« und Achselbrettes fortbewegen und die Wagen mittels eines Sielzeuges am rechten Fuße nach sich ziehen. Seit früher ist jedoch in diesen Verhältnissen insofern eine bedeutende Verbesserung eingetreten, als die Forderlängen immer kOrzer geworden sind und {etzt nur etwa 25 30 m betragen.

So einfoch die Schlepperförderung an sich ist, so ist sie doch nicht ohne Gefahren.

Auf schmalen FlOtzen, in denen die Strecken nicht viel über FörderwagenhOhe oder -breite aufgefahren werden, kommen, sobald im Laufe des Abbaus die Strecken in Druck geraten, häufig Verletzungen der Hände vor, und zwar dadurch, daß die auf der Eopfwand oder an der Seitenwand des Förderwagens liegenden Hände an engen Stellen zwischen Wägen und Zimmerung gequetscht werden, oder daß größere auf dem Wagen liegende Stücke der gef5rderten Mineralien an niedrigen Stellen yom Grubenholz zurück und auf die Finger des Schleppers ^ schoben werden oder daß der Wagen mit den Vorderrädern entgleist,

Fig. 15. Zfanmerhaaer beim Aasbesieni der Streckensimmeniaf.

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter. 268

irobei die Hinterwand, auf diar die HätodsMes Sdileppers liegen, in die Höhe und ge^n die Zimmenine gedrückt wird. Zur Vermeidung dieser Unfi&Ue bringt man auf dnzdnen Gruben abnehmbare Handgriffe am Wagen an, bei deren Benutzung die H&nde des Schleppers nicht mehr über der Kopf- oder Seitenwand des Wagens^ hervorragen. Zu demselben Zweck versieht Tob 1er jedes Kopfende des Wagens mit «iner Stanget um welche die Kopf wand nach innen so gebogen ist, daß die Finger verdeckt bleiben ®.

Weit ernsterer Natur sind jedoch die Gefiahrmi der Schlepper^ iörderung, wenn mit dem Abschleppen der Wagen zugleich auÄ das Herablassen derselben in einem steilen Bremsberge verbunden ist.: Nach Vorschrift soll jede Abbaustrecke an der Einmündung in den älrems- berg mit einer Barriere versehen sein, welche der Schlepper naeh d^m Abbremsen seines Wagens sorgfältig zu verschließen hat Diese Ab- Sperrung wird jedoch vielfEich aus Bequemlichkeit oder Gedankenlosig-^ keit unterlassen, was häufig zu Unglücksfällen Veranlassung giebt, in-, dem der Schlepper bei seiner nächsten Fahrt von Ort den vollen Wagen in den offenen Bremsberg fährt und mit ihm abstürzt. Das Oberbergamt zu Dortmund hat deshalb vor einigen Jahren vorge- ^ schrieben, daß außer der Barriere noch eine fest eingelegte Eisenstange. ' unmittellNu: am Bremsberg und zwar höchstens 20 cm über Wagenhöhe angebracht sein müsse. Eine völlige Verhütung dieser Unfälle ist damit jedoch nicht erreicht worden, weil die Eisenstange, welche den Schleppern bei der Förderung nicht nur unbequem ist, sondern auch mitunter Verletzungen an der Hand verursacht, oft, wenn nötig mit Gewalt, be- seitigt wird. Man geht deshalb in neuerer Zeit mehr und melu* dazu über, Vorkehrungen anzuwenden, welche entweder den Bremsberg selbst- thätig abschlie߀»Q, wenn das Bremsgestell mit dem vollen Wagen von der Abbaustrecke sich abwarte bewegt, oder bei welchen der Sdilepper, um mit einem leeren Wagen wieder zurück zum Arbeiteort fahren zu können, vorher unter allen Umständen den Zugang zum Bremsberg schließen muß.

Auch bei der Pferdeförderung (vergl. Fig. 16) können leicht)^ Unfälle eintreten. Einspurige Strecken bieten dem rferdeführer nicht ge- nügend Raum, um neben dem Pferde hergehen zu können. Aber auch in zweispurigen Strecken verbietet sich dies bei starker Förderung w^n der entgegenkommehden Züge. Der Pferdetreiber geht deshialb in der Bjegel vor dem Pferde. Hierbei läuft er aber Gefahr, wenn er strauchelt, von dem Pferde verletzt oder von den Wagen überfahren zu werden. Da bei dieser Förderung fast immer lange Strecken zurückzulegen sihd, so gestattet man auf den westfälischen Gruben den Treibern, beim Befördeim leerer Züge im ersten Wagen zu sitzen, wobei alsdann das Pferd am Zügel geleitet werden muß. Es etiapfieblt sich dies um so mehr, als dadurch die Pferdetreiber nicht so leicht in die Versuchung konimen, sich bei der Beförderung voller Züge auf einen beladenen Wissen zu setzen, ^as mit Recht in einigen Bezirken untersagt ist, weil der Treiber bei schneller Fahrt an niedrigen Stellen (vergl. Fig. 16) leicht mit dem Kopf gegen die Zimmerung gestoßen und schwer verletzt weMen kamü. Außerdem kommen mitunter Unfälle durch unachtsames Zusammen- stoßen der Wagen beim Ankoppeln oder durch Ausschlagen unruhiger oder bösartiger Pferde vor.

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter. 2^

auch den Nnteen erkannt, welchen sie sogleich f&r die iBonstigen 6e- snndheitsTerh&ltntee der Arbeiter gebracht haben. Belgische Aerzte, ▼or allem Schönfeld, unterscheiden in den hygienischen Zostftnden der Steinkohlenberglente Belgiens zwei voneinander getrennte Zeit* Perioden, eine alte, in welcher auf die Ventilation der Kohlengruben wenig Bedacht genommen wurde und damit alle die Uebel hervor- traten, welche als die spezifischen Krankheiten des Bergmanns bezeichnet wurden, und eine neue, in welcher, nachdem die Luft eine beteere ge- worden war, diese Leiden ganz verschwanden oder wraigst^s erheblich abnahmen.

Es darf erwartet werden, daß die Bedeutung einer guten Ventila- tion fttr die Gesundheit und die Leistung der Arbeiter auch auf den Gruben, welche keine Schlagwetter entwickeb, mit der Zeit mehr und mehr gewürdigt werden wird.

L Die schädlichen Gase und der Kohlenstaub.

Der Bergmann unterscheidet neben den guten Wettern, deren Zu- sammensetzung der atmosphärischen Luft (21 Vol. 0 und 79 Vol. N) mehr oder weniger nahe kommt, die schlechten Wetter. Diese sind „matt"*, wenn der Luft in merkbarer Weise Sauerstoff entzogen ist, was durch die Atmung der Menschen und Tiere, das Brennen der Lampen, weit mehr jedoch infolge der Zersetzung der Mineralien und des Faulens des Grubenholzes geschieht. Matte Wetter erkennt man daran, daß die Lichtflamme in ihnen schwächer wird und schließlich er- lischt. Bei nur 15 Proz. Sauerstoffgehalt sind die Wetter für den Atmungs^ prozeß nicht mehr brauchbar. Der Mensch empfindet Brustbeklemmung, lauligen Geschmack, Schw&che und Müdigkeit, bald darauf treten Krämpfe und der Tod ein. Ist die Luft durch schädliche Gase so ver- unreinigt, daß diese auf den Organismus nachteilig einwirken, so spricht man von „bösen^^ Wettern.

An schädlichen Gasen kommen besonders in Betracht: die Kohlen- säure, das Kohlenosydgas und das Grubengas, sowie der Schwefel- wasserstoff.

Die Kohlensäure bildet sich, abgesehen von plötzlichen Aus- brüchen, wie sie auf französischen Steinkohlengruben beobachtet worden sind, durch den Atmungsprozeß, das Brennen der Lichter und die Ex- plosion von Sprengmaterialien, in größeren Mengen durch Fäuhiis- und Zersetzungsprozesse in alten Bauen, bei Grubenbränden und nach Ex- plosionen von Schlagwettern und Kohlenstaub. Bei ihrem hohen spe- zifischen Gewicht von 1,524 hat sie das Bestreben, sich in Vertiefungen der Sohle anzusammeln. Sie ist durch augenblicMches Erlöschen der auf die Sohle gehaltenen Lichtflamme zu erkennen und wirkt bereits bei einem Gehalt d^ Luft von 2—3 Proz. höchst nachteilig und bei 6—6 Proz. tödlich.

Welche Mengen Kohlensäure unter gewöhnlichen Verhältnissen in den Steinkohlengmben entwickelt werden, ergiebt sich daraus, daß voii den 88 Proben, welche zu AnfEuig der 1880er Jahre von der preuBisohen Schlagwetterkommission aus ausziehenden, d. h. zur Ventilation nicht mehr benutzten Wetterströmen niederrheinisch-westftlischer Ghmben entnommen wurden, 82 einen Kohlensäuregehalt von mehr als 0,5 Pros, aufwiesen, davon 3 sogar über 1 Proz^ nämlich 1,047, 1,052 und 1,401 Proz., und nur 9

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einen solchen von weniger als 0,1 Proz. Vpn den 33 Proben, welche ,an Arbeitsptinkten entnommen worden, bes9iten 9 mehr als 0,5 Fros^ davon 3 über 1 Proz. Ephlens&ure. Von den 21 Haupt- bezw. Teilwetter- strömen, welche von Saarbrücker Steinkohlengraben zur üntersnohnng gelangten, zeigten 6 einen Oehalt zwischen 0,5 nnd annähernd 1 Pros„ keiner einen solchen von unter 0,1 Proz. ^ ^. Es mufi hier jedoch gleich bemerkt werden, daB diese Proben fär die heutigen Verhältnisse nicht mehr maßgebend sind und daß ein Gehalt von über 0,5 Proz. Kohlensäure in einem ausziehenden Strome zu den Seltenheiten zählen dürfte.

Das Kohlenozyd entsteht durch unvollkommene Verbrennung, (besonders bei Grubenbränden und bei Explosionen von ScUagwettern und Kohlenstaub, dann aber auch, wie bereits früher erwähnt, nicht selten bei der Explosion von Sprengmaterialien. Sein spezifisches Gewicht beträgt 0,972, ist also dem der atmosphärischen Luft ziemlich gleich. Das Gas mischt sich daher gleichmäßig mit der letzteren. Seine Gefährlichkeit wird dadurch erhöht, daß es geruchlos ist und daß das Licht in ihm noch brennt, wenn das Gas bereits auf den Organismus giftig einwirkt Ein Gehalt der Luft von 0,2—0,4 Proz. ist schon giftig, und ein solche von 1 Proz. soll bereits tötlicb sein. Beim Menschen verursacht das Gas zunächst Aufr^g^g, dann Krämpfe mit Schaum vor dem Munde und schließlich den Tod (vergl. im übrigen unten Füller). Auch be- haupteten die bei dem Brande in der Grube Regenbogen im Oberharz beteiligten Leute, sie hätten das GefQhl gehabt, als ob alle Gegenstände, wdche sie mit den Händen erfaßt hätten, dicker geworden wären, als ob sie z. B. die Fahrtsprossen kaum zu umspannen vermocht hätten.

Schwefelwasserstoff kommt in alten versoffenen Bauen vor, bildet sich jedoch auch in Kohlengruben durch Zersetzung des in dar Kohle enthaltenen Schwefelkieses unter Einwirkung von Wasser und Wärme. Es wirkt beim Einatmen giftig, entzündet sich an der Licht- fl^nme, und zwar mit Explosion, wenn die Luft mehr als Vi o ^^^m» davon enthält

Die Entstehung des Grubengases, eines leichten Koblenwassar- stoffffases, ist auf den langsamen Verkohlungsprozeß zurückzufilhren, welchem die Steinkohlen unterliegen, bis sie sich dem Anthracit nähern, in welchem der Kohlenstoff am höchsten angereichert ist. In Verbin- dung mit atmosphärischer Luft bildet es die sog. schlagenden Wetter. Ein geringer Gehalt von Grubengas in der Luft wirkt an aich nicht gesundheitsschädlich, in stärkerer Beimengung auch nur in passivar Weise, indem er dem Sauerstoff den Raum wegnimmt. Er- »etickungen in schlagenden Wettern sind beim Steinkohlenbergbau nichts seltenes.

Die Hauptgefahr, welche das Grubengas für den Bergmann mit sich bringt, lic^ in seiner Ebcplodierbarkeit bei einem bestimmten Ge- menge mit Luft. Nach Maliard und Le Chatelier beginnt die Explodierbarkeit solcher Gemenge bei einem Gehalt von 7,7 Proz. Grubengas, erreicht ihre höchste Stärke bei 10,8 Proz. und hört bei 14,5 Proz. au£ Nach den Versuchen der preußischen Schlagwetter- Kömmission finden jedoch bereits bei 7 Proz. Explosionen durch offenes Lieht statt

Infolge seines geringen spezifischen Gewichts von 0,662 strebt das Grubengas nadi oben und sammelt sich an den höchsten Punkten der Strecken und sonstigen Baue an. Hieraus erklärt es sich, daß explosible

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Hygiene der Berg- und Tmmelarbeiter. 267

Gemische unter Umständen sehr rasch entstehen« Da das Oas meist völlig geschmack^ und geruchlos ist» so muß man sich, um der su&Iligen Ent- zündung eines solchen Oemischos vorbeugen zn können, besonderer Mittel zu seiner Erkennung bedienen. Zu diesen z&hlt in erster Xjinie die Flamme der Sicherheitslampe. Schlagwetter mit hohem Grubengas^halt rufen eine Verlängerung und ein Zucken der Flamme hervor, gering- haltige erkrant man, sobald man die letztere verkleinert, an dem blauen lichtkegel, der durdi das Verbrennen der Schlagwetter an der Flamme gebildet wird. Mit der Zunahme des Grubengasgehalts wächst auch die Größe des Lichtkegels.

Die Sicherheitslampe, deren Erfindung dem Engländer Davy zu verdanken ist, besteht in ihrer ursprQnglichen, heute nur noch selten angewendeten Gestalt (Fig. 17) aus einem Oelbehälter aus Weißblech mit einer messingenen Scheibe als Deckel. Durch eine Oeffoung des letzteren geht die TfUle fQr einen flachen Docht, neben welcher sich der zum Putzen des Dochtes dienende Haken befindet Auf dem Oelgefäße ist ein Ring aufgeschraubt, welcher das aus 4 bis 5 Stangen bestehende, oben durch eine Scheibe abgeschlossene Gestell trägt Gleichfalls in diesem Binge ist ein Gylinder von Drahtgewebe befestigt Ihre Eigenschalt als Sicherheitslampe beniht da- rauf, daß die Verbrennungsgase der sich an der Lampenflamme entzündenden Schlagwetter durch das Drahtgewebe so weit abgekühlt werden, daß sich die Entzündung nicht nach außen fortpflanzt Die Davy -Lampe hat später wesentliche Ver- besserungen erfahren, insbesondere hat man zur Erhöhung ihrer Leuchtkraft den unteren Teil des Drahtgewebes durch einen Glascylinder ersetzt (vergL Grubenbeleuchtung).

Durch genaue Untersuchungen ist festgestellt, daß die gewöhnliche, mit Rüböl gespeiste Sicher- heitslampe bereits einen Grubens^sgehalt von 2Vs 3 Proz. anzeigt, die Benzinlampe einen soläien von 1*/^ Proz.

Die Thatsache, daß bei Anwesenheit von p. ^^

trockenem Kohlenstaub auch Schlagwetter von Day/'Mhe Sieherbtits- ganz geringem Grubengasgehalt gefährlich werden ump«.

können (s. unten), hat es erforderlich gemacht, auf Gruben, welche trockenen Kohlenstaub entwickeln, Mittel anzuwenden, welche noch unter l^A Proz. Grubengas anzeigen. In Preußen undOester- reich bedient man sich hierzu der Pieler Lampe, welche, ähnlich konstruiert wie die Davy-Lampe mit Spiritus gespeist wird. An ihr gelangt schon ein Gehalt von Proz. Grubengas zur Beobachtung. Ihre Anwendung er- fordert jedoch besondere Vorsicht, da me in explosiblen Gtemischen leicht durchschlägt, d. L die im Innern des Drahtkorbes eintretende Verbrennung der GhEise nach außen fortpflanzt und dadurch Explosionen verursacht Neuerdings ist deshalb von Ghesneau eine der Pieler I^mipe ähnliche Spirituslampe hergestellt worden, welche diesen Uebel- stand nicht zeigt und auch noch sonstige Verbesserungen aufweisen soll Beide Lampen haben jedoch noch den Nachteil, daß sie nicht wie die gewöhnliche Sicherheitslampe gleichzeitig auch zur Beleuchtung ge-

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iHraacht werden können. Howes in England hat in letzter Zeit an- scheinend mit Erf(dg Verauche angestellt, die gewöhnliche Sicherheite- lampe dadurch zur Nachweisnng von geringem Ombengas brauchbar zo macnen, daB er die Lampe bei der Pr^enahme mit Waesarstofliaa q[>ei8t, welches er aus einem an der Lampe angebrachten, abnehmbaren Beh&lter austreten läüt^>.

Außer diesen Lampen sind im Laufe der Zeit noch eine Reihe yon Apparaten zur Erkennung von Schlagwettern erfunden worden, die sog. Wetterindikatoren, deren AnzeigefiÜiigkeit sich auf die Benutzung besonderer physikalischer oder chemischer Eigenschi^n des Grubengases gründet, und welche so eingerichtet sind, dafi sie bei eintretender Wirk- samkeit den Schluß eines elektrischen Stromes veranlassen und damit ein Läutewerk in Thätigkeit setzen. Diese Apparate haben jedoch w^n ihrer Kompliziertheit in der Praxis bisher nur wenig Eingang geranden.

Das Auftreten des Grubengases beschränkt sich fast ganz auf die Steinkohlenflötze, nur ausnahmsweise ist das Gas in Braunkohlen- und Steinsalzlagerstätten beobachtet worden. Die Steinkohlenflötze zeigen jedoch durchaus kein gleichmäßiges Verhalten hinsichtlich der Entwicke- lung des Gases. In einzelnen Bezirken, wie in Oberschlesien und Ibbenbflren, fehlt es fast vollständig, in anderen kommt es nur in be- stimmten Flötzgruppen vor. Im Ruhr- und im Saargebiet gilt im allge- meinen die Fettkohle als die schlagwetterreichste. Aber selbst in einem und demselben Flötze ist die Gasausströmung oft sehr verschieden. Nach der Teufe hin nimmt der Grubengasgehalt der meisten Flötze zu, und manche Flötze, welche sich in den oberen Teufen ganz frei von Gas zeigten, entwickeln solches in den unteren. Diese Verschieden- artigkeit des Auftretens von Grubengas hat zum Teil seinen Grund in der ungleichen Lage der Flötze zur Tagesoberfläche. Da, wo die letzteren bis zu Tage ausgehen, finden sie sich vielfach bis zu ^ m Tiefe völlig entgast Dagegen treten in den von jüngerem G^irge stark überdeckten Flötzen auch in ihren oberen Teilen mitunter bereits reiche Gruben- gasmragen auf. Dann aber mtlssen noch andere, bisher nicht au^e- klärte, mit der chemischen und physikalischen Zusammensetzung in Zu- sammenhang stehende Ursachen vorhanden sein, welche diese Ver- schiedenheit bedingen.

Um einen Begriff von den Gasmragen, welche auf einzelnen Stein- kohlengruben entwickelt werden, zu geben, sei angeführt, daß auf dem Schachte II der Zeche Neu -Iserlohn bei Langendreer zu Anfang der 1880 er Jahre bei einer Förderung von etwa 1000 t täglich, Aus- strömungen von über 25000 cbm, auf der Grube Serlo bei Saarbrfickeii in den Jahren 1889—1891 bei einer Förderung von rund 400 1 täglich solche von 14 bis 22000 cbm in 24 Stunden gemessen wurden.

Man unterscheidet dreierlei Arten des Austritts des Gruben- gases, nämlich:

1) einen allmählichen und stetigen in dem Maße, wie die Flötze zum Aufschluß gelangen; diese Art ist dte gewöhnlichste;

2) dnen plötzlichen in Form eines sog. Bläsers. Solche Bläser zeigen sich besonders häufig beim Anfahre von Klüften; letztere sind dann (rffonbar größere Abzugskanäle für fiqenigen Gase, wdche in den von den Kltlften durchsetzte Fßtzen oder kohligen Partien des Nebengesteins enthalten sind. Manche Bläser entgasen sich binnen

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Hygiene der Berg^ und Tannelarbeiter. 269

weniges Minuten, andere lassen jahrelang ziemUdi ongesdiw&cfat Oas austreten.

Die Zasammenietanng des Bläsergases ist oft sehr ver- schieden. So bestand s. B. naoh den ünterBUchongen von Dr. Schon- dorf f ein im nördlichen Haaptqnerschlag auf der 1. Tiefbansohle der Zeche Bonifacins bei Eray ange&hrener Blaser aas

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dagegen ein in der östlichen Grandstrecke von Tiefbau m der Schaom- borger Oesamt- Steinkohlenbergwerke bei Obemkirchen aufgeschlos- sener aas

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3) plötzliche Massenausbrüche von Gas.

Sie sind bisher fast nur in tiefen englischen und belgischen Stein- kohlengruben vorgekommen. Sie haben ihren Grund entweder darin, daß Gasmengen, welche seither unter großem Drucke in natürlichen Hohlräumen des Eohlengebirges eingeschlossen waren, beim Herannahen des Abbaus plötzlich hereinbrechen, oder daß Gasmengen, die in alten offengebliebenen Abbauen sidi angesammelt haben, infcHge unvermuteten Zusammenbruchs des Hangenden in die in Betrieb stehenden Baue ge- jagt werden.

Ein solcher plötzlicher Aosbruch, welcher am 17. April 1879 im Schachte 11 der Qrahe Agrappe in Frameries (Belgien) eine heftige Ex- plosion verarsachte, warf mehr als 4000 hl polverisieite Kohle vor sich her, brach im einziehenden Schachte bis über die H&ngebank hervor, entzündete sich über Tage an einem kleinen Herdfeaer and bildete zwei Standen lang eine riesige Flamme von 80^40 m Höhe. Sodann erlosch die Flamme nach einer ersten Explosion, welcher in Zwischenr&amen von etwa 10 Minuten fOnf andere folgten. Endlich entstand 50 Minuten sp&ter eine siebente und letzte Explosion, welche an Heftigkeit alle anderen weit übertraf.

Wenn auch im allgemeinen mit der Entblößung neuer Kohlenfl&chen durch die in den Flötzen umgehenden Arbeiten neue Gtasmengen finei werden, so ist der Austritt der letzteren doch nicht gleichmäßig stark. Vielmehr pflegt bei der ersten Au&chließung frischer Feldesteile durch die Aus- und Yorriditungsbetriebe die Gasausströmung erheblidi st&rker 20 sein als beim nadiherigen Abbau.

Die Entzündung der Schlagwetter kann erfolgen durch offenes Feuer, die Flamme eines Lichtes oder eines Sprengsehusses, unter Um- ständen auch durch den elektrischen Funken, eine sprühende Zünd- schnur, vielleicht auch, wie auf Grund angestellter Versuche mehrfach angenommen wird, in gewissen Fällen durch Gesteinsfunken, welche

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bdm Bearbeiten harten Geetems mittels des Gezfthes oder beim Herein- brechen von Gesteinsmassen entstehen'*^.

Während im allgemeinen die Wirkmig einer Explosion ganz ge- ringer Schlagwettermengen aof den Entzflndutigsherd besdirSnkt bleibt nnd sich meist nur in mehr oder minder schweren VerletEungen, weldhe die daselbst beschäftigten Arbeiter erleiden, ftoSert, ist eine Ebcploeion größerer Mengen oft von veiiieerender Wirkung. Dnrch die hierbei entstehende Verbrennongstemperatar werden die Explosionsprodnkte, sowie die umgebende Luft stark erhitzt und ausgedehnt Mit großer Geschwindigkeit durdyagen sie die engen Grubenbaue, alles zu Boden schleudernd oder zerschmetternd, was sich ihnen in den Weg stellt

Da der Knall der Explosion vielfach demleines Sprengschusses fthndt und daher häufig mit diesem verwechselt vdrd, so bildet fOr die ent- fernt von dem Entzündungsherde beschäftigten Arbeiter meist erst das sausende Geräusch oder der Stoß der Luft das sicherste Erkranungszeichen einer Explosion. Auf dieses Zeichen hin pflegen sich die Arbeiter platt auf die Sohle zu werfen mit dem Gesicht nach unten, um nidit von den mit immer stärkerer Gewalt nachdrängenden Luftmassen zu Boden ge- schleudert und von der Explosionsflamme verletzt zu werden. In dieser Lage verharren sie noch einige Zeit, nachdem der Sturm Ober sie dahin- gebraust ist, da nicht selten auf diesen ein Rückschlag folgt, d. h. ein heftiges Zurückströmen der fortgeschleuderten Luftmengen nach der Exploeionsstätte hin, veranlaßt dadurch, daß die expandierten Gas- und Luftmassen sich mit ihrer Abkühlung wieder zusammenziehen und der bei der Ebcplosion gebildete Wasserdampf sich verdichtet, infolge- dessen im Explosionsraume eine Luftverdünnung entsteht

Mit dem Erlöschen der Explosionsflamme und mit dem Aufhören der mechanischen Wirkungen durch den Luftdruck ist die Gefahr für das Leben und die Gesundheit der bis dahin von der Explosion ver- schont gebliebenen Arbeiter nodi nicht beseitigt. Für viele beginnt sie mitunter erst Die Strecken, durch welche die Flamme gezogen ist, und andere mit ihnen in Verbindung stehende Strecken füllen sich mit den giftigen Explosionsprodukten, den „Nachschwaden^\ Bei der Ex- plosion schlagender Wetter wird nämlich einerseits der Sauerstoff der Luft verzehrt, andererseits entstehen Kohlensäure und Wasserdampf^ unter Umständen audi Kohlenoxydgas.

Glücklicherweise sind die meisten der vorkommenden Explosionen von geringem Umfange.

So verliefen von den 88 Explosionen, welche sich im Jahre 1893 in Preußen ereigneten, 3 ohne Beschädigung von Personen, 64 hatten nnr Verletzungen im Gefolge, bei den übrigen 21 kamen Personen zu Tode.

*) DiaM Fille dfirft«n seiton eintreten. Nach der iweiten groÜMn Explosion anf der Zeehe Hibemia bei Gelsenkircben am S8. Jannar 1891 moOito aar Fortsetsnng der BeCtnngs- arbeiton, an welchen der Verf. teilnahm^ eine Strecke, ans welcher starke Schlagwetter^ mengen austraten, nnmittelbar an der BinmSndang in einen Bremsberg abgeschlagen werden. Diese Arbeit konnte, da auch an der BinmSndongsstolle die Schlagwetter die obere Hälfte der Strecke anfüllton, nur bei entfernter nnd daher sehr schwachen Belenehtnng erfolgen. Infolge dessen schlugen die betrefluiden Hauer beim Antreiben nnd Festkeilen der Stempel, an welchen der Verschlag angebracht werden soUto, wiederholt mit dem Beile gegen das Hangende. Bine Entsflndnng der in explosibler Stärke Torbandensn Schlagwetter, deren Geflhrlichkdt durch den Gehalt der Wetter an frdem Wasserstoff noch erhöht wurde, durch die in Menge herumfliegenden Gestoinsfhnken trat nicht ein.

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Hygiene der Berg^- und Tmmelarbeiter. 271

Von d^ 487 tödlichen Explosion«!/ welche in. den Jiduren 1861 1884 beim prenJisohen Steinkohlenbergbau stattfiBAdenY yenmglüokten:

tödlicli bei 457 PftUen Je I Perton

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mehr alt je 50 Pertonen.

In ieü Jahren 1886-^1893 haben jedoch die grofien Explosionen in Pt^nßen zugenommen. In diesem kurzen Zeitraum fanden nicht Weniger als 6 Explosionen mit mehr als je 50 Toten statt, darunter eine auf Grube Camphausen bei SaarbrAcken am 17. M&rz 1885 mit 181 Toten.

UmfEuigreiche Explosionen, darunter einzelne, bei denen über 200- Maischen ums Leben kamen, sind auch' in GFroßbritannien, Belgien, Frank- reich, Oesterreich und Sachsen wiederholt vorgekommen. In GFroßbritannien fthrten s. B. in den Jahren 1861 1880 allein 9 Explosionen einen Ver- lust von 1825 Menschenleben herbei Einer einzigen von diesen fieleii allein 361 Personen zum Opfer.

Ein großer Teil dieser Katastrophen ist jedoch nicht allein der Entzündung von Sdilagwettem zuzuschreiben. Der Umstand, daß auch Ton ihnen Grubcfü betroffen wurden, welche keine lebhafte Schlagwetter- entwickelung aufwiesen, die Thatsache, daß sich in den von der Ex- plosion betroffenen Grubenbauen vielfach Ablagerungen von verkoktem Kohlenstaube zeigten, und die in den letzten Jahren aus Anlaß dieser Thatsachen angestellten Versuche haben allmählich zu der Gewißheit gef&hrt, daß sich in sehr vielen Steinkohlengruben dem Grubengas dn noch mächtigerer Feind des Bergmanns zugesellt, nämlich dertrockene Kohlenstaub. Letzterer entsteht in trockenen Flötzpartien durch Zerreibung der Kohle infolge des Gebirgsdrucks, sodann durch die Be- arbeitung der Kohle mit scharfem Gezähe, also beim Schrämen, Schlitzen, Bohren u. s. w. Außer an den Arbeitspunkten wird aber audi in den Förderstrecken durch die Stöße, welche die verladenen Kohlen bei der Förderung, namentlich beim Aufeinanderprallen der Wagen erleidmi^ Kohlenstaub entwickelt, welcher vom Wetterzug aufgenommen und an den Streckenwänden abgelagert wird.

Die Untersuchungen der Schlagwetterkommissionen haben ergeben, daß ganz geringe Mengen explosibler Schlagwetter bei Anwesenheit von trockenem Kohlenstaub verheerende Explosionen hervorbringen können. ISe haben aber auch dargethim, daß durch einen Sprengschuß, bei dem eine Flamme entwickelt wird, also namentlich durch einen aus- blasenden, d. h. keine Sprengwirkung äußernden oder durch einen überladenen Schuß, der Staub der meisten Flötze beim Vorhanden- sein von nur 2^3 Proz. Grubengas, also an sich ungefilhrlicher Schlag- wetter, der Staub gewisser Flötze sogar bei völliger Abwesenheit von Schlagwettern zur Explosion gebradit werden kann. Man erklärt sich diese Erscheinungen folgendermaßen: Durch die Lufterschütte- rang, welche die Explosion von Schlagwettern oder eines Spreng- schuisses hervorruft, wird der in der Nähe lagernde Kohlenstaub aufgewirbelt und in der Luft fein verteflt. Wird er in diesem Zu- stande Ton einer heißen Flamme getroffen und bleibt er mit dieser in längerer Berflhrung, so erhitzt er sich und giebt Kohlenwasserstoffe

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ab, welche durch die Flamme entälndet, bereits zur Explosion gelangte Schlagwetter erheblich ^u verstärken vermögen oder vorhandrae, nir sich älein noch nicht ezplodierbare Gnibengasgemische explodierbar machen oder auch allein zu selbständigen Explosionen ausreichen können. Gegen offenes Licht hat sich dagegen der Kohlenstaub als weit weniger gefährlich erwiesen. Nach den Versuchen der preußischen Schlagwetter- Kommission ist die Anwesenheit von mindestens 4Vs Proz. Grabengas nötig, um aufgewirbelten Kohlenstaub zu entzünden. Da die Zahl der in den Steinkohlengraben abgefeuerten Sprengschflsse außerordentlidi groß ist ein von dar englischen Kommission zur Untersuchung der Kohlen- staub-Explosionen veraommener Sachverständiger schätzt ihre Zahl in Großbritannien auf jährlich 20 Millionen die Zahl der Exploaianaii bei welchen Kohlenstaub die Hauptrolle spielt, aber verhältnismäßig gering ist, so muß angenommen werden, daß sich mehrere bisher zum Tml noch unbekannte Umstände vereinigen müssen, um eine solche Ex- plosion herbeizuführen.

Was die Kohlenstaub -Explosionen oft so verhängnisvoll machti ist einmal der Umstand, daß die Explosionsflamme auf Uirem Wege durch die Strecken weiteren durch die Luftbeweguns au%ewirbelten Staub oder vielleicht auch andere ScUagwettei^emische antrifft und entzündet, dann aber, daß bei ihnen außerordentuche Mengen giftiger Nachschwaden entwickelt warden.

Einige der in der letzten Zeit vorgekommenen großen Explosionen, wie die auf dem Schachte Kaiserstuhl I der Zeche ver. Westfalia bei Dortmund am 19. August 1893, haben erffeben, daß es keineswegs be- deutender Mengen von Kohlenstaub bedarf, um eine große Kohlenstaub- explosion herbeizufQhren , sondera daß hierzu selbst geringe, bei ihrer großen räumlichen Erstreckuug dem Auge eines nicht sorgfältisen Be- obachters leicht entgehende Mengen ausreichen ^^. Hierdurch hat sich die Kohlenstaubgefahr weit eraster erwiesen, als man bis dahin ange- nommen hatte.

Die Fig. 18 zeigt die durch Versuch festgestellte Wirkung einw E^losion von nur 2 engL Gtr. Kohlenstaub des Flötzes Busty der Ghube Beamish in England. Die Explosion wurde durch einen mit 1^/| engL Pfd. Pulver beladenen und mit Kohlenstaub besetzten SprengschuS her- beigeftLhrt Die Ezplosionsflamme schlug 18 m über die Mündung des 46 m tiefen Versuchssohachtes hinaus^*.

Die Mittel zur Vorbeugung der Gefahren, welche durch die in den Steinkohlenbergwerken sich entwickelnden Grubengase, sowie durch trockenen Kohlenstaub entstehen, sind einerseits, und zwar in erster Linie, daraitf gerichtet, die Ansammlung solcher Gase oder trockenen Staubes zu verhindern, zu beseitigen oder unschädlich zu machen, andererseits, da dieses Mittel nicht immer in vollkommenem Maße erreichbar ist» eine Entzündung der Gase oder des Staubes zu verhüten.

2. Verhütung von Schlagwetter-Ansammlungen.

Die Beseitigung des Grubengases kann da, wo dasselbe in Form eines Bläsers auftritt, meist unmittelbar erfolgen, indem man es an der Austrittsöfihung in Röhren auffängt und ableitet Dagegen haben sich Versuche, das stetig und allmählich aus der Kohle ausströmende

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Fig. 18. KohleDsUnbexplotion in einem Versachsschtchte zn Ormskirk (England).

Gas an der Firste abzusaugen und in Röhren abzuleiten« nicht be* währt ^ ^. Das einzig wirksame Mittel, Ansammlungen dieses Gases zu verhindern oder zu beseitigen, besteht in der Zufuhr ausreichender Luftmengen, also in einer genügenden Ventilation.

Da die Aufgabe der Ventilation sich nicht darauf beschränkt, <Ue auftretenden giftigen oder explosiblen Gase unschädlich zu machen,

Handbach der Bjcteoe. Bd. VIIL ^ 18

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sondern namentlich auch darin bestehen muß, an allen Betriebspunkten eine gute Atemluft zu erzeugen und die Temperatur in mftSigen Grenzen zu halten, so richtet sich die Menge der einer Grube zuzuführenden Luft außer nach der Stärke der Gasentwickelung der Plötze nach der Zahl und Ausdehnung der Betriebspunkte, der Zahl der in einer Schicht beschäftigten Arbeiter und nach der Höhe der Gesteinstemperatur.

Während im allgemeinen diejenigen Gruben, welche keine Schlag- wetter entwickeln und nur geringe Ausdehnung besitzen, mit dem na- türlichen Wetterwechsel auskommen oder sich nur einfacher Hilfsmittel zur Wetterversorgung zu bedienen brauchen, benötigen schlagwetter- führende, ausgedehnte Steinkohlengruben größerer Anlagen zur Er- zeugung eines genügenden Luftwechsels. Früher benutzte man hierzu mit Vorliebe die Wetteröfen. Dieselben haben jedoch in den letzten Jahren mit Rücksicht darauf, daß jedes offene Feuer in einer Schlag- wettergrube bedenklich ist, mehr und mehr den Ventilatoren weichen müssen.

Für die Schli^wettergruben wird in Preußen bergpolizeilich meist eine beständige Luftzufuhr von mindestens 2 cbm in der Minute auf den Kopf der Belegschaft in der Hauptschicht und für jedes Pferd 8 oder 10 cbm gefordert Das Oberbergamt zu Dortmund verlangt neuer- dings für den größten Teil der Schlagwettergruben seines Bezirkes 3 cbm für jeden Arbeiter, ohne Rücksicht auf die Zahl der Pferde. Für heiße Gruben oder solche mit lebhafter Schlagwetterentwickelung bedarf es jedoch fast immer einer weit stärkeren Menge als der polizeilieb vorgeschriebenen, sodaß z. B. für eine Grube mit einer Belegschaft von 500 Mann auf einer Schicht und 25 Pferden vielfach über 3000 cbm Luft in der Minute benötigt werden.

Um der Luft bei ihrem Durchzug durch die Grube möglichst ge- ringen Widerstand zu bieten und damit die Erzeugung der nötigen Luft- mengeu zu erleichtem, dürfen die Querschnitte der ScMchte und Strecken nicht zu eng gewählt werden. Aus demselben Grunde läßt man nur noch selten die Wetter in demselben Schachte ein- und ausziehen. Dies ist übrigens auch schon deshalb nicht angezeigt, weil die Schachtwand (der Schachtscheider), welche die ein- und ausziehenden Wetter trennt,, durch die Förderung Erschütterungen erleidet und undicht wird, er- scheint aber außerdem auf Schlagwettergruben darum nicht unbedenk- lich, weil durch eine große Explosion der Schachtscheider zerstört und damit die Ventilation der ganzen Grube zum Stillstand gebracht werden kann. Zur Vßrminderung des Widerstandes, welchen die Luft in der Grube erfilhrt, empfiehlt es sich vor allem, die Wetter zu teilen.

Die Teilung der Wetter bildet auch aus anderen Gründen eine der ersten Erfordernisse einer vernunftmäßigen Wetterführung, wenigstens auf einigermaßen ausgedehnten Gruben. Wollte man näm- lich die gesamte in die Grube einziehende Luft geschlossen nacheinander zu allen Arbeitspunkten leiten, so würde sie durch ihre große Ge- schwindigkeit die Gesundheit der Arbeiter schädigen, außerdem aber zu den letzten Arbeitspunkten nicht mehr mit der nötigen Beinheit und Frische gelangen. Bei einer Explosion schlagender Wetter oder von Kohlenstaub würden überdies die Nachschwaden alle hinter dem Ex- plosionsherd gelegenen Betriebspunkte durchziehen.

Die Teilung erfolgt auf Steinkohlenbergwerken in der R^l derart, daß jede Bausohle einen besonderen Strom erhält, welcher sich wieder in so viel Teilströme zerlegt, als Flötze im Bau stehen. Diese Teil-

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Ströme verzweigen sich ihrerseits in der Weise, daß jede Bauabteilung (Bremsbergabteilung) fttr sich ventiliert wird. Die einzelnen Zweige und Teilströme vereinigen sich allmählich wieder auf der obersten Sohle, der Wettersohle, und ziehen von dort zu Tage. Fig. 5 S. 227 giebt ein Bild der Wetterverteilung in die verschiedenen Bauabteilungen eines Flötzes. Die Stftrke der einzelnen Ströme wird durch Anemometer gemessen.

Da die Luft das Bestreben hat, auf demjenigen Wege, welcher ihr den geringsten Widerstand bietet, wieder zu Tage zu gelangen, so bedarf es, um sie zu zwingen, sich in bestimmten Mengen zu teilen und die ihr vorgeschriebenen W^e innezuhalten, besonderer Vor- richtungen. Zur Teilung der Luft benutzt man Thüren oder Verschlftge mit Oeflfnungen von solcher Größe, daß nur die festgesetzte Lidtmenge hindurchziehen kann, während die Leitung der Ströme zu bestimmten Arbeitspunkten mit Hilfe von Abdämmungen, geschlossenen Thüren, Vorhängen u. s. w. bewerkstelligt wird.

Von erheblicher Wichtigkeit ist es fttr die Schlagwettergruben, daß die Luft möglichst unmittelbar bis vor die Arbeitspunkte geflihrt wird. Beim Firsten- und Strebbau, sowie beim PfeUerrückbau bietet dies fttr gewöhnlich keine Schwierigkeit und läßt sich meist ohne besondere Hilfsmittel bewerkstelligen. Bei den Aus- und Vorrichtun^s- arbeiten, sowie in der Regel auch beim Abbaustreckenbetrieb, also flberall da. wo es sich um einzelne Streckenörter handelt, sind jedoch solche Hilfsmittel nicht zu entbehren. Die einfachen dieser Art be- stehen entweder darin, daß man die zu ventilierende Strecke durch eine dünne Wand aus Segeltuch, Brettern oder Ziegelsteinmauerwerk (Scheid er, Fig. 19) oder eine dicke Wand aus Bergen teilt, oder daß man die Luft in einer Röhre (Lutte) zum Arbeitsort hin- und in der Strecke zurückführt (Fig. 20) oder umgekehrt (Fig. 21), oder daß man die Strecke von einer Hilfsstrecke (Parallelstrecke) b^leiten läßt und beide in gewissen Abständen durch Durchhiebe miteinander verbindet (versl. Fig. 5 III). In dem letztgenannten Falle müssen allerdings häufig noch die Streckenenden vom letzten Durchhiebe ab durch be- sondere Vorkehrungen (Scheider, Lutten u. s. w.) ventiliert werden. Statt dieser einfachen Hilfsmittel bedient man sich auch mechanischer Ap- parate, Strahlapparate oder kleiner Ventilatoren, die durch Hand, Druck- luft oder Druckwasser bewegt werden, in Verbindung mit Lutten, oder man leitet Druckluft vor Ort und läßt sie dort ausblasen.

Die Scheider aus Segeltuch oder Brettern, sowie die Bergemauem lassen sich meist leicht anbringen, sind aber schwer dicht zu halten; die einfachen Lutten bieten wegen ihres geringen Querschnittes der Luft großen Widerstand; die Handventilatoren leisten sehr wenig; alle diese Mittel sind daher gewöhnlich nur für kurze Längen zu gebrauchen. Das Ausblasen von Druckluft hat, abgesehen davon, daß die Menge derselben für Strecken mit erheblicher Schlagwetterentwickelung zu un- bedeutend ist, den Nachteil, daß das beim Ausblasen entstehende Ge- räusch sehr leicht die Wamungsiseichen übertönt, welche in Druck ge- ratenes Gebirge vor seinem Finsturz zu geben pflegt.

Die Ventilation langer Strecken wird daher am zweckmäßigsten mittelst Parallelstrecken oder, wo dies wegen der hohen Kosten oder aus anderen Gründen, z. B. um rascher vorwärtszukommen , nicht thunlich ist, mittelst Ziegelsteinscheider, Strahlapparate oder maschinell betrie- bener Ventilatoren bewirkt Diese letzteren Apparate haben den beson- deren Vorzug vor den Hilfestrecken und Scheidem, daß sie nicht wie

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diese den Hauptwetterstrom schwächen und nicht die Au&tellung von Wetterthüren nötig machen, daß sie die Sprenggase schneller entfernen und, sofern sie blasend wirken, auf heißen Gruben weit leichter die Arbeitsörter kOhl erhalten.

Die anfängliche Herstellung einer geregelten WetterfQhrung bietet an sich weit geringere Schwierigkeiten als die dauernde Erhaltung der- selben. Die Einrichtungen zur Wetterteilung und -leitung, die Wetter- thüren, Dämme, Scheider, Lutten u. s. w. erleiden durch dUe Förderung, durch die Erschütterungen, welche die Sprengschüsse verursachen, ins- besondere durch den Gebirgsdruck häufige Beschädigungen, welche zu

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Fig. 19.

VentilAtioD einer Strecke

mittels Scheiders.

Pig. 20. Fig. Jl.

Ventilation einer Strecke Ventilation einer Strecke

mittels einer bimsenden Lutte, mittels einer saugenden Lutte.

großen Wetterverlusten Anlaß geben und in deren Folge zu Ansamm- lungen von Schlagwettern führen können. Es bedarf didier einer steten sorgfältigen üeberwachun^ aller dieser Einrichtungen. Ebenso empfiehlt es sich, die Wetterthüren m den Strecken, in denen starker Varkehr um- geht, doppelt aufzustellen, damit durch längeres Offenbleiben einer Thür die Wetterführung nicht unterbrochen wird.

Da in der Zeit, wo die Arbeitspunkte unbelegt sind, an diesen

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durch den Gebirgsdnick oder andere Ursachen Störungen in der Wetter- fthrung eintreten können, so schreiben die polizeilichen Verordnungen fftst aUer Länder vor, daß s&mtliche Teile einer Grube, in welchen schlagende Wetter vorkommen oder zu befürchten sind, täglich vor dem An&hren der Belegschaft durch besonders damit beauftragte, zuver- lässige Personen mit der Sicherheitslampe zu untersuchen, und daß die Punkte, an welchen Schlagwetter angetroffen werden, zu sperren sind.

Neben den durch Beschädigung einer Wetterführungseinrichtung verursachten plötzlichen Störungen in der Wetterführung und den da- durch hervorgerufenen plötzlichen Veränderungen der Luftzufuhr und -Verteilung treten auch allmähliche Veränderungen derselben ein, ver- anlaßt durch das Fortschreiten des Abbaues von einer Abteilung zur anderen, von einem Flötz zum anderen, durch Verengung der Wetter- strecken infolge des Gebirgsdruckes oder durch Herstellung neuer Wetter- wege. Um diese Veränderungen festzustellen und etwaigen nachteiligen Folgen durch schnelleren Betrieb des Ventilators oder durch ander- weitige Verteilung der Wetterströme oder sonstige Maßregeln rechtzeitig vorbeugen zu können, ist es erforderlich, daß die Ströme in kurzen Zwischenräumen mittels des Anemometers gemessen und die Ergebnisse der Messungen vermerkt werden.

Außerdem aber ist es ratsam, von Zeit zu Zeit die ausziehenden Wetterströme auf Uire chemische Zusammensetzung zu untersuchen, da diese im allgemeinen einen Maßstab für die mehr oder minder gute Wirkungder Ventilation bietet. Im Saarbrücker und im niederrheinisch- westfäUschen Bezirke ist diese Untersuchung vorgeschrieben. Die preußische Schlagwetter-Kommission sah die Ventilation einer Schlag- wettergrube für nicht genügend an, wenn die ausziehenden Ströme mehr als IVs Proz. Grubengas enthielten. Sie bezeichnete es als wünschens- wert, den Gesamtgehalt der Ströme an Grubengas und Kohlensäure nicht über IV9 Proz. kommen zu lassen.

Die äußeren Luftverhältnisse sind nicht ohne Einfluß auf die un- mittelbare oder mittelbare Entstehung von Schlagwetteransammlungen. Wenn auch noch nicht feststeht, was vielfach auf Grund von Versuchen behauptet wird, daß eine Verminderung des Luftdruckes ein stärkeres Ausströmen von Grubengas aus fester Kohle zur Folge hat, so ist doch nicht zweifelhaft, daß das Sinken des Barometerstandes das Austreten von Gasen, die sich in alten Bauen, im sog. AltenManne, angesammelt haben, in die Grubenbaue begünstigt Auch die Temperatur und Feuchtig- keit der äußeren Luft sowie starke Winde vermögen durch Schwächung der Ventilation zur Ansammlung von Gasen in der Grube beizutragen. Es empfiehlt sich daher, auf Schlagwettergruben, den Alten Mann abzu- sperren oder zu ventilieren, sowie den Barometer- und Thermometer- stand der äußeren Luft täglich zu beobachten. Dagegen sind die kriti- schen Tage Falb 's nach den bisherigen Beobachtungen ohne jede Ein- wirkung auf das Auftreten von Schlagwettern gewesen ^^.

Als weitere nützliche Mittel zur Beaufsichtigung der Wetterführung dienen selbstregistrierende Apparate zur Kontrollierung der vom Ventilator erzeugten Depression und seiner Tourenzahl, da aus einer plötzlichen Aenderung derselben auf eine Störung in der Wetter- fUirung geschlossen werden kann.

3. Unschädlichmachung des Kohlenstaubes. Da eine völlige Entfernung des trockenen Kohlenstaubes wegen -dessen

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aosgedehnter Ablagerung und der Unzugänglichkeit eines Teik der Ab- lagerungsstätten unausführbar ist, so bleibt als einziges prak- tisches Mittel, um den Kohlenstaub unschädlich zu machen, das, ihn gründlich zu befeuchten. Die bisherigen Untersuchungen größerer Kohlenstaubexplosionen haben ergeben, daß die Explosionsflamme an den Stellen zum Erlöschen kam, wo die Streckenwände auf eine gewisse Länge feucht oder frei von trockenem Kohlenstaube waren, daß also bereits die Befeuchtung einzelner Teile der Gruben die Gefahr wesentlich verringert. Dementsprechend läßt man auf einigen staubreichen Gruben in Großbritannien die Haupt- strecken durch Wasserwagen oder andere Einrichtungen befeuchten i^. In Preußen haben die Bergbehörden seit kurzem weitergehende Maß- regeln in dieser Beziehung getroffen. So hat das Oberbergamt zu Bonn durch Bergpolizei- Verordnung vom 2. April 1892 für die Kohlenstaub- gruben im Saarbrücker Bezirk vorgeschrieben, daß befeuchtet werden sollen: 1) die Hauptförderstrecken und Hauptbremsberge sowie die zugehörigen Fahrstrecken, 2) die sonstigen Verbindungsstrecken zwischen verschiedenen Bauabteilungen insoweit, daß die letzteren durch feuchte Streckenabschnitte von mindestens 50 m Länge voneinander getrennt sind, 3) alle Arbeiten, in welchen Kohlen fallen. AehnUche Anordnungen hat das Oberbergamt zu Dortmund in jüngster Zeit für einzelne Gruben seines Bezirks erlassen.

Einige Zechen in Saarbrücken und Westfalen, namentlich diejenigen, auf welchen sich in den letzten Jahren größere Kohlenstaubexplosionen ereignet haben, sind jedoch schon vor Erlaß dieser Bestimmungen freiwillig dazu übergegangen, für sämtliche in Betracht kommenden Arbeitspunkte und Strecken eine regelrechte Befeuchtung durchzu- führen. Das nötige Spritzwasser wird von über Tage oder von einer oberen Sohle, also unter einem Druck von mehreren Atmosphären, in Röhren nach den einzelnen Punkten geleitet Die Benetzung erfolgt an den Arbeitspunkten gewöhnlich mittels Schlauchs mit Spritze (Zer- stäuber oder Strahlrohr), welcher an das Bohrende befestigt ist, in den Strecken entweder ebenfalls durch Schlauch mit Spritze, welcher nacheinander an die einzelnen an die Röhren angesetzten Ventile be- festigt wird, oder durch Zerstäuber, welche an besonderen Rohrzweigen fest angebracht sind. An den Arbeitspunkten haben die daselbst be- schäftigten Leute selbst für die Feuchthaltung zu sorgen, während die Benetzung der Strecken von besonderen Personen bewirkt oder über- wacht wird.

An besonders staubreichen Betriebspunkten nützt jedoch ein Be- spritzen in der angegebenen Weise nur für kurze Zeit. Mic dem Fort- gang der Arbeit werden immer wieder neue Staubmengen frei, so daß, da sich ein ununterbrochenes Spritzen von selbst verbietet, das zeit- weilige Aufwirbeln trockenen Staubes nicht zu vermeiden und eine Ab- lagerung desselben in der Nähe nicht ganz ausgeschlossen ist um diese und andere durch den Staub hervorgerufene üebelstände mög- lichst zu beseitigen , hat der Verfasser im Jahre 1890 auf den staat- lichen Gruben Gamphausen und Kreuzgräben bei Saarbrücken Versuche angestellt, durch zeitweiliges Einspritzen von Wasser in den Kohlenstoß die Kohle selbst mit Wasser zu durchtränken, um so überhaupt die Entwickelung von trockenem Staub durch das Bearbeiten mit dem Ge- zähe zu verhindern und den im Kohlenstoß bereits vorhandenen Staub noch vor seinem Austritt unschädlich zu machen. Diese Versuche sind

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da, wo die Kohle ziemlich dmckhaft und infolgedessen besonders staub- reich war, sehr erfolgreich gewesen ^^.

Die Thatsache, daß man von der r^elrechten Befeuchtung des Kohlenstaubes, diesem für die Verhütung großer Explosionen so überaus wichtigen Mittel, bisher noch verhältnismäßig wenig Gebrauch gemacht bat, ist in erster Linie auf die bedeutenden Kosten, welche hierfür aufge- wendet werden müssen, zurückzuführen. Vielfach fürchtet man auch, daß die Befeuchtung eine Auflockerung der Sohle, Zersetzung des Versatz- materials in den alten Bauen und Grubenbrand im Gefolge haben würde. Die beiden letzten Nachteile sind bis jetzt, soweit bekannt, nirgends her- vorgetreten. Auch hat sich ein Quellen der Sohle nur in beschränktem Uaße gezeigt.

4. Verhütung der Entzündung von Schlagwettern und

Kohlenstaub.

Da die Herstellung und Instandhaltung der zur Ventilation der einzelnen Arbeitspunkte dienenden Einrichtungen, wie der Scheider, Lutten, des Bergeversatzes u. s. w. in der Begel von den dort beschäf- tigten Leuten besorgt werden muß, hierfür aber eine besondere Ver- gütung meist nicht geleistet wird, so erklärt es sich, daß, wenn von Seiten der Beamten nicht mit Strenge auf sorgfältige Ausführung dieser Arbeiten gehalten wird, diese leicht vernachlässigt werden und daß daher auch bei im allgemeinen reichlicher Luftzufuhr Schlagwetter ent- stehen können. Aber selbst bei sorgsamster Wetterführung, sowie bei steter Kontrolle und Instandhaltung der Einrichtungen hierzu sind doch mitunter Schlagwetteransammlungen nicht völlig zu vermeiden. Ganz abgesehen von den Fällen, wo Bläser oder sonstige starke Gas- mengen, welche mit den gewöhnlichen Hilfsmitteln der Wetterführung nicht sogleich entfernt werden können, unvermutet frei werden, bilden sich unter Umständen in Höhlungen an der Firste, wenn auch in ge- ringen Mengen, explosible Gasgemische, die sich oft der Beobachtung entziehen.

Es müssen deshalb, um Schli^wetterexplosionen sicher zu ver- meiden, neben den Maßnahmen, welche eine Ansammlung solcher Gase möglichst verhüten sollen, auch Vorkehrungen getroffen werden, welche eine Entzündung etwaiger Ansammlungen verhindern.

Da die Einrichtungen zur Unschädlichmachung des Kohlenstaubes für längere oder kürzere Zeit versagen oder von den Arbeitern schlecht benutzt werden können, so wird man sich zur möglichst sicheren Ver- meidung von Kohlenstaubexplosionen ebenfalls nicht lediglich auf die Herstellung dieser Einrichtungen beschränken. Man wird vielmehr auch hier für Vorkehrungen Sorge tragen müssen, durch welche eine Ent- zündung etwaiger Staubansammlung thunlichst ausgeschlossen wird.

In früherer Zeit war das offene Grubenlicht die häufigste Ursache der Entzündung von Schlagwettern. Nachdem aber in fast allen Lindem die Bergpolizeiverordnungen den Gebrauch der Sicherheits- lampe für Schlagwettergruben vorgeschrieben haben, sind diese Ent- zündungsfälle immer seltener geworden.

Die Sicherheitslampe bietet jedoch, so wertvoll sie auch für den Steinkohlenbergmann ist, keine unbedingte Sicherheit gegen eine Entzündung von Schlagwettern. Ihre Sicherheit hört auf, sobald der Glascylinder oder das Drahtnetz beschädigt oder sobald letzteres stark

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beschmutzt ist Zeigt die Lampe explosible (rase an, so muß sie so-

? gleich, wenn auch mit der nötigen Vorsicht, entfernt werden, da anderen- älls das Drahtnetz zum ErglQhen kommt und die im Innern der Lampe stattfindende Entzündung nach außen fortpflanzt. In starken Wetter- strömen muß der Drahtkorb mit einem Blechmantel oder einem zweiten Drahtkorb umhüllt werden, damit die Flamme nicht durchgeblasen wird. Da die Sicherheitslampe durch Staub und Ruß erheblich an ihrer Leuchtkraft einbüßt, außerdem aber auch beim Putzen des Drahtes, beim Abprobieren auf Schlagwetter und beim Herabfallen leicht er- lischt — auf einigen Gruben beträgt die Zahl der w&hrend einer Schicht erloschenen Lampen mehr als Vs ^^^ überhaupt gebrauchten und da das Wiederanzünden der Lampe an den hierfür bestimmten Punkten der Grube oder die Herbeischaffung einer anderen Lampe meist nur mit großem Aufwand an Zeit verbunden ist, so erklärt es sich, daft die Bergleute häufig der Versuchung, ihre Lampen zu ö£fhen und sie mittels Streichholzes oder einer anderen geöffneten brennenden Lampe anzuzünden, nicht widerstehen, falls nicht an denselben Vorrichtungen angebracht sind, welche ein Wiederanzünden von innen ermöglichen. Im Laufe der Zeit sind zwar mannigfache Vorrichtungen angewandt worden, welche ein unbefugtes Oefihen der Sicherheitslampe verhindern oder wenigstens erkennen lassen sollen. Doch haben die wenigsten von ihnen ihren Zweck erfüllen können.

Im Jahre 1893 waren von den 21 in Preußen vorgekommenen tdd> Hohen Explosionen nicht weniger als 6 durch unbefugtes Oefihen der Sicherheitslampe veranlaßt.

Das Oberbergamt zu Dortmund hat deshalb kürzlich für eine Reihe von Gruben seines Bezirks die Einführung von Sicherheitslampen mit innerer Zündvorrichtung angeordnet, auch ist man auf einer großen An- zahl von Schlagwettergruben bereits freiwillig dazu übergegangen, den Arbeitern nur solche Lampen in die Hand zu geben. Es ist zu wünschen, daß dieses Beispiel mehr und mehr Nachahmung findet, auch schon deshalb^ weil diese Lampen gegenüber den anderen noch den wichtigen Vorzug besitzen, daß sie bei einer Explosion den Arbeitern die Bettung erleichtem. So war z. B. bei der Explosion auf dem Dreifaitigkeitsschacht in Polnisch- Ostrau am 3. Januar 1891 die Bettung einer beträchtlichen Zahl von Arbeitern nur dem Umstände zu verdanken, daß es ihnen gelang, mit Hilfe der Zündvorrichtung das durch den Luftstoß der Explosion aus- gelöschte Licht von neuem anzuzünden ^®. Von den Lampen mit innerer Zündvorrichtung hat namentlich die W o 1 f * sehe Benzinlampe in Deutsch^ laud große Verbreitung gefunden.

Iq den letzten Jahren sind die durch S'prengschüsse verur- sachten Explosionen immer häufiger geworden.

Während in der Zeit von 1861 bis 1881 von 340 tödlichen Ex- plosionen in Preußen nur 60, also 18 Proz. durch die Schießarbeit herbei- geführt waren, betrag die Zahl dieser Fälle in den Jahren 1882 bis 1892 nicht weniger als 112 von 293, d. h. 38 Proz.

Die Ursache dieser Erscheinung liegt vornehmlich in der vermehrten Anwendung der Schießarbeit und in dem mit der Teufe der Gruben zu-* Behmenden Auftreten von trockenem Kohlenstaub.

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Nach den von den Schlagwetter- Kommissioneti und anderweitig an- gestellten Untersuchungen haben sich das Pulver, das Guhrdynaniit, die Sprenggelatine und das Gelatinedynainit als besonders gefährlich bei An- wesenheit von Schlagwettern und trockenem Kohlenstaub erwiesen, vor allem aber das Pulver. Beim einheimischen Bergbau ist daher dessen Ge- brauch in Kohlenstaubgruben verboten. Um eine Entzündung durch Sprengschtlsse zu verhüten, schreiben die Bergbaupolizeiverordnungen vor, daß vor jedem Schusse die Arbeitsstelle und ihre Umgebung auf Schlag- wetter abprobiert werden und die Schießarbeit unterbleiben soll, wenn Schlagwetter vorhanden sind, daß außerdem daselbst etwaiger trockener Kohlenstaub entfernt oder unschädlich zu machen ist. Diese Vorschrift wird jedoch nicht immer mit der nötigen Gründlichkeit befolgt. Nicht selten dürften allerdings auch der sorgfältigsten Beobachtung geringe Schlagwetter- oder Kohlenstaubmengen entgehen. Man ist deshalb in den letzten Jahren bestrebt gewesen, Mittel zu erfinden, durch welche die Schießarbeit auch bei zufälliger Anwesenheit von Schlagwettern und Kohlenstaub ungefährlich gemacht werden soll.

Man hat dieses einerseits dadurch zu erreichen gesucht, daß man beim Schießen mit Dynamit und verwandten Stoffen statt des gewöhn- lichen Lettenbesatzes einen solchen von feuchtem Moos oder Sand an- wandte oder beim Sprengen mit Gelatinedynamit die Sprengladung in eine mit Wasser gefüllte Hülse einschloß, da hierdurch anscheinend die Spreng- gase unter die Entzündungstemperatur der Schlagwetter abgekühlt werden. Nach Abel und der österreichischen Schlagwetter-Kommission soll das Schießen mit Moos- oder Sandbesatz sicher sein. Das Schießen mit Wasser h&It Abel nicht für so sicher, da bei ausblasenden Schüssen das Wasser zum Teil herausgeschleudert, statt, wie dies zur Erzielung der beabsichtigten Wirkung nötig ist, fein zerstäubt werde '**. Die Be- nutzung der Wasserhülsen hat überdies für die Arbeiter manches Un- bequeme, was vielfach dazu führen wird, sie ganz zu unterlassen.

Andererseits hat man versucht, die genannten Sprengmittel in Schlagwettergruben durch andere Sprengstoffe zu ersetzen, welche bei ihrer Explosion keine Flamme geben. Von diesen sog. Sicherheits- sprengstoffen, Roburit, Karbonit, Sekurit, Westfalit, Dahmenit, Wetter- dynamit, Grisoutit u. s. w. (vergl. oben S. 256 die Sprengarbeit) haben sich zwar einzelne in gewissen Zusammensetzungen noch bei Ladungen bis zu 450 g bezw. 740 g als sicher gezeigt *^ Da jedoch erfahrungs- gemäß von den Bergleuten nicht selten weit stärkere Ladungen als 450 g und sogar 740 g angewandt werden *=^, so genügt die gewährte Sicherheit nicht immer. Außerdem haben diese Sprengstoffe beson- dere Nachteile, welche ihrer Verbreitung bisher sehr entgegenge- standen haben. Sie sind meist schwächer als Dynamit, ziehen zum Teil Feuchtigkeit an und versagen dann häufig ganz; zum Teil er- fordern sie zu ihrer Entzündung Sprengkapseln von nicht weniger als VU g Knallsatz, der nach Mallard u. a. schon für sich allein ScUagwetter zu entzünden vermag*^. Die Fabrikanten der Sicher- heitssprengstoffe sind zwar bemüht gewesen, diese Nachteile nach Mög- lichkeit durch eine andere Zusammensetzung der Stoffe zu beseitigen. Bisher hat sich dies jedoch meist nicht ohne Beeinträchtigung der Sicherheit oder ohne Herbeiführung anderer Uebelstände erreichen lassen.

Auch die Zündschnur kann durch ihre Stichflamme oder durch Funkensprühen Schlagwetter zur Entzündung bringen. Bewährte und brauchbare Mittel, dieses Sprühen zu verhindern, sind bisher nicht

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gefunden worden. Es empfiehlt sich deshalb, die Zündung der Sprengschflsse in Schlagwettergruben auf elektrischem Wege oder mittelst Beibungszünder zu bewirken. Allerdings erfordert die elektrische Zündung besondere Vor- sicht, da bei fehlerhafter Herstellung des Anschlusses an die Leitung ein Ueberspringen von Funken außerhäb des Bohrlochs vorkommen kann. Sie sollte darum nur geübten Leuten anvertraut werden.

Im allgemeinen ist man mehr und mehr zu der üeberzeugung ge- langt, daß es am besten ist, die Schießarbeit auf den gefährlichen Gruben, vornehmlich auf den Kohlenstaubgruben, nach Möglichkeit zu beschränken und da, wo sie notwendig ist, nur durch besonders damit vertraute und zuverlässige Personen (Schießmeister) ausführen zu lassen. Dementsprechend sind auch in Belgien, Großbritannien, Oesterreich, Saarbrücken und Westfalen gesetzliche oder polizeiliche Beschränkungen der Schießarbeit für die gefährlichsten Gruben angeordnet worden.

Man hat sich auch häufig mit der Frage der gänzlichen Einstellung der Schießarbeit und der Ersetzung der letzteren durch andere Hilfs- mittel befaßt. Doch hat sich bisher ein völliger Ersatz nicht finden lassen. Von den zahlreichen Vorschlägen, welche in dieser Beziehung gemacht worden sind, haben einige wenige, jedoch auch fast nur för Arbeiten in der Kohle nachhaltige, praktische Verwendung gefunden. Hierher gehört das auf preußischen Schlagwettergruben viel&ch übliche Einschlagen von Keilen in den Kohlenstoß nach vorherigem Unter- schrämen und Schlitzen desselben, sowie das in Belgien gebräuchliche maschinelle Eintreiben eiserner Keile zwischen zwei andere, in einem Bohrloche eingelassene Keile. Bei Betrieben in festem Gfistein hat jedoch die Sprengarbeit bis jetzt nur selten entbehrt werden können.

d) Der Staub in der Grubenluft.

Bei fast allen bergmännischen Gewinnungsarbeiten werden, soweit sie nicht in nassem Gebirge stattfinden, große Staubmengen erzeugt Außerdem entwickeln die Grubenlampen durch unvollkommene Ver- brennung des Leuchtstoffes eine Menge feinen Kohlenstoffes. Alle diese staubförmigen Bestandteile der Grubenluft werden, wenn sie nicht niedergeschlagen werden, von dem Bergmann eingeatmet oder lagern sich im Munde, in der Nase oder in den Ohren ab. Gröbere Stückchen, wie sie namentlich beim Schrämen entstehen, setzen sich auch woU im Hemd des Arbeiters fest, reiben und reizen die Haut

Unzweifelhaft ist der Gesteinsstaub für die Gesundheit der Arbeiter sehr schädlich. Man hat jedoch im allgemeinen auf seine Unschädlich- machung bisher wenig Wert gelegt. Allerdings wird, wo nur irgend angängig, die Bohrarbeit naß, d. h. unter Zuführung von Wasser zur Bohrlochsohle ausgeführt Dagegen finden sich bedauerlicherweise nur selten Einrichtungen zum Niederschlagen des beim Hereinschießen trockenen Gesteins oft massenhaft entstehenden Staubes.

Wenn auch der Kohlenstaub für die Gesundheit der Arbeiter weit weniger nachteilig ist als der Gesteinsstaub und erst nach langer Zeit ernstliche Störungen der Gesundheit hervorruft (vergl. unten Füller), so wirkt er doch nicht weniger belästigend. Auch trägt er entschieden wie jeder Staub zur Verschlechterung der Beleuchtung bei. Die zur Verhütung von Kohlenstaubexplosionen angewendeten Befeuchtungs- einrichtungen sind deshalb in mehrfacher Beziehung hygienisch von Wichtigkeit. Besonders vorteilhaft hat sich unter diesen, wenigstens an

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter.

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dmckhaften und darum meist sehr staubreichen Betrieben, das froher erwähnte Einspritzen von gepreßtem Wasser in den Kohlenstoß erwiesen, weil dadurch die Entwickdung trockenen Staubes überhaupt nach Mög- lichkeit verhindert wird.

e) Die Beleuchtung in den Gruben.

Die Art der Beleuchtung in den Gruben ist ffir die Hygiene von wesentlicher Bedeutung. Je besser die Airbeitsräume erleuchtet sind, um so eher werden die Gefahren des Einsturzes loser Massen, durch den, wie früher angeführt, über ein Drittel aller Grubenunfillle verur- sacht wird, sowie andere Gefahren erkannt und beseitigt werden können.

Abgesehen von den Füllörtern, Maschinenräumen und sonstigen nahe am Schacht gel^enen Punkten geschieht die Beleuchtung in den Gruben in der Regel lediglich durch tragbare Lampen. Auf den Berg- werken, in denen keine Schlagwetter auftreten, bestehen diese Lampen meist aus offenen Büböllampen, von denen eine der gewöhnlichsten Arten in Fig. 22 dargestellt ist, seltener aus Kerzen oder Laternen. Petroleumlampen mit Glascylinder haben sich bei Versudien, welche vor mehr als 20 Jahren gemacht worden sind, nicht bewährt, da sie in etwas starkem Luftstrome schlecht brannten'^. Seitdem scheint man der Frage ihrer etwaigen Benutzung merkwürdiger- weise kein Literesse mehr geschenkt zu haben. Auf Sdblagwettergruben stehen Sicherheitslampen in An- wendung.

Die offene Rüböllampe entwickelt viel Ruß. Sie giebt aber auch nur ein schwaches Licht Dennoch steht sie in Bezug auf ihre Leuchtkraft der Sicherheits- lampe weit voraus. Das Drahtnetz der Sicherheits- lampe hat nämlich, so wichtig es auch fOr die Sicher- heit bei Anwesenheit von ScUagwettem ist, doch den bedeutsamen Nachteil, daß es die Leuchtkraft der Lampe erheblich vermindert. Während nach den Unter- suchungen der preußischen Schlagwetter-Kommission die Leuchtkraft eines gewöhnlichen offenen Gruben- Uchtes 1,40 einer englischen Normal-Walratkerze von 45 mm Flammenhöhe betraf, liefert die Davy* Lampe durchschnittlich nur eme solche von 0,20.

Die Veränderungen, welche die Da vy- Lampe (vergl. S. 267) seit 1815, dem Jahre ihrer Erfindung, bis heute erfahren hat, sind deshalb m erster Linie darauf gerichtet gewesen, ihre Leuchtkraft zu erhöhen. Die hauptsächlichste in dieser Beziehung erzielte Verbesserung besteht in der Ersetzung des unteren Teils des Drahtkorbes durch einen Glas- cylinder (Fig. 23). Sodann ist man in den letzten Jahren mehr und mehr dazu fibergegangen, statt des Rüböls heller leuchtende Stoffe zum Brennen zu verwenden, z. B. Benzin. Man hat dadurch allerdings die Leuchtkraft einzelner Lampen, wie der Wolf sehen Benzinlampe u. a., bis zu 1 Normalkerze und darüber gehoben. Die meisten der noch heute im Gebraudi stehenden Glascylinder-Sicherheitslampen liefern jedoch nach den Untersuchungen der genannten Kommission durchschnitt- lich immer nur eine Lichtstärke von 0,60 Kerze, und zwar auch bloß

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Pig. 11. Offene Grnbenlaoipe.

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in gereinigtem Znstande. Im Verlaufe der Schicht nimmt diese Leucht- kraft durch Einrußen und Einschmutzen der Lampe noch erheblich ab. Unzweifelhaft hat diese ungenügende Beleuchtung auf Schlagwetter- Gruben zu einer Vermehrung der Unglücksfalle durch Stein- und Eohlen- faU und andere Ursachen beigetragen, sowie auch nicht selten Veran* lassung zum verbotswidrigen Oe£fnen der Lampen und damit zu Schlag- wetterexplosionen gegeben. Sie ist aber auch sonst nicht ohne unmittel- bare nachteilige Folgen für die Gesundheit der Arbeiter geblieben.

Die in neuerer Zeit von Aerzten des In- und Auslandes angestellten Untersuchungen über den Nystagmus der Bergleute, eine diesen eigentümliche Augenkrankheit, an welcher 5 Proz. aller Steinkohlen- bergleute, und zwar fast nur die Hauer, leiden sollen, haben ergeben, daß diese Krankheit, wenn auch vielleicht nicht ausschließlich, wie Dr. Court in England annimmt, so doch in überwiegendem Maße, durch das schlechte Licht der Sicherheits- lampe erzeugt wird. Die mit dieser Krankheit be- hafteten Arbeiter unterliegen ab^r auch, weil sidi ihren Augen alle Gegenstände in tanzender oder rollender Bewegung darstellen, weit mehr der Ge- fahr der Verunglückung als gesunde Arbeiter*^ (vergl. n&heres im zweiten Abschnitt).

Es ist deshalb erklärlich, daß man sich be- reits seit einer Reihe von Jahren bemüht hat^ die bisherigen Grubenlampen durch elektri- sche zu ersetzen. Bis heute ist dies jedoch nur in sehr geringem Maße gelungen. Allerdings haben feststehende elektrische Lampen zur Beleuch- tung der Füllörter, Maschinenräume, Hauptquer- schläge, sowie neuerdings beim Schachtabteufen bereits vielfach Verwendung gefunden. Diese Lam- p. ^^ pen würden sich übrigens auch zweckmäßig zur

Gewöhnlich^' sidierheiu- Beleuchtung der einzelnen Anschlagspunkte an Umpe. den Bremsbergen eignen. Dagegen ist die Be-

nutzung tragbarer elektrischer Lampen, welche an den eigentlichen Gewinnungspunkten allein in Frage kommen, bis heute über das Versuchsstadium nicht herausgerückt. Die Speisung dieser Lampen durch eine Stromleitung verbietet sich in der Begel wegen der Leichtigkeit einer Beschädigung der letzteren und der Gefahr einer Entzündung von Schlagwettern durch überspringende Funken und ist deshalb auch nur vereinzelt versucht worden. Die bis

{'etzt hergestellten Akkumulatorlampen haben sich aber wegen ihrer Kostspieligkeit, ihres großen Gewichts, teils auch wegen Unzuverlässig- keit und schwieriger Behandlung oder anderer Uebelstände nur wenig Eingang zu verschaffen gewußt Ihre Anwendung beschränkt sich gegen- wärtig meist noch auf die Fälle, wo die Benutzung gewöhnlicher Lampen ausgeschlossen ist, nämlich bei Rettungsarbeiten in giftigen Gasen, beim Eindämmen eines Grubenbrandes u. dergl. Bei diesen Arbeiten vermögen sie auch heute schon ausgezeichnete Dienste zu leisten.

Eine Lampe der letzteren Art ist die Pollak -Lampe (Fig. 24). Sie besteht aus einem in einem Hartgummikasten eingeschlossenen Akkumulator, der eine kleine, durch besondere Gylinder geschützte

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter. 285

GlQhlampe speist Sie wiegt 1,6 kg. Ihre Leuchtkraft beträgt jedoch nur 0,8 Normalkerze und hält 10—12 Stunden vor*«.

Uebrigens geht der elektrischen Lampe die so wichtige Eigenschaft der gewöhnlichen Sicherheitslampe, Schlagwetter anzuzeigen, ganz ab, ein Mangel, der ihrer Eioführung auf Schlagwetter- gruben auch nach wesentlicher Verbesserung sehr entgegenstehen wird, da er immer dazu zwingen wird, besondere Hilfsmittel zum Erkennen der Schlagwetter anzuwenden. Ihr dürfte sich daher auf anderen Gruben weit eher eine Zukunft bieten als auf Schlagwettergruben. Für die letzteren wird man eine Verbesserung der Beleuchtung in erster Linie durch Vervollkommnung der Sicherheitslampe zu er- zielen suchen müssen. Ein bedeutender Schritt ist in dieser Beziehung in den letzten Jahren bereits durch die oben erwähnte Anwendung besser leuchten- der Brennstoffe an Stelle des Rüböls geschehen.

f) Das Grubenklima.

Die Luft in einer Grube ist um so schwerer, je tiefer diese ist und je geringer die zum Durdi- zug der Luft erforderliche Depression zu sein braucht pig, 94.

Nach den Untersuchungen der preußischen Schlag- Poiuk-Liunpe. wetter-Kommission, Lokalabteilung Dortmund, steigt das Barometer um 1 mm bei einer Zunahme der Tiefe von 10 13,2 m oder von durchschnittlich 11,24 m^^.

Die Temperatur in den Grubenbauen hängt hauptsächlich einerseits von der natürlichen Gesteinswärme, andererseits von der Geschwindig- keit ab, mit welcher die Luft durch die Baue bewegt wird.

Die Gesteinswärme nimmt nach der Tiefe hin ziemlich gleichmäßig zu und zwar, soweit die bisher in tiefen Bohrlöchern angestellten Beob- achtungen ergeben haben, um C auf eine Länge von 32—36 m**. Auf Grube Gerhard bei Saarbrücken wurde die Gebirgstemperatur in einem Querschlag bei 239 m unter Tage zu IT^g— 18*/,® C festge- steUt; auf Grube Camphausen daselbst betrug sie in der Grundstrecke eines Flötzes bei 497 m Tiefe 32,8<> C, in einem Querschlag bei 568 m 34^ G. In einem Schachte der Grube Sainte Henriette in F16nu (Belgien) wurde sie in 1025 m Tiefe zu 42^ C gemessen'^.

Der mit der Temperatur der Außenluft in den Einziehschacht fallende Wetterstrom sucht auf seinem Wege durch die Grube seine Temperatur mit der des Gestems auszugleichen. Im Winter nimmt er infolgedessen bei seinem Durchzug an Wärme zu, im Sommer erleidet er in nicht tiefen Gruben eine Abkühlung. In tiefen Gruben tritt im Sommer ein zweimaliger Wechsel ein, indem der Wetterstrom zunächst im Einziehschacht durch die oberen kühlen Gesteinsschichten und durch die meist im Schacht vorhandene Feuchtigkeit erheblich abgekühlt, so- dann aber durch die höhere Gesteinswärme in den Grubenbauen wieder erwärmt wird.

Infolge dieser ausgleichenden Wirkungen sind die Schwankungen der Lufttemperatur unter Tage weit geringer als der über Tage. Sie machen sich aber überhaupt nur in der Nähe des Einziehschachtes, am Füllort, in den Hauptquerschlägen und vielfach noch in den Grund-

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strecken, sofern sich in ihnen die Luft noch mit großer Geschwindig- keit fortbewegt, bemerkbar. Durch die wiederholte Teilung, welche die Luft in der Grube erfährt, wird deren Geschwindigkeit mehr und mehr Terringert. Je langsamer aber die Luft an den Geisteinswänden vorbei- strömt, und je Iftnger der von ihr zurückgelegte Weg ist, desto mehr nähert sich ihre Temperatur der des Gesteins. Da die letztere be- reits bei einer Teufe bis zu 30 m ganz unabhängig von den Schwan- kungen der Temperatur der Außenluft ist, so ist es erklärlich, daß auch die Temperatur der Luft an den Arbeitspunkten der Grube das ganze Jahr über keinen wesentlichen Unterschied zeigt.

Die Erhöhung, welche die Temperatur der Luft in tiefen Gruben auf dem Wege vom Füllort des Einziehschachtes bis zu den entferntesten Betriebspunkten erfährt, kann sich in kalter Jahreszeit auf mehr als 20^ G belaufen.

Wenn auch im allgemeinen in tiefen Gruben die vom Einziehschacht weiter entfernten Baue bei gleicher Luftzufuhr und gleicher Belegung höhere Wärme aufweisen als die näher gelegenen, so bringen doch häufig besondere Einflüsse Abweichungen in dieser Hinsicht hervor. Zu diesen Einflüssen sind zu rechnen: der Gehalt des Gebirges an Feuchtigkeit, Gebirgsdruck, Zersetzung von Schwefelkies, der Betrieb von Dampf- oder Luftdruckmaschinen, der Gebrauch von Sprengmaterialien u. s. w. Der Gebirgsdruck, die Oxydation des Schwefelkieses, die Anwendung von Dampf und von Sprengmaterialien bewirken eine Erhöhung, Wasser- zuflüsse, abgesehen von warmen Quellen, sowie die Benutzung von Druck- luft eine Erniedrigung der Temperatur. Aber auch selbst an den Ar- beitspunkten derselben Bauabteilung können bei sonst gleichen örtlichen und betrieblichen Verhältnissen erhebliche Temperaturunterschiede da- durch verursacht werden, daß der Wetterstrom nicht zu allen Punkten mit gleicher Stärke gelangt. So wurden s. Z. auf der schon genannten Grube Camphausen in einer Bremsbergabteilung Temperaturunterschiede bis zu C beobachtet »<>.

Abgesehen von einzelnen Ausnahmen, bei denen sich die vorer- wähnten Einflüsse stark geltend machen, übersteigt die Temperatur der Grubenluft an den Arbeitspunkten selten die des Gesteins. Die zu Ende der 60 er Jahre mit der Untersuchung der Wetterführungsverhältnisse auf den Steinkohlenzechen des westfälischen Oberbergamtsbezirks betraute Kommission berechnete auf Grund ihrer Beobachtungen die mittlere Temperatur der damaligen 150—250 m tiefen Gruben zu 14^ R = 17,5 ® C. Bis zu einer Teufe von 200 m sind demnach die Tem- peraturen in der Begel durchaus mäßige. Dagegen fand in den Jahren 1881—1883 die Lokalabteilung Dortmund der preußischen Schlagwetter- Kommission auf 38 von im ganzen 52 befahrenen Gruben an einzelnen Betriebspunkten eine Temperatur von mehr als 20^ G und auf 17 der- selben eine solche von 25—28^ C, auf einer eine von 32® C. Von diesen 18 Gruben waren eine unter 300 m, 5 zwischen 3 400 m und 12 über 400 m tief »i.

Infolge der Feuchtigkeit, welche gewöhnlich in den Schächten und den Grubenbauen durch die aufgeschlossenen Wasser vorhanden ist, finden sich die in den einziehenden Schacht strömenden Wetter selbst bei sehr trockener Außenluft meist schon am Füllort nahezu mit Wasser- dampf gesättigt, und sie behalten den relativ hohen Feuchtigkeitsgehalt in der Begel auch auf dem ganzen Wege durch die Grube bei. Die Wetter entziehen also, wenn sie sich auf diesem Wege erwärmen, dem

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiten ' 287

Gebirge einen Teil seines Wassers. Nur auf einzelnen heißen Stein- kohlengniben mit sehr trockenen Flötzen findet ein Herabgehen de» relativen Feuchtigkeitsgehalts der Luft an den Arbeitspunkten infolge des Steigens der Temperatur statt. So zeigten bis vor wenigen Jahren die Wetter an einzelnen Abbauen der Grube Gamphausen bei Saar- brücken eine relative Feuchtigkeit bis unter 50 Proz.»*. Der Feuchtig- keitsgehalt hob sich aber, nachdem man dazu übergegangen war, den Kohlenstaub zu benetzen.

Der hohe Luftdruck in den Gruben scheint, so weit bisher bekannt^ keinen nachteiligen Einfluß auf den menschlichen Körper auszuüben. Anders verhält es sich dagegen mit der Temperatur und der Feuchtigkeit.

Bei der anstrengenden Muskelthätigkeit, welche der Bergmann bei seiner Arbeit aufwenden muß, entwickelt der Körper eine Menge Wärme. Je wärmer und gesättigter nun die Grubenluft ist, desto weniger ver- mag sie dem Körper seine Wärme und Feuchtigkeit zu entziehen, d. h. ihn abzukühlen. Der Körper gerät in starken Schweiß, der sich häufig^ schon von weitem durch üblen Geruch unangenehm bemerkbar madit.

Es ist begreiflich, daß sich die Arbeiter an heißen Punkten gern eines Teils ihrer Kleidung entledigen und mit nacktem Oberkörper ar- beiten. Im Oberbergamtsbezirk Dortmund hat man dies bergpolizeilich verboten, weil nicht selten ganz unbedeutende Schlagwetterexplosionen infolge der starken Entblößung des Oberkörpers tödliche Verbrennungen bei den Betroffenen herbeiführten. Die Leute klagen jedoch, daß das wollene Hemd, das gewöhnliche Hemd des Bergnaanns, die in Schweiß^ geratene Haut reize. Auf Zeche Hugo bei Recklinghausen tragen des- halb neuerdings die an warmen Punkten beschäftigten Arbeiter auf Ver- anlassung und Kosten der Zeche leichte, bis zur Hüfte reichende Jacken aus Zellenstoff, welche den Körperschweiß au&ehmen, ohne ein unbe- hagliches Gefühl auf der Haut hervorzurufen '3.

Nach Beendigung der Schicht gelangt der Arbeiter auf dem Wege zum Schacht meist noch in erhitztem Zustande und gewöhnlich in leichter Kleidung in immer kältere und bewegtere Luftströme. Am Füllort des Einziehschachtes, der in der R^el auch zur Ein- und Aus- fahrt der Belegschaft dient, muß er häufig längere Zeit auf seine Aus- fahrt warten. Erkältungen mit ihren Folgekrankheiten sind daher bei den Arbeitern heißer Gruben nichts Ungewöhnliches.

Mit Rücksicht auf die schädigende Einwirkung, welche ein langes Arbeiten in heißen Grubenbauen auf die Gesundheit auszuüben vermag, ist, wie bereite früher (S. 243) erwähnt wurde^ in den meisten Oberbei^amte- bezirken Preußens die Arbeitszeit an Betriebspunkten, deren Tempe- ratur 29® bezw. 30^ G übersteigt, auf 6 Stunden beschränkt Auch empfahl die preußische Schlagwetter-Kommission, um die Arbeiter nicht einem zu schroffen Temperaturwechsel auszusetzen, die Querschnitte der Wetterwege so groß zu nehmen und die Luft so zu teilen, daß die Geschwindigkeit der einziehenden Wetter nicht über 240 m in der Mi- nute hinauskommt. Dies ist im Oberbergamtsbezirk Bonn für die Schlagwettergruben , im Oberbergamtsbezirk Breslau für * alle Berg- werke bergpolizeilich vorgeschrieben.

Die Grubenwasser sind an den Stellen, wo sie aufgeschlossen werden, für die Arbeiter meist sehr belästigend. Dies ist besonders bcdm Abteufen der Schächte der Fall (Fig. 25). Man sucht zwar die Wasser durch Rinnen oder Traufenbühnen aufzufangen und abzuleiten, sowie dort, wo sehr große Mengen frei werden, solche bald durch wasserdichtea

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Ausbau ins Gebirge zurückzudrängen, doch läßt sich eine völlige Trocken- haltung der Schachtabteufungsarbeiten nicht erzielen. Um die Arbeiter möglichst vor Durchnässung zu schützen, läßt man sie über ihre ge- wöhnliche Grubenkleidung noch einen besonderen Anzug aus Leder, Gummi oder geöltem Segelleinen und ebensolche Hüte tragen. Diese Anzüge nutzen sich jedoch schnell ab und werden dann immer durch- lässiger. Außerdem erschweren die in nassem Zustande 7 bis 9 kg wiegenden Leder- und Gummianzüge das Arbeiten in merklicher Weise.

Fig. 26. SchachUbteufen.

Naturgemäß sind die Schachtarbeiter sehr leicht der Gefahr einer Er- kältung ausgesetzt. In sehr nassen Schächten beschränkt man deshalb ihre Schicht gewöhnlich auf 6 Stunden.

g) Wasserdurchbrüche und Grubenbrände'*.

Außer den gewöhnlichen Betriebsgefahren treten beim Bergbau nicht selten auch außergewöhnliche Ereignisse ein, welche das Leben

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oder die Gesundheit der Arbeiter bedrohen, iDsbesondere sind dies die Wasserdurchbrflche und Grubenbrände.

Wasserdurchbrttche sind meist veranlaßt durch den Einbruch überlagernder wasserreicher Gebirgsschichten in die Baue oder das An- zapfen einer mit solchen Schichten in Verbindung stehenden Kluft oder durch das Anfahren von Wassersäcken in alten verlassenen Grubenan- lagen. Das Einbrechen schwimmender Gebirgsmassen hat gewöhnfich außer dem Einströmen starker Wassermengen auch noch das großer Swdmengen und damit eine Verschttttung der unter der Einbruchs- stelle gelegenen Baue zur Folge. Die in alten Bauen angesammelten Wasser enthalten oft große Mengen von Grubengas, Kohlensäure oder Schwefelwasserstoff, die beim Einströmen der Wasser in die Baue frei werden. Es sind deshalb zur Vermeidung von Unfällen besondere Vor- sichtsmaßregeln geboten und größtentdls auch vorgeschrieben. In erster Linie ist es nötig, beim Betriebe unter wasserftihrendem Deck- gebirge die oberste Sohle in einem solchen Niveau anzusetzen, daß unter der Auflagerungsfläche ein hinreichend starker Sicherheitspfeiler stehen bleibt. Sind in der Nähe von Grubenbauen wasserreiches Ge- birge oder Wassersäcke bekannt oder zu vermuten, so muß mit mög- lichster Vorsicht vorgebohrt werden, um die Wasser und etwaige böse Wetter allmählich zum Abfluß zu bringen. Dasselbe geschieht bei An- näherung an den alten Mann, wenn man letztere allein anzutreffen er- wartet Auf alle Fälle thut man gut, da, wo starke Wassermassen angefahren werden könnten, verschließbare Dämme anzubringen, welche die Wasser zurück zu halten und die Grube vor dem Ersaufen zu schützen vermögen. Zwischen benachbarten Gruben müssen in der Regel auf Gtrund bergpolizeilicher Vorschrift Sicherheitspfeiler anstehen bleiben, welche den Durchbruch von Wassern oder Wettern aus einer Grube in die andere verhindern.

Grubenbrände entstehen aus Unvorsichtigkeit mit offenen Lampen oder offenem Feuer, in Kohlengruben auch durch Schlagwetter- explosionen oder durch Selbstentzündung der Kohle. Ein solcher durch Unvorsichtigkeit verursachter Grubenbrand kostete am 30. Mai 1892 in PHbram 330 Menschen das Leben. Eine Selbstentzündung der KoUe wird namentlich dadurch herbeigeführt, daß viel Feinkohle in abgebauten, nicht genügend abgeschlossenen oder ventilierten Räumen zurückbleibt. Es empfiehlt sich daher, die Kohle möglichst rein zu gewinnen und die alten Baue entweder luftdicht abzuschließen oder so zu ventilieren, daß die Kohle genügend abgekühlt bleibt.

Ist ein Brand ausgebrochen , der Herd aber noch nicht sehr aus- gedehnt und leicht zugänglich, so läßt sich ersterer meist noch durch Wasser leicht löschen. Anderenfalls muß man versuchen, ihn durch Dämme luftdicht abzuschließen und zu ersticken. Diese Arbeiten sind wegen der bei solchen Bränden entwickelten giftigen Gase, Kohlen- oxyd und Kohlensäure, sowie der auf Kohlengruben häufig hierbei statt- findenden Schlagwetterexplosionen sehr gefährlich. Sie können vielfach um unter Anwendung künstlicher Atmungsapparate ausgeführt werden, sind oft auch wegen der starken Hitze sehr aufreibend. So mußten bei einem Brande in einer böhmischen Grube die Abdämmungsarbeiten bei einer Temperatur von 67** C vorgenommen werden»*.

Läßt sich der Brand durch Eindämmen nicht mehr ersticken,' so bleibt als letztes Mittel nur, die Grube unter Wasser zu setzen.

Handbuch dir HyfttB«. Bd. Till. , 19

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h) Die Rettung Veranglttckter.

Die Rettung oder Bergung Verunglückter ist unter Umst&ndeD mit großen Schwierigkeiten und Gefahren ffir die Rettungsmannschaften verbunden. In F&llen, wo die Verunglückten durch zu Bruche ge- gangenes Gebirge verschüttet sind, bricht das Hangende h&ufig beim Wegräumen der niedergegangenen Massen weiter nach und führt als- dann leicht neue UnfäUe herbei. Diese Arbeiten müssen daher mit großer Vorsicht bewerkstelligt werden.

Noch viel schwieriger gestaltet sich meist das Rettungswerk nach größeren Explosionen. Starke Brüche, übereinander geworfene Gruben- hölzer und Förderwagen, Pferdekadaver u. s. w. versperren die Wege,, lose herunterhängende Gebirgsmassen drohen jeden Augenblick einzu- stürzen; infolge der eingetretenen Störung der Wetterführung bilden sich nicht selten Schlagwetteransammmlungen , die bei jeder unvor- sichtigen Bewegung der Lampe, oder falte durch die Explosion eiu Grubenbrand ausgebrochen ist, durch die Flamme oder die Funken dieses Brandes neue Explosionen verursachen können ; ganz besonders aber sind es die Nachschwaden, welche das Vordringen der Rettungsmannschaften zu einer steten Gefahr machen. Und doch ist gerade bei solchen Un- glücksfällen schnelles Handeln um so dringender geboten, als jede Mi- nute Verzögerung, jeder Augenblick, den die noch lebenden Verun- glückten den giftigen Gasen länger ausgesetzt bleiben, weitere Menschen- leben kosten kann. Ob und von welchem Erfolge die Rettungsarbeiten begleitet sind und ob sie selbst ohne Unfall verlaufen, hängt häufig wesentlich von der Art, wie sie geleitet werden, ab. Bei dem un- übertrefflichen Wagemut, von dem in solchen Fällen Beamte und Ar- beiter in gleichem Maße erfüllt sind, bedarf es gewöhnlich keiner An- feuerung. Es muß im Gegenteil mitunter dem zu ungestümen und planlosen Vordringen derselben gesteuert werden. Der Leiter selbst muß bei seinen Anordnungen in erster Linie kaltes Blut und ruhige Ueberlegung behalten.

Wenn sich auch selbstverständlich eine Vorschrift über die nach Explosionen zu treffenden Maßnahmen nicht geben läßt, da sich diese immer nach der Lage des einzelnen Falles richten müssen, so ist doch die Beachtung gewisser allgemeiner Gesichtspunkte hierbei sehr zu empfehlen.

Erhält der BetriebsfQbrer eines Bergwerks die Meldung, daß sich in einem Feldesteile der Grube eine größere Explosion zugetragen hat^ so muß er zunächst Anweisung erteilen, daß der Ventilator in schnelleren Gang gesetzt, der Revierbeamte benachrichtigt, die Belegschaft aus den anderen Feldesteilen herausgeholt und, soweit diese nicht mehr genügend frisch sein oder zu den Rettungsarbeiten nicht ausreichen sollte, andere Mannschaft herbeigeschafft wird, und daß die zu diesen Arbeiten be- sonders nötigen Materialien (Segelleinen, Nägel, Beile, Belebungsmittel) zum Schacht gebracht werden. Da erfahrungsmäßig sofort nach Be- kanntwerden eines größeren Unglücksfalles die Angehörigen der Ar- beiter der betreffenden Grube und zahlreiche Neugierige nach letzterer hinströmen, so muß einem energischen Beamten die Leitung der üb^ Tage nötigen Arbeiten und die Sorge für die Freihaltung des Schachtes übertragen werden.

In der Grube hat sich der Betriebsführer davon zu überzeugen, ob die von der Explosion betroffenen Baue so weit von Nachschwaden

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter. 291

frd sind, daß ein Eindringen ohne Gefahr geschehen kann. Ist {dies nicht der Fall, so müssen die übrigen Baue nach Entfernung der^dort beschäftigten Belegschaft durch Segeltuchvorhänge abgesperrt und der gesamte Wetterstrom der Grube in die Explosionsbetriebe geführt werden. Das Vorgehen muß in solchem Falle stets mit dem Wetter- strome, niemals gegen denselben, also nicht von der Wettersohle aus, erfolgen. Zerstörte Dämme, Thüren, Wetterscheider u. s. w. sind sofort durch Segeltuch notdürftig wieder in Stand zu setzen und Brüche so- weit aufzuwältigen, daß die WetterfQhrung wiederhergestellt und die Nachschwaden vertrieben werden. Die Verunglückten sind so schneU wie möglich in den frischen Wetterstrom zu schafien (über weitere Behandlung der Verunglückten s. h. unten Füller).

Bei großen Kohlenstaubexplosionen liegen die Verhältnisse oft aber noch viel schwieriger. Die aus dem Schacht schlagende Flamme oder eine heftige über Tage bemerkbare Lufterschütterung oder die dichten, schwarzen Rauchwolken, welche der Ventilator aus der Grube schöpft, sind nicht selten die einzigen Boten, welche anzeigen, daß sich unter Tage eine schwere Katastrophe ereignet hat. Liegt die Befürchtung nahe, daß der Förderschacht selbst durch die Explosion beschädigt oder mit Nachschwaden gefüllt ist, so müssen zunächst die beiden Förder- körbe, und zwar der an der Hängebank befindliche, mit brennenden Lichtem langsam zur Probe auf- und niedergelassen werden, um fest- zustellen, ob die Einfahrt von Rettungsmannschaften auf dem Korbe möglich ist. Gdien die Körbe nicht glatt im Schacht auf und nieder und steht ein dritter Schacht nicht zur Verfügung an eine Be- fahrung des Wetterschachtes kann wegen der in ihm ausziehenden Schwaden nicht gedacht werden , so müssen die Körbe ausgebaut und statt ihrer Fördertonnen eingelassen werden. Kommen die Lichter ausgelöscht zu Tage, ein Zeichen, daß starke Nachschwaden im Schachte sind, so muß deren Abzug durch künstlichen Regen beschleunigt werden'®.

Bei der Einfahrt in die Tiefe ist vor allem festzustellen, ob die auf der Wettersohle zwischen dem ein- und dem ausziehenden Schacht be- findlichen Thüren erhalten geblieben sind ; bei etwaiger Zertrümmerung derselben ist schleunigst ein neuer Abschluß herzustellen, damit die im ersteren Schachte einziehende frische Luft nicht ohne Durchstreichung der Baue nach dem Wetterschacht abströmt.

Unter Umständen, wenn die Nachschwaden im Förderschacht nicht abziehen wollen, kann es auch umgekehrt nötig werden, die auf der Wettersohle befindlichen Thüren für einige Zeit zu öffnen, um den Gasen schnelleren Abzug zu verschaffen. Dies wird allerdings stets nur unter Anwendung besonderer Atmungsapparate und elektrischer Lampen oder solcher mit künstlicher Luftzuführung geschehen können.

Hat der Hanptwetterstrom wieder seinen regelrechten Gang, so muß sich der Betriebsführer, oder wer sonst die Rettungsarbeiten leitet, zu vergewissem suchen, ob und welche Baue von der Explosion un- berührt geblieben oder am wenigstens betroffen worden sind. Diese müssen zuerst untersucht werden, um deren vielleicht ganz unverletzt gebliebene, aber bis dahin vom Schachte abgeschnittene Belegschaft zu retten. Alsdann beginnt nach Absperrung dieser Baue und nach Ein- führung des gesamten Luftstromes in die von der Explosion betroffenen Betriebe das Vordringen in diese. Damit die Arbeiten planmäßig durch- geführt werden können, insbesondere damit die später herbeieilenden

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RettungsmanDschaften darüber unterrichtet werden, wo ihre Hilfe am notwendigsten ist, empfiehlt es sich, an den Haupt^euzungspunkten za- verlässige Leute als Wachtposten aufzustellen und mit der nötigen An- weisung zu versehen.

Die Rettung oder die Bergung der bei einer Explosion Verun- glückten wird aber leider auch nicht selten zur völligen Unmöglichkeit, wenn durch die schwere Lufterschütterung der Ventilator zerstört worden, oder wenn infolge der Explosion ein starker Grubenbrand ausgebrochen ist, wie dies z. B. bei dem letzten großen Unfall in Karwin der Fall war.

Die Rettung der von einer Explosion betroffenen Personen läßt sich, wie die Erfahrung bewiesen hat, durch gewisse, bereits vorher vorhandene Einrichtungen sehr erleichtem oder beschleunigen. Hierher gehört vor allem die stete Bereithaltung der zur Wiederherstellung des Wetterzuges, sowie der zur Belebung und der zum Transport der Verunglückten notwendigen Gegenstände in einem über Tage nahe am Einfahrschacht befindlichen Magazine, eine Einrichtung, wie sie meines Wissens zuerst auf der Grube Dudweiler bei Saarbrücken getroffen worden ist'*', sodann zum schleunigen Ersatz beschädigter Wetter- thüren zwischen dem ein- und dem ausziehenden Schachte die An- bringung von Sicherheitsthüren, welche dadurch, daß sie für gewöhnlich geömiet bleiben, einer Beschädigung durch eine Explosion weniger leicht ausgesetzt sind. Von großem Nutzen ist aber auch eine öftere Unterweisung der Arbeiter, wie sie sich im Falle einer Explosion ver- halten und wohin sie sich zurückziehen sollen. Solchen vorherigen Be- lehrungen ist es u. A. hauptsächlich zu verdanken gewesen, daß sich bei den Explosionen am Dreifaltigkeitsschachte in Polnisch-Ostrau am 3. Januar 1891^^ und im Ronnaschacht bei Anina (Süd-Ungarn) am 20. Oktober 1894 eine Anzahl von Arbeitern, die sonst wahrscheinlich mitverunglückt wären, retten konnte'^.

IL Für die Arbeiter über Tage.

Auf den unter AuMcht der Bergbehörde stehenden Bergwerken Preußens'*') waren nach der amtUchen Statistik im Jahre 1898 be- schäftigt

Beim

Arbeiter, einschl. der weibliehen dATon Aber Tage im Quisen in Pros.

im Gtauiien

Steinkohlen-Bergban Bnuinkohlen- Bn-

259984 29679 64244

61075 17 108 22226

a3t& SM 34,«

Unter den hier beim Braunkohlen- und Erzbergbau aufgeführten Arbeitern über Tage befinden sich auch die in oberirdisoh betriebenen Gbnben, den sog. Tagebauten, bei der Oewinnungsarbeit th&tigen Per- sonen, deren genaue Zahl jedoch statistisch nicht nachgewiesen ist Die übrigen i^beiter über Tage sind die eigentlichen Tagearbeiter, die

*) Zu diesen tlhlten im Jahre 1898 noeh nicht die Bleenersbergwerke in Schlesien, welche erst durch Qesets rem 8. April 1894 Tom 1. Jsnnar 1895 ab unter die Anüricbt der Bergbehörde gestellt worden sind.

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter. 29$

bei der Anfbereitnng, Verladung, bei den Maschinen und Kesseln, sowie bei Nebenarbeiten, in den Schmieden und Werkstätten, bei den Kokereien u. 8. w. Verwendung finden.

Die Arbeit in den Tagebaaten, ist in vieler Beziehung dieselbe wie in den unterirdischen Gruben, jedoch naturgemäß bei der ganzen Art des Betriebes, bei dem das Mineral erst nach Abräumung de» aufgelagerten Gebirges hereingewonnen wird, namentlich aber infoge der besseren Luft- und Lichtverbältnisse weniger gefährlich und der Gesundheit weniger nachteilig, wenn auch die Arbeiter den Unbilden der Witterung ausgesetzt sind. Die meisten Unfälle in Tagebauten werden durch Verschüttungen infolge Einsturzes loser Mineralmassen hervor- gerufen.

Die Beschäftigung der eigentlichen Tagearbeiter ist zwar keineswegs- ungefährlich, im übrigen aber nicht besonders gesundheitsschädlich.

Von den z. B. beim Steinkohlenbergbau in Preußen im Jahre 189S über Tage beschäftigten 60222 Personen verunglückten tödlich 68, d. h. 1,113 von 1000 dieser Personen.

Ein großer Teil der Unfälle ereignet sich auf den Zechenbahn- höfen und ist dadurch veranlaßt, daß Personen vom Zuge überfahren oder zwischen Eisenbahnwagen gequetscht werden. Die übrigen sind meist verursacht durch Maschinen, durch Sturz in gefüllte Kohlenthürme oder von der Ladebühne. Außerdem kommen nicht selten mehr oder minder schwere Verletzungen durch Dampf oder glühende Kessel- asche vor.

Im allgemeinen sind die Arbeitsverhältnisse eines Teils der Tage- arbeiter, nämlich der Maschinen- und Kesselwärter, der Schmiede- und Werkstattarbeiter, nicht verschieden von denen derselben Arbeiter in anderen industriellen Betrieben. Abgesehen von den Kesselwärtern, welche namentlich im Sommer unter der ausstrahlenden Hitze der Kessel leiden und sich durch die in den Kesselhäusern gewöhnlich herrschende Zugluft leicht Erkältungen zuziehen, dürften diese Arbeiter gesundheitsschädlichen Einwirkungen bei ihrer Arbeit kaum ausgesetzt sein. Wenigstens sind solche bisher nicht hervorgetreten.

Die Verladung und trockene Aufbereitung der Produkte geschieht meist in überdeckten, aber zum Teil oflfenen Räumen. Der bei ihr ent- stehende Staub ist deshalb nicht besonders lästig. Auf einzelnen Stein- kohlengruben hat man übrigens bereits Vorkehrungen getroffen, um den beim Ausstürzen der Kohlen auf die Rätter (Stabsiebe) entstehenden Staub sofort durch Wasser niederzuschlagen oder ihn in Mänteln auf- zufangen, aus denen er durch eine Lutte über das Dach der Rätter- halle geführt wird^^. In unangenehmer Weise macht sich dagegen im Winter die Kälte in der Verladehalle fühlbar. Auch bei den Vor- arbeiten zur nassen Aufbereitung, nämlich beim Transport und Ab- sieben der Steinkohle, bei der Zerkleinerung der Erze in Stembrechem wird Staub entwickelt, doch hat sich hieraus eine merkliche Schädigung der Gesundheit der Arbeiter bisher nicht ergeben. Bei den weiteren Prozessen der nassen Aufbereitung, nämlich beim Setzen und Zer- kleinem des Waschguts, welche unter Zuhilfenahme von Wasser statt- finden, wird eine Bildung trockenen Staubes vermieden. Da diese

69

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394 MEISSNER,

Arbeiten außerdem in geschlossenen, aber hohen und weiteB R&umeo yoT sich gehen, so können sie zu Krankheiten bei den Arbeitern nicht leicht Veranlassung bieten. Ungünstiger ist dagegen in dieser Be- ziehung die Beschäftigung der Koksarbeiter, welche namentlich im Sommer unter der ausstrahlenden Hitze der Oefen und der ausgezogenen Koks zu leiden haben und beim Kokslöschen audi der Gesundheit nach- teilige Gase, nämlich schwefelwasserstoffhaltige Gase, einatmen müssea.

4) Serlo, Le^fadeii mtr Bergbavkmnde (1884); Köhler, Lekrbw^ der Bergbawhmde (1892);

Hattlaeher, Hauptberiehi der preitftuthen 8diJUigweUer^Kemmi$tiom\ Sehloekow, DU

Oeeundheüipfiege uAd medminiädte StaüHik beim preu/ntchen Bergbtm (1881); JM$ekr,

f. d. Berg-, Emenr %. 8aL^W$§en (1892) Btai, T. 2) HMtlaohdr, Bergbauliche MtUeüungen aus der Deutechen aUg. AuesUUmg /Br UnfaU-

verhatmg, Zeüichr, /. d Berg-, muen «. Bai,- Weten 87. Bd, 268. 8) Xeniel, Eimgee über Fangvcrrieiämtgen FOrdergeeUOen, ßäek», Jahrbuek /. d. Berg-

«. HUUemueeem (1890) 150. 4) Mensel, Die in den Jahre» 1884 1894 beim täeheieehen Bergbam vorgehomemte» Brücke

von FOrderteiUn etc., ebenda (1891) 89.

6) Bememeim, Die neueren VoreehUtge ftr die SiehereielUmg der amf dem ChHUt am Seil Jahrenden Mannechq/ten eic., ebenda (1898) 86.

8) J)ae Weeen und die Behandlung von brieanUn Bprengitqfen (1888); OvttmAiai, Hrnnd- buch der ßprengarbeä (1898).

7) Stapff, Studien iAer den Einf.'v^e der Erdwärme aiuf die Auqftihrbarkeä von BoehgMrge- tmeebiy du Boitf Arch./. Phyeiologie (1879) 85 ; Oeorgi, MiUeHumgen über die theoreUeehe Bewertung und praktiedle Ontereu^ung der Sprengttoffe^ Säeh». Jahrb, /, Berg- «. HUttem weeen (1887) 1. T. 88; Enginering and mining Journal (1892) 54. Bd, 289; Oeeter- reiMeehe Zeiteehr, /. Berg- u. BBttenweien (1892) BeOagek. 92 1 Wappler, üeber ge^ eumdheHeeehOdliehe Wirkungen der DynamiUprengungen^ Sädte. Jakrbuek /, d, Berg- «. HUUenweeen (1887) 2. T. 81.

8) Oeorgi, Die itber die Kohlenttaubge/akr in Zankerode geeammeken Erfahrungen ete,^ Säehe. Jahrb./, d. Berg- u, Hitttenweeen (1891) 10; Lolifflaiui, Weitere Vertuehe he- wOglieh der Sehie/earbeü in Sehlagwettergruben eu'., Zeittehr. f. d, Berg-, EÜUen- u, SoL-

Weeen (1891) 81. Bd, 188 1 Fumee produeed bg the ea^loeUm of nAmriU etc., hroek and Goal Tradee Review (1891); Homeim. Zur SeklagwdtUrfrage, Oeeterr, Zeiieekri^ f. Berg- u, HUttenweeen (1892) 832.

9) Der Kompa/e (1894) 28.

10) HAMlaoher, Der Seklu/eberieki der /ranaOsieeken Seklagwetter-Kommietionf Zeiteekrift f. d. Berg-^ BQUen^ u. Sal-Weeen, 80. Bd, 285; Haberer, Der Sekh^ftberieki der eng^ lieehen Grubenu^fall-Kommieeion, Leobener borg- u. hauenmOmnieehee Jakrb, 86. Bd. 48 ; Seklu/eberuM dee Centralkomitees der OUerreiekiecken Seklagwetter-Kommiseion (1891); Seeond repori of tke Bogal Ootnmieeion on emploeione from eoal duet in minei (1894), übereetat von Engel. Zeiteekr. f. d, Berg-, HOUen- u, Sal.- Weeen, 42. Bd, 167.

11) Bchendorff, Chemieehe üntereuehung von Orubemoeitem in preufiieehen Stetnbohlengmbem^ Zeiteekr, f. d, Berg-, Hütten- u, Sal,-W. 81. Bd. 485 v. 82. Bd. 509.

42) Compt. rend. mene. Soe. de Find, min. (1898) 14 | Die OteeneaurWetierlan^, Olüak amf (1894) 258; Profeeeor Clowei eqfeigtamp, Iren and Ooal 2Va<iM Beeiew, 46. Bd, 747; Homann, Zur Seklagwetter/rage, Oeeterr. ZeOedur, /. d, Berg- u. BüUemweeett (1898) 386.

18) HUbk, Dae Orubenunglüek am 19. Aug. auf Sekaeki Kaiierehikl der Zecke ver. Weet- faUa bei Dortmund^ Olüek aiuf (1898) 1161. MUlUÜMngen ÜJber einige der bemeriene- werieeten Expioeionen beim preufe. Steinkoklenbergbau im Jahre 1898, Zeiteekr, f. d. Berg-, Hütten- u. Sal,-W. 42. Bd. 877.

14) HaU, Bqfort made by deeire of ike eeereUary of etate to tke rogal oommieion om emploeiona from cool duet m minee (1893)

16) Brenner, Vereucke, betr. dae Abeaugen dee Qrubengaeee auf der KSnigtgrube im Worm- Revier Zeiteekr. f, d. Berg-, Hütten- u. Sal,- Weeen 87. Bd. 70.

16) Riehter, Beobaekiungen über dae AueetrOwten von Koklenwaeeeretofgae etc., Zeitedur. f, d. Berg-, HüUen- ü. Sal.- Weeen 36. Bd. 268, 41. Bd, 204.

17) Haarmann. Voreehriften und Einrichtungen mar Bekämpfung der Kohlenettmbge/ahr oßrf Oro/ebrüaemieehen Steinkohlengruhen, Zeitechr, f. d, Berg-, Hütten- u. SaL-W. 48. Bd. 28.

18) Xeieiner, Ein Beitrag mar Verhütung von Kohlenetaubeaploeionen, Zeiteekr. f. d. Berg-^ Hütten- u. Sal.' Weeen 88. Bd. 868, 40. Bd, 448.

19) Oiaek, Die Wolf'eehe Benmnlampe und ihr Verhalten beim prahtiiehen Oruhenhetriek^ Oeeterr. Zeitechr. f. Berg- u, HQUemoeeen (1892) 29.

70

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«4)

Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 295

tO^ AUl, AeddmU m «tmet (1887) 68.

Sl) Lohfluuui, VerhaÜm veriekuämt€r Bprmgtiofft gegmMmr Kohlmuttmb wnd SeläaQwiUm <to.

CflMek QMf 1898 8, 1485. ^8) ZtiUckr. /. d, Berg-y BBUm- %, 8ta.'W*$m 48. Bd. 878, 891.

Hfwnanii a. a, O. (1898) 838.

Outerr, ZmUdir, /. Berg- «. Battemoe$en (1869) 868 ; ZniUdkr. /. d. Berff, JERMfM- «.

Ail..ire#eii 80. Bd 883.

85) Hieden, Z>«r Nyitagmu$ der BergleuU (1894); ß^eip lampt and mmen* eye mght, The Inm and Goal Trades Bevitm^ 45. Bd, 175; Homaav a. a, O. (1898) 899.

86) Z€iUehr.f. d. Berg-, Hatte»- u. Sal.'Weeem AI, Bd. 308.

87) AnL mm HoMptb^iekU der pret/t. Bddagwetter-Kbwmiiiion, 8. Bd. 85.

88) Kdbrieh, üeber Meemmgen der ErdUmperaiur m dem Bohrlßeheru m BehJadebaek md AMMunte, ZeiUthr. f. d. Berg-^ HOUenr u. 8al.-Wet€» 87. Bd. 190.

89) Halte, Der teehniedke Betrieb der Königl, Stemkohlengntben bei SaarbrOeheH^ ebenda SS. Bd. 879 ; OUU^ a^f (1894) 879.

10) X«inner, Der ttreichende PfeHerbau ohne Durchhiebe a^ den K9mgL ßteinkoUengruben CamphoMten u. Dudueiler etc., Zeiteehr. f. d. Berg-, Hatten^ u. 8al.'We9en Sl. Bd. 166.

81) Hoime, Die Wetterßihnmg in den weetfSlitehen Bteüikohlengruben etc., ebenda 81. Bd. 58 ; Anlagen wmn Hatqftb. der preufi. SehlagwUer-Kommietion^ 8. Bd. 76.

88) HaSM, Ueber den Feuehtigkeitigehak der GfntbemeetUr, Zeiteehr. /. d. Berg-, Hütten^ u, Sal'Weeen 86. Bd. 184.

38) Ebenda 89. Bd. 94.

84J Demanet, deutedk von Lejbold, Der Betrieb der SuinkelhUiiJbergwerke (1885). 85) OetUtr. Zeiteehr. f. Berg- u. Hüttenweeen (1884) 68.

36) Haton de la Gonpilli^re, Berieht der framat. Schlagwetter' KomuUeeum^ ObereetM van Hattlaeher, Zeiteehr. /. d. Berg-, Hüttenr u. Sal.-Weeen 89. Bd. 887, 888.

87) FaUaa, BeeekreSbung einiger WMfahrieeiiiriehtiiingen auf der JSOmgL Beinhohlengrmbe DudweHer bei ßaarbrüehen, Zeiteehr. /. d. Berg-, Hatten- u. BaL- Weeen 40. Bd. 500.

88) Xajer, Sehlagwetter -EoBploeion am Dretfaltigkeite'Sehachte in Botnüch-Oebrau, Oeeterr. Zeiteehr. f. Berg- %. HOttenweeen (1891) 891.

39) Lampreeht, Zur VerkOtung von Schlagwe^Ur- und Eohlenetaub-Baploeionenf Oeeterr. Zeiteeh. f. Berg- u. HOttenweeen (1895) 109.

40) Zeäeehr. f. d. Berg-, mutea- u. Sal-W. 40. Bd. 448 und 41. Bd. 815.

Von den Figuren dieses Abschnittes sind die nachstehenden entnommen : Vig. 1 ans Demanet- Ley hol d, Der Betrieb der Stehlkohlenbergwerke (1885) 8. 78.

8 »* »♦ »» ♦» »» ♦! »» »f ••

n 8 ff y, %f f, tf fy "••

M ^^ »♦ »» ^ »♦ »» »» »» »» »♦ »» *"5.

n W ,f yy ,t yy fy ff yy ff tl 458.

4 y, Köhler y Bergbaukande (1898) 8. 845.

^f 6y, Börner and G e o r g i , Der Kohlenbergmann in sdnem Bemfe (1884) BUd 10 .

ff 18 yy f% yy «y fy tt »» yy tf ff ■•

»t 16 yy yy yy f^ yy yy yf yf ff ff 81.

ji ^^ n ♦! n n »» »» >> n *•

yy 7 The Engineering and Mining Journal, New-Tork (1894) Beilage.

ff 9 yy yy f> ff ff ff ff »*

^ 10 Mackensen und Richard, TannelbaSy Handboch der Ingeniennrissen-

sehaften (1887) 1. Bd. Kap. 9 Fig. 8 8. 108. 11 yy Mackensen and Richard, Tannelbau, Handbaoh der Ingenieorwissen*

schalten (1887) 1. Bd. Kap. 9 Fig. 56 8. 860. ,y 18 ,y SKcbs. Jahrbach (1890) Taf. XX Fig. 1 o. 4. ,y 14 ,y Nie den y Der Nystagmus der Bergleate (1894) 8. 65.^

ff 15 ,y ff yy yy yf yy yf Tat VIEL

ff •* ff ff ff ff ff »f M ff X 1.

f 84 ,f yy y, yy yf ,| S> 188,

,y 18 ,y Hally Report to the Royal Commlssion on ezplosions firom ooal dost in mines (1888)^

71

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ZWEITER ABSCHNITT. (Verfasser: Dr. Füller.)

Mortalität, Inyalidität und Morbidität der Bergleute»

Die Erkrankuog, Invalidität und Sterblichkeit der Bergleute ist abhängig von der Art des Materiales, welches sie fördern, je nachdem dieselben im Erzbergbau, in staubreichen oder staubarmen, in fetten oder mageren Kohlemagem arbeiten, je nach der Art ihrer Beschäftigung, über Tage, in der Grube selbst, als Hauer, als Schlepper, je nach ihrer Lebenshaltung, ihren Lebensgewohnbeiten. Eine Sonderung der einzelnen Kategorien nach diesen Verschiedenheiten ist nicht möglich, und mull vorläufig die Untersuchung dieser Verhältnisse für die Bergleute im allgemeinen als Unterlage zur Beurteilung ihrer hygienischen Verhält- nisse genügen, so wertvoll eine s.tatistische Trennung im angegebenen Sinne auch wäre. An die Spitze der statistischen Betrachtung der Sterblichkeit, Invalidität, Krankheitsbewegung kann das erfreuliche Re- sultat gestellt werden, daß eine unverkennbare Besserung von Jahr zu Jahr in den gefimdenen Zahlen die Freude des Hygienikers erregen muß. Die R^erungen und die Techniker haben seit Anfang des Jidir- hunderts gemeinsam gearbeitet, die Lebensbedingungen der Bergleute zu verbessern, die Gefahren ihres schweren Berufs zu mildem.

Michaelis hatte gewiß im Jahre 1866 Unrecht, wenn er in seinem Eifer für das Wohl der sächsischen Bergleute schrieb ^ : „Unsere ganze Industrie ist ausgeartet in ein Ausbeutungssystem der E^räfle anderer*^ und etwas vorher in derselben Abhandlung : „Die Opfer an Leben und Gesundheit, welche einige Zweige der Industrie von ihren Arbeitern fordern, bleiben entweder ganz unberücksichtigt, oder man trägt denselben nur so weit Rechnung, als unmittelbar der eigene Vor- teil verlangt oder das Gesetz es vorschreibt^^ während Martin Schoenfeld^ im Jahre 1855 schon in einer größeren Arbeit erklärte, daß abzüglich der Unglücksfälle und der Epidemien seit 1846 die Statistik der Todesfälle der EoUenbergleute in Belgien nicht schlechter sei als die anderer Arbeiterklassen.

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter.

297

Heute, nachdem der Arbeitgeber durch die Gesetzgebung und durch die sich tfiglich mehrenden Ansprüche der Arbeiter selbst der Meist- belastete ist, besonders durch die WohlfahrtseinrichtungeD, die ihm dk fc^tschreitende Fürsorge fQr das Wohl derselben auferlegen, nachdem die Ventilation der Gruben wesentUch verbessert ist, alle Arbeits und Anlagen in den Bergwerken mit möglichst weitgehender Ausschaltung

Ssundheitsschädlicher Wirkungen vorgeschrieben sind, die äußeren ibensverh&ltnisse durch Höhe der Löhne, Kürze der Arbeitsdauer, Sorge für gesunde Wohnung und Nahrung wie kaum in einem anderen Arbeiterstande sich gehoben haben, ist die Lebensaussicht und &- krankungszahl der Bergleute gegenüber anderen Arbeiterkat^orien und g^enüber früheren Zeitperioden eine sehr günstige geworden.

Die Zahl der Todesfiüle der gesamten männlichen Bevölkerung im Alter über 15 Jahren 100 angenommen, war die Zahl der Todes- fiüle der Bergleute nach Angabe von Eulenburg's Realencyklopädie ^ ■B 115. Von 1000 lebenden Bergarbeitern starben hiemach:

20,6 im Alter Ton 45—65 Jahren, 43'« •» »» »f 55—66 100,3 65—75

In den Erzbergwerken von Gomwallis dagegen wurde die Sterblich- kttt der Bergleute nach derselben Annahme (sämtiiche Todesfälle = 10(^ vom Jahre 1849 bis 1863 berechnet:

125 Im Alter Ton 15—25 Jahren, lOI ^ 25 86 «43 »»' » M 85—45 217 46—55 263 55—66 189 ,. 65-76

Hiemach überwog die Sterblichkeit der Bergleute in den Erzgruben zu Gomwallis die sämtlicher übrigen Bergleute damals bedeutend.

In England lebten im Jahre 1861, 1862 und 1871 zusammen 916005 Bergleute. Es starben in diesen 3 Jahren von denselben 14440 «=s 1,57 Proz., und zwar auf 1000 Lebende nach Altersklassen berechnet:

anter 85

Jahren

Tom

85.-85.

Jahre

▼om

85.-46.

Jahre

▼om

45.-.65.

Jahre

▼om

55.-65.

Jahre

▼om

66.-76.

Jahre

▼on

75 Q. mehr

Jahren

8,08

9,84

12,45

20,47

43.Ö8

I00,S6

248,07

Von 1000 Angehörigen der simtlichen Knappschafts^ereioe PreoDiens starben naeh Sohlockow^:

8,09

9,80

13.68

23,60

4I>7&

Bis zum Ende der 30er Jahre ist somit die Sterblichkeitsziffer der Bergleute im allgemeinen nicht höher als die anderer Mftnner, wie dies aus den Tabellen der Lebensversicherungen ebenfalls hervor-

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298

FÜLLER,

geht. Bergarbeiter über 40 Jahre haben dieselben Chancen wie die gleichalterige männliche Bevölkerung Preußens; nach dem 50. Lebens- jahre steigt ihre Sterbenswahrscheinlichkeit erbeblich.

Die Sterblichkeitsziffer der ständigen preußischen Enappschaftsmit- glieder betrug bis 1875

11,44 pro Jahr auf 1000.

Folgende Tabelle, welche den Berechnungen von Euettner^* entnommen ist, veranschaulicht den Fortschritt in der Sterblichkeit der Bergleute zum Besseren.

Tabelle L

TmbeUe nach Katttntr, 86. Band der Zeitschrift für Bergw, HOtten- und SalinenweMn

im preal^ischeii Staate.

Zahl der Steinkohlenberglente

1

a

Alter

1

a

Sterbealter

^4

S

10

H

s

s

\>

s

1869 1870 1871 1872 1873

7862

8606

10462

"445

13 "2

25817 24120 27760 30088 33321

16312 15900 16532 17784 18679

6166 6174 6128 6720 6800

1030 I38I 1282

1869 1870 1871 1879 1878

55

II

100 92

203 271 332 268 265

169 195 244 252

256

90 123

163 189

133

38

30

37 59 34

5M98

141 106

85207

31988

5737

430

1339

III6

698

198

16695 18 201 20405 21206 21 109

33384

34 739 35972 35410 36230

21589 21 145 21968 21875 23322

6983 7202 7020 7482

1251

1234 I 263 1197 I 289

Pros.

1874 1876 1876 1877 1878

0,8

0,94

ItS

2,1

3*

1874 1876 1876 1877 1878

105

122

118

91

lOI

276

301

llt

265

271 217 269 286 253

188 146 140

146

62 21

37

97616

175 735

109899

36196

6234

537

1382

1296

773

191

22154 19426 20346

19749 19865

37 611 38674 3937a 39519 42329

23641 26 119 26198 27660 28966

7J36 9298

93" 10 108 10558

1293 1627

1642 1751

Proa.

1879 1880 1881 1889 1883

0.&4

0,78

i.i

2

3

1879 1880 1881 1S8S 1888

99 "7 123 102

105

277 324 273 297 331

299 310

306 312

IS

162 182 181

37 42

11

54

101540

197505

132 584

46 811

7877

546

1502

1541

830

252

Sa.

250653

514346

327 690] 114 995

19848

Pros.

0.6

0.75

I 1,7

3.«

Sa. Sa.Proz.

i5«3

4223

3953

2301

641

0,58

0.81

1,2

2

3.«

Dieser Autor kommt zu dem Schlüsse, daß innerhalb einer 15-jährigen Beobachtungszeit, von 1868—1883 inklusive, sich die Sterblichkeits- zahlen der Bergleute derart yermindert haben, daß von 10000 ständigen preußischen Knappschaftsmitgliedem im Jahre 1883 im Alter von

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter.

299

Im Jahre 1869

1888

16 —S5 Jmbren nieht mehr 88, sondern 53,

S6— 85 M 98, 77,

86—46 ,. 133, 118,

46—65 230, 182

gestorben sind.

Nach derselben Zeitschrift für das Jahr 1893 starben^' in den- selben Altersperioden im Jahre 1892 von sämtlichen aktiven ständigen preußischen Knappschaftsmitgliedem :

TabeUe IL

(Zeitfobr. ftbt Berg-, Hfltten- and Selinenwesen 1898, 41. Bd.)

Bettand am 1. Jannar 1899

Gestorben

II

3

\

Oaberbanpt gettortMo In den L«b«Dsaltoni Ton

I

I

1.

ProB.

252626

539

1743

303

546

661

558

214

2282

0,9

von 419231 ständigen nnd unständigen Genossen 3331 >=> 7,95 auf 1000* Nach der folgenden von Muenscher zu Saarbrücken aufgestellten Tabelle'^, welche sich freilich in kleineren Zahlen bewegt, hat die Sterblichkeit gegenüber den oben angebenen Prozentsätzen aus dem Jahre 1861, 62 und 71 erheblich abgenommen, und bewahrheitet die Aufstellung die angegebene Beobachtung, daß bis zum 50. Lebencyahre die Sterbezahlen in gewöhnlichen Grenzen bleiben, daß dieselben aber nach dem 50. Lebensjahre sich in nicht geringem Maße erheben. Die Ursache hiervon liegt darin, daß in höherem Alter die Lungen- und Herzkrankheiten, wie unten näher begründet wird, eine ungewöhnliche Anzahl von Bergleuten hinraffen.

TabeUe lU.

Saarbrfleke ner KnappscbaftSTerein. Mittel der Jabre 1869 80.

Unter ein- Jlbriger

•tanden

Davon starben

Es atarben

Alter Jabre

im ganien

in Proienten ansgedr&ckt

infolge Ton

Verletsongen

im Bemfe

in Prosenten

16—90

«34

223

0,640

62

0,16

91—95

42306

230

0,548

67

0,158

96—80

41 196

302

0.7S

94

0,997

81-86

36159

a;«

0,76

83

0,999

86—40

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269

0,94

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41—46

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0,969

46-50

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51—66

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76—80

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Sa.

227 521

1879

0,S25

481

0,911

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800

FÜLLER,

Zum Vergleich der SterbUchkeitsziffem verschiedener Gruppen von Bergleuten und Eisenbahnbeamten Deutschlands und der männlichen Bevölkerung Deutschlands dient folgende Tabelle^':

Tabeüe IV.

SterblichkeitBiiffern bei. SterbeDSwabrtoheinliehkeiten

der Aktiyen. (Zeitscbr. fttr Bergb., H&tten- und Salinenwesen 86. Bd. ft6, Knettaer.)

1.

2.

8.

4.

6.

6.

bes. Alterijabre

StehikoUen- berglente Prenleeni

1869—1888

BOTflente

Prenikens

nach Caron

1870—1879

Bergleute Oeeterrdcbi nach Kaan

beemte Deatseblandf 1877—1884

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PrenÜMna

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S6— 861 («0)

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0,00846

(0,00698)

0,00694

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86—46 1 (40)

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0,01890

(O,00887)

0,00958

(0,0144)

46—06 1 (60) l

0,0808

0,08179

(O,01990)

0,01518

(0,0888)

66 and mebrl (60) ]

0,0388

0,08847

(O,01688)

0,08648

(O,0887)

Hiemach ist die Sterblichkeit der aktiven Bergleute insgesamt durchweg wenig höher als die der Kohlenbergarbeiter. Die Eisenbahn- beamten haben bis zum 35. Lebenqahre eine geringere Sterblichkeit als die Steinkohlenarbeiter, während die Kohlenbergleute vom 35. Lebens- jahre an schneller zunehmende SterbUchkeitsziffem bieten, welche die der Eisenbahnbeamten bedeutend überflügeln. Die das Leben ver- kürzenden Ursachen nehmen bei den Steinkohlenarbeitem in höherem Alter stetig zu.

Die Sterblichkeit der aktiven Bergleute Oesterreichs ist außer- ordentlich niedrig. Die Sterbenswahrscheinlichkeit der männlidien Be^ völkemng Preußens hat dadurch so hohe Zahlen zu notieren, daß hier alle Kranken und invaliden Personen mitgezählt sind, während für die Spalten der aktiven Bergleute verhältnismäßig lebenskräftige Leute da& Material abgeben.

InvaUditftt.

Das Lebensalter, in welchem Bergleute für ihren Beruf arbeitsun- fähig, wie sie sagen, „bergfertig^^ werden, ist ebenfalls je nach den bei der Mortalität angeführten Bedingungen sehr verschieden und schwankt nicht nur nach den einzelnen Distrikten und dem Material^ welches gewonnen wird, sondern auch in einzelnen Jahren und Zeitab- schnitten bedeutend. Es ist natürlich, daß z. B. Kupfer- und Queck- sübergmben ihre Arbeiter früher bergfertig entlassen als Kohlengmben. Letztere wiederum weisen in den einzelnen Jahrgängen sel^ ver- schiedene Alterszahlen auf. Das Durchschnittsalter der im oberschlesi- schen Knappschaftsverein pensionierten Bergleute bewegt sich in den Jahren 1889—92 zwischen 48,6—51 Jahren, im Saarbrücker Knappschaftsverein

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter.

301

in den Jahren 1887—91 zwischen 48,44 und 50,94. Bei einer Abänderung der Statuten im Sinne der Erhöhung der Pensionssätze häuften sich die Pensionierungen selbst und wurden in durchschnittlich früherem Lebens- alter perfekt So fiel das durchschnittliche Lebensalter für die be- ginnende Invalidität nach einer derartigen Abänderung der Statuten im Saarbrücker Enappschaftsverein 1892 auf das 45. Lebensjahr. Im allgemeinen wird der Eohlenarbeiter in Preußen um das 50. Lebens- ji^r herum bergfertig (nach der Statistik für sämtliche preußische En^pschaftsvereine von 1864 75 im Alter von 50,5 Jahren), nachdem derselbe 32 34 Jahre in den Gruben gearbeitet hat Leider ist es mimöglich, dieser Betrachtung andere als preußische Verhältnisse unter- zulegen, obwohl in Oesterreich sehr geordnete Eassenverhältnisse be- stehen, und in Frankreich schon im Jahre 1813 durch ministerielle Verfügung Knappschaftskassen , welche Invalidenpensionen zu zahlen hatten, gegründet wurden. (Siehe Knappschaftskassen.)

I^s durchschnittliche Lebensalter beim Eintritt in die Invalidität bei sämtlichen preußischen Bergleuten stellte sich im Jahre 1892 gleich-' falls auf 50 Jahre, 1891 auf 49,3 und 48,7 im Durchschnitt der letzten 10 Vorjahre.

Nachstehende Tabelle V soll das Verhältnis der aktiven Knappschafts- genossen zur Zahl der Invaliden und deren Sterbealter nach Lebens- jahren veranschaulichen.

(Siehe TabeUe V S. 302.)

Im Jahre 1892 wurden nach dem Lebensalter^' pensioniert:

Tabelle VL

Inymliden. (Z«itielirift für Berg-, Hfltten- ond Salinenwesen, 41. Band.)

BMtand

am

1. Januar

189S

Zugang im Laaf« des Jahree

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Jahr

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189S

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264

4752

50

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Wird das Verhältnis der Aktiven zu den Invaliden, auf 10000 berechnet, dem der beiden Perioden 1874 bis 1878 und 1869 bis 1883 gegenübei^estdlt, so ist eine bedeutende Besserung der Invalidisierungen um die 40er und die 60er Jahre augenscheinlich^'.

(Siehe Tabelle VH S. 303,)

Ein Vergleich der folgenden einzehien Bergmannsgruppen und des Eisenbahnpersonals Deutschlands in den verschiedenen Perioden des Leb^isalters ergiebt, daß die Invaliditätsziffem ftlr die Steinkohlen- bergleute die größten sind. Diesen am nächsten stehen die Zahlen der «samten preußischen Bergleute nach Caron. Die österreichischen Bargleute z&hlen im ganzen übereinstimmend mit den Mitdiedem des oberschlesischen Enappschaftsvereins bis zur zweiten Altersperiode, irfthrend dieselben für die späteren Lebensabschnitte in unerklärlicher

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302

FÜLLER,

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. Tabelle VH.

Steinkohlenberglente Preafsens (Zeitschrift fttr Berg-, Hütten- und Salinenwesen, 36. Band).

3oa

I II

I U

Alter

Aktive

Inyaüde

1874 bis 1878

1869 bb 1888

1874 bis 1878

1869 bis 1888

lOOOO

10 000

0

0

20

9715

9717

69

4S

80

8736

8890

348

183

40

7243

7508

822

579

60

4273

4 975

2088

1606

60

913

1213

3066

3095

70

3

23

155s

1686

Weise gegenüber den Steinkoblenberglenten Preußens ungefS&hr um zwei Drittel und sämtlicben Bergleuten Preußens gegenQber unge&hr um die Hälfte nachsteben. Die Inyaliditfttszifiem des Eisenbabnpersonals betragen durchscbnittlicb ein Drittel der Zahlen der Steinkohlenberg- leute und bleiben in der Altersklasse von 46 bis 55 Jahren diesen gegenüber um mehr als drei Viertel zurück^'.

Tabelle Vm.

InyaliditStsiiffern bes. InyaliditStswahr seheinlieh keiten. (Zeitschr. für Berg-, Hfltten- nnd Salinenwesen, 86. Bd., Kflttner.)

1.

bei. Alter^ahre

2.

Steinkohlen- bergleate Preafsens

1869—1888

3.

Bergleute

Preafsens

nach Caron

1870—1879

4.

Oberschles. K.-y. nach Morgen- besser 1870—1876

6.

Bergleate Oesterreichs nach Kaan

6.

personal Deatschlands 1877—1884

16— 2Ö\

(«0) f S6— 861

(80) / 86—461

(^0) / 46—66 1

(60) / 66 und mehrl

(60) ]

0,0028 0,0068 0,0174 0,0710 0,2070

0,00809 0,00494 0,01421 0,04907 0,18249

(o,00087) (0,00297) (O,00800) (0,04499) (0,17884)

0,00087 0,00215 0,00652 0,02076 0,06709

(0,00062)

(0,00201)

(0,00582)

(O,01668)

(O,06792)

Die auffiülige Erscheinung in diesen Berechnungen, daß eine ver- hältnismäßig grolle Zahl jüngerer Leute sterben und bergtertig werden^ ist durch die auch in diesen Leben^ahren vorkommenden Verletzungen im Berufe zu erklären. Sowohl die Tabelle HI bewahrheitet dieses hinsichtlich der Sterblichkeit, als auch die folgende Tabelle IX be- züglich der Invalidität. Dieselbe bringt das Alter der beginnenden In- vi^dität, die Invaliditätswahrscheinlichkeit und die Sterbenswahrschein- lichkdt der Invaliden im Saarbrücker Enappschaftsverein zur An- schauung.

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304

FÜLLER,

Tabelle K.

Smmr brüclter Knmpp

ichaftBverein. Mittel der Jahre 1869—

BO

Es imrden

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Unter ein-

invalid

Prosent- sats der

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Sterbens-

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infolge TOD Verletiang im Berufe

(infolge Verletiuog im Berufe)

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0,00668

0,27788

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38

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0,69278

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S6-80

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147

77

0,186

0,00869

0,67864

O.00702

0,80416

81—86

36159

207

82

0,826

000681

0,60681

0,00749

0,8088«

86—40

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367

89

0,818

0,01068

0,89180

0,00940

0,28676

41—45

19016

442

III

0,688

O.0257«

0,82482

O.01277

0,21879

46-60

II 374

797

114

1,002

0,07018

0,147406

0,01484

0,16681

61—66

5111

691

62

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0,18488

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O.02800

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125

3

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O.20279

0,01761

0,08412

0,02806

66—70

152

43

0,27491

0,04478

71—75

24

7

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0 06446

76—80

2

Sa.

227521

13249

620

0,2 7 2

1 .

1

MorbidltSt

Die GresundheitsyerhältDisse der Bergleute sind bedingt durch die Art der Gewinnung, der dabei einzuhaltenden Körperstellung und der bei der Arbeit eingeatmeten Luft Die Krankheiten entstehen ent- weder durch plötzliches oder durch allmähliches Einwirken der Schäd- lichkeiten.

Krankheiten durch plötzliches Einwirken der Schädlichkeiten.

Die Unglücksfälle werden durch Hereinbrechen von Gestein oder Kohlen, durch Herabstürzen in Schächte, durch Maschinen, durch die Grubenwagen, durch umherfliegende Gebirgsteile bei der Sprengarbeit, durch schlagende Wetter, bei welchen vielfach die Arbeiter verbrannt und durch den Luftdruck gegen den Stoß (die Wände der Strecken) geschleudert werden, und durch Erstickung verursacht. Die Verletzungen, die in den Gruben jp;esetzt werden, sind die denkbar schwersten, und in je größerer Tiefe gearbeitet wird, um so zahlreicher treten die- selben auf.

Aber auch über Tage sind beim Steinkohlenbergbau 5,2 Prozent, beim Braunkohlenbergbau 11,04 Prozent, beim Erzbergbau 6,0 Prozent sämtlicher Verunglückungen nachgewiesen. Die Hauptverletzungen, zu-

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 305

meist durch stumpfe Gegenstände veranlaßt, welche durch Grubenun- fall zur Behandlung kommen, sind Enochenbrüche und Verrenkungen, Wunden und Quetschungen, Verbrennungen. Enochenbrüche sind vielfach kompliziert, und betreffen sehr oft mehrere Gliedmaßen gleich- zeitig. Es kommen g^enüber anderen Gewerben BrQche der Wirbelsäule mit Verletzung des RQckenmarks, Schädelbrüche und Brüche des Beckens mit Verletzung der Beckeneingeweide in großer Anzahl vor. Naturge- mäß sehen die Enappschaftsärzte sehr viele Verrenkungen; selbst die im allgemeinen seltene Hüftgelenkverrenkung ist ein jährlicher Gast der Lazarette, oft in mehreren Exemplaren.

Um ein Beispiel der Schwere und des Vorkommens der Verletzungen an mehreren Gliedmafien anzuführen, sei ein Fall von doppelseitiger Hüftgelenkverrenkung und Bruch des rechten Oberschenkels im oberen Dritteil an demselben Leibe hier erwähnt.

Die Verbrennungen durch schlagende Wetter beteiligen viel- fach große Hautflächen und fQhren, wenn über drei Fünftel der ganzen Haut ergriffen wurde, schnell den Tod herbei. Da aber die Bergleute sehr selten nackt, nur in den tiefsten und wärmsten Strecken auch dort ist dies meist verboten arbeiten, so werden in der Mehrzahl der Fälle nur Hände, Gesicht und Nacken verbrannt Die Verbrennungen sind^^ vorwiegend ersten und zweiten Grades. Sehr mißlich für die Be- handlung werden dieselben, wenn neben ihnen, wie dies nicht allzu selten vorkommt, andere Körperverletzungen, als komplizierte Enochen- brüche, größere Quetschungen und Wunden gesetzt sind.

Die Gefahr für die Arbeiter bei den Explosionen wird verursacht durch die massenhafte Aufwirbelung von Eohlenstaub, durch Kohlenoxyd, welches sich infolge der unvollkommenen Verbrennung des Eohlenstoffes ausscheidet, durch das Feuer selbst und durch die sehr heftige Luftströmung, welche durch die plötzliche Expansion der Luft und die Temperaturdifferenz zwischen dem Ort der Explosion und den anderen Teilen der Grube bedingt wird, femer durch die Menge der Kohlensäure, welche bei der Verbrennung entsteht. Die Leute gehen zu Grunde durch Verlegung ^ der Luftwege, indem der leichte Ruß die Atmungswege anfallt, femer dadurch, daß sie umhergeschleudert werden, schwere Knochenbrüche und Quetschungen erleiden, durch Verbrennung aller Grade und durch Vergiftung mit Kohlensäure und Kohlenoxyd. Die mechanische Verlegung der Luftwege bedingt die größte Gefahr, da die Wiederbelebungsversuche in diesem Falle gänzlich erfolglos sind.

Nach Kuckeis ^ findet man bei Bergleuten, die durch Schlagwetter oder in den Nachschwaden derselben zu Grunde gegangen sind, einen von Kohlenstaub geschwärzten, schleimig und sandig anzufühlenden, rahmig- schmierigen, teerartigen Brei, welcher sich häufig von der Luftröhre aus bis in die feinsten Bronchialäste erstreckt Die Luftwege können gänz- lich mit diesem schwarzen Brei angefiillt werden, während man denselben in anderen Fällen bis zu Messerrücken-dicken Lagen nur in den Anfangs- verzweigungen der Lufbröhre findet. Die Schleimhaut pflegt dabei ge- rötet, nicht geschwellt zu sein.

Die Haut selbst ist an demselben Körper an einigen Stellen ge- rötet, an anderen ausgetrocknet, wie mumifiziert, die Oberhaut in

Bmdbeh dm HrglM«. Bd. Vin. 20

10

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306 FÜLLER,

Blasen erhoben, an anderen hängt letztere in Fetzen umher, wenn die Blasen durch weitere Einwirkung der Hitze geplatzt sind, an anderen Stellen sind die Weichteile bis in die Tiefe verbrannt Diese Ver- brennung dritten Grades wird wegen der überaus schnellen Einwirkung des Feuers sehr selten beobachtet.

Die durch Pulverexplosionen bei der Sprengarbeit york<Hnmenden Verbrennungen sind selten schwerer Art.

Sie sind gekennzeichnet durch Einsprengung von Pulverkömem und Gesteinsstücken in die Haut, welche vom sogenannten Versatz herrühren. Zumeist sind das Gesicht und die Hände betroffen, weil die Bergleute, wenn ihnen die Entzündung des Schusses zu lange dauert, aus ihrer Deckung heraus zu früh an den Schuß herantreten, und sich an dem- selben mit den Händen zu schaffen machen, wobei die Explosion erfolgt und Gesicht und Hände verbrannt werden. Von den eingesprengten Pulverkömem bleibt in vielen Fällen das Gesicht von zahlreichen blau- lich-schwärzlichen bis nadelkopfgroßen Flecken entstellt.

Diejenigen Gase, welche die Erstickung in den Gruben herbeiführen^ sind Kohlensäure, Eohlenoxydgas, ein Gemisch von diesen mit atmo- sphärischer Luft, wohl auch „Kohlendunst^' genannt, und in sehr seltenen Fällen Kohlenwasserstoffgas, letzteres nur durch Verdrängung dea Sauerstoffes. Da Kohlensäure schwerer ist als die atmosphärische Luft, lacert sie auf den Sohlen der Grubenstrecken, so daß die im Liegen arbeitenden Bergleute am meisten der Einatmung dieses Gases ausge- setzt sind. Bei einem Gehalt der Luft von 8 bis 10 Proz. Kohlensäure hört das Leben durch Stillstand der Atmung >' auf.

Bei der Einatmung des Gases ^ ^ tritt zunächst eine eigentümliche Erregung des Nervencentrums ein. Unruhige Geberden, hastiges Sprechen^ eine Art von lustiger Tmnkenheit eröffnet die Scene. Bald machen sich Atemnot, Unruhe, Angst, Ohrensausen, Kopfschmerzen geltend, es folgen wohl auch klonische Ejrämpfe, die bisweilen in tetanische übergehen; eine seltenere Erscheinung ist die Katalepsie*), und schließlich erlischt unter Bewußtlosigkeit, Anästhesie*'*'), Hautkälte, immer kleiner werdendem Herzschlag (Einwirkung der Kohlensäure auf den Vagus *♦*), immer ober- flächlicherer Atmung das Leben.

Das kohlensäurehaltige Blut hat den Charakter des venösen. Dasselbe ist dunkelrot, wird aber bei Berührung mit der Luft durch Au&ahme von Sauerstoff wieder hellrot. Im Spektralapparat zeigt das kohlensäurereiche Blut den Streifen des Hämoglobins. In der Leiche sind sämtliche Organe blutreich und von dunklem Blute strotzend.

Da Kohlenoxydgas geruchlos und im spezifischen Gewicht mit der atmosphärischen Luft fast gleichwertig ist, wird dasselbe nicht wahr- genommen, besonders da die Lampe noch brennt, während die be- drohlichsten Veränderungen den tierischen Organismus schon ergrüSen haben.

*) Eine Art Starrkrampf. **) GefObUlosigkeit ♦••) Der Hersnerr.

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter. 307

Das Gbs wirkt, durch die Atmung aufgenommen, wie ein narkotisches GKft. Dasselbe geht eine schwer lösliche Verbindung mit den Blut- körperchen ein, indem die mit dem Blute in Berührung tretenden Teil- chen des Ghtses eine gleiche Menge Sauerstoff verdrängen. Hierdurch wird der Gasaustausch des Blutes gehemmt. Das Blut wird durch Auf- nahme des Gktses rosarot Die Aufregung und Depression, die sofort ein- tritt, die Beschleunigung des Herzschlages und der Atmung, unfreiwilliges Entleeren von Kot und Urin, die ängstliche Unruhe, auch bei Ein- wirkung kleinster Mengen des giftigen Gases, phantastische Sinneser- soheinungen, Zuckungen, Konvulsionen*^) erweisen den schnell lähmenden' Einflufi, welcher auf das (}ehim, das Bückenmark, auf die ganze Nerven- masse ausgeübt wird. Der Tod erfolgt durch Lungenlähmung, die Atmung wird immer langsamer, bis sie aufhört'.

Nach akuter Vergiftung mit K ohlenoxyd gas vollzieht sich die Verwesung der Leiche langsam. Die Totenflecke sind auffällig durch ihre sehr schöne hochkarmoisinrote Farbe, üeber weitere Leichen- erscheinungen bei Kohlenozyd-Vergifkung siehe die unter ^ ' citierte Litt^ratur. üeber die Diagnose des Kohlenoxydblutes mittels des Spektroskopes oder mittels chemischer Agentien vergl. die Lehrbücher der gerichtlichen Medizin.

Eine reine Vergiftung mit Kohlensäure oder Kohlenoxydgas kommt fast niemals vor, sondern es sind diese OuBe gemischt mit einander, mit atmosphärischer Luft, Stickstoff und Kohlenwasserstoffgas, besonders den ersteren beiden, welche als Nachschwaden nach schlagenden Wettern als sogenannter Kohlendunst den Bergleuten gefährlich werden. Die Er- scheinungen am Lebenden und an der Leiche sind daher ein Gemisch der vorher geschilderten Vergiftungsarten. Nach Brockmann leiden die Bergleute durch die Einatmung böser Wetter zumeist an Lufthunger, sie atmen tief und häufig, fühlen sich beklommen, kalter Schweiß bricht aus. Dann werden sie psychisch niedergedrückt. Setzt man nach diesen Anzeichen die Kranken der atmosphärischen Luffc aus, so erholen sie sich bald. Bei reichlichem Vorhandensein von Kohlensäure bildet sich wohl auch ein verschiedenartig gestaltetes Exanthem **), Bei weiterer Einatmung des Kohlendunstes wird die Atmung röchelnd, Eiseskälte, Pulslosigkeit, Erstarrung und Betäubung tritt ein. Die Herzschläge, anfangs voll, aber sehr langsam, werden kaum vernehmbar, die Atmung setzt aus. Dann erfolgt der Tod.

Je nachdem Kohlensäure oder Kohlenoxydgas in dem einwirkenden Kohlendunste vorherrschten, tritt Aufregung oder Depression in den Vordergrund der Erscheinung. Dieselben pflegen neben einander zu bestehen, in einander überzugehen. Bei bedeutendem Gehalt der Oasmischung an CO wird fortschreitende Lähmung von unten nach oben beobachtet. Auch Mania transitoria '''^^) ist in diesem Falle festge- stellt^^. Noch vor dem Aufhören des Bewußtseins sollen klonische und tonische Ejrämpfe, Zusammenziehen einzelner Muskeln, Trismusf) auf- treten. Stellen sich Störungen der Sensibilität vor Erlöschen des Bewußt- seins ein (z. B. das Gefühl des Dickerwerdens der Sprossen beim Um- greifen derselben während der Fahrt), so ist dies ein Beweis, daß sdir viel CO 3 im Kohlendunst vorhanden ist.

•) KriUnpfe. **) HautaassdilAg.

^*) PlStsJich mnftreUnde, aWr Torüberg«h«nde Gei8t«ST«nrirniDg. t) Kieferkrampf.

20*

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308 FÜLLER,

Aach Störungen der Mobilität, als Schw&che der Muskeln, völliges Unvermögen, sich weiter zu bewegen, gehen der Bewußtlosigkeit voraus.

Die Erscheinungen an der Leiche sind zumeist die des Erstickungs- todes^«.

Während in Folge von Kohlenoxydgasvergiftungen nach Rückkehr des Bewußtseins wohl konvulsivische Bewegungen des Körpers, heftiger Kopf- schmerz, unregelmäßiger Puls, Schwindel, Debelkeit, FieberanfiJle, Neigung zum Schlaf, welcher unangenehm unterbrochen wird, aber nicht bleibende Störungen als Nachkrankheiten auftreten, sind nach Vergif- tungen mit Kohlendunst dauernde Folgekrankheiten nicht selten. Brock- mann beobachtete danach mehrfach chronisches Siechtum, bestehend in Verdauungsstörungen, Anorexie'*'), Debelkeit, Erbrechen, wüstem Gte- fühl im Kopfe , qualvollen Störungen , welche oft jahrelang anhielten. Kachektisches Aussehen, asthmatische Zufälle, Abmagerung, rheumatische, arthritische Schmerzen wurden auf die vorhergehende Vergiftung be- zogen. Daß das Oehim und Rückenmark sehr schwer unter stärkerem Einfluß des Kohlendunstes leiden kann, beweist der als Nachkrankheit mit Sicherheit beobachtete Blödsinn und die von vielen Autoren be- schriebenen Lähmungen. Brockmann^' behandelte einen Bergmann, welcher nach der Einatmung von bösen Wettern seiner geistigen Kräfte soweit fähig war, daß er eine Viertelstunde Weges nach Hause ging, wozu er mehrere Stunden brauchte, und dann dort besinnungslos zu Boden fiel. Als er zu sidi kam, wußte er nichts von dem Vorgefallenen bis zu seinem Austritt aus der Grube. Lähmungen einzelner Glieder, durch kapilläre Iigektion vorübergehend, durch Thrombose länger andauernd, der Sprache, der Harnblase und des Rektums*^) blieben zurück, auch Lungenentzündung und Brustfellentzündung mit Exsudatbildung ***) soll im direkten Anschluß an die Betäubung entstanden sein. Nach Simon ^^ ist neben Blödsinn auch Gehirnerweichung der Intoxikation gefolgt.

Nach der Katastrophe auf Grube Kamphausen am 17. März 1885 sind noch jahrelang Lähmungen, Schwindel, allgemeine Entkräftung als Folge der Betäubung behandelt worden und haben Grund zu Pensionie- rungen geboten.

Akute Vergiftung mit Schwefelwasserstoffgas, ob- wohl dasselbe in der Grubenluft und im Grubenwasser vorkommt, ist nur einige wenige Mal beobachtet worden. Bei Einatmung größerer Mengen dieses Gases tritt sofort Betäubung ein, die schnell zum Tode führen kann. Bei allmählicher Einwirkung zeigt sich &uliges Auf- stoßen, Erbrechen, Schwindel, Kopfschmerz, auch Krämpfe. Einige Stunden nach der Entfernung aus der schädlichen Atmosphäre schwinden diese Erscheinungen.

Fabre ^^ beobachtete eine akute Vergiftung durch Schwefelwasser- sto£E^ welcher beim Anhauen eines alten, verlassenen Baues ausströmte, bei 3 Arbeitern in Commentry. Einer von diesen blieb 10 Minuten leb-

"1

Appetitmaiigel. DickdAiin. ***) BrgÜMe in die Brasthöhle (bei. Lange).

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 309

los, machte dann krampfhafte Bewegungen, seine Atmung war aussetzend, die Pupillen waren weit Derselbe blieb mehrere Tage sehr schwach.

Asph yktische'O Zustände, welche mit VergiftunRen verwechselt werden können, kommen in den Gruben häu^ger vor. Dieselben werden ähnlich wie der Hitzschlag durch die mit Feuchtigkeit gesättigte, sehr warme Luft in diesen Gängen verursacht.

Transport und Behandlung der Verletzten.

Die erste und wichtigste Sorge nach Verletzungen muß sein, die Betroffenen möglichst schnell aus den unwirtlichen Verhältnissen der Grube, dem Lärm, den das Getriebe der Maschinen, der Bäder der Wagen u. s. w. verursacht, in behaglichere Lage zu versetzen. Es sind deshalb in den meisten Gruben Einrichtungen getroffen, die schleunige Bdßrderung der Leute zu Tag zu bewerkstelligen. Entweder werden bei leichten Verletzungen die Verunglückten in einem S^eltuch zum Förderwagen getragen und in diesem auf der Förderschale an das Tageslicht gebracht, oder sie werden auf den einfallenden Strecken mit Tragen, beim Fehlen derselben auf Tüchern von Segelleinen empor- gefördert.

In Frankreich war auf mehreren Ghruben zu Anfang des Jahr- hunderts ein Korb zum Transport der Verwundeten im Gebrauch, welcher seiner Länge nach vertikal gestellt, die Fahrten entlang in die Höhe gezogen wurde. In diesem Korbe wurden die Verwundeten durch Gurte befestigt Die in diesem Behälter in vertikaler Stellung gewissermaßen aufgehängten Leute müssen sich in einer recht unglücUichen Lage be- funden haben, und wurde wohl deshalb diese Art des Transports bald aufgegeben. Auf Grube Dudweiler > ^ bei Saarbrücken sind an bestimmt bezeichneten Orten einfache Tragen von geteertem Segeltuch aufgehängt, deren Tragstangen entfernt werden können. MuB dies wegen örtlicher Verhältnisse geschehen, so wird der Verletzte in dem Tuche, an dem jederseits drei Handgriffe angebracht sind, zur Förderschale getragen. Diese ist nicht lang genug, um die Trage aufiiehmen zu können. Des- halb sind kurze Wagen konstruiert, deren Seitenwände (aus geteerter Leinwand, die auf ein Eisengerüst gespannt ist) niedergeklappt werden können ; die Wagen ruhen auf Federn. Der Kranke wird auf dem Tuch der Bahre in den Wagen gelagert. Je nach seiner Verletzung wird die verstellbare Rüokenlelme oder das Beinlager eingestellt, er selbst durch einen Bauchgurt vor dem Herausfallen gesichert und der Wagen nunmehr auf der Förderschale zu Tage gefördert Dort nimmt denselben ein Bchienengeleise auf und führt ihn in das nahegelegene Verbandzimmer, woselbst ein Heilgehilfe zur ersten Hilfe stets bereit ist. Bis dahin hat der Verunglückte in demselben Segeltuch gelegen, in welches er sofort nach der Verletzung gelagert wurde, auch ist derselbe in dem be- schriebenen Wagen in das Krankenzimmer gelangt. Derartige Kranken- oder Verbandziimner befinden sich auf vielen Gruben. Seitdem Victor van den Broeck^* im Jahre 1843 Bäume in der Nähe der Gruben in Vorschlag brachte, die zum ersten Verbände, aber auch Schwerverletzten als Lazarett dienen sollten, sind solche in der Nähe der meisten Gruben vorhanden. Seine Bestrebimgen wurden anfangs durch die Kosten der-

*) Atpbjsie ■■ hochgradige Atemnot.

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310

FÜLLER,

artiger Anlagen und durch die Abneigung der Arbeiter, fem y(m ihren Familien verpflegt zu werden, vereitelt. In dem Krankenzimmer dar Ghmbe Dudweiler befindet sich außer ausreichendem Verbandmaterial eine Badewanne, welche mit warmem Wasser zu jeder Zeit schnell ge- fallt werden kann. Die im herzoglichen Salzwerk Leopoldshall * ^ ein- gerichtete Krankenstube ist mit den unterirdischen Stationen durch Fen- Sprechapparate verbunden, so daß der Arzt sofort zu Hilfe gerufen werden kann. Vielfach ist in den sogenannten Waschkauen ein Raum zu gleichen Zwecken, z. B. auf Orube Gneisenau, reserviert. Damit auch schon in der Orube selbst eine erste Versorgung der Verletzten stattfinden kann, wird in vielen Berg- und Steigerschulen Unterricht in der ersten Ver- sorgung Verunglückter, besonders in Behandlung von Blutungen, Knoehen- brüchen und Erstickung erteilt.

Aus den Verbandrkumen, oder wo diese fehlen, sofort nach dem Verlassen der Ghmben, werden die Kranken auf zweirädrigen federnden Karren, auf welchen die Tragen mit Biemen befestigt sind (sogenannten amerikanischen federnden Transportkarren) oder in E^rankenwagen, in welche die Tragen hineingeschoben werden, ähnlich den im Felde ge- brauchten Verwundeten-Transportwagen, welche zumeist för 4 Verletete eingerichtet sind, in der Mehrzahl der Fälle in die Vereinslazarette, seltener in ihre Wohnungen verbracht.

Dadurch, dafi die Operationstechnik in den letzten Jahren einen bedeutenden Aufschwung erfahren, dank der antiseptischen und asep- tischen Behandlungsmethode, welche sehr wirksam infolge davon wii^ daß die Verletzungen bei dem geordneten, schnellen Transport frisdi in die Hände der Chirurgen kommen, sind die Heilerfolge nach berg- männischen Unfällen sehr gute geworden. Diejenigen, welche lebend die Onibe verlassen, werden zumeist geheilt.

Von den im Jahre 1884 1892 in die Lazarette des Saarbr&cker Knappschafbsvereins eingelieferten Verletzten sind nur 4,04 Proz. ge* sterben, und darunter befinden sich Wirbelsäulenbrüche und ähnliche schwere Verletzungen, auch solche, welche nach 24 Stunden oder einigen Tagen zum Tode führten. (Vergl. Tabelle X.)

TabeUe X.

Saarbr&cker Knapptobafttyer eis.

Jahrgang

Zahl der Verletzten

in den Lasaretten

Zahl der ge- storbenen Ver- letiten in den Lasaretten

PrOMBt

Yon 100 Kranken

1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892

676 620 672 786 978 105 1 896 856 912

23 43 30 a6 17 45 40

39

48

3.4

6,9S

2,97-

3,t

1.7«

4,«8

4.46

4fft& 5.26

7447

301

4,04

«s

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Hygiene der Berg- nnd Tünnelarbeiter. 311

Die komplizierten Brüche haben ihren Schrecken verloren, die Eröffnung von Oelenken, schwere Verletzungen des Schädels kommen 2ur Heilung. Durch (Jehverbände wird den Folgen des Krankenlagers bei Brüchen der unteren Gliedmaßen entgegengestrebt, und werden die- sdben früher und mit schneller eintretender Beweglichkeit der Gelenke

Shdlt. Zweifellos hat das Interesse der Berufsgenossenschaft, die Ver- 2ten schnell mit einem möglichst hohen Grad der Erwerbsfähigkeit zu heilen, auf den chirurgischen Eifer vorteilhaft eingewirkt,

Auch die Verbrennungen heilen unter dem antiseptischen Verfahren schneller und mit glatteren Narben. Narbenkontraktionen in größerer Ausdehnung werden viel seltener als früher beobachtet.

Während in früherer Zeit alles Heil in der Erwärmung Erstickter gesucht wurde, steht heute die Einleitung der künstlichen Atmung als rationellstes Wiederbelebungsmittel obenan. Dieselbe wird unterstützt cLurch warme Bäder, kalte Douchen und Elektrizität. Da in der Nähe von Gruben sich Bade;* und Verbandräume zumeist befinden, kann dem Verunglückten diese Hilfe sofort nach dem Verlassen der Gruben geleistet werden. Diese Maßnahmen haben sich nach dem Grubenunglück in Kamp* hausen gut bewährt.

In neuester Zeit sind von Springer rhythmische Zungenkontrak« tionen bei Asphyktischen' zur Wiederbelebung dringend empfohlen. 2iemssen* benutzt zur Beizung des Phrenicus '*') mit dem Induktions- apparat große Schwämme, damit außer dem Phrenicus auch alle vom Plexus cervicalis^ und brachialis **) zu den respiratorischen Muskeln tretenden Zweige gereizt werden und hierdurch möglichst vollständige Er- weiterung des Brustkorbes erzielt wird. Erst nachdem deutliche Zu- nahme der respiratorischen Thätigkeit eingetreten ist, kann an einen Aderlaß oder an eine Transfusion ***) gedacht werden. Bei Kohlendunst« bez. Kohlenoxydgasvergiftung sind die kalten üebergieBungen schon seit langer Zeit bekannt. Portal mahnt wiederholentlich zur An- wendung derselben. In Eußland ist Uebergießung mit heißem Wasser b^ebt. Auch der Wechsel von heißem und kaltem Wasser (schottische Douche), auf die Gegend der Medullaf) gerichtet, mag zur Anregung 4er gelähmten Nervenmasse von Nutzen sein. Die Exspirationsbewegungen müssen zur Entleerung des Kohlendunstes aus der Blutbahn möglichst «rgiebig ausgeführt werden. Innerliche Erregungsmittel, wie Kaffee, Aether, werden bei Erostgefühl gewöhnlich gereicht

Enmldirtteii durch allmUillche Etnwlrknng der SehSdllchkefteli

des Bergbaues.

Im allgemeinen eito'anken die Bergleute in nicht höherer Anzahl als andere Arbeiter. Nach den Angaben von Ogle (vergl. Roth S. 15 dieses Bandes) stehen die Kohlengrubenarbeiter an 14. Stelle nnter 44 verschiedenen Beschäftigungsarten mit einer Erkrankungszifier von

*) Der Neryas phrenlciis erregt den Wiebtigiten Atemm«skel| dn ZwerelifeU. **) Nervengeflechte.

**^) Einspritsang fremden Blates. Han benutzt meist Lammblat. t) MednU« oblongaU «■ TerHlngertet (Rüeke&-»)Mark.

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312 FÜLLER,

160 bei Annahme der günsti^ten Zahl = 100 (Geistliche), während an 44 Stelle die Verhältniszmer der Erkrankungen 397 (Gasthaosbe- dienstete) beträgt. (Siehe auch Seite 10 und 11 dieses Bandes.) So trostlose Resultate die Untersuchung der Erkrankungen der Bergleute in früheren Zeiten lieferte, so hat die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen unter und über Tage ihren EinfluJß auf die Zahl der Erkrankungen der Grubenarbeiter in stetig günstigem Fortschritte zur Folge gehabt.

In einem Bericht des Mining Journal von 1858 ist noch zu lesen: „Mit 20 Jahren sind die Kohlenbergleute um 46 Proz. öA^r und länger krank, als andere Menschen, im Alter von 30 Jahren um 70 Proz., bei 40 Jahren um 78 Proz., bei 60 Jahren um 76 Proz., und um 60 Jahre herum 53 Proz. Bei einem Alter von 15 25 Jahren erfolgen ^/^ der TodesfUle durch Krankheiten der Atmungsorgane, ^/g der Bergleute finden einen gewaltsamen Tod. Eine unleugbare Thatsache ist es, d&ft das Bergmannsleben im Durchschnitt nur 27,7 Jahre dauert, während der Landbauer auf 42,3 Jahre kommt. ** Nelson^ stellte aus dem Material der Friendly Societies fest, daß in einer Woche von Bergleuten zwischen 80 und 40 Jahren 15,6215, zwischen 40 und 50 Jahren 25,5730 er- krankten, während Feldarbeiter in denselben Altersklassen 10,1360 und 14,1457 in einer Woche krank wurden. Aus einer französischen Aushebungsstatistik^^ ergab sich, daß in 10 Ackerbau treibenden Departements auf 10000 diensttaugliche Rekruten 4029 untaugliche ge- zählt wurden, während in den Industrie-, besonders Bergbau treibenden Departements Marne, Seine - infSrieure, Eure u. s. w. neben 10000 taug- lichen 14451 untaugliche gezählt wurden. Brockmann schildert in seinen „Itetallurgischen Krankheiten*' des Harzes den Gesundheitszu- stand der Bergleute in sehr schwarzen Farben. Nach ihm sind alle inneren Organe derselben mehr als bei anderen Arbeitern der Erkrankung ausgesetzt, und er beschreibt diese Krankheiten unter der eigentümlichen Benennung: Stethaemiosis metallurgica , Cephalaemiosis metallurgica, Gatharhosis metallurgica u. s. w. Li Belgien und England sahen die Aerzte eine große Anzahl besonders von jugendlichen Berg- leuten mit VerkrOmmung der Beine, der Wirbelsäule und mit Hühner- brust. Dabei standen nach Boens-Boisseau die Eußspitzen nach innen, die Waden nach auBen, bei Frauen, welche frühzeitig die Gruben- arbeit begonnen hatten, wurde Mißgestaltung des Beckens mit Tie&tand des Promontoriums gefunden^*.

Ein Vergleich der über Tage arbeitenden Klassen und der Berg- arbeiter des Distrikts Comish führte zu dem in Tabelle X^ dai- gestellten Resultat

Dieselbe ist der englischen Anschauungsweise gemäß yon der finan- ziellen Seite aus und nach den Jahresprämienzahlen bei einer Ver- sicherung von 100 Lstr. auf den Todesfall berechnet

Es bezahlt ein Arbeiter:

(Siehe TabeUe X^. S. 313.)

Die Todesursachen sind nach Farr^* bei den Bergleuten yod Comish weniger durch gewaltsame Einwirkungen, als vielmehr durch häufige Lungenerkrankungen beeinflußt, wfthrend andere Oiiganerkrank- ungen bei ihnen seltener sind als bei anderen Leuten. Folgende

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter.

313

Tabelle XA.

im Borgworktdistrikt

in gMondra Dbtxikton

TOD Cornith

▼on Jabrtn

Lstr.

sh. d.

Lttr. tb. d.

SO

7 7

I 17 6

80

«5 I

a II o

40

7 I

3 i6 II

50

8 3

5 19 8

55

4 lo

7 6 6

Tabelle XI giebt den Vergleich der Sterbeftlle an LuDgenkrankheiten der Kohlenbergleute von Comish mit der mäDiilichen Bevölkerung Eng- lands überhaupt und den nicht Bergbau treibentten männlidien Kranken in Comwallis.

Es starben an Lungenkrankheiten:

Tabelle XI.

Im Alter

Minnliebo

Bergarbeiter

Yon

Kranke

in

mlnnliebe Kranke

Jahron

in England

Comisb

in ComwaUis

15

3.51

2,9«

3.80

25

4."

3.87

3.88

35

4»! 7

6,00

4i«4

45

4,54

14,88

4,84

55

5

I7t09

5.1»

65 bb 75

4.«»

9,80

5,48

36,08

S4,7«

26,88

Auch heute sind es die Lungenerkrankungen, welche Yomehmlich die Bergleute be&llen und hinraffen, trotzdem von Jahr zu Jahr die Zahlen der von Lungenerkrankungen ergriffenen Bergleute geringer werden. Außer diesem Leiden und dem Rheumatismus giebt es eine eigentümliche Gewerbekrankheit der Bergarbeiter nidit mehr.

Aber nicht in gleichem Grade und in gleicher ZaU unterliegen die Grubenarbeiter den knwkmachenden Schädlichkeiten. Die Häuer sind der Einatmung von Staub bei der Arbeit vor Ort mehr ausgesetzt als die Zimmerhäuer, die beim Vorbauen thätig sind; den Schleppern bringt die Arbeit in gebückter Stellung Lumbago *), So zeitigt die VerschieNlenheit der Beschäftigungsarten verschiedene Dis- positionen zu Erkrankungen. Ebenso bringt das Material, welches be- arbeitet wird, der harte und scharfe Staub der Erze gegenüber dem weidien Kohlenstaube, und hier wieder die staubarme und die staub- reiche Kohle verschiedene Verhältniszahlen der einzelnen Krankheiten zustande. Es ist ein sehr erheblicher Unterschied in den Zahlen der Atmungskrankheiten der Bergleute im oberschlesischen und der im Saarbrflcker Becken festzustellen, weil dort die Kohle staubfrei und gas- arm, hier staub- und gasreich ist

*) Hexenscbnlii.

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314

FÜLLER,

Tabelle XII.

Knappschaftsverein

Jahr

Kranli heilen

der Atmangswege

Prozent von

100 . Mitgliedern

9 a

Prosent ron

100 Mitgliedern

Zahl der Beleg- schaft

Zahl

aller

Krankeo

1868—1875

«3 139

4.64

13845

4,78

SMürhrftdiMr

1868—1876

14966

1447

8143

7,88

OberMhlatiieher

1888

1795

3,82

17*3

3.1»

54003

"583

BMurbrftokMT

1888

3162

11,80

1748

6.6S

26775

17 106

Nach Tabelle XII ist eine erfreuliche Abnahme der Krankheiten der Atmangswege und des Rheumatismus zu erkennen.

Die Disposition zu Erkrankungen ist im Bergmannsstande noch von anderen Gesichtspunkten aus zu betrachten. ]^ sind die Gruben- arbeiter zu unterscheiden, welche schon in mehreren Generationen als solche arbeiten, andere, die aus der Landbevölkerung stammen, die in diese hineingeheiratet haben, solche, die als Soldaten ihre Lungen und Muskeln geübt, andere, die nicht beim Militär gedient haben. Der Menschenschlag der einzelnen Länder und Provinzen, der Wohlstand, die Lebensführung, Wohnung, Nahrung u. s. w. ist bei der Beurteilung in Anschlag zu bringen. Eine vergleichende Statistik der Rekruten- aushebung in den einzelnen Bezirken würde die Abschätzung der Ge- sundheitsverhältnisse in dieser Beziehung gewiß f&rdem. Von sämt- lichen Beitrag zahlenden Knappschaftsmil^liedem des preußischen Staates ^^ eiicrankten von 1000

I88S 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 548 539 529 557 5*9 5 «7 508 547 553 535

Aus dem Jahre 1891 müssen noch 12877 in das nächste Jahr über« tragen werden, sodaB die Anzahl der Gesamterkrankungen fbr 1892 nicht 224209, sondern 237 086 gegen 238080 im Jahre 1891, d. L 904 Kranke oder 0,42 Proz. weniger als im Vorjahre betrug. Die Krankheitsdauer betrag sogar 17,0 Tage gegen 14,4 und 13,7 Tage ia den Jahren 1891 und 1890.

Die Krankenbewegung war hiernach in den letzten 10 Jahren eine ziemlich gleichmäßige, und ist eine besondere Abnahme im allgemeinen in diesen Zahlen nicht festzustellen. Und doch ist der Zustand als ein günstiger zu bezeichnen, da dem Gesetie gemäß in den letzten Jahren die Krankenlöhne bedeutend gestiegen sind (die Hälfte des Tageslohnes) und durch Privatkassen der B(^- leute noch erhöht werden. Es ist fraglos, daß diese Vermehrung der Krankeneinkünfte, besonders bei der sich von Jahr zu Jahr bessernden Lebenslage des Arbeiters, die Unterbrechung der Arbeit durch ganz geringfügige Gesundheitsstörungen begünstigt und die Erkrankungs- zahlen vergrößert Nachstehende Tabelle XIII gidbt die allgemeine Krank-

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter.

315

haitsbewegung der Mitglieder des Saarbrücker Enappschaftsvereins in den Jahren 1881—1891 wieder und führt ungefähr zu demselben Be- sultat wie die Au&tellung der Erkrankungen in sämtlichen preußischen Knappschaftsvereinen.

TabeUe XIU.

Saarbrflok

er Knappschaftsyerein.

1

Zahl der Ver^ dn8mit|[Ueder

im Jahresmittel

Somma der

Von 100

Mitgliedern

sind

erkrankt

Zahl der Krankentage

Mithin mehr ab im

DnrebschnittU

Krankheltt.

daoer

Tage

►*

Behandelten

insgesamt

Vorjahre

1881

23341

13 176

52,4

192 331

15,8

1882

23 75»

13398

56,4

315647

33416

i6a

1888

24953 36404

15 129

60,6

235 461

19 814

15.6

1884

16199

61,4

245 033 380 503

9572

15.1

1885

16765

1675s

63.6

35469

16.7

1886

26078

16306

63,5

293327

13835

18.0

1887

35618

16338

63,8

314353

31 036 weniger

«9,2

1888

36 118

17 106

65,5

304109

10344 weniger

17,8

1889

37624

15496

56.1

380619

23490 weniger

18,1

1890

29 114

17780

61,1

268683

II 936

15.1

1891

30043

17753

59,1

3*5695

47 0I3

I7»8

Die Ursache der Erkrankungen der Luftwege muß, wie vorher beleuchtet, in der den Bergmann in der Grube umgebenden Luft gesucht werden. Dieselbe ist sauerstoffarm und kohlensäurereich. Nicht nur, weil das in der Zeiteinheit dem Arbeiter zuströmende Luft- quantum, ich möchte lieber sagen Sauerstoffquantum, an vielen Orten der Grube zu gering ist^®, sondern weil die Kohlensäure, deren längere und r^eknäßig wi^erholte Einatmung in IV2- bis 2-proz. Beimischung (nach Angus Smith 0,1 Proz. '^) den Organismus schädigt, einen Beiz auf die Haut und auf die Schleimhäute des Bespirationstraktus aosflbt, werden die Luftwege ein Vorzugsort für krankhafte Ver- änderungen.

Der durch die Kohlensäure und den Wasserdampf verdrängte Sauer- stoff die Behinderung des Gasaustausches, des Entweichens der Kohlen- säure in die mit KoUensäure angeftQlte Luft^ verschlechtert die Blut- masse, macht das Blut venös und erhält die Lunge und das rechte Herz unter stetigem Einflufi dieses sauerstoffarmen und kohlensäurereichen Er- nähmngssaftes. Wenn auch der Organismus die Fähigkeit besitzt, sich diesen Schädlichkeiten zu akkommodieren, sollen sich doch nach neueren Untersuchungen bei Sauerstoffmangel die roten Blutkörperchen ver- mehren — so ist doch die dauernde Einwirkung der des Lebensgaseft zum Teil beraubten Einatmungslufl für die meisten Individuen im all- gemeinen, besonders aber fär ihre Atmnngsorgane von krankmachender Wirkung.

Die Schädlichkeit der Luft wird noch erhöht durch den Staub, den dieselbe enthält. Abgesehen voa dem KoUen-

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316 FÜLLER,

staub, welcher den Bergmann vollständig überzieht, sodaß derselbe beim Verlassen der Grube schwarz aussieht, ist für die Erzarbeiter der kiesekäurehaltige Staub des Quarzes, Sandsteins, Schieferthons, den dieselben bei der Arbeit mit der Keilhaue, beim Bohren und Sprengen entwickeln und einatmen, gefährlich. Derselbe verwundet die Schleim- haute durch seine scharfkantige Gestalt und seine Härte, wirkt aber auch bei einzelnen Gesteinsarten ätzend. Auch die Haut wird durch diesen scharfen Staub entzündet, es entstehen kleine Bläschen, seröse "0 Ei^üsse unter der Epidermis '*'*). Beim Bersten derselben treten die leicht entzündeten und vergrößerten Papillen'*''*''*') zu Tage. Die Hautentzündung, welche zumeist die Hohlhand ergreift, ist auf Druck schmerzhaft, ver- ursacht ein Gefühl von Hitze und Jucken, die Beugung der Finger wird behindert. Die Rückenseite der Hände wird selten ergrifien^'.

Die fast vollständige Sättigung der Luft mit Wasser verhindert, insbesondere auf heißen Gruben, die Abgabe von Wasser aus dem Körper durch die Ausatmung, ebenso die Ausdünstung durch die Haut, sodaß andere Organe die Ausscheidung des Wassers über- nehmen müssen und hierdurch überlastet werden. Nieren und Darm werden hier vornehmlich als Ersatz eintreten müssen^. Zudem bilden Schweiß, Kohlen- und Erzstaub eine Art Schmiere, welche die Haut-

Kren verstopft, den Körper überzieht und die Hautthätigkeit brach jt, die Ausscheidung der Harnsäure behindert. Die Einwirkung der wassergesättigten Luft auf den Körper ist verschieden, je nachdem die- selbe warm oder kalt ist. Das Herabträufeln von kühlem Wasser auf den erhitzten Körper, das Stehen mit den Füßen im Wasser verur- sacht rheumatische Leiden. Fahre sah bei zwei Arbeitern, die, mit Schweiß bedeckt, in einer Luftwärme von 31,75^ C arbeiteten, nach 10 Minuten eine Erhöhung der Körperwärme um 0,6 ^.

Hierzu kommt die große Hitze in tieferen Arbeitsorten und die Verschiedenheit der Temperatur in den einzelnen Strecken, in der Grube und über Tage, die Zugluft bei sehr reger Ventilation, ja Miasmen, welche sich durch faulende Pflanzenteile, durch Dejektionen der Leute und Tiere bilden. Auf Grube ZoUem bei Dortmund wurde im Jahre 1866 die Verbreitung der Cholera durch Auftiahme des An- steckungsstoffes in der Grube festgestellt, und ist diese Erfahrung in Oberschlesien bestätigt worden ^ ®.

Der Mangel des Sonnenlichtes wird ebenfalls als gesund- heitsschädUch geschildert, obwohl eine beweisende Erklärung hierfür nicht zu finden ist. Pferde und Maultiere, welche viele Jahre lang das Tageslicht nicht erblickten, blieben gesund und leistungsfähig. Anderer- seits ist es nicht zu bezweifeln, daß das Sonnenlicht eine Einwirkung auf den Organismus ausübt Wahrscheinlich ist dieselbe eine chemisch- physikalische^^ nach Art des Einflusses auf Pflanzen und mineralische Substanzen. Man vergleiche den sonnverbrannten Bauer und Seemann mit dem stubenhockenden Gelehrten, und man bedenke, wie die Dunkel- heit die Erschlaffung, den Schlaf begünstigt, wie das Licht belebend wirkt. Auf die Gemütsstimmung wirkt sicher der längere Aufenthalt Dunkeln. Der Charakter des Bergmanns wird als ernst und ver- lossen wohl aus diesem Grunde, aber auch nicht zum wenigsten

*) wiiMrige. ••) Oberhaat ^•) Tiefer« Haataehiehten.

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 317

wegen des Bewußtseins der stetigen 6e£ahr, welcher er in der Arbeit ausgesetzt ist, vielfach geschildert.

Die Arbeit des Bergmanns ist eine schwere, erfordert einen großen Aufwand von Muskelarbeit, welche das schwere Gezähe zu kräftiger Wirkung bewegen muß. Bei dem hierdurch vermehrten Stoffumsatz durch den beschleunigten Gasaustausch in der Muskulatur wäre eine sauerstoj&dche Atmungsluft sehr erwünscht. Diese fehlt aber an vielen Orten, und kann durch die Körperstellung, welche vielfach gezwungen ist und in stark gebeugter Stellung des Oberkörpers Bauch- und Brust- eingeweide zusammendrückt, die Zwerchfellatmung, besonders die völlige Ausatmung behindert, die Atmung oberflächlich macht, der Blutmasse und dadurch der ganzen Ernährung bei dauernder Verrichtung schwerer Arbeiten unter solchen Verhältnissen ein großer Schaden erwachsen. Die Behinderung der Ausatmung schädigt die Lunge und das rechte Herz durch Blähung und BlutüberfOllung der ersteren und größeren Druck, unter welchem letzteres arbeiten muß. Das Arbeiten in knieen- der Stellung verursacht oft das Hygroma praepatellare*), das Stützen auf den Ellenbogen das Hygroma des Schleimbeutels über dem Ole- cranon''^). Ischias f) entsteht durch dauernden Druck auf die Austritt- stelle des Hüftnerven aus dem Becken bei längerem seitlichen Liegen auf dem Trochanterff) und seiner Beckenseite, bei Abkühlung dieser Gegend, namentlich bei nassem Boden, und ist daher eine den Berg- mann vornehmlich belästigende Kratikheit.

Wäre nun das Leben außerhalb der Grubenarbeit ein durchaus zweckmäßiges, so könnten diese Schädlichkeiten durch behagliche Biüie, ;(ute Ernährung, gesundheitsgemäße Wohnung ausgeglichen werden. Bei vielen Bergleuten werden aber die Schäden, welche die Gruben- arbeit setzt, noch erhöht durch unzweckmäßige Ernährung, durch schlechte Luft in ihren Wohnungen. Die Kartofielnahrung , welche schon von Kuborn im Jahre 1860 als nicht genügend für den einen große Muskelarbeit leistenden Bergarbeiter bezeichnet wurde und damals in Belgien sehr beliebt war, ist wegen ihrer einfachen Zubereitung und Billigkeit noch heutzutage vielen das Hauptnahrungsmittel. Dadurch, daß die Arbeiter sehr frühzeitig heiraten, kommen die meisten in den Besitz von Frauen, welche vom Kochen, vom Haushalt überhaupt nichts verstehen und in sehr vielen Fällen nicht imstande sind, dem Manne ein nützliches, geschweige denn ein behagliches Heim zu bereiten. Nicht zum kleinsten Teil wird hierdurch dem Wirtshausbesuche Vorschub ge- leistet und dem Schnapsmißbrauch, wie früher in Belgien dem Genövre- genoß, die willkommene Ursache geboten. Die Gewohnheit an feuchte, warme Luft in den Gruben veranlaßt das Schließen der Fenster und der Thüren in den Arbeiterhäusem. Jeder kühlende Luftzug wird un- angenehm empfunden. Es ist daher den Familien eine liebe Gewohn- heit, in der Küche während des ganzen Tages zusammen zu sein, und damit die lebenden Wesen des Hauses vollzählig sind, läßt man gern Katze und Hund, wohl auch das Schweinchen diesem Familienzusammen- sein sich zugesellen. Wehe dem, der die Thür einer solchen, vielfach selten gewaschenen Küdie öffnet! Ein unbeschreiblicher Duft strömt dem Eintretenden entg^en, eine Luft, gegen welche die Gruben-

^) GMcbwolat AD der KniMoheibe. «•) Ellenbogen.

1) Hflflweb. fj) FortsAts des Obertebenkelknoebent.

33

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318 FÜLLER,

atmospb&re als gesundheitlich erstrebenswert erscheint Da das Rauchen in Kohlengruben mit Schlagwetterentwickelung Terboten ist, kaut eine große Zahl der Arbeiter Tabak und setzt damit den Körper unter Nikotineinfluß.

Diese Schädlichkeiten der Grübe, der Em&hrung, der unhygieni- schen Wohnung ertragen die Bergleute in großer Anzahl yon frühester Jugend auf, wenn auch in Deutschland durch die Gesetzgebung ver- hältnismäßig spät das Bergmannsleben beginnt. Diejenigen aber, welche noch in der Entwickelungsperiode in die Mißverhältnisse desselben hineingetrieben werden, bieten dann das größte Kontingent zu den dem Stande eigentümlichen Krankheiten und moralischen Entartungen. Daa Bestreben der bergmännischen Familien, ihre Kinder möglichst frtih der Grubenarbeit * zuzuführen, ist natürlich. Die jungen Leute sollen verdienen helfen und die Familie durch Erhöhung der Einnahme glück- licher machen'.

Hiemach müßten die Gesundheitsverhältnisse der Bergarbeiter sehr mißliche sein. Dem ist aber nicht so, da die Schädlichkeiten der Grube nicht immer auf die Bergleute emwirken , sondern nur während einea Teiles des Tages, zumeist nur 8 Stunden. Auf dem Wege zur Arbeit und zurück zum Wohnort, welcher in den meisten Fällen durch Wälder führt, können die Lungen sich ausdehnen, Sauerstoff denr Körper in Menge zuführen und so die Aktivität der roten Blutkörperchen er- höhen. Bei gesunden Respirationsörganen wird dann der aufgenommene Staub leicht expektoriert, durch diese oft weiten Märsche wird das Muskelsystem sehr geübt; die Bergleute sind meistens kräftige Ge- stalten, vorzügliche, marschfähige Infanteristen. Es gewöhnt sich der Körper an die ihn umgebende feuchte, heiße und sauerstoffarme Luft^ und bei der täglichen Wiederkehr schützt ihn seine Akkommodations- fähigkeit an die auf ihn einwirkenden chemischen und physikalischen schädlichen Einflüsse vor der Entartung der betroffenen Organe. Auch nur em Teil der Grubenarbeiter leidet unter schlechten oder schlecht gelüfteten Wohnungen und unzweckmäßiger Nahrung, nur ein Teil der- selben an Alkoholmißbrauch.

Nach Moll erkrankten im oberschlesischen Bezirk in den Jahren 1862 1867 an inneren Krankheiten 26 Proz. und von 1000 Berg- leuten

29 an Rbeumatisiniit,

16 an Katarrhen der Atmongswege,

10 an intermittierenden and remittierenden Fiebern,

14 an Katarrh der Verdaanngsorganei

4,5 an Laofi^nentsflndang,

0,9 an Phtbisis.

Nach Horsey-Hodritsch litten an inneren Krankhdten von 100 kranken Bergleuten 78,58, und zwar

an Krankheiten der Atmnngs- and Cirkalationsorgane i6,d8 intermittierendem Fieber iStlo

y, Krankheiten der Verdaaongawege II, 07

Bbenmatiimas li,SO

LnngenentaOndang 4,87

PhthUis l,8S

Nach Kuborn waren in Belgien von 100 Erkrankten 35,57 inner- lich krank, und stellt derselbe folgende Reihe nach der H&ufigkeit der angegebenen Erkrankungen auf:

33

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter. 319

1^ Krankheiten der Bespirationsorgane,

2) Rheumatismas,

3) Krankheiten der Verdauungsorgane'^.

Von den Krankheiten der Luftwege sind in erster Richtung die Katarrhe derselben als am zahlreichsten vorkommend zu betrachten, und treten diese im Verhältnis zum Staubreichtum und zu den reizenden Gasen in größerer oder kleinerer Anzahl au£ Nach Schlockow erkrankten im jährlichen Durchschnitt Yon 100 Lebenden an Luftröhrenkatarrhen:

K alkstelnarbeiter 3, 6 6

Brannkobleoarbeiter ^3t*9 Steinkoblenarbeiter ansscblierslicb der Bergleute des oberteble-

fiscben KnappechaftsyereiDS 9,60

Eisenbfittenarbeiter I3)&8

SalinenarbeSter I4»88

Oberscblesiscbe Steinkoblenarbeiter a,8i

Niederscblesiscbe ,, 5»S7

Saarbrficker lo,68

Halberatidter Brannkoblenarbeiter I3»S8

Mansfelder Kopferecbiefer-, Bergban-, Htittenbetriebsarbeiter 14»48

Salinenarbeiter von Scbönebeck-DOrenberg^Artera 14,88

Klaostbaler Ersbergbau- und Hfittenbetriebsarbeiter 46,94

Bei den Braunkohlen-, Salinen- und Erz-Bergleuten, sowie bei den im Saarbrücker Revier in kohlenstaubreichen Strecken arbeitenden Leuten treibt der Staub die Zahlen der an Luftröhrenkatarrhen Er- krankten gegenüber den in weniger staubigem Material beschäftigten Arbeitern erheblich in die Höhe.

Die Abnahme der Erkrankungen der Atmungsorgane im oberschlesischen Revier vollzog sich so, daß

im Jabre 1883 185,6 Voo 1890 88.1 1892 104,0

Lungenkranke gezählt wurden.

Diese günstige Erscheinung bestätigt die folgende Tabelle XIV, welche den Jahresberichten des Saarbrücker Knappschaftsvereins entnommen ist, auf welche noch mehrfach verwiesen werden wird.

(Siehe Tabelle XIV S. 320.)

Durch die Katarrhe wird die Schleimhaut aufgelockert, das Flimmer- epithel *) durch den Reiz der Gase und des Staubes an einzelnen Stellen vernichtet und auf diese Weise dem Staube Gelegenheit gegeben sidi in der Schleimhaut festzusetzen, in die tieferen Gewebeschichten der Lungen einzudringen.

Die S taubinhalationskrankheiten, unter ihnen die Eohlenlunge, finden so ihre Entstehung. Letztere hat besonders im Anfang dieses Jahrhunderts das Interesse der Bergärzte erregt

1. Eohlenlunge.

Von den Engländern „sporious melanosis of the limgs (Marshai), Usek phthisis (Mackella r), coal-miners long^, von den Franzosen „encombrement charbonneuz des houilleurs^ (Riembault), sonst „l'an-

^) Hit Bigenbewegnng ausgestattete oberste Schiebt der LnftrShren- und Nasensebleimhaot.

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320

FÜLLER,

Tabelle XIV,

Erkrank

angen

and Sterbefftlle im Saar

br&ek

er Knapptet

laftSYerein.

Jahr

<

j

1

1

d

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i|

11

a

1'

0

1876

3811

142

154

2251

38

187

3 «04

36

22 8S9

1877

3858

149

165

2501

46

166

3188

48

22736

1878

338a

142

164

2192

146

3838

39

22 10$

1879

2814

138

132

1458

34

136

2611

53

21990

1880

2512

189

177

1565

41

85

2925

47

23229

1881

2401

106

144

1549

40

84

2396

45

«3353

1882

2642

167

178

1569

31

147

2476

41

24249

1888

2904

161

181

2079

54

140

3 359

48

25657

1884

S959

114

121

1817

40

157

98

3446 3369

64

27 151

1885

«939

102

168

2 222

43

345

124

258

«6379

1886

2592

HO

171

2291

33

20

106

3135

11

25776

1887

2769

122

150

ao37

28

28

130

3363.

29246

Sa.

35623

164a

1905

33531

470

1541

458

36209

751

294630

Proiantsats

12,09

0,55

0,64

7,98

0,16

0,6«

0,422

12,0

»t»

thracose des houilleurs, fausse melanose des honilleors und Anthrakosis, Pnenmoinelanosis, Kachezia carbonica, Marasmus carbonicos (Brock- mann), Pneumonokoniosis anthracotica (Zenker) genannt, wurde die Kohlenlunge im Jahre 1813 zuerst von Pearson in England studiert 1834 folgten als Bearbeiter dieses Themas Marshall, Gibson, Hamilton, 1837 St. Strathon und Thomson, später Mackellar; als französische Bearbeiter werden häufig genannt: B^hier, Rillier, Andral, Ouillot, Hanot, Piorry, Cruveilhier (1847), Biem- bault und Maurice, Aerzte in Etienne (1861). Die pathologische Anatomie der Anthrakose behandelten vornehmlich Virchow (1858), Traube (1860 und 1868), Proust, Charcot (1877). Als belgische Autoren seien Euborn, Gobert (1827), Hanot (1846), als deutsche Brockmann (1845), Oesterlein (1846), Schirmer, Zenker (1849), Bindfleisch, Racine genannt.

Das Eindringen des Kohlenstaubes in die aufgelockerte, teilweise ihres Epithels'*') beraubte Schleimhaut wird durch die geringe Größe der Kohlenteildien die feinsten derselben haben nach Krieger die Größe von 0,001 mm* erleichtert; aber auch durch die ge- hemmte Exspiration, welche durch das Zusammendrücken der Lungen beim Arbeiten in den erwähnten gebückten Stellungen des Körpers be- hindert wird, ist ihre Einbettung in die Schleimhaut begünstigt. Ob der höhere barometrische Druck in den tieferen Arbeitsorten einen Teil an der Ursache des Eindringens des Staubes in die feineren Bronchialverzweigungen hat, mag, da derselbe unbedeutend ist, dahin- gestellt bleiben. Nicht alle Bergleute leiden an dieser Krankheit, sondern es scheint eine Disposition zu derselben zu gehören. Jeden- falls sind diejenigen, welche zu Katarrhen der Luftröhre neigen und

^) Oberst« Schicht der Scbleimhant.

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter. 321

^on denselben öfters befallen werden, und diejenigen, welche durch die Art ihrer Arbeit und die Körperstellung am meisten der Staubeinatmung ausgesetzt und an der Expektoration behindert sind, am meisten ge- fähnlet Nicht nur Kohlenbergleute, sondern auch Erzarbeiter erkranken an Kohlenlungen. Bei letzteren wird die Einatmung von Lampenruß und Pulverdampf beschuldigt.

Die Krankheit entwickelt sich langsam je nach der Menge und der Häufigkeit der in die Lungen einwandernden Fremdlinge und wird erst in höherem Alter durch ernstliche Störungen der Gesundheit von Be- deutung. Alle diejenigen Zustände der Lunge selbst und der umgeben- den Luft, welche dem Bronchialbaum'*') nicht erlauben, sich yon den fremden Eindringlingen zu befreien, vor allem die Starrheit des Brust- korbes älterer Bergleute, beschleunigen die Entwickelung der Kohlen- lunge ^.

Alle Menschen, welche in kultivierten Ländern leben, haben eine Kohlenlunge. Während die Lunge der Neugeborenen und der in der Freiheit lebenden Tiere eine rosarote Farbe hat, ist die Lunge der dem Bnß in den Wohnungen imd Straßen ausgesetzten Menschen mit bräun- ]ich«8chwarzen Flecken durchsetzt und verleihen diese der Lunge das bekannte marmorierte Aussehen, der Schnittfläche durch die Bronchial- drüsen die rauchgraue Farbe. Auch die Haustiere sind nicht gänzlich frei von diesem Pigment, obwohl sie durch die Feuchtigkeit der Stall- loft, durch die viel längeren, an Falten und Ausbuchtungen reicheren Nasenhöhlen, ihr kurzes Leben gegen das Eindringen des Kohlenstaubes in die Lungen geschützt sind*'. Die Schwai^ftu:bung der Langen wurde auch bei älteren Hunden, den treuesten Begleitern des Menschen, nachgewiesen*^.

Der Weg, welchen die Kohlenteilchen einschlagen, um in das Parenchym*^) der Lunge zu gelangen, ist ihnen durch den Saftstrom vorgeschrieben^^. Nur ein kleinerer Teil kapselt sich in der Schleim- haut der größeren Bronchien'*') ab imd verfolgt von da aus seine weitere Bahn, die größere Menge drmgt dann bis in die Lungenbläschen vor. Von den Alveolen 'i'**) gelangen die Kohlenteilchen durch die Diapedesef) in die Lymphbahn oder werden von den in den Alveolen tunherschwim- menden Alveolarepithelien und von den Leukocyten ff) in ihren Zellleib auf- genommen, durch die Lymphgefäße nach den Lymphdrüsen getragen, dort deponiert oder in das Lungengewebe abgesetzt. Das Durchdringen der Alveolenwände wird durch rückwärtswirkende Hustenstöße begünstigt. Bei mäßigem Kohlenstaubgehalt können die Leukocyten die Gkmglien am Hilus passieren, durch den Ductus thoracicus und das Venensystem in die ünterleibsorgane gelangen. Von Soyka wurde bei hochgradiger Anthrakose Ablagerung von Kohlenpigment in der Milz, der Leber, den Nieren nachgewiesen. Jedoch ist diese Schwarzfärbung durch Kohlen- staub selten beobachtet worden '^. Nach und nach wird Kohle in großen Mengen in das Lungengewebe abgesetzt Li dieses selbst siedelt sich der Ruß in den größeren Bindegewebszügen, in den Adventitialscheiden

^) System der Lnftkftnlle, welche die Lunge darchieteen. Dasselbe TM«stelt sich wie die Zweige eines Bevmes. **) Langengewebe, ***) Die blischenfSnnigen Endignngen der Bronchien, f) Dnrehtritt durch die prlformierten Wandungen, tt) WeiÜM Blutkörperchen.

HMdhDch te BnßtOB, Bd. Vm. ^ 21

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322 FÜLLER,

der (}efilße und Bronchien, den gröberen Sepien, dem sabpleoralen Ge- webe, in diesem in zahlreichen Flecken an'*. Der Chemiker Dncher am Hötel-Dien in St Etienne fand in 2860 g Lunge 140,04 Kohle und in 1800 g Lange 85,860 g, Lanre in 220g sogar 114g. Die Kohle wurde als solche chemisch und physikalisch nach- gewiesen**.

Schliefilich werden von den schwarzen Massen die GefilBe und Al- veolen zusammengedrückt, die Sepia durchsetzt, bis die Ernährung des Gewebes aufhört, dasselbe rarefiziert wird, zu Brei zerfUlt, der dann Stecknadelknopf- bis nufigrofie Höhlen in den Lungen anfällt. An den Lungenrftndem kommt es wohl auch zu einem brandigen Zerfall, der sich durch ungemein übelriechenden Auswurf verrät. Diese Zerstörong in den Lungen wird fast nur bei alten Bergleuten beobachtet. Ohne Zweifel übt aber (Gesteins-, auch Kohlenstaub einen Beiz auf das Lungengewebe aus, so chemisch indififerent jener sonst auch ist Die sogenannte schieferige Induration, bindegewebig entartete, mit Büß durch- setzte Stellen, Lungennarben entstehen durch peri- und intralobui&re Pneumonien.

Die Krankheitserscheinungen der Koblenlunge treten erst sehr spät auf und zwar dann, wenn durch VerOdung größerer Lungengebiete die AtmungsflAche verkleinert ist und durch Ausschal- tung eines Teiles des blutfiührenden Kanalnetzes Stauungen im rechten Herzen gesetzt sind.

Die älteren Autoren haben die Krankheitssjrmptome nach den ana- tomischen Veränderungen, welche das Eindringen des Staubes in die Atmungsorgane bewirkt, in verschiedenen Stadien behandelt. Diese gehen aber so sehr in einander über, die Erscheinungen wachsen stetig mit der größeren Anfällung der Lungen mit Staub, so daß eine Sonderung der Krankheitserscheinungen nach einzelnen Stadien nicht berechtigt er- scheint Vergleiche näheres bei Brockmann ^*, welcher 4 Krankheits- stadien aufstellt

Auch die französischen Autoren nehmen 4 Krankheitsphasen an: 1^ Vorbereitende Phase (Eindringen des Staubes in die Bronchien)..

2) Difhse Anthrakose.

3) Höherer Grad der Anthrakose (Knötchenbildung).

4) Die Zeichen der Ulceration, des Zerfalles*'^.

Die Krankheit kann jahrelang, ein Jahrzehnt und länger bestehen^ ehe dieselbe sich durch Beschwerden oder durch erkennbare Verände- rungen bemerkbar macht

Der öfters wiederkehrende Bronohialkatarrh, der gelinde Husten,, wird auf die Durchfeuchtung der Kleider und die Erkältungen durch Temperaturwechsel bezogen. Auch die grauschwärzlichen Sputa können, als Zeichen der Pneumonokoniose nicht gelten, werfen Aoch besonders des Morgens die meisten Menschen derartig geftrbte Massen aus, die sie durch den Lampenruß und den Ofenstaub Tags vorher eingeatmet haben. Die Bergleute, welche in großen Massen diesen Staub in ihre Lunge auf- nehmen, werden gerade unter gesunden Verhältnissen dank der Epithel- wirkung der Bronchien und dem durch die Fremdkörper gesetzten Husten- reiz denselben eliminieren. Die Orau- und Schwarzftrbung der Sputa.

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter. 323

könnte erst dann als Symptom der Eohlenlnnge gelten, wenn der Kranke wochenlang die Ghrabe nicht mehr befahren hätte. Da die physikalische XTntersnchnng in den meisten Fällen einen An&chlali nicht ergiebt, ist die Krankheit nnr daraus sn schließen, daß der Träger sich durch seine Arbeiten der Einatmung von Kohlenstaub häufig und längere Zeit aussetzte.

Emphysem*) als Folge der Kohlenlunge.

Im späteren Fortschritt der Kohleninvasion treten die Zeichen des Emphysems und der Erweiterung und konsekutiven Vergrößerung des rechten Herzens auf. Durch die Verkleinerung der Atmungsfläche werden die noch funktionierenden Alveolen zur vikariierenden höheren Leistung gebläht, und wird diese Blähung durch rückwärts wirkende Hustenstöße erhöht, die Ernährung der Wände der feineren Bronchien und der Lungenbläschen leidet durch Zusammendrücken und Verkleinerung des Lumens der Kapillaren, die Bronchialendigungen büßen an Elastizität ein und können der Exspiration nicht mehr mit Kraft vorstehen ; es bilden sich unter dem vermehrten Druck der forcierten Einatmung und ge- hemmten Ausatmung Broncliialektasien **) aus. Die Verödung größerer Gefilßgebiete versetzt die Lungenarterie unter höheren Druck, welcher die i^eiterung der rechten Herzhöhle und die Mehrarbeit des dieselbe umgebenden Muskels, seine Hypertrophie herbeiführt. Wenn diese nicht mehr zur Ausgleichung des Ihruckes auf die Wände der Herzhöhle aus- reicht, so entsteht Atemnot, Blaufärbung des Gesichts, Stauung in den XTnterleibsorganen. Bei noch weiter fortschreitendem Leiden, bei welchem merkwürdigerweise, wenn die Kranken schon längere Zeit nicht mehr im Büß gearbeitet haben, ein geftrbter Auswurf häufig nicht beobachtet wird, tritt die Venösität des Blutes durch den mangelhaften Oasaustausch in den Vordergrund. Die Kranken werden schwarzblau im (Besicht und leiden unter dem höchsten Luftmangel; Hydrothorax '^^ Hydroperi- toneum***) Hydroperikardium'*'^), Oedeme*^^) bezeichnen das nihe 'Ende.

Das Emphysem hat aber nicht immer seine Ursache in der In- filtration einzeber Lungenteile durch Staub, es ist vielmehr der Berg- mann diesen Leiden auch aus anderen Gründen ausgesetzt, und kuin deshalb die Anthrakose, schon ehe dieselbe selbst äie genannten Ver- änderungen herbeigeführt hat, das Emphysem komplizieren.

Das Hauptsymptom bleibt im vorgerückten Stadium die Kohlen- säureanhäufung im Blute.

Bei der Sektion werden diePleurenf) meistens in ihrer ganzen Ausdehnung, wenigstens in größeren Flächen verwachsen vorgefunden; durch dieselben schimmern in den leichten Fällen schwarze Flecken in geringer Anzahl, welche sich im weiteren Verlauf der Krankheit ver- mehren, so daß die ganze Oberfläche der Lunge schwarzblau erscheint. Aber auch in den Pleuren selbst finden sich schwarze Kömchen, welche durch das GtoftLhl als harte Knötchen festzustellen sind, ja die Kostal-

*) Krankhafte AofblähoDg der LoDgen. **) Erweitenuigmi der Bronehien«

***) WaaMransammliuigen in der Brusthöhle, im Henbeatol, im Banehraiun. f) Pleura: Brustfell, welches die Langen flhenieht

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324 FÜLLER,

plenra ist zeitweilig von diesen überall dofchsetzt und erscheint schwarz gesprenkelt. Daselbst wird die Kohle in disseminiert stehenden Zotten gefanden, welche sich unter dem Mikroskop nach A. Boettcher** als sklerotische Bindegewebsbalken erweisen, die sich netzartig ver- zweigen und stellenweise von schwarzen Kömchen dicht durchsetzt sind. Die Zotten stammen von der Pulmonalpleura und haben sich von den Lungen her schwarz infiltriert, später sich abgelöst.

In den Lungen sind schwarze, runde, seltener ovale kleine Kömchen entweder isoliert oder in Haufen angeordnet, auch wohl streifenförmig, bald auf der Oberfläche, bald im Luiem des im übrigen gesunden GFe^ webes ausgestreut. Dieselben sind auf der Schnittfläche erhaben und fahlen sich hart an. Bei größerer Verbreitung nehmen diese schwarz verfärbten Stellen die Größe von Nüssen und Aepfeln an, schließlich sind ganze Lungenlappen verflürbt, und nur die Oberfläche behält einen bläu- lichen Schimmer, einzelne hellere Streifen und Flecken als Ausdruck der Blutgefäß- und Luftröhrenverzweigungen heben sich auf der schwarzen Schnittfläche ab. Durch das verschiedene Timbre der Verfilrbung und dieser einzelnen hellen Flecken und Streifen gewinnt die Schnittfläche ein marmoriertes Aussehen, üeber das Messer fließt eine dünne, sepia- farbene, schaumige Flüssigkeit. In dem Lungengewebe finden sich, durch Lobulärpneumonien entstanden, einzelne harte, ausgedehnte Stellen und Schwielen. Besonders in den Spitzen werden diese angetroffen, und da- durch, daß dieses Bindegewebe mit Stein- oder Kohlenstaub infiltriert ist, erhält man beim Durchschneiden den Eindruck, als führe man mit dem Messer durch Sand. An der Oberfläche der Lungen sind einzelne Stellen narbig eingezogen. Durch die Schrumpfung wird eine große Menge Staub auf einen kleinen Eaum dicht zusammengediängt*^, und es entsteht so die schieferige Induration. Schließlich wird die ganze Lunge eine pechschwarze, glänzende Masse, deren Gewebe schlaff ist, und aus welcher diese tintenfarbige Flüssigkeit in großer Menge bei Einschnitten sich entleert. In diesem fortgeschrittenen Stadium macht die Lunge den Eindruck der melanotischen Entartung, und wird dieser Eindru^ er- höht, wenn Leber und Milz dieselbe Verfärbung und gleiche Eigen- schaften aufweisen. Nach eingetretenem Zerfall findet man Höhlen von Kirsch- bis WaUnußgröße, von welchen die Lungen oft gänzlich durch- setzt sind. Aus ihnen kann man mit dem Messerrücken einen schiefw- grauen bis schwarzen schmierigen Brei herausdrücken, welcher auch wohl aus seiner durchschnittenen Einhüllung von selbst herausfallt. An den Lungenrändem ist durch Gungrän zu Ghrunde gegangenes (Gewebe mehrfach gefunden. Dasselbe macht sich durch seinen aashafben Geruch bemerkbar. Die Bronchialdrüsen sind aschgrau bis schwarz geflürbt. Die feinere Verteilung des Staubes, des Eußes ist schon bei der Be- schreibung des Weges, den derselbe in die Lungen einschlägt^ gekenn- zeichnet. Die stärkeren Bindegewebszüge, die Adventitialscheiden der Ge- fäße und der Bronchien, die gröberen Septa, das subpleurale Gewebe sind der schließliche Ablagemngsort des Kohlenstaubes. Aber auch unregel- mäßig im Parenchym zerstreut wird der Büß in verschiedener Menge angetroffen. In den Bronchialljmphknoten siedelt er sich in den Mark- strängen an, während er die Ljmphräume firei läßt.

unter dem Mikroskop treten diese Verhältnisse deutlich her- vor. In nebenstehenden Abbildungen, von denen Fig. 26 ^28 aus Lungen jüngerer, Fig. 29 31 aus denen älterer Bergleute entnommen ist, bietet

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Hygiene der Berg- und Tnimelarbeiter. 325

Fig. 26 ein Uebersichtsbild. In diesem ist der Ruß in zarter Anordnung überall im Lnngengewebe verteilt, ohne größere Haufen zu bilden.

In Fig. 27 tritt die Ablagerung der Kohle längs eines Bronchus deutlich hervor, während in Fig. 28 Kohlenpartikelchen in den Alveolen selbst und in ihrer Wand angesammelt sind.

Dieselben Verhältnisse sollen die drei nächsten Bilder bei älteren Bergleuten veranschaulichen. No. 29 bringt als Uebersichtsbild die Kohle in gröberen und größeren Flecken in den Septen und in dunkelschwarz verftrbten Haufen zur Anschauung, während Fig. 30 die Umgebung eines Ge&ßes mit diesen schwarzen Hußmassen darstellt.

Fig. S6. Schnitt durch die KohlenlaDge ebes jflDgeren Bergmanns. Ueber- siehtsbild. Zcifs, Syst. A, Proj. Ocal. S, Cam. 460 mm Länge.

Fig. S7. Kohlenlange eines Jfingeren Bergmanns. Kohlepartikelchen längs des Bronchol abgelagert. Zeifs, System Sg, Proj. Oc t (ausgesogen), Camera auf 150 mm.

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ä26 FÜLLER,

Fig. S8. AblAg«niiig tod Kohl« in der AlTeolarwand. Zeifs, System C, Oc. S, Oem. 460 mm.

Fig. S9. Kohlenlange eines Eiteren Bergmanns. Uebersichtibild. Zeifs, Sjst. A, Oe. S, Giun. 450 mm.

In No. 31 befindet sich Kohle in größeren Körnern in den Alveolen nnd in Massen um ein Ge&ß herum.

Die Bronchialschleimhaut wird injiziert und bei alten Fällen, be- sonders in melanotisch entarteten Lungen schwarz infiltriert angetroffen. Das Herz ist welk und fettreich, das Blut schwärzlich verflUrbt, die Blut- körper haben eingefallene Bänder, selbst schwache Einkerbungen, es fehlt

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 327

Flg.<380. Aofl dtr Kohlenlang« eines ftlteren Bergmanns. Bnfs in der Umgebnng eines GeOfses. ZeiTs, Syst A, Oe. S, Gem. 460 mm.

Fig. 81. Ans der Longe eines ftlteren Bergmanns. Kohle in den Alreolen nnd nm des Genre abgelagert. Zeifa, S/st C, Oo. S, Cam, 460 nmi.

die Delle. Auch Milz und Leber sind im höchsten Grade der Krankheit melanotisch, erstere weich, am meisten pigmentiert, letztere atrophisch ^ '. Der Streit darüber, ob die Schwarzfärbung von durch die Atmungsorgane eingeführtem Kohlenstaub herrühre, oder ob dieselbe transformiertem Blutfarbstoff ihre Entstehung verdanke, erregte noch vor nicht zu langer Zeit die Gemüter. Während Virchow behauptete, niemals in Lungen von Steinkohlenarbeitem Steinkohlen- patükelchen gefunden zu haben, ebensowenig wie Sandkörner bei Sand- steinarbeitem, und Brockmann wegen des hohen Stick8to%ehaltes in schwarzgefilrbten Lungen annahm, daB der Kohlenstoff im Körper ge- bildet sei, was vorher schon Barnel und Breshet, Andral aus- gesprochen haben, treten besonders Pearson, Thompson, Laennec, Marshai, Billiet, Tardieu, Riembault, Cruveilhier, Ghevreul dafiLr ein, daß die Anthrakose von Kohlenteilchen, die durch

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328 FÜLLER,

die Atmimgswege eingef&Iirt werden, verursacht werde. Die Frage wurde entschiedeD, als Traube in dem Auswurf eines Kranken vege- tabilische ^ohle nachwies, welche identisch mit der Kohlenart seines Arbeitsplatfises war. In den Sputis und in den schwarzen Kömchen der Kohlenlunge, welche bei der Sektion festgestellt wurde, wurden mit Sicherheit; verkohlte Holzzellenteile (von Pinus silvestris) erkannt, wie die sogenannten Tüpfelzellen in den spießförmigen und unregelmäßig' ge- stalteten schwarzen und bräunlichen Stücken erwiesen '^. Auch A. Boettcher gelang der mikroskopische Nachweis der Holzart, aus welcher die vegetabilische Kohle aus der Lunge einer 58-jährigen Bäuerin stamnte. Durch Tierversuch wurde von Charcot, Riembault^ Levin, Bosenthal, Slowjanski, v.Ims, Buppert, J. Arnold^ Knauff in Heidelberg Kohlenlunge erzeugt Nach monatelangem Auf- enthalt in einem Elasten, der mit rußhaltiger Luft angefüllt war, wurde bei den Lisassen fleckige, verästelte Zeichnung des Lungengewebes^ meistens dem Verlauf der Lymphgefäße folgend, mit schwarzen Kömchen gefüllte Zellen, schwarze Bronchialdrüsen vorgefunden, während alle anderen Organe frei von Schwarz&rbung waren.

Damit und durch die vorher erwähnte Untersuchung, nach welcher Kohle in Lungen von Bergarbeitern in bedeutenden Gewichtsmengen aufgefunden und als solche chemisch festgestellt war, ist der Streit zu gunsten der vegetabilischen Kohle entschieden. Es wird kaum noch jemand daran zweifeln, daß die Anthrakose der Bergleute durch eine Ansammlung von Kuß in den Lungen, durch den in großen Mengen eingeatmeten Kohlenstaub verursacht wird.

Weshalb auch befällt gerade Kohlenarbeiter diese Krankheit in so bedeutender Zahl ? Daß eine wirkliche Melanose die Anthrakose kompli- zieren oder daß erstere in letztere übergehen kann, läßt sich vermuten beim Betrachten der Fälle, in welchen die Lunge eine gleichmäßige pechschwarze Farbe angenommen hat, ihr Gewebe weich ist, aus der- selben eine dünnflüssige, tintenartige Flüssigkeit sich ausdrücken läßt^ andere Organe dieselben Erscheinungen bieten. Diese Verhältnisse bieten so sehr das Bild der marantischen Melanämie, daß in dem Bewußtsein, daß das Eisen des Hämoglobins sich fester und lockerer in verschiedenen Graden mit der Kohlensäure verbindet ^ ^ und daß die im Blute anthra- kotischer Bergleute im höchsten Maße angehäufte Kohlensäure durch behinderten Gtisaustausch einen Rückgang in der Ernährung der Gewebe und der Zellen bedingt, die Annahme einer Melanose als Kompli- kation und Folgekrankheit der Anthrakose nicht ungerecht- fertigt erscheint.

2. Idiopathisches Emphysem.

Nicht nur durch Kohlenlunge entsteht Emphysem, sondern, wie überhaupt Arbeiter, welche Staubeinatmungen ausgesetzt sind, also Bäcker, Müller, an Emphysem leiden, erkranken Bergleute vielfach an diesem Leiden, weil neben dem Staube die sauerstoffarme und kohlen- säurereiche feuchte Luft, die sie in gezwungener Körperstellung ein- atmen, die Verengerung des Brustkorbes, die Behinderung der Zwerch- fellbewegung, das Heben schwerer Lasten, Schieben von Wagen, Er- kältungen und in ihrem Gefolge Katarrhe, mehr als in anderen Ständen zur Entstehung der Krankheit Veranlassung giebt.

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter. 329

Frflher wurden besonders die Leiterfahrten, der Wechsel des baro- metrischen Druckes als Ursache des Emphysems beschuldigt. Nach- dem jedoch die Mannschaften in den meisten Betrieben maschinell in die Grube und zu Tage gefördert werden und man gefunden hat, daß die verschiedene Schwere der Luftsäule einen erbeblichen Einfluß auf den Organismus nicht ausübt, können diese Ursachen nicht mehr voll zur Geltung kommen.

Seit mann behauptet, die Hälfte aller Bergleute litte an Emphysem, und wenn man nach Kuborn annimmt, daß erst nach zehnjähriger Arbeitsdauer gewöhnlich die Engbrüstigkeit auftritt, und man hiernach die Erkrankungszahlen berechnet, mag diese Behauptung sich früher nicht weit von den thatsächlichen Verhältnissen entfernt haben. Der- selbe Autor fand unter den Bergleuten des Plauenschen Grundes 37,7 Proz. Emphysematiker.

In England erlagen nach Ealenberg von 100 gestorbenen Gruben- arbeitern 58 den Affektionen der Brustorgane und 47 dem spezifischen (min er 's) Asthma. Nach Hirt erkrankten von den Kohlenarbeitem Oberscblesiens 14892 unter 39879 Untersuchten, und von diesen 6553 = 44 Proz. an chronischem Bronchialkatarrh und 394 2,6 Proz. an Emphysem. Nach Schlockow kamen in Oberschlesien 1,47 Proz. und im Eschweiler Knappschaftsbezirk 7,47 Proz. an Emphysem in Behand- lung. Nach Eacine erkrankten 1,8 Proz. an Emphysem und 2,27 Proz. an Bronchialkatarrh. Derselbe fand bei der Untersuchung von 746 Mann, welche wegen anderer Erkrankungen und Verletzungen in Behandlung kamen, 197 Emphysematiker, d. h. 26,4 Proz. Schlockow giebt in Bücksicht auf das bearbeitete Material an, daß

TOD SalinaDArbeitam 2,46 Pros.

Steinkohlenarbaitora 1,47

Braunkohleiiarbeitoni 0,49

KAlkst«iiuurbeiUrD 0,0 8

an Emphysem erkrankten.

Sondernde Betrachtungen lassen sich an diese Zahlenreihe gar nicht anknüpfen, besonders bei der auffallenden Erhöhung der Erkrankungs- ziffer um 7,47 Proz. im Eschweiler Knappschaftsverein. Die Häufigkeit der Katarrhe als Ursache der Sj:ttnkheit scheint das Maßgebende zu sein. In dieser Beziehung sind Salinenarbeiter freilich am meisten bevorzugt. Eine sehr interessante Zusammenstellung hat Seltmann^^ veröffentlicht, aus welcher trotz der kleinen Zahlen hervorgeht, daß der Mangel an Sauer- stoff und die üeberftQlung der Atmungsluft mit Kohlensäure einen sehr groBen Einfluß auf die Erkrankungszahl abgiebt:

Es haben aiusehlieHinch in gnten Wettern gearbeitet 239

daTon emphysematisoh I9 ■* 7f9 Pros.

Es haben selten and knrse Zeit in schweren Wettern gearbeitet 410

dayon emphysematisch 154 0*37,0

Es haben anhaltend in schweren Wettern gearbeitet 293

dayon emphysematisch 183 «^ 62,1

Bei all diesen Zahlen ist zu bedenken, daß an Emphysem nur Leute erkranken, welche längere Zeit in der Grube gearbeitet haben, imd daß besonders die älteren Leute von dieser Krankheit ergriffen sind. Deshalb sind auch die kleineren Zahlen, wie 64 auf 1000 unter

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330 FÜLLER,

Tabelle XIV S. 320, welche immerhin an 294630 Beobachtongs&llen be- rechnet sind, mit dieser Einschränkung zu erwägen. Mit der Ab- nahme der Bespirationskrankheiten haben die Erkrankungen an Emphysem eben&lls abgenommen, wie aus Tabelle XIY in Anbetracht der stetig zunehmenden Belegschaft ersichtlich ist

In den Lehrbüchern wird die Entstehung des Lungen- emphysems gewöhnlich hergeleitet von inspiratorischen, von exspira- torischen Einflüssen und von Gewebsveränderungen. Bei Bergleuten ist das Emphysem ebenfalls die Folge dieser drei Ursachen, zumeist aller drei zusammen. Die Verlegung der Bronchien durch Schleim, durch die Schwellung der Schleimhaut bei Katarrh oder durch Fremdkörper ver- hindert die Entfaltung der so betrofifenen Lungenteile bei der Inspiration und bewirkt eine ausgleichende größere Entfaltung deijenigen Bronchial- endigungen, deren z^ührende Aeste frei sind, da der Hohlraum der Brusthöhle durch die Lungen ausgef&llt werden muH, ein luftleerer Raum in derselben nicht entstehen kann. Durch die Behinderung der Exspi- ration, welche dem zusammengedrückten Thorax nur in geringem Gbade möglich ist, wird immer neue Luft in die Alveolen hineingepreßt, ohne daß die Eeserveluft entweichen kann, es wird bei jeder Atmung ein neuer Teil der Luft zurückgehalten, so daß die Alveolarwände an Masti- zit&t einbüßen, dünner werden, zerreißen und schließlich mehrere Lungen- bläschen zu größeren Lungenblasen zusammenfließen.

Ebenso betreffen die exspiratorischen Einflüsse den Bergmann vor- nehmlich. Beim Heben schwerer Lasten, beim Schieben von Wagen in gebückter Stellung, bei den häufigen und heftigen Hustenstößen durch den trockenen chronischen Katarrh wird der Brustkorb, während die Glottis verengt ist, zusammengedrückt. Aus den unteren Lun^en- lappen (Merkel) wird die Luft stoßweise herausgepreßt, kann mcht völug zum Austritt gelangen und strömt unter Drude in den oberen Bronchus zurück, um von diesem aus die Alveolen zu blähen. Daher wird das Emphysem in sehr vielen Fällen in den oberen Lungenlappen angetroffen.

Die pathologischen Gewebsveränderungen treffen den Bergmann früher als andere Gewerbetreibende. Sein Blut beeinträchtigt durch den venösen Charakter die Ernährung im allgemeinen^ insonderheit der Lungen. Die Atrophie der elastischen Fasern, die fettige Metamorphose der Alveolarwände, die Starrheit des Brustkorbes beginnt bei ihm ver- hältnismäßig frühzeitig.

Die Symptome des Lungenemphysems gehen in denen der chronischen Bronchitis auf. Neben Wohlbefinden im Sommer und bei guter Witterung werden die Slranken im Winter und bei Nord- und Nordostwind von quälendem Husten und Atemnot belästigt. Die pw- manent inspiratorisdie Stellung des Thorax, die starre Dilatation des- selben, die sogenannte Tonnenform, der Tiefstand des Zwerchfells und die epigastiische Pulsation, welche, da das Herz dem Zwerchfell auf- liegt, eine Folge desselben ist, die Verengerung der Literkostalräume und die ünbeweglichkeit derselben, die verlängerte Exspiration charakterisieren den Emphysematiker dem Beobachter auf den ersten Blick. Physikalisch ist auÜer der tieferen Perkussionsgrenze der Lungen, der Verldeinerung bis zum völligen Schwinden der Herzdämpfung und außer dem durch die

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter. 331

Ansknltation verlängerten Ezspirinm und verschärftem, in höherem Sta- dium sehr leisem Atmen mit Katarrh der feineren Bronchien nichts der Krankheit Eigentümliches festzustellen. Die bei den Symptomen der Kohlenlunge erwähnten Einflüsse auf das rechte Herz treten hier in der- selben Weise hervor. Neben dem Zugrundegehen ganzer Kapillargebiete wird die Blutbewegung durch die gestörte Atmung beeinträchtigt. Hört die durch Hypertrophie des Herzmuskels herbeigeführte Kompensation auf^ so tritt auch hier das Schlußbild der venösen Stauung in der auf- steigenden und absteigenden Vena cava in den Vordergrund. Blaufärbung der Schleimhäute des Gesichts, Kopfschmerzen und Schwindel (nervöser Schwindel der Bergleute nach Kuborn?), Stauung in den Unterleibs- organen, besonders der Pfortader, mit Verdauungsbeschwerden in ihrem Gefolge und schließlich allgemeine Wassersucht richten den Körper zu (Grunde. Leute, welche 30 Jahre und länger in der Gbrube gearbeitet haben, werden selten ohne Folgen des Emphysems angetrofifen.

Beide Arten von Emphysem, das interstitielle und das vesikuläre, bilden sich bei Bergleuten aus. In derLeiche werden die Spitzen und Eänder der Lunge, besonders die oberen Lappen, als am meisten bevorzugt emphysematisch gefunden. Auf der Ober- fläche unter der Pleura in einzelnen Teilen oder in den ganzen Lungen am meisten verbreitet, nach der Tiefe abnehmend sind die Alveolar- und Lifundibularektasien schon mit bloßem Auge sichtbar und erreichen die Chröße von einem halben bis einem Centimeter. Die konsekutive Dila- tation und Hypertrophie des rechten Herzens infolge von Untergang größerer Kapillargebiete fehlt bei der Autopsie gewöhnlich nicht.

Das Emphysem der Bergleute ist in den allermeisten Fällen Folge der Staubinhalation, vornehmlich der Kohlen* lunge, und kombinieren sich deshalb nicht nur die Erscheinungen beider Krankheiten, sondern auch der Leichenbefund zeigt die Veränderungen der Pnenmonokoniose und des Emphysems neben einander.

8. Talierkulose.

Die Tuberculosis wurde als eine unter den Bergleuten seltene Krankheit betrachtet. Besonders war diese Ansicht in Belgien und Frsmkreidi vertreten, ja man hielt die Kohlenbergleute für immun. So Valot, D^marquette, Hervier und Barella, Sallez, Riem- bault , Fossion, Hanot, Fran^ois und Knborn*^. In Deutsch- land glaubten Eulenberg, Hirt, Merkel die gleiche Erfahrung gemacht zu haben, Brockmann bei den Bergleuten des Harzes, Schirmer bei denen Schlesiens, Seitmann in Sachsen. Letzterer sah bei 1200 Bergleuten 6 mal «> 0,05 Proz., Fahre bei einer Belegschaft von 1500 Arbeitern während 6 Jahren nur 3 Proz. Phtisiker, Moll in Oberschlesien 0,9 Proz. Schwindsüchtige, Hirt berechnete unter den Kohlenbergleuten im allgemeinen 1,3 Aoz. Schwindsucbtsfälle, Horsey (Ho d ritsch) giebt den Prozentsatz 1,82 Proz. von sämtlichen Er- faraokungsfiülen, 6 e d d r i s dasselbe Verhältnis für Amerika an. Wil- son rechnet für England sogar 37 tuberkidös Erkrankte unter 100 erkrankten Bergleuten aus. Zur Begründung des seltenen Vorkommens der Schwindsucht unter den Bergleuten führt Gallez den gewohn- heitsmäßigen Alkoholgenuß an, Boäns nimmt an, die feuchte, laue Luft in den Bergwerken wirke dem Entstehen der Tuberkulose ent-

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332 FÜLLER,

gegen, auch spräche der Bergmann wenig. Vernoi s schreibt der Kohle selbst antitnberkulöse Eigenschaften zu, und ein anderer französischer Schriftsteller vergleicht das Orubenklima, die feuchte Luft von ziemlich hoher, gleichmäßiger Temperatur zwischen 20 und 25^ R mit den Ver- hältnissen der Winterstationen Cannes, Algier, Nizza, Neapel und findet hierin den Grund der Immunität der KoUenarbeiter gegen die Tuber- kulose.

In Deutschland sterben im allgemeinen jährlich von 1000 Menschen 3,17 an Lungenschwindsucht (1892), und von 100 Toten fielen im Jahre 1882 13,39 und im Jahre 1892 12,79 in Deutschland dieser Krankheit zu. Nach Soyka liefert die Tuberkulose nur 8 Proz. aller Todes&lle (siehe *, ^^, **). Während unter der überwiegend landwirt- schaftlichen Bevölkerung des Ostens Deutschlands 2,4 auf 1000 an Schwindsucht starben, steigt dieses Verhältnis bei der zum großen Teil in der Industrie arbeitenden Bevölkerung des Westens auf 3,98 : 1000«<»». Im Vergleiche hiermit stellt sich die Sterblichkeit der Bergleute an Tuberkulose nach Schlockow bedeutend gün- stiger.

Es starben an Lungenschwindsucht Bergleute:

TOD 1869—1876 in Oberichlesien i>lO*/«o

y, im Saarbrliclitf Bevier 3,o ,, 1875—1876 Bochomer 1,8

Es Starben an Lungenschwindsucht oder allgemeiner Tuberkulose:

in d«r Krapp'schen Fabrik in dan Jahren 1872—1874 5,1 */«o

TOD der Zinlihütte la Borbeck a,s ,,

an der rheinischen Eifleobahn 1878 1876 2,5 ,,

Tom Zngpertonal 3,3 »»

Ton den Pflhrern nnd Heisem der österreicUechen Sftdbahn 4,1 ^

Den günstigen Ergebnissen der Sterbezahlen entsprechen die Er- krankungszahlen durchaus.

An Lungenschwindsucht erkrankten, nach 7 aufeinanderfolgenden Jahren bis 1875 berechnet,

im oberscbleaiscben KnappecbaftsTerein 2,0 */^q

im Saarbrttcker BeTier 6,0 n

Steinkoblenberglente des Bschweiler KnappschaftsTcreiDS 30,9

Arbeiter der Salinen Schönebeek*D{lrreDberg-Artem 8,t ,,

Nach einer Statistik von Lent*^ erkrankten von 1873—1875

TOn Eieenbahnbeamten 3,6 '/«^

Tom Zogpersonal 4,6 1,

an der Ssterreichischen Sfldbahn im Jahre 1876 8,t

Tom Zogpersonal 7,3

In den letzten Jahren fallen diese Berechnungen fQr die Mitglieder des oberschlesischen und Saarbrücker Knappschaftsvereins noch günstiger aus. In den Jahren 1888—1892 erkrankten an allgemeiner Tuber- kulose und Lungenschwindsucht

Ton 57676 Mitgliedern 104 = O,i80 Prot. 1888

M 60298 ICD ■<= 0,166 1889

66520 143 •• 0,S14 1880

726 ,, 193 ■= 0.«69 1891

M 7' 594 ^1 246 "=» 0.S48 1898

Ton 327814 Mitgliedern 785 «> I,i7t Pros. 1888—99

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter. 333

Nach Tabelle XIV (S. 320) wurden von 294630 Mitgliedern des Saarbrücker Enappscbaftsvereins bis zum Jahre 1887 in 12 Jahren 1642, d. h. 0,55 Proz. an Tuberkulose erkrankt in den Diarien der Knappschaftsftrzte geführt.

Diese Zahlen schwanken in den einzelnen bergbautreibenden Geben- den so bedeutend, daß sich fruchtbringende Betrachtungen an ddeselben nicht anschließen können. So viel steht aber fest, daß, wenn die enormen Zahlen des Eschweiler Knappschaftsvereines ausgeschlossen werden, die Sterbe- and Erkrankungszmer fQr Bergleute im allgemeinen und im Ver^eich mit Arbeitern anderer Industriezweige nicht ungünstig aus&llt. Wenn der Westen gegenüber dem Osten den Vergleich nicht aushält, so muß der Grund dann gesucht werden, daß viele Industrie- zweige außerhalb des Bergbaues durch den vegetabilischen, ätzenden Staub und durch Entkräftung infolge ihrer Arbeit der Schwindsucht vielfache Angriffspunkte liefern. Die Berechnungen können auch des- halb nicht als völlig genau gelten, weil sicher unter der Firma Schwind- sucht viele Todes- und Erkrankungsfälle an allen möglichen entkräften- den Lungenkrankheiten geführt werden.

Frei von Tuberkulose sind die Bergleute ent- schieden nicht, wie belgische Schriftsteller lange behauptet haben. Die ulcerativen *) Prozesse bei der Stein- und Kohlenstaublunge müssen aber aus der Berechnung ausgeschaltet und nur diejenigen Fälle in Zukunft gebucht werden, in welchen der Tuberkelbacillus gefunden wurde.

Ob die Kohle in den Lungen eine desinfizierende Kraft gegen den Erreger der Tuberkulose entfaltet, oder ob die Kohlensäureanhäufung im Blute der Tuberkulose einen feindlichen Damm setzt, darüber ein sicheres urteil zu fUlen, wird bis heute wohl niemand wagen. Warum sollte aber nicht nach Analogie der Besserung und Heilung tuberkulöser Pro- zesse an den Extremitäten durch ümschnürung nach Bier und der da- durch verursachten venösen Blutstauung der venöse Charakter des Blutes in den Lungen der Bergleute der Ansiedelung und Verbreitung der TuberkelbaciUen entgegenstehen? Nach vielen Beobachtungen treten bei alten Bergleuten tuberkulöse Lungenprozesse seltener auf als bei jüngeren. Diese Beobachtung wäre leicht in Verbindung zu bringen mit dem größeren Kohlen- und Kohlensäurereichtum der Lunge und ihres Blutes gegenüber dem der jüngeren Bergleute, deren Lungen noch ver- hältnismäßig frei von diesen Noxen sind. Im Knappschaftslazarett zu Neunkirchen bei Saarbrücken standen von 74 Bergleuten, bei welchen TuberkelbaciUen gefunden wurden,

la im Alter nntor 80 Jahren 33 »f ▼on 80 bis 80 Jfthran 14 »» »» »> 80 40 9, la 40 ,, 60

a », ,. ßO 60

I ». V 60 70

Sind diese Zahlen auch außerordentlich klein, so spricht der An- blick derselben doch so auffällig fftr die fragliche Annahme, daß es sioh lohnte, durch fernere Zusammenstellungen derselben näher zu treten.

*) ole«rfttiTe sa getehwflrige.

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334 FÜLLER,

Der XTnterBcliied zwisohen Ulcerationen in den BergmannBlnngen mit Tuberkulose ist so auffUlig, dafl auch ohne mikroskopische ünter- suchong eine Verwechselong beider Affektionen kaum mögUch ist.

Den Bergleuten mit Kohlenlunge fehlt die heredit&re tuberkulöse Belastung, der Bacillus Kochii wird nicht gefunden, die Lungen- schwindsucht beginnt gewöhnlich in jüngeren Lebensjahren, das hektische Fieber mit Abendezacerbationen, die Kehlkopfkatarrhe und Geschwüre, die profusen Schweifte, die Diarrhöen, die jähe Abmagerung werden nickt beobachtet, währesd die lange bestehende Dyspnoö, d^e schwarzen Sputa, der langsame Verlauf, der Beginn der Slnmkheit zwischen 40 und 60 Jahren, die längere Arbeitsdauer in der Grube auf die Diagnose der Kohlenlunge hinleitet. Während bei der Lungentuberkulose sehr häufig und frühzeitig eine Blutung eintritt, tritt eine solche bei der Kohlen- lunge höchst selten auf. Wenn beide Prozesse nebeneinander bestehen sollten, wäre die Feststellung dieser Kombination freilich schwierig.

4. Pleiirttts und Pneumonie.

Durch die häufige Durchfeuchtong der Kleider, durch Erkältung und dadurch, daß bei der Anthracosis der Kohlenstaub bis zu den Plenren vordringt und sich in diesen ablagert, kommen durch den Reiz desselben auf die Pleura pulmonalis Brustfellentzündung^, be- sonders trockene Pleuritiden bei Bergleuten verhältnismäßig oft vor. Nach Racine befallen 6,6 Proz. sämtlicher Erkrankungen das Brust- feU, und 1,5 Proz. der aktiven Mitglieder erkrankten nach ihm an Pleuritis«».

Die akuten Krankheiten der Brustorgane fanden Ku- born und Boäns-Boissean bei Bergarbeitern seltener als bei anderen Arbeiterklassen, besonders als bei Erd- arbeitern, und begründen sie die Seltenheit der Pneumonien durch die desinfizierende Kraft der Kohle und durch die Blutzusammensetzung und die Atmungsluft der Grubenarbeiter. Lungenentzündungen treten aber in einzelnen Bergmannskolonien, besonders solchen, welche auf freien Bergeshöhen liegen, bei Nordostwinden in nicht geringerer An- ziüü unter den Bergleuten als unter der übrigen Bevölkerung auf. Die kroupöse Pneumonie verläuft in der Kohlenlunge unter den ver- änderten Dichtigkeitsverhältnissen des Gewebes und der Verschieden- heit des Blutgehaltes einzelner Gefäßgebiete in sehr vielen Fällen nicht typisch. Dieselbe geht oft von einem Lappen zum anderen über, ergreift einzebe anatomisch nicht abgegrenzte Lungenteile nach einander. Von der Lungenentzündung der Bergleute sagt Kuborn*^: „Elle präsente souvent quelque chose de la disfi^mination qui s'observe chez les enfants, envaUssant successivement des points difi^rents, des portions non contiguäs de 1' organe^^ '^).

Ist auch die Kohle für die tierischen Gewebe ein indifferenter Körper, und wirkt dieselbe nur durch Raumbeschränkung und als fremder Körper zur chronischen Entzündung reizend, so ist dieselbe doch, wenn sie in großer Menge das Lungengewebe verdrängt oder seine Thätigkeit beeinträchtigt, wenn sie Veränderungen des Herzou»

*) „Die Laogenentaftndiing dtr BergleaU tritt hlafig gans wie die Lnngenentiftndiuig der Kinder diasemiiiiert auf. Sie rerbreitet doh allmihlieh Aber die Lunge und ergieilt einielne Teile derselben, welche dnroh gesundet Gewebe getrennt bleiben."

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Hygiene der Berg- imd Tonnelarbeiter. 33&

herbeigeführt hat, ein sehr mißhcher Genosse bei allen Atmungskrank- heiten. Da nun die Eohlenlunge mit fortschreitendem Alter in immer schwereren Formen auftritt, kompliziert dieselbe die im Alter auf* tretenden Krankheiten der Bergleute in sehr verderblicher Weise. Hierin ist fast allein die Ursache der vorzeitigen Arbeitsunfthigkeit und der mit dem Alter über 45 Jahren gegenüber anderen Arbiter- Uassen sich aufbllig steigernden Sterblichkeitszahlen der Bergleute zu suchen.

5. Kheumatisiiiiis.

Bei der häufigen Durchfeuchtung der Kleider und dem oft schnellen Temperaturwechsd, der Abkühlung der Haut, denen der Körper mit diesen nassen Bedachungen ausgesetzt wird, bei der schweren körper- lidien Arbeit in fortdauernd derselben Körperhaltung, bei der Be- hinderung des Schweißaustritts und dadurdi der Ausscheidung dea Harnstoffes sind Rheumatismen und Entzündungen der serösen Häute der Gelenke im Bergmannsstande in überwiegender Zahl beobachtet Auf die Herzkrankheiten der Bergleute ist Rheumatismus nicht ohne Einfluß. So giebt Moll im Beridit über die Arbeiter Oberschlesiena von 1862—1867 an, daß 29 von 1000 Arbeitern rheumatisch erkrankten, undHorsey ä Hodritsch zählt auf lOOinnereKrankheiten ll,7Rheu- matismen**. Nach Schlockow verteilte sich der Rheumatismus unter die einzelnen Knäppschaftsvereine und Bergarbeiter verschiedener Klassen auf 100 Mitglieder pro Jahr so :

Obenehlasifeliw KnappMhaftsTereln 4,78

Kitasthaler KnAppsehiUltTarein 26,56

SAÜDeoArbeiter 20,4 t

Brmnnkohlenarboiter i6,85

Am wenigsten hatten die Rüdersdorfer ELalksteinarbeiter unter dieser Krankheit zu leiden , und zwar sind diese mit 9,27 Proz. und die Steinkohlenbergleute ausschließlich des oberschlesischen Knappschafts- vereins mit 7,7 Proz. der Belegschaft jährlich im Durchschnitt ver- treten. Die hohe Erknmkungs^er im Klausthaler Knappschaftsver- ein dürfte teils in dem rauhen, einem schnellen und häufigen Wechsel unterliegenden Klima des Harzes, teils darin ihren Grund finden, daß> die ISn- und Aus&hrt der Bergleute auf der Fahrkunst bis zu 800 m tiefen Schächten */« Stunden und länger dauert und hierbei reichliche Gelegenheit zu Erkältungen gegeben ist

Unter den deutschen Postbeamten erkranken nur 5,2 5,9 Proz., beim preußischen Militär 5,9—6,5 Proz., bei dem deutschen Eisenbahn- persomü aber 9,0 Proz., beim Fahrpersonal 11,9, beim Lokomotivpersonal 21,2 Proz. an Rheumatismus.

Nach der Tabelle XIV (S. 320) erkranken im Saarbrücker Knapp- schaftsverein durchschnittlich im Js^re 7,98 Proz. sämtlicher Mitglieder an Rheumatismus und 0.422 Proz. an Gelenkrheumatismus. (Siehe TabeUe XV S. 336.)

Nach Tabelle XV erkrankten im oberschlesischen Knappschaftsver- ein in 4 aufeinander folgenden Jahren (1888 1891) 5998 Bergleute an^ Rheumatismus und 517 an Gelenkrheumatismus, das sind 2,45 Proz. und 0,211 l?roz. der Belegsdiaft und 12,79 und 1,1 Proz. sämtlicher Erkrfl^ungen. Diese Angaben stehen insofern auf unsicherer Basis, als mit Rheumatismus jede nicht näher bestimmte schmerzhafte Krank-

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336

FÜLLER,

TabeUe XV.

ObarsehlesischerKnappiieliaftsTereiD.

1

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0.65

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517 1

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46891

Mittel

3.45

13.79

0,311

..X 1

0,098

o,&i

heit bezeichnet wird, und alle di^enigen, welche sich anter dem blofien Verwände der Erkrankung der Arbeit entziehen, hierher gehörend re- gistriert werden. Der Unterschied des Prozentsatzes der in Ober- schlesien und im Saarbecken erkrankten Bergleute mag wohl daher, zum Teil wenigstens. Kommen, daß dort fast alle Kranken in den Lazaretten behandelt werden, während im Saarbecken der grOßte Teil der erkrankten Bergleute der Revierbehandlung anheimfiUlt Bekannt- lich wird in den Krankenanstalten aus leicht begreiflichen Gründen die Diagnose „Rheumatismus'' sehr eingeschränkt.

6. Krankheiten der Yerdanongsorgane.

Daß der Bergmann eine außergewöhnliche Gelegenheit hat, von Krankheiten der Verdauungsorgane heimgesucht zu werden, ist nicht nur Folge der allgemeinen chronischen Kohlensäurevergiftungen auch chronische SchwefelwasserstofFvergiftungen sollen vorkommen und der schon erwähnten Blutstauungen in der Unterleibshöhle, bei Veränder- ungen des Herzens, besonders im Pfortadersystem, sondern auch die unregelmäßige, oft unzweckmäßige Nahrung, welche seine Arbeitszeit und seine Familienverhältnisse mit sich bringen, muß als Ursache be- schuldigt werden.

An Säuferdyskrasie leidende Bergleute werden nicht zahl- reicher als dem Alkohol verfallene Arbeiter anderer Beru&arten ange- troffen. In den preußischen Knappschaften befinden sich unter 10 000 Berg- leuten ungefähr 4 chronische Säufer.

7. Yergiftongen.

In den Qnecksilbergruben erkranken die Arbeiter durch den Zinnoberstaub, mit dem sie bedeckt sind und welchen sie einatmen, je nach der Dauer ihrer Beschäftigung leicht oder schwer. Von Reizungs- zuständen der Haut, auch am behiurten Kopfe, Blepharitiden *), von leichten, lokalisiert bleibenden Entzündung^ des Zahnfleisches und granulösen Rachenkatarrhen bis zum schwersten Mercurialmarasmus **) steigern sich die Folgen der Einatmung des Quecksilberstanbes und der Quecksilberdämpfe. Diese letzteren führen die schweren Erkrankungen herbei. Die Erdmassen sind gewöhnlich mit Wasser durchtränkt, und

^

EntsOndiuig d«r AngenUder.

Marasmof : iafierfte Schwicbuog des Körpers.

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter. 337

dadurch wird die Verdonstung des Hg behindert In den Sommer- monaten aber vermehrt sich dieselbe bedeutend und wird bei den schlechten und matten Wettern in diesen Gruben sehr gefährlich, so daß in Krain die Gruben- und Hüttenarbeiter in der wärmeren Jalures- zeit ihre Arbeit sistieren und sich der Limdarbeit zuwenden ^^. In gleicher Weise schwächen die Quecksilberbergleute in Peru durch Ab- wechselung mit Landarbeit die Mercurialeinwirkung ab.

Brände, welche durch schlagende Wetter entstehen, entfesseln den Quecksilberdampf in großen Massen. So wurden in Idria 1863 von der ganzen 1300 Mann starken Knappschaft 900 zeitlebens an den Folgen der Vergiftung durch Grubenbrand krank und blieben durch Muskel- zittem arbeitsunfähig, 400 wurden wiederhergestellt, erhielten aber niemals ihre alte Kraft wieder. Nach Telloge^^ können Bergleute in Quecksilbergruben kaum 3 Monate arbeiten, nach Etmüller ge- nügen oft 4 Monate, um Zittern, krampfhafte Erscheinungen an den Extremitäten, Schwindel, metallische Lähmungen herbeizuführen. In den Gruben von Fräjus kann kein Bergmann sich über 6 Stunden hintereinander aufhalten. Nach Tozzius wurden die Bergleute neben dem Wackeln und Ausfallen der Zähne häufig von Asthenie *) befallen. Wie sehr der Wechsel der Arbeit in den Quecksilbergruben mit einer Beschäftigung außerhalb derselben, wie sehr die Beinigung des Körpers den fortschreitenden Mercurialismus eindämmt, geht aus der Beobachtung von Bernard de Jussieu in den Minen von Almaden hervor, nach welcher die freien Bergleute, welche die Grube nach Willkür verlassen können, um frische Luft einzuatmen, und welche reinlich sind, nur an leichten Affektionen der Haut und der Schleimhäute erkranken, während die Sklaven, welche die Grube kaum verlassen und unreinlich sind, ver- kommen und an Speichelfluß, Aphthen **), Anschwellung der Parotiden***), Pusteln, Skorbut, Zittern, sehr schneU an Mercurialismus zu gründe gehen. Merat beschreibt das Leiden ungefähr so: Oft schnell, oft langsam entwickelt sich die Krankheit; der Arbeiter wird in den Armen weniger sicher, sie zittern. Wird bei Beginn dieser Erscheinungen die Arbeit unterbrochen, so ist das Leiden gehoben. Anderenfalls ver- schlimmert sich das Zittern, es wird derart krampfhaft, daß jede Arbeit unmöglich wird. Hierzu gesellt sich ein gelber, bräunlicher Teint, ein ebenso müder, als erregter Gesichtsausdruck, oft auch sehr schwere Abmagerung. Schließlich treten Störungen der Atmungs- und Ver- dauungsorfl^ane auf. Die Heilung des Zittems bedarf auch nach früh- zeitigem Verlassen der Arbeit einiger Monate, die Affektion wird dann aber selten lebensgeMrlich.

In Blei- und Silbererzgruben kommt es sehr selten zu schwereren Formen der Bleiintoxik&tion. Die Bergleute leiden wohl an Bleisaum des Zahnfleisches, hier und da an Leibschmerzen, selten an wirklichen Koliken, noch seltener an Lähmungen.

Da der Bleistaub es ist, welcher an den Kleidern und an der Haut, den Haaren, unter den Nägeln haftet, welcher durch die Einatmung und mit den Fingern an den Mund und damit dem Verdauungskanal zugeführt wird, sind genaue Vorschriften für die Arbeiter not- wendig, um schwerere Bleierkrankungen zu verhüten. Die Bleiberger

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Ein« bestiiDiiite Form der KSrperscbwicbe. Schwimmchexi : eise Erkranknog der MnndhSble. «**) Parotis: die ObrspeicbeldrÜM.

Handbuch der Hyftone. Bd. VUI. ., ^^

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338 FÜLLER,

Bergwerksgesellschaft Union hatte binnen 10 Jahren durch sanitäre Reformen die Erkrankungen an Bleikolik von 65^4 Proz. auf 22,41 Pnus. ihrer Arbeiterzahl herabgedrückt. Die Vorschnften beziehen sich auf ausreichende Badeeinrichtungen in vom Bleibetrieb getrennten Ankleide- und Waschräumen, auch Kleideraufbewahrungs- räumen. Den Unternehmern waren wöchentliche ärztliche Sprech- stunden zur Feststellung der beginnenden Bleieinwirkung auf den KOrp^ vorgeschrieben. Den Arbeitern der Grube war aufs strengste verboten, in der Strecke Speisen oder Getränke zu sich zu nehmen, sie waren zu häufiger Reinigung des Mundes, des Gesichts, der Hände, des ganzen Eörpars, der Kleider, der Utensilien gezwungen, und den Arbeitern der Aufbereitungsanstalt war ein langer, vollständig geschlossener Rock anbe- fohlen. Dieselben mußten bei einzelnen sehr staubigen Verrichtungen Respiratoren tragen, vor dem Betreten des Speiseraumes den Arbeits- anzug ablegen, sehr eingehend die Nägel reinigen; sie erhielten Ge- tränk mit Schwefelsäure, das Rauchen war verboten, und einmal in der Woche mußten sie baden ^^. (Vergl. auch den Abschnitt von Säger über die Hüttenarbeiter.)

Kupferarbeiter leiden nicht durch das Metall selbst, sondern durch die Oxydierung desselben im Darmkanal. Zumeist entwickelt sich das Leiden langsam, bei den Bergleuten weniger als bei den Ar- beitern, die das Metall aufbereiten. Leute, welche länger im Kupfer- staube leben, bieten ein eigenttlmliches Aussehen. Der Teint, die Augen, die Zunge haben einen Schimmer ins Grüne. Auch die Haare, der Auswurf, der Urin, die Exkremente nehmen diese Farbe an. Die £nt- wickelung der Kupferarbeiter wird aufgehalten, die Kräfte nehmen vor- zeitig ab, sie bleiben klein, mager, verkrüppelt, leiden an Koliken mit Durchfällen. Mit dem 50. Lebensjahre sind diese Arbeiter vöUig ver- braucht^«.

In den Schwefelgruben leiden die Arbeiter, wie in allen Erz- gruben, am meisten durch den Staub. Im besonderen treten bei den italienischen Bergleuten in großer Anzahl (nach Picconveri) Augen- entzündungen auf. Daß in Italien die Leute, welche Schwefelerze graben, in großer Anzahl den allgemeinen Erkrankxmgen der Bergleute unter- liegen, ist die Folge davon, daß Knaben (manuali) schon mit 8 bis 10 Jahren die Grubenarbeit beginnen und die Erze aus erheblicher Tiefe auf den Schultern zu Tage fördern^ ^.

Nach Haertling und Hesse tritt in den Kobaltgruben zu Schneeberg in Sachsen eine Lymphosarkomatose'*'), Entartung der retro- bronchialen Drüsen (Gohnheim) auf, welche nach einigen Monaten zum Tode führt; Brustschmerz, asthmatische Beschwerden, Bluthusten, Abmagerung, Wassersucht, bis faustgroße GeschwtUste in den Brust- höhlen, oft Verkleinerung der Lunge durch Schrumpfung auf der er- krankten Seite kennzeichnen die Aflfektion. Von 1869—1877 starben nach Seh lockow^ von 650 Mann durchschnittlicher Belegschaft dieser Gruben 150. Die 5—6 Proz. Kobalt, 2—3 Proz. Nickel und 15-20 Proz. Arsen haltenden Erze oder vielmehr deren Staub bringen die Krankheit meist erst nach 20-jähriger Arbeit zur Entwickelung.

Die Förderung arsenhaltiger Erze veranlaßt Hautausschläge am Rumpfe, an den Ellenbogenbeugen, auf der behaarten Haut und zwischen den Fingern, welche in der Regel papulös sind und bei guter Reinlichkeit leicht schwinden.

*) Bösartige Entartung der Lymphdrüsen.

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 339

Die Arbeiter in Salzbergwerken befinden sich nach den Erfahrungen, welche P. Mueller^^ als Knappschaftsarzt in den Salz- bergwerken Staßfart- Leopoldshall machte, im allgemeinen unter gün- stigeren sanitären Verhältnissen als Bergleute anderer Gruben. Durch Einwirkung des Salzstaubes entstehen besonders Entzündungen der Bindehäute, der Schleimhaut der Nase, sowie ekzematöse Hautausschläge. Die Unfidle kommen weniger durch schlagende Wetter als durch Herein- brechen Yon großen Salzstücken aus dem Hangenden und durch Zer- brechen größerer Schalen beim Verladen yor.

8. Gefahren der komprinilerteii Luft

In einzelnen Bergwerken werden Arbeiten in abgeschlossenen Räumen, welche mit komprimierter Luft angefüllt sind, ausgeführt Beim Eintritt in diese Räume ^^ wird die Luft anfangs in die Lungen zurückgedrängt, später findet eine Verdichtung derselben statt, unter welcher natürlich auch die Nebenhöhlen der Nase und die Paukenhöhle leiden. Es entsteht Ohrensausen, Klingen, Abstumpfung, später Verschärfung des Gehörs, Spannung und heftige Schmerzen io der Supraorbital- und Frontalgegend; die Lungenbläschen werden ge- bläht, und wird infolgedessen anfangs die Atmung beschleunigt, sehr bald aber verlangsamt und schließlich erleichtert. Nach Folsey werden die Schleimhäute des Rachens und der Nase plattgedrückt und dadurch ihre Höhlen erweitert. Ebenso ergeht es den zarten Muskeln der Lippen, den Rändern des Gaumensegels und den Nasenflügeln, sodaß die Thätigkeit dieser Teile aufhört Manchen Arbeitern ist es in komprimierter Luft nicht möglich, zu sprechen oder zu pfeifen. Geschmacks- und Geruchsempfindung schwindet, die Haut verliert die Feinheit des Tastgefühls. Bald vermehrt sich die Hautsekretion, die Muskelbewegungen werden leichter, die Arbeit geht ohne Ermüdung, und ohne daß die Leute außer Atem kommen, von statten. Der be- scÜeunigte Verdauungsprozeß im Organismus bedingt HungergefQhL Die Erscheinungen treten um so schneller und heftiger auf^ je größer der Unterschied der Luftspannung bei Uebergang aus der gewöhnlichen Luft in die Kammern ist und je schneller derselbe erfolgt Die Un- annehmlichkeiten werden noch erhöht durch Verschlechterung der Luft, weldie durch die bei erhöhter Muskelarbeit gesteigerte Ausatmung der Kohlensäure, durch den Lampenruß, der suspendiert bleibt, durch die auf 30 bis 40^ G erhöhte Temperatur bei mangelnder Ventilation er- zeugt wird. Im Augenblicke des Austretens aus den Arbeitsräumen entweicht die Luft mit deutlich vernehmbarem Pfeifen und Glucksen aus den Gehörgängen, in den verschiedenen Höhlen tritt einen Augen- blick Luftleere ein. Gewissermaßen unter Saugkraft strömt Blut und Gewebsflüssigkeit nach der Oberfläche des Körpers und nach den Schleimhäuten. Daher treten Kongestionen in den einzelnen Organen auf. Unerträgliche Ohrenschmerzen, manchmal Taubheit, Nasenbluten, Anginen, Blutspeien, Apoplexien*), Hyperämie**) von Leber und Milz werden beobachtet Ein hellrotes, sauerstoffireiches Blut stürzt plötz- lich zu den Nervencentren. Auf der Haut entsteht ein Gefühl von Hitze und unerträgliches Jucken mit reichlicher Schweißsekretion, was

*) SchUganOUle. **) Antchoppnog.

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ZU fortwährendem Kratzen herausfordert. In den Muskehi, welche be- sonders bei der Arbeit beteiligt waren, macht sich das GefiUil der höchsten Erschöpfung bemerkbar. Der Sauerstoffreiditum des arteriellen Blutes steht nach PaulBertim geraden Verhältnis zum Atmosphären- druck, während der Kohlensäuregehalt des Blutes durch den Lufdruck nicht beeinflußt wird. Der Stickstoff ist im Blute gelöst und steigt mit der Druckzunahme nach dem Dal ton 'sehen Gesetze („Das Gas- absorptionsvermögen einer Flüssigkeit steht im direkten Verhältnis zum Druck, unter welchem sich dieselbe befindet, im umgekehrten zu ihrer Temperatur''). Das Zuströmen der atmosphärischen Luft in die Kammern, wenn dieselben verlassen werden, erzeugt aber eine so be- trächtliche Abkühlung, daß die Feuchtigkeit in denselben zum Nebel kondensiert wird. Der Stickstoff entweicht beim Aufhören des Luft- druckes plötzlich, lud kommen wirkliche Luftembolien zustande. Die Luftbläschen bleiben in den Kapillaren stecken und veranlassen Muskelanschwellungen, das angegebene Hautjucken u. s. w. Nach Re- sorption des Gases verlieren sich diese Erscheinungen. Gefährlicher wird dieser Vorgang für die weichen Massen des Gehirns und Bücken- marks, in welchem Erweichungsherde gebildet werden; ja, plötzlicher Tod trat ein. Nach längerem Arbeiten in komprimierter Luft bilden sich durch die sich täglich wiederholenden Umwälzungen im Körper Ernährungsstörungen, Schwäche, Abmagerung, fahle Gesicht8fart)e, Anämie, Verdauunssträgheit aus. Zur Abschwächung der Schädlich- keiten wird empfohlen, nur kräftige, nüchterne Leute, solche, die eine schwere Kost vertragen, von nicht über 40 Jahren zu dieser Arbeit zuzulassen. Am besten soll dieselbe zwischen dem 16. und 26. Jahre ertragen werden. Die Leute sollen während der nur 5—6 Stunden dauernden Arbeit bei 6— 8 stündiger Kühe leichte, bequeme, w^en der Abkühlung bei Austritt aus den Arbeitsräumen warme, wollene Kleidung anlegen, und soll denselben warmes Getränk, als Grog, gereicht werden. Beim Eintritt von Krämpfen wird man zur Entlastung der hyperämischen Organe, um eine regere Girkulation des Blutes herzustellen, kalte Be- gießungen mit Einwickelungen abwechselnd vornehmen. Diese Proze- duren haben sich bewährt Nach Angabe der meisten Beobachter wird bei dringenden Fällen das Zurückbringen der Kranken in den Cylinder als das wirksamste Heilmittel empfohlen. Aus diesem müßten sie stufenweise mit großer Vorsicht unter langsam zu mäßigendem Luft- druck in die gewöhnliche Atmosphäre gebracht werden ^^. In dieser Weise die Cylinder zu verlassen, ist überhaupt ratsam, und müssen für die Herabstimmung des Luftdruckes ungefähr 12 Minuten pro Atmosphäre aufgewendet werden '^

9. Augenerkranknngen.

Augenerkrankungen kommen bei Bergleuten durch Ver- letzungen, Verbrennungen, Einsprengung von Fremdkörpern, wie Ge- steinsstücken und Pulverkömem, sowie durch Anstrengung bei mangel- hafter Beleuchtung, durch den Staub nicht selten vor. In der Provinz Lüttich kamen in den Jahren 1832—1838 106 Erblindungen durch Verletzung in den Steinkohlengruben vor, davon 60 bei Anwendung des Schießpulvers beim Sprengen (A. Vischer ^^); Verletzungen haben in etwa 25—30 Proz. Arbeitsunfähigkeit von verschiedener Dauer, d. h. ein Viertel bis ein Drittel aller Erkrankungen, welche Ünterbr^ung

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter. 341

der Arbeitsfähigkeit herbeiführen, zur Folge. Am häufigsten wird die Hornhaut betroffen, deren Verletzung oft zur Geschwürsbildung führt und als Ulcus serpens"*") das Auge sehr gefährdet. Die bleibenden Narben setzen als centrale Trübungen das Sehvermögen und damit die Arbeitsfähigkeit in diesen Fällen herab. Durch Sdüeßverletzuiig beim Sprengen werden beide Augen bedroht, und wird durch dieselben das Augenlicht in einigen Fällen beiderseits, nicht selten auf einem Auge yemichtet Verletzungen der Basis cranii **) führen direkt und indirekt zur Erblindung. Es entstehen Muskellähmungen mit störenden Stellungs- yeränderungen des Augapfels, Neryenlähmungen, besonders des Seh- nerven, durch Brüche, welche das Foramen opticum '*'*'*') durchsetzen und die Sehnerven quetschen oder gar abreißen.

Der Nystagmus ist eine reine Bergmannskrankheit und von angeborenem Nystagmus, welcher sich stets auf alle Blickrichtungen er- streckt, verschieden. Man versteht unter Nystagmus, der unter den Bergleuten des Saarbeckens durch „Rol laugen^' nicht unzutreffend verdeutscht wird, das Auftreten rotierender und oscillierender Be- wegungen des Augapfels, welche Scheinbewegungen der Umgebung, SchwindelgefÜhl veranlassen können, Arbeitsunfähigkeit in einzelnen Fällen herbeiführen. Angetroffen wird die Krankheit fast ausschließlich bei Häuern und wird bei diesen durch die eigenttbnliche gezwungene Eörperstellung im Liegen und Bücken bei dauernd nach oben ge- richteten Augen^ im Halbdunkel gezeitigt. In den leichteren Fällen tritt diese schwingende und drehende Bewegung des Augapfels nur bei starker Erhebung der Augen und bei mangelhafter Beleuchtung auf. Durch die Sicherbeitslampen , die an sich geringe Leuchtkraft haben und während der Arbeit durch Niederschlag des Rußes und Staubes auf den Glascylinder noch mehr verdunkelt werden, die einen zitternd sich hin- und herbewegenden Schatten der seitlichen Stützstangen werfen, wird die Krankheit entschieden begünstigt Daher ist Nystagmus in den Gruben, in welchen mit offenen Lichtem gearbeitet werden kann, seltener. Mit der Verschlechterung der Beleuchtung steigen die Er- krankungszahlen des Leidens. In den schwersten Fällen kommt das Rollen des Augapfels auch beim Sehen nach unten, ja dauernd bei allen Blickstellungen zustande, sogar chronischer Lidkrampf und Schädelzittem tritt ein. Da bei Annahme einer oberen Blickstellung eine bedeutende Steigerung des krankhaften Zittems eintritt, so gehen die Kranken mit erhobenem Kopfe einher, um dadurch die Erhebung des Augapfels zu vermindern. Gleichwohl werden bei Bergleuten aus- geprägte Formen von Nystagmus beobachtet, die keinerlei Sehstörung verursachen , weil eine Anpassung des Trägers an den Zustand sich ausgebildet hat.

Der Nystagmus ist als ein centrales Nervenleiden infolge von Er- schöpfung anzusehen. Der Sitz der Krankheit ist in die den Be- w^ungen des Augapfels vorstehenden Rindencentrenf) zu verlegen, be- sonders in dasjenige, welches die Bewegungen des Augapfels nach oben auslöst. Ihre Entstehung muß auf die übermäßig angestrengte Be- wegung der anatomisch an sich schwachen Hebemuskeln des Augapfels

*) Kriechendes, d. h. fortsobreitendes Geschwflr. ••) Schidelgnind.

^ Oeffbnng im Schttdel für Durchtritt des Sehnenren. f) Dieselben liegen im Grofshiro,

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342 FÜLLER,

zurückgeführt werden (Dransart)^^. Diese Bewegung wird für sich im allgemeiiien selten anhaltend in Anspruch genommen, sodaß die über- mäßig angespannte Innervation in einer physiologisch weniger b^utzten Nervenbahn nicht mehr in gleichmäßig andauernder, sondern in stoß- weise verlangsamter, durch Ermüdung matter Kontraktion der Muskeln zum Ausdruck kommt. Nach den bis heute vorliegenden Statistiken sind 6 Proz. aller Bergleute von Nystagmus befallen. Gründliche Be- seitigung des Leidens kann nur durch Verlassen der Schädlich- keit, durch Versetzen der Kranken in eine Arbeit mit genügender Be- leuchtung erzielt werden. Die erkrankten Bergleute müssen, solange die Strecken nicht elektrisch beleuchtet sind, über Tage beschäftigt, in schwereren Fällen zeitweilig in den Ruhestand versetzt werden. Auch eine medikamentöse Behandlung ist empfohlen worden.

Die infektiösen Bindehautentzündungen werden durch den nahen Verkehr der Bergleute in den Gruben und SchliLfhäusem leichter verbreitet, und sind deshalb strenge Vorschriften beim Auf- treten des Trachoms in Bezug auf den Gebrauch der Waschbecken, Handtücher, die häufige Reinigung der Hände dringend geboten.

Augenerkrankungen rheumatischen Charakters sind bei Bergleuten durch die vielen schon mehrfach erwähnten Gelegen- heiten zur Hautabkühlung nicht selten, und werden besonders Hornhaut, Regenbogenhaut und Aderhaut von ihnen betroffen.

Zur Heilung aller dieser Erkrankungen, sowohl der Atmungskrank- heiten, als der metallischen Vergiftungen, nicht minder des Nystagmus ist es nötig, die Schädlichkeiten, welche dieselben verursachten, zu fliehen, d. h. die Grubenarbeit aufzugeben, ehe nicht mehr zu be- seitigende Veränderungen einzelner Organe oder des ganzen Organis- mus eingetreten sind. Medikamentöse Behandlung kann in den meisten Fällen nur den Zweck haben, einzelne Symptome zu bekämpfen, die Unannehmlichkeiten zu mildem. In wenigen Fällen wird eine Ein- wirkung auf das Leiden selbst, z. B. durch die Digitalis bei Herzkrank- heiten, durch Schwitzkuren und Jodkalium bei Quecksilbervergiftung, zu erzielen sein. In dieser Beziehung wird in der dankenswerteste Weise von den Verwaltungen besonders den staatlichen, den neuesten Erfahrungen der Technik für die Wohlfahrt der Arbeiter Rechnung getragen, und sieht man schon mehrfach die Einleitung frischen Quellwassers in die Gruben, in einzelnen hohen, ergiebig durchlüfteten Strecken elektrisches Lidit. Die Sprengmittel, deren Explosionsgase, wie die des Pulvers nicht sdten reich an Kohlenoxydgas ^^ waren, sind durch solche ersetzt, welche CO und CO, in ganz geringen Mengen entwickeln. So sollen die Spreng- gase desDahmenit, eines der neuesten Stoffe dieser Art, nur 6,4 Proz. COj und 0,3 Proz. CO enthalten **. Die weiter unten geschilderten Wohlfahrtseinrichtungen über Tage sind zur Abschwächung der Schäd- lichkeiten, welche der Bergbau mit sich bringt, nicht weniger wirksajn.

Zur Vermeidung der Erkältungskrankheiten kann aber zum Teil auch seitens der einzelnen Leute selbst manches Vorteilhafte ge- schehen. In den tieferen Strecken ist die Luft sehr warm und feucht Des- halb entledigen sich die Arbeiter nicht selten sämtlicher Kleider. Nach Fahre ^^ arbeiten Grubenarbeiter bei 20 ^ R mit Hemd und Hose, bei 25 ^ entledigen sie sich des Hemdes, bei 30 ^ wohl auch der Hosen, obwohl dies schon wegen der Einwirkung etwaiger schlagender Wetter auf die ganze Haut des .Körpers streng verboten ist. Die im Körper gebildete Wärme ^^^ verläßt denselben durch die Lungen, durch den

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 348

Verdanungstraktus bei Einführung abkühlender Speisen und Getränke, durch die Haut, welche letztere als wftrmeregulierender Apparat dient Der Wärmeverlust durch die äußere Haut gesdüeht durch Leitimg, Strahlung und Verdunstung. Die Begulationsvorgänge in der Haut müssen durch Schaffen einer höher temperierten näcl^ten Umgebung, also durch Heizen der Haut, aber auch durch Reibung und dadurch direkte Beizung der Hautnerven in Thäti^eit gesetzt und erhalten werden. Eine bekleidete Haut giebt nach einer experimentellen Unt^- snchung an dnem Arm das 1 Vs'^&che Quantum der Wärme ab von demjenigen, welches den unbekleideten Körperteil verläßt. Durch die Kleidung werden die Vasomotoren*) der Haut entiastet, es wird ihnen ein Teil ihrer Arbeit abgenommen. Wie richtig es ist, einem über- mäßigen Wärmeverlust des Körpers entgegenzuarbeiten, der unter nor- male Verhältnissen nach Helmholtz bei einem erwachsenen Menschen 2900000 Kalorien pro 24 Stunden beträgt, darauf weisen die vielen rheumatischen Erkrankungen hin, welche den Bergmann häufig nicht nur zur Arbeitsunterbrechung zwingen, sondern seiner Thätigkeit über- haupt frühzeitig ein Ende setzen. Da ein Umkleiden in den Oruben wohl nicht in der Weise zu erzielen ist, daß beim Uebergang von warmen Orten in kalten Luftzug eine wärmere Bekleidung angelegt werde, so ist nicht dringend genug für Grubenarbeiter das Tragen von grober Wolle auf bloßem Leibe während der Schicht zu empfehlen. Der englische Bergmann ^ ^ schützt sich längst in dieser Weise vor jäher Abkühlung, welcher Erfolg durch das Beiben des rauhen Stoffes auf der Haut erhöht wird. Auch durchdringt der Staub den Wollstoff nicht so leicht wie den Schirting, und verlegt jener deshalb nicht, mit dem Schweiß zu einer Schmiere verbunden, die Hautporen. Der deutsche Bergmann sollte seinem englischen Genossen in dieser Beziehung nach- eifern, wie ihm derselbe auch durch die zweckmäßigere Nahrung, größeren Fleischgenuß zum Ersatz der verlorenen Wärme als Beispiel dienen sollte.

10. AnSmle *'*') der Bergleute mid Anehylostomiasis«

Zwei Afiektionen müssen hier noch Erwähnung finden, obwohl die- selben nicht als den Bergleuten eigentümliche Gewerbekrankheiten an- gesehen werden können. Dieselben sind aber in der Litteratur so fest mit den Erkrankungen, welche der Bergbau veranlaßt, verbunden, daß ^e hier nichts wohl übergangen werden können, Anämie und Anchylo- stomiasis.

Während Kuborn^^ an die Spitze der gewerblichen Krankheiten der Bergleute die Anämie stellt imd unter 470 Kranken überhaupt 74 Fälle von Anämie zählt, giebt es nach Schön feld keine Anämie der Bergleute, und führt derselbe den Dr. Pulvermüller an, welcher das Verschwinden der Anämie schon 1844 infolge besserer Wetterführung feststellt.

Im Jahre 1856 war nach ersterem in einem Rapport k manuel de la caisse de prÄvoyance kein an Anämie Leidender behandelt. Nach

*) Die nervi Ttsomotorii beeinflussen die Weite der Blntgeflfte nnd hiermit die WXrmeabgabe.

•*) Blntarrnnt (Bleiehsneht).

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344 FÜLLER,

Fabre giebt es eine wirkliclie Anämie der Bergleute nicht. Dieselbe hält er nur för ein Symptom anderer Krankheiten^ för die Wirkung von allgemeinen Einflüssen, als chronischer Gktsvergiftungen, för die Folgen der Lebensweise xl s. w. Die Ejunkheit sei bei Bergleuten nicht h&ufiger als in anderen Ständen. Er begründet die Blässe der Hautfarbe als eine ganz anders zu deutende Erscheinung bei den Ghrubenarbeitem mit den Worten: ,,Bei der wirklichen Anämie sind zu wenig rote Blutkörper- chen vorhanden, um eine genügende Menge Sauerstoff den Geweben zu- zuführen, bei den Bergleuten zu wenig Sauerstoff, welchen die Blut- körperchen au&ehmen können" ^^. Und ohne Zweifel ist die Anämie nur eine Folgekrankheit der verschiedensten Leiden; besonders war die- selbe firüher eine Folge chronischer Kohlensäurevergiftung durch matte Wetter. Ligenieur Math et empfahl deshalb 1889 Einfahrung von komprimierter Luft in die schwer zu ventilierenden Strecken'^. Li einer „Th^se" giebt August Boux 1892 in den Schlußsätzen derselben an'*: „Heute ist die sogenannte bergmännische Anämie in der Mehrzahl der Kohlenbecken, in St. Etienne, Commentry, Gk^dssesac eine Seltenheit. Wenn sie besteht, ist sie Folge mangelhafter Ventilation. Alle anderen Ur- sachen können dieselbe nicht herbeifahren. Die Mehrzahl der in die Spitäler unter der Diagnose „Anämie^' aufgenommenen Bergleute leidet an Magenkrebs, Nephritis oder anderen Leiden, deren sekundäre Folge die Anämie ist.

In 12 Knappschaftsvereinen Preußens erkrankten in den Jahren 1868 1875 0,76 Proz., und, wenn man den Eschweiler Verein mit 4,56 Proz. ausnimmt, nur 0,37 Proz. der Mitglieder an dieser Krankheit. Nach Tabelle XIV (S. 320) kommen unter den Saarbrüdser Bergleuten jährlich 0,15 Proz. Erkrankungen an Blutarmut vor, und nach Tab. XV (S. 336) wurden in Oberschlesien in den Jahren 1888—1891 jährlich 0,098 Ptoz. der Mitglieder und 0,51 Proz. sämtlicher Erkrankungen unter der Rubrik Anämie geführt. Die blasse Gesichtsfarbe der Bergleute, welche vom Sonnenlichte selten gebräunt sind, die mangelhafte Sauer- stoffaufnahme während eines Teiles des Tages mag bei den in ihrem Gesichtsausdruck gewöhnlich ernsten, oft mürrischen Arbeitern mit etwas fahlem Teint zu der Annahme der Blutarmut mehr als be- rechtigt war Anlaß gegeben haben. Heute ist nach der angegebenen Statistik die Blutarmut als eine Bergmannskrankheit nicht mehr zu be- zeichnen, sondern dieselbe ist, wie Kuborn 1860 seine früheren Be- obachtungen korrigiert, „durch die verbesserten Löhne, Zulassung zur Arbeit in späteren als in Knabenjahren, bessere technische Einrichtung der Gruben^^ damals verringert, heute in nicht höherem Prozentsatz als bei anderen erwachsenen Leuten beobachtet.

Als aber zu Ende des vorigen Jahrhunderts die vermeintliche Berg- mannskrankheit 1786 in Schemnitz in Ungarn und 1802 in Anzin, Fresnes und Vieux-Cond6, später 1820 in den französischen Kohlenbergwerken von Avize, Escarpelle und Graissesac epidemisch auftrat, war das Schick- sal der Bergsucht, wie das Uebel auch benannt wurde, als Bergmanns- krankheit besiegelt. In Schemnitz erkrankten, wie Dr. Hoffinger an- giebt, 1200 Bergleute an dieser Epidemie und kleine Epidemien sind in Ungarn und Böhmen von Bergphysikus Dr. Schillinger in neuerer Zeit (1873) beobachtet worden. Die Epidemie von Anzin, welche viele Opfer forderte, xmd in welcher zugleich 100 Bergleute, die zusammen in

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Hygiene der Berg- and Tnnnelarbeiter. 345

derselben Strecke arbeiteten, erkrankten, wurde zuerst von Hallä, wel- cher zur Untersuchung der an^mie des mineurs d'Anziu von der medi- zinischen Fakultät zu Paris gesandt war, beschrieben. Dasselbe Thema unter Heranziehung der oben erwähnten Epidemie in französischen Gruben ist von Biembault, Fahre, Guinard, besonders eingehend von Manouvriez bearbeitet ^ * . Sämtliche Autoren, von denen sich S c h i 1 - linger auf 9 Sektionsbefunde stützt, suchen die Ursache des vermin- derten Hämoglobins (Rosenbach) in der schlechten Zusammensetzung der Grubenlidft, der Feuchtigkeit, der erhöhten Temperatur, in der Zer- setzung des Schwefelkieses und organischer Stoffe. Besonders wurde der Schwefelwasserstoff, welcher in den Gkdlerien der Grube von Anzin, sowie in den böhmischen und ungarischen Gh-uben sich durch Geruch nach faulen Eiern, ähnlich dem nach kürzlich entleerten Abtrittsgruben, kenntlich machte, als Krankheitserreger proklamiert.

Die Symptome der Krankheit waren im aUgemeinen denen der pemiciösen Anämie ähnlich. Zu Anfang machte sich dieselbe durch Magenschmerz, andauernde Kolik, mühsame Respiration, beschleunigten Puls, heftigen Herzschlag geltend. Unter Kräfteverfdl wurde der Bauch meteoristisch'*'), starke, schwarz und grünlich gefärbte Diarrhöen traten ein, auch der Urin wurde oftmals als grünlich verfärbt bezeichnet. Später hörten die Leibschmerzen auf, der Puls wurde klein und schnell, die Haut gelb, der Gang schwerfällig, Gesichtsanschwellung, besonders Oedeme um die Augen, profuse Schweiße traten auf. Es machten auch wohl diese Störungen einem gewissen Wohlbefinden Platz; jedoch nach einigen Monaten bis einem Jahre stellten sich unter Verfall der Kräfte die Anfangssymptome wieder ein: Abmagerung, Kongestionen, heftiger Kopfschmerz, verstärkte Herzaktion, Nonnengeräuscb in den Jugular- venen, Neigung zum Schlaf, Ohrensausen, Empfindlichkeit gegen Licht- nnd Schalleindruck, Atembeklemmungen ; schließlich bezeichneten Gefühl von Schwere in den Füßen, allgemeine Schwäche, Leibschmerzen^ Meteorismus, eiterige und blutige Stuhlentleerungen, allgemeines Anasarca"*^) den nahen Ausgang.

Schilling er fand in den Leichen Blutleere sämtlicher Organe, Wassersucht des Unterhautzellgewebes und freies Wasser in den serösen Höhlen, Erweiterung und Vergrößerung des Herzens.

Nachdem sich die Epidemie unter den Arbeitern des Gotthard- tunnels, in welcher viele hundert Arbeiter erkrankten, und die zahl- reiche Todesfälle zur Folge hatte, als Anchylostomiasis erwiesen hatte, lag es nahe, da die beschriebenen Symptome der an^mie des mineurs d' Anzin eine ungemeine Aehnlichkeit mit denen an den erkrankten Tunnelarbeitem erkennen ließen, die Epidemie in Anzin, in französischen und belgischen und in den ungarischen und böhmischen Kohlengruben als Folge von Anchylostoma duodenale aufzufassen. Ist doch der Schmerz zu beiden Seiten des Magens, von den Franzosen als Embarras gastri- que bezeichnet, die frühzeitig auftretenden Oedeme "*"**) des Gesichts, Meteorismus t), Schleim- und Blutabgänge, der langsame, jahrelang dauernde Verlauf der Krankheit mit Unterbrechungen, schließlich Herz- schwäche und allgemeine Wassersucht beiden Epidemien gemeinsam.

*) Durch Luft aiifgetrieb«ii. *^ Wassersucht. ♦♦•) AnschweiloDg. t) Angetriebener Leib.

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346 FÜLLER,

Fast zur Gewißheit wurde diese Annahme als Perroncito in St. Etienne an drei im Hospital daselbst wegen Anämie verpflegten Berg- leuten Anchylostomiasis feststellte. Zu dieser Untersuchung hatte ihn ein Bericht von GuidoBacelli angeregt, nach welchem die öft^sin großen Epidemien aufgetretene Anämie der Bergleute Sardiniens Folge von Einwanderung des Anchylostoma in die Eingeweide war. Später fand Perroncito mit Unterstützung des Dr. Schillin g er in den Stahlen von 4 anämischen Schemnitzer Bergleuten Anchylostomaeier vor. Leich- tenstern erklärte deshalb in einem Vortrage^ ^ : „Nicht allein die von Hoffinger gegen Ende des vorigen Jahrhunderts beobachtete An- ämieepidemie in den Bergwerken von Schemnitz in Ungarn, sondern auch die 1802 von Noäl Ha 11^ beschriebene schwere Anämie in den französischen Bergwerken von Anzin, Fresnes und Vieux-Condd, fem^ die Epidemien in den französischen Kohlenbergwerken von Avize, Escar- pelle, Graissesac sind höchst wahrscheinlich Anchylostomaepidemien.''

. Der Wurm, welcher nach Lutz an vielen Orten Brasiliens, in den Komoreninseln (nördlich von Madagaskar), in Französisch -Guajana (Gayenne), in Niederländisch-Indien (Java und Bomeo) in Japan, Indien, Abessinien, Senegambien, Ceylon, den Antillen verbreitet ist und da- selbst wegen der hohen Temperatur bei sehr primitiven Abortsv^*hält- nissen günstige Entwickelungsverhältnisse findet, wurde zuerst von Dubini 1838 in Mailand entdeckt und in den 1860er Jahren in 20 Proz. der von ihm obduzierten Leichen vorgefunden, ohne daß bei Lebzeiten Krankheitssymptome durch den Parasiten entstanden wären. Eine Epidemie der Ziegelarbeiter in Oberitalien in den Jahren 1877 bis 1879 von P. Grassi, C. und K Parona in Mailand, Boz- zolo, Luigi Concato und Perroncito in Turin, Graziadei in Florenz, Poletti und Malinvernigi zu Vercelli wurde Anchyk)- stoma als Ursache der in Italien seit alten Zeiten bekannten Anämie der Ziegelarbeiter festgestellt ist als Herd zu betrachten, von wel- chem die Verschleppung nach dem Gotthardtunnel und von da weiter nach Norden ausging. Im Tunnel selbst, zuerst auf der italienischen Seite bei Airolo, entstand ^durch die Feuchtigkeit und Wärme, Unrein- lichkeit bezüglich der Fäkalien, welche in die stagnierenden Wässer und das Trinkwasser eindrangen, durch mangelhafte Reinigung der Hände vor dem Essen eine ausgezeichnete Brutstätte für den Wurm. Von italienischen Arbeitern wurde derselbe nach Norden transportiert und in Schwyz, Zürich, Lausanne und Straßburg, von Bäum 1er in Frei- burg vorgefunden. Ebenso wurde das Vorhandensein von Anchylostoma durch Mayer in Aachen, durch Firket, Masius, Francotte und Ed. van Beneden in Lüttich bei zahlreichen Bergleuten der Kohlen- bergwerke von Mons bewiesen, wie auch in Nordfrankreich sowohl als

Lyon bei anämischen Bergleuten der Parasit gesehen worden ist

Dem einen Falle, welchen 1885 M a y e r bei einem Bergmanne der Ghube Maria zu Hönigen bei Aachen feststellte, folgten 9 von Dr. Völkers be- schriebene Fälle in der Umgebung dieser Stadt. 1886 wnrde von Dr. A 1 b e rs in Essen und im Dortmunder städtischen Hospitale von Dr. Beuckel- mann und Dr. Fischer je ein Fall beobachtet, und im Anschlufi daran die in neuester Zeit beschriebenen Erkrankungen auf den Zechen bei Mengede.

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 347

Eine größere AusdehnoDg aber gewann die Krankheit auf deutschen Ghroben nicht

Zuerst hat in Deutschland im Jahre 1882 Meuche, welcher bei Bäumler in Freiburg die Eier des Anchylostoma kennen gelernt hatte, diese in den Faeoes eines Ziegelarbeiters in der Bonner Klinik entdeckt, und einige Wochen später machte Leichtenstern die gleiche Beob- achtung, welcher viele folgten. Ihm verdanken wir fruchtbringende Untersuchnngen über Anchylostoma und die durch den Wurm verursachte Erkrankung. An Leichen von Ziegelarbeitem , die an anderen Krank- heiten, mehrfach an Pneumonie gestorben waren, fand er den Wurm im Darme, und dies gab ihm Veranlassung, das Wesen desselben und seine Verbreitung zu studieren. Es stellte sich heraus, daß in Köln in den Ziegelfeldem eine Epidemie herrschte, welche von Wallonen und fiam- ländischen Familien unterhalten wurde. Diese kommen jährlich aus den belgischen Bergwerken im Frühjahr nach Köln in die Ziegeleien und kehren im Herbst in ihre Heimat zurück. Mit seinem Wirte wandert der Eingeweidewurm hin und her und sorgt durch Eierdepots in der Gbnbe und auf den Ziegelfeldem f&r seine Unterhaltung und Verbreitung*^.

Fflr die deutschen Gruben ist die Gefahr der Einschleppung der Krankheit durchaus nicht gering anzuschlagen, da Italiener fast überall in den Bergwerken zum Sprengen von Gestein herangezogen werden und uns sehr wohl ihren Zögling zur weiteren Aufzucht absetzen können. Dain leider herrschen in den Gruben fast Unüberwindliche Schwierig- keiten, geordnete Abortsverhältnisse einzuführen. Wo in Gruben Ein- richtungen zum Beseitigen der Fäkalien getroffen sind, benutzt man Fässer, welche, um die Luft an den Arbeitspunkten nicht zu yerun- reinigen, möglichst im ausziehenden Strome aufgestellt und zur Reinigung und Desinfektion meist alle 8 Tage in Förderwagen zu Tage geschafft werden. Wegen ihrer oft großen Entfernung werden sie selten benutzt Um nicht durch den Gang dahin Zeit zu yerlieren, werden die Faeces irgendwo, in einem alten Baue, in den Wasserläufen dicht neben dem Arbeitsorte, auch in den Kohlenwagen deponiert, welche dieselben dann mit den Kohlen über Tag bringen. Durch Trinken von Grubenwasser, durch Waschen des Gesichts mit diesem, durch Verunreinigen der Hände an den mit Kot verunreinigten Kohlen und Berührung der Hände mit dem Munde wird den Würmern Eingang in den Verdauungskanal ge- schaffen. Die feuchte und warme Luft der Gruben ist sehr geeignet, die Eier von Anchylostoma auszubrüten. Daß in deutschen Gruben keine Epidemie ausbrach in vielen derselben trat nicht ein einziger Fall auf ist durch die größere Reinlichkeit in den Arbeitsstrecken zu erklären und durch die Gewohnheit der Bergleute, Grubenwasser nicht zum Trinken und zum Waschen zu benutzen, sondern als Getränk dünnen Kaffee zu ge- nießen, welchen sie in Blechflaschen in die Grube mitnehmen. Es wird auch neuerdings vielfach frisches Quellwasser in die Strecken zum Trinken und zum Reinigen eingeleitet. Aber die Bergleute haben das den Unter- suchungen über Anchylostomiasis zu verdanken, daß, falls eine Ein- schleppung und Verbreitung irgendwo stattfinden sollte, die Ursache leicht zu erkennen, und der Wurm durch sichere Abtreibungsmittel ent- fernt werden kann *•.

Anchylostoma, nicht ganz zutreffend duodenale genannt, weil seine Ansiedelung in viel größerer Anzahl in den oberen Teilen des Jejunum,

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348 FÜLLER,

viel weniger zahlreich im Dnodenmn, selten im Hagen gefunden wurde, ist ein Strongylus, zur gens Dochmius gehörig. Der längliche Hundwurm von 6 15 mm Länge und 0,3 0,8 mm Breite bewohnt den Dünndarm des Menschen. Bei Tieren ist er noch nicht beobachtet worden. Das Weibchen ist 15 mm lang, einzelne erreichen 18 mm, das Männchen wird 12 mm groß. Mit der Mundkapsel saugen die Würmer, während zwei stilettartige Chitinspitzen am Grunde derselben die Schleimhaut durch- bohren, ein Stück der Darmmucosa an und halten dieselbe wie durch Widerhaken mit den Pharynxzähnen fest. So entnehmen sie ihrem Träger Blut, mit welchem sie ihren Leib anfüllen und das sie nach Grassi fast unverändert entleeren, um von neuem immer wieder die- selbe Nahrung aufzunehmen. Der Wurm wird daher teils der Darmwand anhaftend, teils frei im Darminhalt der Leiche angetroffen. Griesinger hat den Eingeweidewurm zuerst als Hämophagen*) erkannt, unter dem Mikroskop sah Leichtenstern, wie aus dem hinteren Leibesende des Anchylostma eine rote Wolke entleert wurde, welche aus Blutkörperchen bestand. Bei Annahme von nur 500 Würmern im Darm, welcher aber mehrmals von 2 3 Tausend dieser Parasiten bewohnt war, und der Aufnahme von einem Tropfen für jedes Exemplar, würde der Mensch täglich ungefähr 20 g Blut abgeben. Da der Wurm 5 8 Jahre*', nach sicheren Beobachtungen Leichtenstern's,im Darm leben kann, ist die einschneidende Ernährungsstörung, welche der Blutsauger verur- sacht, leicht begreiflich. Nach Abfällen des Tieres läßt dasselbe Ekchy- mosen der Schleimhaut, wohl auch Entzündungen zurück. Nachblutungen sollen ebenfalls aus den Wunden festgestellt sein. Die Weibchen über- wiegen an Zahl die Männchen im Verhältnis von ungefähr 24 zu 10, und scheinen die gefräßigeren Blutsauger zu sein. Im menschlichen Darm findet die Begattung statt, und werden Eier in demselben in so großer Anzahl entleert, daß in einem einzigen Stuhle nicht selten bis 4 Millionen gezählt wurden. Die Eier haben Grassi und Perona zuerst in den Eaeces nachgewiesen. Sie entwickeln sich am besten in feuchter Wärme, sehr rasch in einer Temperatur von 25 30® C zu Larven und fijiden daher in den Tunnelbauten und in den tieferen Strecken des Bergbaues eine bevorzugte Brutstätte, gedeihen aber auch im Sommer im feuchten Lehm der Ziegelfelder ausgezeichnet. Niedrigere Temperatur verzögert ihre Entwickelung. Die künstlichen Kulturen der Eier wurden beim Sinken der Wärme unter den Gefrierpunkt und durch direkte Sonnen- strahlen getötet. Diese Larven, deren Ansammlung bei einer eng ver- einigten Arbeiterbevölkerung und unter den angegebenen notwendigen Bedingungen sich schnell erhöht und welche durch den Mund, wie vorher angedeutet, dem Verdauimgsschlauch zugeführt werden, werden in diesen, in verkalkten Cysten eingeschlossen, aufgenommen und kommen dort zur fertigen Ausbildung zum geschlechtsre^en Anchylostoma.

Um die Eier und deren Ausbildung zu Larven in den Gruben fernzuhalten, ist eine zweckmäßige Anordnung der Abortanlagen und strenge Vorschriften bezüglich des Absetzens der Faeces, des Trinkens von Grubenwasser und Wascbens mit demselben, des Reinigens der Hände dringend anzuraten. Es wäre wohl ausführbar, daß zahlreiche Bebälter, welche die Abgänge der Leute aufnehmen, aufgesteUt und oft mit dem Grubenwagen zu Tage gefördert würden.

lieber die Krankheiten der Tunnel arbe it er vergleiche auch den 5. Abschnitt

*) WdrÜioh: BlatfresMr.

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Hygiene der Berg- und Ttumelarbeiter. 349

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7) Fisrfeif. /. geruM. Med. (1891), 8. Folge, 1. Bd.

8) Serlo, Berffiaukunde,

9) Bnlenberg, Die Lehre vcn den eehOtUiehen giftigen Oeteen, Braunsehweig 1866.

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11) Areh. /. Hygiene (1884).

18) B. Gelgel, Arch. /. Hygiene 8. Bd, 318 (1884).

18) C. H. Broeknuuin, Die metaUurgiseken KraaJcheiUn dee OberhaneB, Osterode a. H.

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16) Vietor Tan den Broeok, BifiexUme nar Vhygiine dee mkneurt et dee ouvriere d^ueinea mäaOurgiquee, Mon$ 1848.

17) H. Albrecht, Kraniheäe- und Unfaü- VerMUung. Berida Ober die AuttUOung fOr UnfaUoerktttung m BerUn 1889.

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Vierteljakreeeekr. für geriehü. Med, 41. Bd. 174 (1884).

Berichl Über die allgemeine deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Bettungswesens; a) Dr. Yillaret, 5) Dr. Laaaar, e) Dr. E. Albreoht, Berlin 1888^88, herausgegeben von Dr. Paul Boemer.

81) H. Knboni, Jßtude sur les maladiet parÜeuUires aux ouvries mineurs, empUtyis aua ex- pMtations houHUrei en Belgique. Mimoüres dee eonoours et des savants ikangeri,puNiis par V acadimie royale de vUdeeme de Beigigue, 5. Bd,, BruaeeUes 1860.

88) C. Biehe, Pathologie du homüeur; Th^ pour le doctorai, Parie 1874.

88) Cohnlieim, Vorlesungen über allge$neine Pathologie (1880) 8. Bd. 818—816.

84) A. Boetteher, üeber Lungenmelanoie, 8t. Peteriburger medütiniiehe Zeitschrift (1869).

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81) Chr. Bemanet, Betrieb der Steinkohlenbergwerke; itbenetnt von 0. Leybold (1885).

88) Nach Angaben des Augenarztes Herrn Dr. Sehdnemanii m 8t. Johann, bearbeitet unter BenutMung von Brauart, Snell, Xooreii, Chr&fe, Hieden.

9S) Behondorff, Untersuchung der ausmehenden Wetterströnu m den Steinkohlengruben des Saarbeckens,

88a) C. C. Winkler, Die Gemische Untersuchung der bei verschiedenen Steinkohlengruben Sachsens ausmehenden WetterstHfme und ihre Ergebnisse, FreSberg.

84) B. Wabner, üeber die Giftigkeit der beim Sprangen Sprengpulver und Dynamit ent- stehenden Gase und den Ersate der genannten, durch neuere unschädliche, keinen Kohlen- stoff enthaltende Sprengstofe m Zeitechrift GUlckau/ 1894.

86) Miähet, htfiuenee de Fair eomprisU dans les houHUres sur les acddenU de Griten 1889.

86) A. Bonz, De Vanimie des mineurs et speeiakment des erreurs de diagnostie, qu'eHepro- duit. ThUe de la facuäi de Lyon 1898.

87) Vergleuhe: Deutsche medimnische Woihenschrift 1885, 810t 1888, 891, 849; 1186; 1898, 481.

Lvts, rolkmann*sehe Hefte, innere Medisin No. 88—98.

Stapf, Einflujk der Brdwärme auf die Twmelarbeaer , du Bois* Arch. 1877, Stgpple- meet 8. 78.

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88 V 89)

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350 FÜLLER, Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter.

40) W. Hmm, Uthmr d^ KMmuäwregtkaU aar iMft m mmm TwmObaM.

41) Bindfletsoh, Lehrhuek der paihdogitehem Oewebe.

48) Knettner, ZeiUchr, /. B4rg>-f Hatten- vnd Sainwmoeten 86. Bd.

48) Knettner, Zeitsehr. /. ^«r^, IRtttet»- und Sainumoeaen (1898) 41. 3<2.

44) Vergl, Xolefoliott, Wien, wted, Woehemdir. 1856 No. 48 ; Xolasehotf (Tiiterf. 1857 15. ~ Siehe aueh dmee Hdb, 4. Bd. 89 /*.

45) Poit-Albreoht, Mueterttätten penörU, Fünorge von ArbeUgtbem.

46) itollanäim vergL Sehloekow, Dm OeetmdheiUpfiege und medimnitehe StaÜttik beim jirtvfii- sehen Bergbou 1881.

47) Lent vergl, Bohlookow, Dit Oeemndheitepfiege und wudimamehe StatittiM beim pre^ftiachen Bergbau 1881.

48) P. XneUer, AentUeher Praitiker, 7. Jahrg, 8. 474.

ErklSrnng zu den Tabellen.

Tabelle I, II, IV, V, VI, YII, ¥IU sind ans der Zeitschrift fttr Berg-, Hfitten- und Salinenwesen entnommen oder aus den Bereehasagen in denselben susammengeatellt.

Tabelle III, IX, X, XU, XUI, XIV, XV sind ans den Jahresberiehten des ober- sehlesischen und Saarbrficker Knappschaftsvereins entnommen oder ansanmiengestellt mid berechnet.

Tabelle Xa und XI siehe LitteratnrTerBelohnis 19, m nnd IX sind aat einer Arbeit des Herrn Bergrat Mfinscher snsammengestellt ; Bereehnang der laufenden Belastung des Saarbrficker Knappschaftsvereins darch die Invalidenpension, Witwen- und Waisen- Unterstfitsnngen, sowie des rar Deckung derselben su erhebenden Beitrages. Saarbrfieken 1886.

Erkl&mng der Figaren.

Dieselben stammen von mikroskopischen Prftparaten aus dem Knappschaftslaaarett si Nennkirchen nnd sind von Herrn Dr. Dnpnis in Königsberg photographiert.

No. 26 28 stammen von der Lunge eines jOngeren Bergmannes^ No. 29 31 aus der eines filteren.

No. 26. UebersicbUbild, System A (Zeifs) ProJ.-Okular 2, Camera 460 mm Linge.

No. 27. Ablagerung der Kohle Iftngs eines Bronchus, System a,, Proj.-Ok. 2 (aus« gesogen), Camera 450 mm (Z e i f s).

No. 28. Ablagerung von Kohlepartikeln in der Alveolenwand, System C , Ok. 2, Camera 450 mm (Zeifs).

No. 29. Uebersichtsbild, System A, Ok. 2, Camera 450mm (Zeifs).

No. 80. Koblepartikel um ein GefU's, System A, Ok. 2, Camera 460 mm (Zeifs).

No. 81. Koblepaitikel in den Alveolen und um ein GefftA, System C, Oc 2, Camera 450 mm (Zeifs).

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DRITTER ABSCHNITT. (Verfasser: Dr. Füller.)

Woblfahrtselnrlclitiingeii für Bergleute.

Bei dem namentlich in früheren Zeiten sehr gefahrvollen und ge- sundheitsschädlichen Betriebe des Bergbaus war das Augenmerk der Verwaltungen und der Arbeiter seit jeher darauf gerichtet, zur Ab- schwächung der Schädigungen Wohlfahrtseinrichtungen zu treffen. So entstanden Hilfiskassen, Bergmannswohnungen u. s. w., auf welchen sich nach und nach jene imponierenden Anstalten aufbauten, welche die meisten derartigen Institute anderer Gewerbe erheblich überragen und berufen sind, die Gefahren des Grubenklimas, des Staubes, der Arbeit in gezwungenen Eörperstellungen zu mildern, die Wunden, die der Bergbau schlägt, schnell und gut zu heilen. Ueberall, wo Bergbau in größerem Maße getrieben wird, sieht man daher zweckmäßige Massenbäder, große Wohnungsanlagen, Witwen- und Waisenhäuser, Kon- sumvereine, Menagen, Schulen, Anstalten zur Erholung und Erfidschung, Knappschaftskassen und Knappschaftslazarette in würdigster Weise sich über Tage erheben und sich unaufhaltsam fortentwickeln, dem Gruben- arbeiter zum Nutzen, dem ganzen Bergbau zur Ehre.

A. BSder und Waschkauen.

In der Erkenntnis, daß die Arbeit in den Gruben die Hautthätig- keit in hohem Maße beeinträchtigt, indem der Erz- und Kohlenstaub mit den Absonderungen der Schweiß- und Talgdrüsen eine Schmiere bildet, welche den Körper gänzlich überzieht imd damit die Perspiration behindert, die Wärmeregulierung und die Abgabe von Wasser und Aus- wurfsstoffen stört, war den Bergleuten stets die Reinigung ihres Körpers ein Bedürfois, welchem sie in der eingehendsten Weise, ehe Einrich- tungen zu diesem Zwecke bestanden, in ihren Wohnungen gerecht wurden. Das Reinigen des nackten Körpers im Kreise der Familie, dem Frauen, Kinder, Mädchen gewohnheitsgemäß zuschauten, ist aber schon aus moralischen Gründen zu verwerfen. Das Streben der Grubenverwal- tungen ging deshalb immer dahin, in der Nähe der Ausfahrtsöfinungen Reinigungsgelegenheiten zu schaffen, welche den Arbeitern erlaubten, sich der nassen und verunreinigten Arbeitskleider zu entledigen und,

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352 FÜLLER,

erfrischt mit einem trockenen und im Winter warmen Anzüge, den Hdm- weg zurückzulegen.

Sogenannte Waschkauen, Räume, in welchen die Reinigung der Haut vorgenommen werden konnte , waren daiier schon frühzeitig im Gebrauch. Fanden in der ersten Entwickelung des Bergbaues in Deutsch- land die Arbeiter in denselben nichts als Waschbecken oder Fässer vor, so wuchs mit dem Bedürfois schnell die Zweckmäßigkeit dieser Ein- richtungen. Bald wurden undurchdringliche Fußböden von Cement und Asphalt oder anderem Material mit Gefälle, in Tische oder in Gestelle an den Wänden eingelassene metallene, emaillierte Becken, neuerdings mit Kippvorrichtung, geschaffen, es wurde der Ankleideraum vom Wasch- raum getrennt.

Bei der großen Anzahl der beim Schichtwechsel ausfahrenden Berglei^te konnte diese Einrichtung der Waschkauen nicht genügen; man ging deshalb, zuerst in Westfalen, zu Bassinbädern über. Dem westfälischen Bergbaubezirk gebührt entschieden der Preis, in diesem Teile der bergmännischen Hygiene bahnbrechend gewesen zu sein und heute noch an der Spitze zu marschieren. Anfangs waren diese Bäder bei den Leuten aus Furcht vor Erkältung nicht beliebt; selbst einzelne Aerzte waren der Meinung, daß die aus übermäßig warmen Strecken kommenden Bergleute ihre Epidermis durch warme Bäder allzusehr erweichten und dadurdi besonders im Winter auf dem Wege zu ihren Wohnungen häufigen Erkältungen ausgesetzt würden. Aber wie bei Errichtung der Schulbäder (siehe dieses Handbuch Bd. S. 203) die Erfahrung gemacht wurde, daß in der ersten Zeit ein gewisser Zwang zum Baden ausgeübt werden mußte und erst nach und nach Eltern und Kinder sich mit der neuen Einrichtung befreundeten, so mehrten sich die badenden Bergleute, bis die ganze Belegschaft mit den seltensten Ausnahmen diesen Erfrischungsstätten zueilte. Wannen und Bassins reichten nicht mehr aus, die Badebedürftigen zu fassen. Es war des- halb ein Ereignis von größter Wichtigkeit, als in der Hygieneaus- stellung zu Berlin das Brausebad, welches sich schon seit Ende der 1870 er Jahre seinen Platz in der Militärgesundheitspflege erobert hatte, in der von Lassar und Grove ausgeführten Form als Arbeiterbad erschien ^ Die ganze Frage der Volks-, Schid- und Arbeiterbäder trat mit der Brause in eine neue Aera. Es war die Art und Weise ge- funden, wie billig, praktisch und schnell großen Scharen von Menschen der Vorteil des Reinigungsbades gewährt werden konnte. Das Bad der Zukunft ist zweifelsohne das Brausebad. Dasselbe bedarf der geringsten Wassermenge, es erlaubt das Baden Vieler zu gleicher Zeit und doch unter Trennung der einzelnen, bietet Jedem stets reines Wasser und übt auf die Haut durch den Anprall der einzelnen Tropfen einen sehr angenehmen mechanischen Reiz aus, welcher anregend auf die Nerven- masse und auf das Gefäßnetz der Haut einwirkt

Die Gründe, weshalb nicht überall, wo Bergbau betrieben wird, diese segensreichen Anstalten sich eingebürgert haben, mögen teilweise auf finanziellem Gebiete zu suchen sein, andererseits ist aber auch das Bedürfriis der Hautreinigung in den einzelnen Bezirken sehr verschieden, je nachdem das zu fördernde Material staubfrei oder staubreich ist und die Haut gar nicht oder stark verunreinigt wird. So wird in Ober- schlesien eine allgemeine Badeeinrichtung auf den Zechen nicht ange- troffen, weil die Bearbeitung der Kohle fast gar keinen Staub verur- sacht und deshalb die Notwendigkeit der Bäder weniger dringend er-

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 363

scheint. Bei den Schftdlichkeiten, die gerade der Berffbau den Arbeitern bringt und von denen viele durch Bäder abgeschwächt werden, sollten nach E. Braun Arbeiterbäder durch die ü^etzgebung bei einer ge- wissen Anzahl von Arbeitern in einem Betriebe obligatorisch vorge- schrieben sein^.

In England sind allgemeine Wasch- und Badeeinrichtungen ffSür Bergleute nicht zu finden, und waren dieselben den Franzosen bis in die neueste Zeit unbekannt. Im Jahre 1889 war ein Bad der Gruben Mittel- und Nordfrankreichs in der Weltausstellung in Paris nicht im Katalog verzeichnet ^. Eine einzige Notiz fand sich in der Beschreibung der Gruben von Blanzy, welche im Jahre 1887 88 &Lr Unterhaltung von Arbeiterbädem 2560,10 Frcs. in Bechnung stellten 7. Seit 1892 sind auch im Nordbecken Frankreichs Brausebäder fär Bergleute ent- standen.

Nach einem Bericht von Franke' von 1893 kamen im Oberberg- amtsbezirk Dortmund auf 167 Zechen mit 232 Schächten 197 Wasch- kauen, welche sich auf 135 Zechen verteilen. In denselben wird 132450 Mann von 138440 = 95,7 Proz. Gelegenheit zum Baden ge- geben. Für die noch fehlenden Zechen sind Wasch- und Badeetablisse- ments für die nächste Zeit in Aussicht genommen. Die Kauen liegen ganz nahe an den Mundlöchern der Stollen, nur in 3 Flülen 100 m von diesen, in der Mehrzahl 32 m im Durchschnitt von der Ausfahrt ent- fernt, ein Erfordernis zur Verhütung von Erkältungen durch den jtiien Temperaturwechsel. Durch gedeckte Gänge wird dasselbe am besten erfüllt'. Von 209 Waschkauen sind 107 in besonderen Gebäuden unter- gebracht, in 92 Fällen haben noch kleinere Räume, die anderen Zwecken dienen, in denselben Aufnahme gefunden. Nur wenige haben in Ma- schinenräumen, in Wohngebäuden oder in Kellern ihren Platz.

Das Material, aus welchem die Badeanstalten erbaut sind, ist nach den einzelnen Gegenden Ziegel- oder Haustein, die allermeisten sind massive Bauten. Die Decken sind aus Holzverschalung, Well- blech, aus Dachpappe, aus glattverzinktem Eisenblech, gewölbt, mit Dachreitern versehen, auch mit Verputz ausgeführt; der Fußboden ist mit Cement, Asphalt, Steinplatten, Pflaster, Mettlacher Platten, Terrazzo, Ziegelsteinen, Holzdielen, Lattenrosten belegt. Eisenblech ist zu Decken nicht zu empfehlen, weil das an denselben kondensierte Wasser in kühlen Tropfen auf die Badenden niederfällt, während Lattenroste sehr angenehm deshalb sind, weil die Abkühlung der Füße, die vielen Menschen sehr un- angenehm ist, durch dieselben behindert wird. Auch der Trennung von Bade- und Ankleideräumen ist in einer Anzahl von Instituten Rechnung getragen, und wird danach gestrebt, diese möglichst durch- zuführen, um den Dunst der feuchten, eigentümlich säuerUch riechenden Grubenkleider zu vermeiden und das Trocknen derselben zu beglinstigen. In 139 Kauen befinden sich 365 Bassins mit durchschnittiich 1 m Wassertiefe, bei Anwesenheit der größtmöglichen Anzahl der Badenden 0,76 cbm Wasser pro Kopf; in 90 Kauen 2526 Brausen, von denen 10 kaltes Wasser, 2516 gemischtes Wasser spenden. Die Brausen sind zumeist senkrecht gestellt (2043), während in einem Winkel von 45^ schräggestellte (483) vorzuziehen sind, nicht nur, weil eine größere Körperfläche von den letzteren bespült wird, sondern weil der Anprall der Wassertropfen auf die Haut, besonders auf den Kopf weniger un-

Baadboch der Hjgla&e. Bd. VIH. . 23

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S54 fOller,

angenehm empfunden wird. Das verwandte Wasser ist gewölmfieb Flnfi- oder Brunnenwasser, selten geklärtes Grubenwasser. V^bet den Bassins werden in einzelnen Fällen Brausen angetroffen. IMe Er- wärmung des Wassers geschieht durch den auf den meisten Gruben im Ueberfluß vorhandenen Dampf, welcher entweder direkt in die Baadns mit kaltem Wasser zusammen geleitet wird, was wegen der Ver- brOhungsgefahr nicht zu empfehlen ist, oder durch DampfrOhren wird Wasser in Vorwärmebassins erhitzt und neben kaltem Wasser durch Mischhähne den Bädern zugefflhrt.

Die Schafstädt'sche Gegenstrombrause, deren Wasser durch Dampf^ welcher in einem eigenen Böhrensystem eingeschlossen ist, erwärmt wird, hat sich im Martiniwerk 11 in den Krupp' sehen Werken als sehr praktisch erwiesen.

Das Dampfrohr liegt im Hauptwasserrohr und kann das Zuströmen des Dampfes durch einen Hahn reguliert werden. Das Kondenswasser fließt aus dem tiefsten Punkte des Dampfrohrs ab. Der Vorteil der Schafstä dt' sehen Anordnung ist darin zu suohen, daß ein Bassin nicht notwendig ist, daß der Dampf, da in eigenem Röhrensystem ein- geschlossen, mit dem Badewasser nicht in Berührimg kommt Bei der Billigkeit der Anlage ist dieselbe da, wo überschüssiger Dampf voc^ banden ist, sehr zu empfehlen®.

Die Heizung der Kauen geschieht mit geringen Ausnahmen durch Dampf, entweder Kessel- oder Auspuffdampf, durch ein&che Röhren oder solche, deren Heizfläche durch sogenannte Rippen ver- größert ist Die Ventilation wird durch Saugschächte, Kamine, Lutten bewirkt In den neueren Anlagen wird der Abzug des Wasser- dampfes, welcher natürlich die Baderäume erfüllt, durch die Höhe da* Kauen und zahlreiche zum Oefihen eingerichtete Oberlichter bewerk- stelligt.

Die Beleuchtung der Baderäume geschieht bei Tage durch große, hoch angebrachte Fensterflächen, wel(£e als Kipp- oder Schiebe- fenster der Lüftung und dem Abzüge des Brahms ebenfalls dienen. Die Größe der Fenster beträgt 0,15 qm pro Kopf bei Annalime der Maximalzahl der Anwesenden, die aber fast nie erreicht wird. Die künstliche Beleuchtung erfolgt in 51 Fällen mit Petroleum, in 28 Fällen mit Gas, in 120 mit Glühlampen, in 23 mit Bogenlampen, mithin in den meisten Fällen elektrisch.

Das Aufbewahren der Kleider und das Trocknen der- selben hat vielfach Schwierigkeiten verursacht, bis man zu dem in den neuesten Anlagen fast überall durchgeführten Modus des Aufziehens unter das Dach übergegangen ist. In offenen und verschließbaren Kästen wurden die Kleider nicht trocken, der Verbreitung von Un- geziefer wurde Vorschub geleistet, und eine Raumbeschränkung wurde durch diese Behälter nodi obendrein verschuldet Das Emporziehen und Herablassen der Kleider an Seilen mit Haken über kleine Wdlen wird teilweise mit Verschluß für jeden einzelnen Mann versehen, teils ohne denselben ausgeführt Das Trocknen der Grubenanzflge wurde durch Dampfröhren, die mit durchlöcherten Blechcylindem ge- schützt waren, oder auf Lattengestellen über den Heizvorrichtungen bewirkt

Ob eine Trennung der Badenden nach Altersklassen

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter. 355

zweckmäßig ist, darüber ist eine Entscheidung noch nicht gefallen. Die Trennung ist in Westfalen entweder eine einfache, sodaß die Leute unter und über 16 Jahren, oder eine doppelte, sodaß Kinder unter 16 Jahren, Heranwachsende von 16—21 Jahren und die übrigen M&nner geschieden werden. Die erstere Art ist die verbreitetste und wird in 107, die zweite in 9 Kauen durchgeführt'.

Diese bequemen Einrichtungen zogen die Bergleute an, und im Jahre 1892 badeten im Oberbergamtsbezirk Dortmund von 132450 Berg- leuten schon täglich 110243 = 83,2 Proz. Bei Annahme der größten Zahl der Badenden stand dem Manne ein Luftraum von durchschnittlich 8,5 cbm in Kauen ohne Trennung der Ankleideräume zur Verfügung, und zwar schwankte der Luftkubus in den einzelnen Etablissements zwischen 6,3 13,3 cbm, bei Trennung des Bades vom Ankleideraum 7,8 cbm, und schwankte der Luftraum zwischen 5,9 10,6 cbm. Die freie Standfläche betrug pro Mann nach Abzug des Raumes, den die Möbel ausfüllten, 1,3 qm. Alle diese Zahlen sind zu niedrig gegriffen, weil dieselben für die größtmögliche Zahl der zu gleichiBr Zeit Baden- den berechnet sind. Dieselbe wird fast niemals erreicht. Auch werden etwaige Bedenken wegen des geringen Luftraumes in den meisten Fällen durch rege künstUche Ventilation verscheucht.

Die Zeche Tremonia bei Dortmund stellte in der Ausstellung fär ünfallyerhütung zu Berlin ein Brausebad aus, welches schon im Jahre 1887 errichtet war und in welchem im Jahre 1888 162000 Bäder an 90 Proz. der Belegschaft verabfolgt wurden.

Die Kosten des Einzelbades wurden auf 1,412 Pf. be- rechnet, und auf das Bad selbst wurde ein Zeitraum von nur 5 Minuten von den Mannschaften verwandt.

Eine kleine Waschkaue mit 3 schräggestellten Brausen und 10 in Tische eingelassenen schmiedeeisernen emaillierten Waschbecken hatte die Mansfeldiscbe Kupferschieferbmch-Gewerkschaft vorgefahrt ^.

Die in Westfalen gemachten Erfahrungen, welche sich durch un- durchdringlichen Boden, unmittelbare Nähe der Badegelegenheit an der AusfahrtsöfEnung, in 45 ^ schräggestellten Brausen, Aufziehen der EUeider, Ventilation, gute Beleuchtung als zweckmäßig erwiesen hatten, wurden bei Anlage von zwei großen Brausebädern im Saarbecken auf Grube Dudweiler und Kreuzgräben verwertet*. Eine kurze, durch die Abbildungen 32 34 erläuterte Beschreibung der groß- artigen Anlagen in Dudweiler möge hier Platz finden:

Flg. 88. Brausebad anf Ornba Dndweiler. Lingssehnitt. 6o 23*

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356 FÜLLER,

Fig. 38. Brausebad aaf Grabe Dndweiler. GrandrUli.

Fig. 8i. Bransebad auf Grabe Dndweiler. LlngMohnitt.

Das massive, mit flachem Holzcementdach gedeckte Haus, welches in direkter Verbindnng mit der Stollenausfahrt steht, birgt einen Innen- raum von 32,7 m Länge und 18,5 m Breite, d. h. 650,7 qm. Die Höhe desselben bis zum Dach beträgt 5 m; 2 hohe Doppelwände trennen den Raum drei£aoL Zwei dieser Abteilungen dienen den älteren, verheirateten, eine den jüngeren, unverheirateten Bergleuten zur Benutzung. 45 Fenster, deren oberes Drittel sich umkippen läßt, und 3 Oberlichter, bei Nacht 3 Bogenlampen zu je 4^/, Ampere spenden reichliches Licht. Die Ventilation besorgen neben den Kippfenstern 6 verschließbare Schlote aus verzinktem Eisenblech von 350 mm Weite, welche über das Dach hinausfiihren. Der 1 : 40 geneigte Fußboden ist aus Cement hergestellt. 55 schräggestellte Brausen, in zwei Doppelreihen und einer einreihigen Serie angeordnet, befinden sich je eine in einer Zelle. In der Mitte jeder Reihe von 11 Zellen befindet sich eine kalte Brause, die übrigen 10 ent- leeren Wasser im Sommer von 30** C, im Winter von 36° C. Die Zellen haben eine Bodenfläche von 1,3 m zu 1 m und werden von zwei Leuten zu gleicher Zeit zum Baden benutzt, welche sich beim Abseifen, be- sonders beim Reinigen des Rückens, gegenseitig behilflich sind. Die

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 357

Kaltwasserzelle ist etwas scbmäler, für eine Person eingerichtet. Am Boden der Zellen sind 0,5 m breite, 0,15 m tiefe Binnen im Cement gebildet, nnd an ihrem Ghmnde mit einem Ventil versehen, damit die Badenden die Füße in das warme, sich dort ansammelnde Wasser stellen und so sich vor Abkühlung derselben schützen können. Die meisten Leute machen von diesen lUnnen keinen Gebrauch, öffiien vielmehr das Ventil zum stetigen Abfluß des Wassers und Seifenschaumes und stehen breitbeinig über der Rinne.

Parallel mit jeder Zellenreihe erhebt sich eine Bretterwand von 2 m Höhe, welche von 3 Oe&ungen, die mit Segelleinen verhängt sind,, unterbrochen wird. Die Wände selbst, sowie die Zellenwände und Segel- leinen erreichen der Beinhaltung und Beaufsichtigung wegen den Fuß- boden nicht, sondern endigen 0,5 m über demselben. Durch diese Wände^ werden die Ankleideräume in der Mitte zwischen zwei Reihen von Zellen abgetrennt. In diesen stehen mehrere Bänke, und daselbst hängt für jeden Mann eine Schnur mit Haken herab, an welcher die Arbeitskleider über Rollen in die Höhe gezogen werden. An den Wänden in Brust- höhe angebrachte Stifte dienen zur Befestigung der Schnüre. Ein Schildchen über denselben trägt die Lampennummer des Arbeiters. Die an der Decke aufgehängten Elleider troclmen wegen der dort herrschen- den höheren Temperatur und wegen des regen Luftzuges schnell.

Die Heizung geschieht durdi firischen Dampf Die Rohre laufen« an den Außenwänden und in den Ankleideräumen unter den Schnur- gestellen entlang.

Zu einem Bad werden 32 1 Wasser verbraucht. Von einer unter- irdischen Belegschaft von 1900 Köpfen baden zur Zeit regelmäßig über 1200 Mann. 700 Bergleute liegen aber in Schlafhäusem, in welchen dieselben sehr bequeme Wascheinrichtungen mit Kippbecken haben, über welchen warme und kalte Wasserhähne angebracht sind. 300 Mann können sich in der Anstalt zu gleicher Zeit aufhalten. Wird für jeden derselben ein Zeitraum von 5 Minuten zum Baden, zum An- und Aus- kleiden je 5 Minuten aufgewandt, so können innerhalb einer Stunde sämtliche 1200 Mann abgebadefc haben. Die Benutzung der Bäder steigt stetig.

Die Reinigung des Bades wird von einem Wärter und von einem Jungen durch Abspritzen mit Schlauch, Scheuem und Abseifen besorgt.

Die Badeanstalten bestehen seit 1891 in Dudweiler und Kreuzgräben und haben sich vorzüglich bewährt. Sehr selten sieht man noch von diesen Gruben heimkehrende, von Kohlenruß ge- schwärzte Knappen. Vielmehr fallen die frischen, rein- lich gekleideten, in munteren Scharen einherziehenden Bergleute angenehm auf.

EinesehrpraktischeAnweisang für Benutzung der Brause- bäder ist in der Badeanstalt der mechanischen Weberei zu Linden ungefthr folgenden Wortlautes in mehreren Exemplaren angeschlagen:

1. „Bei Eintritt unter die Brause und in die Wanne darf man nicht durch vorherige rasche Bewegungen zum schnellen Atmen erregt sein.

2. Das Brausen mit kaltem Wasser ist erfrischend und für kräf- tige Naturen gesunder als mit warmem. Wer kaltes Wasser nicht gut verträgt, nehme erst warmes und lasse dann durch allmähliches

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358 FÜLLER,

Schließen des Dampf hahns das Wasser abkühlen, bis dasselbe zuletzt ganz kalt isf (In Dadweiler nnd Kreuzgräben nioht möglich.) ,J)a* durch bleibt man vor Erkältung mehr gesichert, als wenn man nur die warme Brause benutzt. Blutarme Personen sollen nur mit warmem Wasser brausen.

3. Es ist nicht nützlich, länger als 2 3 Minuten unter der Brause zu bleiben. Wer nicht sehr rüstig ist, sollte dieselbe nur ^/^ 1 Mi- nute auf den Körper wirken lassen. Wer gegen Nässe auf dem Kopfe empfindlich ist und zu Erkältungen neigt, sollte sich durch eine wasser- dichte Bademütze schützen.

4. Gründliches Abtrocknen und trockenes Nachreiben der Haut^ bis ein angenehmes Wärmegefuhl erzeugt wird, ist sehr zu empfehlen.'^

Diese Vorschriften sollten den Bergleuten wegen ihrer Neigung zu rheumatischen Leiden dringlichst eingeschärft werden,

lieber Bäder vergleiche auch dieses Handbuch, Bd. IV (Haus- bäder), Bd. VI S. 85 (Volksbäder), Bd. VH S. 203 (Schul- bäder).

1) LftiMr-HMtlaohar, Bäder, BerMt «Aer die aUgemtme dmOiche AutttdUmg a«^ dm OebieU der Hpgime und dee Beüungeweieiu, BerUn 1888/84 wm F. Boeznar.

2) Tranke, Die Wdeehkauen anf den Bergwerken dee OberbergamUbeairke Dartmumd in A%^trage dee OberhergamUe daeelbH bearbeitet, Dortmund (1893).

3) Zekeekrift für Berg-, BBtten- und ßnimemoeten 40. Bd. 498.

4) H. Albreoht, Ben4*t über die AneeUHung Jür ün/aOoerküätng wn Berlin (1889).

5) Badevoreekriften der ntedtanitehen Weberei su Linden.

6) H. iTÜttBberg, Handbuch der Qewerhehygiene, Berlin (1876).

7) Fraaoii Lanr, Let mmef et ueinee en 1889, äude eompläe eur Vexpoeüion tmieereeBe de 1889, Parie-NeuBg (1890).

8) S. Braun, üeber die Notwendigkeit der Waeeh- und Badeeuwiehtungen der Berg^ und SüttenarbeOer, OentralblaU für aUgem, Oeeundheittpfi. (1894) 179.

9) TaagliehlbMk, Die Belegeehe^ft der Bergwerke und Salinen im Oberhergamttbeairk Derir mund naeh der ZähUmg vom 16. Dezember 189S| muauunengeeteUt vom Oberbergamt m Dortmund, Dortmund (1895).

B. Wohnungen, Kolonien, ScUafhSaser.

Alle die oft dargelegten Gründe, weshalb es für den Arbeiter^ höchst wünschenswert ist, nicht nur eine gesunde, sondern auch eine freundliche Wohnung, wenn möglich, mit einem Stück Gartenland zu benutzen, ja zu besitzen, treffen in höherem Maße bei dem Bergmann als dem Arbeiter anderer Erwerbszweige zu. Daß es für die Gesund- heit des Landarbeiters nicht von so großer Wichtigkeit ist, ein luftiges, helles Haus zu bewohnen als für den Bergmann, der einen großen Teil des Tages im Halbdunkel und yerschlechterter , feuchter Luft, gleichsam wie in einem Keller lebt, während jener in frischer, freier Luft, angeregt durch das Tageslicht, in steter Anschauung des leben- den Grüns, des Baches, der Berge, wenn auch öfters den Unbilden der Witterung ausgesetzt, seine Arbeit verrichtet, ist sofort einleuchtend. Wenn auch jedem Arbeiter gesunde Räume in möglichst großer An- zahl zur Veifügung stehen sollten, so sind dieselben ganz besonders notwendig für eine Familie, deren männliche Mitglieder ihr Brot unter den mißlichsten Arbeitsverhältnissen verdienen müss^, welche sich unter Gefahren und Eindrücken abspielen, die den Sinn trüben und zu allzu ernstem oder andererseits bei hierzu neigenden Leuten zum Leichtsinn führenden Leben Veranlassung geben. Einem solchen Arbeiter soll die Wohnung nicht nur die Stätte der Erholung, der behaglichen Buhe und

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 869

des gesunden Znsammenlebens mit seiner Familie sein, dieselbe soll außer reichlicher Luft und Licht ihm Freude spenden durch mancherlei kleine angenehme Einrichtungen als Garten, gedeckten Vorbau, Stal- lungen für Vieh, an dessen Aufziehen die meisten Arbeiter sehr hängen, damit das Haus ihm der liebste Aufenthalt wird, und er nicht nötig hat, im Wirtshause seine Genossen aufzusuchen und mit diesen in rohen Gesprächen und Trinkgelagen seine ernsten Pflichten gegen seine Fa- milie, die Gefahren seines Berufes zu vergessen. Die sittliche An- schauung der Familie, deren Sittlichkeit selbst wird gehoben durch be- hagliche, reinliche Räume, in welchen das Zusammenleben von glück- lichen und gesunden Mensdien dem zweckmäßigen Heim die innere Zierde verleibt.

Aber nicht nur diese gewissermaßen idealen Gründe, sondern die zwingende Notwendigkeit, bei der schnell emporblQhenden Industrie eine genügende Anzahl von Arbeitern heranzuziehen, welche in den kleinen, den Anlagen benachbarter Gemeinden Umterkommen nicht finden konnten, legte den Verwaltungen die Pflicht auf, Arbeiter- wohnungen zu schf^en. Diesen Bestrebungen wurden an vielen Orten teils von den Arbeitern selbst Schwierigkeiten entgegengesetzt, teils sträubten sich die Gemeinden, wie mehrfach in Sachsen ', in ihrer Mitte Ansiedelungen von Bergleuten in eigenen Häusern zu dulden. In Ober- schlesien bestand anfangs ein entschiedener Widerwille der Bergleute gegen das Beziehen der ihnen vom Werkbesitzer gewährten, reinlichen, gesunden Wohnungen, obwohl die Arbeiter teilweise eine halbe Meile weit bis zur Grube bei Wind, Schnee und Begen von den Ortschaften gehen mußten, woselbst sie viel teurer zur Miete wohnten und zwar in einem kleinen Zimmer mit Lehmboden fast ohne Tageslicht mit Familie und Vieh zusammen. Im Kolonienhause konnte der Bergmann freilich nicht hausen, wie er wollte; «r durfte sein Kraut und seine Kartoffieln nicht in der Stube vergraben, er konnte mit seinem Vieh nicht zusam- mraleben, sondern mußte zur Besorgung desselben das Haus verlassen und über den Hof gehen ^.

Die Schwierigkeiten wurden bei der Wichtigkeit der Sache über- wunden, und weil die Arbeiter nicht anders unterzubringen waren, wurden in Oberschlesien vom Fiskus im Jahre 1824 auf Königin Louisengrube bei Zabrze 20 im Jahre 1818 angekaufte kleine Wohnhäuser mit je einer Wohnung an Bergleute gegen Abschlagszahlungen eigen- tümlich überlassen. Im Saarrevier wurden im Jahre 1816 zum ersten Male Grundstücke an Bergleute zu billigen Preisen abgegeben. Bis in die erste Hälfte der I^gierung Friedrichs des Großen reichen die Be- mühungen der preußischen Bergverwaltung zur Ansiedelung der auf fiskalischen Gruben beschäftigten Arbeiter zurück.

Ob es ratsamer ist, in Kolonien Wohnungen zu errichten oder in einzelnen Gemeinden mit gemischter Bevölkerung die Ansiedelung von Bergleuten anzustreben, muß zu Gunsten des letzteren Modus ent- schieden werden. Die Einseitigkeit des Zusammenlebens von Bergleuten in einem Gemeinwesen unter sich lähmt die Entwickelung desselben und die Einsicht der Leute. Durch den Gedankenaustausch von Men* sdien verschiedener Stände wird der Gesichtskreis erweitert Es liegt auch die Gefahr nahe, daß unzufriedene, minderwertige Elemente sehr leicht einen verderblichen Einfluß auf die Gesamtheit gewinnen , wel- chen dieselben bei dem Vergleich der eigenen Erwerbs- und Lebens- verhältnisse mit denen anderer Arbeiterklassen, zu welchem das Zu-

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sammenleben mit diesen Veranlassung giebt, viel schwerer erlangen. Es werden Ehen zwischen Bergleuten und der Landbevölkerung mc^r in gemischten Gemeinden gescmossen als in reinen Bergmannskolonien, in welchen die Gefahr der Fortpflanzung derselben Arbeiterklasse durch mehrere Generationen droht.

Daß Kolonien oder Häuserkomplexe in Gemeinden mit Rücksicht auf eine gesunde Lage, geschützt gegen Nord- und Nordostwinde und auf Wasserreichtum angelegt werden, ist sehr wünschenswert, nicht immer ausführbar. In verschiedenen bergbauenden Bezirken macht sich Wassermangel in einzelnen Ortschaften empfindlich geltend. Das Ab- graben von Quellen, welche sich in die unterirdischen Stollen ergießen, wird vielfach als Grund für die Wassernot herangezogen. DeshaJb ver- langte Poincarr^^ schon 1868 Maßregeln gegen das Entziehen des Trinkwassers oder Ersatz für dasselbe. Bei der hastigen Entwickelung der Kohlenindustrie, besonders zu Anfang der fünfziger Jahre wuchsen die Ansiedelungen von Bergleuten in einem so schnellen Tempo, daß die Wasserversorgung diesem Anschwellen der Einwohnerzahl in den einzelnen Ortschaften mit ihrem Vieh und sonstigen wasserverbrauchen- den Zubehör nicht folgen konnten. Hierin ist hauptsächlich der Grund für den Wassermangel zu suchen.

In neuester Zeit wurde mit großem Kostenaufwande seitens der Verwaltungen in Oberschlesien und im Saarbecken mit Recht dem Wassermangel thatkräftig entgegengetreten, und ist Wasser an vielen Stellen in so reichlichem Maße vorhanden, daß man frisches und gutes Trinkwasser in die Gruben selbst hineinleiten konnte.

Die Ansiedelung von Bergleuten in der N&he der Werke wurde dadurch erzielt, daß die Werkseigentümer, denen in I^eußen der Staat in dieser Beziehung weit voranschritt ' :

1) auf eigene Rechnung Häuser bauten und diese den Arbeitern vermieteten,

2) daß sie Häuser bauten und diese an geeignete Bergleute ver- kauften,

3) daß die Grubenverwaltungen die Arbeiter durch Geldvorschüsse, Prämien und Ueberlassung des zum Bauen erforderlichen Ter- rains unterstützten,

4) daß bloß Geldvorschüsse gewährt wurden ohne Ueberlassung von Terrain zum beliebigen Anbau von Arbeiterwohnungen.

Welche Art von diesen vier Maßnahmen zur Ansiedelung von Ar- beitern zu empfehlen ist, richtet sich nach der Art der Arbeiterbevöl- kerung selbst Garantiert der Bergbau einen dauernden Gewinn und sind die Arbeiter seßhaft genug und nicht aus femer Gegend zu- und abwandernd, so empfiehlt es sich gewiß, darnach zu streben, dem Berg- mann den eigenen Besitz eines Wohnhauses zu ermöglidien. Zwar können nur vom Glück durch hohe Arbeitskraft begünstigte und be- sitzende Arbeiterfamilien diesen Vorzug erreichen, während billige, vom Werkbesitzer erbaute Mietwohnungen allen, auch den ärmeren Berg- leuten zu gute kommen. Aber diese Trennung kann ein Hindernis nicht abgeben, möglichst viele Hausbesitzer unter den Grubenarbeitern zu erzielen, da durch nichts mehr als durch den Besitz oder den zu erreichenden Besitz Arbeitskraft und Sittlichkeit gefördert wird. Auch wird der Wechsel der Wohnung dem Eigentümer schwerer gemacht ala dem zur Miete Wohnenden und dadurch die Liebe zu dem gewohnten und lange benutzten Heim erhöht.

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Hygiene der Berg- nnd Tmmelarbeiter. 361

In Frankreich ist der erste Modus am meisten beliebt, obwohl auch einzelne Gesellschaften ihren Arbeitern Gelegenheit zum Erwerb eines eigenen Hauses bieten. Bei den teilweise sehr großen Kapitalien und Ertragnissen der Gruben dieses Landes ist mit bedeutenden Geld- mitteln in sehr humaner Weise für die Unterkunft der Bergleute ge- sorgt worden. Nach den Berichten der allgemeinen Pariser Welt- ausstellung 1889 ^ haben folgende Gruben in dieser Beziehung Hervor- ragendes geleistet:

Im Nordbecken (Pas de Calais):

Die Graben von Courri^rs hatten im Jahre 1888 fast die Hälfle der vom Grubenbau lebenden Familien in 1126 Häusern, welche in Gruppen von 8 26 Gebäuden angeordnet waren, untergebracht. Bei jedem Hause lag ein Garten von nngefUir 1 Ar Fläche. 5385 Menschen bewohnten dieselben und zahlten einen Mietzins, welcher die Unterhaltungskosten kaum deckte und ein Dritteil des ortsüblichen Preises betrug. Es wurde gezahlt fär ein Haus nebst Garten mit zwei Zimmern im Parterre, zwei Zimmern im oberen Stockwerk und einem Keller: 5 Frcs. monatliche Miete ; fär ein solches mit einem Zimmer und ELabinet im Parterre, zwei Zimmer im oberen Stockwerk, einem Keller : 4 Frcs. ; mit einem Zimmer im unteren und einem Zimmer im oberen Stockwerk und einem Keller: 3 Frcs.

Die Ghruben von B^thune vermieteten bei einer Belegschaft von 8369 Arbeitern 1600 Häuser mit Gartenland von mehreren Ar zu 36 72 Frcs. jährlich; dazu wurde den Mietern Ackerland zu sehr billigen Preisen verpachtet und ihnen die Sämereien sehr wohlfeil von der Ghmbenver- waltung geliefert. Ein sehr nachahmenswerter Wettstreit in der land- wirtschaftlichen Beschäftigung und der Reinlichkeit wurde dadurch er- zielt, daß Preise bis zu 600 Frcs. fär die besten Gartenprodukte und fbr Reinlichkeit und gute Haltung des Hauses von einer hierzu einge- setzten Kommission bestimmt und bezahlt wurden.

Die Gruben von Meurchin vermieteten 118 Häuser zu 6 Frcs. monatlich bei einem Bestände von 883 Bergleuten.

Die Gruben von Li^vin besaßen für eine Belegschaft von 2197 Arbeitern 992 Häuser, welche in 4 Kolonien von 198, 118, 184 und 492 Gebäuden erbaut und welche mit je einem Garten von 2 S Ar ver- bunden wareii. Der monatliche Mietzins betrug höchstens 5 Frcs. und wurde nahegelegenes Ackerland zu sehr wohlfeilem Pachtzins abgelassen. Im Durchschnitt wurde jedes Haus von 6,1 Personen überhaupt und 1,5 auf den Gruben beschäftigten Arbeitern bewohnt.

Die Gruben von Bruay besaßen 1100 Arbeiterhäuser und beschäf- tigten 3520 Bergleute. Die Häuser wurden unter ähnlichen Bedingungen an die Bergmannsfamilien vermietet.

Die Ghmben von Anzin besaßen 2628 Häuser. Zu jedem derselben gehören 2 Ar Gartenland. Die Miete beträgt monatlich 3,50 6 Frcs. Die Verwaltung hatte bis zum Jahre 1889:

93 Häuser zu sehr mäßigen Preisen an Arbeiter verkauft, 741 Häuser wurden mit Darlehen der Gesellschaft von den Bergleuten erbaut oder anderweitig erworben. Die Bezahlung oder Rückzahlung geschah durch monatliche Abzüge vom Arbeitslohne und wurden Zinsen nicht berechnet. Das Yerlustwohnungskonto ist hierdurch und durch die Einbuße der Zinsen des Kapitals, welches zur Erbauung der vermieteten Häuser aus- gegeben war, mit 223800 Frcs. jährlich belastet.

Bei den Gruben von Noeux und Vicoigne, welche an ihre Ar.

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beiter 1176 Häuser mifc je 2 Ar Gartenland fär ongefUir 5 Fros. monatlicli vennieten, beträgt die Belastung dieses Kontos jäbrlich 175,936 Fros^ dem der Mietzins von 59,410 Fros. gegenübersteht.

Die Ghraben von Aniohe besitzen und vermieten 1676 Arbeiter- bäoser f&r 8002 Arbeiter, welohe sie insgesamt beschäftigen.

Die Gruben von Douchy mit 1602 Bergleuten bringen 85 Pro«, derselben in 2000 bewohnbaren BAumen von je 12 bis 25 qm Fläche unter (Küche, Speicher und Keller sind in dieser Zahl nicht mit einge- rechnet) und beherbergen so 750 Familien von durchschnittlich 4,83 Köpfen, darunter 1,5 Arbeiter und 1,66 Personen pro Zimmer. Eine Familie bewohnt 2,66 Bäume und zahlt dafür monatlich 2,66 Frcs., d. h. 1 Frcs. fftr den Wohnraum.

In den Gruben von Mittelfrankreich ist in ähnlicher Weise för Arbeiterhäuser gesorgt Die Gesellschaft der Gruben von Blanzy be- sitzt sehr geschmackvolle Häuser, teilweise im Stil des Schweizerhauses erbaut, welche, 450 an Zahl, 4 Kolonien bilden: les Mouettes, le Bois Duveme, le Hagny und Bei Air und nahezu 1000 Wohnungen enthalten. Der monatliche Mietzins beträgt 2,50 bis 6 Frcs.; im Durchschnitt 4,50 Frcs., so daß durch die Einnahme kaum die Steuern, die Unterhal- tung und die Feuerversicherung gedeckt werden. Die Wohnungen wer- den stets in gutem Zustande erhalten. Bei einem Bestände von 6000 Ar- beitern kann nur ein Teil zu diesem billigen Mietpreise untergebracht werden, und werden Familienväter und die unter Tage arbeitenden Berg- leute vorgezogen. Zu den Häusern gehören GFärten von ungef^r 7 Ar Größe. Es sind femer nach und nach freie Dörfer entstanden, in wel- chen im Jahre 1888 1479 Familienväter Häuser mit umliegenden Län- dereien besaßen. Davon waren 705 in den Ghruben, 774 über Tage an- gelegt Bei einer Anzahl von 3710 Familienvätern in der ganzen Beleg- schaft waren mithin 29 Proz. Hausbesitzer. Dieser günstige Erfolg wurde dadurch erreicht, daß nach Einteilung der Straßen, welche fertig ausge- ftlhrt waren, Lose zu 20 bis 25 Ar, aber für je einen Familienvater nur ein Los, verkauft wurden. Der Kaufzins war in 10 Jahren zinsfrei rück- zahlbar. Auch wurde ein Vorschuß von 1000 Frcs. gewährt. Die Häuser durften in den ersten 10 Jahren nicht veräußert werden, und wurde da- mit jede Spekulation fem gehalten, üeber den Bau, das Material (Stein oder Ziegelstein), die Entfernung der einzelnen Anwesen voneinander, die Einfriedigung mit lebenden Hecken u. s. w. waren feste Bestimmungen stipuliert. An den 8 m breiten Straßen entstanden Häuser von 7,50 m Länge und 6 m Tiefe, welche sehr schnell (rapidement) die Dörfer Champ- du-moulin, le Bois-Boulet, le bois du Leu, Belle-vue bildeten. Kranke und Verwundete sind während der Arbeitsunterbrechung von der Bück- zahlung der Bauschuld befreit, der Besitz selbst vererbt sich auf Witwen und Kinder.

Die Gruben von Boche-la-Mol i^re haben in 2 Kolonien 1874 und 1880 18 und 32 zweistöckige Häuser erbaut, an welchen Gärten an- liegen. In der einen Kolonie beträgt der jährliche Mietzins für die untere Etage 100, für die obere 80 Frcs., in der anderen 120 Frcs. für ein Haus. Sehr wenige von den 2691 Arbeitern sind Hausbesitzer, viele mieten aber Gartenland zu 50 100 Centimes pro qm und Jahr von der Verwaltung.

Auch die Kohlengruben von Bonchamp vermieten ihrea Arbeitern zu höchst billigen Preisen 213 Wohnungen mit Gartenland.

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter. 363

Ans diesen Angaben ist ersichtlich, daß in Frankreich in hohem Maße mit großen Geldopfem und vielem Interesse für die Unterbringung der Bergleute in zweckmäßigen und angenehmen Wohnungen, die durch Billigkeit sowohl wie durch Reinlichkeit die Wohnungen der städtischen Arbiter in den Schatten stellen, in den meisten Fällen noch nicht dÄe Hälfte des Ifietzinses der Wohnungen in den Städten erfordern, von den Verwaltungen der Bergwerke gesorgt ist Es steigt von Jahr zu Jahr daselbst die Zahl der Hausbesitzer unter den Bergleuten und der von den Grubenverwaltungen gebauten Arbeiterhäuser.

Da in Belgien die Graben in vielen Fällen fem von bevölkerten Ortschaften liegen, war man auch in diesem Lande gezwungen, Arbeiter- wohnungen in Kolonien zu erbauen, und werden zumeist, wie in Frank- reich, diese Häuser zu sehr billigen Preisen an Bergleute vermietet. Be- sonders hervorragend hat der Direktor der Kohlengrube Hasard bei Micherouz , Herr D'Andrimont, in dieser Beziehung gewirkt < ^ . Der- selbe legte Ghrappen von 4 Häusern an, von welchen jedes im Durch- schnitt von 1 1 ^/, Arbeitern und ihrer Familie bewohnt war. Zu jedem Hanse gehört ein Garten von 800 400 qm, und die einzelnen Bäiuser haben getrennte Eingänge. Die Arbeiterstadt gleicht einem Parke, in welchem die Häusergrappen zerstreut liegen. Trotzdem dem Arbeiter ein Haus zum monatlichen Mietzins von 4 Frcs. überlassen und obwohl jede der 4 Häusergruppen ungefähr 10 000 Frcs. kostete, war es sehr schwer, Mieter für dieselben zu finden, weil Lebensmittel, alle Bedarfsartikel von den sehr weit abliegenden Orten beschafiEib werden mußten und jede Ver- bindung mit der Außenwelt nur durch weite Fußmärsche erzielt werden konnte.

Zur Heranziehung von Arbeitern war es deshalb notwendig, ein Hotel fär Arbeiter mit Verkaufsstellen fOr Lebensbedürfiiisse einzurich- ten. Dieses „Hotel Louise'' ist unter „Schlafhäuser'' (S. 372) näher be- schrieben.

Im ganzen besitzt Hasard 81 Häuser in zwei Ansiedelungen „la cit4 de Micheroux'' mit 86 Häusern und „la cit^ des trois chdnes*' zu 22. Die übrigen liegen zerstreut in sieben anderen Ortschaften. Der Mietzins des einzelnen Hauses beträgt 60 96 Frcs. jährlich. Der Mietkontrakt ist dem Französischen ähnlich und findet sich in dem unter 14 ange- fahrten Auszuge.

Li England^ erhalten im Distrikt Northumberland - Durham die Bergleute freie Wohnung oder einen Wohnungsgeldzuschuß von 120 bis 140 M. jährlich; in anderen Bezirken müssen die Grubenarbeiter ihre Wohnung selbst bezahlen, gleichviel ob sie in Häusern der Graben oder in Privathäusem wohnen.- Private Baugesellschaften errichten vielfach Kolonien und vermieten die einzelnen Häuser besonders da, wo in der Nähe der Gruben Städte oder Ortschaften nicht liegen. Hauseigentümer sind Bergleute sehr selten. 2, 3 auch 4 Zimmer stehen einer Familie in einem Hause zur VerfCLgung und werden einzelne Häuser vielfach von nur einer Familie bewohnt. Diese Einzelhäuser haben meistens einen Vor- garten, der mit Blumen bepflanzt ist, sind aber nicht unterkellert. Die Kohlenbergwerks -Aktiengesellschaft Harten besitzt bei South - Shields in Durham 500 in einer Kolonie vereinte Arbeiterhäuser (Plan der Kolonie im Bericht von Nasse und K r u e m m e r). Zur Ashington-Grube gehört eine Kolonie von 4000 Einwohnern ohne Wirtshaus*.

Auch in den Vereinigten Staaten ist man sehr schnell bei

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364 FÜLLER,

der jähen Entwickelnng des Grubenbetriebes mit dem Bau von Arbeiter- hänsem gewöhnlich im Cottage- System vorgegangen und vermietet die- selben zu m&ßigen Preisen 7.

In Deutschland wurde von jeher danach gestrebt, Arbeiter- häuser unter Aufsicht der Verwaltungen zu bauen und den Bergleuten k&uflich zu tlbennitteln oder durch Prämienzahlungen und unverzins- liche Vorschüsse Gebäude unter der Grubenleitung entstehen zu lassen, indem gewisse Bedingungen an die Art des Baues gestellt wurden. Es ist vorzuziehen, daß die Bauleitung in Mcksicht auf Gesundheit und Zweckmäßigkeit von den Behörden geübt wird, als daß der Aufbau der Gebäude nur von der Sparsamkeit und dem eigentümlichen Geschmack der Arbeiterbevölkerung geleitet wird.

Je nach der Notwendigkeit , das Heranziehen von Arbeitskräften zu beschleunigen oder langsam cUe femer Wohnenden der Arbeitsstätte zu nähern und ihnen gesunde Wohnunffen zu beschaffen, werden Arbeiter- häuser angekauft oder zum Verkauf an Bergleute erbaut oder ver- mietet.

Auf den fiskalischen Gruben in Preußen ist fast überall der Modus, wie derselbe im Saarbecken zur Ausführung kommt, ange- nommen.

Hier wurden im Etatsjahr 1898/94 an 100 Bewerber Hausban- prämien im Betrage von 825 900 M., insgesamt 89 685 M. verteilt. Pfir 99 dieser Hausbauten wurden verzinsliche in 10 Jahresraten rückzahlbare Darlehne gewährt. Der Gesamtbetrag derselben war 155000 M. Be- rücksichtigt werden würdig befundene Bergleute, welche untereinander losen, um den jährlich zur Verf&gung stehenden Baufond geteilt zu er- langen.

Auch die Knappschaft giebt verzinslich, selbstverständlich bei ge- nügender Sicherheit, Gelder aJs Hypotheken auf Arbeiterhäuser her. \^e groß die Summen sind, welche zum Bau von Arbeiterhäusem ausgegeben werden, erweisen folgende Angaben: Vom Jahre 1865 bis 1890/91 ver- teilte der Staat Preußen an Bauprämien ftU* Bergleute 3471815 M. und gab an verzinslichen Baudarlehen 6 050545 M. ^ ftb: Arbeiterwohnungen auf den Staatswerken aus. Die Gesamtzahl der von 1842 bis 1893/94 im Saarbrücker Bevier durch Prämien erbauten Häuser beträgt 5622, von denen in Kolonien 1539 und) in Ortschaften des Baurayons mit ge- mischter Bevölkerung 4083 liegen. Von diesen Häusern wurden mit ver- zinslichem Bauvorschuß aus der Knappschaftskasse 2063, mit unver- zinslichen Vorschüssen aus der Staatskasse 3276 und ohne solchen Vor- schuß 283 erbaut.

Die Bedingungen, unter welchen diese Benefizien erteilt werden, be- ziehen sich zum größten Teil auf die Art des Baues nach gesundheit- lichen Gbnndsätzen: Das zu prämiierende Haus muß mindestens 40 qm Grundfläche und außer der Küche noch drei bewohnbare Bäume von zu- sammen wenigstens 32 qm Bodenfläche haben. Der Bau selbst muß aus gutem, feuerfestem Material und in zweckmäßiger Bauweise ausgeftdirt sein. Der Fußboden muß wenigstens 45 cm über dem umgebenden Ter- rain liegen, und letzteres vom Hause ab nach allen Richtungen abfallen. Umfassungsmauern von Wohnräumen im Kellergeschoß, welche an Erde oder Fels stoßen und nicht 45 cm unter dem FuBboden firei liegen können, müssen im Innern mit einer starken Backsteinverblendung unter Frei-

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter. 365

lassang einer 5 cm breiten Luftschicht, welche mit der Atmosphäre in Verbindung steht, aufführt werden, sodaß die Verblendungsmauer bis 45 cm unter den Fußboden herabreicht. Dächer, welche nicht einen Vorsprung von mindestens 60 cm vor der Mauerfiucht haben, sind mit Dachrinnen und Abfallrohren zu versehen. Die Höhe der Bauprämie von 750 bis 1000 M. wird, je nachdem die bewohnbare Fläche 80 60 qm beträgt, bemessen, und müssen die Prämienemp&nger sich verpflichten, 10 Jfliire das prämiierte Haus selbst zu bewohnen, die von ihnen nicht benutzten Bäumlichkeiten nur an aktive Bergarbeiter zu vermieten und nur an solche mit Zustimmung der Königl. Bergwerksdirektion das Haus zu verkaufen. Die Bückzahlung der bis zum Betrage von 1600 M. un- verzinslich gegebenen Bauvorschüsse geschieht in monatlichen Baten von 3 bis 15 M.^ welche jährlich 10 Ftoz. der ganzen Summe erreichen müssen *. Im Jahre 1890 waren von 29446 Saarbrücker Bergleuten im preuBischen Staate, im Königreich Bayern, Fürstentum Birkenfeld und in Elsafi-Lothringen :

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sie besafien an Vieh:

78 Pferde, 8505 BiDder, 6825 Ziegen, 4034 Schweine^*.

Einen Ueberblick über die Wohnungsverhältnisse der Bergleute in Deutschland mit Ausnahme von Oberschlesien gewfthrt nachstehende Tabelle (S. 366 u. 367).

In Oberschlesien * ^ haben 23 Proz. der verheirateten Arbeiter durch ihre Arbeitgeber ger&umige, billige und freundliche Wohnungen, oft mit an denselben gelegenem Garten und einem Stück Ackerland erhalten.

Im allgemeinen hat sich im oberschlesischen Revier das Pr&mien- haus, sogenannte Beihilfehaus nach Bergrat Dr. Sattig^^ nicht be- währt. Im äuÜeren Bezirk, namentlich im Kreise Tamowitz, in welchem Erzbergbau und von den Bergleuten Ackerbau betrieben wird, haben letztere vielfach von alters her eigenes Besitztum. Aber auch im inneren Bezirk sind in den letzten 10 Jahren durch Oewährung billigen oder gar freien Baugrundes, von Bauprämien, von Baumaterial zum Selbst- kostenpreise, von zinsfreien oder wohlfeilen Darlehen Arbeiter in den eigenen Besitz von Häusern gelangt, sodaß im Jahre 1890 : 8830 Häuser Eigentum von Berg- und Hüttenleuten im oberschlesischen Industrierevier waren. 12,4 Proz. aUer borg- und hüttenmännischen Arbeiter, 71 175 an Zahl, waren Hauseigentümer. Von der Peripherie nach dem Centrum nimmt der Prozentsatz bedeutend ab, teils weil die Mietwohnungen leichter in den größeren Industrieorten zu haben sind, teils weil gewerkschaft- liche Familienwohnungen zahlreich geschaffen wurden. Der oberschle- sische Industriearbeiter ist zu wenig kapitalkräftig und wirtschaftlich nicht genügend erzogen, um einen Besitz, den er noch dazu mit fremdem ELapitfd belasten mnlte, zu erhalten. In sehr vielen Fällen sind daher die Prämien- oder Beihilfehäuser in die Hände von spekulierenden Ge- schäftsleuten übergegangen, besonders wenn, wie oft in größeren In- dustrieorten, mit Prämien und Darlehen mehrstöckige Häuser von Berg- leuten erbaut wurden, von deren Mietertrag sie einen bedeutenden G^ winn erhofiPten und durch welchen sie ihren Kredit erhöhen wollten. Der

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Ausgang solcher Unternehmen war in den meisten Fällen wegen Hangels an Kapital und wirtschaftlicher Einsicht der, daß in wenigen Jahren der Bergmann nicht mehr Hansbesitzer, aber anch nicht mehr Bergmann war. Auch lag die Reinlichkeit, da dieselbe dem Eigentümer gegenüber nicht zu beeinflussen war, in diesen Beihilfehänsem sehr danieder, während in den Häusern mit gewerkschaftlichen Familienwohnungen in dieser Be- ziehung Au&icht und ein größerer Zwang günstigere Bisultate erkennen läßt. Am Endes des Jahres 1889 wohnten 8923 ==> 12,5 Proz. aller mann- liehen berg- und hüttenmännischen Arbeiter in gewerkschaftlichen Woh- nungen, 601 im äußeren, 8322 im inneren Revier. Die Wohnungen haben gewöhnlich zwei heizbare Räume. Ein Mietzins für diese Wohnungen wird entweder gar nicht erhoben, oder derselbe erhöht sich auf einzelnen Werken bis zu 10 M. pro Monat. Im Durchschnitt zahlt ein oberschle- sischer Arbeiter 8,6 Proz. seines Arbeitslohnes fEbr die Wohnung.

Im Kohlenrevier Oberschlesien ist der Bau von Häusern in der Nähe der Gruben dadurch erschwert, daß der Aufbau von Arbeiter- häusem über Kohlen, die zum Abbau kommen und gegenüber dem zu errichtenden Hause einen zu großen Wert haben, als daß man dieselben ohne großen Verlust als Sicherheitspfeiler stehen lassen könnte, von den Verwaltungen möglichst verhindert werden muß. Auch ist es wegen der klimatischen Verhältnisse nicht richtig, Häuser fGbr je eine Familie zu erbauen, weil dieselben im Winter sehr schwer zu durchwärmen sind, sondern es wird das Zwei- und Vierfamilienhaus vorzuziehen sein. Solche schwereren Bauten würden aber den Boden mehr belasten.

Aus diesen und den vorher angegebenen persönlichen Verhältnissen ist es nur in Ausnahmefällen ratsam, Häuser mit Prämien und Dar- lehen von den Arbeitern erbauen zu lassen, sondern vielmehr zu em- pfehlen, daß der Bau von den Verwaltungen ausgeführt und Wohnungen an die Bergarbeiter vermietet werden. Sattig ^^ rät (die Einzelheiten sind in der Abhandlung desselben nachzulesen) wegen des Mangels an geeignetem und wohlfeilem Terrain an, Kolonien nach dem System Rowan außerhalb des engeren Industriebezirks anzulegen und diese mit jenem durch eine kurze Eisenbahn zu verbinden. Frische Luft, Wasserreichtum, Begünstigung des Ackerbaues, Entlastung des Marktes in den großen Industrieorten von Lebensmitteln und dadurch Beschrän- kung der Teuerkeit derselben durch die Dezentralisation lassen dieses System für die oberschlesischen Verhältnisse als sehr beachtenswert er- scheinen.

Im Oberbergamtsbezirk Dortmund waren von den 158368 ßetriebs- beamten und Arbeitern am 16. Dezember 1893 16212 oder 10,24 Proz. Hausbesitzer*. Davon wohnten innerhalb des Grubenbezirkes in eigenen Häusern 13914. Der Prozentsatz von 10,24 ftUt gegen 26,46 Proz. för den Oberbergamtsbezirk Clausthal, 22,13 Proz. für Halle, 26 Proz. für die Mansfelder Kupferschiefer bauende Gewerkschaft im Bergrevier StoU- berg-Eisleben und 41,87 Proz. für Saarbrücken als sehr niedrig auf (1890). 18188 besagen in demselben Bezirk nach der letzten ZlSAdimg entweder Haus oder Feld und Wiesen oder beides zusammen, eine Per- son war im Besitz von 0,62 Stück Vieh im Durchschnitt (Pferde, Bind- vieh, Ziegen, Schweine und Schafe). Diese Zahlen betrugen 1890 in Saarbrücken 0,66, im Oberbergamtsbezirk Halle 1,08, in Clausthal 1,38.

Der Besitzstand kommt deshalb den anderen bergbautreibenden Be- zirken nicht gleich, weil die Entwickelung der Industrie, besonders der

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Ombenbaa in Westfalen sich auBerordentlich solmell, oft hastig vollzog, and weil die Privat -Industrie im Oberbergamtsbeizirk Dortmund bei weitem vorherrschend ist. Seit 1851 hat sich die Belegschaft nm mehr als das Zehnfache vermehrt. Von dieser wohnen 8,78 Proz. im eigenen Hause, 1,61 Proz. in Dienstwohnungen, 46,53 Proz. in Mietswohnongen, 0,62 Proz. in Schlafhäusem. 21,94 Proz. haben Wohnung und Kost bei <len Eltern, 20,22 Proz. bei Fremden.

Nach dem Bericht von H. Albrecht^ über die Hygieneausstellnng unterhielt die Mansfelder kupferschieferbauende Gewerk- schaft 421 Pamilien Wohnungen meist in eigens zu diesem Zweck er- bauten Häusern gegen einen Mietzins von 36 bis 75 M. pro Jahr. Die Meineren dieser Wohnungen enthielten 1 Stube, 1 Kammer, 1 Eochraum, 1 Raum für Brennmaterial; die gröBeren 1 Stube, 1 Kammer, 1 Küche, 1 Kellerraum, 2 Kleinviehställe, Baum für Futter und Brennmaterial. Der Mechemicher Bergwerks-Aktienverein unterhielt 184 Arbeiterwohnungen, von welchen ein Teil in Häusern ftbr 2 Pamilien untergebracht war. Die meisten derselben sind in Stein und Eisen erbaut und liegen an schönen, breiten Strafen. Jede Wohnung hat besonderen Eingang und Hofraum, auch Stallung für Holz und Kleinvieh, sowie einen 2 Ar großen Gburten. Außer 70 zusammen angeordneten Bauten liegen die übrigen Wohnungen in verschiedenartigen zerstreuten Gebäuden.

Die Gewerkschaft Tremonia bei Dortmund vermietete 48 Arbeiterwohnungen zum Mietzins von 108 M. pro. Jahr. Die Grube Oneisenau besitzt ebenfalls in der Nähe der Zechen Wohnhäuser für Beamte und Arbeiter mit je einem Ghuten von 3 Ar.

Die Berg- und Hüttenwerke von Friedrich Naumann in Marktl in Oesterreich gewähren einem Teil der Arbeiter vollkommen Tmentgeltlich Wohnungen mit Gemüsegarten, und wird diese Wohlthat ^wohnlich nach dem Dienstalter verteilt.

Viele Familien in einem größeren Bau, ähnlich den Mietskasernen großer Städte, unterzubringen, hat sich nicht bewährt, vielmehr ist zur Zeit, wie auf den preußischen fiskalischen Werken fast überall, das Zweifamilienhaus am meisten beliebt, weil in diesem eine vollständige Trennung der beiden Parteien möglich und dadurch das friedliche Zusammenleben gefördert wird, welches bei vielen unter einem Dache lebenden Müttern von dem Bildungsgrade- der Berg- mannsfrauen doch recht oft gefährdet ist

Aus den Vorschriften für den Bau von Prämienhäusem im Saar- becken, die in ähnlicher Weise überall, auch in Frankreich, zum Er- werb von Häusern Bedingung sind, geht hervor, wie die Arbeitgeber bedacht sind, die Wohnstätten ihrer Pflegebefohlenen gesundheitlich zu gestalten.

Es sollte in diese Baustatuten auch aufgenommen werden das geringste Maß von Fensterflächen im Verhältnis zur Basis des Hauses und der Zwang einer einfachen Ventilation wenigstens der Küche, in welcher sich fast das ganze tägliche Leben des Arbeiters abspielt, so- wie des Hauptschlafraumes. Ein neben dem Schornstein des Küchen- herdes aufgeführter Ventilationskanal, welcher von ersterem nur durdi eine dünne Schicht^ von Ziegelsteinen getrennt ist und der genügend große Oeffnungen an Decke und Boden in beiden genannten Räumen besäße, wäre von nicht geringem Nutzen und würde den Bauzins des Hauses nur um Weniges erhöhen. Eine genügende Menge von gesunder

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Luft und Licht dem Bergmanne in seiser WohnaDg zu schaflen, das muß das Grundprinzip sein, in welchem der Bau ausgeführt wird. Auch über das Material der Zwischendecken sollten die strengsten Vorschriften ausgesprochen werden, nachdem diese als der Yorzugsbrutort von Krank- heitskeimen mit Sicherheit erkannt wurden. Aus Zwischendeckenmaterial eines Zimmers, in welchem periodisch Lungenentzündungen auftraten, ist der Pneumoniebacillas von Emmerich^' gezüchtet worden. Diese Zwischendeckenräume müssen entweder ventiliert oder luftdicht abge- schlossen und nur mit trockenem, reinem, noch nie benutztem Material ausgefüllt werden. Ein Herd für Arbeiterwohnungen, welcher Heizung, Küche, sowie eine, wenn auch m&ßige Ventilation leistet, war in der Kranken- und Unfallversicherungsausstellung zu Berlin von dem Kaisers- lauterer Eisenwerk ausgestellt und wäre für Bergarbeiterhäuser sehr zu empfehlen.

Der leidigen Frage der Einlieger muß um so mehr gedacht werden, als das Zusammenliegen von vielen Bergleuten in kaserneu- artigen Schlafhäusem während der Arbeiterunruhen in den verschie- denen Revieren recht unangenehme Auswüchse zur Folge hatte, welche das Belegen der Schlafhäuser auf das geringste mögliche Maß ein- schränken wird, und deshalb die Unterbringung junger Burschen in Bergmannsfamilien, welche in der Nähe der Gruben wohnen, vielfiach geboten ist. Die vollständige Trennung der jungen Burschen von den dieselben aufiiehmenden Familien ist durch die strengsten PolizeimaB- regeln nicht zu erzielen, und die Bestimmungen der urubenverwaltung in dieser Beziehung sind nicht imstande, höchst unsittliche Verhältnisse zwischen diesen jungen übermütigen Knappen und den leichtsinnigen Mädchen und Frauen, die oft in einem und demselben Zimmer zusam- menschlafen, zu hintertreiben.

Eine vorzügliche Einrichtung bat Korvettenkapitän Hermes in der Arbeiterkolonie der Kaiserlichen Torpedowerkstatt zu Priedrichsort ge- troffen. Die H&nser derselben sind so gebaut, daß für die Quartierleute ein besonderer Eingang und Treppenaufgang geschaffen ist, sodaS die Bäume der Familien von denen der Kostgänger vollständig getrennt sind. Eine Verbindung der Familienwohnubg mit den Zimmern der Ein- lieger durch Thüren ist daselbst nicht zulässig^'.

Der Bergmannsfreund, ein Blättchen, welches sich durch allgemein- verständliche Abhandlungen über Gesundheitspflege der Bergleute dauernd verdient macht, giebt in No. 16, 17 und 18 des Jahrganges 1894 folgende Skizzen von Arbeiterhäusem an und empfiehlt dieselben den Ber^euten. Es würde die Ausführung derselben die Summen, welche als Prämien und unverzinsliche Darlehen g^ben werden, in den kleineren Exemplaren gur nicht, in den größeren nur wenig über- schreiten.

(Siehe Figur 32—34 S. 371, 372.)

Die drei Figuren 32 34 stellen die einfachsten und billigsten Formen von Bergmannshäusem dar. Die Wohnungen in 1 und 2 be- sitzen der geringeren Kosten halber mit den Nachbarwohnungen gemein- same Giebel, sind mithin als Zweifamilienhäuser gedacht (Siehe Figur 35 und 36 S. 373).

Die Figuren 36 und 36 sollen als Muster für Häuser wohlhabenderer Bergleute dienen, welche neben ihrer Berufsarbeit Landwirtschaft treiben.

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Sehr bewährt hiJ)en sich femer die Arbeiterwohnungen auf Schacht m der Zeche ZoUem der Firma Haniel, welche vom Greh. Medizinal- und Beg.-Rat Dr. Weiß in Düsseldorf in einem Bericht über die sanitären Verhältnisse des Begierungsbezirks Düsseldorf beschrieben sind. Weiteres über Arbeiterwohnungen siehe in Bd. IV dieses Handbuchs.

Schlafhäuser*).

Um Bergarbeiter, welche zu entfernt von den Gruben wohnen, als daß sie täglich von Hause nach der Arbeitsstätte und zurück kommen können, oder die durch ihre häuslichen Verhältnisse an ihre Heimat gebunden sind, von denen viele in entfernteren Dörfern Ackerbau treiben, zweckmäßig unterzubringen, sind von vielen Verwaltungen Schlafhäuser, kasemenartige Grebäude, hergestellt

In England kennt man diese Einrichtung nicht ^, obwohl in neuester Zeit Baracken als Schla&äle eingerichtet wefden. Der englische Berg- arbeiter benutzt znr Reise nach dem oft 12 km von der Ghube ent- fernten Wohnort und zurück die Eisenbahn, welche ihm Wochenbillets zu dem billigen Preise von 50 Pf. bis 1 M. verkauft. In Prank- reich sind Schlafhäuser sehr selten. Auf den Gruben von Boucbamp (Haute-Sa6ne) ist eine geringe Anzahl von Schla&älen den entfernt wohnenden Bergleuten zur Verfügung gestellt, und liefert die Ghesellschaft diesen freie Heizung, Beleuchtung, Betten und Bettwäsche, auch einige Küchenutensilien unentgeltlich.

In Belgien ist bei Lüttich von der Grube Hasard das schon S. 363 erwäluite Arbeiterhötel Louise entstanden, um den Insassen der Ansiedelung Gelegenheit zur Erlangung billiger Lebensmittel, zur Erfrischung außerhalb der Arbeitszeit, zum angenehmen Leben zu ge- währen. Das Gebäude ist sehr groß, bedeckt 1000 qm Bodenfläche und

*) Vergl. dieses Handbaoh, Bd. VI, Seite 170.

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faßt außer dem Beamtenpersonal 200 Arbeiter. Ein Cafö, ein Erholongs- ranm für 100 Personen, die Küche, Bäder und Waschkauen, Bäume zur Reinigung der Wäsche, Magazine för Lebensmittel und Bekleidung, eine volkstümliche Bibliothek befinden sich in dem Biesenbau einverleibt. Wasser ist in jede Etage des Baues geleitet, und die Beleuchtung wird durch Petroleumgas bewirkt. Die Leute selbst sind in großen, gut durch- lüfteten Sälen von 6 m Höhe untergebracht und liegen allein oder zu zweien und dreien in einer Zelle. Die Scheidewände derselben aus Tannenholz erreichen nach dem System Hanega nicht die Decke, sondern sind nur 2,5 m hoch und gehen nicht bis zum Fußboden herab, lassen vielmehr einen Spalt von 20 cm frei, damit die Lufbdurchströmung der einzelnen Abteile nicht gehindert und der reinigenden Bürste (Gelegenheit ihrer Thätigkeit in vollkommenerem Maße geboten werde, als dies bei bestehenden, mit Staub angeföllten Ecken und Winkeln möglich ist. Den Lisassen steht ein eisernes Bett mit Strohsack, eine Seegrasmatratze, 2 Leintücher, 2 wollene Decken im Sommer, 8 im Winter, 1 Stuhl und 1 Schrank zur Verfügung. Das Mobiliar jeder Zelle kostet 100 Frcs. Trotz der strengen Hausordnung sind die Bergleute sehr zufrieden mit ihrer Lage. Ln Winter wird um 9 Uhr, im Sommer um 10 Uhr das Licht ausgelöscht, die Frühglocke ertönt um 5 Uhr. Die drei Mahlzeiten erhält der Mann auf Bons, welche er fQr 14 Tage entnimmt Die Er- nährung ist vorzüglich, und wird u. a. mittags 125 g Fleisch gereicht. Für 1 Frc. 20 Cts. pro Tag erhält der Mann volle Nahrung in drei Mahlzeiten und ein Frühstück, welches er in der Orube verzehrt, Wohnung, Wäsche, besonders Wäsche seines Arbeitsanzuges. Es ist eine vorzüg- liche Einrichtung dadurch getroffen, daß der Arbeiter nach der Ausfallt jedesmal beim Eintritt in das Hotel auf seine Nummer reinliche Kleider und ein Handtuch empföngt, in der Waschkabine seine Reinigung vollzieht, die schmutzigen Grubenkleider, in das benutzte Handtuch eingeschlagen, durch eine kleine Fallthür in die Waschküche wirft und nunmehr ge- reinigt und reinlich gekleidet die Bäume zum Essen oder zur Erfrischung betritt. Das Reinigen der Wäsche wird durch rotierende Dampfwasch- maschinen, Wringmaschinen und Dampftrockenapparate besorgt Vier Personen richten 200 Stück schmutzige Wäsche täglich gereinigt her und ordnen dieselben. Das Hotel Louise hat 180000 Frcs. gekostet, ist seit 1872 eröffnet und gewöhnlich mit 200 Bergleuten belegt Die- selben gehören verschiedenen Nationen an, sind teils Junggesellen, teils verheiratet Die Insassen haben stets den Aufreizungen der Kameraden zur Arbeitsniederlegung widerstanden, und war die Verwaltung von Hasard ebenso zufrieden mit dieser Einrichtung als die Arbeiter. Ln Jahre 1875 wurde deshalb ein zweites Etablissement f&r 180 Arbeiter in gleichem Stile errichtet und zwischen diesen ein Arbeiterkasino zum Vergnügen und zur Zerstreuung der Bergleute erbaut

Die berg- und hüttenmännische Bevölkerung in Oberschlesien liebt im allgemeinen das Wohnen in kasemenartigen Bauten nicht, da die in denselben verlangte Ordnung ihnen lästig ist, und sind deshalb da, wo Familien junge Leute als Quartierburschen aufriehmen, die Schlaf- häuser nur mangelhaft belegt Li Zeiten, in welchen die Lidustrie blüht, auch im Winter, wenn größere Massen von Kohlen gefordert werden müssen, werden aus Galizien Arbeitskräfte zeitweilig herangezogen, welche dann die Schlafhäuser anfallen. Ln allgemeinen läßt auch in Ober- schlesien die Ordnung und Reinlichkeit in diesen Häusern zu wünschen übrig ^^, jedoch sind einzelne Bauten hygienisch musterhaft eingerichtet,

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Hygiene der Berg- und Tannelarbeiter. 375

besonders die in neuester Zeit entstandenen besitzen Centralheizung, Badezimmer, Wasserleitung, Klosetts, vollständige Trennung der Wasch-, Küchen- und Schlafräume. 1888 ^ ^ wurde ein Schlaf haus der Emanuel- segengrube gebaut (vergL Zeitschr. fär Berg-, Hütten- und Salinenwesen 38. Bd.) mit 11 SchlafiBälen för je 8 und 1 fär 12 Arbeiter. Jede Schlaf- stelle hat einen Luftraum von 12,5 cbm, und sind die Einrichtungen des Hauses nachahmenswert. Auch hier ist vorgeschrieben, wie im Hotel Louise, vor dem Betreten der Wohnräume sich vollständig zu reinigen, die Grubenkleider abzulegen und sich mit einem von der Verwaltung gelieferten Hausanzuge zu bekleiden.

Zu Anfang des Jahres 1890 hatten die Verwaltungen der Hütten und Gruben Oberschlesiens Schlaf häuser mit im ganzen 2974 Schlafstellen, von welchen 2163 belegt waren. Von 31874 ledigen Arbeitern lagen in Schlafhäusem 1863 (5,8 Proz.), wohnten bei den Eltern 20422 (64 Proz.), waren als Quartierburschen untergebracht 8769 (27,6 Proz.), und 820 (2,6 Proz.) hatten einen eigenen Hausstand. Eigentliche Menagen sind in den Schlafhäusem nicht eingerichtet Die Schlaf hausmeister halten Speisen und Getränke, welche ihnen von den Verwaltungen vorgeschrieben sind, zum Verkauf. Es wird aber wenig Gebrauch von dieser Bequem- lichkeit gemacht, da die Artikel nur gegen Barzahlung verabfolgt werden, während das Borgen bei den Eokuf leuten vom Bergmann vorgezogen wird.

Siud auch viele Schlafhäuser mit Rücksicht auf die Gesundheit der Insassen recht zweckmäßig erbaut, so können dieselben doch uur als Notbehelf dienen, insofern jede andere Domizilierung vorzuziehen ist In waldreichen Gegenden, welche an Ortschaften arm sind, wie im Saarbecken, wird man diese Kasemierang von Arbeitern noch lange notwendig haben, da Arbeitskräfte aus Bayern, Elsaß, Birkenfeld heran- gezogen werden mQssen. Die Leute bleiben während der Wochentage in den Schlafhäusern, gehen Sonnabends nach Hause, um am Montag zur Arbeit zurückzukehren. Um die Schlaf häuser zu entvölkern, sind die Eisenbahnzüge so gelegt, daß die meisten Bergleute täglich nach verfahrener Schicht ihren Heimatsort erreichen können. Viele benutzen wie in England auch in Deutschland das Velociped.

Die Schattenseiten, welche das Zusammenwohnen sehr vieler Berg- leute in einem großen Baue haben, sind darin su suchen, daß bei dem Zusammensein der Arbeiter während 14—16 Stunden (8-stündige Schicht) zu allen mißlichen Erzeugnissen des Uebermutes und der langen Weile Gelegenheit sich bietet, und daß bei Gärungen unter den Gruben- arbeitern, mit welchen in der Jetztzeit stets gerechnet werden muß, einer Zusammenrottung unter Führung schlechter Elemente in diesen Massenquartieren am schwersten vorzubeugen ist Auch ist die Rein- lichkeit trotz der besten Bestrebungen der Behörden in bergmännischen Schlafhäusem bei weitem nicht in dem Maße zu erzielen wie in mili- tärischen Kasernen, in welchen eine große Anzahl von Vorgesetzten die Aufsicht führt, und in welchen die Reinigung von den Bewohnern selbst zwangsweise ausgrführt wird, während ein Schlafhaus außer der Herrichtung des Bettes, welches der Bergmann selbst besorgt, durch einen Schli^hausmeister und sein Dienstpersonal, zumeist gegen einen bestimmten Lohnsatz, gereinigt wird. Es ist hierbei noch zu berück- sichtigen, daß der Bergmann sehr viel Schmutz und Staub an sich und seinen Kleidern in das Haus hineinträgt, besonders wenn ihm eine Gelegenheit zum Baden sofort nach dem Verlassen der Gruben nicht ge-

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boten ist. Und dieser Mangel wird auf vielen Graben noch angetroffen. Die Bevölkerung der ScfaJiafhäuser nimmt mit der Vermehrung der Arbeiterhäuser in der Nähe der Gruben immer mehr ab, und ist diea erfreulicherweise in allen Bezirken Deutschlands, besonders auf den fiskalischen Werken, durch die Erfahrung festgestellt

Im Oberbergamtsbezirk Halle sind in Schlafhäusem nur unverheiratete Leute untergebracht, welche von fem her eingewandert sind, meistens aus Posen und Sohlesien, und welche, sobald sie dauernd» Arbeit gefunden haben, andere Wohnungen aufsuchen. Auf den fiskalischen Werken sind die in groBem Stile eingerichteten Schlaf häuser als solche nicht mehr benutzt. So sind die größeren, im Jahre 167S und 1874 er- bauten Schlaf häuser der Braunkohlengruben bei Eggersdorf und Langen- bogen, nicht mehr im Gebrauch, ebenso war 1890 von den drei ftbr 8—400 auswärtige Arbeiter eingerichteten Schlaf häusem in Büdersdorf nur noch ein einziges, und zwar mit 11 Mann belegt. Auch in Staßfurt beher» borgte das für 100 Arbeiter erbaute Sdhlaf haus zu derselben Zeit nur 8 Mann. Anders sind die Verl^tnisse auf den Privatwerken. Dort findet man vielfach Baracken und Ziegelsteinbauten mit sehr einfachen Einrichtungen. E^leinere Säle von 6 und größere bis zu 80 Betten^ Küchen, in welchen die Leute vielfach ihre Speisen selbst bereiten, und ein gemeinsamer Speise- und Aufenthaltsraum stehen den Lisassen zur Verfügung. Die Lagerstätte besteht aus Bettstelle oder Pritsche, einem Strohsack, Kopfpfühl und wollener Decke. Für Benutzung des Schlaf- hauses haben die Bergleute monatlich gar nichts oder 50 Pf. zu ent- richten *•

Die bedeutendsten Schlafhäuser, 9 an Zahl,^ besitzt die Mans- felder kupferschieferbauende Gewerkschaft Dieselben enthalten 2414 Betten. Eins von ihnen mit 48 Betten ist für Mädchen eingerichtet. Diese Häuser sind teils barackenartig gebaut, teils ala Pachwerkbau aufgeführt, besitzen Luftheizung, Ventilation und Wasser- leitung. Die Einrichtungen sind hygienisch vorzüglich. Die Häuser liegen frei und luftig, sind von Ghirtenanlagen umgeben, enthalten geräumige Schlaf- und Speisesäle, Badeanstalten und Waschräume, Unterhaltungs- und Lesezimmer, Bibliotheken, Erholungsplätze in den Gärten, Kegel- bahnen u. s. w. Für Wohnung, Licht und Feuerung zahlt der Schlaf- hauseinlieger im Sommer 6 Pf, im Winter 8 Pf. pro Tag. Die Zahl der Schlafhausbewohner hat zum Teil wegen der strengen Hausordnung,, welche die jungen Burschen nicht lieben, in den letzten Jahren sehr ab- genommen, sodafi ein Teil dieser Gebäude für Familienwohnungen abge- trennt wurde. Die Mansfelder Gewerkschaft hat bis zum JiJire 1890 ftbr den Bau von Schlafhäusem 1329296 M. 96 Pf. verausgabt. Diese Summe und die für den Bau von Arbeiterwohnungen zur Vermietung und für Gewährung von Bauvorschüssen und Prämien zusammen betrug 8531 953 M. 76 Pf. bei einem Arbeiterbestande von 17393 Köpfen.

Li Westfalen sind die Schlafhäuser grofie Kosthäuser, welche von unverheirateten Burschen, die meistens aus den östlichen Provinzen ein- wandern, dauernd bewohnt werden, und welche, wenn überhaupt, jährliob nur einmal in ihre Heimat zurückkehren. Die Menagen Hefem den Leuten für sehr billigen Preis nahrhafte Kost, und sind die Lisassen zur Entnahme ihrer täglichen Nahrung aus den Menagen in den meist^i Fällen verpflichtet. Die Bergwerksgesellschaft Gneisenau beköstigt in dieser Weise in einem für 200 Arbeiter eingerichteten gröBeren Speise-^

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Hygiene der Berg- and Tmmelarbeiter.

377

saale 120 Personen und in einem kleineren eine Anzahl von Beamten. Außer den allgemeinen Schlafs&len ist ein in Zellen geteilter Saal f&r kranke Bergleute reserviert, und im Nebengebäude befindet sich ein Des- infektionsapparat. Die Zeche Prosper^ besitzt ein Schlafhaus mit 700 Betten und liefert den Bewohnern ein sehr gutes Mittag- und Abend- essen von westfUischem (behalt f&r 60 Pf.

Im Saarbecken' befinden sich auf jeder Orube größere Schlaf- häuser, welche auch verheiratete Arbeiter während der Woche beher- bergen, die ihren festen Wohnsitz in Landwirtschaft treibenden Dörfern in Bayern, Birkenfeld und im Elsaß haben. Die neuesten und am besten eingerichteten Etablissements dieser Art sind auf Grube Heinitz und von der Heydt erbaut. Auf ersterer befinden sich zwei Schlafhäuser, auf letzterer eines gleichen Stiles. Das Schlaf haus der Grube von der Heydt ist nebenstehend abgebildet. Die Zeichnung bedarf keiner Erklärung.

Fig. 87. Scblafhaat der Grabe von der Heydt.

Die Bauten sind 70,7 m lang und 18,2 m tief, zweistöckig und von Bruchsteinen erbaut. Der Hausflur durchbricht beide Stockwerke und wird von 3 Oberlichtem gekrönt. Zwei große Blechhauben im Dachfirst vermitteln die Ventilation. Zu den Aborten, welche sich außerhalb des Hauses befinden, gelangt man über gedeckte Brücken. Die Abfallrohre sind über Dach verlängert. In denselben besorgt eine stets brennende Gasflamme die Absaugung der Gase. In den Gebäuden befinden sich je 89 Bäume, welche durch Luftheizung erwärmt werden und ventiliert sind. Die Wärmeregulierung kann nur durch den Wärter geschehen, und wird die Temperatur auf 20** C erhalten. In den Schlafhäusem zu Heinitz befinden sich neben Küche, Kaffeeküche, Wirtschaftsräumen große luftige Waschkauen, an deren Wänden metallene Kippbecken, über welchen sich Hähne für kaltes und warmes Wasser befinden, angebracht sind. In von der Heydt sind im ersten Stockwerk 2 Badezimmer mit 11 Badezellen, welche isoliert, stets erwärmt und zum Empfang von Badenden bereit sind. In der Spülküche befindet sich eine Badeeinrichtung mit Wanne und Douche. Die Bäder werden fleißig benutzt. Die Betten bestehen aus Strohsäcken, Kopfpolstem, mit Leinen überzogenen wollenen Decken. Das Stroh wird jährlich zweimal, die Bettwäsche monatlich zweimal und das Handtuch alle 2 Tage erneuert. Für Wohnung, Licht^ Heizung,

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378 FÜLLER,

Beinigang, Brenninaterial zum Abkochen, Wäsohe zahlt jeder Insasse 2 M. pro Monat. Die Aufsicht wird in den fiskalischen Schlafhäusern durch einen Schlafhausmeister, aber auch durch die Beamten der Gruben geführt, und ersterer versieht gewöhnlich noch die Reinigung des Hauses und der einzelnen Zimmer, sodaß der Bergmann nur seine eigene Lager- stätte und seinen Abteil im Wandschrank, der jedem Einlieger zu Ge- bote steht, in Ordnung und reinlich zu erhalten hat. Wegen der oben angegebenen Verhältnisse sind die Schlafhäuser der Saarbrücker Gfuboi stets voll besetzt Die 39 bewohnten Bäume der 8 Schlafhäuser, welche je 6 m lang und 6 m breit sind , nehmen je 10 Mann auf, ja es sind öfters in den Speicherzimmem Leute untergebracht, wenn mehr als 390 Mann in einem der Schlafhäuser liegen müssen. Jedem Bett steht ungefähr 10 cbm Luftraum zur Verfügung. Von der Saarbrücker Beleg- schaft von 29446 Mann im Jahre 1890 (Tabelle S. 367) waren 4889 in Schlafhäusem untergebracht. Die Grube Heinitz beherbergte auf diese Weise 1336 Arbeiter, zur Zeit 800 Mann ^^.

Auch der Mechernicher Bergwerksaktienverein' unter- hält für auswärtige Arbeiter ein Schlafhaus mit 400 Betten, welches von Garten, Rasenplätzen, Zierbeeten mit Springbrunnen umgeben ist, und in dem sich eine Speiseanstalt befindet. Die Hausregeln sind streng, aber zweckmäßig. Jeder Einlieger muß wöchentlich wenigstens einmal badeD, das Beinigen und Aufbewahren des Schuhwerks und der Arbeitskleider ist an bestimmte BÄume gewiesen, Ordnung, Beinlichkeit und äußerer Anstand wird auf das Strengste gefordert. Für Benutzung des Schlaf- hauses werden wöchentlich 75 Pf. entrichtet

InOesterreich kommen die größeren Werke ebenfalls nicht ohne Masseneinquartierung der unverheirateten Arbeiter aus. So wird von der Wittkowitzer Bergbau- und Eisenhüttengewerkschaft ledigen Arbeitern in 10 Kasernen mit 2000 Betten Wohnung, Wäsche, Bedienung, Be- leuchtung, Heizung gegen Zahlung von 1 fl. 20 kr. pro Monat gewährt, und vorübergehend beschäftigte Arbeiter finden in Baracken mit 1000 Betten Unterkunft.

Witwen- und Waisenhäuser werden entweder von den Knappschaftsvereinen oder von den Arbeitgebern in einzelnen Fällen unterhalten. Der Saarbrücker Knappschaftsverein besitzt ein Waisen- haus mit Gartenland, in welchen im Jahre 1893 36 Kinder zur Er- ziehung untergebracht waren. Der Mechernicher Bergwerksaktien- verein verpflegt in einem durch Stiftung des früheren Verwaltungs- ratsmitgliedes E. Kreuser entstandenen Hause mit Gartenanlagen von einem Flächenraum von 1023 qm 10 altersschwache Bergleute, 10 Witwen und 74 Waisenkinder. Das Gebäude ist massiv in Stein und Eisen erbaut, besitzt Luftheizung, Ventilation und Wasserleitung, Badeeinrichtung und Schlaf säle. Graf Ball est rem hat auf Ruda Plowniowitzein Witwenhaus eingerichtet, welches in erster Richtung Witwen verunglückter Bergleute dient und mit dem eine Kinderbe- wahranstalt verbunden ist Der Andrang der Witwen ist sehr groß.

Das lobenswerte Bestreben, für die Witwen und Waisen der Bergleute Häuser zu schaffen, in welchen denselben Lebensunterhalt und Erziehung unter liebevoller Aufsicht wird, verdient eine recht rege Nachahmung.

1) BeriefU über die 6. Venamwibmg des De^Aethm Vereme für Öffem/Meke Cfenmdheüspßege^ Braun$dtweig (1890), Deuteeke mediamüehe Woehenechrift (LS90) 8, 1008.

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1?

Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 379

5) 0. TM^Uehfbeek, Zeäschr, f. d. Berg-, Bmen- und SaJmemioueH im preuftiithm Staate. 40. Bd. 1 (1892).

3) Die Ewtriehtimffen zmn Bettm der ArMUr auf den Bergwerken Preufiem, im Auftrage 8r, ExeeUenm des MinitterB f^r Handd, Gewerbe und öj^enOidie ArbeiUn na^ amtUehen Qudien bearbeitet (1875)

4) Poinearrt, Traiti d^hygiine industrieOey Parü (1868). ö) F. Lanr, Lee minee et ueinei en 1889. Airis (1890).

6) B. Hasse und 8. Krümmer, Die BergarbeiterverhäUms$e in Oro/tbritannien, auf Grund einer m Sommer 1890 ausgeführten Inetruktionereiee bearbeitet^ Sai/rbrüeken (1891)

7) H. Snlenberg, Handbuch der Gewerbehygiene^ Berlin (1876).

8) Bergmamufreund (1894) No, 16, 126.

9) Albreeht im Berieht über die allgemeine deUteciu AusiteUung auf den Gebieten der Hygiene und det Bettungewetem von Paul Börner^ Berlin (1882/83).

10) Die Arbeäerbeiegtchaft dee Saarbrüeher BergwerkdkrdBtionshenirhg muih den Ergebnieeen der etatietieehen Erhebungen vom 1. Den. 1890 in 8 Tabellen, Saarbrüehen (1891)

11) Kahna, Die Emährung$verhältmi$se der induttriellen Arbeiterbevlflkerung Obereehletiene, Le^mg (1894).

Bmmerieh, Archiv für Hygiene (1884)

Stapenhorst, Berieht über WohlfahHieinri^äungen der Arbeiter m Norden Deutedklands, (1894).

14) M. J. d*Andrimont, Notice eur le a^rbonnage du Eaeard, ä Micheroux, Lüge (1878).

15) Sattig, Ueber die ArheiterwohnungtverhOltnitte im obenMeeieehen L^duitriebeMirkf Kattoufän (1898). Vergl auch Post-Albrecht, MusterttOtten u, f. w,

C. Eonsumyerelne.

Dadurch, daß der Bergmann täglich sich der Lebensgefahr oder der schweren Verletzung aussetzt, dadurch, daß er nie weiß, ob er unversehrt die Grubenarbeit verläßt, bildet sich bei vielen von ihnen, gleich wie bei Soldaten im Felde, ein gewisser Leichtsinn aus, der ihn über die materiellen Sorgen des Lebens hinweggleiten läßt Er borgt wie ein leichtsinniger Student, ohne daran zu denken, wann und mit welchen Mitteln er seine Schulden decken wird, er trinkt in einzelnen Revieren große Mengen von Branntwein, um sich in seiner leichten und frohen Stimmung zu erhalten. Sind diese Schäden unter den Arbeitern in der Gegenwart auch nicht mehr so verbreitet wie früher, und ist vielmehr eine Besserung in moralischer Beziehung und in den Besitz- verhältnissen zu bemerken, so ist Borgen und wiederholte Trunkenheit doch in so hohem Grade beliebt, daß Abhilfe dieser Leiden notwendig ist Auch höhere Löhne sind nicht imstande, bei einzelnen Familien die Lebensverhältnisse zu verbessern, dieselben erhöhen vielmehr den Kredit, der in unmäßiger Weise benutzt wird, und vermehren die De- moralisation, die Ungenügsamkeit, untergraben die Subordination. Im Jahre 1843^ schon schildert Victor van den Broeck diese miß-, liehen Eigentümlichkeiten:

„n n'est pas rare k trouver des familles, qui, bienque leur gain röuni atteigne quelquefois le chiffre de 60 francs par semaine, n' ont pas de meubles et n'ont pour couche qua de mauvaises paillages. La v^ri- table vie pour la g^neralit^ des ouvriers se r6sume dans les moments, qui passent au cabaret.

Au Premier abord on serait tent^ de croire, qu'une augmentation semblable a du contribuer k les mettre , euz . et leur familles dans une Position meilleure. Cela est vrai pour quelques-uns, mais est loin de se vörifier pour la plupart, et, j*ose le dire, sans craindre d*ötre d^menti, r^l^vation ezag^r^e des salaires fut plutöt une cause de d^moralisation qn'un bien-dtre etc. Sa vie, k lui, c^est le travail, qui lui rapporte, et le cabaret, qui le d^pouille."

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880 FÜLLER,

Diese Schilderung estspricht so sehr der Wahrheit, daß dieselbe die heutigen Verhältnisse treu wiedergiebt, jedoch mit der Einschränkung, daß sie nicht auf die Allgemeinheit der Bergleute, nicht einmal auf die Mehrzahl derselben paßt, sondern daß nur ein kleiner Teil diesen wirt- schaftlichen und moralischen Mißverhältnissen unterliegt.

Durch das Borgen kommt der Arbeiter in ein Abhängigkeitsver- hältnis zu den Geschäftsleuten , welches noch erhöht wird , wenn der Kaufinann ' zu gleicher Zeit der Wirt ist oder gar neben seinem Waren- geschäft einen Branntweinhandel betreibt, der den Abnehmer zum Ge- nuß desselben verleitet und ihn dann um so leichter mit seinem ganzen Besitz, mit seinem Lohne, der oft monatelang im voraus verpfändet wird, dem gewissenlosen Verkäufer in die Arme treibt Leider giebt es in den großen Kohlenbezirken genug unter denselben, die sich kein Gewissen daraus machen, den Leichtsinn und die Neigung zum Trinken auszunutzen, bis sie nicht allein das erworbene Häuschen des Beig- manns besitzen, sondern ihn mit seiner Familie materiell und moralisdi vernichtet haben ; und erst dann ziehen sie ihre Hand von dem Buinierten ab, wenn nichts mehr von ihm zu verdienen ist An der Spitze solcher Geschäfte stehen nicht etwa gelernte Eaufleute, sondern Leute, die ihr Handwerk aufgegeben, entlassene Arbeiter, moralisch minderwertige Personen, die, haben sie erst einmal in ihrer Gewinngier die Arme mn ein Opfer geschlossen, dasselbe nicht mehr loslassen und aussaugen bis zutai letzten Pfennig. Vor den höchsten Preisen kann sich der schul- dende Bergmann nicht mehr retten, er muß weiter borgen, wenn er nicht durch Verkauf seines Besitztums den umklammernden Armen ent- fliehen will.

Aber nicht nur aus diesem Grunde wurde das Bedürfiiis allerwärts empfunden, dem Bergmann billige und gute Waren zu beschaffen, son- dern weil die Nahrungsverhältnisse der Grubenarbeiter in vielfacher Beziehung nicht zu loben sind. Hat doch der Arbeitgeber ein ebenso großes Interesse daran, wie der Arbeiter selbst, daß eine zweckmäßige und auskömmliche Kost dem Körper zugeführt werde, damit derselbe die ihm zugeteilte Arbeit ohne zu große Ermüdung, ohne Schädigung seiner Organe, ohne zu frühzeitige Abnutzung leisten kann. Hierzu kommt, daß eine gute Ernährung den besten Schutz gegen Brannt- weingenuß gewährt

Sehen wir aber zu, wie vielfach die Ernährung des Bergmanns sich vollzieht Der Schlafhausbewohner bringt des Montags seinen Sack Kartoffeln von Hause mit und brät dieselben mit Speck oder Butter auf der Feuerstätte, die im Schlafhause ihm kostenlos über- lassen wird. Dazu trinkt er selbstgekochten oder aus der Kaffeeküche bezogenen Kaffee, auch wohl Bier. Es ist sicher, daß viele der Schlaf- hausinsassen während der ganzen Woche kein Fleisch genießen, son- dern die angegebene einförmige Mahlzeit abwechselnd mit Brot und Wurst oder Käse zu sich nehmen. In den Familien wird häufig durch die Unerfahrenheit der Frauen eine Küche geliefert, welche jeder Be- schreibung spottet, und welche ihren üblen Einfluß auch auf die Ein- lieger insofern ausübt, als dieselben mit dem Familienvater im Wirts- hause bei Bier und Branntwein, Brot und Wurst und welche Art von Wurst! Entschädigung für die mangelhafte Nahrungszufuhr suchen.

Im vollständigen Einverständnis mit dem Generaldirektor B er n^ hardi^, nach welchem „die Arbeiter der besser situierten Industrien,

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 381

wie namentlich des Bergbaues, sich gegenwärtig so gut oder besser ernähren wie der mittlere Bürgerstand derselben Provinzen vor 50 Jahren ; er besser ißt, trinkt und sich kleidet wie der wohlhabende Bauer vor 30 bis 40 Jahren^ und kein anderer Stand größere Fort- schritte in seiner Lebenshaltung gemacht hat wie der Arbeiter der Großindustrie^, ist der Bergmann noch 30 bis 50 (Jahre) gegen- über diesen Ständen zurück, und schädigen die angegebenen Mißstände so wie früher auch heute noch einen nicht zu kleinen Teil der Gruben- belegschaft Die Kartoffel spielt als Lebensmittel unbestreitbar eine zu große Bolle wegen ihrer bequemeren Zubereitungsweise, weil sie schmackhaft idt und durch ihren Genuß in größeren Mengen sehr leicht ein Sättigungsgefühl herbeigeführt werden kann. Einen ge- nügenden Ersatz für den durch erhöhte Muskelarbeit des Bergmanns vermehrten Verbrauch kann dieselbe niemals bieten.

Um die Familien den Gläubigern zu entziehen, ihnen für wenig Geld gute Waren zu liefern, würden von den Verwaltungen Konsum- vereine ins Leben gerufen, um den unverheirateten Knappen die Ge- legenheit einer wohlfeilen, nahrhaften und reichlichen Kost zu Re- währen, wurden Menagen eingerichtet. Die Konsumvereine verkaufen ihre Waren, um dem fiorgsystem entgegenzutreten, nur gegen bar, in Frankreich auf einzelnen Gruben gegen Zahlung bei der 14-tägigen Löhnung und gewöhnlich zu billigen Preisen, wenigstens nicht teurer als die Kaufleute des benachbarten Bezirks.

Es bestehen Konsumvereine mit und ohne Dividende. Welches von beiden Systemen das bessere ist, kann zur Zeit noch nicht entschieden werden. Die Dividende, welche in Frankreich in älteren Vereinen 12 bis 14 Prozent erreicht, giebt dem Bergmann eine Summe Geldes auf einmal in die Hand, mittels welcher er Wintervorräte ankaufen oder seine Schulden bezahlen kann. Dieselbe ist als Sparpfennig zu betrachten und gewissermaßen als Belohnung für die Barzahlung seiner Bedürfnisse und das Verlassen des Borg- systems. Von der Summe der Barzahlung für entnommene Waren erhält das Konsumvereinsmitglied am Ende des Geschäftsjsdires ge- wissermaßen eine Prämie. Diejenigen Vereine, welche ohne Dividende arbeiten, können freilich ihre Waren noch billiger verkaufen und auf die Qualität derselben noch größeren Wert legen, mit den Geschäftsleuten dadurch noch besser konkurrieren. Der Reiz der Dividende ist aber als Anziehungsmittel nicht zu unterschätzen und wird deshalb in den meisten Vereinen mit dieser gearbeitet

Trotz der größeren Billigkeit, der reelleren Bedienung und der in Aussicht stehenden Dividende werden die Verkaufsstätten der Konsumvereine noch nicht so häufig aufgesucht, wie dies wünschens- wert wäre, weil dieselben oft zu weit von den Bergmannsdörfern ent- fernt liegen, weil die Geschäftsleute durch Kredit, auch durch Ge- schenke, durch freundlicbes Entgegenkommen das Arbeiterpublikum anzulocken wissen. Es haben aber die Geschäfte der Konsumvereine in letzter Zeit einen bedeutenden Aufschwung genommen und üben auf die Preise der Lebensmittel an vielen Orten einen regulierenden Einfluß aus.

In Frankreich* ist mit den Konsumvereinen vielfach Bäckerei und Metzgerei verbunden. Die Soci6t6 coop6rative (Konsumverein) des mines de Bethune liefert täglich ihren Arbeitern 4000 kg gutes Brot,

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FÜLLER,

20 Proz. unter dem Tagespreise, und sehr billiges, aasgezeichnetes Fleisch. Die maschinelle B&ckerei mit 2 Etagenöfen in Blanzy lieferte im Jahre 1887/88 1010904 kg Brot. Dieselbe besitzt eine Dampfinühle, welche den Arbeiterfamilien große Mengen Mehl bereitet. Um die Preise mög- lichst niedrig zu halten, werden von der Verwaltung bedeutende Zu- schüsse gemacht. In den angegebenen Jahren wurden am Verkauf des Brotes 5256 frcs. zugesetzt. Der Umschlag der Konsumvereine nimmt auf den französischen Ghruben stetig zu. Unter anderen wurde die So- ci6tÄ coop^rative des mineurs d'Anzin im Jahre 1866 gegründet und hatte im ersten Jahre eine Verkaufseinnahme von 71 020 frcs. 10 cts., von welcher sie 8 Proz. Dividende verteilen konnte. Im Jahre 1889 be- trug diese Summe 1 181 912 ircs. 50 cts. und die Dividende 13 Proz. Seit ihrem Bestehen hatte die Gesellschaft ihren Mitgliedern 3 209 259 frcs. 19 cts. Dividende ausgezahlt, eine Summe, die den ökonomischen Ver- hältnissen ihrer Aktionäre, den Bergleuten, als beachtenswerter Sparerfolg zu gute kam.

In England sind Konsumvereine von Bergleuten sehr selten zu finden. Jedenfalls sind die Werkseigentümer bei denselben nicht beteiligt Der englische Bergmann liebt bei seiner Selbständigkeit die Einmischung der Brotherrn in seine Verhältnisse nicht. Es gehören aber sehr viele Bergleute zu den großartigen allgemeinen Konsumvereinen, deren Oe- schäfte so ausgedehnt sind, daß sie eigene Seedampfer unterhalten ^.

In Deutschland wird die segensreiche Wirksamkeit der Kon- sumvereine nach und nach anerkannt, und haben sich die Geschäfte derselben gehoben, obwohl immer noch nicht ein genügender Gebrauch wegen der angegebenen Gründe von den Instituten gemacht wird. Im allgemeinen schreitet aber die Entwickelnng derselben in Ober- schlesien und im Saargebiet rüstig fort, wie nachstehende Tabelle ergiebt

Tabelle.

Die nachfolsende ZasammeniteUnng yon Kahna* d«r MitgliedenMhl und des ge- samten ümMtewertei der oberschlesieclieii Koneumyereine (miisschUellilich dee Antonien- hfltter Vereins) beweist diee aas^scheinlich :

Jahr

Ansahl der

lAitgUeder

M.

18S6

4895

I 570031

1887

5081

1665031

1888

5422

1856 216

1889

6034

2083310

1890

6430

2144989

1891

9479

2735409

Der Verkaofserlös dee Konsamvereins AntonienhOtte allein betmf In den Jshren

1884 bis 189S :

1884 1885 1886 1887 1888

256895 M.

46143« 495"« ,1

597882 H

644534

1889 1890 1891 189S

782 276 M.

1028993 »t 1569652 I 667 260

erreichte also seit 1884, d. i. In 8 Jahren, die sechsfache HOhe.

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter. 383

Auf den fiskalischen Gruben der Saarb rücker Direktion liaben sich die Konsumvereine ebenfalls zu bedeutender Kraft und glück- lichem EinfluB auf die materiellen Verhältnisse der Bergleute erhoben. Vom Konsumverein der Ghrube Heinitz, welcher eine Bäckerei mit einem Ofen von 2 Etagen unterhält, die täglich 1400 Brote aus 2500 kg Mehl, das Brot 11 Pfg. unter dem Tagespreise, liefert, wird jährlich eine Million Mark und darüber umgeschlagen, ja der der Grube von der Heydt zahlt fär das Jahr 1894 eine Dividende von 15 ^/, Proz. Wie sehr wird mancher Bergmannsfamilie damit die Mehrausgabe fär die Wintermonate erleichtert. Polgende Tabelle giebt den Geschäftsstandpunkt der Jahre 1891/92 und 1892/93 sämtlicher Konsumvereine der Saargruben wieder. (Siehe Tabelle S. 384, 385.)

Bei der erziehlichen Wirksamkeit, aber auch dem nicht zu unter- schätzenden Werte, daß dem Grubenarbeiter billige, gute Ware ge- liefert, seine Nahrung durch Verkauf zweckmäßiger Konsumartikel von dem Preise angemessenem Nährwert beeinflußt wird, sollten die Verkaufsstätten möglichst nahe den Wohnorten gelegt und der Ein- tritt in den Verein nach Kräften erleichtert werden.

Litieratur $iehe 8. 389.

D. Menagen^ Speisewirtschaften.

Die Menagen oder Speisewirtschaften haben eine sehr verschie- dene Entwickelung erlebt, je nach den örtlichen Verhältnissen und dem Charakter der Arbeiter selbst

In Belgien, wie im Arbeiterhötel Louise bei Lüttich beschrieben (siehe Schlafhäuser) werden Menagen zur Zufriedenheit der Arbeiter und Arbeitgeber unterhalten, ebenso in Westfalen f&r die familienlosen Bergleute, woselbst Mittag- und Abendessen von sehr nahrhafter Qualität und genügender Menge in den meisten Fällen von zusammen 60 Pfg. ver- abfolgt wird.

In Oberschlesien verkaufen die Schlafhausmeister die denselben erlaubten Speisen und Getränke an ihre Schlafhausbewohner in so ge- ringen Mengen, daß von einer Speisewirtschafl in diesen Häusern nicht gesprochen werden kann. Die Bergleute ziehen vor, ihre Kartoffeln auf den zu diesem Zweck errichteten großen Plattenherden mit den ihnen frei gelieferten Kohlen zu braten, als sich dem Zwange einer geregelten Mahlzeit zu unterwerfen. Auf Orube Heinitz im Saarbecken wurde fi^er im Schlafhause I und 11 Speisewirtschaft betrieben. Es wurdeh nur Arbeiter, welche sich zur Benutzung der Menagen verpflich- teten, in die Schlafhäuser aufgenommen, und wurde diesen nur die Mit- tagsmahlzeit verabfolgt. Dieselbe bestand in ^/^ 1 Rindfleischsuppe mit Ories, Beis oder Oerste und außerdem Gemüse mit 125 g lUndfleisch. Ein- bis zweimal wöchentlich wurde Schweinefleisch geliefert, hierbei fiel die Suppe aus, und wurde dafür ein Zusatz von Kartoffeln und Gemüse gewährt. Auch Linsen, Sauerkraut und Bindfleisch bildeten zeitweise das Mittagsmahl. Der Preis ohne Brot, welches die Leute selbst zu liefern hatten, betrug fär die Mahlzeit 25 Pfg. Es wurden früher 700 Eßpor- tionen täglich verabfolgt und auf Tischen mit Marmorplatten und eisernen Püßen, welche von 11 ^1^ Uhr vormittags bis 6 Uhr abends mit rein- lichen Wachstuchdecken belegt waren, verzehrt. Auch Leute, welche nicht im Schlafhause lagen, durften sich an diesen Mahlzeiten beteiligen.

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384

fOller,

Znimmmeiistollang der Beehnungsergebiiisse der bergmlnnbehen KontomTereioe mf

No.

dee Vereinet

Stif- tangs- Jahr

mtgUeder

dee Gesebftftee

1

1

KonsttmTerein der Grabe Ens- dorf, e. O. mit beeohränkter Haftpflicbt

1890

666

Ubenimittel aller Art, Hast, haltangabedftrftiisae

S

KoDtamTerein der Grabe Looisenthal, e. G. mH be- sohrlnkter Haftpflicht

1868

"57

DeHfl.

8

KoniamvereiD der Grabe Tonder Heydt, e. G. mit betohrinkter Haftpflicht

1868

856

DMgl.

Eigene Bftckerei

4

KoniamTerein der Grabe Dad* Weiler, e. G. mit beschrftokter Haftpflicht

1868

269

Lebensmittel aUer Art

5

KonsamTerein der Grabe Heinits, e. G. mit beschrftnkter Haft Pflicht

1868

1448

Lebensmittel and Haashaltangs- bedflrfnisse, Bftckerei, Bier-

and 4 Kafftekficben

6

Konsamrerein der Grube Qdttel- born, e. G. mit beschrftnkter Haftpflicht

Samme 1892/98 1891/92

Mithin 1892/98 { ^^^^^

1891*

78

Lebensmittel and Haoshaltongs- gegenstftnde aller Art

4574 4306

268

Trotz der Billigkeit und Schmackhaftigkeit der Speisen yon hohem Nährwert, trotz der größten Sorgfalt, welche die Direktionen diesen Speisewirtschaften widmeten, brodeln schon seit Jahren wieder die Bergleute wie in Oberschlesien auf ihren Plattenherden Kartoffeln mit Speck und wollen von einer Speisewirtschaft nichts mehr wissen. Während eine solche mithin auf Grube Heinitz nicht mehr existiert, blüht die Menage auf Grube von der Heydt in demselben Saargebiet derart, daß man den Preis von 25 Pfg. für die Mahlzeit etwas herab- setzen und trotzdem durch sparsame Wirtschaft im Jahre 1894 so viel erübrigen konnte, daß im Januar 1895 den mehr als 300 Schlaf- hausinsassen während dieses ganzen Monats die Mahlzeit unentgeltlich geliefert wurde.

Der Grund der verschiedenen Aufnahme dieser Speisewirtschaflen, von denen man meinen sollte, daß sie vom Arbeiter gern und mit Dank benutzt würden, scheint in Zufälligkeiten zu liegen, besonders

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Hygiene der Berg- und Truinelarbeiter.

385

den SMrbrfleker Steinkohlengmben im Jmhre 189S beiw. 1892/98 ^

1^

Beredmnai? des Beingewinnee

Zmhl der

Summe

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GeMhifte-

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Vom Oeschlflsertrtg kommen in Abing

Bleibt Beinge- winn

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M.

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3

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DesgL der

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336

46896

3

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3

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2

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41567

3931

164

37483

...

-wird in einigen Gegenden der Zwang verabscheut, auch liegt das unsinnige Mißtrauen vor, daß auf Kosten der Arbeiter zu anderen Zwecken an dieser Verpflegungsart verdient wird.

Zur Eindämmung des Alkoholgenusses, den Menagen sebr wirksam herabsetzen, sind auf den meisten deutschen Gruben, vornehmlich aber in Westfalen und im Saarrevier, Eaffeeküchen in Iliätigkeit Auch wird in großen Mengen gutes Bier zu billigem Preise verzapft. An drei Ausschankstellen werden z. B. auf Grube Heinitz-Dechen des Montags 675 bis 800, an den übrigen Wochen- tagen 230 bis 320 Tassen Kaffee verkauft Die Tasse zu 0,4 1 kostet 2 rfg. , mit Zucker 3 Pfg. Auf derselben Grube kommen monatlich im Sommer 5000, im Winter 4000 1 guten bayrischen Bieres direkt vom Faß gezapft zum Ausschank. Es kostet ^/^l: 8 Pfg.

Litteratur neht 8. 889.

Haadboeh d«r HTgiene. Bd« TIIL

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386 FÜLLER,

fi. Sehulen^ Bibliotheken.

Bei der schnellen Vermehrung der Bevölkerung in den einzehiea Kohlenrevieren war die Einrichtung von Schulen seitens der Ver- waltungen Notwendigkeit, und mufiten in Staaten, in welchen der Elementarunterricht nicht obligatorisch war, die Grubenverwaltungen selbst für den Unterricht der Bergmannskinder sorgen.

In Frankreich unterhalten die meisten Bergwerksverwaltungäi Schulen auf eigene Kosten ; die den Orten mit gemischter Bevölkerung naheliegenden Gruben zahlen namhafte Beihilfen zum Unterricht welcher in den meisten Fällen von religiösen Orden geleitet und von deren Mitgliedern erteilt wird: So unterhielten 1888 die Gruben von Blanzj (Centre) 13 Elementarschulen (6coles primaires), welche von 118 Lehrern und Lehrerinnen bedient wurden und zusammen 57Q2 Knaben und Mädchen erzogen. Diese Gruben beschäftigten auch Knaben, Mädchen und Frauen in einer großartig angelegten mechani- schen Weberei von Seiden- und Wollengeweben, welche in genanntem Jahre 120000 Frcs. Löhne auszahlte. Die Gruben von Anzin gaben zu derselben Zeit 31875,45 Frcs. für Schulzwecke aus und unterhielten von ihren Ingenieuren geleitete Spezialschulen, in welcher besonders be- anlagte Schüler der Elementarschulen zu Elitearbeitem ausgebildet wurden (Steiger?). Außerdem bezahlt die Gesellschaft jährlich für zwei junge hervorragende Arbeiter die Unterhaltungskosten an der Bergschule von Douai (£cole des maitres-mineurs k Douai).

Bibliotheken und Lesezimmer, welche durch Beiträge der Bergleute selbst, auch durch Schenkungen des Werkes unterhalten und von einer Arbeiterkommission verwaltet werden, Genossenschaften zur Fortbildung, finden sich in England^ häufig in Südwales, Northumberland-Durham, selten in den mittelenglischen Grafschaften, fehlen ganz in Schottland. In den Bäumen der Bibliotheken ist Bauchen und Verabfolgen von geistigen Getränken unstatthaft

Die Bibliothek der Lewis - Navigation - Gruben in Südwales besaß im Jahre 1888: 800 Bände, darunter 895 Romane und Novellen, 106 Schriften verschiedener Art aus Cassels National-Library, 76 wissen- schaftiiohe und belehrende Bücher, 50 Biographien, 60 geschichtliche Werke, 20 Beisebeschreibungen, 42 Bände über Geologie, Bergbauknnde und Mechanik. Die übrigen waren musikalischen und religiösen Inhalts. Das New-Marshe-Listitut in Cleveland in Verbindung mit den Eisenstein- gruben der Firma Pease & Partners zu Darlington unterhält Lese- zimmer, Bibliothek, Vortragssaal, Fortbildungsschule, Erholungsraum, Billardzimmer und Spielplätze. Dieses Listitut ist unmittelbar der Werks- verwaltung unterstellt Die Benutzung der Bäume und ihres Lihaltes ist gegen ZaUung von 1,0 M. vierteljährlich oder 16,7 Bennys zweiwOchent- lieh freigestellt. Die Fortbildungsschule wird zahlreich besucht^ und wird in derselben Physiologie, Schall, Licht, Wärme, Hygiene, organische Chemie gelehrt. Der Kursus wird während der Wintermonate abgehalten, und haben die Schüler ftbr denselben 1,0 M. zu entrichten.

Auch die preußischen Staatsbergwerke besitzen ArbeiterbibUotheken.

Fast überall in England, besonders in Northumberland-Duiiiamf werden Erholungsplätze und Hallen von den Bergleuten er* baut und unterhalten, wenn auch in einzelnen Fällen der Werkseigen- tfimer den Grund und Boden, wie auf den Ashington-Gruben, hierzu

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Hygiene der Berg- und Toimelarbeiter. ' 387

hergiebt Aus den der Erholung und Belehrung gewidmeten Räumen sind geistige Getränke yerbannt Wohl aber wird die Unterhaltung durch Musikkapellen unterstützt, ja die englischen Bergleute lassen sich Professoren aus London kommen, welche ihnen gegen BezsüUung belehrende Vorträge in ihren Versammlungsräumen halten.

Die Wittkowitzer Bergbau- und Eisenhüttengewerk- schaft in Mähren unterhielt 1880 zwei je seohsklassige Knaben- und Mädchenschulen mit 461 Schülern und 485 Schülerinnen und eine Hand- arbeitsschule ftbr 25 Schülerinnen.

Durch den Elementarschulzwang in Deutschland wurden die Gmbenyerwaltungen der Pflicht, für den Unterricht der Bergmanns- kinder zu sorgen, enthoben. Es werden aber bei Ueberlastung der Schulen diese von den Direktionen, besonders von Seiten der Staats- werke, unterstützt, den Schülern werden freie Bücher geliefert Je- doch werden auch von verschiedenen Werken Schulen unterhalten. So bestehen Schulen und Nähschulen auf Kosten des Mechemicher Bergwerksaktienvereins. Die Mansfelder Kupferschiefer-bauende Ge- werkschaft gab in 17 Jahren bis zum Jahre 1880: 160615 M. für Schulzwecke aus und gab unentgeltlich Bauplätze für den Schulbau in Dörfern mit Arbeiterbevölkerung her. Man konnte seine Be- strebungen deshalb darauf richten, die kleinsten Kinder bis zum Schulbesuch dem oft recht schädlichen Einfluß der Häuser, in denen Rohheiten nicht zur Seltenheit gehören, durch Einrichtung von Klein- Kinderschulen zu entziehen. In diesen werden die Kleinen nach dem System der Fr ob el- und Kohl er 'sehen Kindergärten beschäftigt, mit Gesang und Spielen unterhalten. Aber auch um einigermaßen dem Uebelstande, welchen unerzogene Frauen auf den Bergmannsstand ausüben, abzuhelfen, werden überall Industrieschulen angetroffen, welche durch Unterricht in Handarbeiten, Nähen, Stopfen, Bügeln, Stricken die jungen Mädchen für den Ehestand zweckmäßig vorzubereiten streben. Besser wären noch Wirtschaftsschulen, in welchen Sparsamkeit und Beinlichkeit und die Fähigkeit, eine Arbeiterfamilie gesundheitsgemäß zu ernähren, das Kochen gelehrt würden. Kuhna* schlägt vor, daß dieser Unterricht schon in den Elementarschulen erteilt werden sollte, da dort sämtliche Mädchen durch den Schulzwang Vorteil von demselben haben würden, während in den Industriesdiulen, deren Besuch zwanglos ist, Haushaltungsunter- ridit gar nicht erteilt wird. Notwendig wären derartige Schulen in großen Industriebezirken: denn beruht schon der Ausspruch des Dr. von Rechenberg^ „leider sind wir bis jetzt darin besser unter- richtet, wie das Rind und Schwein je nach dem zu erstrebenden Zwecke gefüttert werden muß, als wie der Mensch zu ernähren ist*' im allgemeinen auf Wahrheit, um wieviel mehr ist es von größter Wichtigkeit, im Bergmannsstand, in dem die Frauen zu jung in die Ehe eintreten, um nur einigermaßen die Fähigkeit haben zu können, einem Haushalte vorzustehen, Gelegenheit zum Erlernen des wirt- schaftlichen Haushaitens, des Kochens zu schaffen.

Zar Ausbildung zum Steigerdienst wird in Werksschulen oder Steigerschulen, besonders auf den Staatswerken, geeigneten jugendlichen Bergleuten Gelegenheit gegeben, auch werden in Steiger- schulen Obersteiger ausgebildet Im Harz werden in Pochknabeu-

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388 FÜLLER,

schulen dnrch 18 - stündigen Unterricht in der Woche jugendUdie Arbeiter in Rechnen, Schreiben, Lesen und anderen Elementarfächem fortgebildet *.

Litteratur tiOu 8, 889.

F. CfeselUgkeit der Bergleute.

Ihre Erholung finden die Bergleute je nach den nationalen Ge- wohnheiten in sehr verschiedener Art.

Die Deutschen treten in Gesangvereine zusammen und schließen sich anderen allgemeinen Vereinen als Krieger-, Tum-, auch religiösen Vereinen an. In den Gesangvereinen erklingen dann oft im Quartett, auch mit Musikbegleitung, jene melancholisdien oder heiteren, gemütsvoUen Lieder, welche zu einer großen eigenartigen Poesie des Bergmannsstandes angewachsen sind, deren Inhalt den Allerhöchsten preist, welcher die Knappen bewacht bei den stets drohenden Gefahren in ihrem unterirdischen Werke und der, wenn das Grubenlicht für ewig erlischt, sie sicher zum Himmel emporleitet Es besingen die Bergmannslieder den Gedanken an das Liebdien ,4m tiefen, tiefen Schacht" und dieses süße Empfinden, welches die Ar- beit belebt und fördert „im rauhen Felsgesteine''. Fast auf jeder Zeche wird eine Musikkapelle von Bergleuten, welche dabei in der Grube arbeiten, unterhalten, die in bestimmten Zeiträumen doA Ar- beitern und Beamten Konzerte giebt oder ihnen zum Tanze aufspielt Diese Kapellen leisten in Anbetracht ihrer Zusammensetzung oft Er- staunliches, so daß dieselben nicht selten in naheliegenden größeren Städten mit Erfolg konzertieren.

Auf sehr vielen Gruben befinden sich Arbeiterbibliotheken.

In Frankreich bilden die Bergleute unter sich mannigfache Vereine, welche von den Verwaltungen reichliche Unterstützungen erhalten. Dem Geschmacke des Landes gemäß wird großer Wert auf glänzende Kostüme selegt Bei festlichen Gelegenheiten, bei Auf- zügen an Bergmannsfesten (la fSte de Sainte - Barbe) glänzen hierin die Pompiers und die Bogenschützen stolz unter Zujauchzen der schaulustigen Menge. Das Bogenschießen ist ein von alters her unter den französischen Bergleuten geübter Sport, und die „Soci6t^ d' archers" werden von den Gesellschaften nicht nur regelmäßig unter- stützt, sondern es werden auch mehreremale im Jahre für den besten Schützen nicht unerhebliche Preise ausgesetzt Die Vereine alter Militärs genießen besondere Begünstigungen von der Grubendirektion. Diese Krieger- oder WaflFenbrüdervereine sind nur von Bergleuten der einzelnen Gruben gebildet und nehmen frühere Soldaten anderer Stände nicht auf. Während des Dienstes unter den Fahnen erhalten die einzelnen Soldaten nicht nur selbst Unterstützung, sondern die zu Hause bleibenden Frauen und Kinder werden in auskömmlicher Weise mit bestimmten Geldsummen von den Verwaltungen bedacht

Wie mannigfach die Vereinsthätigkeit unter den Bergleuten Frank- reichs ist, und wie kräftig dieselben von den Grubenverwaltungen sub- ventioniert werden, mag folgende Aufzählung zeigen:

Auf den Ghraben von Blanzy bestehen außer der Harmonie, einer Kapelle, welche die Verwaltung auf eigene Kosten unterhält und fär die im Jahre 1887/88 : 8868 Frcs. aufgewendet wurden, folgende unabhängige Vereinigungen der Bergleute:

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Hygiene der Berg- und Tünnelarbeiter. 389

Der Verein der Bogen schützen, ein Turn verein, ein Fecht- verein^ ein Verein von Lanzenfechtern, von welchen jeder mit 50Q Frcs. jährlich subventioniert wird. Der Verein der Waldhorn- bläser erhält eine Beihilfe von 250 Frcs. Mit 800 Frcs. wird ,,la Prudence'', ein Vorschuß- und Sparverein, znr wirtschaftlichen Erziehung der Arbeiter gegrOndet, von der Grube unterstützt Die musikalische Ver- einigung junger Leute an vier verschiedenen Orten erhält eine Beihilfe von 2950 l^os. Die Gkdetö, Künstler- und Schauspielerge- sellsehaft, empflingt jährlich 250 Frcs., die Philosophie, ein natur- wissenschaftlicher Verein, 850 Frcs., der Verein alter Mili- tärs 2400 Frc& Hierzu kommen noch religiöse Vereinigungen^ Arbeitsstunden der Damen, Pompiers, so daß die Grubenge- sellschaft von Blanzy fftr diese Beihilfen mit Einschluß des Festes St. Barbe jährlich 80000 Frcs. auszugeben hat«.

In England werden dem Volkscharakter gemäß von den Berg- leuten nationale Spiele in ihren Erholungssälen und auf zum Sport eingerichteten, von ihnen selbst unterhaltenen Spielplätzen eifrig gepflegt. Jede Art der Gymnastik und Spiele wie football und cricket halten ihr Muskelsystem in steter Thätigkeit, und haben sie diesen Uebungen eine in Anbetracht der Grubenarbeit frische Gesichtsfarbe und neben der guten Ernährung ihren vortrefflichen Kräftezustand zu verdanken.

1) ▼. vaa den Broeek, BifiexUm» mtr VkffgÜM de$ mmeur§ et dt$ omrrimrä tPu$ms$

mHaUmrgiqu4$^ Mons (1848). 8) Xalma, JDü EmähnmgtotrhäUiu$$e der mthtatrieUem JrheiUrbwiflkerung m Oher$ekUri6m,

Leipmg (1884).

3) BecBhardl, ZmUdvt. du obmnthUi. Berg^ wul WmwmHimiiiiikm, YeremM (1890) B. 188.

4) Y. Lavr, Im minus et uemee $n 1889, /. ei IV, partie, Parte (1890).

6) X. Haue wnd B. Krftmaitr, DU Bergarbeüerverhaämieee in Brüamnem, BaeofhHUhm (1891). 6) EmriMumgem moi Betten der Asieüer airf den Bergwerken Pren/eene^ m Auftrage

Br. BxeeUem det Herrn Mmitiere fOr Bandely Qewerhe wnd ößmOiehe Arbeiten naeh

nmOieken Quellen beeurbeiUt (1^76).

€^. IB^appsdittftskasseii.

Der modernen Wohlfahrtsgesetzgebung weit vorauseilend, ww- den von den Bergleuten selbst, von den Grubenverwaltungen, vom Staate Kassen gegründet, welche die durch ihren Beruf gegenüber anderen Arbeitern mehr gefährdeten Grubenarbeiter in Erankheits- und Unglücksfällen, die Hinterbliebenen nach dem Tode der Ernährer unterstützen sollten. Vielfach haben die Erfahrungen dieser Enapp- schaftdcassen und die Grundsätze ihrer Statuten als Muster des Erankenkassen- und Unfallversicherungsgesetzes in Deutschland ge- dient Die Aufgaben^ welche den Eassen naturgemäß zufielen, be- standen in Gewährung von

Eur, Arznei und Erankenlöbnen, ^ *äbniskosten der Mitglieder und Invaliden,

3) Invaliden- und Witwenpensionen. Letztere meist bis zur Wiederverheiratung oder auf Lebensdauer. In Westfalen laufen die Witwenpensionen auch nach der Verheiratung fort

4) Unterstützung und Erziehung der Einder. In Frankreich bis zum 12., in Deutschland bis zum 15. Lebens- jahre.

5) Außerordentlichen Unterstützungen.

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1) freier

2) Begräl

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S90 FÜLLER,

Aus sehr kleinen Verhältnissen heraus sind nach und nach in Deutschland die großartigen Knappschaftsvereine entstanden, weldie ihre segensreiche Wirkung in allen Bergbau treibenden Bezirken entfiedten. Jede einzelne Grube hatte ihre eigenen Kassen, und da die Bedürfiiisse gering waren, genügte z. B. im Saarbrficker Bedien ein Beitrag von V«q ^^^ Verdienstes, diese zu bestreiten. Auf Ver- müassung der fürstlich nassauischen Regierung traten im Jahre 1789 die Bergleute mit diesen Einzahlungen zu einer Hilfskasse fOr im Dienst invalid Gewordene, für Witwen und Waisen zusammen, und als die Invaliden und Witwen sich beträchtlich vermehrten, wurde im Jahre 1801 das Büchsengeld um die Hälfte vermehrt Durch den Beitritt mehrerer kleinerer Hilfskassen wurde die finanzielle Lage günstiger, litt aber durch die Kriegsjahre 1813, 14 und 15 denurt, daB Schulden gemacht werden mußten.

Als im Jahre 1817 das Bergamt die Verwaltung der vereinigten Kassen von Dnttweiler, GMslautem, Großwald und Bauernwald übernahm, stand einer Einnahme dieses Jahres von 6S61 Thlr. 14 Sgr. 2 Pfg. eine Ausgabe von 6372 TUr. 14 Sgr. und 4 P%. gegenüber. Der Bestand betrug hiemach 998 TUr. 29 Sgr. 8 Pfg. Die Beiträge der Betreute betrugen 9 Pfg. vom Thlr., 2 ^/^ Proz. des verdienten Lohnes, in Summa 7503 M. von sämtlichen 21 Graben und 2 Niederlagen. Die Ghruben zahlten an die Knappschaftskasse vier Freikuze von den landesherrlichen Zechen, 6226 M. an Beiträgen. Die KgL Ladegelderkasse in Saarbrücken gab einen Zuschufi von 3082 M.

1817 betrug die Belastung der Werke durch die Saarbrücker Knappschaft an ordentlichen Beitrfigen der Bergleute und der Königl. Verwaltung zusammen auf den Kopf der Belegschaft: 22 M., dagegen im Jahre 1893: 140 M., auf die Tonne gefSrderte Kohlen:

im Jfthre 181T 17 Ptg. 1898 70

Bechnet man die Umlagen der Knappschaftsberufsgenossenschaft hinzu, so erforderte die Fürsorge für die Invaliden, Witwen und Waisen, sowie die Fürsorge in Kranldieitsfällen im Jahre 1893 eine Zahlung auf den Kopf der Belegschaft von 161 M. und auf die Tonne geför- derte Kohlen 80 Pfg.

Zum Vergleich der damaligen mit den jetzigen Ver- hältnissen mOgen folgende Zahlen dienen:

Die gesamten > Einnahmen der Saarbrüoker Knappsohaftskasse be- trugen im Jahre 1817:

Ml KapitalsliiMn 415 Tbhr. 14 Sgr. 8 Pfg.

Büchtangtldtni 1800 8

Frdklixgeldcni 174^ ,t »t

ZnachnlSi aus der Lad«g«lderktSM . 1027 16

«iiljMrordeiitliehen Kipnahinen 4^ m 23

nrllekgeiahlteii KapitAlien . . 339 ^ m ..

WOB. 6371 Thlr. I Sgr. 8 Pfg.

oder 19113 M. 18 Pfg., das war auf den Kopf der Bdegsohafi 2 M. 76 Pfg.

Im Jahre 1893 betrug die Einnahme dieser Knappsohaftskasse 5383047 M. oder 189 M. pro Kop£

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Hygiene der Berg- und Tminelarbeiter. 391

Demgem&fi konnten sich die Ausgaben 1817 auch nnr in bescheidenen €h*enzen bewegen. Dieselben betragen:

an BMoldnng«! 157 M.

Pendonen ^'S^j >*

,, KrankenUniiMn 38 «,

Kurkoiteo 2737 •>

BegrftbniBkoston H

Amtsb«d1irftii88en 5 «,

MillMrordentlielMii Aiifg«b«i . 8

Kapitalanli««! .... . $38

16072 M.

Wie anders lauten die Zahlen aus dem Jahresbericht des Saarbrücker Enappschaftsvereins fOr das Jahr 1893.

Aufgaben:

1} Kor- nnd Amdkoiton . . 33947if94 M.

91 Krankenlöhne 721 744,08

8) Sterbegelder 37 500,00

4) anllMrordenÜlehe ünteratfltmngen 9^12,22

' 5) Kosten der Mndk .... Ii68l,80

61 Verwaltnngskosten .... 17 $87)76 ,>

7) InvaHdenpendonen ... 2 340 204,40

8) Alterspentionen 2 I39,<7

91 Witwennnterstfltiongen . 776815,86

10) Waisennnterstatsongen . . 214633,00

11) Unterhaltung dee Waisen- nnd Inralidenhaases an Ottweiler 12 196,78

18) Pensionen an Beamte n. Lehrer 5 503,88 9, 14) an Sehnigeldem n. Sehnlbflehem 86 948,14

18) Unterhaltung ron 8 Laaaretten IC8 493.00

16) an Venraltangskosten ... 74 743i9> » 16) an Banreparatnren .... 7 716,19

Die Kranken- und Pensionskasse der Saarbrücker Knappschaft hatte im Jahre 1893 in Einnahme gestellt 5383047,14 M., in Ausgabe 6068420,75 M. und schloß ab mit einem VermOgensstande von 7319886,73 M.

Im Jahre 1891 übernahm der Saarbrücker Knappschafisverein auch die Verwaltung der Invaliditäts- und Bentenversicherung.

Der oberschlesische Enappschaftsverein hatte am Ende des Jahres 1892 72 969 Mitglieder, welche an Beiträgen im Jahre 1893 2 015 803,90 M. zahlten. Von den Werksbesitzem flössen 1 862 695,89 U. in die Sassen. An Kur- und Arzneikosten wurden 644812,60 M., an Sjrankenlöhnen 230149,68 M., ftlr die Krankenpflege im Ganzen 1211690,79 M., an ordentlichen Unterstützungen für Witwen und Waisen und Invaliden- geldem 2 213376,25 M., an außerordentlichen Unterstützungen 43678,86 M. yerausgabi Ende 1893 belief sich der disponible Bestand des Vereins- vermögens auf 9318707,ä7 M.«.

Durch die Vereinigung der drei großen Knappsohafts- vereine des niederrheinisch-westfUischen Bergbaudistrikts im Jahre 1890, des Märkischen, Essen-Verdenschen, Mühlheimer, wurde der allgemeine Knappschaftsverein zu Bochum gegründet, welcher außeir diesen b^tehen- den größeren Vereinigungen auch die Knappschaftskassen der einzelnen Werke in sich aufnahm. Nach den am 19. Mai dieses Jahres vom E^l. Oberbergamte zu Dortmund genehmigten Statuten war der Knappschafts- verein von 227 'Vereinswerken, von denen 213 Steinkohlen-, 3 Eisenerz-, 10 sonstige Erzgruben und 1 Salipe beitraten, mit zusammen 129 f

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MitgUedem, 153261 am Schluß des Jahres 1893 gebüdei. Auch über- nahm derselbe mit einem Statut vom 26. Dezember 1891 gem&ß Geaets vom 22. Juni 1889 die Verwaltung der Invaliditäts - und Altersver- sicherung. 134 Aerzie verwalten ßbenso viel EJursprengel , 7 Augen- ärzte und 6 Ohrenärzte sind fär den Verein th&tig; der Chefarzt des Krankenhauses »^Bergmannsheil" bei Bochum ist der beratende Arzt des Vereinsvorstandes. An Beiti'ag zahlen die Vereindmitglieder 1,8 Proz. ihres Lohnes zur Pensionskasse , $eren Mitglieder in 4 Ellassen, je nach den Lohnerträgnissen , sich sondern. Vom Beamten bis zum geringsten Arbeiter wurde 4, 60, 3,30, 2,90 und 1,50 M. monatlich abgeführt. Der Werksbesitzer zahlte 80 Proz. dieser Beiträge. Die Einnahme der ersteren Kasse betrug im Jahre 1892 an Beiträgen von den Vereinsmitgliedem 2362053,17 M., an solchen von dem Werksbesitzer 1888870,40 M., der Pensionskasse an Beiträgen der Mitglieder 3634695 M., der Werksbe- sitzer 2907756,80 M.

Die Leistungen des Vereins im Jahre des Berichtes setzen sich zusammen aus:

InTalidtngeldtrn an la X74 IiiTaliden 2885177,48 IL ■■ pra InTalide 936,99 M., Witwengeldern an 9434 Witwen' x 423 704,61 M. ■■ pro WUwe 150,91 M., Kindergeldern an 27757 Kinder 116455,98 M. » pro Kind 41,98 M. dnrdi-

sehnitaich, Krankengeldern in 98 178 KiankheiteAulen mit I 388948 Kraakheitatagen

3 583957)71 M. pro Kopf der äelegMhaft 17,75 M.

Für die Krankenpflege überhaupt, fdr Erankenhausbehandlung, Aerztehonorar, Arznei, Begräbniskosten, Badeunterstütiungen u. s. w. wurden 3997687,06 M. verausgabt.

Am Schlüsse des Jahres 1892 konilte der Verein ein Vermögen von 9024271,42 M. nachweisen. . .

Außer diesen drei größten Knappschaftsvereinen bestehen in Preußen nach der Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinen- wesen * kleinere und größere Knappschaftsvereine 71, zusammen 74.

Dieselben wurden unterhalten im Jahre 1898 von 1948 Berg-, Hütten«» und Salzwerken. Die Mitgliederzahl belief sich auf 416688, wovon 262 778 st&ndige und 162766 unst&ndige Genossen waren. Es wurden an 89807 InvaUden (87266 Ganz- und 2062 Halbinvaliden), am Jahres- schluß an 41 902 Invaliden Pensionen bezahlt. Das schuldenfreie Ver- mögen der preußischen Knappschaftsvereine betrug am Schlüsse de» Jahres 1898 62119 614,47 M. Dasselbe ist in den letzten 10 Jahren ungefUir um 80 Millionen gestiegen, bei einer Vermehrung der Mitglieder um ungefähr 26 Proz. Die etatsmiUtigen Einnahmen erreichten in diesem Jahre 29792484,46 M., die Ausgaben 26648071 M. Das schuldenfreie Vermögen des einzelnen Knappschaftsmitgliedes betrue 208,69 M. Wie segensreich die Wirksamkeit der preußischen Knappscharavereine sich nach und nach gestaltet hat, ist aus ihren Ausgaben am besten zu ermessen.

Im Jahre 1892 gaben dieselben für GFesundheitspflege 8677 871,66 M., hiervon 4 662 166,10 M. ftbr Krankenlöhne aus, für laufende Unterstützung an Invaliden . Witwen und Waisen 1469 788,18 M., für sonstige Bei- hilfen als: Begräbniskosten, außerordentliche ünterstützuxigen, Schul- unterricht, Bauten und Verwaltungskosten 26121676,06 M.

AnB dem Vorgehenden ist schon ersichtlich, daß diese Kassra y(m Beiträgen unterhalten werden, die die Arbeitgeber und Arbeit-

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Hygiene der Berg- und Tmmelarbeiter. 399

nehmer zahlen. Bei den Staatswerken zahlt der Fiskus eine den Beiträgen der Arbeiter gleiche Quote, während die privaten Werks- verwaltungen gesetzlich nur zur Zahlung der Hälfte der Beiträge der Knappschaftsgenossen verpflichtet sind. Es wird aber dieser Pflicht- satz von den meisten Werkseigentümern in anerkennenswerter Weise, sehr oft erheblich, überschritten.

Von besonderer Bedeutung für die preußischen Enappschafts- kassen sind gewesen: das Berggesetz vom 10. April 1854 und das allgemeine Berggesetz vom 24 Juni 1865. Das erste schrieb vor, daß für die Arbeiter aller Bergwerke, Hütten, Salinen und Aufbereitungs- anstalten Enappschaftsvereine eingerichtet werden sollten. Durch das zwäte Gesetz wurden die Hüttenarbeiter vom Knappschaftszwang aus- genommen und den Enappschaftsvereinen die volle Selbstverwaltung überlassen.

Geregelt sind die Verhältnisse der Vereine durch Statuten, die die einzelnen gegenseitigen Verpflichtungen streng angeben und wenig voneinander im wesentlichen abweichen. Die einen haben beim Zahlen des Krankengeldes, welches in Deutschland gesetzlich auf einen halben Schichtlohn normiert ist, eine Karenzzeit von 3 Tagen, andere zahlen vom Tage der Erkrankung an. Die Pensionssätze sind verschieden, ebenso deren Steigerungsverhältnis nach der Anzahl der Arbeitsjahre.

Im Saarbrücker Knappschaftsverein beziehen die Arbeiter in drei Klassen ihre Pensionen, je nachdem dieselben beim Vereine als Knapp- schaftamitglieder eine Dienstzeit von 10 Jahren und daronter, von über 10 Jahren und von über 20 Jahren zurückgelegt haben, und zwar nach 1-jähriger Arbeitsdauer jährlich 120,00 M., nach 11-jähriger Arbeitsdauer in der 8. Klasse 192,00 M^ in der 2. Klasse 196,82 M., nach 21-jähriger Arbeitszeit in der 8. Klasse 264,00 M., in der 2. Klasse 811,52 M., in der 1. 818,72 M^ nach 81-jähriger Dienstzeit SSß^ 426,72 und 524,64 M., nach 41 -jähriger Arbeitsdauer 408,00, 541,92 und 698,12 M., nach 54- jähriger Dienstzeit 501^60, 691,68, 986,48 M. Selbstverständlich steigen die Pensionssätze von Jahr zu Jahr der abgelaufenen Dienstzeit ent- sprechend. 9 M. jährliche Verletzungszulage tritt zu den Pensionssätzen Unzu, wenn die Livalidisierung oder der Tod durch Verunglückung ver- schuldet wurde.

An der Spitze der Vereine steht ein Vorstand, welcher aus Ver- tretern des Werkseigentflmers und der Arbeiter, beiderseits in gleicher Anzahl, zusammengesetzt ist. Die Arbeiter und Beamten wählen als Vorstandsmitglieder die Knappschaftsältesten. Letztere vertreten die Knappschaftsmitglieder bei der Wahl des Vorstandes.

An der Spitze des Vorstandes steht gewöhnlich ein Vorsitzender, Vertreter des Werkseigentümers, an der Spitze des Vereins ein Direktor, welcher die Geschäfte desselben leitet und die Beschlüsse des Vorstandes zur Ausf^dirung bringt Bei der großen Ausdehnung des Knappschafts- vereins zu Bodium sind vom Vorstande 5 Kommissionen gebUdet, mit ihren Sitzen in Dortmund, Bochum, Oelsenkdrchen, Essen und Mühlheim a. dL Buhr, welche die Anträge der Mitglieder wegen Krankenunterstützungen, Begräbniskosten, Invaliden-, Witwen- und Kindergeld zu prüfen haben. Auch setzen dieselben Ordnungsstrafen fest und untersuchen die Bedürf-

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394 FÜLLER,

tigkeit einzelner Mitglieder anf ihre Würdigkeit zum Bezüge aoBerordent- licher Unterstütznngen.

Die meisten österreichischen Firmen haben wie in Deutschland lange vor Erlaß des Erankennnterstfitzungsgesetzes Für- sorge für ihre erkrankten Arbeiter geschaffen. Später wurden die Bruderladen gesetzlich geforderte Einrichtungen.

Die Ghründung der Braderlade der Berg- und Hüttenwerke von Fr. von Neumann in Marktl reicht schon in das Jahr 1850 zurück. Die Bruderlade der Bergbau- und Eisenhüttengewerkschaft Wittkowitz in Mähren fordert ein Eintrittsgeld von 1 Florin, vom Lohne werden 6 Proz. abgezogen, 2 Proz. ftbr die Krankenkasse, 4 Proz. ftbr das Personalkonto. Die Gewerkschaft unterstützt die Kasse durch Zahlung von 2 Proz. der G^esamtgebühren. Im Verhältnis zur Dienstzeit erwirbt dadurch jeder Arbeiter ein Kapital, welches im Falle der Arbeitsun&higkeit, des frei- willigen Austrittes oder der Entlassung, des Todes an die gesetzmäBigen Erben entweder bar ausgezahlt oder in eine lebenslängliche Rente ver- wandelt wird. Jedes Mitglied, welches nach dem 24. Lebensjahre noch 20 Diensljahre nachweisen kann, bekommt das volle Einzahlungskapital mit 50 Proz. Au£9chlag und die seitens der Gewerkschaft gut geschriebene Dividende oder eine entsprechende Beute, nach 10 Dienstjahren das Kapital mit 25 Proz. Au&chlag, nach 3 Dienstjahren nur die Ein- zahlung, unter 8, aber über 1 Dienstjahr nur die Einlagen, aber ohne Zuschufi ft.

Li Frankreich wurden die ersten Knappschaftskassen zu Anfang des Jahrhunderts gegründet. Ein Dekret vom 16. Mai 181S bestimmt ftbr die Gruben des Departement de 1' Eurte, gezeichnet vom Minister des Lmem, in 16 Artikeln die Bildung einer socidtö de prövoyance, welche zu Unterstützungen und Pensionen gegründet und von einer ge- mischten Kommission, bestehend aus Verwaltungsbehörden, Ghrubenbe- amten, aber auch zwei Steigern und einem Arbeiter verwaltet wurden. Die Arbeiter zahlten 2 : 100, die Arbeitgeber ^/^ : 100. Bei unverschul- deten Krankheiten und zur Unterstützung von Witwen bis zu ihrer Wiederverheiratung trat die Gesellschaft in Thätigkeit. Am 25. Juni 1817 wurde eine gleiche Kasse k Bive de GKer gegründet. Der Artikel I derselben lautet : „Getto caisse est destin^ k secourir les malades, blosses, invalides et infirmes, ainsi que les veuves et orphdlins en bas ftge.''

Der Kranke erhielt pro Tag der Arbeitsunterbrechung 50 Centimes, jedes Familienmitglied 25 Gentimes, nach 80 -jähriger Arbeitsdauer bei dauernder Arbeitsonfthigkeit der Invalide 75 Gentimes, die Witwe eines in der Ghrube Getöteten 50 Gentimes, jedes ihrer Eünder 25 Gentimes, jede Waise unter 10 Jahren 50 Gentimes pro Tag.

Zur Zeit hat fast jede Ghrube für sich eine Hllfs- und Pensionskasse (caisse de seconrs et caisse de retraite). Kur an der Loire haben sich sechs Gesellschaften zu einem allgemeinen Knappschaftsvereine verbnndoD. Teils tragen die Ausgaben ftlr diese Kassen die Werkseigen- tümer allein, ohne daß die Arbeiter Zahlungen zu leisten haben, teils werden die Leistungen durch Lohnabzüge von gewöhnlich 8 Proz. und Zuzahlungen von 1 Proz. seitens der Verwaltungen gedeckt. Einzelne Gesellschaften zahlen noch außer den Pensionen und den Unterhaltungs- kosten der Hilfiskasse in die caisse national des retraites pour la vieü- lesse (Alters- und Livalidit&tsversicherungsanstalt) 1,5 bis 8 Proz. des

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Hygiene der Berg- tind Tonnelarbeiter. 395

liohnes, so die G^eHsohaft der Ghraben von AnziiL Einige Werke, z. B. die Graben yon Blanzy, tragen sämtliche Kosten der Pensionskasse fOr Aerzte, Medikamente und Ertuikenlians. So anterhält die Gesellschaft der Gruben von Montrambert die Hil&kasse g&nzlich. Die Leistungen der einzelnen Kassen sind zwar verschieden, jedoch ist ein erheblicher unterschied derselben nicht zu bemerken. Gewöhnlich wird 1 Frc. pro Tag Krankengeld bezahlt, vom 6. Tage der Erkrankung an, gleichviel ob eine Verletzung die Ursache der Erkrankung ist oder nicht. Im ersteren Falle fließt der Krankenlohn selbstverständlich vom Tage der Verletzung an. Arzt und Medikamente sind gewöhnlich frei oder letzteres wird zur Hälfte vergütet. Die Pensionssätze ftr Gruben- «rbeiter bewegen sich fortschreitend steigend ungefiihr zwischen 460 Frcs. nach dO-jähriger Arbeitsdauer in einem Lebensalter von 65 Jahren und 600 Frca nach 85 -jähriger Arbeitsdauer bei einem Lebensalter von 60 Jahren. Witwen von Arbeitern dieser Dienst- und Altersjahre er- halten jährlich 180—240 Frcs. Als Beispiel f&r die hohen Aufwen- -dungen, welche die Ghruben Frankreichs zum besten der G^sundheits- und Altersversorgung ihrer Arbeiter sich auferlegen, seien die Ausgaben der Gruben von Blanzy mit einer Belegschaft von 6000 Köpfen fOr das Betriebsjahr 1887/88 hier angeftlhrt^:

SabTentlon für die Hllfakaw 144 724,66 Froi.

Für di« PentioiiskAiM d«r Arbeltar . . . 99748,60

Honorar für drei Aente 22642,80

Für das Krenkenhant und die dasn gehSren-

den Wohnungen 1x324,26

Unterheltang dieser Gebinde . . . . . 6328,61

in Snmmm 284768,81 Free.

Kassen zum Schutze gegen Krankheit, Unfall oder Alter, welche vom Werkseig&ntümer oder von den Verwaltungen errichtet worden sind, finden sich in England sehr selten ^. Es bestehen aber znr Fürsorge bei Sterbe- fillen, Krankheit und Invalidität allgemeine Kassen. Der Beitritt zu den- selben ist fir^willig. Zu diesen gehOren vielfach auch Bergleute. Aber auch beim Bergbau selbst haben einige Unfallkassen einen großen Um- fangangenommen (permanent relief funds, permanent relief societies), und stehen diese untereinander in Verbindung. Auf den einzelnen Gruben oder auf mehreren Gruben derselben Firmen sind Kassen in Wirksamkeit, ohne untereinander in Verbindung zu treten. Der Beitritt seitens der Arbeiter ist hier stets ein freiwilliger, sowie auch die Werksbesitzer zu Beiträgen nicht verpflichtet sind.

Die Ueberschüsse einer Sammlung freiwilliger Gaben nach einem schweren Massenunglück auf der Hartley-Ghrube in Northumberland, bei welchem im Jahre 1862 204 Personen ums Leben kamen, 400000 M., wurden unter die damals bestehenden 12 Berginspektionsbesirke als Hartley- Unterstützungsfonds (the Hartley- Belief- Fund) verteilt Dieser Fond besteht heute noch.

Im Juni 1862 entstanden die ersten auf breiter Grundlage einge- richteten, dauernden Unterstütznngskassen der Bergleute von Korthumberland (the Northumberland - Dorham Miners Permanent Belief Fund, Friendly Society), welcher bis 1868 7 ähnliche Kassen betraten. Und diese schlössen sich 1878 in einen Centralverband zusammen. Die

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396 FÜLLER,

Verwaltang wurde durch jährliche Zusammenkünfto der Yorstände ge« regelt An der Spitze derselben stehen 40 Personen: 1 Präsident, 39 Vizepräsidenten, darunter 12 Lords, der Bischof von Shrewsbury und 13 Parlamentsmitglieder. Die größte Unfallskasse ist die von Northum- berland-Durham mit 99 700 Mitgliedern. 77 Proz. sämtlicher Bergleute gehören dieser ünfallskasse an. Die nächstgroßen derartigen Kassen sind die «von Süd- Wales mit 45 932 und die von Lancashire mit 44626 Mit- gliedern, welchen 46 Proz., beziehungsweise 62 Proz. der Bdegschaft beigetreten sind. Die Ausgaben dieser 3 wichtigsten Kassen betrugen 1889 1590000 M., 470000 und 870000 M. Als Reservefonds waren am Jahresschlüsse gebucht: 2 530000, 1230 000 und 1250 000 M.

In Yorkshire gehören nur 17 Proz. der Orubenarbeiter, in gan» Schottland und in einzelnen kleinen Bezirken Englands niemand den Kassen an. Rund 45 Proz. der Bergarbeiter sind in England an ELassea beteiligt.

Die Leistungen bestehen in Sterbegeld, Witwen- und Waisengeld, Unterstützung sonstiger Hinterbliebenen. Im Ealle nicht tödlicher Ver* unglückung in einer Rente von 5 10 M. wöchentlich.

Mit der Unfallskasse, aber getrennt von derselben geführt, sind Alters*^ und Invalidenversorgung in Northumberland-Durham , Yorkj9hire und in den mittleren Grafschaften verbunden.

Die Werksbesitzer zahlen, zu diesen Kassen keine vollen 25 Proz., bei allen Kassen im Durchschnitt 14 Proz. Der Oesamtbeitrag der Arbeiter belief sich im Jahre 1889 auf 3627 250, der der Werkbesitzer auf 492660 M.

Einzelne kleinere Knappschaftsk^sen, zu welchen auf mehreren Oruben die Werksbesitzer 10 20 Proz. beisteuern, finden sich hier und da und werden von Arbeitern verwaltet. Zu diesen gehört beispielsweise die Kasse der Kohlenbergwerksaktiengesellschafb Andrew Knowling & Sons in Pendlebury bei Manchester. Die Mitglieder zahlen einen 14^tl^gigen Beitrag von 50 Pfg. und wird ihnen dafOr außer fireier ärztlicher Be- handlung ftlr die erste Woche der Erwerbsun&higkeit 4,0 M. , für die zweite 8,0 M. Krankengeld und so fort zugesichert Nach Ablauf von 2 Jahren der Erwerbsun&higkeit entscheidet über die Weiterzahlung der Kassenvorstand. Bei tödlicher Verunglückung erhalten die Hinterbliebenen eines Arbeiters über Tage 140 M. , eines solchen unter Tage 180 M^ die Witwe 5,0, die Sander bis zum 13. Lebenegahre je 2,5 M. wöchentlich..

Im allgemeinen läßt sich sagen, daß in Schottland große Unter* Stützungskassen gar nicht, auch Sonderkassen sehr wenige bestehefi» dagegen in England (mit Wales) die Mehrzahl der Bergleute gegen die Folgen von Betriebsun&Uen, ein geringerer Teil derselben gegen die F<dgen von Krankheit und nur ein ganz kleiner Teil gegen Alter und 6di)rechlichkeit versichert ist Das Unfallversicherungswesen befindet sidi aber in lebhafter Entwickdung.

Litfratur äeh§ 8, 898.

H. JB^appschaftslazarette.

Während in Frankreich ^ Kranke und Verletzte des Bergbaues in kldneren Krankenhäusern bis zu 20 Betten, welche auf den einzelne Gruben errichtet sind, sowie in den Hospitälern der benachbarten Städte und in den größeren Kliniken, aber vielfach auch in der eigenen Wohnung

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Hygiene der Berg- und Tnnnelarbeiter. 397

Terpflegt und behandelt werden und in England bestimmte berg- mAnnische Krankenh&user selten zu finden sind, vielmehr die den Gruben nächsten Anstalten, in welche die Verletzten oft per Eisenbahn trans- portiert werden, die schwer kranken und verletzten Bergleute aufnehmen, unterhalten in Deutschland einzdne Knappschaftsvereine größere Lazarette. In Westfalen besitzt zwar der allgemeine Knappschaftsverein zu Bochum ein eigenes Lazarett nicht, er hat aber mit s&mtlichen 72 im Bezirk befindlichen Anstalten Verträge abgeschlossen. In diesen wurden im Jahre 1892 9713 Mitglieder behandelt. Das große Krankenhaus „Bers- mannsheil^ in Bochum mit 180 Betten gehört der Berufsgenossenschatt, und werden in demselben nur Un&llverletzte behandelt'. Im Oberberg- amtsbezirk Halle werden verletzte und kranke Bergleute, außer in den Knappschaftslazaretten zu Eisleben, Rüdersdorf und Halle ^, in der Universitätsklinik zu Halle und in den Krankenhäusern größerer Städte, in BrauDSchweig, Calbe, Magdeburg, Schönebeck und Staßfurt unter- gebracht.

Von den sämtlichen 74 preußischen Knappschaftsvereinen besitzen 29 Lazarette, von welchen die bedeutendsten der oberschlesische und der Saarbrttcker Knappschaftsverein führt ^. Ersterer bewirtschaftet 9 Lazarette mit 1358 Betten. Die größten Anstalten befinden sich in Königshfltte, Zabrze und Beuthen.

Im Sanitötsbericht des oberechlesischen Knappschaftsvereines fOr 1892 wird ein Neubau des an sich sehr großartigen Lazarettes zu Königshütte beschrieben, ein neuer großer Pavillon, der allen Anforderungen der Neuzeit entspricht. Derselbe faßt, in zwei übereinanderliegenden Sälen verteilt, 60 Kranke, von den^i jeder 87,7 cbm Luftraum zur Verfiigung hat. An jedem Saale ist einerseits ein Baderaxun, andererseits eine Anzahl von Klosetts angebracht Die Erwärmung wird durch Luftheizung mittels 3 Oefen mit Staubfiltern und durch Fußbodenwärmung, die Ventilation durch Luftschlote erzielt. Der Fußboden ist mit Tonplättchen belegt Der Bau selbst ist in Ziegelstein ausgeführt, die Keller sind gewölbt. Außer den Sälen sind im Gebäude noch mehrere kleinere Räume untergebracht Ein modernes Operationszimmer fehlt selbstverständlich nicht. Im Souterrain befinden sich die Küchen- und V^irtsohaftsräume. Die Betten mit den sehr empfehlenswerten Spiralfedermatratzen sind von Grotthof in Grüne in Westfalen geliefert. Die Fäkalmassen werden vor ihrer Entfernung einer chemischen Reinigung nach Hulwa unterzogen (Ab- bildung im Bericht). Im Jahre 1893 wurden in diesem Laz$trett 5 gröBere Räume zur Aufstellung von 39 Zander' sehen Apparaten mit emem kleinen Dampfmotor umgebaut (Abbildung im Bericht 1898). Auch die anderen Lazarette sind mit kleineren Apparaten zur medico-mechanischen Behandlung Verletzter ausgestattet worden. Das Knappschaftslazarett zu KOnigshütte hat im Jahre 1893 4409 Elranke verpflegt Der Verein bringt geeignete Kranke in Bädern unter und erzielt durch Unter- bringung von jährlich unge&hr 100 Kranken im Soolbade Goczalkowitz in Oberschlesien sehr gute Resultate'.

Der Saarbrücker Knappschaftsverein besitzt 3 Lazarette, welche im Saarbecken geographisch so verteilt sind, daS zwei unge&hr an den beiden Enden, das dritte in der Mitte des Revieres gelegen ist. Dieselben sind nach den besten Erfahrungen der Neuzeit eingerichtet, und faßt jedes derselben ungefähr 100 ELranke. Da die Anstalten zu verschiedenen Zeiten erbaut sind, ist auch ihr Baustil ein verschiedener.

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398 FÜLLER, Hygiene der Berg- nnd Tmuielarbeiter.

Dasjenige zn Völklingen ist im Blookstil (1 Mittelbau mit 3 sich auf denselben stützenden Ausläufern), das zu Sulzbaoh ebenüedls in diesem Stile, aber mit späterem Anbau einer Pavillonbaraoke, das zu Neun- kirchen im Pavillonbarackenstil errichtet.

Eine Baracke für äuüere, eine ftLr innere Kranke, ein Oekonomie- gebäude, ein Leichenhaus mit Secierraum, eine Arztwohnung bilden in disseminierten Bauten mit großen Gartenanlagen die letztere Anstalt Die Favillonbaracken bestehen aus einem Mittelbau und zwei Kopf bauten. Um ersteren in möglichst geringe Berührung mit dem Boden zu bringen, ruht derselbe auf Gewölben, sodaß die Lufb unter dem Mittelbau zwischen diesen und der Erde durchstreichen kann. Der Mittelbau birgt einen Saal mit 38 Betten, in den Kopf bauten sind Einzelzimmer, Badezimmer, Laboratorium u. s. w. verteilt. An den chirurgischen Pavillon ist ein Operationszimmer angebaut. Für jeden Kranken ist im Saale ein Luftraum von 49 cbm vorhanden, und wird eine sehr rege Ventilation in Ver^ bindung mit der Niederdruckdampfheizung nach Post und B e c h e m untere halten. Nach der Südseite lehnt sich an jeden Pavillon eine große ge- deckte Veranda und ein Tageraum zum Aufenthalt der Bekonvalescenten, der auch als Speiseraum benutzt wird, an. Die Sommerventilation wird durch Kippfenster und Dachreiter, aber auch durch einen über Dach ge- triebenen, durch Heizröhren erwärmten Schlot vermittelt. Eine Be- schreibung mit einem GhrundriB dieses seit dem Jahre 1886 im Betrieb befindlichen Lazarettes befindet sich in: „Musterstätten persönlicher Für- sorge von Arbeitgebern für ihre G^chäfbsangehörigen.'' 2. Bd. 551 von Dr. JuL Post und Dr. H. Albrecht, Berlin, Bobert Oppenheim (Gustav Schmidt) 1893.

Li diesen drei Knappschaftslazaretten wurden im Jahre 1898 2319 Ejranke behandelt. Die Heilungsresultate in denselben sind dank der geregelten Maßnahmen zum Transport der Verwundeten, welche in den meisten Fällen sofort nach der Verletzung in geübte chirurgische Behandlung kommen, und dank der ununterbrochenen Vervollkommnung der Anstalten und ihrer Einrichtungen vorzügliche.

1) Berffmmuufnmd (1894) No, 61, 6S, 68. Aui der QuckiekU dir BamrUrüAtr Em^^

9€haft. t) AmatttffteruAl de» cbereekUtieehem Knappe^afUvereme für dae Jahr 1898. 8) AOifememer Kmappeeht^ieterem BiKhim^ Verwalhmgtberiekt JUr da» Jahr 189t. i) JSkMstik der Ent^»eJk^ft»9ereme de» preu/»i»ekem Staate» im Jakre 1898, ZeM»tkr. /. d,

Berg-f EUtten- «. SaUmemoeeea im preu/»i»ekem Aool«, keram»gegebea «o» Mmieim mm

für Handel mnd Omoerbe, BerUn (1898 wd 1894). 6) H. AlbrMht, BerieH iAer die AuteUOmtg flbr I7^fanmerhütmg ia Beriia (1889), Ted

Orubeakggieae.

6) y. T1& den Broaek, Sißemme mer Vh/ggii^ de» wtiaem» et dee ouerier» d^utäu» wuiaOmrgiquee, Mim» (1848).

7) 7. Laxtf, Le» wUaee et utnu» ea 1889, Etüde ecmpUte «nr Veoopontiam imtMrteOtf de 1889, /. et IV. pmHie, Farü (1890).

8) B. Vmm und •• Xrflimiiir, Die Bergarbeäereirkähnita in Britannien^ dn^ Ormd einer im Simmer 1890 ameg^fitiiHen Inttnitiontrei»» hearbeiUt^ Saarbrüeken (1891).

9) Cm^om (1894).

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VIERTER ABSCHNITT. (Verfasser: Bergrat Meissner.)

Die Schädigungen des Bergwerksbetriebes ffir die Umwobner und Schutzmassnabmen hiergegen.

Der Bergbau vermag in mehrfacher Beziehung Schädigungen der Umwohner hervorzurufen, in erster Linie durch die Grubenbaue selbst, sodann durch die ausgepumpten Grubenwasser und die Abwässer der Aufbereitung, sowie schließlich durch schädliche Gase.

Durch den Abbau der Lagerstätten bilden sich Hohlräume, welche die darüber befindlichen Gebirgsschichten zum Sinken bringen. Be- finden sich die Baue nahe an der Tagesoberfläche, so kann dieses Nachsinken zum Zusammenbruch und völligen Einsturz der Ober- fläche, zu sog. Tagebrüchen führen. Bei größerer Teufe entstehen dagegen Senkungen am Tage und zwar in um so stärkerem Maße, je weniger tief die Baue, je zahlreicher und mächtiger die abgebauten Lagerstätten und je weniger fest die überlagernden Schichten sind. Die Tagebrüche können ihrerseits dadurch, daß sie der Luft einen ungehinderten Zutritt zur Grube eröfhen oder daß in Brand befind- liche Gegenstände beim Einsturz der Oberfläche mit in die Tiefe ge- raten, wieder leicht Veranlassung zu ausgedehnten Grubenbränden geben ^, welche, wie z. B. bei Laurahütte in Oberschlesien, wegen der a*oßen Gefahr, die das Betreten der über dem Brandfelde liegenden Tagesoberfläche bietet, die völlige Absperrung der letzteren erforder- lich machen.

Die Senkungen verursachen an der Oberfläche Beschädigungen der auf ihr befindlichen Gebäude , Chausseen , Eisenbahnen u. s. w., sowie auch Störungen der Vorflut Sie erfolgen meist allmählich und kündigen sich an den auf dem abgebauten Terrain befindlichen Häusern durch Risse an, welche mit der Zeit immer größer werden. Außer diesem langsamen Einsinken können aber auch plötzliche Zusammen- brüche abgebauter Räume vorkommen, wie das auf der Königsgrube zu Königshütte in Oberschlesien vor einigen Jahren der Fall war. Es hatten sich bei dem Abbau der dortigen mächtigen Flötze die Hohlräume durch Nachbrechen des festen Sandsteines im Hangenden nur sehr unvollständig ausgefüllt, sodaß ausgedehnte, abgebaute Räume offen geblieben waren, die ohne vorherige Warnung in ihrer

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400 MEISSNER,

ganzen Ausdehnung mit gewaltigem Donner und starken Erschütter- ungen zusammenbrachen^.

Beim Durchteufen wasserreicher Gebirgsschichten oder beim An- fahren Yon Klüften, welche mit diesen in Verbindung stehen oder beim Zubruchebauen dieser Schichten werden diese schnell entwässert, wodurch oft ganze Ortschaften ihr Wasser verlieren, auch Heilquellen gefährdet werden können. So verlor das schlesische Städtchen Alt- wasser 1869 seine Thermalquelle infolge Anfahrens der quellen- führenden Schicht mittelst eines Querschlags ', während Teplitz in den Jahren 1879 und 1887 in Gefahr geriet, seine Heilquellen zu ver- lieren. Außerdem aber kann die Entwässerung des Gebirges ihrer- seits wieder Senkungen hervorrufen.

Die ausgepumpten Grubenwasser enthalten vielfach Vitriolsalze und Kochsalze, die Abwässer der Aufbereitungsanstalten häufig schäd- liche Metallsalze. Diese Salze beeinträchtigen den Graswuchs der Wiesen und schädigen den Fischbestand in den Flüssen^.

Der aus den Schornsteinen der Dampfkesselanlagen entweichende Rauch wirkt belästigend für die Anwohner und nicht selten durch seinen Gehalt an schwefliger Säure schädigend auf die Vegetation. Weit nachteiliger aber sind die Gase, welche durch in Brand geratene Kohlen- oder Kohlenschieferhalden entstehen.

In welchem Maße der Bergbau unter umständen auch mittelbar eine Schädigung der Umgebung herbeifähren kann, zeigen die jüngsten Er- eignisse in Mansfeld.

In dem im Hangenden des nur wenig mächtigen, von der Mansfelder Gewerkschaft gebauten Kupferschieferfiötzes auftiretenden (Hps befinden sich Höhlen, sogen. Schlotten , welche durch Spalten miteinander ver- bunden sind. Diese Schlotten rufen an der Tagesoberfläche Erdf^lle hervor; andererseits bewirkt der Abbau des Flötzes eine ZerreiBung des zwischen ihm und den Schlotten befindlichen Gebirges. Auf diese beider- seitige Wirkung muß die Herstellung der in den letzten Jahren einge- tretenen Verbindung des salzigen Sees mit den 12 km von ihm entfernt liegenden Grubenbauen zurückgeführt werden. Da das allmähliche Ein- dringen der 40 Millionen cbm betragenden Wassermassen des Sees die Existenz des Mansfelder Bergbaues und seiner 18000 Arbeiter bedrohte, entschloß sich die Gewerkschaft, da eine andere Möglichkeit, die Wasser fem zu halten, nicht vorlag, den 860 ha großen See zu enteignen und auszupumpen. Hierzu mußte außerdem schon der Umstand hindrängen, daß die Seewasser auf ihrem Wege zu den Schächten durch Auswaschung von Salzlagem sich stark mit Salz anreicherten und hierdurch eine bedeu- tende Verunreinigung des die Ghrubenwasser aufiiehmenden Saaleflusses veranlaßten. Auch ließ sich befClrchten, daß durch diese Auswaschungen neue Gefahren für die Erdoberfläche entstehen würden ^.

Eine erhebliche Verminderung der Schäden, welche der Abbau an der Tagesoberfläche hervorrufen kann, wird zunächst dadurch er- reicht, daß man die ausgehöhlten Räume so gut wie möglich mit Bergen wieder ausfüllt, also Abbau mit Bergeversatz führt Immerhin aber treten auch hierbei selbst in Teufen von über 300 m noch Boden- senkungen, wenn auch in geringerem Maße, ein. Die Schäden, welche durch die Bodenbewegungen an Gebäulichkeiten entstehen, sind selten derart, daß letztere geräumt und abgetragen werden müssen. Im

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 401

allgemeinen genügt eine kräftige Verankerung, wenn nötig in jeder Etage, und in Verbindung damit die Einfassung des Hauses durch starke Eisenbänder, um Jede Gefahr des Einsturzes fernzuhalten. Im Ruhrbezirk werden häung schon^ bei der Errichtung von Gebäulich- keiten auf einem Terrain, das früher oder später durch den Gruben- bau in Bewegung geraten könnte, auf Antrag und auf Kosten der betreffenden Grubenverwaltung Anker eingelegt, um die Bauten vor größeren Beschädigungen möglichst zu sichern.

Unter dicht bewohnten Ortschaften, Eisenbahnen, Flüssen, Kanälen läßt man Sicherheitspfeiler stehen, wodurch allerdings oft große wert- volle Teile der Lagerstätten verloren gehen. Zum Schutze der Heil- quellen und anderer Anlagen, deren Erhaltung im öffenüichen Inter- esse liegt, z. B. von Wasserversorgungsanlagen, haben in Preußen die Oberbergämter bergpolizeiliche Verordnungen erlassen, welche in einem gewissen Umkreise um dieselben jedes Schürfen untersagen, wodurch in der Regel auch von selbst jeder unterirdische Betrieb ausge- schlossen wird. Zur Vermeidung von Beschädigungen an benach- barten Grundstücken müssen in einzelnen Oberbergamtsbezirken bei jeder Aufbereitungsanstalt Abklärungs - Vorrichtungen , Klärsümpfe, Schlamm- und Sandfänge in ausreichender Größe angelegt werden. Trübe Wasser dürfen nicht in die freie Flut abgelassen werden. Tagebrüche, glühende Aschenhaufen oder in Brand geratene Halden sind durch Einfriedigungen oder Gräben abzusperren. Dasselbe h^t mit den Stellen über Tage zu geschehen, an welchen Brüche zu er- warten sind. Tritt durch den Brand einer Halde ein Gemeinschaden ein, so trifft das Oberbergamt die nötigen Anordnungen, damit der Brand durch Zuführung von Wasser oder andere Mittel erstickt wird.

Nach § 148 ff. des allgemeinen Berggesetzes ist in Preußen der Bergwerksbesitzer verpflichtet, für allen Schaden, welcher dem Grund- eigentum und dessen Zubehör durch den Betrieb des Bergwerks zu- geführt wird, Entschädigung zu leisten. Er hat deshalb sowohl für die Schäden aufzukommen, welche an Gebäulichkeiten entstehen, falls diese nicht zu einer Zeit errichtet worden sind, wo die durch den Bergbau drohende Gefahr dem Grundbesitzer bei Anwendung ge- wöhnlicher Aufmerksamkeit nicht unbekannt bleiben konnte, als auch für diejenigen Personen und Ortschaften, denen er das Wasser ent- zogen hat, anderes geeignetes wieder zu beschaffen. Er hat auch da, wo durch den Abbau seines Bergwerks die Vorflut gestört ist, durch Regulierung der Wasserläufe, Polderanlagen und dergleichen die Bildung von Wasseransammlungen zu verhindern.

1} Tolti, DU Bergmwhi- und HütUnvertoaUungem des ober$ehle»itehen Induttnsbemries

(189t) 168. 2) Vowak, Lehrhuth der Hygüne (1883) S. Bd. 645.

8) yfllarot und Albreeht, Beriehi über die deuUeht Hygiene' AuatUOung 8. Bd. 418. ^ Bimge, Dae Buhr-Bteiniohlenbeeken (1892) 822.

ZeiUdkr. f. BergredU (1894) 85. Bd. 841.

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HABdlnich der Ejgieat Bd. VTII. 26

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FÜNFTER ABSCHNITT. (Verfasser: Bergrat Meissner.)

Die Gefahren des Tnnnelbetriebes und deren Yerhfitong K

Die große Aehnlichkeit, welche der Tannelbetrieb mit dem unter- irdischen Bergbaubetrieb insofern aufweist, als auch bei ihm Gebirgs- massen hereingewonnen und weggefördert, die unterirdischen Baue ausgezimmert, entwässert und ventiliert werden müssen, bedingt auch ähnliche Gefahren für die Arbeiter, namentlich in Bezug auf Unfälle. Hinsichtlich des Verhältnisses der einzelnen Unfallarten zeigen jedoch die beiden Betriebe erhebliche Abweichungen.

Explosible und, sofern sie nicht etwa bei der Sprengarbeit ent- stehen, giftige Gase treten beim Tunnelbau kaum auf. UnfiQle durch Explosionen oder Erstickungen in bösen Wettern sind daher ziemlich ausgeschlossen. Die Ein- und Ausfahrt bietet nur geringe Gefahr. Sie geschieht vornehmlich auf horizontaler Bahn zu Fuß oder bei großen Entfernungen mittels der die Förderung bedienenden Züge. Wo der Tunnel gleichzeitig von einem Schacht aus in Angriff ge- nommen wird, läßt man die Arbeiter bei der in der Regel nur ge- ringen Tiefe an der Fahrt ein- und ausfahren. Dagegen sind Ver- unglückungen durch sich ablösende Gesteinsmassen, besonders wenn klüftiges und wasserreiches Gebirge durchfahren werden muß, nicht selten, wenn auch verhältnismäßig nicht so zahlreich wie beim Berg- bau, wo der infolge des Abbaues entstehende Gebirgsdruck eine Zer- reißung des Gebirges hervorruft. Bei der Höhe der Tunnelräume können Einstürze von Gebirgsmassen mitunter einen gewaltigen Um- fang annehmen und Veranlassung zu größeren Unglücksfällen geben. So trat beim Bau des Schwelraer Tunnels im Jahre 1878 ein Bruch ein, bei dem 9 Menschen ums Leben kamen. Naturgemäß verur- sacht die Sprengarbeit bei ihrer ausgedehnten Anwendung viele Un- fälle, doch ist in dieser Beziehung, seitdem die brisanten Sprengstoffe und die elektrische Zündung mehr und mehr in Aufiiahme gekommen sind, eine wesentliche Besserung zu verzeichnen. Eine große Zahl von Unfällen, wohl mehr als beim Bergbau, wird durch die auf einen verhältnismäßig engen Raum zusammengedrängte starke Förde- rung, sowie durch die Ausbauarbeiten veranlaßt

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MEISSNER, Hygiene der Berg- tmd Tonnelarbeiter. 403

Genaue statistische Aufzeichnungen über die Zahl der Unfälle und deren Ursachen, wie sie beim Bergbau seit mehreren Jahrzehnten allgemein bestehen, finden sich bezüglich des Tunnelbetriebes nur vereinzelt vor. Rziha macht einige Mitteilungen über die Zahl der tödlichen Verunglückungen bei einzelnen älteren Tunnelbauten. Danach kamen von 1000 beschäftigten Tunnelarbeitern jährlich zu Tode

bei den Tnnnelarbeiten der Bnbr.-

Sieg.

.Bahn

0,60

dem Tannel bei Csernite

. 0,80

den TnnnelArbeiten am Karst

0,90

dem Tannel bei Livran

3,08

dnrch die Prag

3,80

., Tbemsetnnnel

5.70

Hanensteintunnel

l6,00

im Mittel

4.04 *

Die bedeutenden Abweichungen in diesen Verunglückungsziffern dürften wohl zum Teil auf Zufälligkeiten, zum Teil auf der Verschieden- heit der Gebirgs- und Betriebsverhältnisse zurückzuführen sein.

Beim Bau des Arlbergtamiels veranglückten während der Bauzeit von Juli 1880 bis August 1884, also in 50 Monaten, bei einer durch- schnittlichen Belegschaft von 2706 Arbeitern tödlich 87 Mann, 116 er- litten schwere Verletzungen, die bei 55 nachträglich den Tod herbei- führten. Im ganzen kamen also 92 Mann durch ün&Ue zu Tode, d. i. auf 1000 Arbeiter jährlich 8,15. Nachstehend sind die bei diesem Tunnel vorgekommenen Verletzungen und Tötungen nach ihren Ursachen zusammengestellt *).

Aus der Uebersicht geht hervor, daß von den leichten und schweren Unfällen etwa 30 Proz. durch die Förderung (BoUwagenbetrieb) veran- laßt wurden. Worin die auffallend stärkere Verunglückungsziffer der Westseite ihren Grund hat, ist dem Verfasser nicht bekannt geworden.

(Siehe Tabelle S. 404.)

Die verhältnismäßig große Zahl der Verunglückungen beim Tunnelbau dürfte wohl zu einem nicht geringen Teile auf die schlechte Beleuchtung zurückzuführen sein. Zur letzteren bedient man sich gewöhnlich offener, den Grubenlampen ähnlicher Rüböllampen. Bei den Ausbrucharbeiten, wo eine größere Zahl von Arbeitern beschäftigt ist, besitzen häufig 2 3 Mann nur eine Lampe. Rziha empfahl schon vor mehr als 20 Jahren die offene Grubenlampe durch besseres stationäres Ge- leucht zu ersetzen. Unzweifelhaft würde die Einführung besseren Lichtes, insbesondere elektrischer Glühlampen, wesentlich zur Ver- minderung der Unfälle beitragen. Beim Bau englischer und ameri- kanischer Tunnel hat die elektrische Beleuchtung in den fertigen Tunnelstrecken bereits Verwendung gefunden ^. Bei dem projektierten Simplon-Tunnel ist in Aussicht genommen, auch die Arbeitsstellen nach Möglichkeit elektrisch zu beleuchten^.

Was die sonstigen Verhältnisse beim Tunnelbetriebe anlangt, welche einen nachteiligen Einfluß auf die Gesundheit der Arbeiter auszuüben vermögen, so sind diese ganz besonders von der Be-

*) Herr Professor Ritter von Bsiha hatte die Gfite, mir diese Zahlen mi^ suteilen.

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404

MEISSNER,

s

1"

Stnrs TomTunnelgerflst, vom Dach, Treppe

Installationsbetrieb

Maschinenbetrieb nnd Stolleneinban

Eollwagenbetrieb

Herabfallen von Steinen and Hols

Manipalation mit Hols und beim Tannel- einban

Aaf- nnd Abladen der Steine Zosammenstnrs eines Sohlengespirres Fall

Sprengstficke Steinbrnobsbetrieb Verietaang mit Werkseagen Dynamitexplosion

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Hygiene der Berg- und Tonnelarbeiter. 405

schaffenheit des Gebirges, der Länge und Tiefe des Tunnels und von der Stärke der Ventilation, sowie im Zusammenhang hiermit von der in ihm herrschenden Temperatur und Luftzusammensetzung abhängig. Weiter kommt in Betracht: die Dauer der meist anstrengenden Arbeit

Die Durchfahrung trockener Gebirgsschichten ist wegen der größeren Menge des dabei erzeugten Gesteinsstaubes für die Gesund- heit der Arbeiter viel nachteiliger als die Durchquerung feuchter Schichten. So erkrankten beim Bau des Mont-Cenis- Tunnels nach Stapff^ zahlreiche Arbeiter, welche auf der Modaner Seite an den Bohrmaschinen beschäftigt waren, an Staubinhalationskrankheiten, weil hier der Tunnel durch trockenen Sandstein und Quarzit ge- trieben werden mußte, während auf der Seite von Bardonecchia, wo feuchter Kalkstein anstand, lange Zeit ohne Benachteiligung ge- arbeitet werden konnte. Vom hygienischen Standpunkte aus empfiehlt sich daher, Wasser in Röhren mitzuführen, sofern solches nicht bereits zum Betriebe der Bohrmaschinen benutzt wird, und den Staub, nament- lich nach dem Abthun der Schüsse, niederzuschlagen.

Andererseits geben Gebirgsschichten, welche große Wassermengen enthalten, ebenfalls leicht zu Gesundheitsschädigungen, insbesondere zu rheumatischen Affektionen, Anlaß.

Kurze Tunnel oder solche, in welchen durch Anlegung von Bohr- löchern oder Schächten mehrfache Verbindungen mit der Tagesober- fläche hergestellt sind und bei welchen daher ohne Schwierigkeit eine gute Ventilation erzielt werden kann, sind für die Arbeiter weit

g instiger als lange und tiefe Tunnel, welche man bisher nur mittels ruckluft zu ventilieren vermochte. Mit letzterer ist man selten im- stande, die Temperatur an den Arbeitspunkten und in den Strecken dieser Tunnel in mäßigen Grenzen zu halten und eine gute Atemluft zu erzeugen.

So betrug z. B. die Lufttemperatur im St. Gotthard- Tunnel nach Stapff:

auf der Göschener Seite, wo täglich ftbr eine durchschnittliche Be- legschaft auf einer Schicht von 428 Mann mit 361 Lampen und 10 Zug- tieren 92 490 cbm Luft atmosphärischer Spannung eingeblasen wurden, am 14. März 1879 bei einer Temperatur am Tage von 4,2 ^ C

in 3500 m Entfernang yom PorUl 21,7 ^ C f) Z^<^ »» »f f V 23,8

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auf der Airolo-Seite, wo täglich 74650 cbm Luft för eine mittlere Belegschaft auf einer Schicht von 280 Mann mit 823 Lampen und 15^/3 Zugtieren eingepreßt wurden,

in 2170 m Entfernung yom Portal 3l,o*C

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Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft erreichte an allen diesen Punkten fast den Sättigungsgrad.

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406 MEISSNER,

Die mittlere Gebirgstemperatar im Südstollen wurde bei 4600—6900 m Entfernung vom Portal zu 29,2 <> C ermittelt Die Luft- temperatur im Richtstollen war am Ortsstoß, wo die Maschinenbohrer arbeiteten, im Mittel 1 ^, in einzelnen Fällen 4 ^ niedriger, dort, wo die Schütterer beschäftigt waren, ebensoviel höher als die G^birgstemperatur. Etwa 160 m hinter dem StoUenort schwankte sie nur unbedeutend und kam der letzteren fast gleich. In dem erweiterten, aber noch nicht auf Schwellenhöhe nachgerissenen Tunnel erhöhte sich die Lufttemperatur während des Eindringens des Stollens in wärmeres Gebirge allmählich sehr merklich, sodaß sie oft die mittlere vor Ort herrschende erreichte und sogar überstieg. Deshalb wurden alle Erweiterungs-, Mauerungs- und Vollendungsarbeiten in einer höheren Temperatur und zugleich in schlechterer Atmosphäre ausgeführt, als früher die Stollenarbeit an den- selben Punkten. Sobald der Tunnel bis auf Schwellenhöhe voll aus- gebrochen war, änderten sich allerdings die Verhältnisse. Die unter dem Gewölbe ausziehende Luft erkaltete langsam auf ihrem Wege nach der Mündung; der auf der Sohle einziehende Strom wurde nach und nach von der Tunnelwand erwärmt und vereinigte sich mit dem ausziehenden oberen, sobald beide Ströme ungefähr gleiche Temperatur hatten. Der Wendepunkt der einziehenden Wetter, bis zu welchem der Einfluß der äußeren Temperatur noch merklich war, wechselte seine Lage mit den Jahreszeiten. Zu Airolo lag derselbe ungefähr 8000 m, zu Göschenen an 1000 m vom Portal. Nach dem Durchschlag des Tunnels traten sofort andere Verhältnisse ein. Die Außenluft erlangte vollen Zu- tritt zum ganzen Tunnel und kühlte diesen rasch ab.

Nach Beobachtungen von Stapff am Gotthard-Tunnel wurde im März 1879 in einer mit Feuchtigkeit gesättigten Luft an der Südseite bei ungef&hr 31 ^ in der trockenen Luft der Nordseite bei ungefähr 29^ anstandslos gearbeitet Italienische Arbeiter ertrugen diese Wärmegrade bei feuchter Luft besser als aus nördlichen Gegendcy^ zugewanderte Leute, obwohl auch viele von diesen sich allmäMici an die Hitze gewöhnten. Bei vielen Arbeitern, welche trotz der großen Hitze die Arbeitskleidung nicht ablegten, traten eigentümliche Hautaffektionen au& Es entstanden erbsen- bis nußgroße Er- höhungen, die zuerst blaß waren, sich aber beim Eratzen röteten. Auch Absceßbildung*) auf der Haut wurde beobachtet.

Bei der verhältnismäßig starken Belegschaft in den Tunneln und der großen Menge von verbrauchten Sprengmaterialien im St Gott- hard-Tunnel wurden täglich auf der Nordseite 296,4 kg, auf der Süd- seite 143,6 kg Dynamit verbraucht wird der Luft viel Kohlen- säure zugeführt Eine im genannten Tunnel, 1950 m vom Nord- portal, entnommene Probe ergab 0,96 Proz. CO«, 20,05 Proz. O und 78,99 N.

Femer entstehen, wie bereits im ersten Abschnitt erwähnt, bei der Detonation des am meisten als Sprengmittel benutzten Dynamits in nassen Bohrlöchern neben anderen Gasen mehr oder weniger Stick- stoffoxyd und salpetrige Säure, welche die Augen reizen und asthma- tische Beschwerden hervorrufen. Nicht selten findet lediglich eine Verbrennung, keine Explosion des Sprengstoffes statt Der sich hierbei entwickelnde Rauch enthält Kohlenoxydgas und ist deshalb

*) GeflcbwQrsbüdaDK.

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Hygiene der Berg- und Tmmelarbeiter. 407

gefährlich. Die Leute, welche dem Ranch ausgesetzt sind, klagen über Augenreiz, Kopfschmerz, Schwindel und Magenbeschwerden. Da in den Tunneln weit mehr geschossen wird als in den Bergwerken, und die Lüftung, wenigstens in langen und tiefen Tunneln, unvollkommener als in den Gruben ist, so treten diese Erscheinungen beim Tunnel- betriebe in stärkerem Maße auf als beim Bergbau.

Nach den Mitteilungen Stapff's über die Gesundheitsverhält- nisse der Arbeiter im St Gotthard-Tunnel wirkte der Aufenthalt in der heißen, mit Feuchtigkeit gesättigten, durch Sprenggase und den Gesteinsstaub verunreinigten Luft, das nervenaufreibende anhaltende laute Getöse der ausblasenden Luft und der aufschlagenden Bohrer, welches den Arbeitern nur gestattete, sich durch Zeichen oder Schreien verständlich zu machen, überhaupt sehr nachteilig auf die Gesundheit der Leute ein. Diejenigen, welchen die Arbeit ungewohnt war, fühlten sich in den ersten Tagen sehr unwohl, saßen oder lagen lange schlaff und matt an den Arbeitsstellen, arbeiteten wenig, gewöhnten sich aber mit der Zeit an die Verhältnisse. Die meisten magerten jedoch bald ab und erhielten ein schwindsüchtiges Aussehen.

Infolge dieser ungünstigen Arbeitsverhältnisse sind auch Katarrhe, Lungenentzündungen, Diarrhöen, Rheumatismus, Fieber u. dergL bei Arbeitern der Hochgebirgstunnel häufig. Auch treten Fälle von Anchylostomiasis auf, welche bekanntlich zuerst bei den Arbeitern am Gotthard-Tunnel beobachtet wurde. Perroncito hat versucht, die Krankheit als eine für Tunnelarbeiter charakteristische hinzu- stellen ; wir wissen jedoch durch neuere Untersuchungen, über welche im Zusammenhange bei den Krankheiten der Bergarbeiter berichtet ist, daß diese Auffassung den Verhältnissen nicht vollkommen ent- spricht (vergl. S. 343 ff.).

Um die üblen Einflüsse, welche das Arbeiten in heißer, feuchter Luft auf die Gesundheit der Tunnelarbeiter ausübt, möglichst zu ver- mindern, hat man mannigfache Maßregeln vorgeschlagen, u. a. die Zuleitung guten Quellwassers zu den Arbeitspunkten zum Trinken und Waschen der Gelenke und Schläfe, sowie die Verabfolgung von Eispillen und Kaffee. Du Bois Reymond rät, die Tunnelluft durch Eis und Salz abzukühlen. Es empfiehlt sich auch, bei Tem- peraturen von 30® C und darüber die Arbeitszeit, welche jetzt in der Regel 8 Stunden beträgt, ähnlich wie beim Bergbau auf 6 Stunden herabzusetzen und das Verfahren von Ueberschichten zu vermeiden.

Wie beim Bergbau, so wird man auch beim Tunnelbau, um bessere hygienische Zustände zu schaffen, in erster Linie daran denken müssen, vollkommenere Ventilationseinrichtungen zu treffen. Am Mont-Cenis und am St Gotthard begnügte man sich, wie zur Zeit bei den kürzeren Tunnelbauten, noch allein mit der Bohrluft vor Ort, mit der Entnahme solcher Luft unterwegs zur Separatventilation und mit dem natürlichen Wetterwechsel Als man beim Bau des Arlberc- tunnels die Ventilation von der Bohrung grundsätzlich trennte, hielt man dies für einen großen Fortschritt Die stärkste Luftmenge, welche man einblies, betrug auf den Kopf in der Minute 0,45 cbm. Was bedeuten aber 0,45 cbm gegen 5 und mehr cbm, welche jetzt auf den meisten Gruben mit hoher Gebirgstemperatur zur Verwendung ge- langen! Rziha hält für alpine, hochgradig zu forcierende Tunnel

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408 MEISSNER,

bei der Menge der abzuthuenden Sprengschüsse täglich oft ins- gesamt 1500—1800 , bei dem starken Qualm der Lampen und dem Rauch der Lokomotiven 3 cbm fUr das Mindestmaß der einzufahrenden Luftmenge. Er schlug deshalb schon im Jahre 1882 vor, statt eines einfachen Richtstollens einen DoppelstoUen vorzutreiben und die beiden Stollenstrecken in gewissen Zwischenräumen miteinander zu verbinden. In die eine Strecke sollte die Luft ein-, in der anderen ausziehen, der Wetterwechsel sollte durch einen an der Mündung einer Strecke aufgestellten Ventilator bewerkstelligt werden*. Diese Lüftungsweise würde also der mittels Parallelstreckenbetriebes beim Bergbau ähnlich sein.. Die Anlegung von Doppelstollen würde außer sonstigen Betriebsvorteilen auch den einer größeren Sicherheit ge- währen, da beim Zubruchegehen der einen Strecke oder bei Ausbruch eines Brandes daselbst der Belegschaft die Möglichkeit gegeben wäre, sich durch die andere Strecke zu retten.

Der Vorschlag Rziha's wird in nächster Zeit, wenn auch in veränderter Form, greifbare Gestalt annehmen. Es besteht nämlich bezüglich des 19731 m langen Simplondurchstichs die Absicht, statt eines zweigeleisigen Tunnels zwei eingeleisige, nebeneinanderlaufende Tunnel herzustellen. In jedem derselben soll ein Sohlenstollen als Richtstollen vorgetrieben und alle 200 m mit dem anderen durch Querstrecken verbunden werden. An der Mündung des einen Stollens sollen zwei Ventilatoren zur Aufstellung gelangen, welche bis zu 50 cbm Luft in der Sekunde einblasen am Arlberg betrug die eingeführte Luftmenge nur 3—6 cbm, im St. Gotthard höchstens 2 cbm. Von der letzten Querstrecke aus soll, die Luft durch Lutten mittels Wasserstrahlgebläse zu den Arbeitsstellen in den Richtstollen ge- trieben werden In ähnlicher Weise ist die Zuführung der Luft zu den Firststollen geplant, während die Aufbrüche unmittelbar durch den vorbeiziehenden Strom bewettert werden. An sämtliche Arbeits- punkte wird Wasser in stark gepreßtem Zustande geleitet werden, um die Gesteinswände und die Luft abzukühlen. Man erwartet im Simplontunnel eine Gesteinstemperatur bis zu 40^ C im St Gott- hard betrug die höchste Gesteinstemperatur 30,8 ^ im Mont-Cenis 29,5 ^ im Arlberg 18,5®. Man hofft jedoch durch die lo-äftige Lüftung und Wassereinspritzung die Lufttemperatur auf mindestens 25® G herabzumindern. Die Einforderung der Baumaterialien und Ar- beiter soll in dem Stollen, in dem die Luft einzieht, die Ausfahrt dagegen im ausziehenden Stollen erfolgen, damit die Leute möglichst vor Erkältungen geschützt bleiben.

Bei der verhältnismäßig kurzen Zeit, welche ein Tunnel zu seiner Herstellung erfordert, lassen sich ausgedehnte Einrichtungen zur Hebung des leiblichen und geistigen Wohles der Arbeiter, wie sie beim Bergbau zu finden sind, nicht treffen. In- dessen nötigen nicht allein die Forderungen der Humanität, sondern auch die materiellen Interessen den Tunnelbauer ebenfalls, für seine Arbeiter nach Möglichkeit zu sorgen. Diese Notwendigkeit tritt be- sonders beim Bau eines Hochgebirgstunnels auf, weil dieser in der Regel in unwirtlichen Gegenden stattfindet Wo die Arbeiter nicht in nahegelegenen Ortschaften, und wenn sie krank sind, in be- reits bestehende Krankenhäuser untergebracht werden können, muß der Bauherr Barackenlager und Lazarette errichten. Nasse Tunnel-

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Hygiene der Berg- und Tunnelarbeiter. 409

bauten verlangen die Anlage von Trockenstuben und von auch noch so einfach gehaltenen Wasch- oder Badeeinrichtungen. Ein für das Wohl seiner Arbeiter besorgter Unternehmer wird ihnen übrigens auch zum Schutz gegen die Nässe wasserdichte Anzüge liefern. Außer- dem müßte stets für Beschaffung guten Trinkwassers zu den Arbeits- punkten und für geordnete Abortsverhältnisse gesorgt werden. Be- sonderer Nachdruck aber ist auf die Beschaffung einer kräftigen Nahrung zu legen, in welcher namentlich das Fleisch nicht fehlen darf. Dies läßt sich durch Menagen, zu deren Kosten die Bauleitung beitragen müßte, wohl erreichen.

Diesen Anforderungen wird man bei dem projektierten Bau des Simplondurchstiches größtenteils gerecht werden. Wie die Schweizerische Bauzeitung ^ mitteilt, werden vor den Tunnelmünd- ungen für die Bauzeit Stationsgebäude errichtet, welche große Lade- räume, Garderoben, Wäscherei, Trocknerei, Restauration u. s. w. ent- halten. Jeder Tunnelarbeiter erhält von der Unternehmung besondere Arbeitskleider, welche außer Gebrauch im Stationsgebäude aufbewahrt bleiben. Die in den Tunnel einfahrenden Arbeiter empfangen vor dem Besteigen der für sie bestimmten Züge in einer geräumigen Halle ihre Arbeitskleider und geben die eigenen zur Aufbewahrung ab. Nach Schluß der Schicht und erfolgter Ausfahrt begeben sie sich in den für 90 Personen eingerichteten Bade- und Doucheraum, be- kleiden sich mit den zurückerhaltenen eigenen Kleidern und liefern die durchnäßten und beschmutzten Arbeitskleider wieder an die Gar- derobe ab. Nach Reinigung und Trocknung werden diese Kleider bis zur erfolgten Einfahrt derselben Arbeiterschaft aufbewahrt Die Bahn- hofshalle und die Einfahrtsgeleise bis zum Tunnel sind gedeckt und seitlich geschlossen, um die aus dem Tunnel ausfahrenden Leute vor kaltem Luftzuge zu schützen. Im Innern des Tunnels werden, so- weit die Arbeitsstrecken reichen, bei den Querstollen Aborte mit Erdklosetts aufgestellt, welche so oft als nötig ausgewechselt werden. Das für die Arbeiter nötige Trinkwasser wird der Bohr- und Kühl- wasserleitung, welche filtriertes Wasser enthalten, entnommen und, soweit nötig, den Arbeitergruppen in großen Wasserflaschen zugetragen. Die Aborte werden durch besondere Leute mit je 1 oder 2 Gehi&en in Ordnung gehalten, welche auch für die richtige Bedienung der Wetterthüren und Weichen, sowie für den Trinkwasserdienst verant- wortlich sind.

Die beim Bau beschäftigten Arbeiter sollen vertragsmäßig ge- sunde Wohnungen und gute Lebensmittel erhalten. Außerdem ist die Bauunternehmung verpflichtet, für kranke Arbeiter, sowie für die Witwen und Waisen verunglückter Arbeiter eine ünterstützungskasse einzurichten.

Mit Recht empfahlen übrigens die vom Schweizerischen Bundes- rat zur Begutachtung des Simplontunnel- Projektes ernannten Sach- verständigen, jeden Arbeiter bei der Aufnahme einer gründlichen ärzt- lichen Untersuchung zu unterziehen und solche Elemente, deren Or- ganismus den im Tunnelbau bestehenden, mehr oder weniger un- günstigen Verhältnissen voraussichtlich nicht dauernd Widerstand leisten könne, nicht in Arbeit zu nehmen. Auch erschien es ihnen notwendig, daß nach Aufschluß der tiefer gelegenen Tunnelpartien die ganze Mann- schaft in gewissen Zeiträumen von einem Arzt untersucht würde, um einen Arbeiter, der in seiner Erwerbssucht den Keim eines Leidens

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410 MEISSNER, HygieDe der Berg- tmd Tmmelarbeiter.

nicht beachte, einer solchen Verwendung zuzuführen, wo er wieder seine volle Gesundheit erlangen könne, zum Mindesten aber einem Weitergreifen der Krankheit Einhalt geboten werde.

l\ BdliA, Lehrbuch der getawUem TwmMaukuntt (ISB7 , 1872).

2) Maekanfan und BiohArd, Tutuulbau, Handiueh dtr lngmdeurwi$mn»€hßfieM (1887)

1. Bd, 874.

SmpUmtumuil, SehweiMuruehe Bauaeüung (1894) No, 18—21.

SUpff, StuduM aber dm Emftu/i dtr Erdwärwie a^f die ÄH^flthrhairheU von Hoi^gebvrgi-

UumeUHy da Boii« Areh. (1879) Supplement 8, 72. 6) BdliA, Zum Pn^ekt des SimplonimmeUf SehteeiMerieehe Bmuieitung (1894) 173.

Beriehttgnngen.

8. 281 Z. 18 statt: Tiere lies: TiereiL

282 „15 : auf lies : ans.

282 28 : oder Kanals lies: oder eines Kanals.

285 letate ZeUe statt : Ut Ues : sind.

245 Z. 88 statt: durch einen lies: darch eine.

252 8 ▼. o. statt: TragObgkeit lies: TragfUügkeit

266 84 statt: geteertem lies: geteerten.

268 15 : bildet lies: bilden.

I, 259 „8 : geht lies: gehen.

„261 10 V. n. statt : das Anfahren Hos: des Anfalirens.

268 7 statt: sind Ues: ist.

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HYGIENE DER HÜTTENARBEITER.

BEARBEITET

VON

0. SAEOEB,

KÖNIOL. fBBÜSS. BBBGA8SBSS0B IM FBIEDBIOHSHÜTTB O.B.

MIT 57 ABBILDUNGEN.

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THENEW YO:^K

PUBLIC LI BHAisY

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A8T0R, LENOX ANO TILDEN FCVJ^DATIONe.

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I. Einleitung.

1) Der Hüttenbetrieb im allgemeinen.

Der Hüttenbetrieb bezweckt zunächst die Gewinnung der Metalle ans den von den Bergwerken kommenden, teilweise in den Aufbe- reitungsanstalten durch mechanische Trennung vorbereiteten Erzen. Die Metallgewinnung erfolgte ursprünglich ausschließlich auf trocke- nem Wege unter Mitwirkung des Feuers ; nach und nach haben aber auch der nasse Weg unter Zuhilfenahme von Wasser, Säuren und sonstigen Lösungsmitteln, sowie der elektrolytische Weg mit Hilfe des galvanischen Stromes allein oder in Verbindung mit den trockenen Hüttenprozessen für die Metallgewinnung mehr und mehr an Bedeu- tung gewonnen.

Das fertige Metall, wie es als Hüttenprodukt in den Handel kommt, wird rast nie in einem einzigen Prozesse gewonnen, die Regel bildet vielmehr, daß die Erze zunächst durch vorbereitende Prozesse (Brennen, Rösten) in eine für die Gewinnung metallreicher Produkte

Geeignete Form übergeführt, dann in einer oder mehreren Operationen ie Metalle selbst ausgeschieden, und schließlich die gewonnenen rohen Metalle in besonderen Verfahren gereinigt werden. Für einige Metalle erfolgen weiter auf den Hütten selbst oft noch die Form- gebungsarbeiten, so für Zink zur Herstellung von Blechen, für Blei und Kupfer zur Herstellung von Blechen, Röhren und Drähten, für Roheisen zur Herstellung von Gußwaren und für das aus dem Roh- eisen gewonnene schmiedbare Eisen zur Herstellung von Stabeisen (Quadrat-, Rund-, Flach-, Bandeisen), Baueisen (L-, Jf-, T-, F-Eisen), Eisenbahnschienen, Radreifen, Blech, Röhren und Draht. Ein Teil der Eisenhütten endlich verarbeitet in eigenen mechanischen Werk- stätten die durch Schmieden und Walzen erzeugten Eisensorten zu fertigen Eisenkonstruktionen (Brücken, Dächer, Drehscheiben, Wag- gons u. s. w.).

Für die Auswahl des bei der Verhüttung anzuwendenden Ver- fahrens sind im wesentlichen entscheidnnd :

1) Die Zusammensetzung der Erze und der diesen 1 eichzurechnen den metallischen Zwischenprodukte er Hütten.

Es kann sich bei der Verhüttung handeln um :

Qediegene Metalle (Platin, Oold, Silber, Quecksilber, Wismut, Kupfer, Arsen und Antimon kommen gediegen in der Natur vor), Metall-

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412 SAEGER,

legieningen, Metalloxyde, Schwefelmetalle, Arsen and Antimonmetalle, Kohlenstofimetalle, GMormetalle, Sauersto&alze der Metalle (Karbonate, Sulfate, Arseniate, Silicate, Phosphate). Von Wichtigkeit fOr die Ver- hdttong sind femer die den Erzen auch nach der mechanischen Aufbe- reitung immer noch beigemengten, nicht nutzbaren Mineralien (Quarz, Kalkspat, Bitterspat, Schwerspat, Gips und Silikate) und Gtebirgsarten (Kalkstein, Dolomit, Schieferthon, Eäeselschiefer, Ghrauwacke, Sandstein, (Jneiß, Granit u. s. w.).

2) Die physikalischen und chemischen Eigenschaf- ten des darzustellenden Metalles und seiner Ver- bindungen.

Namentlich: Schmelzbarkeit, Flüchtigkeit, W&rmeleitungsfUiigkeit, specifische Wärme, specifisches Gewicht, Krystallisation , magnetische Eigenschafben, elektrische Leitungs&higkeit ; dann: Verhalten zu Sauer- stoff, Schwefel, Chlor und zu Säuren.

3) Oertliche Verhältnisse.

Namentlich : Preise der Brennmaterialien und der Zuschlagsmaterialien, Höhe der Arbeitslöhne, Nähe von billigen Wasserkräften, Umgebung mit sterilem oder fruchtbarem, in hoher Kultur befindlichem Boden u. s. w.

Um uns ein ungefähres Bild von der hierdurch bedingten großen Mannigfaltigkeit der Hüttenprozesse zu verschaffen, wollen wir in kurzen Zügen die gebräuchlichsten Metallgewinnungsmeihoden kennen lernen. Wir beginnen mit dem Metall, welchem nach Menge, Wert und wirtschaftlicher Bedeutung die erste Stelle gebührt; das ist:

Das Eisen.

Die wichtigsten Erze für die Eisendarstellung sind: der nament- lich an der Sieg, Lahn und Dill, im Harz, in England, in Nord- Spanien, in Nord -Afrika und in Nord -Amerika vorkommende Rot- eisenstein (Eisenglanz Fe, O3), der Magneteisenstein (Fes O4) ^ Schweden und in Nord-Amerika, die weit verbreiteten Brauneisenerze (Eisenhydroxyd), zu denen auch die phosphorhaltigen ßaseneisenerze der norddeutschen Tiefebene und die Minette in Luxemburg und Loth- ringen gehören, und der namentlich im Siegerlande, im Harz, in der Steiermark und in Kärnthen gewonnene Spateisenstein (kohlensaures Eisenoxydul Fe CO 3). Von geringerer Bedeutung sind die Thon- und Eohleneisensteine und die eisenreichen Rückstände abgerösteter und ausgelaugter Schwefel- und Kupferkiese. Die spätigen Erze (Spat- eisenstein, Thoneisenstein) werden zur Austreibung der Kohlensäure und üeberführung in Eisenoxydul geröstet, bevor sie, wie die anderen Erze, in den eigentlichen Eisengewinnungsprozeß gelangen. Dem Erz- gemische müssen, je nach der Gangart den nicht nutzbaren, meist erdigen Nebenbestandteilen der Erze Zuschläge beigegeben wer- den, welche meistens Kalk, seltener Magnesia, Thonerde oder Kiesel- säure enthalten und mit den Gangarten und der Asche der Brenn- materialien zusammen im Ofen eine leicht schmelzbare Schlacke ergeben.

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 413

Das fertige Gemisch von Erzen und Zuschlägen, der Möller, wird sodann abwechselnd mit dem Brennstoff, als welcher meistens der durch Vergasung aus Steinkohlen gewonnene Koks dient, im Hoch- ofen aufgegeben.

Der Hochofen ist eine Art Schachtofen, wie sie auch sonst bei den trockenen Hüttenprozessen neben den Herdöfen, den Flammöfen und den Ghefllßöfen in Anwendung stehen. Der Horizontalquerschnitt des Hoch- ofens ist überall kreisrund; derselbe nimmt yon der Oicht, der oberen Mündung des Ofenschaohtes, aus zunächst beständig zu, erreicht bei etwa */jQ der ganzen Höhe von oben gerechnet sein Maximum, nimmt dann wieder ab und bleibt auf den letzten 8 4 m konstant. So bildet das Ofeninnere im oberen Teile einen abgestumpften Kegel, den Schacht, im mittleren einen umgekehrten, ebenfalls abgestumpften Kegel, die East, und im unteren Teile einen Cylinder, das OestelL Der weiteste Teil des Ofens zwischen Schacht und East ist zuweilen als Cylinder aus- gebildet; er wird als Kohlensack bezeichnet.

Der durch Gebläsemaschinen erzeugte, in eisernen oder steinernen Winderhitzungsapparaten auf 600 700® erhitzte Verbrennungswind wird von dem Hauptwindleitungsrohr durch engere Abzweigungen (Düsen) den Formen zugeführt, welche in abgestumpft konischer Ge- stalt etwa 1 m über dem Erdboden die Wandungen des Gestells be- hufs Einführung des heißen Windes in den Ofen durchbrechen. Die Vorgänge im Ofen sind dann kurz folgende: Die Beschickung (Erze, Zuschläge und Koks) wird im oberen Teile des Schachtes zunächst durch die von unten aufsteigenden heißen Gase vorgewärmt und verliert allmählich das Wasser und die etwa an Eisen oder die Gangarten ge- bundene Kohlensäure. Im unteren Teile des Schachtes und in der Rast findet dann die Reduktion des Eisenoxyds zu Eisenoxydul und weiter des Eisenoxyduls durch Kohlenoxyd zu Eisen statt, indem sich der Sauerstoff des Eisens mit dem Kohlenoxyd (CO) zu Kohlen- säure (COg) verbindet. Das Kohlenoxyd entsteht dadurch, daß der Sauerstoff des Verbrennungswindes in dem Gestell zunächst mit glühenden Koksstückchen zu Kohlensäure verbrennt ; sofort trifft dann aber die Kohlensäure auf weiteren glühenden Koks und wird in das für die Reduktion erforderliche Kohlenoxyd übergeführt (COg + 0 == 2C0). Ein Teil des Kohlenoxyds zerlegt sich während der Re- duktion der Sauerstoffverbindungen des Eisens zu Kohlensäure und Kohlenstoff (2C0 = CO, + C), von denen der letztere sich in fester Form im reduzierten, noch schwammförmigen Eisen verteilt Das derart gekohlte Eisen hat einen verhältnismäßig niedrigen Schmelz- punkt und geht im unteren Teile der Rast und im Gestell mit den Erden und Zuschlägen in den feuerflüssigen Zustand über. Im Ge- stell werden dann die in der Schlacke vorhandenen, noch nicht reducirten Eisenverbindungen durch direkte Einwirkung des Kohlen- stoffs im weißglühenden Koks zum größten Teil in den metallischen Zustand übergeführt. Die Schlacke sammelt sich im Gestell über dem specifisch schwereren Roheisen und fließt beständig durch eine mit der sog. Schlackenform versehene Oeffnung in der Gestellwandung ab, während das Roheisen solange im Untergestell bleibt, bis es an die Schlackenabflußöffnung heranreicht Dann wird es aus einer ge- wöhnlich mit Thon und Steinpfropfen verschlossenen Oeffnung im

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414 8AEGER,

untersten Teile des Ofens abgestochen und in Formen aus Eisen oder Sand geleitet, in denen es zu Masseln oder Flossen erstarrt Es werden im wesentlichen zwei Arten, das weiße und das graue Boheisen, erzeugt, von denen das weiße den Kohlenstoff legiert, das graue denselben in Form von Graphitblättchen enthält Das Roheisen wird entweder zur Herstellung von Gußwaren oder zur Erzeugung des schmiedbaren Eisens verwendet Zur Gießerei wird das Boheisen gewöhnlich in besonderen Schacht- (Kupol-) oder Flammöfen umgeschmolzen, in die mit der Hand oder Maschine hergestellten Hohlformen gegossen und nach dem Erstarren geputzt Die Dar- stellung des schmiedbaren Eisens aus dem Boheisen erfolgt entweder derart, daß das Eisen bei der Operation im teigigen Zustande bleibt oder verflüssigt wird. Im ersteren Falle wird im Puddel- (Flamm-) Ofen Schweißeisen oder Schweißstahl, im zweiten Falle in der Birne oder im Martin- (Flamm-) Ofen Fluß eisen und Fluß- stahl erzeugt Schweißeisen und Flußeisen, gemeinsam Schmiede- eisen genannt, unterscheiden sich von (Schweiß- und Fluß-) Stahl im wesentlichen durch physikalische Eigenschaften. Schmiedeeisen ist nicht härtbar und hat eine Schmelztemperatur von über 1600^ C, Stahl ist durch plötzliche Abkühlung härtbar und schmilzt schon bei 1400— 1600 0 C. Gewöhnlich ist auch der KohlenstoflFgehalt des Schmiedeeisens niedriger als der des Stahls, doch kann ein größerer Mangan- und Siliciumgehalt des Eisens hierin Abweichungen hervor- bringen.

Das Boheisen enthält 2,3 und mehr Prozent Kohlenstoff; um diesen Gehalt auf den des schmiedbaren Eisens, d. h. auf 1,6 and weniger Prozent zurückzuführen und zugleich die sonstigen Verun- reinigungen des Boheisens zu entfernen, wird das letztere in teigigem oder flüssigem Zustande der Einwirkung des Sauerstoffes der Luft ausgesetzt, wobei Silicium, Mangan, Phosphor und ein Teil des Schwefels meistens in oxydischer Form verschlackt, Kohlenstoff und ein weiterer Teil des Schwefels als Kohlenoxyd und schweflige Säure vergast und ausgeschieden werden. Man nennt diese Umwandlung des Boheisens „Frischen". Die älteste Art, das Herdfrischen, besteht darin, daß man Boheisen auf offenem Herde, dem Frischfeuer, durch einen Windstrom tropfen läßt, wobei sich die Verunreinigungen und der Kohlenstoff oxydieren. Diese Methode, welche nur eine ge- ringe Produktion bei hohen Kosten zuläßt, ist fast überall zunächst durch den Puddelprozeß verdrängt worden.

Die Puddelöfen sind Flammöfen, in welchen die Verhüttungsmate- rialien nicht wie bei den Herdöfen und den Schachtöfen mit den Brenn- materialien in unmittelbare Berührung kommen. Sie bestehen im wesent- lichen aus dem Feuerungsraum , in welchem die Brennmaterialien ver- brannt werden, aus dem eigentlichen Arbeitsraum, dem Herd und aas dem Fuchs, durch welchen die Verbrennungsgase und VerpflüchtignngB- produkte entweichen. Auf dem Herde wird das Boheisen eingeschmolzen, wobei schon ein Teil des Siliciums verbrennt Dann muß der Puddler, um der Luft immer neue Stellen zur Oxydation zu bieten, das Eisen durchrühren, wobei nach den Imderen Verunreinigungen schließlich auch der Kohlenstoff in Form des blau brennenden Kohlenoxyds entweicht Mit abnehmendem Kohlenstoffgehalt wird aber das Eisen strengflüssiger, bis es schließlich im Bade erstarrt und vom Paddler zur Endelung eines

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gleiohm&ßigen Kohlenstoffgehaltes in Ellampen anfgebroohen und mnge- setzt wird. Ist auch diese Arbeit vollendet, so macht der Paddler ans dem Ofeninhalte die Luppen, große kugelförmige Eisenstücke, l&ßt aus denselben bei starkem Feuer die Schlacke abfließen, holt sie mit einer großen Zange aus dem Ofen und bringt sie unter den Dampfhammer, durch welchen die schwammige Masse geschweißt und von Schlacke be- freit wird. Die geschmiedete Luppe kommt dann zum Walzwerk und wird hier zu Bohschienen geformt. Wird weißes Roheisen gepuddelt, so verkürzt sich die erste Arbeitsperiode, wird Stahl erzeugt, so fUlt die letzte Periode fast ganz fort.

Der Paddelprozeß wird nun aber mehr und mehr durch die Eonverterprozesse verdrängt, bei denen die Oxjdationslaft dorch das in einem kippbaren, mit birnenförmigem Halse versehenen Cylinderofen (Birne, Konverter) befindliche Roheisenbad hindarch- gepreßt wird. Das zum Verständnis dieser Prozesse Erforderliche ist unten gesagt; wir kommen deshalb nunmehr zu einer Dar«- stellungsart des schmiedbaren Eisens, bei welcher der Sauerstoff der Luft nicht die Hauptrolle spielt Es ist das der Siemens-Martin- Prozeß.

Bei demselben wird in einem Flammenofen zunächst Roheisen ein- geschmolzen, wobei allerdings gewöhnlich schon ein teilweises Luftfrischen stattfindet. In diesem Bade wird dann entweder kohlenstoffarmes Schmiede- eisen (PlußeisenabfUle) aufgelöst, sodaß eine Mischung vor sich geht und ein niedriger als das Roheisen gekohltes Eisen (schmiedbares Eisen) ent- steht, oder es werden sauersto&eiche EiseneMe (Roteisenstein) zur Ent- kohlung des Roheisens zugesetzt Die Martinprozesse erfordern sehr hohe Temperaturen, deren Erzeugung Siemens durch seine Regenerativ- feuerung gelang; bei derselben werden die Kohlen zunächst in brenn- bares Oas (hauptsächlich Kohlenoxyd) übergeführt und erst im Ofen durch zugefährte Luft verbrannt, wobei durch Regulierung der Lufi^ zufuhr höhere Temperaturen erzielt werden, als bei der direkten Verr brennung der Kohlen auf dem Roste. Die abziehenden, noch inmier sehr heißen Ofengase passieren dann das eine von einem Paar mit Steinen gitterförmig ausgesetzten Kammersystemen und geben einen großen Teil ihrer Wärme an die Wandungen und Steine der Kammern ab. Li- zwischen streichen die vom Oenerator kommenden Ghise ebenso wie die Verbrennungsluft durch das vorher in derselben Weise durch die ab- ziehenden Ofengase geheizte andere Kammersystem und nehmen schon vor dem Eintritt in den Ofen eine sehr hohe Temperatur an, welche im Ofen nutzbar gemacht wird. Die beiden Heizkammersysteme werden in gewissen Zeiträumen umgeschaltet. Der Martinprozeß wird namentlich zur Erzeugung von Eisensorten mit einem bestimmt vorgeschriebenen Kohlenstoffgehalt angewandt.

Man verwendet sauerstoflfreiche Erze auch zur teilweisen Um- wandlung von Gußwaren geringerer Stärke in schmiedbares Eisen, ohne daß die Form der Gußstücke geändert wird.

Dieses Verfahren, Tempern genannt, besteht darin, daß Gußstücke aus weißem Roheisen, wie Fenster- und Thürbeschläge, Schlüssel, Schloß- teile, Geschirrstücke, Haken, Oesen, Förderwagenräder, in Roteisenstein-

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pulver lagenweise gepackt und in gemauerten Kammern 5 7 Tage ge- glüht werden, wobei sich zunächst die an der Oberfläche des Ghißstückea befindlichen Kohlenstoffinoleküle mit dem Sauerstoff des Erzes in Kohlen- oxyd verwandeln, ihren Sauerstoff aber immer wieder an die Kohlenstoff- moleküle der inneren Schichten abgeben müssen, sodaß schlieBlich aus dem harten und spröden GhiBstück ein schmiedbarer Gegenstand wird.

Das umgekehrte Verfahren schlägt man bei der Herstellung voa Gementstahl ein, indem man weiches, reines Schmiedeeisen in Stab- form mit Holzkohlenpulver glüht, wobei die Kohlung ebenfalls durch Molekularwanderung stattfindet.

Die edelsten Stahlsorten, Raffinier stahl und Tiegelguß- stahl, werden durch Schweißen und Umschmelzen hergestellt

Zur Erzeugung Yon Ea£Gnierstahl werden die aus SchweiBstahl be- stehenden Luppenstäbe zu Packeten vereinigt, im Schweißflammenofen erhitzt und dum unter Hämmern oder Walzen zusammengedrückt. Dabei wird die verunreinigende Schlacke herausgepreßt und der Kohlenstoff noch gleichmäßiger im Stahl verteilt. Das letztere geschieht noch voll- kommener, wenn ein durch Puddeln, Bessemern oder im Martinprozeß erzeugter Bohstahl in Tiegeln umgeschmolzen wird, welche, je nachdem die Wandungen aus feuerfestem (süiciumhaltigem) Thon oder aus Ghraphit bestehen, von Einfluß auf den Verlauf des Prozesses sind. Der Haupt- vorzug des Produktes dieses Prozesses, des Tiegelstahls, ist die voll- kommenste Oleichmäßigkeit desselben in allen Teilen.

Die weitere Verarbeitung des schmiedbaren Eisens zu den im Eingänge angegebenen Handelssorten geschieht durch Dampfhämmer» hydraulische Schmiedepressen und Walzen.

Das Blei

wird fast nur auf trockenem Wege aus dem Bleiglanz (Schwefelblei)^ seltener aus Weißbleierz (kohlensaures Blei) gewonnen. Die drei Arten der Bleigewinnung aus dem Bleiglanz sind: die Nieder- schlagsarbeit, die Röstreduktionsarbeit und die Röst- reaktionsarbeit.

Bei der Niederschlagsarbeit werden die Bleierze, welche von fremden Schwefelmetallen möglichst frei sein müssen, unter Zusatz von eisenhaltigen Substanzen (EisenabfUle, eisenreiche Schlacken, Eisenstein^ eisenoxydreiche Bleisteine) abwechselnd mit dem Brennmaterial (Koks) in horizontalen Lagen im Schlachtofen aufgegeben. Einen etwaigen XTeberschuß von Säuren oder Basen gleicht man durch Zuschlag von basischen oder sauren Schlacken aus. Das angegebene metallische oder durch die Einwirkung yon Kohlenozyd und glühendem Koks aus den. ozydischen Eisenverbindungen im Ofen entstehende Eisen ist zum Schwefel verwandter als das Blei. Das Eisen nimmt deswegen aus dem Bleiglanz unter Bildung von Schwefeleisen den Schwefel fort und Blei wird frei. Das Schwefeleisen nimmt aber immer gewisse Mengen von Sehwefelblei auf und bildet mit demselben den Bleistein, welcher sich im Ofen über dem metallischen Blei sammelt. Kupfer, welches in den zur Niederschlagsarbeit verwendeten Bleierzen häufig auffaitt^ ist nahe

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Biit Schwefel verwandt, tmd sammelt sich deswegen zom größten Teil imi Stein. Antimon und Arsen, welche zuweilen in den Erzen in wirk- samer Menge vorkommen, nehmen einen Teil des Eisens wie der anderen Metalle mit sich und bilden die anf dem Steine schwimmende Speise. Ein geringer Teil des Bleies imd der anderen Metalle geht in cUe zu- oberst abgesetzte Schlacke. Die Nebenprodukte, Bleistein, Speise und Schlacke, werden bei genügendem Bleigehalt beim Schmelzen wieder zu- gesetzt. Bleistein, welcher viel Kupfer enthält, wird auf Blei und Kupfer- stein, der letztere auf Kupfer verarbeitet. Aus der Speise wird bei ge- nügendem Antimongehalt Hartblei hergestellt, arme Schlacke wird ver- haldet

Die Röstreduktionsarbeit ist die h&ufigste Art der Blei- gewinnung. Bei derselben werden die geschwefelten Erze durch Rdstung zunächst in Oxyde übergeführt Die Eöstung wird in Haufen, die offian oder teilweise ummauert sind und dann Stadeln heuten, in Schacht- oder in Flammenöfen vorgenommen. Sind wenig fremde Schwefelmetalle und nur geringe Mengen von kieselsäurehaltigen Substanzen im Erze, so ge- lingt es, beim Rösten den größeren Teil des Schwefelbleies in Bleiozyd überzuführen, es entsteht aber daneben immer auch schwefelsaures Blei, dessen Menge zunimmt, je mehr fremde Schwefelmetalle im Erze vor- handen sind. Das schwefelsaure Blei geht aber bei dem nachfolgenden Beduktionsprozeß wieder in Schwefelblei über und erfordert dann teure Eisenzuschläge zur Bindung des Schwefels. Zur Vermeidung dieses Uebelstandes fügt man, falls nicht schon genügende Mengen ELieselerde im Erze vorhanden sind, kieselsäurehaltige Substanzen (z. B. Sand) dem Röstgute bei, worauf unter Austreibung der Schwefelsäure aus dem schwefelsauren Blei kieselsaures Blei entsteht. Ein kieselsäurehaltiger Zuschlag wird bei schliechförmigem Röstgut auch gegeben, um dasselbe durch Verschlackung in die für den nachfolgenden Schachtofenprozeß erwünschte Stückform überzufahren.

Die vorbereiteten Erze werden nach ihrem Oehalte an Bleioxyd, schwefelsaurem Blei, kieselsaurem Blei, unverändertem Bleiglanz und an sonstigen metallischen und nichtmetallischen Bestandteilen mit passenden Znsdilägen versehen, welche so gewählt sind, daß wegen der verhältnis- mäßig niedrigen Schmelztemperatur bei der Bleireduktion eifie leicht schmelzbare Schlacke entsteht. Der fertige Möller wird mit Koks in abwechselnden Lagen im Schachtofen aufgegeben. Beim Niedergange wird sodann das Bleioxyd durch den Kohlenstoff zu Blei reduziert; Blei- sulfat geht in Schwefelblei über, aus welchem das aus den nie fehlenden Eisenzuschlägen durch Reduktion entstehende metallische Eisen den Schwefel unter Bildung von Blei und Schwefeleisen fortnimmt; kiesel- saures Blei wird durch Eisenoxydul (der Eisenzuschläge) und Kalk unter Bildung von Blei und Schlacke zerlegt. Die fremden Metalle, namentlich Kupfer und Zink, werden in den hauptsächlich aus Schwefel- eisen und Schwefelblei bestehenden Stein übergeföhrt. Der Stein wird zur Ausnutzung seines Eisengehaltes und zur Gewinnung des Bleies nach vorhergehender Röstung beim Schmelzen wieder zugeschlagen.

Beim Röstreaktionsprozeß werden Bleierze, welche möglichst reich und rein smn müssen, in Herd- oder Flammöfen zunächst teil- weise geröstet, sodaß ein Teil des Schwefelbleies unzersetzt bleibt. Das bei der Röstung entstandene Bleisulfat und Bleioxyd nach neuerdings wieder aufgenommenen Forschungen sollen auch andere Oxydationsstufen entstehen reagieren dann auf das unveränderte Schwefelblei derart,

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daß Blei und schweflige Säure entstehen. Ist kein Sohwefelblei mehr in der Beschickung vorhanden, so wird entweder in demselben Ofen durdi kohlenstoffhaltige Substanzen eine Eeduktion des Bleioxyds zu Blei und des Bleisulfats zu wieder wirksamem Schwefelblei yorgenommen, oder es werden die hauptsächlich Bleioxyd, Bleisulfat und wenig unverändertes Schwefelblei enthaltenden Bückstände der vorerwähnten Beduktionsarbeit im Schachtofen unterworfen.

Das durch diese Prozesse erzeugte Blei enthält neben sämtlichem Silber und Gold fast immer noch Kupfer, Antimon, Arsen und Wis- mut (seltener andere Metalle); es führt zum Gegensatz gegen das reine Blei, das Eaufblei, die Bezeichnung WerkbleL Die Beinigung dieses Werkbleies findet fast immer im Zusammenhange mit der Silbergewinnung aus demselben statt und soll daher beim Silber mit besprochen werden«

Kupfer.

Die wichtigsten Erze sind: Kupferkies (Gu,S, Fe,S,), Buntkupfer- erz (3Cu,S + Fe,Sg), Kupferglanz (Cu<S), antimon- und arsenhaltige Kupfererze (Fahlerze). Seltener sind Botkupfererz (GutO), Malachit (Gu.GO, + H,0), Kupfervitriol (GuSO^ +5H,0), Atakamit (Gu40gGl, + SHjO) und gediegen Kupfer.

Aus diesen Erzen wird das Kupfer auf trockenem oder nassem Wege, neuerdings auch vielfach auf vereinigtem trockenen und nassen Wege gewonnen. Bei den trockenen Prozessen unterscheidet man den deutschen oder Schachtofenprozeß und den. englischen oder Flammofenprozeß.

Die hauptsächlich zur Kupfergewinnung dienenden geschwefelten Kupfererze werden beim deutschen Prozeß zunächst in offenen Haufen, Stadeln, Schachtöfen, mechanischen und nichtmechanischen Flamm- öfen derart geröstet, daß ein Teil der Schwefelmetalle unter Entwicke- long von schwefliger Säure in Oxyde und Sulfate verwandelt wird, ein Teil aber imzersetzt bleibt. Die gerösteten Erze werden mit passenden, also je nach der Zusammensetzung entweder kieselsäurehaltigen oder basischen, meistens eisenoxydreichen Zuschlägen in horizontalen Lagen abwechselnd mit dem Beduktions- und Brennmaterial (Koks) im Schadit- ofen aufgegeben. Das am wenigsten zu Sauerstoff verwandte Kupferoxyd wird zuerst zu Kupferoxydul und weiter zu Kupfer reduziert und bildet mit den unzersetzten und den aus den Sulfaten entstehenden Schwefel- metallen einen Stein, welcher reicher an Kupfer ist als das ursprüngliche Erz. Die schwerer als Kupferoxyd reduzierbaren Metalloxyde werden zugleich verschlackt Dieser erste Stein, der Bohstein, kann nur ausnahmsweise bei großem Kupfer- und geringem Silber-, Blei-, Antimon- und Arsengehalt sofort vollständig abgeröstet und auf Bohkupfer verarbeitet werden, mei- stens muß vorher eine weitere Konzentration desKupfer- gehaltes im Stein vorgenommen werden. Dazu wird der Bohstein in Haufen, Stadeln oder Schachtöfen und, wenn er vorher zer- kleinert worden ist, in Flammöfen oder Ge&ßöfen (Oefen, in denen sich das JU)hmaterial in geschlossenen Gefäßen befindet, mit der Flamme des Brennmaterials also nicht in Berührung kommt) bis auf einen dem Kupfer-

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 419

gehalt entsprechenden Schwefelgehalt abgeröstet. Der geröstete Stein wird entweder in derselben Weise im Schachtofen verschmolzen wie das Erz, wobei nnr znr möglichsten Verhütung der Knpferverschlachnng eine an Basen (namentlich Eisenozydnl) reichere Beschickung gewählt wird, oder das verschlackende Schmelzen des Bohsteins wird im Flammofen vorge- nommen, wobei dann der Schwefel desselben anstatt des KohlenstofEs und des Kohlenoxydes das reduzierende Agens fOr die fremden Metalloxyde bildet. Der im Schachtofen oder Flammofen erzeugte kupfer- reichere Stein, der Konzentrations- oder Spurstein, wird nötigenfalls mehrmals geröstet und weiter konzentriert,, bis er schließlich totgeröstet, d.h. von Schwefel möglichst ganz befreit und nun in niedrigen Schachtöfen mit kiesel- säurehaltigen, die fremden Metalloxyde verschlacken- den Zuschlägen reduzierend auf Schwarzkupfer ver- schmolzen wird. Der Stein, dessen Entstehung beim Schwarzkupfer- schmelzen nicht vermieden werden kann, wird meistens beim Konzen- zentrationsschmelzen zugeschlagen, seltener für sich verarbeitet. Das Schwarzkupfer, welches durch nicht verschlackte, aus den Metalloxyden reduzierte Metalle wie Eisen, Blei, Nickel, Kobalt, Antimon, Arsen verunreinigt ist, wird auf Herden oder in Flammöfen einem oxydierenden Schmelzen unterworfen. Die Oxydationsluft wird meistens durch Gebläse erzeugt und wirkt an der Oberfläche des eingeschmolzenen« Schwarzkupfers derart^ daß ein Teil der Verunreinigungen verbrennt und verdampft (Antimon, Arsen, Zink, Blei, Schwefel), die nicht flüchtigen Stoffe (also namentlich Eisen, Nickel, Kobalt) aber in Oxyde verwandelt und durch die £äeselsäure aus dem Herdmateriale verschlackt werden. Unter der abzuziehenden oder von selbst abfließenden (bleiischen) Schlacke sammelt sich das schwerere Garkupfer, aus welchem das an der Oberfläche entstehende, immer wieder untersinkende Kupferoxydul durch Abgabe seines Sauerstoffes beständig weitere Mengen der fremden Me- ttJle als Oxyde abscheidet. Schließlich bleibt aber ein üeberschuß von Kupferoxydxd im Gaarkupfer. Es findet deswegen eine weitere Reinigung, zuweilen in einem besonderen Herde dadurch statt, daß man das Gar- kupfer über einer zu Kohlenozyd verbrennenden Kohlenschicht oder unter einer Kohlendecke bei gleichzeitigem umrühren mit Birkenstangen (Polen) einem reduzierenden Schmelzen, dem Hammergarmachen, unter- wirft. Das hammergare, nur geringe Mengen fremder Substanzen enthaltende Kupfer ist fertiges Handels- produkt.

Der englische oder Flammofenprozeß verläuft in ähn- licher Weise wie der deutsche Prozeß, nur werden bei dem reinen englischen Prozesse alle Operationen im Flammofen vorgenommen und bei den Schmelzungen Schwefel als Beduktionsmittel an Stelle von Kohlenstoff und Kohlenoxyd verwandt. Nach der unvollkommenen Bös tung werden die Erze mit kieselsäurehaltigen Zuschlägen auf Boh- oder Bronzestein verschmolzen, wobei die beim Boston gebildeten fremden Metalloxyde verschlackt, Kupferoxyd und Kupferoxydul aber durch den Schwefel der anderen Metalle reduziert werden und mit dem ebenfalls zunächst zu Kupfer reduzierten schwefelsauren Kupfer und anderen Schwefelmetallen (namentlich Schwefeleisen) den Bohstein bilden. Der Bohstein wird durch nötigenfalls wiederholtes Boston und redu-

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zierendes Schmelzen konzentriert, wobei blaner, knpfer&rmerer und eisenreicherer Stein entsteht, wenn der Bohstein vorher nnr schwach geröstet und ohne Zuschlag oxydischer Erze verschmolzen wird, weißer Stein mit geringerem Eisen- nnd höherem Knpfergehalt, wenn reinerer Bohstein schärfer geröstet nnd mit ozydischen Erzzuschlägen verarbeitet wird, sehr kupferreicher Blasenstein, wenn der sehr reine Bohstein sehr stark geröstet und ein bedeutender Zuschlag von oxydischen Kupfer- verbindungen gegeben wird und schließlich daneben fast immer ein zur Aufiiahme des größten Teiles der XTnreinigkeiten bestimmtes Schwarz- kupfer, die Kupferböden. Die Steine werden bei starker Luftzufuhr langsam eingeschmolzen, wobei sich auf der Oberfläche allmählich aus den fremden Metalloxyden und den Bestandteilen des Ofenfutters eine Schlacke bildet; wird die letztere abgezogen, so bildet sich beim Ab- kühlen eine ELruste von Kupferoxydul. Beim Wiedererhitzen wirkt das Kupferoxydul auf noch vorhandenes Halbschwefelkupfer stark oxydierend, sodaß Kupfer und schweflige Säure entsteht. Die Operationen des Ab- kühlens und Wiedererhitzens werden so lange wiederholt, bis keine schweflige Säure mehr entweicht und das Metallbad im wesentlichen aus Sohwarzkupfer besteht. Die BafiSnation des Schwarzknpfets wird dann in einem Ofen ohne Unterbrechung vorgenommen. Nach dem Ein- schmelzen werden die fremden Sto£Pe durch Zufuhrung von Luft teils verflüssigt, teils verschlackt, dann der letzte Schwefel durch das gebildete Kupferoxydul als schweflige Säure ausgetrieben, wobei Kupferkügelchen aus dem Metallbade emporgeschleudert werden (Braten und Sprühen), hierauf mittels grüner, in das Metallbad gesteckter Holzstangen, wel^e zunächst heftig Wasserdampf und Kohlenwasserstoff entwickeln, die ab- sorbierte schweflige Säure ausgetrieben (Dichtpolen) und schließlich bei geschlossenen Arbeitsthüren durch Bedeckung der Oberfläche mit Kohlen und weiteres Polen (Entwickelung von Kohlenoxydgas aus der verkohlten Holzstange) das überschüssige Kupferoxydul reduziert, bis das Kupfer gor ist und ausgeschöpft werden kann.

Auf den meisten Kupferhütten findet man den Schacht- und Flammofenprozeß vereinigt, weil jeder der beiden Prozesse für die einzelnen Operationen seine Vor- und Nachteile hat

Neuerdings ist auch das Bessemern bei der Kupfergewinnung mit Erfolg eingeführt worden.

Die selten vorkommenden oxydischen Erze werden bei den trockenen Prozessen wie geröstete Steine behandelt, also beim Stein- oder Erzschmelzen zugeschlagen. Gediegen Kupfer wird in Hammöfen sofort auf hammergares Kupfer verhüttet

Die nassen Kupfergewinnungsprozesse, denen arme oxydische und geschwefelte Erze mit in Säuren unlöslichen Gangarten, sowie Zwischenprodukte, aus denen Silber und Gold abgeschieden werden soll, unterworfen werden, werden später neben der Kupferelektrolyse kurz erörtert werden.

SUber.

Das Silber wird weniger aus eigentlichen Silbererzen (gediegen Silber, Antimonsilber, Tellursilber, Suberglanz, Sprödglaserz, dunUes und lichtes Rotgiltigerz, Polybasit) als aus Erzen gewonnen, welche

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Silber nur als Nebenbestandteil enthalten, wie silberhaltige Blei-, Kupfer-, Zink-, Wismut-, Kobalt-, Nickel- und Fahlerze.

Die Verhüttung erfolgt auf trockenem, nassem oder elektrolyti- schem Wege.

Der trockene Weg beginnt mit der Verbleiung, wel- ches Verfahren auf der Eigenschaft von Blei, Bleiozyd und Bleisulfat beruht, aus allen Silber- Verbindungen das Silber auszuziehen. Sehr reiche Silbererze werden zur Verbleiung beim Abtreiben (vgl. unten) unmittelbar zugesetzt. Mittel- reiche Silbererze werden mit Bleierzen oder bleiischen Zuschlägen meistens auf silberreiches Werkblei und Stein verschmolzen. Arme Silbererze werden zur Anreicherung des Silbergehaltes zunächst auf einen silberhaltigen Bohstein verschmolzen, welcher geröstet und mit bleiischen Zuschlägen auf Werkblei verarbeitet oder in flüssigem Zu- stande durch Eintränken (in metallisches Blei) entsilbert wird. Aus silberhaltigen Kupfererzen wird Werkblei, welchem dann alles Silber folgt, nur erzeugt, wenn die Bleierze mit den Kupfererzen innig verwachsen sind. Sonst stellt man silberhaltigen Kupferstein oder eben- solches Schwarzkupfer dar, aus denen das Silber auf nassem oder elektro- lytischem Wege gewonnen wird.

Das Werkblei, und zwar namentlich das durch die Verhüttung von Bleiglanz und sonstigen silberärmeren Erzen erhaltene Werkblei ent- hält zu wenig Silber, um sofort dem Abtreiben unterworfen zu werden. Es wird deswegen vorher eine Konzentration des Silber- gehaltes vorgenommen, wobei gewöhnlich zugleich die Raffination des Werkbleies erfolgt, unreinere Werkbleie werden zu dem Zweck zunächst durch Polen (Umrühren mit grüner Holzstange), Saigem (Aus- schmelzen aus Legierungen, welche strengflüssigere Metalle, wie Kupfer, Nickel, Kobalt, enthalten) oder Umschmelzen im Baf&nier-(Flamm^Ofen (Oxydation von Antimon und Arsen meistens durch Gebläseluft;) rafmiiert Dann folgt die Silberkonzentration durch Pattinsonieren, häufiger aber durch Parkesieren.

Beim Pattinsonieren läßt man das in einem offenen Kessel «ingeschmolzene Werkblei allmählich abkühlen, wobei sich silberanne Bleikrystalle ausscheiden, welche von dem flüssigen silberreicheren Blei durch Abschöpfen oder Abzapfen getrennt werden. Durch Wiederholung dieser in einer Batterie von Kesseln vorzunehmenden Operation wird nach und nach einerseits ein silberarmes Blei gewonnen, welches durch die bei den ümschmelzungen sich absondernden Krätzen eine weitere Beinigung erfahren hat und das fertige Handelsprodukt (Kauf blei) bildet, und andererseits eine geringere Bleimenge, in welchem der Silbergehalt konzentriert ist

Zum Parkesieren dienen ebenfalls offene Kessel, in denen das «ingeschmolzene oder aus dem Bafifinierofen flüssig eingeleitete Werkblei mit Zusätzen von metallischem Zink versehen wird. Das Zink hat eine größere Verwandtschaft zum Silber als das Blei; es bildet sich deshalb in dem Bleibade eine bleihaltige Zink-Silberlegierung, welche leichter als das Blei sich in Form eines Schaumes, des sog. Zinkschaumes, auf der Oberfläche sammelt. In dem ersten Schaum scheiden sich schon sämtliches Kupfer und Gk>ld und weiter auch Antimon aus, sodaB beim Zinken eine weitere Beinigung des Bleies stattfindet. Bei genügendem Zinkzusatze gelingt es, nahezu sämtliches Silber im Zinkschaum auszu-

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solieiden. um sicher zu gehen, mufi man aber einen üebexBchoB von Zink zusetzen. Um überschüssiges Zink aas dem nach dem Abheben des Zinkschatimes im Kessel zurückbleibenden Armblei zu entfernen und zu- gleich eine weitere Raffination vorzunehmen, ver&hrt man gewöhnlich so, daß das Armblei in demselben Kessel oder in besonderen Flamm- öfen durch saftige Holzstangen oder häufiger unmittelbar durch Wasser- dampf gepolt wird. Dabei werden die wasserzersetzenden Metalle, nament- lich Zink, Eisen, Nickel, unter Wasserstoffbildung oxydiert und mit oxydiertem Blei als trockene, sog. arme Oxyde an der Oberfläche abge- schieden, von der sie abgehoben und auf Farbe oder durch Verfrischen auf Blei verarbeitet werden. Bei weiterem Dampfen unter Lufibzutritt wird alles in dem aufsprudelnden Blei noch vorhandene Antimon oxydiert und als abziehbare Krätze auf der Oberfläche abgesondert. Der Zink- schaum wird zunächst von dem aufgenommenen leichtflüssigeren Blei durch ümschmelzen in einem Saigerkessel möglichst befreit; die im Saiger- kessel zurückbleibende strengflüssigere Legierung wird entweder mit eisenreichen Schlacken im Schachtofen verschmolzen, wobei das Silber in das Beichblei, Zink dagegen durch Verflüchtigung und Verschlackxing verloren geht, oder sie wird mit Wasserdampf behandelt, wobei Beichblei zum Abtreiben und ein trockenes Gemenge von Zink- und Bleioxyd mit Werkblei entsteht, aus welchem das Zink mittels kohlensauren Ammoniaks als basisches Zinkkarbonat oder mittels Schwefelsäure als Zinkvitriol ausgeschieden wird, oder die Legierung wird der Destillation wie ein Zinkerz unterworfen, wobei abzutreibendes Beichblei und in den Vor- lagen der größte Teil des Entsilberungszinks gewonnen wird. Seltener ist die Behandlung des Zinkschaums mit Salz- oder Schwefelsäure zur Auflösung des Zinks und die Zerlegung durch Elektrolyse.

Aus dem durch das Patünsonieren oder Parkesieren gewonnenen und im letzteren Falle von Zink befreiten silberreicheren Blei wird das Silber durch das Abtreiben dargestellt

Dasselbe besteht in einem oxydierenden Schmelzen entweder auf feststehendem Herde deutsche Treibarbeit oder auf beweglichem Herde englische Treibarbeit . Ül beiden Fällen werden, mit Aus- Bahme des Silbers und etwaigen Goldes, alle Metalle oxydiert uud die Oxyde so lange aus dem Herde entfernt, bis das Silber allein darin zurück- bleibt. Die Oxydation geschieht fast immer durch Gebläseluft Beim Einschmelzen des Bleies im Treibofen entsteht zunächst an der Ober- fläche eine Elruste von schwer schmelzbaren Oxyden, eingemengten Schwefelmetallen, Herdmaterial (Abzug), nach dessen Entfernung unter der Einwirkung des angestellten Gebläses zuerst die schwarze, haupt- sächlich aus antimonsaurem Bleioxyd bestehende Glätte (Abstrich) und hierauf die reine Bleiglätte erscheint Das Gebläse ist so gestellt, daB die Glätte beständig der Arbeitsöfihung zugetrieben wird; durch die in der Brust der Arbeitsöffiiung hergestellte ^nne, die Glättegasse, welche mit sinkendem Bleispiegel immer tiefer gerissen wird, fließt die Glätte beständig ab und zerfällt beim Erstarren außerhalb des Ofens in glänzende, rot geftrbte Schuppen, die rote Glätte oder Kaufglätte, und in gelbe Stücken- oder Fiischglätte. Das Treiben wird entweder sofort bis zur Oxydation allen Bleies geführt oder zunächst zur Darstellung eines silber- reicheren Bleies angestellt (Konzentrationstreiben), welches angesammelt und besonders fertig getrieben wird. Meistens beim englischen Pro-

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zefi immer wird zur Erspanmg von Brennmaterialien während des Treibens festes oder flüssiges Blei nachgesetzt Oegen Schluß des Treibens ist die Oberfläche des Silbers nur noch netzförmig von der letzten Glätte überzogen, bis auch diese nnter dem Erscheinen des Silber- blicks verschwindet.

Der zurückbleibende Silberkuchen (Blicksilber) wird nach Ab- kühlen durch eingegossenes Wasser herausgenommen und, da er noch 1 4 Proz. Unreiniffkeiten enthält, zerkleinert und unter der Muffel auf einem beweglichen Teste, häufiger aber in kleinen Flammöfen mit festem oder beweglichem Herde durch oxydierendes Schmelzen fein- gebrannt Das Produkt ist dann das Brand- oder Feinsilber.

Auf nassem Wege wird das SUber aus reineren Erzen und namentlich aus unreineren kupferhaltigen Zwischenprodukten ge- wonnen. Die hierher gehörenden Prozesse sind unten kurz er- wähnt mit Ausnahme der Amalgamation , welche auf der Eigen- schaft des Quecksilbers beruht, mit Silber eine Legierung, das Silber- amalgam, zu bilden, aus welchem das Silber durch Verflüchtigung des Quecksilbers gewonnen werden kann. Man unterscheidet:

1) Die europäische oder Fässeramalgamation, bei welcher kiesige Erze, Steine, Speisen oder Schwarzkupfer in zerkleinertem Zustande mit Kochsalz zur Bildung von Ohlorsilber geröstet, dann in rotierenden eiche- nen Fässern zuerst mit Wasser zur Bildung einer das Ghlorsilber lösenden Kochsalzlauge, dann mit Eisen zur Ausscheidung metallischen Silbers und schließlich mit Quecksilber zur Bildung des Silberamalgams yersetzt werden. Das abgezapfte Amalgam wird vom Quecksilber durch Waschen und Pressen in Zwillichbeuteln möglichst befreit und dann durch Olühen unter der Glocke oder häufiger in Betörten in Quecksilber, welches ver- flüchtigt und wieder kondensiert wird, und in Silber, welches nötigen- falls noch feingebrannt wird, zerlegt. 2) Die amerikanische Haufenamalgamation; bei derselben werden die Erze, welche ge- diegen Silber oder Schwefelsilber, aber möglichst wenig fremde Schwefel- metalle enthalten, zerkleinert und in runden Haufen zunächst mit Wasser angesteift, dann mit Kochsalz gemengt, zu welchem Zwecke die Haufei^ von Maultieren oder Menschen durchgetreten werden, und nach 1 bis ^ Tagen mit Magistral (Gemenge von Kupfervitriol und Kochsalz) ver- setzt Durch gleichmäßig über dem Haufen verteiltes Quecksilber wird das Silber aus dem gebildeten Chlorsilber abgeschieden, das Silber- amalgam durch Waschprozesse gewonnen und durch Destillation in Queck- silber und feinzubrennendes Silber zerlegt 8) Die kombinierte amerikanische und europäische Amalgamation (der Kröncke- ProzeB); bei derselben wird die ühloration mittels einer heifien Lösung von Kochsalz und Kupferchlorür gleichzeitig mit der Amalgamation in rotierenden Fässern vorgenommen. 4) Die heiße Amalgamation (Cazo-Prozefl). Die Chloration wird in Fässern mit kupfernen Böden unter Erwärmung vorgenommen, das umrühren der Massen im Kessel mit Quecksilber geschieht durch ein Bührwerk, welches Kupferbarren zur Bildung von Kupferchlorür (ftir die Zersetzung von Schwefelsilber) trägt. 6) Die Mühlen- oder Arastra-Amalgamation. Die Erze, welche am besten nur gediegen Silber und Schwefelsilber enthalten, werden mit Wasser und Quecksilber vermählen, wobei das Quecksilber das Schwefel- silber zerlegt. Das gebildete Amalgam wird bei goldhaltigen Erzen be-

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434 SAEOER,

ha& Ansammlung des Ooldes weiter verwandt, bis der Gehalt der Le- ^erong etwa 20 Proz. an Silber und Oold beträgt. Das Amalgam wird wie bei den anderen Prozessen verarbeitet. 6) Die Pfannenamal- gamation. Die Erze werden, wenn sie rein sind, unmittelbar, wenn sie viel fremde Scbwefelmetalle enthalten, nach vorheriger Böstung unter Zuleitung von Wasserdampf und Zusatz von Kochsalz und Kupfervitriol (zur Bildung von Schwefelsilber chlorierendes Kupferchlorid) mit Queck- silber zerrieben, wozu gußeiserne Pfannen mit Rührwerk dienen. Das Silber wird zunächst aus dem Ohlorsilber durch das Eisen der Pfieome ausgeschieden und dann von dem Quecksilber aufgenommen. Das gebildete Amalgam wird, wie vorher angegeben, verarbeitet.

Die Verfahren, bei denen Silber auf elektrolytischem Wege abgeschieden wird, sind unten kurz erwähnt

Gk>ld.

Das Gold findet sich, häufig mit Silber legiert, meistens gediegen in Form von Blättchen, Körnern, wohl auch in größeren Stücken als Berggold auf seiner ursprünglichen, als Seifen- oder Waschgold auf sekundären Lagerstätten. Aus diesen Erzen wird das Gold oder das goldhaltige Silber entweder durch Waschen oder durch Amal- gamation gewonnen.

Das Waschen geschieht von Hand auf Beibgattem oder kleinen Herden oder auf maschinell bewegten Herden. Bei der Amalgamation, welcher auch kiesige und erdige Erze nach vorheriger Böstung unter- worfen werden, wird das Quecksilber in Mörsern, Fässern, Mühlen oder Gylindem mit Bührwerk mit den fein zerkleinerten Gt)lderzen in Be- rührung gebracht. Dabei wird ein Teil des Goldes (mit dem Silber) an Quecksilber chemisch gebunden, ein anderer Teil (das Feingold) aber un- gebunden unter dem Quecksilber abgesetzt.

Die Trennung des Quecksilbers vom Gold geschieht dann nach vorheriger Filtration wiederum durch Destillation.

Schmelzprozesse kommen bei der Goldgewinnung in An* Wendung, wenn es sich um die Verarbeitung goldhaltiger Silber-, Blei- und Kupfererze handelt

Diese Erze werden, wie oben angegeben, verhüttet, wobei sich das Gold in den Zwischen- und Endprodukten, namentlich aber Im Blick- und Feinsilber der Bleihütten und im Schwarzkupfer der Kupferhütten sammelt Diese Produkte werden dann, wie unten näher angegeben, auf nassem oder elektrolytischem Wege in reines Gold, Silber und Kupfer über- geführt.

Zink.

Das Zink wird hauptsächlich aus Zinkblende (ZnS), seltener aus Galmei (ZnCO,) gewonnen. Beide Erze werden zunächst vorbereitet

Die Zinkblende wird in Flammöfen oder in Muffelöfen, bei welchen die Böstgase mit den Feuergasen nicht in Berührung kommen und zur Schwefelsäurefabrikation verwandt werden können, oxydierend geröstet

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 425

der Galmei wird bei Stüokform in Schachtöfen mit kontinuierlichem Be^ trieb, bei Schliechform in Flammöfen gebrannt.

In beiden Fällen ist das Produkt Zinkoxyd. Dieses wird in ge- schlossenen Gefäßen mit mageren Steinkohlen, Koks oder Cynder erhitzt, wobei das Oxyd durch den Kohlenstoff, hauptsächlich jedoch durch das daraus entstehende Eohlenoxyd unter Entwickelung von Kohlensäure zu Metall reduziert wird. Die Reduktionstemperatur liegt über dem Siedepunkt; das Zink verflüchtigt sich deshalb in dem Ge- fäß und wird in kühleren Vorlagen, deren Temperatur aber über dem Schmelzpunkt des Zinks liegen muß, zu flüssigem Metall verdichtet JNeben dem flüssigen Zink scheidet sich in den Vorlagen und den weiteren Abzugsvorrichtungen (Allongen, Ballons, Tuten, Rohrleitungen) Zinkoxyd ab, welches durch Sauerstoffaufiiahme aus der Luft und aus der bei der Reduktion entstandenen Kohlensäure, namentlich bei zu hoher Temperatur aus dem Zink entsteht Daneben bildet sich pul verförmiges , an der Oberfläche oxydiertes Zink (Zinkstaub, Poussiere), wenn die Vorlagen zu stark abgekühlt sind, wie jedesmal nach dem Neubeschütten der Destilliergefäße.

Die Gewinnung des Zinks aus dem Zinkoxyde erfolgt entweder jdurch die schlesische oder Muffeldestillation oder durch die belgische oder Röhrendestillation; der Kärnthner-Prozeß, bei welchem stehende Röhren in diskontinuierlichem Betriebe benutzt werden, und der eng- lische Prozeß, bei welchem die Destillation in Tiegeln unter hohem Brennmaterialaufwande vorgenommen wird, sind fast überall ver- lassen.

Die schlesischen Zinkmuffeln haben je nach der Feuer- beatändigkeit des Thones, aus dem sie gefertigt werden, ein Wandstück Ton 25^ 30 mm an der Mündung und etwa 40 mm im Boden ; die Länge beträgt im allgemeinen nicht unter 1,2 m und nicht über 2 m, die Höhe 0,4—0,65 m, die Breite 0,15—0,27 m. Die Muffeln sind während der Destillation vollständig verschlossen bis auf eine kleine Oeffnung in dem oberen Teile der Vorderwand. An diese Oeffiiung werden die Vorlagen mittels der Düte, eines kurzen konischen Hohlzapfens aus Thon, ange- 43chlossen. Zur Auffangung der in den Vorlagen nicht zu Metall ver- dichteten, größtenteils zu Oxyd verbrennenden Zinkdämpfe sind vor den Vorlagen aus Blech hergestellte Ballons, neuerdings auch wohl Bohr- leitungen, welche zu Staubkammem führen, angebracht. Die belgi- schen Bohren haben einen weit kleineren Fassungsraum, als die Muffeln; bei rundem Querschnitte, der häufiger ist als der ovale, be« trägt der Durchmesser nicht über 16 17 cm, die Länge nicht über 1,2 m.

Ein weiterer unterschied zwischen der schlesischen und belgischen Destillation ist in der Bauart der Destillieröfen begründet. Die älteren schlesischen Destillieröfen sind Flammöfen, in welchen eine Beihe von Muffeln voll auf der Ofensohle aufliegen und so hauptsächlich auf den Seiten und der Oberkante von der auf einem Planroste erzeugten Flamme erhitzt werden. In den belgischen Oefen liegen die Bohren dagegen in mehreren (6 8) Beihen derart übereinander, daß sie vorne auf einer eisernen oder thönemen Platte, rückwärts auf Vorsprüngen an der Hinter- wand des Ofens ruhen, in der Mitte aber frei von der meistens aus gas- förmigem Brennmaterial (Generatorgas) erzeugten Flamme umspielt werden.

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426 SAEOER,

Man hat deswegen die eine bessere Brennmaterialansnntzimg ergebende belgische Methode mit der an Destillationsgef&ßen sparenden sohlesischen Meüiode vielfach vereint. Man legt dazu seltener 2 3 Beihen Mnffebi übereinander, sondern beschränkt sich meistens darauf, die eine Beihe von Muffeln im Ofen zur allseitigen Erhitzung möglichst frei zu verlagern und anstatt des festen Brennmaterials (Generatorgas, zuweilen in Ver- bindung mit den beim Eisen erwähnten Siem ens' sehen Wärmespeichem zu verwenden.

Das aus den Vorlagen abgestochene oder ausgeschöpfte Zink ist häufig namentlich durch Blei verunreinigt Es wird dann in einem Herd- oder Flammofen mit geneigter Sohle bis zu einer die Schmelz- temperatur des Zinks wenig übersteigenden Temperatur erhitzt, wobei das leichter schmelzbare Blei ausgesaigert wird und sich unter dem Zink absetzt

Die Zinkelektrolyse ist unten kurz erörtert

QneokaUber.

Das Quecksilber wird fast ausschließlich aus Zinnober (HgSX seltener aus gediegenes Quecksilber enthaltenden Erzen (z. B. Fahl- erzen) gewonnen.

Die Zerlegung des Zinnobers erfolgt durch Böstprozesse , bei denen der Schwefel und das Quecksilber verdampft und die Queck- silberdämpfe kondensiert werden, zuweilen unter Anwendung ent- schwefelnder Zuschläge.

Die Böstung des Zinnobers ohne Zuschläge geschieht f^ quecksilber- haltige Fahlerze in teilweise ummauerten Haufen, in denen die Böst- temperatur durch die Verbrennung von eingebettetem Holz erzeugt wird. Das verdampfende Quecksilber verdichtet sich in den äufieren, kälteren Schichten des Haufens, wird durch Auswaschen unrein gewonnen und durch UmdestiUierung in eisernen Betorten raffiniert Sonst ge- schieht die Böstung in Muffel-, Flammen- oder Schacht- öfen. Die Quecksilbergewinnung in Muffelöfen ist wegen des hohen Brennmaterialaufwandes und der geringen Produktion ganz gegen die Destillation in Flammen- und Schachtöfen zurückgetreten. Zur Zeit stehen fOr feinkörnige Erze hauptsächlich horizontale Flammöfen, f^ Stückerze tmd durch Vermischung mit Thonmehl in Ziegelform gebrachte feine Erze und Zwischenprodukte (Stupppreßrückstände, ein Gemenge von Quecksilber, Quecksilberoxyd, Zinnober, Bu£ u. s. w., aus welchem das Quecksilber durch Pressen zum Teil gewonnen ist) Flammöfen mit schachtft^rmigem Heizraxmi und Schachtöfen in Oebrauch, von denen die ersteren besondere seitlich liegende Bostfeuerungen haben, während in den letzteren die Erze zusammen mit dem Brennmaterial (Holzkohle, zu- weilen auch Koks) aufgegeben werden. Die überdestillierenden Quecksilberdämpfe werden in gekühlten Bohren aus Thon, Eisen, Holz oder Steinzeug zu flüssigem Queck- silber verdichtet, welches zur Beinigung von mecha- nisch eingemengten Bestandteilen durch Leinwand oder Leder gepreßt wird.

Entschwefelnde Zuschläge werden bei der Zerlegung des Zinnobers zur Quecksilbergewinnung nur noch auf wenigen Hütten ver-

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Hygiene der Hatfcenarbeiter. 427

wendet. Der Zusatz besteht dann meistens aus Elalk, mit welchem der Zinnober unter Bildung von Schwefelkalcium und schwefelsaurem Kalk in eisernen Betorten oder Mufifeln der Destillation unterworfen wird.

Zinn.

Die Gewinnung des Zinns erfolgt ausschließlich aus dem Zinn- stein (SnOf), welcher meist mit Arsenkies, Schwefelkies, Kupferkies, Bleiglanz, Zinkblende, Wismut-, Antimon-, Wolframverbindungen, Quarz und Flußspat so innig verwachsen ist, daß die mechanische Ausscheidung des Zinnsteins aus dem rohen Erze ÜBist nie vollkommen gelingt Auf die mechanische Aufbereitung folgt deshalb eine weitere Vorbereitung der Erze durch Röstung im Flammofen.

Dabei werden Schwefel und Arsen verflaohtigt und ein Teil der Me- talle in spezifisch leichtere Oxyde verwandelt, deren Abscheidung bei er- neuerter mechanischer Aufbereitung leichter erfolgt. Anstatt zum zweiten Male aufbereitet zu werden, werden die gerösteten Erze auch mit ver- dünnter Schwefelsäure oder Salzs&ure behandelt, wodurch die Oxyde des Eisens, Kupfers und Wismuts ausgelaugt werden. Die Entfernung von Wolfram erfolgt am besten durch Rösten der Erze mit Glaubersalz, wobei lösliches wolframsaures Natron gebildet wird.

Die so gereinigten Erze werden in Schachtöfen (Böhmen und Sachsen) oder in Flammöfen (England und Australien) reduzierend verschmolzen.

Der Prozeß gestaltet sich schwierig, weil Zinnoxyd erst bei hoher Temperatur reduziert wird, sodaß vorher schon eine Reduktion von Blei- oxyd, Kupferoxyd und Eisenoxyd eintreten kann; femer oxydiert sich das ausgeschiedene Zinn leicht unter dem Einfluß des Gebläsewindes und geht als Oxyd dann gerne in die Schlacke, aus der es nur in unreinem Zustande gewonnen werden kann. Das Verschmelzen geschieht im Schachtofen unter Zusatz von Beduktionskohle und eigenen Schlacken als Flußmittel. Im Flammofen wird bei geschlossenen Thüren mit re- duzierender Flamme unter Zusatz von Kalkstein oder Flußspat als Ver- schlackungsmaterial und von Steinkohlen- oder Anthraoitklein als Be- duktionsmaterial geschmolzen.

Das in beiden Fällen erhaltene Metall, das Werkzinn, ist noch durch Eisen, Kupfer, Arsen u. s. w. verunreinigt und wird nach dem deutschen oder englischen Verfahren von diesen Metallen befreit.

Das deutsche Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß das unreine Zinn aus dem Stichherde des Schmelzofens durch eine Lage glühender Kohlen langsam hindurchfließen muß. Dabei bleiben die streng- flüssigeren Metalle, mit einem Teil des Zinns legiert, als Saigerdömer zwischen den Kohlen zurück, während das durchfließende geläuterte Zinn in Tiegeln aufgefangen und in gußeisernen Formen als Blockzinn oder durch Auffließen auf eine glatte kupferne Platte als Ballenzinn (Bollen- zinn) in dünnen Blättern gewonnen wird. Die englische Raffi- nation beginnt mit dem Umschmelzen des Zinns in einen Flammofen; dabei saigert das reinere Zinn aus, die xmreineren Legierungen bleiben

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428 8AEOER,

ztirück. Das reinere Zinn wird daranf In Länterkesseln mit grfinen Hobs- Stangen gepolt, wobei sich die fremden Metalle oxydieren und an der Oberfläche eine 2dnnhaltige Schlacke bilden. Nach Entfernung dieser Schlacke setzt sich das Zinn im Kessel von selbst in Schichten ab, von denen die oberste am reinsten ist und das Blockzinn des Handels ergiebt.

Arsen.

Neben dem metallisdien Arsen bilden die arsenige Säure und die Arsengläser Hüttenprodukte. Die Gewinnung des Arsens und der Arsemkalien erfolgt aus den eigentlichen Arsenerzen (Scherbenkobalt gediegen Arsen, Arsenikalldes FeaAs, u. FeAs,, Arsenkies FeSj + FeAsg) und aus den arsenhaltigen Nickel-, Kobalt-, Silber-^ Zinn- und Kupfererzen.

Das metallische Arsen wird durch Erhitzen von ArsenikaUdes oder Arsenkies bei Luftabschluß erhalten; dazu dienen geschlossene kmg- artige ThongefiLße, welche in sogenannten Galeerenöfen stehen. Das me- taUische Arsen scheidet sich aus der Dampfform, in welche es beim Er- hitzen übergeht, nahe an den Thonge&ißen in feinen Krystall^i, an kälteren Stellen in Pulverform ab.

Die arsenige Säure wird aus den Arsenerzen und aus dem un- reinen arsenhaltigen Flugstaube gewonnen, welcher bei der Böstung arsen- haltiger Erze und Zwischenprodukte entsteht Die Sublimation erfolgt unter Luftzutritt derart, daß die kohlenden Bestandteile der Verbrennungs- gase zur Vermeidung einer Reduktion von schon gebildeter arseniger Säure möglichst fem gehalten werden. Die Verarbeitung erfolgt des- wegen am besten in MufiFeln oder in Flammöfen, welche mit Generator- gas oder Koks gefeuert werden. Die Kondensation der in Dampfform ausgetriebenen arsenigen Säure erfolgt durch Abkühlung in Zickzack- kanälen oder (in Freiberg) in Giftfängen, welche aus Ziegeln und im letzten Teile aus Bleibledi hergestellt sind. Das Kondensationsprodukt wird zur Beinigung einer nochmaligen Sublimation in eisernen Kesseln unterworfen. Bei niedrigerer Temperatur scheidet sich dann in Blech- cjlindem über den Kesseln im wesentlichen reine arsenige Säure ent- haltendes Arsenmehl ab, welches als solches in den Handel kommt oder bei höherer Temperatur in denselben Apparaten auf das an den Wänden der Blechcylinder zu verdichtende stücldEbrmige weiße Arsen- glas verarbeitet wird. Wird bei der letzteren Operation Schwefel in geringerer Menge zugesetzt, so entsteht das aus arseniger Säure und wenig Schwefelarsen zusammengesetzte Gelbglas (Auripigment).

Die Gewinnung des Roth glas es (Eealgar, Schwefelarsen) kann durch gemeinschaftliche Sublimation von Arsenkies mit Schwefel ge- schehen; man benutzt hierzu aber meistens ein Gemenge von Arsenkies und Schwefelkies. Dieses Gemenge wird in thönemen Betorten (Frei- berg) erhitzt, wobei in Blechvorlagen ein rohes Schwefelarsen verdichtet wird, dessen Läuterung durch TJmschmelzen in eisernen, mit einer Haube bedeckten und mit Abflußröhren versehenen Kesseln unter Zusata von Schwefel geschieht Hierbei föllt ein schön hochrot geftlrbtes Arsenglas, welches fein gemahlen in den Handel kommt

Antimon. Antimon und das ebenfalls Handelsprodukt der Hütten bildende

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 42^

Schwefelantimon (Antimonium crudom) werden im Großen allein aua Granspießglanz (Sb, Sa) gewonnen.

Das Schwefel an t im on ist sehr leichtflüssig und wird daher ans den Erzen dnrch Saigerung abgeschieden.

Die Saigenmg geschieht in Tiegeln oder stehenden Thonretorten mit dnrchlochten Böden. Die Tiegel werden entweder in freiem Feuer oder^ wie die Retorten, in besonderen Flammöfen erhitzt. Das leichtflüssige Schwefelantimon fließt dabei in untergestellte Töpfe aus. Bei kontinuier- lichem Betriebe sind die Saigergeftfie während der Erhitzung von oben lum Beschicken zugänglich und die in einer Nische unter der Ofensohle stehenden Au&ahmegeäße nach der Füllung auswechselbar.

Das metallische Antimon kann ans dem so erhaltenen Schwefelantimon durch Böstung und reduzierendes Schmelzen des da- bei entstehenden Oxyds oder durch Schmelzen mit entschwefelnden Zuschlägen (Weinstein und Salpeter, Soda, Eisen) gewonnen werden. Diese Verfahren bringen aber große Metallverluste mit sich, sodaft die direkte Verhüttung von Erzen zur Gewinnung des metallischen Antinoms die Regel büdet

Die Erze können mit Eisenzuschlägen der Niederschlagsarbeit unterworfen werden, wobei der Schwefel an das Eisen gebunden wird. Das gewonnene Antimon ist aber immer eisenreich, auch bildet sich ein antimonreicher Stein, welcher sich, auch wenn man ihn durch Zuschlag von Glaubersalz und Kohle spezifisch leichter macht, schwer vom ausge- schiedenen Metall trennt. Die Niederschlagsarbeit ist deshalb meistens durch die Röstreduktionsarbeit ersetzt Bei derselben werden die Erze zunächst oxydierend geröstet; geschieht diese Röstung in Flammenöfen bei Luftöberschuß , so bildet sich nicht flüchtiges antimon- saures Antimonozyd, vermeidet man aber im Flammofen den Luft- überschuß, so entsteht flüchtiges Antimonoxyd, welches in Konden- sationskanälen aufgefangen wird. Reines Antimonoxyd, welches als weiße Farbe Handelsprodukt ist, wird durch Röstung in Muffeln unter Zu- fiährung von Wasserdampf (zur Entfernung des Schwefels als Schwefel- wasserstoff) dargestellt. Bei der Eöstung muß eine niedrige Temperatur gehalten werden, weil sonst eine Schmelzung und Verschlackung des Erzes eintritt. Die Reduktion des Antimonoxyds findet dann fELr reichere Erze am besten im Flammofen (zuweilen gleich im Röstofen), fär ärmere Erze im Schachtofen statt. In beiden Fällen beruht die Reduktion zum Teil auf der Wechselwirkung zwischen dem Oxyd und nach unverändertem Schwefel- antimon (Reaktion), zum Teil auf der sauerstoffentziehenden Wirkung von beigemengter Kohle. Als Raffinations- und Deckmittel werden Kochsalz, Glaubersalz oder Soda zugeschlagen.

Das erhaltene Rohantimon schmilzt man zur weiteren Reinigung in Tiegeln oder Flammöfen mit oxydierenden Zuschlägen (antimonsaurea Antimonoxyd) zur Entfernung von Eisen, mit Alkalien zur Yerschlack- ung der fremden Metalle als Oxyde, mit Schwefelantimon, Schwefel- eisen oder Glaubersalz zur Schwefelung von Arsen, Kupfer und Eisen, welche dann in die Schlacke gehen. Blei wird am besten auf nassem Wege entfernt

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430 SAEOBR,

Nickel, Kobalt, Wismut, Platfn.

Diese Metalle werden in geriDgen Mengen und aach nur zum Teil im Hüttenbetriebe, sonst aber in chemischen Fabriken gewönne; dem- entsprechend ist auch die Zahl der bei der Gewinnung dieser Metalle beschäftigten HQttenarbeiter eine so unbedeutende, daß folgende An- gaben tlber die genannten Metalle an dieser Stelle genügen mögen.

Nickel wird meistens aus Erzen (Kupfemickel, Niokelglanz, Antimon- nickel, Weißnickelkies, Gamierit) gewonnen, in denen es nur als Neben- bestandteil antritt. Die Darstellnng erfolgt anf trockenem oder nassem Wege. Im ersteren Falle wird das Nickel, welches bei der yorherigen Böstung der Erze in Oxyd übergegangen ist, bei Anwesenheit von Arsen in der Speise, bei geschwefelten Erzen im Stein angesammelt. Dnrch wiederholte Böstangen nnd Schmelzungen, bei denen es sich hauptsäch- lich um Verschlackung des Eisens und des Kobalts handelt, wird der Nickelgehalt in den Speisen und Steinen konzentriert. Das totgeröstete Konzentrationsprodukt wird schließlich bei größerem Kupfergehalt zu einer Kupfemickellegierung, welche als solche in den Handel kommt, sonst zu metallischem Nickel reduziert. Das letztere ist schwer schmelzbar und kommt daher meistens in Form von zusammengefiritteten Würfeln, von Schwamm oder Pulver auf den Markt Beim nassen Prozeß werden nickelreichere Erze, Speisen oder Steine, aus denen das Arsen vorher durch Böstung entfernt werden muß, mit Salzsäure oder Schwefelsäure behandelt. Aus der Lösung werden nach einander Blei und Kupfer durch Schwefelwasserstoff oder Schwefelalkalien, Eisen durch Chlorkalk und kohlensauren Kalk, Kobalt ebenfalls durch Chlorkalk und aus der so gereinigten Lauge schließlich Nickel durch Kalkmilch oder Soda als Nickeloxydhjdrat gefüllt. Das letztere wird mit salzsäurehaltigem Wasser ausgewaschen, gepreßt und zu Würfeln geformt in Tiegeln mit Kohle geglüht, wobei es zu Metall reduziert wird. Neuere Prozesse för die nickelhaltigen Speisen und Steine sind das Verblasen in der Bessemerbirne und die Elektrolyse.

Kobalt kommt fast nur in Form der Smalte in den Handel. Zur Dar- stellung derselben wird aus den Kobalterzen zunächst ein unreines Kobaltozyd durch Böstung erzeugt, letzteres mit arseniger Säure (zur Abscheidung von Eisen, Kupfer und Nickel in einer Speise) gemischt und mit einem Kaliglas im Qlashafen geschmolzen. Die in Fluß geratende Masse wird in kaltes Wasser gegossen, gepulvert und geschlämmt.

Wismut wird auf trockenem Wege fast nur aus Erzen, in denen es gediegen vorkommt, durch Saigerung in gußeisernen Bohren oder durch Verschmelzen in Tiegeln oder Flammöfen gewonnen. Der nasse We^ steht für wismuthaltige Herde und Teste von der Silbergewinnung, seltener für oxydische Wismuterze in Gebrauch. Die Lösung erfolgt durch ver- dünnte Salzsäure; bei weiterem Wasserzusatz scheidet sich basisches Chlorwismut ab, welches abfiltriert, neu gelöst, wieder geMlt und schließ- lich unter Zusatz von Kalk und Holzkohle im Tiegel in Metall ver- wandelt wird.

Platin kommt in der Natur nur gediegen in Seifen und Sauden vor, aus denen es durch Waschprozesse als Bohplatin (durch Iridium, Bhodium, Palladium, Kupfer, Eisen, Osmium, Buthenium verunreinigt) ge- wonnen wird. Aus dem Bohplatin können die Unreinigkeiten durch wiederholtes Schmelzen in Kalktiegeln mit Kalkzuschlag oder durch Ver-

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 4SI

bleie& mit nachfolgendem Abtreiben des Bleies entfisrnt werd^i. H&nfiger wird aber der nasse Weg angewandt, bei welchem das Bohplatin durch Königswasser (Salpeters&nre nnd Sahss&nre) mit Ausnahme einer zurück- bleibenden Osmium-Iridiumlegierung in Lösung gebracht und aus der eingedampften, mit Salzs&ure wieder aufgenommenen Lösung durch Chlor- ammonium als reiner Platinaalmiak ausgeschieden wird. Der aus dem Platinsalmiak durch Glühen erhaltene Platinschwamm wird gepreßt und in einem Kalktiegel zusammengeschmolzen. Aus platinhaltigem Qolde wird das Gold am sichersten durch Elektrolyse abgeschieden. (Platin- haltiges Goldblech als Anode, neutrale Lösung von Goldchlorid als Elektro- lyt, reines Goldblech als Kathode, an welcher sich das Gold der Anode rein abscheidet, während die Platinmetalle als Schwamm zu Boden fallen.)

Auf Einzelheiten des Betriebes wird in den nachfolgenden Ab- schnitten dann eingegangen werden, wenn in denselben eine besondere Gefahr für Leben und Gesundheit der Hüttenarbeiter begründet ist, während es im übrigen dem verfügbaren Raum und dem Zwecke dieses Handbuches entsprechend bei der vorstehenden kurzen Uebersicht der Metallgewinnungsprozesse bewenden muß. Eine genaue Information über das Hüttenwesen gestatten die auch in der vorliegenden Abhandlung mehrfach herangezogenen einschlägigen Hand- und Lehrbücher, deren Titel bierunter aufgeführt sind.

Weddisg, €h%ndrif$ der Eiienkmenhmde III. Aufi,, Bertm 1S90 und Auifäkriiehei Hand- buch der EitenhüttetOnrnde II, Äuß, 1. Bd., Brauniekweig 1891—1898.

Ltd^nr, Bimdb, der EieetiMUenhtmdey Ldpmg 1884.

mm, Aüg, Hüttenkunde^ Leipzig 1877.

TmX Orundrife der MetaHhüUmktmd; Leipmg 1886.

Bamng, Die MetaUküUenkwtde, Berlm 1885

StSttel, Oewmmmg d. Metalle i. Handb. d, ekem. Tedmologie van Bolley u. Birnbaum^ Brauneekweig 1868—1886.

8o1mab«L, Lehtimeh der oMg. Ifattenkwnde, BerUn 1894.

tehnabel, Lehrbueh der MetoBkOUenkunde 1. Bd,, Berlin 1894.

2) Beiträge zur Unfalls- und Erkrankungsstatistik der Hüttenarbeiter.

In der ,,Hygiene der Bergarbeiter" ist geschildert worden, wie der Bergmann unter beständigen Gefahren für Leben und Gesundheit der Erde Erze und Kohlen, die wesentlichsten Rohstoffe für die Metallgewinnung, entringt : neue Gefahren, zum Teil anderer Art, be- drohen den Hüttenmann, wenn er aus diesen Rohstoffen die Metalle gewinnt Man ist vielfach geneigt, die Gefahren des Bergbaues, welche z. B. in den immer wiederkehrenden Nachrichten über Massenun- glücksilQle durch Schlagwetterexplosionen in allen Zeitungen ihren Widerhall finden, weit über diejenigen des hüttenmännischen Berufes zu stellen, nnd die Unfallstatistik der hierbei in Frage kommenden Berufsgenossenschaften des Deutsdien Reiches, der Knappschaftsbe- rofsgenossenschaft einerseits und der acht Eisen- und Stahlberu&ge- nossenschaften andererseits, scheint diese Vermutung auch zu be- stätigen. Es betrug nämlich:

Bandboch to Hrfiene. Bd. YlII. 28

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432 SAEOBRf

a) bei der Enappschaftsberufsgenossenschaft^:

die Zahl der Tersicherten Personen 1891 421 137

189« 4H440 angemeldeten ünfKUe 1891 33 528 oder

anf 1000 Veftieherte 19,91 189« 34463 odw

aal 1000 Veralcherte 81^ enttchXdigten Unfllle 1891 4005 oder

anf 1000 Verfieberte 9^1 189S 4 182 oder

anf 1000 Verrieberte 9,M

b) bei denSEisen- und Stahlberufsgenossenschaften*:

die Zahl der ▼eraieherten Personen 1891 592 780 M ,, 189» 597446

angemeldeten UnfUle 1891 40 508 oder

anf 1000 Versicherte e8,tS 189» 40791 oder

anf 1000 Versieherte 6S^ entschädigten UnflUle 1891 4573 oder

anf 1000 Versicherte 7,71 1«»« 4 587 oder

anf 1000 Versieherte 7,70

Die Zahlen bedürfen aber einer Erläuterung. Der Enappschafts- berufsgenossenschaft gehören außer den bergbaulichen Betrieben auch diejenigen Metall- (Blei-, Zink-, Kupfer-, Silber-)Hütten an, welche landesgesetzlichen Knappschaftsverbänden beigetreten sind; Eisen- hütten dieser Art mußten dagegen mit dem Inkrafttreten des ünfall- yersicherungsgesetzes der für den betreffenden Bezirk begründeten Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft beitreten. Für Preußen, wel- ches hierbei ausschlaggebend ist, belief sich die Zahl der bei der Knappschaftberufsgenossenschaft versicherten Hüttenleute im Jahre 1892 auf nur 9092, sodaß eine wesentliche Beeinflussung der oben angegebenen statistischen Ergebnisse für die bergbaulichen Betriebe hierdurch nicht eingetreten sein kann.

Dagegen kann die Statistik der acht Eisen- und Stahlberufsge- nossenschaften für die eigentlichen hüttenmännischen Betriebe nur bedingte Geltung haben; denn es sind, soweit es aus den Jahresbe- richten der einzelnen Eisen- und Stahlberufsgenossenschaften ersicht- lich, zu den auf Hüttenwerken und deren Nebenbetrieben beschäftigten Leuten nur etwa 60 Prozent der Gesamtzahl der Versicherten zu rechnen; die übrigen Versicherten sind in Schlossereien, Klempnereien und anderen weniger gefährlichen Werkstattbetrieben beschäftigt Hieraus erklärt es sich denn auch, daß z. B. bei der rheinisch ^ west- fälischen Hütten- und Walzwerksberufsgenossenschaft, bei welcher die Zahl der eigentlichen Hüttenleute unter den Versicherten eine ver- hältnismäßig große ist, in den Jahren 1891 und 1892 auf 1000 Ver- sicherte 119 bezw. 134 angemeldete und 9,99 bezw. 10 entschädigte Unfälle entfielen, also mehr als durchschnitüich bei der Knappschans- berufsgenossenschaft

Gegenüber der Gesamtheit der gegen Unfälle versicherten Per- sonen erscheinen die Hüttenleute in ihrem Berufe besonders gefährdet, denn es betrug im Jahre 1891 :

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 433

für slmtliehe TerBichtmngtpffichtigeD dayon entflelen auf die 8 Eisen- und Stahl- Betriebe: Berafsgenossenschaften : die Zahl der Verticherten i8 014 278 592 780 oder 3,t9 Pros. CX\ entsehldigten UnflUle 55551 4573 8,«8 CM angemeldeten ^35 587 40 50« I7,19 (i)

Auch der nachstehende Vergleich zwischen den 64 rein gewerb- lichen Berafsgenossenschaften und den Eisen- und Stahlberufsge- nossenschaften fällt sehr zu Ungunsten der letzteren aus. Es be- trug nämlich in demselben Jahre:

für die 64 gewerblichen BeniCigenossen« demnach entfallen auf die 8 Elsen- und

Schäften Stahl-Bemfsgenossenschaften

die Zahl der Versicherten 5 093 412 1 1,69 Pros. U) der Versicherten

entsehldigten UnfKUe 38289 i6,i6 (I) ,, entsehldigten UnfllUe

11,69 Pros, a^ der Vei

«6,1« » (i) «nti Hf9 (J) *ng

, angemeldeten 162 674 24,9 (i) angemeldeten

Nun sind aber die eigentlichen Betriebsunfälle von weit ge- ringerer Bedeutung für Leben und Gesundheit der Arbeiter, als die gewerblichen Krankheiten. Gegen Unfälle, welche als ein- zelne Schädigungen der Gesundheit und des Lebens greifbar hervor- treten, vermag sich der Arbeiter durch eigene Vorsicht bis zu einem gewissen Grade selbst zu schützen; einen weiteren Schutz gewähren ihm die mannigfachen Vorrichtungen zur Verhütung von Unfällen, welche von dem Betriebsleiter teils aus Gründen der Humanität ge- troffen werden, teils nach Vorschrift gesetzlicher Bestimmungen (in Deutschland auch der berufsgenossenschaftlichen Unfedlverhütungs- vorschriften) geschaffen werden müssen.

Weit geringer ist dagegen die Möglichkeit, die eigentlichen ge- werblichen Krankheiten, also diejenigen Schädigungen der Gesundheit zu verhüten, welche eine Folge von dauernder, in der Entstehung oft kaum erkennbarer Einwirkung der Berufsarbeit sind. Und gerade die Hflttenarbeit ist, wie die weiteren Abschnitte zeigen werden, reich an derartigen verborgenen Gefahrenquellen, welche gesetzliche Be- stimmungen und darüber hinaus der gute Wille und die Einsicht der Betriebsleiter nimmer zu gänzlichem Versiegen bringen werden.

Eine Statistik der Erkrankungen, welche dem Einflüsse des hüttenmännischen Berufes allein zuzuschreiben sind, läßt sich schwer schaffen, weil in vielen Fällen nicht sicher festzustellen sein wird, wie weit die Einwirkungen der Arbeit und wie weit andere Ursachen die Krankheit herbeigeführt haben. Wohl aber wird man aus der relativen Häufigkeit der Krankheitsfälle aller Art unter den Hüttenleuten Schlüsse auf die Gefährlichkeit und Schädlichkeit dieses Berufes ziehen können. Einen solchen Vergleich ermöglicht z. B. die Statistik des oberschlesischen Knappschaftsvereins ' ; nach derselben entfielen im Durchschnitt der vier Jahre 1889 bis 1892:

aaf 1000 Bergleute 190,9 KrankheitsfUle HBttenlente 474,4

Weickert^ giebt die Zahl der Erkrankungsfälle (einschließ- lich Bückfälle) unter den Hüttenleuten Freibergs im Durchschnitt der Jahre 1853 bis 1883 mit 721 auf 1000 Arbeiter an, und nach An- gaben, welche dem Verfasser von 21 größeren Eisen-, Blei-, Kupfer- ond Zinkhütten gemacht worden sind, betrug im Jahre 1893 bei 31177 Arbeitern die Zahl der Krankheitsfälle 24035, sodaß auf 1000 Hflttenleute 738,8 Krankheitsfälle entfielen.

23 * 28*

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il

434 8AE0EE,

Unter den österreichischen Montanarbeitem * ist auch die Inya- liditäts- und Sterbewahrscheinlichkeit bei den Httttenleuten eine größere als bei den Bergleuten; es wurden nämlich in den Jahren 1891 und 1892;

Ton 1000 Bergleuten inralide io,80 bes. 12,00 ,, Hftttenleaten ,, lo,49 » 14,75

es starben in denselben Jahren:

TOD 1000 Bergleuten il,07 besw. 10,96 Hftttenlemen 11,95 ^ ii»S9

Auch in der von Roth in diesem Bande (S. 11) angegebenen Erankheitsstatistik der italienischen Arbeiter stehen mit d6n Berg- leuten die Hüttenleute als die gefährdetsten obenan.

Die Ursachen der in diesen Zahlen zum Ausdruck gelangten hohen Unfalls- und Erkrankungsgefahr sind, wie wir sehen werden^ zunächst in einigen alleuHüttenbetrieben eigentümlichen schäd- lichen Einflüssen zu suchen, dann aber auch in solchen Schädlichkeiten, welche bestimmte Prozesse oder die Natur des jeweilig erzeugten Metalles mit sich bringen.

JahrethmiehU der S$ui,pp$ehafUb€ru/$gmos$enieh^/t. Jfihresberi^ie der 8 J^em- wtd 8tahl-BerHf$geno$»eHeekaften. 8) BUUieUk det ober$ekU»üeben Knapp$ehafU9eremee,

4) Weiokert, Jahrb. f, d. Berff^ und Umemo, «n K9mgr. Baekeeti, 121 /.

5) StatittikeH der KrarnkhekefaUe wUi der IneaUdääU- wid 8Urbewakr$ehemUekkek tuder dm ÖUerreiehitehem MotUatuurbeiUm m der Otterreiehiechen ZUehr, f, Berg- und BBUen- weeen.

TL. Die gesnndheltsschädllchen Einflflsse der Hfittenarbelt

Als Gefahren für Leben und Gesundheit, welchen die Arbeiter aller Hütten ausgesetzt sind, sind zunächst die meisten eigentlichen Betriebsunfälle, die Schwere der Arbeit und die schäd- lichen Einflüsse von Feuer, Luft und Licht anzusehen, während die Schädigungen, welche durch die Verunreinigung der Luft auf Hüttenwerken hervorgerufen werden, nach der Natur der ver- arbeiteten und erzeugten mineralischen, metallischen und gasfSrmigen Stoffe verschieden sind. In dieser Reihenfolge wollen wir die Ge- fahren der Hüttenbetriebe kennen lernen, zunächst also:

1) Die Betrlel^sunfUIe.

Die großen Fortschritte, welche die Hüttentechnik im Laufe dieses Jahrhunderts und namentlich in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, haben leider in gleichem oder gar höherem Verhältnis eine Vermehrung der Betriebsunfälle zur Folge gehabt Die Körperverletzungen, um welche es sich hierbei im wesentlichen handelt, sind überwiegend die Folge gewaltsamer mechanischer Einwirkung, wenn auch die Hüttenleute chemischen Einwirkungen (Verbrennungen und Ver- brühungen durch feuergefährliche und ätzende Stoffe, Schädigungen der Lungen durch schädliche Gase) mehr ausgesetzt sind, als die meisten anderep gewerblichen Arbeiter. Man hat hierbei die Eisen-

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Hygiene der Hüttenarbeiter.

43»

hfltten von den Metallhütten zu unterscheiden. Auf den Eisenhütten, welche an Stelle der Handarbeit immer mehr mechanische Vor- richtungen treten lassen und neben den eigentlichen Ofenarbeitem namentlich zur Weiterverarbeitung des erzeugten Roheisens eine ver- hältnismäßig große Zahl von Arbeitern an Arbeitsmaschinen und deren Motoren beschäftigen, ist der Prozentsatz der mechanischen Ver- letzungen naturgemäß größer, als auf den übrigen Metallhütten, deren Arbeiter mit der Weiterverarbeitung des erzeugten Metalles meistens nidit beschäftigt werden, während sie der Gefahr der Verbrennung durch glühende oder geschmolzene Massen oder durch Säuren, weldie nebenbei erzeugt oder zur Metalldarstellung verwendet werden, in verhältnismäßig größerer Zahl ausgesetzt sind. So bestanden denn auch nach der Statistik der entschädigten Unfälle bei den Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaften für die Jahre 1891/92 die Unfälle zu 93 Prozent in mechanischen Verletzungen und nur zu 7 Prozent in Ver- brennungen und Verbrühungen (einschließlich Dampfkesselexplosionen). Auch unter den oberschlesischen knappschaftlichen Hüttenleuten, welche überwiegend Eisenhüttenleute sind, waren in den Jahren 1889 bis 1892 von allen Verletzungen nur 10 Prozent auf Verbrennungen zu- rückzuführen, wogegen die Verletzungen der Freiberger Blei- und Silberhüttenleute in den Jahren 1853 bis 1883 zu 19 Prozent die Folge von Verbrennungen oder Verbrühungen waren.

Unter den mechanischen Verletzungen sind wiederum am häufigsten die Quetschungen mit 37,6 Proz. bei den Freiberger und 33,4 Proz. bei den oberschlesisdien knappschaftlichen Hüttenleuten; es folgen dann die offenen Wunden mit 15,7 bezw. 28,9 Proz. der mechanischen Verletzungen. Die weiteren hauptsächlichsten mechanischen Ver- letzungen sind dann Enochenbrüdie, Verstauchungen, Verrenkungen, das Eindringen fremder Körper und die Zerreißung innerer Organe.

Die Gegenstände und Vorgänge, bei welchen sich die ent- schädigten Unfälle unter den Arbeitern der 8 Eisen- und Stahl-Berufs- genossenschaften im Durchschnitt der Jahre 1891 und 1892 ereigneten, ergeben sich nach den Einzelstatistiken derselben wie folgt ^^:

Zahl der UnfUle

Prosant-

1) ünfille an Motoren, Transmii i ion en und be- wegten Maschinenteilen

S) Znsammenbrnoh, Einstnri, Herab- nnd Umfallen Ton Qegenitinden

8^ Handwerktieng nnd einfache Geräte

4) Anf- nnd Abladen ron Hand, Heben nnd Tngen . .

5) Fall Ton Leitern, Treppen, ans Lnken nnd in Ver- tielüngen

6) Fenergefihrliche, heifie und itienda Stoffe, Oase nnd Dimpfe

7) Fahrst&hle, Anfi&ge, Erahne, Hebeieuge

8) Bisenbahnbetrieb (Ueberfahren)

9f Fuhrwerk (ueberfahren ron Wagen nnd Karren) ....

10} Dampfkessel, Dampfleitungen nnd Dampftrahnäpparate (Ex- plosionen)

11) Sprengstoffe (Eiploslonen von Pulver und Dynamit) . .

12) Bifs, Schlag von Tieren

18) Schiffahrt und Verkehr in Wasser

14) Sonstige Unfälle

»«55

27,4

596

13,0

592

12,9

575

12,6

467

10,2

315

6,9

202

4,4

»25

2,7

118

2,5

28

0,6

II

0,2

9

0,2

8

0,2

282

6,2

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436 8AEQER,

Hiemach ist die Hauptqnelle der ünfallge&hren in der beständig zunehmenden Verwendung von mechanischen Hilfsmitteln auf den Hüttenwerken zu suchen. Die eigentlichen Betriebsmaschinen, wie die Gebläse und Pumpen, sowie die Antriebsmaschinen fOr die mechanischen Vorriditungen und Arbeitsmaschinen sind hierbei von geringerer Bedeutung, schon weil dieselben immer nur von wenigen, erfahrenen Leuten bedient werden und verhältnismäßig leicht mit Schutzyorkehrungen versehen werden können. Die größte Gefahr bieten vielmehr die Transmissionen, und namentlich die bewegten mechanischen Einrichtungen und die Arbeitsmaschinen. Es treten schon Unfälle häufig dadurch ein, daß bei der Herrichtung still- stehender Arbeitsmaschinen für die Arbeit (Schmieren, Putzen, Fest- legung der Arbeitsstücke) diese selbst oder Teile derselben in Be- wegung geraten, und während des Betriebes droht dem Arbeiter be- ständig die Gefahr, in die bewegten Teile der Arbeitsmaschine oder zwischen diese und das Arbeitsstück zu geraten, oder durch das Ab- springen von Splittern des Arbeitsstückes und von Teilen der Arbeits- maschine selbst verletzt zu werden.

Aber auch bei der Arbeit mit Handwerkszeug und ein- fachen Geräten werden häufig Unfälle durch Ungeschicklichkeit oder Unaufmerksamkeit des Arbeiters und durch das Abspringen von Metallsplittern, besonders bei der Eisenbearbeitung, hervorgerufen. Auch sind die Ofengezähe namentlich fßr die Schmelz- und Röst-Flamm- öfen zum Teil so schwer und massiv, daß bei ungeschickter Hand- habung derselben leicht Körperverletzungen herbeigeführt werden können. Schwere Verletzungen kommen femer bei der Handhabung des Gezähes, welches zum Abstechen des im Ofen angesammelten Metalles oder zum Losbrechen von Ansätzen im Ofeninnem dient, dadurch vor, daß die das Sticheisen oder die Brechstange treibenden Hilfsarbeiter bei Unaufmerksamkeit oder undeutlichem Sehen vorbei- schlagen und den das Gezähe führenden Arbeiter mit den schweren l>eibhämmern treffen.

Eine Reihe von Gefahren bringt ferner die Fortbewegung der großen und schweren Massen der Rohmaterialien und der erzeugten Zwischen- und Fertigprodukte mit sich. Schon bei dem Auf- und Abladen können äußere und innere Verletzungen durch zu schweres Heben oder durch das Herabfallen der Last herbeigeführt werden; das letztere kann auch beim Transport selbst geschehen, das Transportgefäß kann umkippen und es können Quetschungen durch einzelne Teile desselben erfolgen. Wird an Stelle des Transportes durch Menschen oder Tiere Lokomotivbetrieb eingeriditet, so ist wieder die Gefahr des Ueberfahrens eine größere. Das Auf- und Abladen oder überhaupt der Transport auf andere Höhenanlagen durch Eridine, Flaschenzüge und Winden ist ebenfalls nicht gefahrlos ; häufig zerreißen Ketten und Seile, Teile des Hebeapparates brechen, die Last stürzt herab oder der Arbeiter gerät zwischen die bewegten Teile der Hebevorrichtung. Vielfach stehen zu demselben Zwecke auf Hüttenwerken Aufzüge in Anwendung; bei diesen treten Unfälle hauptsächlich durch Zerreißen des Seiles, Herausstürzen der Last aus dem nicht sicher verschlossenen Fahrstuhl und durch Sturz von Arbeitem in den offenen Aufzug ein.

Ueberhaupt ist der Fall in Vertiefungen, aus Luken oder der Sturz von Treppen, Leitern und anderen erhöhten

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 437

Standorten eine der häufigeren Unfallsarten auf Hüttenwerken, aber auch auf ebener Erde kommen Körperverletzungen durch Straucheln und Ausgleiten bei Vornahme von Arbeitsverrichtungen sowohl wie im gewö&ilichen Verkehr namentlich im Winter auf glatten Eisen- platten vor.

Die meisten der bisher angefahrten Unfallsarten kommen auch auf anderen industriellen Werken vor, dagegen sind die Verletzungen durch glühende und geschmolzene Massen eine Eigenart der Hüttenbetriebe, welche sie nur noch mit einigen die Metalle weiter verarbeitenden Betrieben teilen. Der weitaus größte Teil der Metalle wird ausschließlich in feuerflüssigem Zustande gewonnen; auch die weitere Verarbeitung der gewonnenen Bohmetalle zu Verkaufsprodukten der Hütten erfolgt in den meisten Fällen in feuerflüssigem oder glühendem Zustande. Bei allen Schmelzprozessen Cedlen ferner, die Gefal]ir der Verbrennung vermehrend, Schlacke und teilweise auch Zwischenprodukte in feuerflüssigem Zustande. Die Verbrennungen, welche zumeist die Füße, seltener die Hände, das Gesicht, die Augen und andere Körperteile betreffen, sind sehr oft die Folge von unvor- sichtiger, unmittelbarer Berührung der geschmolzenen Massen. Weiter entstehen Verbrennungen durch umherspritzende geschmolzene Metalle und Schlacken, welche mit Wasser oder nassem Gezähe in Berührung gekommen sind. Sprühende Funken verletzen die Arbeiter an den Oefen, in denen der Gebläsewind Ueberdruck erzeugt, vor allem aber bei den Formgebungsarbeiten durch Schmieden und Walzen.

Sonstige Körperverletzungen werden durch Dampfkessel- und Gasexplosionen, Ueberanstrengung, Berührung elektrischer Leitungen, Neckereien unter den Arbeitern und durch andere nicht eigenüich mit dem Hüttenbetrieb zusammenhängende Ursachen herbeigeführt

2. Die Schwere der Arbelt

Die Hüttenarbeit erfordert in fast allen Betriebszweigen eine angestrengte Muskelthät igkeit, und zwar werden bei den Arbeitern, welche das Aufladen und Transportieren der schweren Erze, Metalle, Zwischenprodukte und Schlacken verrichten, nament- lich die Muskeln des Nackens und des Rückens, bei den Ofenarbeitem diejenigen der Hände und Arme besonders stark in Anspruch genommen. Eine Reihe von periodisch vorzunehmenden Verrichtungen bringt die Gefahr wirklicher Ueberanstrengung mit sich, deren besonders schädlichen Einfluß die nachfolgende, oft lange Arbeitspause nicht auszugleichen vermag. Hierher gehört namentlich auf Zinkhütten das Abstechen des Zinks, sowie das Aushacken und Beschütten der Zink- muffeln, welche Arbeiten zur Vermeidung einer zu starken Muffel- abkühlung in möglichst kurzer Zeit bei intensiver Hitze ausgeführt werden müssen. Ueberhaupt ist das in bestimmten Zeiträumen vor- zunehmende Abstechen des im Ofeninnem angesammelten Metalles, das Ausbrechen von Ansätzen u. s. w. eine meistens «"»• wAnia 7Ait erfordernde, dafür aber um so mühseligere, oft U verursachende Arbeit An den Rost-, Puddel-, Marti Flammöfen verteilt sich die Arbeit besser, doch dieser Oefen oft so schwer (eine Wendeschaufel füi der Friedrichshütte wiegt z. B. über 40 kg) und i Arbeiter, bevor er durch längere Uebung eine gewisse

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438 SA2GER,

und Widerstandsfihi^^t orlangt hat, nicht selten schon während der Schicht ermfidet und zeitweise zur weiteren Verriditung sdner Arbeit unfähig wird.

Ein günstiger Umstand liegt allerdings bei fast allen Hütten- arbeiten darin, daß die ausschließlidi in aufrechter oder nur w^iig Yorgebeugter Stellung ausgeübte Thätigkeit eine fortwShrende Be- wegung zuläßt und meistens erfordert, wodurch eine Ermüdung der den Stützapparat des Körpers bildenden Knochen^ Muskeln und Ge- lenke verhmdert wird.

Abgesehen nun von den Verletzungen, wdche unmittelbar bei Ueberanstrengungen eintreten können (namentlich Unterleibs- brüche "^X ist die starke Muskelthätigkeit feist immer von schädlichem^ Einfluß auf den Stoffwechsel, zumal der Hüttenarbeiter in Tielen FÜlen nicht in der Lage oder gewöhnt ist, dem starken Stoffverbrauch auch eine entsprechende Stoffaufhahme in Form yon geeigneter, ausreichender Nahrung entgegenzusetzen. Mattigkeit^ Kreuz- und Bückenschmerzen, Krankheiten der Gelenke, Abmagerung sind dann die unmittelbaren Folgen der Schwere der Arbeit Aeußerst schädlich ist ferner die mit der angestrengten Muskelthätigkeit ver- bundene starke Erregung der Atmungs- und Cirkulationsorgane, welche oft zu akuten und auch chronischen Herzkrankheiten unter den Hüttenleuten führen. Kropf bildung trat nach Weickert^ früher unter den Freiberger Hüttenleuten infolge von schwerer Arbeit ein; in den letzten Jahren ist dieselbe in Freiberg nicht mehr und unter den oberschlesischen knappsdiaftlichen Hüttenleuten nur in einem Falle beobachtet worden^*.

Weickert^ führt im ganzen 10,25 Proz. aller Erkrankungen der Freiberger Hüttenleute in den Jahren 1863 bis 1883 auf die Schwere der Arbeit zurück.

Die schädlichen Einflüsse Ton Feuer, Luft und Licht.

Als die Darstellung der Metalle noch in primitivster Weise er- folgte, als also von den mit der Massenerzeugung und der ausge- dehnten Verwendung mechanischer Hilfskräfte verbundenen vielerlei Gesundheitsgefahren noch niemand wußte, übten doch schon Feuer, Luft und Licht in engem Zusammenhange ihren gesundheitsschädlichen Einfluß auf den Hüttenmann aus. Und diese Schädlichkeiten werden bestehen bleiben, solange dem Hüttenmann das läuternde Feuer zur Gewinnung der Metalle aus den Erzen unentbehrlich sein, die Luft das Feuer nähren und das Licht der lodernden Flammen und ge- schmolzenen Massen Widerscheinen wird.

Der unmittelbarsten Einwirkung des Feuers bez. der feuer- flüssigen oder glühenden Massen, der Verbrennungen, wurde schon oben gedacht Eine weitere unmittelbare Folge der an sich schon anstrengenden Arbeit in der hohen Temperatur ist eine übermäßige Schweißabsonderung; diese führt dann, namentlieh da der Schweiß gewöhnlich mit der arbeitsbeschmutzten Hand oder mit dem unreinen Taschentuch abgewischt wird, leicht zu Haut^ und Bindegewebeentzündung^. Bei dem stark vermehrten Bedürfois zum Trinken kommen ünmäßigkeiten im Getränkegenuß vor,

*) Hernien.

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 439

wodurch Krankheiten der Verdauungsorgane und des fiberan- strengten Herzens herbeigeführt werden.

Viel mannigfaltiger sind aber die Krankheitserscheinungen, welche durch das Zusammenwirken von Feuer und Luft' entstehen*

Für den trotz seiner leichten Bekleidung in Schweiß gebadeten Ofenarbeiter würde die Arbeit unerträglich sein, wenn ihn nicht vor dem Ofen der in die hallenartigen offenen Bäume oder durch Thfiren, Fenster und sonstige Oeffiiungen der Umfassungswände eintretende, kalte Luftstrom träfe, oder wenn er nicht in häufigen Buhepausen entfernt von dem Glutspender den erhitzten Körper dem kühlenden Luftzuge aussetzen könnte. Aber gerade dieser für den Augenblick so woUÜiuende, ÜBist unentbehrliche Temperaturwechsel giebt die Er- klärung zunächst für die überaus häufigen rheumatischen Er- krankungen der Gelenke und Muskeln unter den Hütten- leuten, welche um so unheilvoller sind, als sie meistens chronischer Natur sind. In den Jahren 1889 bis 1892 befanden sich von der Gesamtzahl der oberschlesischen knappschaftlichen Hüttenleute durch- schnittlich 8,4 Proz. und von den überhaupt Erkrankten 17,8 Proz. wegen chronischer rheumatischer Leiden und daneben noch 0,9 Proz. wegen akutem Gelenkrheumatismus in ärztlicher Behandlung ^^; die wirkliche Zahl der Bheumatiker unter den Hüttenleuten ist natürlich noch viel größer. Weiter sind dann Mandelentzündungen und der größte Teil der katarrhalischen Erkrankungen der Kehlkopf- und Luftröhrenschleimhaut, sowie die sich daraus entwickelnden schlimmeren Krankheiten der Atmungsorgane auf die infolge des jähen Temperaturwechsels entstehenden Er- kältungen zurückzuführen, welche nach Hirt^ und Weickert^ auch katarrhalische und rheumatische Augenentzfindungen und Ohren- leiden hervorrufen. Ferner sind Krankheiten des Nervensystems (Neuralgien), welche z. B. unter den oberschlesischen Hüttenleuten regelml^g wiederkehren (in den Jahren 1889 bis 1892 durchschnitt- lich 1,3 Proz. der Erkrankten), wahrscheinlich Folgeersdieinungen des plötzlichen Temperaturwechsels, welchem einzelne Körperteile (die Vorderseite des Bumpfes und Kopfes, sowie die Arme) des Hüttenmannes besonders ausgesetzt sind. Auf Erkältungen allein führt Weickert 11,478 Proz. aller Erkrankungen unter den Frei- berger Hüttenleuten zurück*.

Ganz anderer, zum Teil noch unerforschter Art sind die Schäd- lichkeiten des Lichtes, welches dem Ofenarbeiter auf den Hütten- werken aus den lodernden Flammen und den geschmolzenen Massen allzu grell entgegenstrahlt Das Uebermaß des Lichtes blendet nicht allein den Arbeiter und führt dadurch zu Unföllen, sondern es treten als weitere Folgeerscheinungen Augenentzündungen und tiefere Leiden der beständig überreizten Sehnerven hinzu. Eine bekannte, auf den Einfluß des grellen Lichtes zurückzuführende Krankheit, namentlich der Zinkhüttenleute ist der Hühnerplintz; Tracinski^^ führt auf dieselbe Ursache auch die Tageblindheit vieler Zink- hüttenarbeiter, welche dann nachts heller sehen, wie am Tage, zurück.

Eine neue Krankheitserscheinung hat sich bei den mit dem elektrischen Schweißen beschäftigten Arbeitern gezeigt Auf den Hüttenwerken von Le Creuzot in Frankreich, wo das Schweißen mittels Elektrizität zuerst im Großen durchgeführt wurde, trat unter dem Einfluß des gewaltigen elektrischen Lichtbogens bei den Schweißern

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440 SAEOER,

zuerst eine Rötung, dann eine entzündliche Blasenbildung der Haut ein, welche Vorgänge mit dem gleichzeitig beobachteten leichten Fieber erst nach Tagen verschwanden. AehnUche Erfahrungen sind auch auf einem westfälischen Werke beim elektrischen Schweißen gemacht worden (Bericht des Regierungs- und Gewerberats für Arnsberg 1890).

In den bisher erwähnten Fällen hat man es also mit einem schädlichen Zuviel an Luft und Licht zu thun; seltener, aber nicht ausgeschlossen, sind diejenigen Fälle, in denen diese beiden gerade für den gewerblichen Arbeiter kostbaren Güter dem Hüttenmann bei seiner Arbeit fehlen.

An Luftraum mangelt es allerdings für den einzelnen Arbeiter in den Hüttenbetrieben im allgemeinen nicht Viele Hüttenarbeiter, wie die Erz- und Eohlenablader, die Möllerer, die Hochofenarbeiter und &st alle Transportarbeiter sind fortwährend oder doch während des größten Teiles der Schicht im Freien oder in offenen Räumen beschäftigt, wobei sie allerdings den Unbilden der Witterung aus- gesetzt sind ; für die in geschlossenen Räumen beschäftigten Arbeiter ergiebt sich ein Vielfaches des erforderlichen Luftraumes von selbst dadurch, daß die Betriebsapparate auf den Hüttenwerken durchweg verhältnismäßig wenig Bedienungsmannschaften, aber sehr viel Raum beanspruchen. Wohl aber findet der viel wichtigere Luftwechsel nicht immer in ausreichender Weise statt Namentlich auf den älteren Werken sind in den dicken Mauern der eng zusammengedrängten Gebäude oft Fenster-, Thür- und besondere Ventilationsöflfnungen allzu ängstlich vermieden oder sie stehen in keinem richtigen Ver- hältnis zu den großen Wandflächen und dem eingeschlossenen Raum. In die dadurch entstehenden Ecken und Winkel, welche der Arbeiter namentlich zu den Essenspausen gerne aufzusuchen pflegt, dringt kein reinigender Luftstrom, kein Lichtstrahl; die Folgen sind mancherlei Unfälle durch undeutliches Sehen und Krankheiten durch Aufnahme von schädlichem Staub und Arbeitsschmutz in die Atmungs- und Verdauungsorgane.

4. Die gesundheltescMdliehen Beimengungen der Loft auf den

Httttenwerken.

Die Verunreinigung der Luft auf den Hüttenwerken und in deren Umgebung erfolgt durch feste Stoffe, welche als Staub ver- schiedener Zusammensetzung die Luft erfüllen, und durch dampf- und gasförmige Stoffe, welche bei den verschiedenen Hütten- prozessen unter dem Einfluß der hohen Temperaturen frei werden. Den Luftverunreinigungen muß eine um so größere Bedeutung unter den Gesundheitsschädlichkeiten der Hüttenarbeit beigemessen werden, als ihre Wirkung sich meistens nicht wie die der vorher geschilderten Krankheitsursachen auf die am Entstehungsort beschäftigten Arbeiter beschränkt, sondern so weit reicht, wie die Luft die schädlichen StoflFe zu tragen vermag. Sind die schwereren Staubgemenge in dieser Hinsicht demnach von geringerer Gefährlichkeit, als die flüchtigen Dämpfe und Gase, so sind sie es auch in ihrer Einwirkung auf den menschlichen Organismus selbst, trotzdem die verschiedenen Staub- arten sowohl mechanisch wie chemisch, die Dämpfe und Gase aber fast allein in letzterer Weise schädlich zu wirken vermögen.

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 441

a) Der schädliche Einfluß der staubförmigen Verun- reinigungen der Luft auf den Hüttenwerken.

Unter den Staubarten auf den Hüttenwerken steht, nicht wegen seiner Schädlichkeit, wohl aber wegen der Häufigkeit des Vorkommens, der Kohlenstaub obenan. Derselbe entsteht aus den auf keiner Hütte fehlenden Brennmaterialien, von welchen hauptsächlich Stein- kohlen und der daraus hergestellte Koks, viel seltener Holzkohlen, Braunkohlen, Braunkohlenkoks, Torf und Holz zur Verwendung ge- langen.

Aus erster Hand erhalten den unveränderten Kohlenstaub die Kohlenablader und die Kohlenfahrer, sowie die Schürer derjenigen Oefen, in welchen die festen Brennmaterialien zur Flammenerzeugung verbrannt oder zur Darstellung brennbarer Gase verkohlt und ver- gast werden. Den zur weiteren Verbreitung in der Luft erforder- Uchen Grad von Feinheit und Leichtigkeit besitzt dann derjenige Kohlenstaub, welcher bei der mehr oder weniger unvollkommenen Verbrennung der Kohlen in den vielerlei Feuerungen auf den Hütten- werken entsteht. Die unverbrannten feinen Kohlenstaubteilchen dringen namenüich bei ungenügendem Essenzuge zum Teil schon aus den Feuerungstibüren und den Arbeitsöfhungen der Oefen in den Arbeitsraum und dessen Umgebung. Ein weiterer Teil setzt sich beim Mangel an Verbrennungsluft oder bei zu niedriger Temperatur auf den Rosten aus den nicht verbrannten schweren Kohlenwasser- stoffen als Ruß in den Rauchkanälen und Essen ab und wird als solcher, sobald er an den Wänden nicht mehr fest zu haften vermag, zusammen mit dem letzten Teil des unverbrannten festen Kohlen- staubes ins Freie gefllhrt Sind die Essen hoch genug, so werden die Staub- und Rußteilchen in die Umgebung der Hütte getragen, sind die Essen aber zu niedrig oder sind, wie es z. B. auf den Zink- hütten früher allgemein der Fall war, an Stelle der Essen nur Oeff- nungen am Ende des Verbrennungsraumes vorhanden, so ist natürlich nicht nur der Arbeitsraum von Kohlenstaub erfüllt, sondern auch das Betriebsgebäude und oft die ganze Hütte beständig in schwarze Staub- und Rußwolken gehüllt

Die anderen Rohmaterialien Erze und Zuschläge ent- wickeln seltener Staub in gefahrbringender Menge. Es ist zwar in vielen Fällen behufs Herstellung des Möllers (das fertige Gemenge der metallhaltigen Körper und der Zuschläge) ein Zerkleinem der Rohmaterialien erforderlich; meistens genügt dazu aber ein Zer- schlagen in faustgroße Stücke, wobei wohl Splitter abspringen und verletzen können, Staub aber nur in geringer Menge entsteht Aller- dings werden gerade die gefährlichsten Erze, wie Bleiglanz, Zink- blende, Zinnober, Arsenides, Arsenikalkies, Kupferkies, Schwefelkies, sehr oft in schUchförmigem Zustande von den Aufbereitungsanstalten zu den Hütten gebracht; bei dem Transport, Möllern und Gichten dieser Erze ist dann ein Verstauben nicht ausgeschlossen.

Bei den Verhüttungsprozessen selbst werden zuweilen Erz- und Zuschlagteilchen, welche in Staub- oder Schlichform in den Ofen ge- langt sind, durch den Essenzug in unverändertem Zustande wieder ins Freie geführt, und zwar sind diese Teilchen naturgemäß die feinsten und darum gefährlichsten. Eine Verstaubung der aus den Rohmaterialien gewonnenen Metalle und Metallverbindungen

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442 8AEGER,

ist immer zu befürchten, wenn diese Produkte durch Sublimation gewonnen werden, wie es bei den Arsenikalien, dem Zinkoxyd und teUweise auch beim Zink (im Anfange der Destillation) der Fall ist Staubförmige Hüttenprodukte sind auch die beim Reinigen des (durch Zink entsilberten) Werkbleies unter der Einwirkung Ton Wasserdampf entstehenden sogenannten armen O^de (Zink- und Bleioxyd), sowie die beim Abtreiben des Bleies entstehende und bald zu Ranzenden feinen Schuppen zerfallende Glätte (Bleioxrd), vor allem aber die großen Flugstaubmengen, welche aus den abziehenden Grasen aufgefangen werden. Staubgefs^ren bringen femer die Zerkleinerungs- arbeiten mit sich, denen die in Stückform gewonnenen metallischen Zwischenprodukte zum Zwecke des Bücklau& oder der gesonderten Verarbeitung auf trockenem oder nassem Wege unterworfen werden. Man hat auch mit dem Staube zu rechnen, welcher beim Transport nicht allein der staubförmigen, sondern auch der stückförmigen Roh- materialien und Hüttenprodukte durch Zerreibung entsteht

Weit mehr, als die eigentlichen Hüttenleute, sind aber die mit der weiteren Verarbeitung der Metalle beschäftigten Arbeiter dem Einflüsse des Metallstaubes ausgesetzt Von derartigen Betrieben ist an dieser Stelle nur der mit den Eisenhütten oft verbundenen Gießereien und mechanischen Werkstätten zu gedenken, da die übrigen Hütten sich mit der Weiterverbreitung der Metalle und Metallver- bindungen — abgesehen von den nicht staubge&hrlichen Walzwerken und Röhrenpressen der Blei-, Kupfer- und Zinkhütten nicht be- fassen. Die Eisengießereien stehen in der Staubentwickelung ungefähr mit den Zinkhütten ältester Bauart auf einer Stufe. Bei der hauptsächlich in Anwendung stehenden SandfOrmerei wird der feuchte Sand zur Erzeugung der erforderlichen Porosität mit Stein- kohlen- und bei feineren Gußwaren mit Holzkohlen- oder Graphitstaub gemischt; die fertige Sandform wird dann an den Innenflächen mit Holzkohlenpulver bestreut, die Masseform mit Schwärze, aus Lehm- brei mit Holzkohlenstaub bestehend, bestrichen oder angeraucht So- wohl bei diesen Arbeiten, wie auch beim Gießen selbst und beim Umgraben der Gießstelle verteilt sich Kohlenstaub überall im Ar- beitsraum und wird durch die aus den trocknenden Formen auf- steigenden Wasserdämpfe beständig in der Schwebe gehalten. Die Lehmförmerei bietet weniger Staubgefahren, dafür entwickeln aber Pferdedünger, Kuhhaare oder Häcksel, mit welchen der Lehin ge- mischt wird, und das Stroh, mit welchem die Kemspindel umwickelt wird, schon beim Trocknen, mehr aber noch beim Gießen durch un- vollkommene Verbrennung ekelerregende Dünste. Ein Gemisch von Sand- oder Schmirgelteilchen und Metallstaub entsteht, wenn das vom Formmateriale gereinigte Gußstück mit Meißeln oder auf Schleifsteinen geputzt wird.

Die weitere Bearbeitung der Gußwaren erfolgt dann meistens in den mechanischen Werkstätten, in denen dieselben zuweilen gleich- zeitig mit einem Teil des selbsterzeugten schmiedbaren Eisens durch Drehen, Bohren, Hobeln, Schleifen u. s. w. zu Handelsprodukten ver- arbeitet werden ; in diesen Werkstätten ist natürlich die Entwicklung von Metall- und Schleifstaub nicht zu vermeiden.

Besondere Aufinerksamkeit verdient ferner der Staub, welcher auf Eisenhütten bei dem Vermählen der Hochofenschlacken zu Ce- ment und namentlich der Thomasschlacke zu Düngemehl entsteht

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 443

Einem Gemisch von metallischem und mineralischem Staube sind endlich diejenigen Arbeiter ausgesetzt, welche die Emenemng oder Ausbesserung des Futters ausgebrannter Oefen vorzunehmen haben. Der schädliche Einfluß aller dieser Staubarten äußert sich zunächst darin, daß die feinen Teilchen die Ausgänge der Schweiß- und Talgdrüsen der äußeren Bedeckung verstopfen, die so häufig vorhandenen, verletzten Stellen der Haut verunreinigen und in der Folge die mannigfachsten Hautkrankheiten durch mechanische Reizung sowohl, wie durch chemische Einwirkung hervorrufen. Auch der äußere Gehörgang uud das Trommelfell sind der Erkrankung durch Staubablagerung ausgesetzt 'Auf das Zusammenwirken von Staub und Hitze wird man ferner in vielen Fällen die Entzündungen der Augen zurückzufilhren haben.

Weit gefährlicher ist aber die mechanische Wirkung der staubförmigen Luftverunreinigung auf dieAtmungsorgane^ ^ ^^. Die infolge der angestrengten Arbeit auf den Hüttenwerken in starker Thätigkeit befindlichen Atmungsorgane nehmen die scharfen, oft spitzigen Staubteilchen reichlich auf, wodurch zunächst eine mecha- nische Beizung der Schleimhäute in den Atem wegen, des Lungenge- webes selbst und des Lungenfells hervorgerufen wird. Die ersten Folgeerscheinungen sind dann akute Kehlkopf- und Lungenkatarrhe, aus denen sich aber häufig chronische Lungenkatarrhe, Emphysem, Lungen- und Lungenfellentzündungen , seltener Lungenschwindsucht entwickeln. Ein Bild von der Häufigkeit der verschiedenen Arten von Krankheiten der Atmungsorgane unter den Hüttenleuten er- giebt die nachstehende Statistik des oberschlesischen Knappschafts- vereins * * :

In den Jahren 1889 bis 1892 erkrankten durchschnittlich von 1000 beschäftigten Hüttenleuten 474,4, darunter waren an den At- mungsorganen erkrankt 73,8, und zwar:

l) an akntam Lungen- und Kehlkopfkatarrh . . . . 51,8 «■ 70,8 Prot.

S) ehroniichem . . . . 8,t •« ii.i

81 Longen- und Bmstfellentsündnng 8,6 ■» 11.7

41 Lnngenschwindincht 3,7 ^ 3,6

6} anderweitigen Krankheiten der Atmnngiorgane . 2,& 8^4

Der chemische, bez. vergiftende Einfluß der metallischen Staubarten unterscheidet sich von demjenigen der nachher zu er- wähnenden Metalldämpfe im wesentlichen nur durch den in der g -oberen Struktur der einzelnen Staubteilchen begründeten geringeren rad der Gefährlichkeit. Von den sonstigen Staubarten hat nur der auch mechanisch äußerst schädlich wirkende scharfe Thomas- schlackenstaub wahrscheinlich eine auf chemischem Wege er- zeugte Verletzung der Schleimhäute und Entzündung der darunter- liegenden Schichten der Atmungsorgane zur Folge ; es soll sich dabei hauptsächlich um die wasserentziehende Wirkung des in der Schlacke entiialtenen Aetznatrons handeln. Der Kohlenstaub, mit welchem die Hüttenatmosphäre geschwängert ist, wird reichlich in die Lungen aufgenommen und führt zur Entstehung der sogenannten Kohlen- lunge. Ueber diese und ihre Folgezustände vergl. Füller auf S. 319 in diesem Bande. Die von Hirt^ und anderen Medizinern geäußerte Ansicht, daß die Einatmung von Kohlenstaub zur Verhütung der Lungenschwindsucht beitrage, wird durch die oben angegebene

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Statistik der Erkrankungen der Atmungsorgane unter den zweifellos viel Kohlenstaub einatmenden Hüttenleuten bis zu einem gewissen Grade bestätigt Villaret^^ und vor Uim andere sprechen aber dem Kohlenstaube die günstige Wirkung ab.

b) Der schädliche Einfluß der dampf- und gasförmigen Beimengungen der Luft auf den Hüttenwerken.

Unter den Gesundheitsschädlichkeiten der dampf- und gasförmigen Verunreinigungen der Luft auf den Hüttenwerken stehen diejenigen der Metalldämpfe obenan. -

Am flüchtigsten ist unter den Metallen das Quecksilber, welches schon bei gewöhnlicher Lufttemperatur verdampft Auch das Schwefelquecksilber, welches als Zinnober hauptsächlich zur Darstellung des Quecksilbers dient, ist in der Hitze als solches flüchtig, während das Quecksilberoxyd sich bei seiner ebenfalls leicht eintretenden Verflüchtigung zu einem Gemisch von metallischem Quecksilber und Quecksilberoxyd zersetzt Antimon verflüchtigt sich, vor Luftzutritt geschützt, wenig, sehr leicht aber bei Luftzutritt in Form eines weißen Rauches von Antimon oxyd und Antimon- säure, welche allerdings leicht in nichtflüchtige antimonige Säure übergehen; das Schwefelantimon, welches behufs Darstellung einer roten Farbe, des Antimonzinnobers hüttenmännisch gewonnen wird, verflüchtigt sich in höheren Temperaturen in nicht unbedeuten- der Menge. Arsen, arsenige Säure und Schwefelarsen sind sehr leicht flüchtig, während Arsensäure sich erst bei sehr hoher Temperatur in arsenige Säure und Sauerstoff zerlegt Zink ver- dampft, wenn es über seinen Siedepunkt (nach Becquerell 891® C, nach Deville und Troost 1040^0) erhitzt wird und verbrennt bei Luftzutritt mit weißgrüner Flamme zu Oxyd. Blei endlich ent- wickelt schon bei Rotglut unter Luftzutritt Dämpfe von Bleioxyd; das letztere ist bei Weißglut flüchtig, während Schwefelblei schon bei Botglut zu verdampfen beginnt

Platin, Gold, Silber und Kupfer sind erst vor dem Enall- gasffebläse, bei den gewöhnlichen Schmelztemperaturen aber nicht flüchtig; dagegen sind Chlorkupfer und Silberoxyd flüchtig, das letztere, wenn bei hoher Temperatur Schwefelsilber oder schwefel- saures Silber in den metallischen Zustand übergehen. Zinn ver- flüchtigt sich bei Rotglut und verbrennt dann bei Luftzutritt zu nicht flüchtigem Zinnoxyd. Wismut verdampft erst bei sehr hohen Tem- peraturen, verbrennt aber zugleich bei Luftzutritt zu Oxyd. Eisen, Nickel und Kobalt sind nicht flüchtig.

Hiernach ist das Auftreten metallischer Dämpfe hauptsächlich zu befürchten, wenn quecksilber-, antimon-, arsen-, zink- und bleihaltige Erze auf trockenem Wege hüttenmännisch verarbeitet werden. Alle diese Metalle sind aber mit Ausnahme des Quecksilbers, welches nur im Fahlerz zuweilen mit anderen Metallen vorkommt, gerade in den Erzen, welche für die Gewinnung der verschiedenen Metalle am wich- tigsten sind, fast immer in wechselnden Mengen vorhanden. So ent- stehen denn bei der Verhüttung der Bleierze in der Hauptsache wohl Bleidämpfe, daneben aber auch stets solche von Arsen, Antimon, Zink und Silber. Auf den Zinkhütten wird man neben den zinki- schen Dämpfen Blei, Arsen und das sonst selten vorkommende

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Kadniiam in den Verflüchtignngen finden. Kupferhaltige Verflüch- tigungen entstehen auf Kupferhütten nur bei der verhältnismäßig seltenen chlorierenden RGstung armer Kupfererze, sehr oft dagegen bleiische, arsenikalische und zinkische Dämpfe. Auf den Eisen- hütten entwickeln sich beim Hochofenprozeß fast immer zinkische und zuweilen, namentlich in Oberschlesien, auch bleiische Dämpfe. Antimon und Arsen sind nach dem noch zu erwähnenden Schwefel die häufigsten Verunreinigungen der Erze; die Verflüchtigungen derselben sind deswegen auch auf den meisten Metallhütten zu finden.

Ein weiterer Bestandteil fast aller für die Metallgewinnung wich- tigen Erze, der Schwefel, giebt Veranlassung zu der schädlichsten gasförmigen Verunreinigung der Luft auf den Hüttenwerken und in deren Umgebung. Die geschwefelten Erze, wie Bleiglanz, Kupfer- kies, Schwefelkies, Zinkblende, Antimonglanz, Antimonblende, Arsen- kies und Zinnober werden, wie wir oben gesehen haben, entweder direkt durch Erhitzung für sich oder mit anderen Metallen, Metall- oxyden oder Metallsalzen zu Metall verarbeitet, oder sie werden zu- nächst durch Röstung in Oxyde übergeführt und aus diesen zu Me- tallen reduziert Bei diesen Prozessen wird der Schwefel hauptsäch- lidh in gasförmige schweflige Säure, seltener in dampfförmige Schwefelsäure übergeführt Weitere Mengen schwefliger Säure entstehen bei der Verbrennung der Steinkohlen, weil dieselben fast immer Schwefelkies enthalten.

Salzsäure und Ghlordämpfe entwickeln sich bei der chlo- rierenden Röstung, z. B. der Kupfererze und bei einigen nassen Hüttenprozessen.

Schwefelwasserstoff wird auf Hüttenwerken verhältnismäßig selten verwendet (zur Fällung von Kupfer und Gold aus Lösungen und zur Unschädlichmachung der SO 2 durch Bildung von Schwefel).

Arsenwasserstoff entsteht zuweilen, wenn Erze oder metalli- sche Zwischenprodukte zur Ueberführung der darin enthaltenen Me- talle in Lösungen mit Säuren behandelt werden, und nicht vorher lüUes Arsen aus den Säuren oder dem Metall entfernt ist

Cyanwasserstoff ist sehr oft ein Bestandteil der Gichtgase, namentlich der Eisenhochöfen. Kohlenoxydgas bildet einen wesent- lichen BestandteU der Gicht- und Generatorgase, sowie der aus den Zinkmuffeln entweichenden Gase. Die in den Eisengießereien beim Gießen in den Formen entstehenden, brennbaren Gase (Wasserstoff und Kohlenwasserstoff) sind nicht als Luftverunreinigungen, sondern ihrer Explosionsfähigkeit wegen zu fürchten.

Die Krankheiten, welche durch den Einfluß der vorgenannten, durch die Atmungs- und Verdauungsorgane, sowie durch die Haut in den Körper gelangten Metallgifte und irrespirablen Gase unter den Hüttenleuten hervorgerufen werden, sind nun kurz folgende*

S 5 6 8 9 10 11 18^

Das Quecksilber gelangt auf den Hüttenwerken als Metall größtenteils in Dampfform, zum Teil aber auch flüssig in Form iniIa*oskopisch feiner Kügelchen, ferner im quecksilberhaltigen Staube, d. h. dem aus feinen Kohlen- und Rußteilchen, Quecksilber und SchwefelquecksUber bestehenden Stupp in den Körper des Hütten- mannes. Die Resorption findet meistens durch die Schleimhäute der Atmungsorgane, ausnahmsweise durch offene Stellen der Haut statt.

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Die Folgen der Quecksilberanfnahme machen sich zanächst in der bleichen Farbe , der meist feuchten Haut bemerkbar ; die Verdanimg ist unregelmäßig, und bald Neigung zum Durchfedl, bald zur Ver- stopfung vorhanden. Besonders charakteristisch ist dann der auf- fallend übelriechende Geruch aus dem Munde, die Entzündung der Mundschleimhaut und die Anschwellung des Zahnfleisches, welches gerötet ist, und leicht blutet Gewöhnlich stellen sich weiter bei starkem Speichelfluß rundliche Geschwüre mit leicht blutenden Bän- dern in der Mundhöhle ein. Oft treten als weitere Erscheinungen Mattigkeit, heftiger Kopfschmerz, Schwindel, Ohrensausen, Abnahme des Appetites und auf Erkrankungen des Verdauungskanales zurück- zuführendes Erbrechen ein. Diese Erscheinungen bezeichnet Hirt als primäre Quecksilberkrankheiten und giebt weiter als sekundäre Affektionen an erster Stelle das Hervortreten von Nervenstörungen, welche sich vor allem in dem mit Ameisenkriechen und Pelzigwerden in den Extremitäten beginnenden, an Heftigkeit beständig zunehmen- den und schließlich zu konvulsivischen Zuckungen ausartenden Zittern, namentlich der Hände, Arme und Beine äußern. Schließlich tritt Ab- stumpfung der geistigen Fähigkeiten ein, welche bis zur Verödung des Geistes führen.

Die Empfänglichkeit für Quecksilbervergiftungen ist bei den ein- zelnen Hüttenleuten sehr verschieden ; dieselbe Erscheinung zeigt sich auch bei der Einwirkung der anderen Metallgifte unter den Hütten- leuten ; diese Thatsache findet ihre Erklärung teils in einer meist schwer zu ergründenden individuellen Prädisposition, teils in der Lebensweise des einzelnen Arbeiters. (Vergl. Füller S. 336 ff. i. diesem Bd. d. Handb., und Schäfer, Hygiene der Glasarbeiter und Spiegelbeleger i. diesem Bd. d. Handb.)

Die bei der Antimongewinnung auftretenden Dämpfe von Antimonoxyd, Antimonsäure und Schwefelantimon führen verhältnis- mäßig selten zu Krankheitserscheinungen. Zuweilen kommen Ent- zündungen der Schleimhäute und der äußeren Haut vor, wobei die letztere sich mit eiternden Bläschen und ausnahmsweise mit tiefer- fressenden Geschwüren, namentlich am Halse, auf der Brust und den Schenkeln bedeckt. Chronische Antimonvergiftungen, welche schmerz- haftes Stechen auf der Brust, Atemnot, Verdauungsbeschwerden und Abmagerung herbeiführen, sind unter den Hüttenleuten noch seltener.

Arsen, Arsenige Säure und Schwefelarsen gelangen sowohl eingeatmet oder verschluckt, also von der Lunge oder den Verdauungsorganen aus, wie durch offene Stellen der Haut in das Blut, wobei es gleichgiltig ist, ob diese Stoffe sich aus dem dampf- förmigen Zustande erst in den betreffenden Organen verdichten, oder ob sie bereits vorher die Form des feinen Sublimationsstaubes ange- nommen haben. Da es sich immer nur um verhältnismäßig geringe Mengen der resorbierten arsenhaltigen Stoffe auf einmal handelt, so treten akute Vergiftungserscheinungen (Magen- und Darmentzündungen, sowie Gehimaffektionen) im allgemeinen selten ein. Dagegen äußert sich der beständige Einfluß geringer Mengen arsenikalischen Dampfes und Staubes oft in Augenbindehautentzündung und Hautausschlägen ; femer treten leichte Störungen im Magen und Unterleib ein, welche allerdings oft erst beachtet werden , wenn schmerzhafte Geschwüre im Munde hinzukommen. Weitere Folgen der chronischen Arsen- vergiftung sind dann Herzklopfen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit,

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Gedächtnisschwäche, nervöse Störungen im Bewegungsapparat und in den Gefühlsnerven, Abmagerung und in seltenen Fällen vollständiger, zum Tode führender Kräfteverfall.

Metallische Zinkdämpfe bedrohen den Hüttenmann nicht, da die heißen Zinkdämpfe beim Entweichen in die Arbeitsräume zu Zinkoxyd verbrennen; wohl aber wird das Zink als Metall in Form des Zinkstaubes (Poussiere) eingeatmet, welcher sich in den Vorlagen, namentlich bei Beginn der Destillation, anstatt des flüssigen Zinks bildet und beim Abstechen mit dem Zink entfernt werden muß. Das Zinkoxyd wird reichlicher eingeatmet, scheint aber ebensowenig wie das metallische Zink Gesundheitsschädlichkeiten für die Hütten- leute mit sich zu bringen. Jedenfalls kommt das bei der Weiter- verarbeitung des Zinks und dessen Legierungen oft beobachtete Gieß- fieber bei den Hüttenleuten nicht vor. Die bei den Zinkhüttenleuten häufiger auftretenden Krankheitserscheinungen, wie Affektion des Magens und der Speiseröhre, Uebelsein, Erbrechen und namentlich Nervenstörungen, welche die Empfindungs-, Reflex- und Bewegungs- thätigkeit beschränken, werden weniger auf Zinkintoxikationen, als vielmehr auf die Einwirkung von Blei, Arsen, schwefliger Säure und Kohlenoxydgas und den Einfluß der in hohen Temperaturen zu ver- richtenden schweren Arbeit zurückzuführen sein.

Der Einfluß des Kupfers macht sich mit Sicherheit unter den Hüttenleuten nur durch das Auftreten eines breiten blauschwarzen Saumes der Zähne zunächst dem Zahnfleisch bemerkbar. Die sonst vorkommenden Vergiflungserscheinungen, wie Kolik, Magenschmerz, Darmkatarrh und blutiger Stuhlgang, werden auch hier auf die Gegen- wart anderer Metalle und namentlich des Bleies und Arsens in den Erzen zurückzuführen sein. Nach R. Kobert (D. med. Wochenschr. 1895 S. 42) ist Kupfer in geringen Mengen für den gesunden Organismus belanglos, für den kranken aber von günstigem Einfluß, da es antiparasitäre und tonische Wirkung zeigt ^'.

Das Blei endlich ist für den Hüttenmann das gefährlichste aller Gifte, und zwar gerade in der Form des in den Bleidämpfen meistens vorhandenen Bleioxyds, ferner in denjenigen Verbindungen, welche wie Bleiglätte und Bleiweiß leicht im Wasser oder in den im Körper vor- handenen Säuren löslich sind; die letzteren bewirken nach Villaret *• a. a. 0. S. 91 sogar eine langsame Resorption des unlöslichen Blei- sulfats und metallischen Bleipulvers.

Durch die Atmungs- und Verdauungsorgane, sowie durch die Haut- oberfläche (auch durch die nicht wunde) in den Körper gelangend, ruft das Blei zumeist, aber nicht immer eine bleigraue Färbung des freien Randes des Zahnfleisches, den Bleisaum, hervor. Bald stellen sich als weitere Folgen der Bleivergiftung eine erdfahle Verfärbung der Haut, widerlich süßlicher, zusammenziehender Geschmack, Ver- minderung der Speichelabsonderung, übler Geruch aus dem Munde, Appetitlosigkeit bei meistens großem Durst, reißende, ziehende Schmerzen in den Gliedern und Gelenken, Zittern und schließlich dauernde Lähmungen, namentlich der Streckmuskeln, ein, welche bei vielen Bleihüttenleuten in der krallenartigen Verkrümmung der ersten beiden Fingerglieder und in der nach einwärts gebogenen Stellung der kraftlosen Hand deutlich sichtbar werden. Eine der schlimmsten und zugleich häufigsten Folgen der Bleivergiftung ist die Bleikolik. Die ein- zelnen Symptome derselben sind heftige, bohrende Leibschmerzen,

HADdbuch der Hygiene. Bd. VUI. 29

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meistens von der Nabelgegend ausgehend, hartnäckige Stuhlverstopfang, starke Eingezogenheit der Bauchdecken, ein eigentQmlicher, übler Geruch aus dem Munde und infolge der TaR und Nacht quälenden Schmerzen Schlaf- und Mutlosigkeit Sehr häung tritt dann mit Ekel verbundene Appetitlosigkeit hinzu, welche sich bis zum Erbrechen jeder Nahrung, selbst eines Trunkes kalten Wassers steigert Ohnmächten bilden zuweilen Pausen in den qualvollen Leiden, aber häufiger stellen sich als Ausdruck des höchsten Schmerzgefühles plötzlich konvulsivische Muskelbewegungen ein, bei denen die davon Betroffenen unter der Wucht der heftigsten Qualen zusammenbrechen und sich oft stunden- lang auf dem Lager oder auf dem Erdboden in allen Stellungen krümmen und winden. Das Gesicht ist dabei von Angst verzerrt, und der Körper über und über mit kaltem Schweiß bedeckt Eine Genesung von der Bleikolik sowohl wie von den sonstigen Folgen der Bleivergiftung, unter welchen die Lähmungen am längsten persistieren, ist in den meisten Fällen bei richtiger Behandlung mög- lich, doch führen namentlich unter den älteren, immer wieder in die Arbeit zurückkehrenden bleierkrankten Hüttenleuten, die Wirkungen dieses unheimlichen Giftes zuweilen nach jahrelangem, qualvollem Siechtum zum Tode.

Schweflige Säure bringt für den Ungewohnten selbst bei niedrigem Eonzentrationsgrade säuerlichen Geschmack mit lebhafter Speichelabsonderung hervor, reizt die Schleimhäute der Nase und Atemwege und erzeugt häufig unter den Hüttenarbeitern andauernde, schädliche Hustenanfäle und selbst Blutauswürfe. Die Grenze der ertragbaren Beimengung wird neuerdings (Villaret^* a. a. 0. 103) sehr niedrig zu 0,7 Proz. angenommen. Bei den hohen Eonzentrations- graden, wie er auf den Schwefelsäure darstellenden Hütten vorhanden sein muß, leiden neben den Respirationsorganen namentlich die Ver- dauungsorgane; Appetitlosigkeit, saures Aufstoßen, unregehonäßiger Stuhlgang sind die Folgeerscheinungen. Tracinski^* will auch Angenentzündungen unter den Zinläüttenleuten Oberschlesiens auf die Einwirkung der schwefligen Säure zurückführen. Die dampf- förmige Schwefelsäure, in welche sich auch die in den Eörper gelangende schweflige Säure zum Teil umsetzt, bewirkt, wie alle Mineralsäuren, zerstörende Wasserentziehung, Temperaturerhöhung und Eiweißumwandlung.

Salzsäure- und Ghlordämpfe gelangen so verdünnt in den Arbeitsraum, daß schädliche Wiriningen im allgemeinen ausgeschlossen sind. Nach Hirt sollen verdünnte Salzsäuredämpfe ohne Einfluß auf die Atmungs- und Verdauungsorgane sein und nur zuweilen vorüber- gehende Hautentzündungen erzeugen; konzentriertere Dämpfe sind nach Villare t^^ (a. a. 0. 102) sehr gefährlich; reichliche Einatmung derselben hat schnelle Bewußtlosigkeit und den Tod zur Folge. Chlordämpfe erzeugen bei andauernder Einwirkung Bluthusten und Entzündungen der Luftröhre und Lunge.

Arsenwasserstoff ist ungemein giftig; er erzeugt ähnliche Erankheiten wie die Arsenikalien, nach Eulen b er g^ aber nament- lich Schwindel, Eopfweh, Angstgefühl, Erbrechen, schneidende Schmerzen im Magen, Bückenschmerz und weiter Schwinden der Eräfte und Absterben der Hände und Füße.

Einatmung von Schwefelwasserstoff bringt Uebelkeit»

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Appetitlosigkeit, Schwindel, Kopfschmerz und Neigung zur Ver- stopfung mit sich.

Cyanwasserstoff, welcher sich bei der Berührung des in den Hochofengasen enthaltenen Cyankaliums mit feuchter Luft und Kohlensäure entwickelt, ruft schon in Spuren bitteren Geschmack, Kratzen im Halse, Erbrechen, Kopfschmerz und Schwindel hervor; stärkere Dosen führen zu plötzlicher Stockung der Atmung, Lähmung des Nervensystems, Bewußtlosigkeit und schnellem Tod.

Kohlenoxydgas erzeugt, in geringen Mengen eingeatmet, namentlich Affektionen des Gehirns, welche sich in Kopfschmerz, Flimmern vor den Augen und Schwindelanfällen äußern. Entströmen aber den Gasleitungen Kohlenoxydgase in größerer Menge, so ist die vergiftende Wirkung derselben auf in der Nähe befindliche Ar- beiter zuweilen eine so plötzliche, daß Krämpfe und Verlust des Bewußtseins eintreten, bevor an Rettung zu denken ist*®.

Unfalls- und Krankheitsgefahren bedrohen hiemach den Hütten- arbeiter in mancherlei Gestalt; diese Erkenntnis hat zu Schutzvor- kehrungen auf allen Gebieten des Hüttenwesens geführt, wie der folgende Abschnitt nunmehr zeigen soll.

1) JohAan Triedrieh Hemkri, M$diemistAm- üßtUmd und BthmOtm-Bogm^ »uanderheü von

der BergtuM umd HmUnktOae u, $, w., Friberg (1788). 8) Brookmaim, DU madUvrgieckm KranüAeitm dea Oberhar»e$, Osterode (1851).

3) Humntnohliiied, Die temHOrem VerhäUnieee mtd die BenrfshranikeiUH bei den k, k, öaUrr. Berg-, HOUen- nmd SaUnemoeriem nmd Forsten, Wien (1873).

4) Hirt, Die StauünhalaHonikrankheitenf Breslau (1871). ö) Hirt, Die €^4un^halationskramkheiten, Breslau (1873).

6) mrt, Die gewerbU^en Vergifhmgenj Leipmg (1875).

7) Hirt, Die äufseren Eraniheiten der Arbeiter, Leipwig (1878).

8) XiileBb«rg, Handbueh der Oewerbehygiene, Berlin (1876).

9) Waiekert, Drei/sig Jahre hüttenänOlidker Praans, JahrMi Jikr das Berg- und Hütten- wesen im KOnigmieh Saehsen, Fre&erg (1884) 181 /.

10) Httiiiierliiig, Die Oefahren und Krankheiten m der eheaeisehen Industrie, Haue o. 8. (1886).

11) X. jMob, JOeikrankheiten im Oberham, DmOeehe med, WbdUnsekr, (1886) No. 88 «. 88. 18) TraMlaiki, D. Viertelj. f, OJf, Chsp/L 80. Bd. 59 /.

18) Tülaret, Gesundheitseha^gende Einfiüese beim Oewerbebetriebe in H, AlbreMs Handbuth

d. praiHsdten Gewerbehygiene, Berlin (1894). 14) Jahresberichte der Eisen- und StoMberufsgenossensehaften.

SMistii des obersehlesischsn Rsappschqftsvereines,

Jehl« und Lewy, Btaubarbeiten m Wort und Bild, herauigegeben vom Verein nur Pflege

des gewerbo'hygienisehen Museums m Wien (1894). 17) Vergl. Th. Weyl dieses Handbueh 8. Bd. 378 /. «18} Vergl. SoMUboom dieses Handbuth 4. Bd. 110.

16) 16)

m. Betriebliche Schutzvorkehrungen gegen die ge- snndheltsschädllchen Elnflflsse der Hfittenarbelt

Die betrieblichen Schutzvorrichtung sind gerichtet 1) gegen die Be- triebsunfidle, 2) gegen die Schwere der Arbeit, 3) gegen den schäd- lichen Einfluß von Feuer, Luft und Licht, 4) gegen die schädlichen Beimengungen der Luft auf den Hüttenwerken. Bei Festhaltung dieser Einteilung wird sich allerdings die Notwendigkeit heraus- stelleD, auf einzelne Vorkehrungen und Einrichtungen, wdche in mehr- facher Hinsicht zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit bei-

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tragen, nur an der Stelle näher einzugehen, wo der günstige Einfluß am deutlichsten hervortritt.

Es muß außerdem vorausgeschickt werden, daß bei der nachfolgen- den Schilderung zunächst nur die Unfall verhütende und gesund- heitsfördernde Wirkung und erst in zweiter Linie die Wirtschaft- lichkeit der einzelnen Vorkehrungen berücksichtigt werden konnte. Da- bei darf allerdings nicht vergessen werden, daß schließlich j^e gesund- heitsfördernde Einrichtung insofern auch rentabel ist, sds sie zur Er- haltung eines leistungsfähigen, eingearbeiteten Arbeiterstammes beiträgt, welcher dauernd den hohen Anforderungen des Hüttenbetriebes an die Schaffenskraft zu entsprechen vermag. Auch in der Verringerung der Beiträge zu den auf den meisten größeren Hüttenwerken bestehen- den selbständigen Krankenkassen muß sich für den Arbeitgeber die er- folgreiche Bekämpfung der Krankheitsursachen bemerkbar machen ; soweit Ui^äUe in Betracht kommen, zeigen sich die pekuniären Vorteile wirk- samer Schutzvorkehrungen femer unmittelbar in der Herabminderung des Gefahrentarifs, welcher die Grundlage für die vom Arbeitgeber allein zu zahlenden Unfallversicherungsbeiträge bildet. Und wenn man schließ- lich erwägt, daß der Arbeiter bei Unfällen und Erkrankungen doch nicht allein körperlich zu leiden hat, sondern zumeist trotz der gesetzlichen Unterstützungen während der Arbeitsunfähigkeit in seiner und seiner Angehörigen Existenz schwer geschädigt wird, so wird man sich der Erkenntnis nicht verschließen können, daß ein wirksamer, möglichst weit reichender Schutz gegen die Gefahren für Leben und Gesundheit der Arbeiter über die Forderungen gesetzlicher Bestimmung und des wirtschaftlichen Interesses hinaus immer ein Gebot der Menschlichkeit bleiben wird.

Die leichteste und wegen der damit verbundenen augenscheinlichen Erfolge dankbarste Aufgabe ist nun:

!• Der Schutz gegen die BetriebsonfftUe.

Die Maßregeln, welche zur Verhütung von Unfällen auf Hüttenwerken getroffen werden, sind zum Teil auf die eigene Entschließung der Be- triebsleitung, zum Teil auf den Zwang gesetzlicher Vorschriften zurückzuführen ^^. Zu den letzteren gehören in Deutschland zunächst die §§16 und 18 der Reichsgewerbeordnung vom I.Juni 1891, auf &rund deren bei der Genehmigung neuer Hüttenanlagen die Einführung bestimmter Arbeiter-Schutzvorrichtungen gefordert werden kann; die §S 120 a und b desselben Gesetzes geben sodann die Handhabe und Veranlassung, dergleichen Vorkehrungen auch in schon bestehenden Anlagen gesetzlich anzuordnen. Für weibliche und jugendliche Arbeiter in Walz- und Hammerwerken hat der Bundesrat eine be- sondere Bekanntmachung unter dem 23. April 1879 erlassen; danach dürfen Kinder unter 14 Jahren in diesen Werken überhaupt nicht und Arbeiterinnen nicht im unmittelbaren Betriebe derselben be* schäftigt werden ; die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter zwischen 14 und 16 Jahren ist nur auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses gestattet; die Arbeitszeit darf 10 Stunden täglich mit Ausschluß der dazwischen liegenden, ebenfalls gesetzlichen Pausen nicht überschreiten, auch ist die Arbeit an Sonn- und Festtagen zwischen 6 Uhr morgens und 6 Uhr abends verboten. Aehnliche Bestimmungen enthält die Bekannt- machung des Bundesrats betr. die Beschäftigung von

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Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Draht- ziehereien mit Wasserbetrieb vom 3. Februar 1886. Gesetz- liche Kraft haben femer in Deutschland die auf Grund des § 78 des UnÜEÜlversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 von den Berufsgenossen- schi^en erlassenen Unfallverhütungsvorschriften. Von den 8 Eisen- und Stahlberufisgenossenschaf ten , denen mit Ausnahme der wenigen knappschaftlichen Werke alle Hüttenbetriebe angehören, haben die folgenden zum Teil sehr eingehende UnfallverhQtungSYorschriften erlassen :

1) die süddeutsche Eisen- und Stahlberufisgenossenschaft;

2) die südwestliche Eisen- und StahlberufsgenossenschadFt;

3) die rheinisch-westfälische Hütten- und Walzwerksberufi^enossen- schaft;

4) die rheinisch-westfälische Maschinenbau- und Eleineisenindustrie- beruf sgenossenschaf t ;

5) die sächsisch-thüringische Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft;

6) die nordwestliche Eisen- und Stahlberufungsgenossenschaft

Die nordöstliche Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft hat für die einzelnen Betriebe besondere Einrichtungen empfohlen, die schlesische keine Vorschriften erlassen.

Die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen oder freiwilliger Ent- schließung getroffenen Einrichtungen und Vorschriften betreffen zumeist bestimmte Gegenstände und Vorgänge des Betriebes, sind aber zum Teil auch allgemeiner Natur. Von den letzteren mögen folgende als besonders empfehlenswert erwähnt werden ia»4567iii2i6:

Jeder Arbeiter soll beim Antritt seiner Beschäftigung auf die Ge- fahren des Betriebes und die dagegen getroffenen Vorkehrungen durch den Betriebsleiter oder Vorarbeiter aufinerksam gemacht werden ; natur- gemäß muß der Arbeiter vor allem die Eigentümlichkeiten der ihm zu- gewiesenen Beschäftigung und der ihm anvertrauten Maschinen und komplizierteren Werkzeuge genau kennen. Bestehen, wie es überall wünschenswert ist, gedruckte Vorschriften zur Unfallverhütung, so sind dieselben nicht allein durch Anschlag im Werk bekannt zu machen, sondern jedem Arbeiter gegen Empfangsbescheinigung zu übergeben. Werden einem Arbeiter jugendliche oder Hil&arbeiter überwiesen, so soll er dieselben genau über die bei der Arbeit vorkommenden Gefahren untenrichten. Im übrigen muß jedem Arbeiter, namentlich aber den Wärtern von Dampfkesseln, Maschinen und maschinellen Einrichtungen das Recht zuerteilt werden, Unbefugte am Betreten seiner Arbeitsstelle zu verhindern. Er selbst darf sich an eine andere Arbeitsstelle nur im Auftrage seines Vorgesetzten begeben, womit natürlich auch eine will- kürliche Vertretung in der Arbeit ausgeschlossen ist. Trunkene Arbeiter gefährden nicht nur sich selbst, sondern auch die Mitarbeiter; sie sind deshalb zunächst aus der Arbeit zu entfernen. Kranke und nament- lich epileptische Leute sollte man auf Hüttenwerken gar nicht, vor allem aber nicht in der Nähe von Feuerbetrieben und bewegten Maschinen- teilen beschäftigen. Bei Störungen im Betriebe soll der Arbeiter im allgemeinen ruhig an seinem Platze bleiben, da ein Zusammenrufen nur zu weiteren UnfUlen Veranlassung geben kann. Das Schlafen und der nicht unbedingt erforderliche Aufenthalt auf Oefen, Schlackenhalden, Kanälen, Gerüsten, Laufbühnen, Galerien ist zu untersagen.

Bei der Wahl der Schutzvorkehrungen soll man derienigen den Vorzug geben, welche selbstthätig funktioniert, oder deren Verwendung

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für den Arbeiter am besten Bequemlichkeiten, bez. nicht erhebliche Arbeitserschwemis und möglichst leicht zu erkennende gesundheitliche Vorteile mit sich bringt. Uebereifer schadet auch hier, wird sich aber in der Praxis selten derartig bemerkbar machen, wie es an einigen Arbeitsmaschinen auf der Berliner Unfallverhütungsausstellung nach der Bemerkung eines Arbeiterdelegierten der Stadt Frankfurt a. M. der Fall gewesen sein muß, wenn derselbe in seiner Kritik drastisch sagt: ^an muß es aber immer so machen, daß man mindestens noch daran arbeiten kann" (cf. Albrecht, Handb. der prakt. Gewerbehygiene S. 140). Jedenfalls müssen die Schutzvorrichtungen dauernd in gutem Zustande erhalten und Nichtbenutzung, Mißbrauch, absichtliche Ent- fernung oder Beschädigung derselben durch strenge Strafen möglichst verhindert werden.

Wenden wir uns nunmehr zu den Vorkehrungen und Vorschriften, welche zur Verhütung bestimmter Arten von Unfällen auf den Hüttenwerken zu trenen sind, so ist, wenn wir uns an die Einteilung des entsprechenden Teiles im zweiten Abschnitte (S. 436) anschließen wollen, an erster Stelle der Schutz gegen die durch Motoren, Trans- missionen und bewegte Maschinenteile hervorgerufenen Unfälle zu besprechen. Die im allgemeinen hierfür giltigen R^ln sind, der Wichtigkeit des Gegenstandes entsprechend, in einer besonderen Ab- handlung von Kraft in diesem Bande S. 115 ff. angegeben worden. Da- nach kommt es auch für die Motoren auf Hüttenwerken vor allem darauf an, Schwungräder, Kurbeln, durchgehende Kolbenstangen, Rader- werke, Wellenköpfe und Regulatoren zu umkleiden und für selbstthätige Schmiervorrichtungen, schnell wirkende, von verschiedenen Orten der Arbeitsstätte aus in Thätigkeit zu setzende Dampfabsperrvorrichtungen und für mechanische Schwungrad- Andrehvorrichtungen Sorge zu tragen. Die Motoren sollen, wenn möglich, in besonderen, von Unbefugten nicht zu betretenden Räumen aufgestellt werden; befinden sich die Kraft- maschinen, wie es namentlich in Walzwerken oft der Fall ist, in dem allgemeinen Arbeitsraum, so müssen sie vollständig eingefriedigt sein. Für den Maschinenwärter muß stets ein mindestens 1 m breiter Raum frei bleiben, den er aber zum Putzen und etwaigen Einölen von Hand im allgemeinen nur beim Stillstande der Maschinen benutzen soll^^ ^* **. Auch bei den Transmissionen® ** ** ist die Umkleidung namentlich der hervorragenden Teile an den Wellen, wie Keilnasen, Stellschrauben und Schraubenmuttern, sowie der Räderwerke, der Treib- riemen, Seile, Schnüre und Ketten die Hauptsache. Das Schmieren und Putzen der Transmissionsteile soll beim Stillstande oder durch selbstthätige Vorrichtungen vorgenommen werden; ausnahmsweise sind Oelkannen mit langen Schnauzen, Oelspritzen oder Oelkannen an langen Stöcken zu gestatten. Die Riemen sollen an den Enden möglichst glatt verbunden und während des Ganges nur durch besondere Hilfswerk- zeuge abgeworfen und aulgelegt werden. Um den Teil einer Trans- mission, an welchem sich ein Unfall ereignet, sofort außer Betrieb setzen zu können, müssen überall bequem erreichbare und schnell wirkende Ausrückvorrichtungen (lesbare Kuppelungen, Losscheiben, Riemenweichen) vorhanden sein.

Mit der Weiterverarbeitung des erzeugten Metalles befassen sich von den Hüttenwerken fast nur die Eisenhütten, und zwar stehen auf denselben maschinelle Einrichtungen beim Gießen, Schmieden und Walzen

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 453

zum Zwecke der Formgebang and in den mechanischen Werkstätten im Gebrauch.

Die Schutzvorkehrungen an den in Gießereien angewendeten Arbeitsmaschinen, also an den Gebläsen, Kollergängen, Lehm- mühlen, Sandmischmaschinen, Formmaschinen (meistens von Hand be- trieben), Schleifmaschinen und Sandgebläsen beschränken sich im wesent- lichen auf die Einfriedigung der Zahnräder und Antriebsriemen.

Zum Schmieden, d. h. zum Zangen der Luppen aus den Puddel- öfen, zum Schweißen der Pakete für die Blechfabrikation, zum Dichten von Flußeisenblöcken und zur Erzeugung der großen Schmiedestücke für den Maschinen- und Schiffsbau werden auf den Eisenhütten zumeist Dampfhämmer verwendet, wobei folgende beachtenswerte Schutz- vorschriften und -Vorkehrungen getroffen werden:

Der Hammerführer muß von seinem mit Schutzblech versehenen Stande den Amboß bequem übersehen können; er darf beim Abhauen von Enden zur Verhütung des Umherfliegens derselben zuletzt nur leichte Schläge geben. Zum Auffangen der beim Zangen, Schweißen and Dichten umherspritzenden Schlacken und Eisenteilchen, sowie namentlich der beim Kaltzerschlagen abfilmenden Eisenstücke ist der Dampfhammer so dicht wie möglich mit Schutzblechen zu umgeben, innerhalb welcher sich nur die Hammerschmiede aufhalten dürfen. Die letzteren sind durch breitrandigen Hut, Augenschirm oder Drahtmaske an dem Gesicht, durch Schurzfell am Oberkörper und durch Leder- gamaschen an den Beinen gegen umhergeschleuderte Schlacken zu schützen. Namentlich beim Beginn des Schmiedens soll der Hammer- schmied die Zange vorsichtig vom Leibe entfernt halten. Die Unsitte, während des Betriebes den Amboß mit der Hand abzuwischen, Gesenke aufzulegen u. s. w. ist, wenn andere Mittel nicht zum Ziele führen, durch strenge Strafen auszurotten. Bei Stillständen muß der Hammer- bär auf dem Amboß ruhen, und das Dampfventil gegen ein zufäUiges Oeffnen geschützt sein. Muß bei Reparaturen der Hammerbär aufge- zogen sein, so ist derselbe gut abzustützen oder aufzuhängen.

An die Stelle der immerhin nur oberflächlich wirkenden Dampf- hämmer sind im letzten Jahrzehnt vielfach die Dampfschmiede- pressen getreten, welche mit ihrem ungeheuren Druck das Material in seinem ganzen Stücke bis ins Innerste gleichmäßig beeinflussen*). Bei diesen Pressen mit ihrer ruhigen, stoßlosen Arbeitsweise sind alle Gefahren der Dampfhämmer vermieden, ohne daß andere an deren Stelle getreten wären. Vom Standpunkte der Unfallverhütung ist es deswegen zu wünschen, daß die Schmiedepresse, welche Blöcke von jedem Profil zu liefern vermag, auch zum Ersatz der gefährlicheren Walzwerke für die Formgebung des Eisens möglichst ausgedehnt verwendet werde (vergl. auch Ralph Hartwedel, „Schmieden mittels hydraulischen Drudcs^\ in Stahl und Eisen, 1894, S. 900).

Im Walzwerksbetriebe ist es zunächst erforderlich, die An- triebsmaschinen und namentlich das Schwungrad derselben, sowie unter Benutzung der Walzenständer die Kammwalzen und Walzenkuppelungen durch Einfriedigung, Schutzgitter und Thüren abzuschließen. Von dem Anlassen der Maschinen müssen vorher alle an der Walzenstraße be-

*) Sohmiedepressen yon 10 Millionen kg Druck werden rar Zeit in EngUnd (Vortr. ▼on Richards auf dem Frfiblings-Meetiog 1894 dei Jron «nd Steel Institntee) und in Dentscbland yon der Kalker Werkseligmaschinenfabrik (ttr die Dillinger Hfittenwerke (Dampf, 1895, 8. 53) gebaut.

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schäftigten Leute durch ein deutliches Zeichen benachrichtigt werden. Während des Ganges darf niemand oben auf die Kammwalzen oder auf die Walzenständer klettern, oder über die Kuppelungen oder auf die Walzentische steigen. Für den Fall von Störungen sind bestimmte Haltesignale festzusetzen, welchen Maschinisten, Sdiweißer und Walzer unbedingt Folge zu leisten haben. Für alle Arbeiter der Walzenstraße empfiehlt sich enganliegende Kleidung.

Beim Auswalzen von Stäben sind an den AustrittsOfihungen Grad- führungen vorzusehen.

Joh. Pengg in Aue, Thorl und Einöd (Steiermark) hat zu diesem Zwecke an einem Trio- Walzwerk auf beiden Seiten der Walzen Führangs- rollen angebracht, welche die Stäbe nicht allein in gerader Richtung ans den Walzen f&hren, sondern auch das Hineinziehen der Zangen in die Walzen verhindern i*.

Fr. Krupp in Essen bringt an einem Schienenwalzwerk eine Schutz- vorrichtung zum Abschluß des Durchgangs zwischen der Fertigwalze und der Rollbahn an; die hierzu dienende Drehklappe c (Fig. 38) ist durch Ketten und an den Walzenständem angebrachte Winkelhebel b mit einer vor der Einstichöfbung e befindlichen Blechplatte a verbunden ; wird zur Benutzung der Einstichöfbung die Platte a gehoben, so legt sich die Klappe c nieder und verschließt den Durchgang D^^.

Auch eine von den Borchert'schen Messingwerken zu Berlin auf der ITnfallverhütungsausstellung an einem Modelle diurgestellte, am Walzen- munde von Kaltwalzen anzubringende Schutzvorrichung verdient der Er- wähnung. Beim Walzen von Blechen aus Metall (Kupfer, Messing) auf kaltem Wege, bez. beim Glätten von bereits fertigem Blech müssen die Arbeiter das Blech zur Verhütung des Aufrollens noch mit den Händen halten, wenn sich das letzte Stück dem Walzenmonde schon nähert, wobei dann leicht Verletzungen eintreten. Es ist deshalb dicht vor den Walzen über dem Zufährangstische eine schwache eiserne Vorwalze angebracht, welche mittels eines Hebelwerks von dem auf der anderen Seite der Walze stehenden Abnehmer angehoben oder auf den Zofährungstisch herabgelegt werden kann; um den abnehmenden Arbeiter nicht zu be- hindern, geschieht die Bewegung des Hebelwerkes durch den Fuß. Die Vorwalze wird angehoben, sobald das Walzgut in die Walzen gebracht werden soll; erscheint dann das Blech auf der anderen Seite der Walzen, so läßt der Abnehmer die Vorwalze niederfallen; das Walzgut tritt hier- auf unter dem gleichmäßigen Druck der Schutzwalze in die Walzen, ohne daß sich der Arbeiter mit seinen Händen dem Walzmunde zu nähern braucht Die Arbeit ist durch diese Einrichtung gefahrloser, leichter und exakter geworden i^.

Die Warm sägen in Stabeisen- und Schienenwalzwerken sind zur Verhütung einer Verletzung durch die Sägen selbst oder durch ab- fliegende Funken mit Schutzhauben zu versehen.

Auf der Unfallverhütungsausstellung in Berlin 1889 waren derartige Schutzvorkehrungen an Warmsägemodellen durch die Bheinischen Stahl- werke in Kuhrort, durch die Soci^t^ des forges de la Providence in Marchienne und durch Fr. Elrupp in Essen vertreten. Der letztere ver- deckt die Kreissäge durch einen Blechkasten, dessen vorderer beweg- licher Teil k (Fig. 39) durch den Hebel h gehoben wird, sobald die

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Schiene vor die Säge gebracht werden soll. Der Hebel d drückt so- dann die Schiene gegen die Säge, wobei gleichzeitig die Klappe k ge- schlossen and somit eine Verletzung der ^beiter durch die Säge oder durch umherfliegende Funken vermieden wird^^.

In Drahtwalzwerken ist zur Verhütung von Unfällen durch glühende Drahtschlingen der Platz der Walzer, also die Verbindungs- stelle zweier Walzenpaare, dort, wo die Kuppelungen liegen, mit Schutz- pfkhlen zu umgeben, hinter welchen sich der Walzer während des Be- triebes allein aufhalten darf. Das ITebertreten der Schlingen, das Vorüber- gehen oder Stehen vor den Ausgangsbüchsen ist zu verbieten. Schutz- wände von entsprechender Länge teilen den Kaum vor den Walzen zweck-

Fig. 38. Scbienenwalzen mit Schati- platten a and c.

Fig. 89. ScbnUhaabe.

Warmsige f&r Schienen mit

mäflig in verschiedene Drahtlaufbahnen, wodurch ein starkes Herum- schlingem des Drahtes verhindert wird. Am vollkommensten werden Unfölle in Drahtwalzwerken natürlich durch die schon vielfach in An- wendung stehende, automatische Umführung des Drahtes aus einem Kaliber in das andere in Verbindung mit automatischen Haspeln zur Auf wickelung des glühenden Drahtes verhütet (Zeitschr. Stahl und Eisen, Jahrg. 1889 S. 3, und 1894 S. 166).

In den Drahtziehereien sind die vielen Transmissionen und Betriebsrftder einzukapseln.

Zwischen dem Zieheisen und der Trommel empfiehlt sich die An- bringung eines Schutzbleches, welches das gef^rliche Nachmessen des Drahtes mittels der Leere während des Betriebes verhindert ; zum Schutz gegen das Hineingeraten der Finger zwischen Draht und Drahttrommel dienen federnde Hebel, welche an der Seite des ankommenden Drahtes beständig auf der Trommel schleifen. Eemer empfiehlt es sich, an den Ziehtrommeln Schutzbleche anzuordnen, welche beim Keißen des Drahtes das Herumschlagen des freigewordenen Endes verhindern. Zur Ver- hütung von Handverletzungen durch Splitter und Schlingenbildungen ist das Einfetten des Drahtes vor dem Zieheisen von Hi und am besten durch eine mechanisch angetriebene "V wirken, wie es z. B. in den Drahtziehereien zu Ham folge geschieht. Beim Abnehmen des gezogenen D: Enden des Drahtringes festgehalten werden, damit Ver lieh der Augen, durch die auseinanderschnellenden werden ^^.

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Einige Eisenhütten beschäftigen einen Teil ihrer Leute in mecha- nischen Werkstätten an Bohrmaschinen, Drehbänken, Frais-, Hobel-, Nutstoß-, Blechricht-und Lochmaschinen, Blech- . und Stabeisenscheren, Schleifmaschinen und Schleif- steinen. Die Schutzvorrichtungen an diesen Werkzeugmaschinen be- ziehen sich hauptsächlich auf die Abschließung und Einkapselung der Räderwerke und Antriebsriemen* n 12^ Wichtig ist femer, daß an den Einspannvorrichtungen für Werkzeuge und Arbeitsstücke alle her- vorragenden Teile, also namentlich Spann- und Stellschrauben möglichst vermieden werden, etwaige Schraubenköpfe aber so tief versenkt werden, daß auch die Arbeitskleidung, welche eng anliegen muß, nicht erfaßt werden kann. Lassen sich derartige hervorstehende Teile an Arbeits- maschinen oder Transmissionen aber nicht vermeiden, so empfiehlt sich eine Verkleidung der gefahrlichen Stellen entweder mittels Blechhülsen, welche sich aber bald zu lösen pflegen und dann unangenehmen Lärm verursachen, oder besser mittels zweiteiliger, zusammenschraubbarer Holzringe. Im übrigen richten sich die Einzelheiten der Schutzvor- kehrungen nach der Konstruktion der Werkzeugmaschinen, wobei etwa noch folgendes hervorzuheben wäre:

Zur Verhütung von Augenverletzungen durch abspringende Drehspäne empfiehlt es sich, bei Bohrmaschinen an dem Drehstahl eine Glasplatte oder einen Drahtkorb so anzubringen, daß die Schneide des- selben bez. die Angriffstelle gedeckt ist; der Dreher wird dabei in der Arbeit nicht gestört und besser geschützt als durch das immerhin lästige Tragen einer Brille. Derartige Vorrichtungen waren in ver- schiedenen Ausführungen auf der Unfallverhütungsausstellung an Dreh- bank-Modellen zu finden^®.

Für Blechrichtmaschinen hat die Sächsisch -Thüringische Eisen- und Stahlberu&genossenschaft kürzlich eine besondere Schutz- vorrichtung vorgeschrieben.

Danach werden die oberen Walzen A^ mit einem Schutzblech S überdeckt, welches über die ganze Länge der Walzen hinwegreicht nnd und an den Ständern befestigt ist (Fig. 40). Zu beiden Seiten der unteren Walzen Ä^ sind Schutzschienen F aus Flacheisen oder aus T-Eisen mit den Enden an den Ständern angebracht. Der Tisch 7 besteht bei der Bearbeitung schwerer Blechtafeln aus einem Eisengestelle mit einge- legten Walzen, auf denen die Bleche den Richtwalzen zugeführt werden. Blechstücke mit weniger als 600 mm Länge dürfen nicht mit der Hand, sondern nur mit einer, am besten an einem Kettchen an der Blech- maschine anzuschließenden Schmiedezange eingeführt werden.

An Schleifmaschinen und Schleifsteinen treten vor allem Unfüle durch Zerspringen der Scheiben und Steine ein, welches in mangelhaftem Material, in unrichtiger Befestigung oder in zu großer Tourenzahl seine Ursache haben kann.

Deshalb ist für Schlei&teine und Schmirgelscheiben absolut homo- genes, immer wieder auf RiÜbildung während des Betriebes zu beob- achtendes Material zu verwenden. Zur Befestigung soll der Stein oder die Scheibe ein rundes, nie ein viereckiges Loch erhalten, jedoch nicht auf der Welle festgekeilt, sondern mittels zweier Klemmscheiben festgehalten werden, von denen die eine auf der Welle festsitzt, während die andere

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durch die Mutter einer durchgehenden Schraube mäßig angezogen wird. Zwischen den Klemmscheiben und dem Steine ist namentlich bei Schmirgelsteinen eine elastische Zwischenlage (Gummi, Filz, Pappe) vorzusehen; Miesner und Pape in Lübeck setzen anstatt dessen in die haltenden Eisenscheiben Gummiringe ein, welche den SchleiÜBtein in Bingstreifen derart fassen, daß im Falle des Zerspringens immer nur ein Teil fortfliegen kann. Der Durchmesser der Klemmscheiben muß bei Naß- schleifsteinen mindestens den 4. Teil, bei Trockenschleif- und Schmirgel- steinen mindestens den 3. Teil des Durchmessers des neuen Steines be- tragen. Die Tourenzahl für Naßschleifsteine setzt die Südwestdeutsche Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft, wie folgt, fest:

Dorehmesser 400 500 600 800 1000 1200 1500 1800 2000 2200 2500 2800 3000

ZuUssig« Um- I I I I I I I I I I I I I

drthiiDgssahl in der 540420350260 200 180 140 115 105 95 85 75 70 Minute

SoUen Trockenschleif- und Schmirgelsteine eine größere Umdrehungs- zahl haben, so müssen sie mit einer bis dicht an die Schleifstelle reichenden, widerstandsfähigen Schutzhaube aus mindestens 6 mm starken Blech ver- sehen werden, welche im Boden verankert ist. Im allgemeinen darf man bei Schleifsteinen nicht über 13 m, bei Schmirgelscheiben nicht über 26 m

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Umfangsgeschwindigkeit in der Sekunde hinausgehen. Häufig entstehen Unfälle an Sohleifsteinen dadurch, daß die Arbeiter bei unrundem Stein und fehlerhaft angebrachter Vorlage mit der Hand zwischen beide geraten. Zur Erhaltung einer gleichmäßigen Rundung ist deshalb ein öfteres Abrichten des Steines erforderlich. Geschieht das von Hand, so tritt die Gefahr einer Verletzung durch Abspringen des Schleif- instruments und gesundheitsschädliche Schleifstaubentwickelung ein. Die nordöstliche Eisen- und Stahlberufsgenossenschafb empfiehlt deswegen in ihrem Verwaltungsbericht far 1894 die Verwendung der Schleifvor- richtungen von 0. E. Häntzschel und von Fritz Andree & Co., beide in Berlin. Der erste legt gegen den Schleifstein einen aus Stahl- blech gefertigten trichterförmigen Apparat fest, welcher schabend wirkt und ein Ausspringen oder Stauben des befeuchteten Steines verhütet; die letzteren verwenden zu demselben Zwecke eine durch Stellschrauben be- wegbare Walze, welche aus wellenförmig gebogenen Stahlscheiben zu- sammengesetzt ist und den Stein ebenfalls in feuchtem Zustande bearbeitet. Als Schleifvorlage wird ein Stück harten Holzes von 65 80 mm Querschnitt empfohlen, welches auf dem Troge lose aufliegt, so daß der Arbeiter beim Fortreißen des Schleifstückes höchstens eine Hautabschürfung durch die nach rückwärts geschleuderte Vorlage erleiden kann.

Zur Verhütung der Unfälle, welche beim Gebrauch gewöhn- lichen Handwerkszeuges und einfachen Gerätes bez. Ge- zähes einzutreten pflegen, ist nichts geeigneter, als die Heranziehnng einer geschulten und geschickten Belegschaft. Ein eigentliches Lehr- lingsverhältnis , wodurch diesem Bedürfois in anderen Gewerben am besten Rechnung getragen wird, läßt sich allerdings auf Hüttenwerken, wenn man von den mechanischen Werkstätten der Eisenhütten absieht, im allgemeinen nicht einfuhren, Man wird sich vielmehr darauf be- schränken müssen, jugendliche Arbeiter zunächst mit leichteren, ein ge- ringeres Maß von Zuverlässigkeit erfordernden Verrichtungen (als Trans- portarbeiter, als Packetbinder in den Walzwerken, als Handlanger bei den Hüttenmaurem u. s. w.) zu beschäftigen und dann nach Körper- kraft, Geschicklichkeit und Zuverlässigkeit zum Schmelzer, Puddler, Walzer, Röster, Treiber, Entsilberer u. s. w. unter Aufsicht der älteren Leute, Vorarbeiter und Meister heranzubilden oder aber bei den un- gefährlicheren Nebenarbeiten zu belassen.

Es ist femer von Wichtigkeit, daß alle den Arbeitern übergebenen Werkzeuge und Gezähe sich in brauchbarem, betriebssicherem Zustande befinden und bei etwaigen Mängeln dem Betriebe entzogen werden. Mit besonderer Sorgfalt ist darauf zu achten , daß bei Treibf&usteln, Hand- und Vorschlaghämmern der Stiel festsitzt und fehlerfrei ist Größere Geräte, wie Zangen, Brechstangen und Ofengezähe dürfen zur Vermeidung von Verletzungen in der Nähe befindlidier oder vorüber- gehender Personen bei Beendigung oder Unterbrechung der Arbeit nicht achtlos abgeworfen werden. Alle Geräte, welche Spitzen oder scharfe Kanten haben, müssen mit diesen dem Boden oder der Wand zugekehrt aufbewahrt werden.

Zur Verhütung von Augenverletzungen, welche bei der Ver- wendung von Handwerkszeug und gewöhnlichen Geräten zum Behauen von Eisenteilen, beim Verstemmen, Nieten, Zersetzen von harten und spröden Hüttenmaterialien und Produkten besonders häufig, femer beim

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Gießen, Schmieden, Drehen, Bohren u. s. w. vorkommen, ist die Be- nutzung von Augenschutzmitteln in vielen Fällen von Vorteil^* ^* ^^.

Die nordöstliche Eisen- und Stahlberafsgenossenschaft hat im Jahre 1892 umfangreiche Versuche mit verschiedenen Schatzbrillen ge- macht und empfiehlt für Dreher, Schlosser, Putzer, Schleifer eine Brille mit weiÄen, gewölbten Gläsern von 2 3 mm Stärke ohne Seitenschutz, hinter welchen ein besserer Luftwechsel stattfindet, als bei Brillen mit Seitenschutz, deren Gläser infolge des Schwitzens der Arbeiter auch leicht beschlagen. Ein Seitenschutz wird aber erforderlich, wenn eine Augen- verletzung durch die Arbeit von Mitarbeitern hervorgerufen werden kann, also z. B. für Kesselschmiede und Zersetzer von Schlacken und anderem spröden Material; für diese Arbeiter werden Schutzbrillen mit 3—6 mm starken Plangläsem empfohlen, welche das Glas möglichst frei tragen und zahlreiche Lufböffnungen im Seitenschutz haben. Recht zweckmäßig namentlich für Zersetzer ist auch die von C. S. Schmidt in Nieder- lahnstein hergestellte Schutzbrille aus Stahldrahtgewebe. Dieselbe (Fig. 41) besteht aus zwei miteinander verbundenen Drahtnetzen, welche das Auge mit seiner nächsten Umgebung bedecken ; der äußere Abschluß des Draht- gewebes wird durch eine Ledereinfassung gebildet, an welcher das Kopfband zur Befestigung der Brille ange- bracht i^t; für jedes Auge ist in dem Drahtnetz eine 20 mm hohe Wölbung her- ausgepreßt, welche eine große Widerstandsfähigkeit gegen anfliegende Stücke besitzt ; der vordere Abschnitt dieser kugelartigen Erhöhung erhält für Arbeiten, welche ein ge- naueres Sehen verlangen (Dreher, Schmiede), ein Glas

von 4 6 mm Stärke oder ^^fi^* ^1< Schatsbrille f&r Dreher and Schmiede, eine in gefahrloserer Weise

zersplitternde, widerstandsfähigere Bergkrystallplatte. Der Vorteil derartiger Brillen besteht darin, daß die Maschen des Drahtgewebes freien Luftwechsel gestatten und dadurch nach Möglichkeit die Erhitzung des Auges verhindern. Die Firma Fr. Krupp in Essen hat im Jahre 1890 Versuche mit Schutz- brillen gemacht, welche schließlich zur Einführung einer von dem dortigen In- genieur Müller konstruierten Brille geführt haben. Bei derselben liegen die Gläser weit vom Auge entfernt, und sind der Arbeitsweise entsprechend etwas schräg gestellt; das Gesichtsfeld ist ein sehr großes, Seitenschutz ist vorhanden; die Einfassung besteht aus kleinen Gummischläuchen, welche die Uebertragung der Hitze von der Brille auf das Gesicht ver- hüten und den Schlag der anfliegenden Splitter brechen. Die Gläser sind leicht auszuwechseln, auch können nötigenfalls Doppelgläser eingesetzt werden. Diese Brille, welche von dem Optiker Ising in Essen herge- stellt wird, wird bei Krupp von den Arbeitern allen anderen Arten vorgezogen; nur die Luppenschmiede, Luppenwalzer, Schmiede und Vor- walzer geben dem luftigeren Drahtnetz den Vorzug. Der Aufmerksam- keit, mit welcher das Tragen der Schutzbrillen überwacht wird, sollen im

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wesentlichen die nachstehenden Erfolge zuzuschreiben sein; es kamen auf dem Krupp 'sehen Werke vor;

1889 8i AagenT«rI«tiaDgeD mit 1462 Krmnkratagen 4890 82 1308

IMl 57 568

Brillen von Glimmer sind zum Schutz gegen mechanische Augen- verletzungen nicht zu empfehlen, weil sie das Sehvermögen noch mehr beeinträchtigen, als die GlasbriUen.

Schutzmasken aus Drahtgewebe, welche das ganze Oesicht be- decken, eignen sich filr HQttenarbeiter, welche umherspritzenden, glühenden Schlacken und Metallteilchen ausgesetzt sind, also namentlich für die am Dampfhammer arbeitenden Schmiede.

Für Gießereiarbeiter ist die Benutzung eines besonderen Augen- schutzes nicht zu empfehlen, da jede Behinderung des Sehvermögens zur Verhütung anderer Gefahren (z. B. des Stolpems) vermieden wdtten muS. Ueberhaupt wird man meistens von Fall zu Fall zu entscheiden haben, ob das Tragen einer Schutzbrille oder einer Schutzmaske unbe- dingt gefordert werden muß. Dauerndes Tragen dieser Angen- schutzmittel ist zweifellos mit Belästigung des Arbeiters verbunden; das Sehvermögen wird verringert, das Gesichtsfeld mehr oder weniger beschränkt und das Gefühl der Hitze im Gesicht erzeugt Deshalb wird man z. B. den Hammerschmieden an den Dampfhämmern nicht ohne weiteres Unrecht geben können, wenn sie den breitkrämpigen Hut oder die Schildmütze, welche sie im Moment des Schlages vor- beugen, jeder Schutzmaske oder gar Brille vorziehen.

Zur Verhütung der zahlreichen Unfälle, welche bei dem Trans- port der schweren Rohmaterialien und Hüttenprodukte vorkommen, ist, soweit hierbei Handarbeit in Betracht kommt, wiederum Schulung und Geschicklichkeit der Arbeiter eine wesentlidie Vorbe- dingung. Handelt es Qich um Heben, Tragen oder Aufladen von Hand, so müssen die Kräfte der dazu verwendeten Arbeiter für die zu be- wältigende Last vollständig ausreichend sein. Werden Gegenstände mit scharfen Kanten, wie Bleche, Fa^neisen, zersetzte Schlacken au^e- laden, so ist die Handfläche und das Handgelenk durch Leder, welche zweckmäßig mit Eisenplättchen gelenkig besetzt werden, gegen Risse und Schnitte zu schützen. Die beim Auf- and Abladen etwa verwen- deten SchleifiBchienen oder -balken mtlssen genügend stark und fest angdegt sein. Beim Tragen der langen Ofengezähe oder sonstiger stab- förmiger Gegenstände durch einen Einzelnen muß das vordere Ende stets hoch gehalten werden. Wichtig ist femer, daß die Transport- karren und Wagen in betriebssicherem Zustande sind und nie zu schwer oder zu hoch Fladen werden. Etwa verloren gegangene Vorstecksplibte an den Rädern sind sofort durch neue Splinte, nicht etwa durch be- liebige Drahtstücke zu ersetzen. Die Wagen sollen in der Regel mit vorwärts gekehrtem Gesichte geschoben werden, wobei mehrere hinter- einander fahrende Leute einen so großen Abstand halten müssen, daß bei plötzlichem Stillstande des vorderen Wagens die hinteren recht- zeitig angehalten werden können. Hat der Wagen fdlende Bahnen zu passieren, so muß er mit Bremsvorrichtung versehen sein, damit er stets in der Gewalt des Arbeiters bleibt ; stehende Wagen müssen durch Unterlegen der Räder festgehalten werden. Beim Umkippen der Wagen

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unterstützen sich die Arbeiter gegenseitig, doch darf niemand auf der Seite ziehen, wohin gekippt wird. Automatische Kippvorrichtungen an Wagen müssen sich während des Transportes sicher feststellen lassen. Die häufigen Unfälle, welche beim Einheben herausgesprungener Wagen vorkommen, lassen sich am besten durch gute Schienenbahnen und durch Verwendung von Hebebäumen zum Einheben verhüten. Geleise, welche auf Böcken liegen, mtlssen sichere, breite Laufetege haben. Geleise, welche mit normal- oder schmalspurigen Lokomotiven befahren werden, dürfen nur an bestimmten Uebergangsstellen betreten werden ; Barrieren, deren unbefugte Oeffhung streng zu bestrafen ist, müssen diese lieber- gänge beim Herannahen des Zuges verschließen. Beim Rangieren darf nur an den Seiten der Wagen und, falls kein Wagen mehr dahinter steht, auch an der hinteren Seite, nie aber an den vorderen Puffen ge- schoben werden. Im übrigen gelten dieselben Vorschriften wie im Eisenbahndienst. Die Schutzvorkehrungen an Hebewerkzeugen und Auf z ügen sind in dem Eraf tischen Aufsatze dieses Bandes S. 149 ff. besonders behandelt worden ; auf die Schutzvorkehrungen an Fahrstühlen und Aufzügen &idet auch das in der M e i ß n e r 'sehen Abhandlung in diesem Bande (S. 250 ff.) über Schachtförderungen Gesagte sinngemäße Anwen- dung. Es soll deswegen hier nur hervorgehoben werden, daß die Hebe- vorrichtungen in allen Teilen der Maximalleistung entsprechend kon- struiert sein müssen, daß eine regelmäßige Revision der Ketten, Seile, Taue, Gurte u. s. w. erforderlich ist, und daß zur Vermeidung von Ueberlastungen die Anbringung eines deutlichen Vermerkes über die Trag&higkeit an den Hebevorrichtungen nicht fehlen darf. Fr. Krupp in Essen hat die nachahmenswerte Einrichtung getroffen, daß die zum Ziehen der Güsse im Stahlwerk benutzten Ketten jeden Morgen gegen revidierte Ketten umgewechselt, auf ihre Tragfähigkeit genau geprüft, allmonatlich einmal ausgelöst und nur in absolut betriebssicherem Zu- stande wieder zur Auswechselung verwendet werden. Gegen das Durchgehen der Hebevorrichtungen (Krahne, Winden, Flaschenzüge), wobei sowohl das Herabstürzen der Last, wie auch das Herumschlagen der Windekurbel Unfälle herbeiführen , ist das beste Schutzmittel bei Handbetrieb die reichliche Bemessung der zum Heben oder Herablassen verwendeten Menschenkräfte; in zweiter Linie stehen Sperrräder und Sperrklinken, sowie Bremsvorrichtungen®.

Zur Verhütung der Unfälle, welche durch Fall auf ebener Erde oder in Vertiefungen, aus Luken, von Treppen, Leitern und anderen erhöhten Standorten vorkommen, ist es zunächst erforderlich, bestimmte Verkehrswege auf dem Werke vorzuschreiben, welche überall nament- lich auch, soweit Treppen in Frage kommen mindestens für zwei aneinander vorbeigehende Personen genügend Raum bieten müssen. Diese Wege und etwa zu passierende Plätze dürfen keine Unebenheiten zeigen, durch Anhäufung von Material oder durch Handwagen und dergleichen nicht versperrt werden und müssen stets genügend be- leuchtet sein. Feuchtigkeit, sowie Fett und Oel aus den Lagern, welche den Fußboden glatt und schlüpfrig machen, müssen fortlaufend entfernt werden. Eiserne Belagplatten für Fußböden und Treppen, auf welchen die Arbeiter namentlich im Winter leicht ausgleiten, werden zweck- mäßig perforiert hergestellt oder mit Rillen versehen, welche mit Blei ausgegossen werden und durch dieses nachgiebige, leicht ersetzbare Material dem Fuße einen besseren Halt geben. Zu Arbeiten auf er- höhten Standorten soll man zunächst nur schwindelfreie, nicht an Fäll- st

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sucht und Krämpfen leidende Leute beschäftigen. Leitern müssen stark gebaut und abgenutzte Sprossen rechtzeitig ersetzt werden ; zur Sicherung gegen das Abrutschen dienen Haken am oberen, sowie Spitzen für weiche, Tatzen fttr härtere und Gummiverkleidung für feuchte, mit Fliesen gepflasterte Fußböden am unteren Ende der Leitern. Nicht zwischen Wänden liegende Treppen müssen mit festen Seitengeländem versehen sein und keine ausgetretenen Stufen zeigen. Alle Luken, Debergänge, Plattformen, Bühnen müssen ebenso wie die Oeffhungen der Aufzüge mit Schutzgeländem von genügender (mindestens 1 m) Höhe umwährt werden.

Eines besonderen Schutzes bedarf der Hüttenmann gegen die Ge- fahr der Verbrennung. Dieselbe ist am Yollkommensten durch die Einführung der Metallgewinnung auf nassem und elektrolytischem Wege zu verhüten, doch stehen derartige Prozesse bis jetzt nur für wenige Metalle und einen verschwindenden Teil der gesamten Metallpro- duktion in Anwendung (Näheres s. unten). Schon erwähnt sind die Schutzmittel, welche wie Schutzbrillen, Masken, breitkrämpige Hüte und Schirmmützen sowohl Verbrennnungen wie mechanische Ver- letzungen durch glühende oder geschmolzene Metall- und Schlacken- teilchen verhüten sollen. Weitere persönliche Ausrüstungsstücke zum Schutz g%en sprühende Funken und umherspritzende, geschmolzene Metall- und Schlackentropfen sind Schurzfelle aus Leder oder Asbest, Hand- und Armsäcke aus anzufeuchtender Leinewand oder aus Asbest, ganze Anzüge aus Asbest, Schienbein- und Fußschienen aus Leder und Eisenblech für Walzwerksarbeiter**. Feuergefährliche Arbeitskleider, namentlich solche, an welchen sich Schmiere angesammelt hat, sollten von Feuerarbeitem auf Hüttenwerken überhaupt nicht getragen werden ; als Fußbekleidung eignen sich am besten Stiefel mit überfallenden Hosen ; LederpantofTel mit Holzsohlen, welche bei Verbrennungen allerdings leicht abgeworfen werden können, geben dem Fuße schlechten Htdt und hindern an schneller Bewegung; unbedingt zu verbieten sind Zeugpantoffel und das Tragen der Hosen in den Stiefeln oder Strümpfen. Das Barfußgehen, wie es auf oberschlesischen Hütten zuweilen noch Gebrauch ist, sollte auch den mit Nebenarbeiten beschäftigten Arbeitern und Arbeiterinnen verboten werden.

Die Wege, welche zum Transport geschmolzener Massen durch Menschenhand dienen, müssen frei und thunlichst eben sein, weil jedes Straucheln in diesem Falle doppelte Gefahr bietet Die Pfannen, Tiegel oder Wagen dürfen mit geschmolzenen Produkten nur soweit gefiillt sein, daß beim Transport kein Verschütten eintreten kann. An den in Eisengießereien verwendeten, an Deckenbahnen hängenden Kipppfannen müssen sich sichere, selbstthätig sperrende Klinkvorrichtungen befinden, welche nur auf das Kommando des leitenden Gießers ausgehoben werden dürfen. Beim Beobachten der Steigetrichter während des Gießens kann man die Augen in Ermangelung eines besseren Schutzmittels gegen spritzendes Eisen durch Vorhalten der ein wenig gespreizten Finger schützen. In Bessemer- und Thomaswerken darf sich während des Füllens, Blasens und Entleerens der Konverter niemand auf dem unteren Flur aufhalten, auch muß sich jedermann auf das Signal zum umlegen des Konverters aus der Richtung des Funkenregens entfernen. Um ein Selbstkippen des Konverters bei Wasserdruckmangel oder dem Bruch von Teilen des Bewegungsmechanismus zu verhindern, empfiehlt sich die Anbringung selbstthätiger Sperrvorrichtungen, oder, was meistens

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geschiebt, eine derartige Aufbängung, daß zur selbsttbätigen Auf- ricbtang der Schwerpunkt des Konverters stets nahe am B(^en des- selben liegt.

Noch nicht erkaltete, auf der Hüttensohle oder in Rinnen, Gräben, Gruben und Vertiefungen befindliche Hüttenprodukte (namentlich Schlacke), sowie brennende Halden dürfen von Arbeitern nicht betreten oder über- schritten werden. Zu verbieten ist femer die Unsitte, beim Transporte der packetierten Eisenstäbe von den Oefen nach der Walzenstraße zum Entfernen der Bänder und zum Abstoßen der Herdschlacke vor dem Wagen herzulaufen; diese Arbeiten sind vielmehr möglichst im Ofen vorzunehmen. In den Schachtofenbetrieben (namentlich bei den Eisen- hochöfen) kommen schwere Fälle von Verbrennung zuweilen dadurch vor, daß die Beschickung im Ofenschacht hängen bleibt und dann plötz- lich in das Gestell herabstürzt, wobei aus den unteren Oeflfhungen (Stich, Schlacken- und Formaugen) und aus zertrümmerten Stellen der Ofenwand feuerflüssige und glühende Massen umhergespritzt werden, während zugleich die aus der Gicht herausgeschleuderten giftigen, oft auch explosiblen Gase die Aufgeber gefährden. Deswegen muß das Niedergehen der Gichten fortgesetzt beobachtet werden. Bei Oefen mit geschlossener Gicht geschieht das durch Meßstangen, welche durch die abschließenden Trichter hindurchgesteckt sind. Es kommt aber oft vor, daß die Beschickung im unteren Teil des Ofens schon eine Zeitlang gehangen hat, bevor die Oberfläche derselben zum Stillstande kommt; man soll deswegen neuerdings in Kladno (Böhmen) am Hochofen einen manometerartigen Apparat angebracht haben, welcher das Hängen der Beschickung im unteren Teil des Ofens dem Schmelzer und durch eine weitere Leitung auch dem Betriebsleiter im Bureau an einer Skala an- zeigt; Näheres war über diesen Apparat nicht in Erfahrung zu bringen. Hängt nun die Beschickung, so muß zunächst die Gicht von Arbeitern geräumt werden ; sodann muß man versuchen, das regelmäßige Nieder- gehen wieder einzuleiten, und zwar bei niedrigen Oefen durch vor- sichtiges Abstoßen der Beschickung von der Gicht oder von seitlichen, im Ofenschacht vorgesehenen, verschließbaren Oeffnungen (z. B. bei den Mansfelder Eupferschachtöfen) aus, bei Oefen von großer Höhe, also z. B. bei Eisenhochöfen durch Abstellung des Gebläsewindes oder darch Kaltblasen bezw. durch die dabei eintretende Verlegung der Schmelzzone. Erscheint dennoch ein Stürzen unvermeidlich, so ist, wenn die Zeit noch reicht, der Wind abzustellen, abzustechen und das Kühlwasser abzuschließen.

Nicht genug Aufmerksamkeit kann man darauf verwenden, die Be- rührung feuerflüssiger Massen mit Wasser und die dabei stattfindenden Explosionen zu verhüten. Dazu muß die Hüttensohle überall an den Schmelzapparaten und auf den Transportwagen für geschmolzene Metalle oder Schlacken frei von nassen Stellen oder gar Wasserpfützen sein. Stichlöcher, Abflußrinnen, Formen, der Sand zum Abdämmen, Gieß- pfannen und Gießkellen, die zum Abstechen, Abschäumen und sonstigen Arbeiten in geschmolzenen Hüttenprodukten erforderlichen Gezähe müssen in trockenem Zustande in Gebrauch genommen werden. Schlacken dürfen im allgemeinen erst dann abgefahren und auf trockene Stellen abgestürzt werden, wenn sie völlig erstarrt sind. Besondere Vorsicht ist kn Winter beim Abstürzen von Schlacke auf schneebedeckten Plätzen erforderlich, weil immer wieder Explosionen durch Bersten und Auslaufen der im Innern noch flüssigen Schlacke vorkommen. W'erden Schlacken in

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flttssigem Zustande durch Lokomotiven befördert (z. B. Konverter- schlacken), um abseits aus den Transportgefäßen abgestochen zu werden, so schützt man den Lokomotivführer durch Einschieben eines Schutzwagens oder einer langen Kuppelstange, durch eine Blechwand an der Hinter* Seite der Lokomotive oder dadurch, daß man die Lokomotive mit der verdeckten Vorderseite drücken läßt.

In den Walzwerken sind für die Scbweißofenschlacken Transport- gef&ße vorzusehen; läßt man, wie es oft geschieht, die Schlacke auf den Boden fließen, so kommen Unfälle durch Hineintreten oder durch Explosionen bei hinzutretendem Wasser vor. Das Kühlen der Puddel- ofenherde, welche bei der Verarbeitung der meisten Roheisensorten ai> der Oberfläche schmelzen, erfolgt sehr häufig durch eimerweises Ein- tragen des Wassers aus dem Kühltroge in den Ofen. Dabei entstehen gefährliche Explosionen durch die plötzliche Zersetzung der großen Wassermenge und heftiges Spritzen der noch flüssigen Schlacke beim Untersinken der porösen, nassen Schlackenstückchen, welche mit dem Wasser in den Ofen gelangen. Deshalb ist streng darauf zu halten« daß zur Herdkühlung nur reines Wasser verwendet wird, welches von der gesäuberten Schafiplatte aus langsam in den Ofen eingeführt wird. Dieselbe Vorsicht ist auch beim Einwerfen der Garschlacke in das flüssige Eisenbad des Puddelofens nötig ; in trockenem Zustand schwimmt diese Schlacke auf der Oberfläche des flüssigen Eisens , poröse nasse Stücke sinken dagegen sofort unter und führen zu Explosionen im Bade.

Dem Hütteniospektor Babel ist ein Verfahren patentiert (D. R. P. 50924), wonach zum Herdkühlen das ausfließende, also schon vorge- wärmte Kühlwasser des Ofens verwendet wird, indem dasselbe durch einen Dreiweghahn entweder in den AbfiuDtrichter oder in langsamem Strahl ohne Explosionsgefahr auf die Herdsohle geleitet wird. Während des Herdkühlens müssen die Stochöffiinng und der Rauchschieber voll- ständig geöfi&iet sein, und die Arbeiten am Koste, namentlich das Schüren, eingestellt werden.

Zur Vermeidung von Gichtgasexplosionen muß bei Oefen mit geschlossener Gicht bei allen Stilktänden die Verbindung der Gicht- öffiiung mit der Atmosphäre hergestellt werden; die Gicht darf dann nicht eher wieder geschlossen werden, als bis alte Gichtgase frei au& der Gicht ausgetreten sind oder wieder Wind gegeben wird. Bei Ab- stellung des Gebläsewindes müssen die Drosselklappen der Düsei^ fest geschlossen werden, wenn man es nicht vorzieht, die aus dem Ofen und der Form leicht herauszuziehenden Düsenstöcke von Heintzmann und Dreyer (D. R. P. 35369) oder von Lürmann (D. R. P. 38408) zu verwenden. Neben den Drosselklappen oder den neuerdings an Stelle derselben vielfach verwendeten Absperrschiebern empfiehlt sich die An- bringung eines selbstthätigen Rückschlagventiles, um den Ofengasen den W^ in die Windleitung zu verlegen, in welche dieselben durch die beim Stillstände des Gebläses eintretende Abkühlung und Volumenverminderung^ zurückgesogen werden. Solche Rückschlagventile empfehlen sich nament- lich auch fiär Thomaskonverter, aus deren mit Teer versetztem Futter beim Anwärmen explosible Gase in die Windleitung zurücktreten können.

Die Soci^ti des forges de la Providence in Marchienne bringt zu diesem Zwecke in der Windleitung die Klappe a an (Fig. 42), welche

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beim Abstellen des Gebläsewindes selbsttbätig herabftUt und die Wind- leitiing abschließt; dabei werden die ans dem Ofen noch in die Leitung zurücktretenden Gase durch die Oeffiiung b ins Freie geführt; b ist beim laufenden Betriebe durch das mit der Klappe a gelenkig verbundene Ventil c geschlossen ^<^.

Die Leitungen für Gicht- und Generatorgase müssen zur Vermeidung von Explosionen zunächst absolut dicht gehalten wer- den. Beide Gasarten dürfen femer in die Verbrennungsapparate nur eingelassen werden, wenn an den Eintrittsstellen lebhaftes Feuer brennt oder Entzündungstemperatur herrscht. Um zu verhüten, daß atmo- sphärische Luft in die Generatoren tritt und hier mit den Gasen ein explosibles Gemisch bildet, muß durch regelmäßiges Beschicken das Leerbrennen der Füllschächte vermieden werden. Verbrennungen, welche durch das Heraustreten von Flammen aus der Beschickungs- öffhung zu heiß gehender Generatoren vorkommen, werden durch Schutz- wände mit anschUeßender Blechesse und seitlicher Aufgebeöffhung ver- hindert^*. Gichtgasexplosionen endlich werden durch die als Sicher- heitsventile wirkenden Beinigungsklappen und Wasserverschlüsse, sowie durch besondere Explosionsklappen in den Leitungen bis zur Ungefilhr- lichkeit abgeschwächt. Die Explosionsklappen dürfen nur so weit be- lastet werden, daß sie im Augenblick der Explosion den Gasen sofort den Weg ins Freie offnen.

Die weit verbreitete Lürmann'sche Ezplosionsklappe' zeigt folgende Konstruktion (Fig. 43). Um die Oeffiiung d e des Gusleitungs- rohres O ist der gußeiserne Bing c genietet, in dessen Falz der um- bördelte Rand des Deckels a eingreift und durch feinen Sand gedichtet wird. Der Bügel g dient zur Führung des in der Mitte von a ange- brachten Bolzens / und zugleich zur Hubbegrenzung, sodaß sich der Deckel nach der Explosion von selbst wieder schließt * ^.

Fig. 48. RfickschUgventil für G«blftsewindleitang6n.

Fig. 43. L&rmann'sche EzplosioDskUppe.

Ueber die Schutzvorkehrungen im Dampfkesselbe- triebe vergl. die Kraft' sehe Abhandlung in diesem Bande S. 115 ff. Im übrigen ist auch auf den Hüttenwerken die Grenze zwischen Be- triebsunfällen und gewerblichen Krankheiten nicht immer so scharf, als daß nicht auch manche der nunmehr zu schildernden, eigentlich hygi- enischen Vorkehrungen in gewissen Fällen unmittelbar unfallverhütend zu wirken vermöchte.

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2. Sehutz gegen die Schwere der Arbeit.

Man kann die Hüttenarbeiten, welche besondere Anstrengung and Gesundheitsschädlichkeiten hervorrufen, im wesentlichen in zwei Gruppen zusammenfassen, je nachdem es sich um die B e w e g u n g der s c h w e r e n Rohmaterialien und Httttenerzeugnisse oder um die Hand- habung der massigen Gezähe und Handwerkszeuge an den Betriebsapparaten sowohl wie bei den Nebenarbeiten handelt. In den meisten Fällen wird es bei den Bestrebungen, den Arbeitern Erleichterungen zu verschalBfen, auf den Ersatz der menschlichen Kraft durch maschinelle und mechanische Vorrichtungen ankommen. Man muß diesen Bestrebungen vom Standpunkte der Gesundheitspflege un- bedingt das Wort reden, trotzdem die UnÜEdlstatistik zeigt, daß gerade durch die maschinellen und mechanischen Einrichtungen (Motoren, Transmissionen, Arbeitsmaschinen, Fahrstühle, Aufzüge, Krahne, Winden, Dampfkessel, Dampfleitungen) der größte Prozentsatz der Unfälle herbeigeführt wird (siehe S. 435 fl.). Denn zur Erzeugung der ungeheuren Metallmengen, welche die Welt nun einmal heute verbraucht, würde ohne maschinelle Einrichtungen die Zahl der Hütten- arbeiter so sehr viel größer sein müssen, daß dieselbe Produktion ganz abgesehen von den sonstigen Gesundheitsschädlichkeiten eine weit größere Zahl von Unfällen bei der Verwendung von ge- wöhnlichem Handwerkszeug und Geräten mit sich bringen würde, als es jetzt der Fall ist. Eine Maschine, welche 100 Arbeiter ersetzt, kann verhältnismäßig leicht mit vollkommenen Schutzvorrichtungen versehen werden ; auch für den Posten des Maschinenwärters wird ein geschickter, vorsichtiger Mann leicht zu finden sein; schwer aber ist es, 1(X) mit einfacher Handarbeit beschäftigte Leute vor Unfällen und Ge^undheits- schädlichkeiten zu schützen. Am vollkommensten wird dieser Schutz jedenfalls dadurch erreicht, daß Menschenkräfte in einem Betriebe von der Gefährlichkeit der Metallgewinnung möglichst durch Maschinenkraft ersetzt und in den Dienst gesunderer, z. B. der landwirtschaftlichen Be- triebe gestellt werden. Die Möglichkeit hierzu ist in fast unbegrenztem Maße g^eben, da in einem Pfunde der zur Dampf- bezw. Eraft- erzeugung dienenden Steinkohlen eine der täglichen Arbeitsleistung eines Mannes gleichkommende dynamische Kraft enthalten ist Allerdings wird diese Exaft in den jetzigen Maschinen und Kesseln nur mit etwa 10 Pro- zent und auch mittels der vollkommeneren Gasmotoren mit nicht mehr als 20 Prozent ausgenützt, aber schon ist die Elektrochemie auf dem Wege, die in der Kohle enthaltene dynamische Energie ohne besondere Verluste unmittelbar in mechanische Arbeit umzuwandeln '^. Borchers hat bereits ein galvanisches Element zur Nutzbarmachung der chemi- schen Energie der K!ohle als Elektricität konstruiert, welches trotz seiner primitiven Gestalt die Leistungen der besten Dampfmaschine weit hinter sich läßt. Durch seine neuesten Versuche ist derselbe Forscher aller- dings zu der Ueberzeugung gelangt, daß es zweckmäßiger ist, die festen Brennmaterialien zunächst im Generator zu vergasen, und dann mit Hilfe der Elektrolyse die gasförmigen Brennstoffe zu oxydieren, wobei die chemische Energie nicht wie bei der Verbrennung als Wärme, sondern als Elektrizität frei wird»»,

Uebrigens liegt die Sache zur Zeit so, daß die meisten Hütten- werke nur durch die ausgedehnte Verwendung maschineller Hilfsmittel

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existenzfähig zu bleiben vermögen, sodaß hier zam Vorteil für die 6e* Sandheitspflege wirtschaftliche Interessen entscheidend mitsprechen.

Beständige, zam Teil darch das Anwachsen der Prodaktion her- vorgerofene and bedingte Fortschritte in der Erleichterang der mensch- lichen Arbeit sind zunächst aaf dem Gebiete des Transportwesens aaf den Hüttenwerken* gemacht worden. Während früher Mensch and Pferd die mühseligen, oft weiten Transporte der Rohmaterialien zar Hütte bewerkstelligten, bringt heate die Lokomotive oder die Draht- seilbahn die Erze, Kohlen, Koks and sonstigen Materialien bis an den Abladeplatz heran ; dieser ist aaf den größeren Hüttenwerken allmählich za einem Bahnhof herangewachsen, aaf welchem das beschwerliche and gefahrvolle Rangieren von Menschenhand darch die Arbeit der Loko- motive and der Schiebebühnen zam größten Teil ersetzt ist Aach da& mechanische Entladen darch selbstthätiges Kippen der Eisenbahnwaggons verbreitet sich weiter and weiter. Eioe sehr vollkommene Einrichtang dieser Art hat die Gatehoffnangshütte für die Mansfelder Kapferschiefer baaende Gewerkschaft aaf dem Bahnhof Mansfeld gebaat, wo täglich bis za 80 Doppelwaggons Koks, Stein- and Braankohlen mittelst selbstthätiger Kippbühnen in die Waggons der Hüttenanschlaßbahnen amgeladen werden.

Aaf sdimalsparigen Geleisen schaffen vielfach kleine Hüttenloko- motiven die Rohmaterialien zam Möllerplatze, bezw. za den Betriebs- apparaten. Aach die erzeugten Produkte werden, wenn es sich am C^ßere Massen handelt, dardi Lokomotiven zum Yerladeplatz, za den weiteren Verarbeitangsstellen oder zar Halde geschafft; namentlich für die großen Schlackenmengen der Hochöfen and Konverter aaf Eisenhütten steht die Lokomotivabfahr allgemein in An- wendung.

Auf der Gutehoffiiangshütte zu Ober- hausen werden hierzu Schlackentrans- portwagen benutzt, deren auf den Längs- trägem a (Fig. 44) ruhende, gegen das Abrutschen durch die Winkel e geschützte Belegplatte e zwei Schlackenhauben h aus läsenblech aufiummt; die Schlacke fließt vom Hochofen unmittelbar in die Hauben /^ nachdem innerhalb derselben der Boden der Belegplatte c mit einer 100 mm hohen Aschenschicht versehen worden ist. Mehrere solcher mit je 7000 kg abgekühlter Schlacke beladene Wagen werden von einer Lokomotive auf normalspuriger Bahn zur Schlacken- halde transportiert; dort befindet sich neben dem Schlaokengeleise auf einem Geleise ein Krahn, dessen beide kurzen Ketten d und d^ in Oesen der Haube eingehakt werden, während die lange Kette d^ an einem Haken der Belegplatte e befestigt wird. Beim Anziehen des Krahnes heben dann zuerst die kurzen Ketten d tmd d^ die Haube h^ worauf d^ die Platte so neigt, daß der Sohlackenklotz k von

Fig. 44. ScblAckentraofportwftgeii»

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selbst abrutscht. Die ganze ungefährliche Arbeit von Menschenhänden besteht demnach in dem Einhaken der drei Ketten ^^.

Ohne besondere Mühen für die Ofenarbeiter wird die Schlacke, welche beim Spuren des gerösteten Kupfersteines in den Mansfelder Flammöfen nach dem Oeffiien des Stiches von selbst in terassenförmig aufgestellte gußeiserne Töpfe abfließt, nach dem Erkalten durch Hebezeuge ausge- hoben und auf söhliger Schienenbahn fortgeschafft.

Auf einigen Bleihütten ist die Arbeit des S chlacken abfahr ens im Schachtofenbetriebe dadurch wesentlich erleichtert worden, daß man an Stelle der kleinen kegelförmigen Schlackentiegel, welche alle 3 bis 4 Minuten gewechselt, bezw. dicht unter die Schlackenrinne geschoben werden müssen, große, aus Hartguß hergestellte, nur einmal in der Stunde zu wechselnde Wagen eingeführt hat^*.

Eine wesentliche Erleichterung der Transportarbeiten bringt die namentlich auf den neueren Hüttenwerken der Vereinigten Staaten Nordamerikas ausgebildete terrassenförmige Anordnung der «inander zuarbeitenden Betriebsvorrichtungen mit sich. Erfordern die einmal vorhandenen Niveauverhältnisse aber doch eine Massenbewegung auf andere Höhenlagen, also z. B. auf die Gicht dar Hochöfen oder in die Fülltrichter der Flammöfen, so dienen dazu jetzt fast überall Dampf- oder Wasserdruckaufzüge an Stelle der früheren zum Handtransport bestimmten schrägen Rampen oder der Handwinden und Krahne.

Im allgemeinen haben die an den Oefen beschäftigten Leute die beschwerlichsten Arbeiten zu verrichten; schon aus diesem Grunde erscheint eine weitgehende Einführung der die metallurgischen Oefen ganz oder zum größten Teil erübrigenden nassen und elektro- fytischen Metallgewinnungsprozesse erwünscht (vergl. hierüber unten S. 475 fi.). Dieselbe günstige Wirkung läßt sich durch Verwendung von Be- triebsapparaten erzielen, bei welchen die Arbeit der von Menschenband bewegten schweren Gezähe durch maschinelle Kräfte ersetzt wird. Hier- her gehören schon die an Stelle der schweren Handhämmer getretenen Apparate zum Zerkleinem der Rohmaterialien und Zwischenprodukte, also die Steinbrecher, Pochwerke, Walzen, EoUergänge, Kugel-, Mahl-, Schleuder- und Mörsermühlen. Wichtiger sind die Apparate, in wel- chen die Bewegung der röstenden oder schmelzenden Massen durdi maschinelle Krl^te anstatt durch Gezähe von Hand erfolgt. Von den Rost- und Schmelzöfen dieser Art mögen folgende Konstruktionen er- wähnt werden:

1) Auf feststehendem Herde werden Krählvorrich- tungen maschinell bewegt.

Bei den von O'Harra konstruierten und von Brown-Allen ver- besserten Oefen werden auf den beiden Etagen eines Flammofens Ketten zum Schutze gegen die Berührung mit den heißen Schwefelmetallen in zwei Elanälen auf kleinen Wagen in der Längsrichtung hin- und herge- zogen; an den Wagen sind mittels durchgehender Eisenstangen pflug- artige Röstkrähle befestigt, welche die Massen durchrühren, langsam über beide Herde fQhren und am Ende des unteren Herdes austragen. Die Oefen sollen sich nach Schnabel für die Röstung von Kupfererzen, von denen in 24 Stunden bis zu 30 t durchgesetzt werden, in Amerika gut bewährt haben. (Schnabel, Metallhüttenkunde, S. 74.) P r e i ß hat sich

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«ine Rühr- und Fortsohaoflnngsvorrichtang patentieren lassen (D. R. P. No. 64257), welche in einer über dem Herde des Röstofens liegenden, <iarch seitliohe Schlitze nach außen reichenden wagerechten Rührwelle besteht, die mittels auf Zahnstangen geführter Zahnräder, Kettenräder und endlosen Ketten hin- und hergerollt wird. Steinbrecht be- schreibt einen 7 - etagigen Ofen , welcher für Blenderöstung in einer Sohwefelsäurefabrik bei Chikago in Betrieb steht Durch die ganze Länge -der Muffeln dieses Ofens wird ein pflugähnlicher Rührer an einer Stange mit Friktionsrädem gefuhrt. Die Muffeln sind mit Klappen versehen, welche vom Rührer geöffnet werden und sich hinter dem Rührer selbst- thätig wieder schließen. Die Rührvorrichtung wird durch mechanisches Heben und Senken des Gerüstes, auf welchem sie angebracht ist, von Muffel zu Muffel geführt. (Berg- und Hüttenmännische Ztschr. von Kerl und Wimmer, Jahrg. 1891, S. 91.) Ein Plattenofen zum Rösten von Kupfererzen, welcher von Spence konstruiert ist, hat eine der Plattenzahl entsprechende Anzahl von Röstkrählen, welche gemeinsam an einer vertikalen Stange vor dem Ofen befestigt sind; mit dieser Stange werden die Krähle auf den Platten hin- und herbewegt, wobei das eben- falls mechanisch eingetragene Erz von Platte zu Platte bis in den unter dem Ofen stehenden Wagen befördert wird. (Schnabel, Allgem. Hüttenkunde, S. 354.)

Der Parkes- Ofen ist kreisrund mit zwei untereinander liegenden Herden. Durch den Ofen geht eine rotierende, stehende Welle mit Röst- krählen, welche das Röstgut zunächst von dem oberen Herde auf den unteren und von diesem in den untergeschobenen Wagen austragen. In .Mansfeld wml der in Brückner-Sachsenbei^g'^chen Kugel- mühlen gemahlene Kupferspurstein in Oefen mit vier annährend kreis- runden übereinander liegenden Herden vorgeröstet. Durch die Mitte dieses Ofens fährt eine eiserne Welle, welche durch ein Zahnradgetriebe am oberen Ende in Umdrehung versetzt wird. An der Welle befinden 43ich auf jedem Herde zwei eiserne Arme, welche das Röstgut zur Be- förderung der Röstung beständig durchkrählen. Von der Weltausstellung in Chikago beschreibt Lunge einen mechanischen Röstofen von H. F r a s c h, dessen wesentlicher Teil die mit Rubrem besetzte wassergekühlte Welle ist. Der kreisrunde Pearc e- Röstofen hat einen ringförmigen Herd und «ine hohle vertikale Welle mit horizontalen Rührern, aus denen ge- preßte Luft zur schnelleren Röstung in das Röstgut tritt (D. R. P. No. 70807).

Die anstrengende Arbeit des Puddelns hat man durch maschinell be- wegte Kratzen zu ersetzen versucht, welche gleichzeitig von zwei Seiten •eingefährt und von einer Transmission aus hin- und hergehende und zu- gleich drehende Bewegung erhalten (W e d d i n gs Eisenhüttenkunde, 3. Aufl., 8. 240). Einen mechanischen Rührer für Puddel- und Schmelzöfen hat neuer- dings A.von Kerpelyjun. in Wittkowitz konstruiert (D. R. P. 49 300); bei demselben ist die Rührkrücke unmittelbar mit der Kolbenstange eines Dampfoylinders verbunden, welcher wagerecht auf einem fahrbaren Gestell ruht und um einen vertikalen Zapfen gedreht werden kann.

2) Heber beweglichen Herden befinden sich feste oder bewegliche Krählvorrichtungen.

Der Brun ton -Ofen zum Rösten der den Zinnerzen beigemengten Schwefel- und Arsenmetalle hat einen dachförmigen kreisrunden Herd

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mit centraler stehender Welle, welche durch ein Zahnradgetriebe gedreht wird. Ueber dem Herde befindet sich eine rechenartige feststehende £rählvorrichtimg, durch welche das Röstgut durchgearbeitet und allmäh- lich der Austrageöffiiung zugeführt wird (Ballin g, MetaUhüttenkunde, S. 517). Eine neuere Konstruktion derselben Art ist von Blake ange- geben; der kreisrunde Herd dieses Ofens ist terrassenförmig abgedacht, sodaß sich eine Anzahl konzentrischer ringförmiger untereinander liegender Herdsohlen bildet, welche gegenseitig fest verbunden sind. Der Herd bewegt sich auf Kugeln, welche unter dem untersten Ringe in einer kreisrunden hohlen Bahn laufen. Ueber jeder Terrasse, bezw. Herdsohle befinden sich zwei am Ofengewölbe befestigte Ejrählpflüge, welche das Röstgut beim Drehen des Ofens umwenden und allmählich von einer Herd- sohle zur anderen befördern, bis es von der untersten Terrasse in einen Wagen oder Patemosterwerk ausgetragen wird. Die Füllung des Ofens gesdbieht selbstthätig durch einen Trichter im Ofengewölbe (Transact. of the Amer. Inst, of Min. Engin. Montreal Meeting, Febr. 1898). Der kreis- förmige Herd des Gibb-Oelstharp 'sehen Tellerofens zum Rösten von Kupfererzen besteht aus Kesselblech mit Chamotteziegelfutter; er ruht auf einer Scheibe, welche an der Peripherie von Gleitrollen geführt und von einer endlosen Kette um einen centralen Zapfen gedreht wird. Ein pflugscharartiges Krähleisen wird auf dem rotierenden Herde radial hin- und hergeführt, während zum Austragen des fertigen Röstgutes auf der entgegengesetzten Seite des Herdes schiefgestellte Platten durch das Ge- wölbe eingelassen werden.

3) Die Oefen sind beweglich ohne Krählvorrichtung« Es sind dies meistens cylinderförmige Oefen, welche um eine horizon- tale oder geneigte Achse rotieren.

Der Brückner- Ofen besteht aus einem hohlen Gylinder, vor welchem ein fester Planrost liegt, während der kreisrunde Fuchs mit rotiert; am äuBeren Umfange des Cylinders sind Leitkränze, sowie ein Zahnkranz angebracht, in welchen zur Drehung des Cylinders ein Ghetriebe- rad eingreift. Eine Oe&ung im Mantel wird zum Ein- und Austragen des Röstgutes nach oben oder nach unten gekehrt Eine in der Längs- richtung schräg gestellte Scheidewand im Ofeninnem bezweckt das Hin« tmd Hergehen des Röstgutes während der Rotation (Schnabel, Metall» hüttenkunde, S. 78). Ein in Australien zur Röstung goldhaltiger Schwefel- kiese verwendeter Ofen von Hocking-Ozland hat einen geneigt liegen- den Cylinder, welcher durch ein am Umfange angebrachtes Schneckenrad mit zugehöriger Schnecke in Umdrehung versetzt wird (Berg- u. Hüttenm. Ztschr. von Kerl und Wimmer, 1876, S. 884). Der White -Röstofen, welcher ähnlich konstruiert ist, hat im Innern Längsrippen von feuer- festen Steinen, durch welche das Röstgut soweit aufgenommen wird, bis sein natürlicher Böschungswinkel erreicht ist (S c h n a b e 1 , a. a. 0., 8. 80). Richter und Lorenz haben einen rotierenden Deetillations-Ofui kon- struiert (D. R P. No. 35819), bei welchem die Feuergase zwischen dem cylinderförmigen Mantel und der innen liegenden Retorte hindurchstreichen; das eine Kopfende kommuniziert mit einer feststehenden birnenförmigen Vorlage zum Auffangen des 2iinks. Rudolf Köhler in Lipine hat eia Patent auf einen horizontalen rotierenden Cylinder-Muffelofen erhalten (D. R. P. 57 522), welcher in erster Linie zum Rösten von Zinkblende, dann aber auch zum Trocknen, Kalcinieren oder Rösten pulverfbnniger

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-Materialien überhaupt benutzt werden soll. Eine wesentliche Eigentüm- lichkeit dieses Ofens besteht in der Erhitzung der BösÜuft durch die Heizgase; zu diesem Zwecke sind in dem Chamottemauerwerk des äufieren Ofenmantels nach innen Heizkanäle, nach außen Luftkanäle ausgespart, durch welche die Heizgase und die Eöstluft nach dem Oegenstromprinzip gefbhrt werden. Bewegliche Herde sind femer zur Erzeugung von seh- nigem Eisen an Stelle des Handpuddelns versuchsweise verwendet worden. Der cylinderförmige, mit Eisenozydfutter versehene Danks- Ofen wird durch ein Zahnrad mit Getriebe um die horizontale Achse vor einer fest- stehenden Eeuemng gedreht. Das aus einem Kupolofen in flüssiger Eorm in den Ofen eingetragene Roheisen entnimmt bei der Drehung den zur Entkohlung erforderlichen Sauerstoff aus dem Ofenfutter, bezw. aus vor- her eingebrachtem Hammerschlag, Eisenoxyd in Erzform oder Garschlacken- pulver. Schon nach 30 iO Minuten ist der Satz fertig und eine groBe walzenförmige Luppe geformt, welche nach Entfernung des an einer Kette hängenden Fuchses herausgehoben wird. Neuerdings sollen in den Werken von Le Greuzot mit diesem Ofen gute Erfolge erzielt sein (Mitteilungen von Snelus auf d. Frühlings-Meeting des Lron and Steel Institutes 1894). Howson und Thomas haben dem rotierenden Teil die Form eines Doppelkegels gegeben. Tellerförmig ist der Ofen von Per not; derselbe dreht sich um eine etwas geneigte Achse und ergiebt in 90 115 Minuten nach dem Einsetzen des flüssigen Boheisens eine kegelförmige Schweifi- eisenluppe. Der Drehpuddelofen von Pietzka hat zwischen feststehender Feuerbrücke und Fuchsöfinung zwei hintereinander liegende, abwechselnd zum Puddeln und zum Einschmelzen dienende Herde, welche zu diesem Zwecke um einen gemeinsamen hydraulischen Kolben gedreht werden können.

Bei dem letzteren Ofen liegt der Hauptvorteil in der Brennmaterial- und Zeitersparnis. Denselben Zweck und« was für uns weit wichtiger ist, einen vollkommenen Ersatz der schweren Menschenarbeit wollte Henry Bessemer erreichen, als er im Jahre 1855 die ersten Versuche machte, Luft durch ein flüssiges Boheisenbad zur Oxydation des Kohlen- stoffes zu pressen. Bald gab er seinem Ofen die heutige Gestalt, näm- lich die einer Birne, welche durch einen am oberen Ende befindlichen Hals gefüllt wird. Der Ofen hän^ in zwei Zapfen, von denen det eine mit einem Zahnradgetriebe zum Kippen der Birne verbunden ist, während der andere hohl hergestellt und mit Anschlußrohren für die in Gebläse- maschinen erzeugte Preßluft und für den Boden der Birne vers^en ist. Der letztere hat zahlreiche Durchbohrungen, durch welche der Wind in das Boheisenbad eintritt. Dabei oxydieren sich zunächst Silicium und Mangan unter starker Temperaturerhöhung des Bades, und darauf Kohlenstofi zu Kohlenoxyd, welches beim Austritt aus dem Bimenhals mit heller Flamme zu Kohlensäure verbrennt. Ist der gewünschte Entkohlungsgrad erreicht, zu welchem Zwecke nötigenfalls eine Bflckkohlung durch Zusatz von mangan- und kohlenstoSreichem Spiegeleisen am Schlüsse des Blasens vorgenommen wird, so wird die Gießpfanne mittels maschinellen Gieß- krahnes oder fiahrbaren Plateaus unter den Hals der nach vom gekippten Birne (Konverter) gebracht und mit dem Flußeisen oder flußstahl aus 4er Birne gefüllt Durch eine im Boden der Pfanne befindliche, gewöhn- lich mit einem Stopfen verschlossene Oeffhung läßt man dann das fltlssige Metall in die in Gießgruben aufgestellten gußeisernen Gieß- pfannen ausfließen. Nachdem im Jahre 1878 Thomas und Gi lehr ist

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noch das für die VerarbeituDg phosphorhaltiger Roheisensorten anum- gäDglich notwendige basische Birnenfutter aufgefunden hatten, begann diese Art der Gewinnung schmiedbaren Eisens das anstrengende Puddebi und den Puddelprozeß immer mehr zu verdrängen, sodaß heute schon mehr als die Hälfte alles schmiedbaren Eisens als Flußstahl und Fluß- eisen in der Bessemer- oder Thomasbime hergestellt wird. Die Menschenarbeit ist in den Birnen der Gebläsemaschine übertragen, und das Metall selbst muß den Brennstofif liefern; dabei wird die Menge Roheisen, welche ein Herdfrischfeuer in 8 Monaten, ein Puddel- ofen in 6 Wochen verarbeitet, in einem Paar Convertern in 1 Tag im schmiedbares Eisen verwandelt.

Auch im Kupferhüttenwesen hat man sich die Erfindung Bessemer 's zu nutze gemacht. Der im Schacht- oder Flammofen dar- gestellte Kupfersteia besteht aus geschwefeltem Kupfer und Eisen mit mehr oder weniger Blei, Zink, Nickel, Kobalt, Antimon, Arsen, Silber und Wismut; derselbe macht zur Erzeugung metallischen Kupfers gewöhn- lich eine Reihe von langwierigen, anstrengende Arbeit erfordernden Rost- und Schmelzprozessen durch. An SteUe dieser Prozesse ist auf einer Anzahl von Kupferhütten (Eguilles bei Lyon, Parrot Works und Anaconda Works in Montana, Nicholson Chemical Works bei Brookl3rn, Loke in Chile, Rööras und Brastberg in Norwegen, Hadford in Swansea, Jerez- Lanteira in Spanien, Soci6t6 metallurgique bei Livorno u. s. w.) der zuerst von Manh&s mit Erfolg angewendete Bessemerprozeß getreten. Die hierzu verwendeten Oefen sind entweder kleinen Bessemerbirnen ähnlich, jedoch mit seitlichem Luftzutritt, oder es sind drehbare, horizon- tale Cylinder; eine Vereinigung beider Ofenformen steht auf den Ana- conda Works in Anwendung (Schnabel, Metallhüttenkunde, S. 162). In Sudbury (Canada) ist auch zum Raffinieren eines aus kupfer- und nickelhaltigen Pyriterzen dargestellten Nickelsteines eine Beasemer- anlage errichtet worden (Berg- und Hüttenm. Ztsohr., 1892, 8. 178). Orford will den aus gerösteten Magnetkiesen gewonnenen Nickelroh- stein in der Bessemerbirne konzentrieren (Berg- u. Hüttenm. Ztschr., 1894, 8. 52). Rösing hat mit gutem Erfolge versucht, Werkblei und un- reines Armblei in basischer Birne mit geringem Zeit- und Arbeits- aufwand zu raffinieren und an Silber anzureichern (Berg- u. HüttennL, Zeitschr. 1892 S. 102 u. 210).

Eine beschwerliche und wegen des dabei entwickelten Staubes doppelt gesundheitsschädliche Arbeit ist diejenige des Erneuerns und Ausbesserns des Ofenfutters, namentlich in Schachtöfen. Man soll deshalb auch aus sanitären Gründen auf lange Ofenkampagnen hinarbeiten, indem man zunächst möglichst feuerfestes und gegen die chemischen Einwirkungen der geschmolzenen Massen beständiges Material als Ofenfutter verwendet. Als ein diesen Anforderungen ent- sprechendes Material hat sich auf Eisenhütten und neuerdings auch auf Bleihütten, z. B. für die Zustellung der Raffinieröfen, die Magnesit- masse erwiesen; ebenso sind Koksziegeln mit Erfolg (auch für das Ge- stell von Bleischachtöfen in Mechemich) verwendet worden. Man sucht weiter die Haltbarkeit der Ofenwandungen durch Wasser- und Luft^ kühlung namentlich im unteren Teile (Gestell, Rast, Bodenstein, Schlackenfluß, Formen) zu erhöhen und die Bildung von VersetzungeB im Ofen durch vorherige mechanische Reinigung der Beschickung^

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 473

namentlich von dem Ansätze bildenden Zink, durch die Wahl einer Zink ituflösenden Schlacke (z. B. eisenreiche Singulo-Silikatschlacke für Blei- schachtöfen) und durch eine geeignete Ofenkonstruktion zu verhindern ^<^.

Einer besonders häufigen Emeaerong und Ausbesserung bedarf das Futter der Birnen BrunoVersen hat deshalb ein maschinelles Stampfen desselben in Vorschlag gebracht, wobei die Arbeiter in der Birne auf «inem an einer Schraubenspindel auf- und abwärts zu bewegenden Plateau «tehen; von diesem aus bewegen dieselben zwei von Druckluft angetriebene Schlagzeuge (Lufthämmer mit innerer Selbststeuerung) zur Bearbeitung der aufzustampfenden Masse im Kreise herum. Die aus den Schlagwerk- zeugen ausgestoßene firische Luft bringt dabei noch den Vorteil einer Ventilation des Ofeninnem mit sich.

Das Zerschlagen der Roheisenmasseln ist eine nicht allein be- schwerliche, sondern wegen des Umherfliegens von Stücken auch gefähr- liche Arbeit. Mechanische Vorrichtungen sind für diesen Zweck des- halb auch mehrfach in Vorschlag gebracht worden ^^

Nach Stahl u. Eisen, Jahrg. 1894 S. 847 hat neuerdings John S. Kennedy in seiner Hochofengießhalle eine im wesentlichen aus einem Lauf krahn, 5 Dampfhämmern und passend geformten Amboßen bestehende Vorrichtung getroffen, durch welche sämtliche Masseln eines Gießbettes gleichzeitig gebrochen werden.

Li der Bessemer- und Walz Werksanlage von Carnegie Brothers und Edgar Thomson in Homestead bei Pittsburg wird die mensch- liche Arbeit fast ganz durch hydraulische Vorrichtungen ersetzt; z. B. befinden sich vor und hinter den zum Schienenwalzen dienenden Trio- walzen hydraulisch bewegte Walzentische, welche die Blöcke selbstthätig seitlich in das nächste Kaliber bewegen und jedesmal zugleich um 90® wenden; das volbtändige Auswalzen eines Blockes erfolgt in 1 1^/^ Min., wobei nur 2 Arbeiter zur Bedienung der Steuerungen von einer Bühne aus nötig sind (Stahl und Eisen 1894, S. 250). Auch in der Thomas- hütte in Salgo-Tarjan werden die in 2 EEitzen zu Schienen verarbwteten Ligots von und zu den Schweißöfen sowohl wie an den Walzen auto- matisch bewegt (Oesterr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1894, Beil. 5 S. 42). An Bleischachtöfen ist die beschwerliche Arbeit des Ab- Stechens durch Einführung des automatischen Ar ent' sehen Bleistiches vielfach wesentlich erleichtert (vgl. unten S. 485 und Fig. 46 u. 47). Für Kupferschachtöfen stehen zu demselben Zweck aufnordamerikanischen Hütten die Orford* sehen Kupferbrunnen in Gebrauch. Das Reservoir dieser Brunnen ist durch eine Längsscheidewand in zwei ungleich große Räume geteilt, welche durch eine einige Zoll über der Sohle in der Scheidewand vorgesehene Oeffnung miteinander in Verbindung stehen. In die große Abteilung fließen Schlacke und Kupferstein aus dem Ofen; die Schlacke fließt dann kontinuierlich ab, während der Stein von unten in die kleinere Abteilung tritt und etwa 2 Zoll unter der Schlacken- abflußöffnung durch eine Rinne abgezogen wird (Douglas, Transact af the Amer. List, of Min. Eng. 1894 S. 321).

Das Entsilbern des Werkbleies erfolgt zum Teil noch durch Pattinsonieren (auf englischen Hütten, für wismuthaltiges Blei in Freiberg, in Przibram, zu St Louis les Marseille in Frankreich).

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Sebr anstrengende Arbeit erfordert dabei das Umrflhren und Aus- schöpfen des Bleies mittels Kellen von Hand; besser ist es, das Um- rtlbren des Bleibades durch eine maschinell angetriebene Welle mit Bührarmen oder nach dem Rozan-VerfEihren durch Wasserdampf zu bewirken und die Trennung des ärmeren Bleies von den silberreicben KrystaUen durch Abzapfen vorzunehmen. An Stelle des Pattinson- Prozesses ist meistens die zuerst von Parkes im großen durchgef&hrte Entsilberung des Werkbleies durch Zink getreten, bei welcher sich das silberhaltige Blei in silberarmes Blei und eine Legierung von Blei, Zink und Silber zerlegt; dabei erfolgt das Ein- rubren des Zinks in das Bleibad meistens von Hand mit der Kelle, man kann aber diese Arbeit ebensogut durch einen Rfihrapparat oder, wie es z. B. auf der Friedrichshfltte in Oberschlesien früher geschah, durch eingeleiteten gespannten Wasserdampf verrichten lassen.

Die Entfernung des raffinierten Armbleies aus den Kesseln geschieht vielfach durch sehr anstrengendes Auskellen; demgegenüber ist es eine

Soße Arbeitserleichterung, das Blei auszuhebern oder abzuzapfen oder, Us die Niveauverhältnisse dies nicht zulassen, mittelst der Rösing- schen, als eine Art von Druck&ß konstruierten Bleipumpe auszu- pumpen ^^.

Ftlr den Zinkhüttenmann ist eine der schwersten und unange- nehmsten Arbeiten das Auswechseln der Muffeln während des Betriebes. Da die dünnwandigen Thonmuffeln selten über 40 Tage halten, so findet dieses Auswechseln bei den gewöhnlich 82 Muffeln enthalten- den schlesischen Zinköfen fast an jedem Tage einmal statt

Karl Francisci in Schweidnitz will diesen Uebelstand durch die Verwendung von zu Ziegeln geformter Magnesitmasse beseitigen (D. B. P. 76 286), welche den Muffelthon an mechanischer Festigkeit, Feuerbeständig- keit und Scblackenfestigkeit weit übertriffl^. An Stelle der vielen Mu£felii treten bei diesem Ofen 3 große übereinander liegende Betorten aus Magnesitziegeln, zwischen deren gewölbten Böden imd Decken die Heiz- kanäle gleichmäßig verteilt sind. Durch die weiten hinteren Oe&ungen dieser Betorten erfolgt das Einbringen der Beschickung mittels breiter Kratzen von einer mechanisch fortzubewegenden Füllvorrichtung aus und ebenso das Räumen mittels breiter Bäumkrücken in weit kürzerer Zeit als aus den schmalen Mu£feln, welche außerdem durch die schmalen und niedrigen Vorlagen beschüttet werden müssen (in Schlesien etwa 45 gehäufte Be- schioknngskellen fär jede Muffel). Leo Lynen in London hat unter No. 8316 (94) ein Patent auf einen Zinkdestillierofen mit liegenden Be- torten angemeldet, welche einen gemeinsamen, mitten in der Längs- richtung des Ofens liegenden Kondensationsraum haben, dessen Temperatur durch Eühlrohre geregelt wird. Das Chargieren der Betorten dieses Ofens soll in bequemer Weise derart erfolgen, daß die Beschickung in eine leicht verkohlende Hülse (z. B. Pappe) vom Querschnitt der Betorte gefEQlt imd diese Hülse oder mehrere gleichzeitig von einem Ladetisoh aus in die nach außen liegenden hinteren Enden der Betorten eingef^dirt werden.

Die Handhabung der schweren Gezähe, welche namentlich an den Flammöfen aller Art gebraucht werden, versucht man vielfach durch die Anbringung von festen oder besser (mit dem Oezähe) rotierenden Auflegevorrichtungen vor den Arbeitsöfihungen zu erleichtem.

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 475

Im übrigen trägt alles, was dem Arbeiter den Aufenthalt auf der Hütte angenehm macht, dazu bei, die Schwere der Arbeit weniger fühlbar zu machen. Hierher gehören in erster Linie alle vor und hinter diesem Abschnitt angegebenen Schutzvorkehrungen gegen Unfälle, Hitze, Zugluft, grelles Licht, Staub und giftige Dämpfe und Gase, dann Rein- lichkeit und Ordnung in hohen hellen Arbeitsräumen, sowie auf Plätzen, Wegen, Treppen und Aborten, Trink-, Wasch- und Badegelegenheit und nicht zuletzt streng gerechte wohlwollende Behandlung der Ar- beiter seitens der Vorgesetzten.

S. Der Schutz gegen die schBdlielie Einwlrkong ron Feuer, Luft

und Lieht.

Eine wirksame Bekämpfung dieser drei Kardinalschädlichkeiten aller Hüttenbetriebe, in denen glühende und geschmolzene Massen erzeugt, transportiert und bearbeitet werden, ist fast nur durch die Einführung nasser und elektrolytischer Hüttenprozesse möglich. Zweifellos haben in erster Linie wirtschaftliche Interessen zu den Bestrebungen und Fortschritten auf diesen Gebieten der Metallurgie geführt, doch sind auch die hygienischen Vorzüge dieser Prozesse so bedeutende, daß wenigstens eine kurze Besprechung derselben an dieser Stelle nicht fehlen darf.

Von den nassen Prozessen ist hierbei das Amalgamationsverfahren für die Gold- uod Silbergewinnung von vornherein auszuschließen, weil das dabei für gediegenes Gold und Silber, sowie für Schwefelsilber als Lösungsmittel verwendete Quecksilber schon bei der Herstellung der Amalgame (Quecksilberl^erungen) und noch mehr bei dem Ausglühen zur Zerlegung der Legierung durch Verflüchtigung schädlich wirkt.

Weitere Verbreitung haben die eigentlichen nassen Hüttenprozesse gefunden, bei denen die Metalle oder die wertlosen Bestandteile oder beide zusammen aus den nötigenfalls vorher oxydierend oder chlorierend gerösteten Erzen oder Zwischeoprodukten in Lösung gebracht und aus letzterer die Metalle oder Metallverbindungen ausgefällt werden. Die häufigsten Lösungsmittel sind Wasser für Vitriole von Kupfer, Silber, Eisen, Nickel, sowie für Kupfer- und Goldchlorid, konzentrierte Schwefel- säure oder Salpetersäure für Silber aus Gold-Silberlegierungen, ver- dünnte Schwefelsäure für Kupfer aus Kupfer-Silberlegierungen und ebenso wie Salzsäure für Oxyde des Kupfers, Nickels und Wismuts, Köni^wasser für Gold aus Gold-Silberlegierungen, Ghlorwasser für Gold aus Erzen, Lösungen von Chlormetallen (Kochsalzlösungen) für Ghlor- silber und Kupferchlorür, Eisenchlorür für Kupferoxyd, unterschweflig- saures Natrium und Calcium für Chlorsilber^ verdünnte Cyankaliuni- lösung für Gold. Aus den Lösungen werden die Metalle entweder regulinisch ausgefällt, z. B. Kupfer durch Eisen und Zink, Silber durch Msen und Kupfer, Gold durch Eisenchlorür, Eisenvitriol, Holzkohle und Zmk, oder als leicht zu zersetzende Metallverbindungen, z. B. Silber und Kupfer durch Schwefelnatrium, Schwefelcalcium oder Schwefel- wasserstoff als Schwefelmetalle, Kupfer und Nickel durch Kalkmilch als Hydroxyd bezw. Hydroxydul, Wismut durch Wasser als Chlor- wismut (aus salzsaurer Lösung), Kobalt durch Chlorkalk als Sesqui- oxyd, Nickel durch Sodalösung als Hydroxyd. Der Niederschlag wird dann gewöhnlich noch durch Schlämmen, Auskochen, Filtrieren, Ab-

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dampfen von der Lösungsflüssigkeit getrennt und einem einfachen, raffi- nierenden Schmelzen unterworfen.

Große wirtschaftliche Erfolge sind mit den nassen Verfahren namentlich imKupferhüttenwesen zur Verarbeitung armer Erze (z. B. der spanischen Rio Tinto-Kiese mit etwa 3,2 Proz. Gu und 44 Proz. Fe), sowie zur Abscheidung des Kupfers aus geschwefelten, sowie arsen- und antimonhaltigen Zwischenprodukten (Steinen und Speisen) und aus Legierungen gemacht werden. Von wesentlicher Be- deutung sind ferner fflr die S i 1 b e r - Gewinnung die Prozesse, bei welchen das Silber als Ghlorsilber aus Erzen oder Zwischenprodukten durch Koch- salzlauge (Augustin- und C landet- Prozeß), durch unterschweflig- saures Natrium (Patera-Prozeß), durch unterschwefligsaures Calcium (K iß- Prozeß), durch unterschwefligsaures Kupfer-Natrium (Russel- Prozeß), oder als schwefelsaures Silber durch Wasser (Ziervogel- Prozeß) in Lösung gebracht und durch Kupfer als Metall (Augustin und Ziervogel), durch Schwefelnatrium als Schwefelmetall (Patera und Rüssel), durch Schwefelcalcium ebenfalls als Schwefelmetall (Kiß), durch Jodkalium als Jodsilber (G landet) gefällt wird. Der zur Ge- winnung des Goldes im nassen Wege neben dem älteren Plattner- Prozeß (Herstellung von löslichem Goldchlorid aus Erzen durch Chlor- gas und Fällung d^s Goldes durch Eisenvitriol, Holzkohle oder Schwefel- wasserstoff) neuerdings immer mehr an Bedeutung gewinnende Mac Arthur Forrest -Prozeß, welcher übrigens als nicht patentfähig er- klärt worden ist, da de Rae im Jahre 1867 und Simpson im Jahre 1884 schon ein amerikanisches Patent auf ähnliche Verfahren erhalten haben, ist wegen der zur Lösung des Goldes aus den Erzen verwendeten sehr giftigen Cyankaliumlösung nicht geeignet, hygienische Vorteile gegenüber den trockenen Goldgewinnungsprozessen (Verbleiung und Ab- treiben der Legierung von Blei und Gold) zu bringen; thatsächlicb sollen die beim Mac Arthur- Forrest-Prozeß mit dem Reinigen der Fällgefäße und dem Schmelzen des Goldniederschlages beschäftigten Arbeiter häufig an Geschwüren, namentlich an den Armen, sowie an Kopfweh und Schwindel leiden (Schnabel, Metallhüttenkunde, S. 863, und Berg- u. Uüttenm. Zeitschr. von Kerl und W immer, 1892, S.467). Im übrigen ist der nasse Weg noch von Bedeutung für die Gewinnung von Wismut aus wismuthaltigen Hüttenprodukten (Glätte, Treibherd^ Testasche) und von Nickel aus nickelhaltigen Steinen und Speisen.

Eine Errungenschaft der neuesten Zeit ist das elektrolytische Verfahren zur Abscheidung der Metalle im großen aus Erzen und Hüttenprodukten. Die wichtigste Grundlage hierfür bildete die Er- findung der dynamoelektrischen Maschine durch Werner Siemens im Jahre 1867 und einer passenden Konstruktion des Ankers (kontinuier- liche Ankerwickelung) durch G rah am im Jahre 1871, da von dieser Zeit ab an Stelle des schwachen Stromes galvanischer Elemente der durch die Drehung des Ankers zwischen den Polen des Elektromagneten er- zeugte billige und starke Strom zur Verfügung stand. Sowohl die Wärmewirkung wie die chemische Wirkung dieses Stromes sind dann für die Metallurgie nutzbar gemacht worden *^ *•.

Die stärkste Wärmequelle liefert der elektrische Lichtbogen, welcher zum Schmelzen schwer schmelzbarer Metalle und Metall- legierungen , sowie zum Schweißen , Löten und Härten benutzt wird.

Hierher gehören die elektrischen Schmelzöfen der Gebrüder C o w 1 e s , von C h. W. Siemens, der Electric Construction Corporation, von Rudolf

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 477

TJrbanitzky und Aug. Fellner, D. R. P. 77125, von Duoretet und Lejeune, von Moissan-Violle u. s. w. ; der elektrisch geheizte Rost-, Kalcinier- und Trockenofen von Compton Dowsing; das elek- trische Schweiß- und Lötverfahren von Bernardos, Thomson und nach Lagrange und Hoho; der letzteren wohlgelungene elektrische Härteversuche für Messer und Scheeren*^ **.

Man schaltet dabei den zu erhitzenden Gegenstand in den Licht- bogen zwischen den Koblenstäben ein oder erhitzt durch starke Ströme zunächst schlechte Leiter, um deren Wärme dann indirekt weiter zu benutzen. b^oU durch den elektrischen Strom gleichzeitig eine Erhitzung bez. Schmelzung (Wärme Wirkung) und eine Elektrolyse (chemische Wirkung) hervorgebracht werden, so wird nicht das Reduktionsmittel (die Kohle des Lichtbogens), sondern die zu redu- zierende Metallverbiudung, z. B. Thonerde, zur Aluminiumdarstellung erhitzt, in Fluß gebracht und gleichzeitig elektrolysiert (Her oult' sehe Verfahren, D. R. P. 47 165).

Von größerer Wichtigkeit für das Metallbüttenwesen in technischer wie in hygienischer Beziehung ist dasjenige Verfahren, bei welchem der elektrische Strom die zur Abscheidung und Reinigung der Schwermetalle sonst erforderlichen trockenen Oxydations- und Reduktions- prozesse durch seine chemische Wirkung ersetzt. Dieses, als Elektrolyse bezeichnete Verfahren besteht im wesentlichen in dem Hindorchleiten eines elektrischen Stromes von großer Stärke und ver- hältnismäßig niedriger Spannung durch Metallsalzlösungen (Elektrolyte), welche dabei in die ursprünglichen Bestandteile, also in Metalle einer- seits und Säuren oder Chlor (bei Chlormetallen) andererseits zerlegt werden. Die Eintrittsstelle des Stromes in die Lösung, die positive Elektrode oder Anode, ist entweder unlöslich (z. B. Kohle, Blei) oder metallhaltig und löslich (z. B. plattenförmige oder kömige Legierungen, geschwefelte Hüttenprodukte und Erze). Die Austrittsstelle des Stromes, die negative Elektrode oder Kathode, besteht aus dünnen Blechen meistens desjenigen Metalles, welches man gewinnen will. An der Ein- trittsstelle, der Anode, scheidet sich das elektronegative Element (Säure, Chlor), an der Austrittsstelle, der Kathode, das elektropositive Moment (Metall, Wasserstoff) aus.

Die Verfahren mit unlöslichen Anoden haben bis jetzt keine praktische Bedeutung gewonnen. Bei löslichen Anoden gestaltet sich das Verfahren am einfachsten, wenn es sich um die Raffination von Rohmetallen und um die Verarbeitung von Metalllegierungen handelt. Die Vorgänge bei diesem Prozesse sind, an demnachstehenden Beispiel von praktischer Bedeutung erläutert, kurz folgende:

Aus Silber- und goldhaltigem Rohkupfer soll Reinkupfer unter gleich- zeitiger Abscheidung der Edelmetalle dargestellt werden. Dazu wird daa Rohkupfer aus dem Schmelzofen in geeignete Platten gegossen, welche in eine angesäuerte Lösung von Kupfervitriol als Anoden gehängt werden ; als Kathoden dienen reine dünne Kupferbleche. Durch dieses Bad leitet man einen elektrischen Strom von bestimmter Stärke , worauf sich aus der Kupfervitriollösung reines Kupfer an der Kupferblechkathode ab- scheidet; in demselben Maße löst aber die an der Anode ausgeschiedene Säure das Kupfer der Rohkupferplatte auf, sodaß die Kupfervitriollösung trotz der Reinkupferabgabe unverändert bleibt und im wesentlichen nur

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wegen der allmählichen Neutralisation durch aufgenommene firemde Stoffe in gewissen Zeiträumen erneuert werden muß. Die Edelmetalle der Anodenplatte bleiben ungelöst und lagern sich mit einigen ebenfalls un- löslichen Metallverbindungen (Schwefelsilber, Kupferozydul , Schwefel- kupfer, Antimonsäure, Bleisulfat u. s. w.) als sogenannter Anodenschlamm auf dem Boden des Zersetzungsge&ßes ab. Dieses Verfahren, welches allerdings mit Zunahme der Verunreinigungen im Bohkupfer an Einfach- heit verliert, eignet sich für Bohkupfbr mit 98 und mehr Prozent Cu unter allen umständen, doch läßt sich auch unreineres Cu nach dem Tho fern 'sehen Prozeß mit Vorteil raffinieren^'. Von den elektro- lytischen Prozessen hat deshalb dieKupferrafination zuerst praktische Verwendung gefunden und schon auf einem großen Teile der Kupfer- hütten in Deutschland, Oesterreich - Ungarn, England, Bußland, Italien, Frankreich, Amerika, Japan und Australien die trockenen Baffinations- prozesse verdrängt Von wesentlicher Bedeutung ist femer die neuer- dings in Hoboken bei Antwerpen eingeführte elektrolytische Verarbeitung der bei der Entsilberung des Werkbleies durch Zinkaluminium entstehen- den Zink - Silber - Legierung (Bössler - Edelmann - Prozeß D. B. P. 56271 u. 64416). Als Elektrolyt wird dabei eine Auflösung von Chlorzink in Chlormagnesium verwendet; die Kathoden sind verti- kale Zinkplatten, welche auf einer horizontalen rotierenden Spindel derart befestigt sind, daß immer nur die Hälfte der Platte in den Elektrolyten eintaucht. Das Zink der Zink-Silber-Legierung schlägt sich auf den Ka- thoden in Form von festen Platten nieder; der zurückbleibende Anoden- schlamm besteht aus 75 Prozent Silber, 12 Prozent Blei und Oxyden von Zink, Kupfer und Eisen; nach Entfernung der letzteren durch ver- dünnte Schwefelsäure wird dieser Schlamm mit 85 Prozent Silber und 15 Prozent Blei direkt auf dem Teste feingebrannt (Berg- und Hütten- männische Ztschr. von Kerl und W immer, Jahrg. 1894, S. 109). Bei diesem Prozesse, dessen technische Ausführbarkeit auch auf der Fried- richshütte in Oberschlesien durch Versuche im Kleinen festgestellt worden ist, fallen die sonst zur weiteren Verarbeitung des Zinkschaumes •erforderlichen gesundheitsschädlichen Destillations- und Abtreibeprozesse vollständig fort. Die elektrolytische Verarbeitung des gewöhnlichen Zink- schaumes, welche auf der Friedrichshütte mit Erfolg versucht wurde, stellte sich dem Destillationsverfahren gegenüber zu teuer (Bös in g, Preuß. Ztschr. f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen, 1886, S. 91). Der elektro- lytische Bleiraffinationsprozeß von Keith, welcher als Anoden in Musselinsäcke eingehüllte Werkbleiplatten, als Elektrolyt eine Auflösung von Bleisulfat in Natriumacetat und als Kathoden Messingblech anwandte, hat keine weitere Verbreitung gefunden. Zur Scheidung von Gold und Silber wird das goldhaltige Silber in Platten als Anode, eine stark verdünnte Lösung von salpetersaurem Silber als Elektrolyt und Silber- blech als Kathode verwendet; die goldhaltige Silberplatte wird mit einem BaumwoUensack umhüllt, in welchem sich bei der Ausscheidung des Silbers an der Kathodenplatte das Gold der Anode in pulverförmigem Zustande absetzt. Dieses Verfahren, welches auf mehreren Werken (Pittsburgh in Nordamerika, Scheideanstalt in Frankfurt a. M.) eingefcLhrt ist, hat gegenüber der Scheidung mit Hilfe von Schwefelsäure den be- sonderen Vorteil, daß die Bildung gesundheitsschädlicher Dämpfe (schwef- lige Säure und Schwefelsäure) fortfällt. Bei dem Mob ins' sehen Ver- fahren der Blicksilberreinigung zu Pinos altos in Mexiko wird eine Lösung von Kupfer und Silbersulfat als Elektrolyt benutzt; an den

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 479

Anoden geht Kupfer und Silber in Lösung; an den Kathoden scheidet «ich Silber aus, während sich Gold, Platin und Bleisuperozyd im Anoden- Schlamm sammelt.

Schwieriger gestaltet sich die elektrolytische Gewinnung der Metalle aus denjenigen Materialien, welche das zu gewinnende Metall in ge- ringerer Menge und nicht wie in Legierungen als Metall, sondern in che- mischer Verbindung mit anderen, an den im Bade sich vollziehenden chemischen Prozessen teilnehmenden Stoffen enthalten. Solche Materialien sind die Zwischenprodukte, unter denen die aus Schwefelmetallen be- stehenden Steine die wichtigsten sind, und in rohester Form die Erze. Die Verarbeitung dieser Materialien durch die Elektrolyse direkt auf Metall, wodurch mit einem Schlage alle wesentlichen Schädlichkeiten der jetzigen Hüttenarbeiten voraussichtlich ohne das Hervortreten neuer Schädlichkeiten beseitigt wären, ist nicht ohne mancherlei Erfolg ver- sucht worden. Die fast täglich neu auftauchenden Vorschläge, welche sich auf die direkte elektrolytische Gewinnung fast aller Schwermetalle (sogar des Eisens) beziehen, deuten aber schon an, daß sich diese im Kleinen vollständig geglückten Versuche bis jetzt zur Ausfährung im Großbetriebe meistens nicht eignen. In einzelnen Eällen ist es aber schon jetzt erwiesen, daß unter gewissen Bedingungen die direkte elektro- lytische Metallgewinnung aus Erzen und Hüttenzwischenprodukten auch im Ghroßen mit Vorteil ausführbar ist

Die wesentlichste technische Schwierigkeit der Erz- und Stein- Elektrolyse bietet die Herstellung passender Anoden. Platten lassen sich aus Erzen so gut wie gar nicht und aus Zwischenprodukten meistens nicht in genügender Haltbarkeit herstellen; solche Platten überziehen sich auch, wenn sie nicht schon vorher in nur zum Teil elektrolysierten Stücken abbröckeln, bald mit einer Schicht unlöslicher Stoffe. Man ver- wendet daher neuerdings die Erze und Hüttenprodukte mit besserem Er- folge in kömiger Form als Anoden, wobei es von Wichtigkeit ist, daß die Lösung, der Elektrolyt, in beständiger Bewegung bleibt und die Rück- stände, den Anodenschlamm, kontinuierlich fortfahrt. Man verzichtet in diesem Falle auch wohl auf die im allgemeinen vorteilhafte Anwendung löslicher Anoden, ^stellt vielmehr, getrennt von der Elektrolyse, durch Aus- laugen nötigenfalls vorher gerösteter Erze oder Zwischenprodukte Metall- salzlösungen her, welche als Elektrolyte dienen; aus diesen Lösungen wird dann bei der Elektrolyse das Metall an der Kathode niederge- schlagen, während die an der unlöslichen Anode abgeschiedene Säure wieder vom Elektrolyten aufgenommen wird, sodaß die angesäuerte metallarme Lösung in gewissen Zeiträumen zur frischen Auslaugung be- nutzt werden kann.

Nach den teilweisen Erfolgen, welche auf diesem Gebiete, z. B. bei der Elektrolyse des Kupfersteines durch Marchese, der Kupfererze durch Höplner und Siemens und Halske, der Zinkerze durch Letrange, Nahnsen, Siemens und Halske und die Elektr. Akt-Ges. vorm Schuckert&Go. in Nürnberg erzielt worden sind, steht zu hoffen, daß das Interesse an der direkten elektrolytischen Me- tallgewinnung aus Erzen und Zwischenprodukten wachbleiben und in nicht zu femer Zeit zu weittragenden, auch die sanitären Verhältnisse der Hüttenarbeiter fördernden Umwälzungen im Metallhüttenwesen führen wird.

Auch die Verwendung des elektrischen Stromes zur Beleuch-

Handbuch der Hjgiene. Bd. VIII. ^ 31

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tuDg und Arbeitsfibertragung ist, um es gleich an dieser St^e kurz zu erwähnen, für die Gesundheitspflege der Hüttenarbeiter voa Wichtigkeit. Das helle Licht, wie es die elektrische Bogen- und Glflh- lampe erzeugt, ist für die meisten Arbeiten eine erleichternde Annehm* Uchkeit; es verhütet manchen, sonst durch undeutliches Sehen hervor« gerufenen Unfall durch Sturz in Vertiefungen, Stolpern über Passage- hindemisse, Vorbeischlagen mit Handwerkszeug u. s. w. ; aucix fiällt für die Werkstätten der luftverschlechtemde Einfluß der anderen Beleuch- tungsarten fort. Bei der Verwendung von Bogenlampen wird sich m vielen Flülen die indirekte Beleuchtung empfehlen, wie sie nach dem Jahresberichte der Regierungs- und Gewerberäte für 1890, S. 189 in einer Fabrik Oberbayems eingeführt ist. Dort sind unter den Bogen- lampen undurchsichtige Schirme angebracht, welche das Licht zunächst auf die helle Decke werfen ; von dieser wird das ruhige, stark verteilt» und deshalb geringe Schatten erzeugende, nirgends grell ins Auge fal- lende Licht auf die Arbeitsplätze reflektiert^^.

Die Arbeitsübertragung durch den elektrischen Strom von einer stromerzeugenden primären Maschine durch die leicht verlegbar& Leitung zur sekundären Maschine, dem Motor, findet auf Hüttenwerken für Aufzüge, Drehkrähne, Laufkrähne, Werkzeugmaschinen und Loko- motiven Anwendung'^. Dieselbe hat gegenüber der Arbeitsübertragung durch Dampfleitungen, Dampfmotoren und Transmissionen den Vorzug der Reinlichkeit, Geräuschlosigkeit, der Vermeidung von Temperatur- erhöhungen im Arbeitsraume und der Ungefährlichkeit. Gänzlich aus- geschlossen ist es allerdings nicht, daß Menschen auf Hüttenwerken durch den elektrischen Strom sowohl unmittelbar durch Berührung, wie mittelbar durch das Ausbrechen von Feuer gefährdet werden. Eine unmittelbare Einwirkung des Stromes wird am gefährlichsten in einer hochgespannte Ströme erzeugenden, primären Anlage (namentlich bei Wecb^lstrommaschinen); der Zutritt zu derartigen Centralstationen, in welchen alle Teile der eigentlichen Anlage natürlich sorgfältig isoliert sein müssen, sollte deshalb auch nur dem geschulten Aufsichtspersonale gestattet sein. Behufs weiterer Verwendung an den einzelnen Betriebs- stellen werden die hochgespannten Ströme dann gewöhnlich durch Transformatoren in niedrig gespannte, weniger gefährliche Ströme um- gewandelt. Trotzdem muü aber auch weiterhin das Leitungsnetz sorg- mltig isoliert und gegen zerstörende Einflüsse des Betriebes gesichert sein zur Vermeidung von Kurzschluß, welcher mit dem hellen Flammen- ausbruch neben der unmittelbaren Gefahr der Verletzung Feuersgefahr mit sich bringt. Das letztere ist auch der Fall, wenn Leitungen über- anstrengt werden, sodaß das Metall derselben zum Glühen und Schmelzen kommt; zum Schutze dagegen werden Bleisicherungen eingeschaltet^ welche, richtig bemessen, vor der Erhitzung der Leitung schmelzen und den gefährdeten Teil dadurch abschließen. Diese Sicherheitsmaßregeln,, welche schon aus technischen Gründen nicht außer Gefahr gelassen werden können, haben gegenüber den maschinellen Schutzvorkehrungen für die sonst verwendeten Kraftübertragungen (Transmissionen, Dampf- leitungen und Motoren) den Vorzug der Einfachheit, sowie der sicheren Wirkung und dürften, wenn noch etwas Vorsicht seitens der Arbeiter hinzukommt, genügen, um Unfälle auch bei ausgedehnter Anwendung des elektrischen Stromes auf Hüttenwerken zu Seltenheiten zumachen^* '^ (vergl. Kallmann in Bd. IV d. Hdb.).

Die Vorteile der nassen und elektrolytischen Prozesse kommen

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aber bis jetzt nur einem sehr kleinen Teile der Hüttenleute zu gutei dehn von den wichtigeren Metallen stehen für Eisen, Blei, Zink und Zinn fast nur trockene, und für Kupfer, Silber und Gold auch nur zum Teil nasse und elektrolytische Prozesse in Anwendung ; an der Gesamt- produktion dieser Metalle sind aber Kupfer, Silber und Gold dem Ge- wichte nach nur mit etwa 1 Prozent beteiUgt. Der Kampf gegen die schädlichen Einflüsse des Feuers, der Zugluft und des grellen Lichtes der feuerflüssigen Massen bei der Metallgewinnung auf trockenem Wege ist deshalb noch lange nicht beendet Freilich werden die Mittel zur Bekämpfung diesr Schädlichkeiten immer sehr beschränkt sein; doch fehlt es auch auf diesem Gebiete der Hüttenhygiene nicht gänzlich an Erfolgen.

So hat Koppmeyer*^ auf dem Eisenwerke der ^ Eisenindustrie zu Menden xmd Schwerte" zum Schutze gegen die Ofenhitze für die Puddler vor der Arbeitsseite der Oefen ein an einer Laufschiene hängendes Blech angebracht, welches vor dem Ofen hin und her geschoben werden kann und mit einem Schauloch vor den Arbeitsöfihungen versehen ist. Ein Zweigrohr der Kühlwasserleitung, welches mit einer Reihe von 15 bis 20 mm voneinander entfernten Löchern versehen ist, läuft am oberen Ende vor der Blechplatte her; aus den Löchern dieses Rohres spritzt gegen das Blech Wasser, welches sich in einer am unteren Rande des Bleches angebrachten Rinne sammelt und in den Löschtrog fließt. Um die SchauöfFhung ist eine kleine Rinne zur Abhaltung des Wassers angebracht. Dieses mit Wasser gekühlte Blech, welches nur beim Ein- setzen und Luppenziehen auf kurze Zeit fortgeschoben wird, soll sich namentlich an den heißen Sommertagen gut bewährt haben; es schützt xmmittelbar gegen die Ofenhitze und hält die Luft in der Umgebung des Ofens kühl xmd feucht, wodurch auch eine Niederschlagung des Staubes erzielt wird (Stahl und Eisen, Jahrg. 1890, S. 618 u. Amtl. Mitteil, aus Jahresber. der Fabrikaufsichtsbeamten, 1890, S. 183 und 214).

Der Einfluß der Ofenhitze kann auch dadurch gemildert werden, daß man die Ofenthüren, welche bei den Flammöfen vielfach beständig rotglühend sind, hohl herstellt und durch cirkulierendes Wasser kühlt*«.

Denselben Zweck haben die Schutzbleche, welche die Oesellschaft Vieille Montagne vor ihren Zinköfen an Ketten beweglich aufhängen läßt. Diese Bleche haben die Höhe des halben Ofens (belgische Zinköfen mit 9 übereinander liegenden Röhrenreihen). Sollen die unteren Röbrenreihen beschickt werden, so hält das hochhängende Blech die EEitze der oberen Reihen ab und umgekehrt**. Vollkommener wirken die Vorkehrungen, welche an schlesischen (Muffel-)Zinköfen, z. B. auf der Hugo -Hütte bei Antonienhütte, auf der Hohenlohehütte bei Kattowitz und auf der Ouidotto- hütte bei Chropaczow zum AbschluB der Arbeitsnische während des Be- triebes sowohl, wie während des Beschüttens und Räumens neuerdings getroffen worden sind. Das Nähere hierüber ist unten (S. 611) mit- geteilt.

Zur Kühlung des Plattenbelages vor den Puddel- und Schweißöfen leitet man auf der westfälischen Union (Hamm) das von den Walzen- lägem ablaufende Kühlwasser in Kanälen unter den Platten hin und her (bricht der Regierungs- und Gewerberäte, 1893, S. 311).

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Falls die Oefen nicht schon unter ofienen Hallen stehen, trägt natürlich eine zweckmäßige Ventilation des Arbeitsraumes und der Ofenumgebung zur Verringerung der durch die Hitze hervorgerufenen Schädlichkeiten und Belästigungen wesentlich bei. Vor dem Ofen selbst kann sogar der Wechsel der heißen Luftschichten und der zuströmenden kalten Frischluft ein so lebhafter sein, daß wirk- liche Zugluft entsteht; denn diese schadet dem bei der angestrengten Ar- beit beständig schwitzenden Ofenarbeiter in zu geringem Maße, als daß der letztere deswegen der großen Wohlthat, welche die zutretende frische Luft ihm bringt, verlustig gehen sollte. Die Hauptgefahr ent- steht erst, wenn der Arbeiter sich während der häufigen Ruhepausen der Zugluft oder anderer starker Abkühlung (durch das oft vorkom- mende Bespritzen oder Begießen mit kaltem Wasser) aussetzt. Man muß deswegen in der Nähe der Oefen für zugfreie Plätze mit gleich- mäßiger Temperatur zum Aufenthalt während der Arbeitspausen Sorge tragen. Nach Fischer'^ bringt man auf nordamerikanischen Werken in Räumen, welche große Wärmeausstrahlungen (z. B. von Rost- und Schmelzöfen) aufnehmen müssen, einen gelinden, dem Körper wohl- thuenden Luftzug durch große, mechanisch bewegte Fächer hervor, welche entweder pendelnd an der Decke hängen oder an Triebwerks- wellen angebracht sind.

Eine ähnliche Vorrichtung, d. h. ein mechanischer Fächer, aus einer Welle mit leichten Windflügeln bestehend, zur Müderang der EUtze vor den Schmelzöfen einer Olashütte wird auch in den amtlichen Mitteilungen aus den Jahresberichten der deutschen Fabrikaufsichtsbeamten fiir 1887 auf S. 194 erwähnt.

Die starke Wasserabscheidung infolge der oft erdrückenden Hitze und der Muskelanstrengung bringt naturgemäß bei den Hüttenarbeitern ein gesteigertes Bedürfnis zum Trinken hervor; es sollte deshalb in der Nähe der Oefen nie gutes, bakterienfreies und kühles Wasser fehlen. Bei besonders heißen Arbeiten, oder an den heißesten Sommertagen werden vielfach, um den das Herz überanstrengenden, übermäßigen Wassergenuß zu verhüten, Getränke, welche in geringerer Menge den Durst stillen, wie kalter Kaffee, einfaches obergähriges Bier und an- gesäuertes Wasser unentgeltlich verabreicht

Zum Schutze gegen die schädliche Einwirkung des grellen Lichtes, welches den Hüttenarbeitern aus den feuerflüssigen Massen im Ofen entgegenstraUt, werden hier und da blaue Brillen getragen; z. B. werden solche Brillen den mit der Konzentration des Kupfersteins auf den freiberger Hütten beschäftigten Arbeitern auf Werkskosten verabfolgt; auch die Arbeiter an den Martinöfen sind viel- fach damit ausgerüstet. Doch stehen die oben angegebenen Nachteile der Schutzbrillen auch in diesem Falle einer allgemeinen Verwendung entgegen.

Bei dem von Zerener verbesserten elektrischen Schmelz-, Schweiß- und Lötverfahren von Bernardos wird der Lichtbogen in Gestalt einer Stichflamme benutzt, deren grelles Licht Qefahren fCLr die Augen mit sich bringt. Li der Elektrotechn. Ztschr., Jahrg. 1894, wird deswegen für die hierbei beschäftigten Arbeiter das Tragen von Halbmasken (zum

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Schutz gegen seitlich reflektiertes Licht) empfohlen, die oberhalb des Mundes leicht anschließen und mit zwei durch einen Druck mit farbigen Oläsem zu verschließenden Augenöfihungen versehen sind.

Die vor Glasschmelzöfen zum Schutz gegen Augenerkrankungen be- weglich angebrachten blauen Glasplatten ^ <^ eignen sich im Allgemeinen wegen der leichten Zerstörbarkeit fCLr Metallgewinnungsöfen nicht ; das- selbe gilt von den farbigen Gl&sem, welche nach Angabe des Erfinders (Glashüttenarbeiters Fr. Lippert, Bummelsburg) vor den Arbeitsöfihungen so angebracht werden, daß ohne Behinderung oder Belästigung des Arbeiters das Gesicht vor der strahlenden Wärme und die Augen vor der Weißglut geschützt werden (Jahresber. d. Preuß. Reg. u. Gew.-R. 1893). In einigen FäBen (z. B. für Zinkdestillieröfen) erscheint aber, wenn das Glas durch Drahteinlagen widerstandsfthiger gemacht wird, ein Versuch mit derartigen Vorkehrungen nicht aussichtslos. Ein gegen hohe Tempe- raturen und Stöße besonders widerstandsfähiges Drahtglas ist der Akt.- Ges. f. Glasindustrie vorm. Fried r. Siemens in Dresden unter No.46278 u. 60660 patentiert worden.

4* Der Schutz gegen die schädlichen Beimengungen der Luft auf den Httttenwerken.

Am vollkommensten wird einer Gefährdung des menschlicben Orga- nismus durch die festen und flüchtigen Luftverunreinigungen, nament- lich soweit es sich um den gesundheitsschädlichen Staub handelt, durch die Einführung der nassen und elektrolytischen MetaUgewinnungs- prozesse vorgebeugt. Die Unschädlichmachung der bei diesen Prozessen etwa frei werdenden gesundheitsgefährlichen Gasarten erfolgt in der- selben Weise, wie es nachstehend für die trockenen Hüttenprozesse nSJiier angegeben ist Es soll hier nur hervorgehoben werden, daß bei der Verwendung von Schwefelsäure zum Lösen stets auf möglichste Arsenreinheit der Säure sowohl, wie der zu lösenden Materialien zu achten ist, um die Entwickelung des gefährlichdn Arsenwasserstofifes zu verhüten (vergl. auch Heinzerling, Hygiene der ehem. Groß- industrie, namentlich anorganische Säure und deren Salze in diesem Band d. Handb.).

Unter den toockenen Httttenprozessen wird man bei sonst gleichen Verhältnissen zunächst denjenigen den Vorzug geben, welche mit der geringsten Luftverunreinigung verbunden sind. So em- pfiehlt es sich, z. B. das Trocknen der großen Formstücke in Eisen- gießereien, deren Transport in die abgesdilossenen Trockenkammern beschwerlich, gefährlich und teuer ist, mittels des transportablen Trockenofens System Brigleb-Hansen am Arbeitsplatze durch Einblasen erhitzter Luft anstatt durch Holzkohlenfeuer vorzu- nehmen, welche die Luft im Arbeitsraume durch Entwickelung von KoUenoxydgasen ganz erheblich verschlechtem (Bericht der Preuß. Reff.- u. Gew.-Räte für 1893). Weiter verhütet man die Gesundheits- schädlichkeiten, welche durch die staub-, dampf- und gasförmigen Luftbeimengungen herbeigeführt werden, in wirk- samer Weise dadurch, daß man die Arbeiter von denjenigen Arbeitsstellen, an welchen sich die schädlichen Stoffe entwickeln, möglichst fern hält Nahezu vollkommen erreicht

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man diesen Zweck bei den oben (S. 468 ff.) erwähnten mechanischen B5st> Schmelz- und Destillieröfen. Man kann aber mit derartigen, die Nähe Yon Arbeitern unnötig machenden Vorrichtungen noch viel weiter gehen« wie die nachstehenden Beispiele zeigen.

Die Auf gebevorrichtung für die Eisenhochöfen der Pioneer Hining and Manufacturing Co. in Thomas, Nordamerika, besteht aus einer 43chiefen Ebene, welches ein weites Geleise ftlr den Pörderwagen W (Fig. 45) und ein dazwischenliegendes, engeres Geleise fdr den Mitnebmerwagen V trägt; das letztere setzt sich unten in eine Versenkung so tief unter der Hütten- sohle fort, daß der volle Förderwagen über den unten stehenden Mit-

Fig. 45. Selbstthitige AargebeTorriehtung für Hochöfen.

nehmerwagen hinweg bis an die schiefe Ebene herangezogen werden kann. Wird der Mitnehmerwagen durch das über die Bollen ^ u. ^ laufende Aufzugsseü von der Betriebsmaschine heraufgezogen, so drückt die Kopfplatte a desselben den Förderwagen vor sich her und über die Gichtglocke. Der Förderwagen ist mit Bodenklappen versehen, welche durch Ketten, Hebel und Gegengewicht geschlossen gehalten werden. Auf der Gicht streicht das seitwärts über den Kasten hinausragende Gegengewicht über einen Schienenbügel, wodurch es in die Höhe gehoben wird; dabei senkt sich das vordere Ende des Hebels, an welchem die Ketten befestigt sind, und die Bodenklappen öffnen sich über der Mitte der Gtichtglocke. Nach dem Umstellen der Maschine zieht der Mitnehmer- wagen den Förderwagen, welcher zunächst von dem Luftpuffer L zurück-, gestoßen wird, wieder hinunter; hierzu hat der Mitnehmerwagen an seiner Kopfplatte zwei Haken, die, wenn der Gichtwagen sich über dem Ofen befindet, in zwei Oesen des letzteren fassen, sich aber lösen, sobald auch der Gichtwagen auf die schiefe Ebene kommt. Da auch das Oe&en xmd Schließen der GKchtglocke mittels Gebläseluft, welche auf den Kolben K wirkt, geschieht, so kommt kein Arbeiter in die Gefahr, durch die Gicht- gase vergiftet oder verbrannt zu werden. Von der Vorrichtung sagt der Leiter des Werks: ,,Sie hat günstig gearbeitet und uns keine Minute Unbequemlichkeiten verursacht, seit wir im Betriebe sind (3 Jahre). Die Betriebskosten sind viel geringer, als bei den gewöhnlichen Aufzügen,

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Hygiene d6r Hüttenarbeiter. 4dS

und die Oefen haben damit einen regelmäßigeren Gang" (Stahl and Eisen, 1891, S. 465). F. C. Roberts in Philadelphia hat unter No. 519094 •ein Patent der Vereinigten Staaten erhalten, nach welchem ein mittels senkrechten Aufzuges gehobener Förderwagen selbstthätig auf einer schrägen Ebene über die Hochofengioht rollt, durch Gegengewichte ge- ^fGaet und nach dem Entleeren von selbst auf die Förderschale zurück- gezogen wird.

Auf der Friedrichshütte in Oberschlesien wurde die aus dem Treib- ofen stammende, beim Lagern an der Luft von selbst in feine rotglänzende Schuppen und in Stücke zerfallende Blei glätte früher sehr beschwerlich von Hand gesiebt, wobei der sich entwickelnde giftige Glättestaub na- türlich reichlich eingeatmet wurde. Auch bei Verwendung einer in der Nähe der Treiböfen aufgestellten Handsiebtrommel ließ sich trotz üm- mantelung derselben ein Verstauben aus Fugen und Ritzen des Apparates nicht verhüten. Deshalb hat man die ganze Siebvorrichtung hoch unter das Dach eines anstoßenden, zum Verkehr auf der Hütte nicht benutzten Raumes verlegt. Die zerfallene Bleiglätte wird in einen unter der Hüttensohle liegenden, gewöhnlich mit einer Fallthür verschlossenen Trichter ausgestürzt und durch ein dicht ummanteltes Becherwerk der aus einer Misch- und Separationstrommel bestehenden, ebenfalls dicht ummantelten Siebvorrichtung zugeführt; die Trommeln und das Becher- werk werden maschinell bewegt. Nach drei Korngrößen geschieden, fällt <iie Glätte in Fülltrichter, welche durch eine dichte Trennungswand hin- durch bis auf die Sohle des danebenliegenden Packraums reichen und mit Verschlußschiebem versehen sind. Eine Gefährdung der Arbeiter durch Glättestaub ist bei dieser Art des Glättesiebens so gut wie ausge- schlossen^^.

Auf derselben Hütte hat man an einem neu erbauten Bleischacht- ofen mehrere Vorkehrungen getroffen, welche ein Femhalten der Arbeiter aus der unmittelbaren Nähe des Ofens während des regelmäßigen Betriebes ermöglichen. Zunächst ist der Ofen (Fig. 46 und 47) mit dem Arent- schen Bleistich versehen, d. h. der Versumpf Ä kommuniziert mit dem Ofeninnem, sodaß das frühere periodische Abstechen, bei welchen die Arbeiter nahe am Ofen starken Bleiverflüchtigungen ausgesetzt waren, weggefallen ist. Aber auch das Auskellen des flüssigen Bleies aus dem Vorsumpfe wird gefährlich, wenn nach dem Abschöpfen der kühleren Bleioberfläche das heiße, dampfende Blei ans dem Ofeninnem nachsteigt Man läßt deswegen das Blei aus dem Vorsumpfe durch Oeffnung des an dem Hebel to befestigten Ventiles v, oder durch Oefihung eines kleinen Stichloches mittels des Sticheisens in die Einne a ab. Entweder ist dann die Rinne beweglich und wird mit einem langen Haken im Elreise von Mulde zu Mulde bewegt, oder das Blei fließt aus der feststehenden ttinne in die auf dem endlosen Bande e angebrachten Bleiformen b ab ; das Band e wird durch Drehung der Kurbel- und Zahni^der d in dem Maße vor- wärts bewegt, wie die Formen aus dem Vorsumpfe gefüllt werden; aus den Formen fallen die Bleimulden schlieBlich von selbst auf den unter- geschobenen Transportwagen. Bei dieser Art des Bleiabstechens ist der Standpunkt des Arbeiters so entfernt vom Ofen, daß eine unmittelbare OefUirduug durch verdampfendes Blei verhütet ist^®.

Zur Aufnahme der Schlacke aus den Bleischachtöfen dienen meistens kleine kegelförmige EiscAtiegel, welche alle S 4 Minuten geftOlt sind und l^ewechselt werden müssen, wobei die Schlackenläufer nahe an den stark

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dampfenden Schlackenstich herantreten müssen. Vorteilhafter ist die Ver- wendung großer Schlackenwagen, wie sie von Leder in Quedlinburg aus Hartguß hergestellt werden. Auf der Friedrichshütte steht unter der Schlackenrinne zunächst ein großer Ueberlaufhund von derselben Form wie der Leder'sche Schlackenwagen J^ oder ein fahrbarer, mit seit-

f\%, 46. Unterer Teil eines Bleischachtofens mit Arent'schem BleibmnneD, Schnts- haoben Ober der Schlackenrinne und dem Vorsnmpf, Bleimnldentraosportband nnd grofteü Schlackenwagen.

Fig. 47. Grandria sa Fig. 46. 76

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 487

lichem Stichloch versehener Vorherd (7, in welchem sich Bleistein und reiche Schlacke von der leichteren armen Schlacke mechanisch trennen. Die letztere fließt sodann in den Schlackenwagen J über, welcher in der Stunde nur einmal gewechselt wird. Nur bei dem etwa alle 4 Stunden vorzunehmenden Wechseln des XJeberlaufhundes , welcher sich bis jetzt besser bewährt hat, als der Vorherd, kommen demnach bei regelmäßigem Betriebe die Schachtofenarbeiter auf kurze Zeit in die Nähe des Schlacken- Stichloches * ®.

Man ist femer oft in der Lage, diejenigen Apparate, welche Staub, Dämpfe und Gase in gefahrbringender Menge entwickeln, so isoliert aufzustellen, daß wenigstens nur die an diesen Apparaten selbst beschäftigten Arbeiter unmittelbar unter der Luftverunreinigung zu leiden Imben. Es gilt dies namentlich von den Staub erzeugenden Zerkleinerungsapparaten (vergl. die vorher erwähnte Friedrichs- hütter Glättesiebvorrichtung), doch steht meistens nichts im W^e, auch einzelne, besonders reichlich metallische oder saure Dämpfe und Gase entwickelnde Oefen (z. B. die Treiböfen auf Bleihütten) und Apparate für die nasse Metallgewinnung (z. B. die Gefäße zur Lösung des Silbers in Gold-Silberlegierungen durch kochende konzentrierte Schwefelsäure, die Holzbottiche zur Herstellung von Goldchlorid aus goldhaltigen Massen durch eingeleitetes Ghlorgas, die Apparate zur Ausfällung von Kupfer aus Laugen oder von Arsen aus Schwefelsäure durch Schwefelwasser- stoff) in gesonderten Räumen aufzustellen. Ebenso wird man die Ver- packung der leicht verstaubenden Hüttenprodukte, z. B. des Arsen- mehls (arsenige Säure), des Rotglases (Schwefelarsen), der Bleiglätte, der Bleifärbe (Gemisch von Bleioxyd und Zinkoxyd vom Entsilbem des Werkbleies durch Zink), des Zinkoxyds, des Thomasschlackenmehls, des Schlackenzements schon zur Verhütung einer Verunreinigung und Ver- zettelung dieser Stoffe in abgetrennten Räumen vornehmen ; um in diesen und anderen staubigen Räumen ein Aufwirbeln der feinen Teilchen zu verhüten, empfiehlt sich eine Wasserbesprengung des zur leichteren Reinigung glatt herzustellenden Fußbodens und, wenn es ohne Nachteil geschehen kann, auch des staubentwickelnden Materials, in welchem mit Schaufeln oder sonstigem Gerät gearbeitet werden muß. Für die Räume der Thomasschlackenmühlen hat sich das Einblasen von Dampf zur Anfeuchtung und Niederschlagung des Staubes besser bewährt, als die Wasserzerstäubung, bei welcher das Eindringen von Wassertropfen durch die Umkleidungen der Apparate in das Mahlgut und die dadurch herbeigeführte Zusetzung der Siebe nicht sicher verhütet werden kann ^^

Die isolierte Aufstellung der Betriebsapparate ist nun aber einer- seits vielfach technisch undurchführbar und andererseits auch nur ein unvollkommenes Schutzmittel in sofern, als die diese Apparate bedienen- den Arbeiter doch immer unmittelbar gefährdet bleiben und der feine Staub, sowie die Dämpfe und Gase durch Thüren, Fenster und Ven- tilationsöffnungen allzureichlich auch an entferntere Arbeitspankte zu gelangen vermögen. Darum muß man weiter gehen, und an den Apparaten selbst Vorkehrungen treffen, welche ein Entweichen der die Luft verunreinigenden Stoffe in die Arbeitsräume oder überhaupt ins Freie von vornherein verhindern.

Das nächstliegende und namentlich für stauberzeugende Zerkleine- rungs- und Siebvorrichtungen oft mit Erfolg verwendete Mittel dieser Art ist die dichte Ummantelung des ganzen Apparates, welche wegen

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der leichten VerbreituDg der LuftverunreiniguDgen sehr oft von größerer Wichtigkeit ist, als die UmmanteluDg der doch immer nur den ein- zelnen Arbeiter darch unmittelbare Berührung gefährdenden, bew^ten Maschinen- und Transmissionsteile.

Ein hierher gehörendes Beispiel ist bereits in der oben beschrie- benen, in allen Teilen ummantelten Glättesiebevorrichtong der Friedrichs- hütte angeführt. Ebenso versucht man in Thomasschlackenmühlen das Austreten des gefiihrlichen Staubes in die Arbeitsräume zunächst durch möglichst dichte Ummantelung der Zerkleinerungsmaschinen und Sieb- vorrichtungen sowohl, wie der zur Bewegung des Mahlgutes dienenden Becherwerke, Kanäle und Bohrleitungen zu verhüten, wie es z. B. an den Modellen der Thomasschlackenmühlen der Gebrüder Stumm in Neunkirchen, des Bochumer Vereins und der Dortmunder Union auf der Unfallverhütungsausstellung in Berlin 1889 ersichtlich war^<^, ^^. Das Mahlen der Thomasschlacke, welche in der Stumm' sehen Mühle von Hand und mittels Steinbrecher und Walzengänge vorzerkleinert wird, er- folgt in den drei Anlagen und auch in einer von der Firma Schüchter- mann und Krämer (Dortmund) in der Zeichnung in Berlin ausgeetelltea Thomasmühle auf Kollergängen; die letzteren müssen aber ebenso wie die Walzen-, Mahl- und Scheibenmühlen, Beschickungsö&ungen haben, aus denen Staub au&uwirbeln vermag, und erfordern, auch wenn zur Er- zeugung eines mit der Stückgröße wechselnden Druckes der Tisch be- weglich gemacht wird, Vorrichtungen zum Sieben des feinen Mehles von den gröberen Stücken und zum Bücktransport wenigstens der letzteren auf den Mahlapparat Hiemach besteht die gesamte Anlage aus einer Beihe von teils mechanischen, teils von Hand bedienten Vorrichtungen, welche, da es sich um ein sehr feines Mahlgut handelt, durch Eisenblech- umkleidungen oder gar durch bewegliche Segeltuchgardinen, wie bei der Anlage der Dortmunder Qnion, nicht staubdicht erhalten werden können. Das Einblasen von Wasserdampf in die Apparate zur Niederschlagung des Staubes hat sich bei Versuchen in Neunkirchen wegen der Siebver- setzung durch zusammengebackenes Mehl als undurchführbar erwiesen. Ein besserer Erfolg ist bei der Verwendung der ganz geschlossenen Kugel- mühlen zu erwarten, wie solche von der Mansfelder Kupferschiefer^ bauenden Gewerkschaft seit dem Jahre 1875 zum Mahlen des Spur- oder Konzentrationssteines verwendet werden. Die Erbauer dieser Kugel- mühlen, die Gebrüder Sachsenberg in Boßlau a. E. haben sich auch um den von Otehr, Stumm in Neunkirchen unter dem 28. Mai 1888 ausgeschriebenen Preis von 10000 Mark für die beste Arbeit über den Schutz der Arbeiter in Thomasschlackenmühlen gegen Staubeinatmung mit einem Projekt beworben, welchem Kugelmühlen zu Grunde griegt waren. Neben zwei Arbeiten von A. Was um in Bochum und G. F. Zimmer in London, welche die Kollergänge der vorhandenen Anlage beibehielten, ist dieses Projekt prämiiert worden. Die Sachsenberg- sehe Kugelmühle (Fig. 48 und 49) besteht aus der Trommel Ä mit einem äußeren Mantel B aus Schmiedeeisen und einem inneren Mantel (7, der eigentlichen Mahlfläohe, aus Guißstahlplatten, mit welcher auch die Stirn- seiten der Trommel im Innern gepanzert sind. Die beiden Hohlzapfen D und D, laufen in Lagern aus Teakholz. Durch den Zapfen D gelangt das Bohmaterial, welches dem Apparate mittels einer verstellbaren Auf- gebevorrichtung und Bohranschluiß gleichmäBig zugeführt wird, in das Trommelinnere und zwischen die darin be&i<Uichen, bei der Bewegung

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 489

der Trommel gegeneinander rollenden und fallenden Kugeln; es wird zermalmt, fällt durch die Schlitze oder Löcher des inneren Mantels C auf das Schutzsieb E und durch dieses auf das feine Sieb F. Das durch F fallende, genügend feine Mehl gleitet auf der schr&gen äußeren Mantel- flache B in den an der äuHeren Stirnwand liegenden Kanal O^ aus dem es bei der Umdrehung der Mühle in den Hohlzapfen D, und den damit verbundenen, durch Füzscheiben abgedichteten Kopf des Auslaufes der

Fig. 48. Fig. 49.

Kngelmflhle sum staabloMo Vermählen harter und spröder Materialeo.

Mühle gelangt Die noch nicht genügend zerkleinerten Stücke gleiten von dem Siebe in den Kanal (7, durch welchen sie in das Innere der Mühle zu erneuerter Mahlung zurückgeführt werden. Nach denselben Prin- zipien sind die Kugelmühlen von G r u s o n in Magdeburg und L ö h n e r t in Bromberg konstruiert. Der letztere bezeichnet seine Mühle auch als Kugelfallmühle, weil die einzelnen, den inneren Mantel bildenden Platten 80 aufgebogen sind, daB das Ende der einen Platte immer etwas höher liegt, als der Anfang der folgenden, und weil dadurch die Fallwirkung der rotierenden Kugeln erhöht wird. Beide Mühlen haben durchgehende Wellen und zur Austragung des Mahlgutes an der unteren Seite eine trichterförmige Fortsetzung des Blechmantels, mit welchem der ganze Appiurat dicht umgeben ist.. Ueber eine neue Konstruktion der Kugel- mühlen hat kürzlich J. Pfeiffer in Kaiserslautern einen Vortrag ge- halten ; danach besteht der als „Horizontalkugelmühle mit Windsichtung*' bezeichnete Apparat im wesenüichen aus einem doppelwandigen Eisen- cylinder, in welchem durch ein an stehender Welle befestigtes Armkreuz 7 Stahlkugeln in einer horizontalen konkaven Mahlbahn herumbewegt

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"werdeD. Die Einführung des Rohmateriales erfolgt von oben her durch einen zentralen Trichter, welcher sich an einen feststehenden Anfischütt- trichter anschließt und mit dem Annkreuz, bezw. der stehenden WeUe rotiert. Aus der Mahlbahn wirbelt der Staub in dem Innenraume des Apparates empor und wird, wenn er den gewünschten Grad der Einheit bezw. Leichtigkeit erreicht hat, von einem an der stehenden Welle be- festigten Ventilator nach oben durch eine ringförmige Oefifnung der Decke des Innenraumes abgesaugt und in den durch den äußeren und inneren Cylindermantel gebildeten Raum herausgeschleudert. In diesem Baume wird das fertige Mahlgut durch Streicher, welche an der Welle befestigt sind und mit dieser rotieren, der Austrageöfihung zugeflEÜirt. Der Apparat soll wesentlich billiger arbeiten als die Vertikal - Kugel- mühlen (Stahl und Eisen, 1894, S. 485).

Gegenüber den sonstigen Zerkleinerungsvorrichtungen haben die Kugelmühlen vom Standpunkte der Staubverhütung den großen Vorteil, daß der von der äußeren Umgebung völlig abgeschlossene Apparat das fertige Mahlgut in einer Operation liefert, daß also alle, als Staub- quellen anzusehenden Siebe und Transportvorrichtungen von einem Zex- kleinerungsapparat zum anderen fortfallen.

Wichtiger noch, als für die Zerkleinerungsvorrichtungen, ist die Ummantelung bezw. der Abschluß gegen die äußere Umgebung f ü r die Vorrichtungen zur Abscheidung der Metalle auf trockenem Wege, die Oefen. Meistens bilden bei denselben allerdings die Ofenwandungen selbst eine mehr oder weniger dichte Ummantelung des Raumes, in welchem sich die gesundheitsschädlichen Verflüchtigungen bilden. Das ist aber nicht der Fall bei den offenen Rösthaufen und den zumeist auch nur teilweise von Mauerwerk umschlossenen Stadeln, welche zum Rösten von armen Erzen (z. B. der schwefelkieshaltigen Bleierze in Lautenthal und auf der Herzog JuUushütte im Harz und der queck- silberhaltigen Fahlerze auf der Stephanshütte in Ungarn), von bitnmen- haltigen Erzen (Mansfelder Kupferschiefer) und von Blei- und Kupfer- steinen angewandt werden. Wenn nun auch die Temperatur an den Außenflächen der Haufen und Stadeln nicht so hoch ist, daß vom Quecksilber abgesehen Metallverflüchtigungen zu befürchten sind^ so ist doch schon wegen der unmittelbar ins Freie gelangenden schwefligen und zuweilen auch arsenigen Säure die vollständige Verdrängung dieser Vorrichtungen durch geschlossene Oefen erwünscht. Ebenso verhält es sich mit den zur Darstellung von Blei (schottischer und amerikanischer Bleiherd) und von Garkupfer aus Rohkupfer verwendeten, offenen Herd- öfen, bei welchen die durch den Gebläsewind erzeugte hohe Temperatur zu Metall Verflüchtigungen führt, für deren Beseitigung die über den Herden angebrachten Rauchhauben nicht ausreichen. Offen sind auch die Kessel, welche zum Entsilbem des Werkbleies nach Parkes oder Pattinson dienen; dieselben müssen deswegen durch eine Haube dicht abgeschlossen werden , sobald die Temperatur des Bleibades bis zur Metallverflüchtigung steigt (z. B. beim Dampfen).

Aber auch bei den Schacht-, Flamm- und Gefftßöfen ist der Ab- schluß des Ofeninnem kein vollkommener.

Die Schachtöfen haben zunächst am oberen Ende, der Gicht, eine Oeffnung zum Aufgeben der zu erhitzenden Stoffe und der Brenn* materialien ; dieser Oefihung strömen auch die im Ofeninnem entstehen- den Gase und Dämpfe zu, sie kann daher nur dann ganz frei bleibe.

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 491

wenn die Verflüchtigungen, wie bei den Eisensteinröstöfen, ungefährlich sind. Enthalten die Ofengase aber gesundheitsschädliche Stojffe oder haben dieselben bei dem Austritt Entzündungstemperatur (helle Gicht), so muß man zum Schutze der an der Gicht beschäftigten Arbeiter zu- nächst für eine möglichst vollkommen wirkende Gasableitung Sorge tragen (vergl. unten S. 500). Geschieht die Auffangung der Verflüch- tigungen unterhalb der Beschickungsoberfläche, so kann man in den meisten Fällen mit offener Gicht arbeiten, da die im Beschickungs- trichter angehäuften Materialien einen genügenden Abschluß bilden ; erweist sich dieser Abschluß aber als nicht gasdicht oder werden ge- sundheitsschädliche oder brennbare Gase oberhalb der Beschickungs- oberfläche abgefangen, so ist ein Gichtverschluß vorzusehen, welcher eine ungefährliche Beschickung des Ofens zuläßt. Einfache Schieber, Deckel und mit Thüren versehene Blechgehäuse sind unzureichend, weil sie zum Beschicken geöfi^net werden, und die Aufgeber nahe herantreten müssen. Als Beispiele vollkommenerer Verschlüsse mögen folgende erwähnt werden:

Der V. Hoff 'sehe Apparat (Fig. 50) besteht aus dem Beschickungs- trichter d, welcher durch den (Parry' sehen) Kegel a gegen das Ofen- innere und durch die Glocke e nach auHen hin abgeschlossen wird; die Glocke e ist am oberen und unteren Rande ombördelt und greift in ent- sprechende, mit Wasser gefüllte Binnen am Gasableitungsrohr c und am Ofenmantel ein. Zum Beschicken wird die Glocke e angehoben, die Be- schickung in den Trichter d gestürzt und hierauf e wieder gesenkt. Dann wird der Kegel o, dessen Gasrohr b sich teleskopartig in der Gasleitung c bewegt, durch Hebel gesenkt, worauf die Beschickung durch den ring- förmigen Schlitz zwischen Kegel und Trichter in den Ofen gelangt; das Austreten von Ofengasen an der Gicht ist dabei durch den Wasserver- schluH der Glocke e verhindert.

Die Langen 'sehe Vorrichtung (Fig. 61) besteht aus dem an der gußeisernen Platte a befestigten Beschickongstrichter b, welcher durch die bewegliche Glocke d verschlossen wird. Die in dem Baume zwischen der Glocke und dem Trichter befindliche Beschickung wird durch An- heben der Glocke in den Ofen herabgelassen. Der Deckel der Glocke

«. . , ^:,*?' ;, u Kg- 51. GIchtverschlufs

G.chtver«ihlttÄ durch ^^^ L»ngen'.che Glocke.

Parry' sehen Trichter. *

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4d2 8ABGER,

greift mit dem xungebogenen Rande in die am centralen Oasableitongs- rohr befestigte Rinne e ein, welche zum gasdichten AbschloB mit Wasser gefallt ist (Kerl, Allgem. Hüttenkunde, S. 157). Eine Vereinigong der Langen'schen und v. Höfischen Apparate ist die Buderns'sche Vorrichtung (Schnabel, Allg. Hüttenkunde, S. 499).

Bei dem Schachtofon - Gtichtverschluß von E. Honold (D. B. P. No. 64 269) ist der Gichttrichter unten durch einen Klappboden, oben durch einen Deckel verschlossen. Wenn die selbstthätig eintretende Senkung eines Oegengewichtshebels anzeigt, das der Trichter ein be- stimmtes Beschickungsgewicht angenommen hat, schlieBt man den Deckel und läßt durch Oeffnung des Klappbodens die Beschickung in den Ofen herabfallen. Der Trichter selbst ist mittels eines in einen Wasserab- schlufi tauchenden Randes gegen den Ofen abgedichtet. Ein ähnlicher doppelter Oichtverschluß ist auch bei den Schachtöfen auf der Queck- silberhütte zu Idria vorgesehen.

Im unteren Teile der Schachtöfen befinden sich femer Oeffhungen oder Schlitze zur Einleitung der Verbrennungsluft und darunter zum Ausziehen der festen (gerösteten) oder zum Ablassen der geschmolzenen Massen. Aus den ersteren, den Formöffhungen, bez. aus den dieselben verschließenden Düsen ist ein Austreten der Ofengase natürlich nur beim Stillstande der Gebläse zu befürchten, dann aber durch Schließen der Drosselklappen oder der selbstthätigen Rückschlagventile zu ver- hüten (s. oben S. 464). Dagegen ist es nicht ausgeschlossen, daß die im Ofeninnem entstehenden Gase und Dämpfe (z. B. bei zu dichter Beschickungssäule oder mangelndem Zuge) aus den zum kontinuierlichen Abfluß der geschmolzenen Massen bestimmten, offenen Augen der Tiegel- und Spuröfen mit herausgedrängt werden. Diese Ofengase, deren Aus- treten übrigens bei der Wahl einer anderen Zustellung (Tiegelofen mit geschlossener Brust, Spurofen mit verdecktem Auge) ausgeschlossen ist, kommen aber der Menge nach gar nicht in Betracht gegenüber den Gasen und Dämpfen, welche aus den außerhalb der Oefen in offene Rinnen, Wagen, Tiegel und Sümpfe abgelassenen, bezw. ausgezogenen, geschmolzenen und glühenden Massen ins Freie entweichen. Die Un- schädlichmachung dieser Verflüchtigungen geschieht im allgemeinen durch die noch zu erwähnenden Absaugevorrichtungen, welche mit mehr oder weniger dichten Ummantelungen der Rinnen, Gefäße und Sümpfe in Verbindung stehen. Haben die unten abziehenden Produkte der Schachtöfen feste Form, wie beim Rösten schwefelhaltiger und beim Verdampfen quecksilberhaltiger Erze, so werden die zur Aufioabme der glühenden Massen bestimmten Gefäße mit Vorteil in abgeschlossenen^ unter der Ofensohle befindlichen und mit dem Ofen durch einen Kanal verbundenen Räumen aufgestellt und erst nach dem Erkalten dei glühenden Produkte abgezogen oder mit einem dichten Deckelverschluß für den Transport versehen.

Das Entweichen von Dämpfen und Gasen aus geschmolzenen Ofen- produkten (namentlich aus Schlacken, Steinen und Speisen) wird häufig durch Granulation derselben mittels Wasser verhütet.

Bbäunino hat dieses Verfahren, welches sich auch fftr geschmolzene Flammofenprodukte eignet, bei den Eupferschmelzöfen in Nordamerika weit verbreitet gefunden. Man läßt dort die Schlacke aus den Flamm- öfen unmittelbar in unterirdische, mit WasserzufluH versehene Bassins

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laufen, axi8 welchen das granulierte Produkt entweder durch Elevator^i surückgehoben oder (auf den Montana Works) bei genügendem Oefillle durch das Wasser in Kanälen auf die tiefer liegende Verladesohle geführt wird. Diese Einrichtung gewährt nicht allein Schutz gegen die lufbverunreinigenden Verflüchtigungen, sondern auch gegen die Hitze am Ofen und die Verbrennungsgefahr beim Transport der feuerflüssigen Massen *^.

Die Wandungen der Flammöfen umschließen im allgemeinen deu Feuerangsraum, den durch die Feuerbrücke davon getrennten Herd- oder Arbeitsraum und den Fuchs, durch welchen die Verbrennungsprodukte Hud die Dämpfe und Gase in die Esse oder den dahin führenden Kanal entweichen. Diese Wandungen haben je nach der Konstruktion der Oefen folgende Oefhungen, aus welchen Luftverunreinigungen in den Arbeitsraum gelangen können: 1) Die SchüröjSTDungen im Feaemngs- raum, sofern derselbe, wie es meistens der Fall ist, mit Planrosten aus- gestattet ist (Röstöfen für zerkleinerte metallhaltige Körper, Schmelz- und Baffinieröfen für Blei und Kupfer, Puddel- und Schweißöfen u. s. w.). Aus den Schüröfinungen gelangen die reichlich mit unverbrannten Kohlen- teilchen und Ruß beladenen Feuergase in den Arbeitsraum, wenn fehler- haft oder absichtlich zur Erzeugung einer reduzierenden Flamme die Luftzufuhr beschränkt und der Rost zu stark mit Kohle beschüttet wird. Die vielfach verwendeten Vorsetzbleche verhindern dieses Zurück- schlagen der rußigen Flamme nur unvollkommen, weil sie sich leicht verziehen und undicht werden ; besser schließen schon Thüren, welche sich in Angeln vertikal drehen, und Schieber, welche mittels Rollen auf einer Schiene vor dem Schürloche hin und herbewegt oder mit Hilfe von Gegengewichten gehoben und gesenkt werden. Am dichtesten wird aber der Verschluß, wenn das Brennmaterial von Zeit zu Zeit in be- stimmter Menge aus einem , vor der SchüröfFnung angebrachten , stets gefüllt zu haltenden Trichter herabgelassen und auf dem Roste ausge- breitet wird. Treppenroste sind fast immer mit solchen Fülltrichtern versehen, welche dann zugleich ein selbstthätiges Nachschüren des Brennmaterials gestatten. Bei der Verwendung von gasförmigem Brenn- material (Generatorgas, seltener Wassergas und Gichtgas), fallen die SchüröjSTnungen am Ofen ganz fort, doch hat man dann für einen gas- dichten Verschluß der Schüröfinungen an den Generatoren zu sorgen. Zuweilen wird dieser Verschluß durch das über der Aufgebeöfinung an- gehäufte Brennmaterial selbst gebildet, meistens wird aber diese in der Decke des schachtförmigen Vergasungsraumes befindliche Oeffhung durch einen Deckel mit umbördeltem Rande, welcher in einem Falz der Decke mittels Sand oder Wasser abgedichtet ist, verschlossen; man wendet auch wohl besondere, mit einem Deckel ähnlich verschlossene Füll- trichter an, welche durch Oeffhung eines Schiebers (Bischoffs Gene- rator) oder durch Herablassen eines Konus (wie beim Parvy' sehen Trichter) in den Gasschacht entleert werden können.

2) Die Oefinung zum Aufgeben der Beschickung; handelt es sich dabei um größere Stücke (z. B. Roheisen, Schwarzkupfer) oder um ge- ringe Durchsatzmengen, so wird zu diesem Zwecke gewöhnlich eine der seiüichen Arbeitsömiungen benutzt. Größere Mengen feinen Roh- materials werden dagegen meistens durch Oefinungen im Ofengewölbe aufgegeben; diese Oefinungen erhalten entweder einen gasdichten Ver- schluß durch das Beschickungsmaterial selbst, welches in mit Schiebern

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verseheDen Fülltrichtern darüber angehäuft ist, oder man sieht besondere Verschlußdeckel vor, welche auch, die Form einer mittels eines Krahnes beweglichen Haube annehmen können.

3) Die Arbeitsöfinungen, welche an den Seiten in einer hauptsäch- lich nach der Größe des Herdes sich richtenden Zi^ angeordnet sind. Aus denselben treten die im Ofeninnem entstehenden VerflüchtiguDgen, sowie die unverbrannten Kohlen- und Rußteilchen, welche über die Feuerbrücke und zuweilen bei abgestellter Verbrennungsluft (z. B. beim Schüren und Rosten) aus den Generatoren in den Herdraum gelangen, in den Arbeitsraum aus. Das läßt sich zum Teil durch die auch sonst (zur Regelung der Luftzufuhr) erforderlichen Vorset^bleche, Thüren und Schieber, wie bei den Schüröflfnungen, verhüten. Ein vollkommenerer Ver- schluß ist erwünscht, wenn bei den Flammöfen Gebläsewind verwendet wird, die im Ofeninnem entstehenden Verflüchtigungen also leicht aus den Arbeitsöffnungen herausgedrängt werden können (Raffinier-, Spleiß- und Treiböfen). Einen solchen vollkommeneren Verschluß zeigen die großen viereclagen Treiböfen in Przibram (Böhmen); bei denselben ist die den Formen gegenüberliegende, bei den runden Treiböfen offene Arbeitsöffnung durch eine vertikal bewegliche Thür geschlossen, welche nur zum Glätteablassen von Zeit zu Zeit ein wenig angehoben wird*'.

4) Die Oeffnungen zur Entfernung der Produkte aus den Flamm- öfen. Dazu dienen, soweit es sich um feste oder teigige Produkte handelt (Röstgut, Rückstände vom Bleierzschmelzen, Eisen- und Stahl- luppen) meistens die Arbeitsöffnungen. Die flüssigen Produkte gelangen entweder ebenfalls durch die Arbeitsöffnungen aus dem Ofen (Glätte und Abstrich aus dem Treibofen, Blei aus dem Kämthner Flammofen, Schlacke aus dem Kupferschmelzofen), oder sie werden in einer sumpf- artigen Vertiefung des Herdes gesammelt und am tiefsten Punkte aus einer Oeffnung (Stichloch) abgestochen, welche gewöhnlich verschlossen ist Die Auszieh- und Stichöffnungen bieten hiernach den Verflüch- tigungen aus dem Ofeninnem keine besonderen Auswege, wohl aber findet, wie auch bei den anderen Ofenarten, aus den außerhalb der Oefen befindlichen, glühenden und geschmolzenen Massen ein Entweidien flüchtiger Stoffe statt. Sind die Verflüchtigungen gesundheitsschädlich (bleiische, arsenikalische, quecksilberhaltige, schwefligsaure Dämpfe), so vermeidet man ein Austreten derselben aus festen Stoffen in den Ar- beitsraum, wie bei den Röstschachtöfen, vielfach dadurch, daß man die glühenden Massen in geschlossene, unter dem Herde befindliche Bäume oder Kanäle auszieht, aus welchen der weitere Transport erst nach der Abkühlung durch fahrbare Gefäße oder Transportschnecken stattfindet. Auf der Friedrichshütte in Oberschlesien hat man fQr die teigigen Rückstände aus den Bleierzschmelzflammöfen folgende Aushadkvor- richtung dieser Art getroffen:

Unterhalb der Arbeitsöffnung b (Fig. 52, 63, 54), durch welche die glühenden Rückstände früher in offene, vor dem Ofen stehende Ge&ße ausgehackt wurden, befindet sich innerhalb der Ofenwandungen eine Nische a, welche mit dem Ofeninnem durch die gewöhnlich mit einem Eisenblech verschlossene Falluke c in Verbindung steht. Sollen die glühenden Rückstände ausgehackt werden , so wird der kegelförmige £isentiegel d unter die Falluke geschoben und die Nische durch das Vorsetzblech e, welches mit dem Schauloch f versehen ist, verschlossen. Dann können die Bleidämpfe aus den Rückständen nicht mehr in den

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Arbeitsranm gelangen, finden vielmehr einen Ausweg nnr durch die Fall-* loke in den Ofen zurück und aus diesem weiter in die Esse. Sobald der Tiegel gefüllt ist, wird er zur Auswechslung gegen einen leeren Tiegel mittels eines Ghibelwagens aus der Nische entfernt, dabei aber mit konischen Blechhaube bedeckt gehalten, bis an der Oberfläche der

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¥1g. 52. Bleischmeliflmmmofen mit Nische flir den Bfickstlndetiegel and Sehuts- faanbe Ober dem Bleistich.

Rückstände keine Dampfbildung mehr stattfindet^^. Dieselbe Vorrich- tung befindet sich auch an den Fortschaufiungsöfen fOr die sinternd zu röstenden Bleischliche.

Die sonstigen kleinen Oefinangen, wie die Schaulöcher in den Ar- beitsthüren, über dem Stich, am Fuchs u. s. w. werden durch Thon- pfiropfen, durch mit Thon ausgefütterte Rahmen, durch Schilder, welche ^ich nach Alt der Schlüs- sellochschilder von selbst schließen, durch Glas- oder

Glimmerscheiben ge- schlossen.

Die Fuchsöffnung end- lich dient zur Abführung der Verbrennungsgase und der metallischen und nicht metallischen Verflüchtig- ungen in die Essen. Ge- wöhnlich sind zwischen den Oefen und den Essen Pig. 58 (Schnitt ä^b su Fig. 5S).

Handlrach der Hyfiene. Bd. Vm. ^ 32

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gemauerte oder eiserne Rauchkanäle eingeschaltet, welche zur Verhfitmig des Austretens von Gasen und Dämpfen namentlich dann dicht, d. hl phne Fugen und Ritzen, sein müssen, wenn durch Gebläse im QfoD oder durch blasend wirkende, eingeschaltete Ventilatoren in den Ka- nälen Ueberdruck erzeugt winL In welcher Weise das Austreten der in den Rauchgasen enthaltenen gesundheitsschädlichen StoiSTe aus den Essenmündungen verhindert wird, soll unten erörtert werden.

Fig. 64 (Schnitt E^F sa Fig. 5S).

Bei den Gefäßöfen hat man im allgemeinen zwei wesentliche Teile zu unterscheiden : die Gefäße Cl^^pfe, Tiegel, Röhren, Retorten» Mufifeln, Kästen), in denen das zu erhitzende Material eingeschlossen ist» und den Raum, in welchem diese Gefäße durch festes oder gasförmiges Brennmaterial erhitzt werden. Der letztere, der Heizranm, welcher füs Schacht, Kuppel oder Herdflammofen gestaltet ist, hat die OeffnungOD zum Einsetzen der Gefäße, welche während der Erhitzung meistens ge- schlossen sind, bei festem Brennmaterial die Feuerungsöffhung, weldie wie bei den Flammöfen verschlossen wird, und die Abzugsöffnung für die Verbrennungsgase, welche die Verbindung mit der Esse herstellt Bei den älteren schlesischen Zinkdestillieröfen (zweiseitiger Herdflamm- ofen) fehlten die Essen, wenigstens befanden sich auf dem Ofengewölbe nur niedrige Abzugsschächtchen, aus denen die zum Teil unverbrannten Vear- brennungsgase beständig in den Arbeitsraum austraten; dieser Zustand besteht zum Teil noch fort, doch sind die Verbrennungsgase bei der allge- mein eingeführten Gasfeuerung (Siemens 'sehe Regeneratorfeuerung zum Teil im Rheinlande und Westfalen, Boötius'sche und Rekuperativ- Generatorfeuerung namentlich in Oberschlesien) vollkommener ver- brannt, sodaß ein Austreten von Ruß und Kohlenteilchen in den Ar- beitsraum nur noch bei Abstellung der Verbrennungsluft während des Röstens und Schürens der Generatoren zu befürchten ist. Besser ist

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es natürlich in jedem Falle, die Verbrennungsgase, wie es in neueren Anlagen auch allgemein geschieht, in höhere Essen abzuleiten.

Die zur Erhitzung dienenden Gefäße sind in einzeben Fällen ganz geschlossen (z. B. bei der Herstellung von Zement- und Tiegelgußstahl) ; wird in denselben jedoch eine Destillation (Zink, Quecksilber), eine Sublimation (Arsenikalien) oder eine Röstung (schwefelhaltiger Materialien) vorgenommen, befinden sich also Oeffnungen zur Ableitung der Ver- flüdatigungen in den Wandungen der Gefiäße, so werden diese Oeffiiungen durch die unten beschriebenen Kondensationsvorrichtungen verschlossen. Wenn man demnach für die Dichtung der Verbindungsstellen (nötigen- jEalls durch wiederholtes Verschmieren mit feuerfestem Material) Sorge trägt, so ist während der eigentlichen Erhitzungsperiode das Austreten von Verflüchtigungen aus dem Gefäß in den Arbeitsraum nur in sehr beschränktem Maße möglich. Dagegen können die Arbeiter durch Dämpfe und Gase stark belästigt und gefährdet werden, wenn die Ge- fäße zur Neubeschickung geöffnet und die glühenden Rückstände von der Röstung, Destillation oder Sublimation ausgezogen werden. Wie bei den Schacht- und Flammöfen zieht man deswegen vielfach die dampfenden Massen in Räume aus, welche von dem Arbeitsraume gänz- lich getrennt sind.

Eine Einrichtnng dieser Art zeigen z. B. die Zinkdestillieröfen der Hngohütte bei Antonienhütte in Oberschlesien (Fig. 55). Dort werden die glühenden Rückstände aus der Muffel Ä in den im Ofenfnndament ausgesparten, gewöhnlich mit einem Deckel a verschlossenen Kanal B ausgezogen, welcher die Nische mit einem unter der Arbeitssohle her- laufenden Raum verbindet. Zur Entleerung des Kanales B wird ein Kippwagen unter die untere Oeffnung desselben geschoben und die Ver-

Fig. 55. Schlesischer Zinkdestillierofen mit anter der Arbeitssohle mündenden Ans- hMskkanlleD, Miel eh en 'sehen Ballons, Sobutsblcch und Kanälen nur Ableitung der Knfllslgaae.

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schlnüklappe b mittels Zugstangen von der äußeren Mauer aus geöfiOiet, sodaß der Wagenstößer erst nach dem Erkalten der RückstiLnde an den Wagen heranzutreten braucht

In vielen Fällen ist das Ofeninnere doppelt ummantelt, indem die Eisenwandungen innen mit Gestübbe, feuerfestem Mauerwerk ausge- kleidet oder die gemauerten Wände mit Platten belegt sind. Das letz- tere hat sich namentlich bei den Schacht- und Flammöfen für die Quecksilbergewinnung als notwendig erwiesen, da die gemauerten Ofen- wandungen das Durchdringen von Quecksilber nicht verhindern. In Idria fdhrte deswegen Exeu im Jahre 1871 zuerst bei einem Flamm- ofen die Panzerung ein, welche nach und nach auf alle Oefen aus- gedehnt wird. Man stellt dort femer die Flammöfen (Schattröstöfen, Fortschauflungsöfen, SchOttöfen) auf eine genietete quecksilbersichere Blechtasse; £ese ruht auf in Zement ausgeführten, mit gußeisernen Platten abgedeckten Pfeilern, welche wiederum auf sorgf&ltig zemen- tiertem Boden mit eingebetteten gußeisernen Sammelgefäßen stehen, sodaß man ein Durchgehen von Quecksilber sofort wiübmdimen kann^^.

Immerhin ist eine vollkommene und dauernd dicht zu erhaltende Ummantelung der Apparate für die Metallgewinnung auf trockenem Wege selten vorhanden, oft sogar ausgeschlossen. Die Luft in den Axbeitsräumen und die der Hüttenumgebung wird darum auch immer mehr oder weniger verunreinigt sein. Demgegenüber ist das wirksamste Mittel die möglichst vollkommene Ableitung der festen und flüchtigen Luftverunreinigungen aus den Arbeits- räumen und, im Zusammenhange diunit, die Auffangung der schädlichen Stoffe aus den abgeleiteten Dämpfen und Gasen**.

Mit den im allgemeinen hierfür giltigen Regeln beschäftigen sich ein- gehend die Abhandlungen von Schmidt und Weyl über Lüftung und Heizung im 4. Bande, von Kraft über die Lüftung der Werkstätten im vorliegenden Bande S. 179 ff. des Handbuches. Es kann sich daher an dieser Stelle nur darum handeln, di^enigen Maßr^eln zur Ableitung und Un- schädlichmachung der festen und flüchtigen Luftverunreinigungen her- vorzuheben, welche für die Hüttenbetriebe die vollkommenste Wirkung versprechen. Dabei ist von vornherein hervorzuheben, daß man es in den seltensten Fällen allein mit festen oder flüchtigen Stoffen zu thun hat; es handelt sich vielmehr immer um ein Gemisch von metallischen und sauren Dämpfen, Gasen und mitgerrissenem Staube aus den Erzen und Brennmaterialien. Man bezeichnet dieses Gemisch als „Hütten- rauch^' und die in demselben enthaltenen festen Teilchen als „Flug- staub".

Mag es sich nun aber um feste oder flüchtige Luftverunreinigungen oder um ein Gemenge von beiden handeln, jedenfsdls sollte die Ab- leitung derselben immer möglichst derart am Orte ihrer Ent- stehung erfolgen, daß die gesundheitsschädlichen Stoffe an den Körper des Arbeiters überhaupt nicht oder doch nurin verdünnter ungefährlicherer Form herangelangen können. Die Durchführung dieses Grundsatzes bietet in den meisten Fällen keine besondere Schwierigkeiten, wie an einigen Beispielen gezeigt werden soll:

Die Zerkleinerungs- und Siebevorrichtungen sind, wie wir oben gesehen haben, meistens nicht vollkommen dicht zu ummantehi. Um das Austreten von Staub zu verhüten, bringt man deshalb wohl

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den von der Ummantelung umschlosseneii Raum durch Rohranschlüsse mit einer Saugvorrichtung (Ventilator, gefeuerte Esse, Körting 'sehe Strahldüse) in Verbindung, sodaß durch die offenen Stellen Frischluft eintreten, Staub aber nicht entweichen kann.

Sehr glücklich benutzt O. F. Zimmer dieses Verfahren in seiner prämiierten Thomasschlackenmühle (oben S. 488) zugleich als Ersatz für die Siebvorrichtungen ^^. In seiner pneumatischen Sortiermaschine (Fig. 66 zeigt die Schlackenmühle in Diagramm-Form) rutscht das Mahl- gut von der schiefen Ebene D in einen freien Raum, welcher durch das

Fig. 56. Zimmer' sehe ThomMscbUckeomttble in Diagrammform.

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Bohr 0 mit dem Ventilator V in Verbindnng steht. Der von dem Venti- lator erzeugte Luftstrom trägt das allerfeinste dorch das Bohr O bis in den Cyklon- Staubsammler, während die gröberen Teile je nach der Schwere in die Abteilungen Ä, B, C fallen, um von neuem zerkleinert und sortiert zu werden.

Am reichlichsten ist die Staubentwickelung an den Aufgebeöff- nungen fär pulverförmiges oder leicht zerreibliches Material und an den Austragsöffiiungen f%Lr die zerkleinerten Produkte. An diesen Stellen sind deswegen besondere Absaugevorrichtungen vorzusehen, welche um so vollkommener wirken, je näher sie, ohne die Arbeiter zu behin- dern, an die Oeffiiungen heranreichen. So befindet sich über der Auf- gabeöffiiung der Mansfelder Kugelmühlen für das Mahlen des vorge- rösteten und bereits einmal vorzerkleinerten Spursteinmehles der Auf- saugetrichter eines Staubkollektors (Patent E. Ereiss, Holhburg), welcher mit einem Doppelventilator versehen ist

Man sollte derartige Vorkehrungen, wo sie einmal erforderlich sind, so vollkommen wie möglich gestalten, denn der Staub, welcher in den Arbeitsraum ausgetreten ist, läßt sich durch die gewöhnlichen Venti- lationsvorrichtungeu nicht unschädlich machen. Es werden vielmehr bei dem natürlichen Luftwechsel durch Thüren, Fenster und Lüftungs- klappen sowohl, wie bei der künstlichen Lüftung durch Ventilatoren und Strablapparate die Staubteilchen beständig aufgewirbelt und in der Schwebe gehalten, unter Umständen sogar aus dem Inneren der Appa- rate nach außen gesaugt Die beste Wirkung ist in diesem Falle noch bei einer der natürlichen Bewegungsrichtung der festen Körperchen ent- sprechenden Absaugung nach unten zu erwarten.

Bei den Schachtöfen werden sowohl bei offener, wie bei ge- schlossener Gicht (vergl. oben S. 491) die Ofengase in der Mitte oder seitlich, über oder unter der Beschickungsoberfläche abgeleitet Bei offener Gicht geschieht die Ableitung meistens unterhalb der Be- schickungsoberfläche; man hängt dabei entweder einen Beschickungs- cylinder so in die Gicht, daß sich die Ofengase in dem ringförmigen Räume zwischen den Qrlinder- und Ofenwandungen sammeln und seit- lich abgeführt werden (P fort 'sehe Gasfang), oder man läßt durch die Gichtmündung ein centrales Bohr soweit in die Beschickung herab, daß die Ofengase durch dasselbe in der Mitte abgeleitet werden (Darby- scher Gasfang).

Zur gleichmäßigen Gasentziehung hat man die centralen und tangen- tialen Gasfänge auch kombiniert (Kerl, Allg. Hüttenk S. 153). Voll- kommener wirken naturgemäß diejenigen Gasf&nge, welche bei geschlossener Gicht mit den oben erwähnten Chargiervorrichtungen verbunden sind. Bei dem v. Hoff sehen Apparat (Fig. 60) werden die Gktse durch das Bohr c, hei dem Langen' sehen Apparate (Fig. 61) durch den mit dem Sicherheitsventil /*, der Sicherheits- und B^einigungsklappe h und dem Gasleitungsrohr g versehenen Gasfang e central abgezogen.

Die erforderliche Gasgeschwindigkeit wird bei den Schachtöfen, welche mit Gebläsewind arbeiten, zum Teil durch die Pressung des Windes, im übrigen aber durch Essen erzeugt; diese müssen um so größere Dimensionen erhalten, je größer die Widerstände sind, welche zur Zurückhaltung der wertvollen und schädlichen Bestandteile der

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Ofengase eingeschaltet werden. Unter Umständen, namentlich wenn die Ofengase stark abgekühlt werden, müssen zur Verstärkung oder znm Ersatz des Essenzuges Ventilatoren vorgesehen werden. Man darf aber natürlich mit der Oasgeschwindigkeit nur so weit gehen, daß, namentlich bei explosiblen Gasgemischen, keine Luft durch die Oicht oder undichte Stellen der Oasleitungen angesogen wird.

Die aus den unteren Ofenöflhungen herausgedrängten und aus den abgelassenen oder ausgezogenen, feuernüssigen oder glühenden Produkten entweichenden gesundheitsschädlichen Dämpfe und Oase werden am besten in möglichst nahe an die dampfenden Stellen heran- geführten Rauchhauben aufgefangen und, wenn dieselben be- sonders gefährlich (bleiisch, arsenikdisch, quecksilberhaltig) sind, durch Anschlußrohre mit einer Saugvorrichtung (Esse, Ventilator) in Verbin- dung gebracht, sonst aber über das Dach des Oebäudes herausgeleitet.

An den Friedrichshütter Bleischachtöfen (oben Fig. 46 und 47) sind JEJ und F solche in Chamieren bewegliche Hauben über der Schlacken- rinne e und dem Bleisumpf Ä] die Anschlußrohre S und S^ stellen die Yerbindong dieser Hauben mit dem Saugkanal eines Ventilators her. lieber den dampfenden Bleistein- und Schlackenwagen O und J befindet sich außerdem die mit beweglicher Klappe D und dem zum Dache heraus- führenden Blechrohr C versehene größere Haube B^^. Auf der Herzog- Juliushütte im Harz sind zu demselben Zweck folgende Vorkehrungen getroffen: Jeder der vorhandenen 10 Bleischmelzöfen ist durch einen zeltartigen, aus Wellblech hergestellten Mantel a (Fig. 57, 58) von dem

Fig. 57. Bl<Uchtcht5fan dtr H«nog Juliut HfttU im Hari mit Banehluuibtii , Abr sogt* und Fingstaabkanllen. Llngtsehnitt.

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Naohbarofen getrennt. Diese Zelte, deren Unterkante etwa 2 m über der Hüttensohle liegt, damit die Arbeiter in ihren Verrichtungen nicht behindert werden, umschließen den Schmelzofen am ganeen Umfange dicht und sind an der Hinterseite bis an die Gebäudewand verlängert^ während sie an der Arbeitsseite etwa 3 m weit in den Hüttenraum hineinreichen» Aus dem Scheitel dieser großen Rauchhauben führen die Bohre b die Dämpfe und Gase durch den Beschickungsboden noch etwa 3 m über

Fig. 58« BleUehachtSfeo der Henog Jalins Hfitte Im Han mit Baucbhaubra , Ab- Bugs- ond PlDgiUubkAnileD. QuartebolU la Fig. 67.

die Dachfirste hinaus. Um den Einfluß des Windes auf das Ausströmen der Gase aufzuheben, finden die Abzugsrohre b an der oberen Oeffnung in den Blechhauben c ihren Abschluß, welche in Kugelgelenken d leicht beweglich sind und sich selbstthätig nach der Windrichtung drehen (s. unten S. 640).

Besondere Erwähnung verdienen an dieser Stelle noch die Zug- schachtöfen. Die älteren Oefen dieser Art, bei welchen an Stelle des Gebläsewindes Essenzug trat, sind nur für ganz leicht schmelzliche Beschickungen (Bleierze in der Sierra von Garthagena) früher in An- wendung gewesen. Bessere Erfolge sind mit den Oefen erzielt worden, bei denen der Wind durch besondere Saugvorrichtungen in den Ofen geführt wird.

Die bekanntesten Oefen dieser Art sind die Herbert zischen Dampf- strahlöfen, welche namentlich ffir das Umschmelzen von Boheisen (als

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 503

Kupolöfen), aber anch für leichtflüssige Kupfer- und Bleierzbeschickung Verwendung finden. Bei einem Ofen der letzteren Art (Fig. 69) ist der Schacht Ä im oberen Teil gemauert (m), während der untere Teil von einer hohlen, ffir Wasserzirkulation eingerichteten Eisenwand e umgeben ist. Der Mantel des Schachtes wird durch die Säulen S getragen. Das Kühlwasser für die hohle Eisenwand tritt aus dem Gefäße Q durch das Bohr n in den unteren Teil der Wand ein und tritt am oberen Ende durch das Rohr g aus. Der Ofentiegel i mit dem Stichloch (x), der Abflußrinne y und den Schauöfifnungen w ruht auf den Schraubenspindeln /?, welche in den Säulenfüßen f bewegt werden können. Man kann somit die ringförmige Windeinströmungsöffiiung v durch Senken und Heben

Fig. 59. Herberti'seher Dampfstrahlofen.

des Herdes vergrößern oder verkleinem. Unter der Gicht, welche durch eine mittels Hebel und Gegengewichten bewegbare Glocke verschlossen wird, mündet das Gasleitungsrohr r ein, in welchem sich ein zweites mit einem Dampfinjektor versehenes Rohr befindet. Durch das äußere Rohr werden die Ofengase, nötigenfalls nach vorheriger Reinigung, der Esse zugeführt (Schnabel, Lehrb. d. Allg. Hüttenk.). Da in diesen Qefen durch die saugende Wirkung des Injektors ein Vakuum erzielt

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wird, welches bei Dampf von 4 5 Atmosphären 1 m über der Wind- einströmongsöffnong 40 60 mm Wassersäule beträgt, so ist nicht nur dem Austreten von Ofengasen aus den Ofenöfihongen vorgebeugt, sondern auch för eine Ventilation der nächsten Umgebung des unteren Ofens durch den saugenden Windschlitz gesorgt. Schmelzversuche, welche neuerdings behufs Reduktion von Zinn-, Blei- und Kupferaschen im Herbertz^schen Ofen vorgenommen wurden, haben einen sehr günstigen Erfolg gehabt (Chem. Ztg. 1894, S. 1907). Zur Reduktion von Eisenerzen ist der Ofen allerdings nicht geeignet, weil am Luftschlitz sofort Kohlensäure an Stelle des zur Reduzierung erforderlichen Kohlenoxyds entsteht.

Bei den Flammöfen erfolgt die Ableitung der im Ofeninnem entstehenden Dämpfe und Gase unmittelbar durch die Fuchsöfinung in den zu Esse führenden Kanal, wobei meistens sogar ein Nachströmen der kalten Luft aus dem Arbeitsraum in das heiße Ofeninnere statt- findet. Der umgekehrte Fall kann aber eintreten, wenn der Essenzug bei fehlerhafter (zu gering bemessener) Konstruktion der Esse, bei un- günstiger Witterung, namentlich aber bei Einschaltung zu großer Wider- stände behufs Reinigung des Hüttenrauchs, versagt. In solchen Fällen muß der Zug auf künstliche Weise geschaffen werden, indem man die Esse mit einer besonderen Feuerung (Lockfeuer) versieht oder Ventilatoren oder Strahlapparate in den Gasweg einschaltet. Hat man so für den Ofenzug gesorgt, so genügt es meistens, über den Stich- und Ausziehöffhungen Rauchha üben vorzusehen, welche möglichst dicht an die Oberfläche der geschmolzenen und glühen- den Ofen Produkte heranreichen oder durch Verschiebung heran- gebracht werden können. Das Abzugsrohr dieser Hauben bringt man am besten mit dem Ofeninnem oder mit dem zur Esse führenden Rauch- kanal in Verbindung, weil die nur zum Dache herausgeführten Abzugs- rohre der Rauchhauben bei ungünstiger Witterung versagen uud die gefährlichen Dämpfe und Gase, welche wegen des Gehaltes an Metall- verbindungen spezifisch schwerer sind, als die Luft, und darum nur langsam difiundieren, auch nicht weit genug fortführen.

In Przibram (Böhmen) hat man an den Sinteröfen für Bleierze folgende sinnreiche Einrichtung getroffen: Von der Arbeitsöffiiung d

(Fig. 60) aus wird das gesinterte Bleierz (Blei- schliche) durch die Fal- luke / nach unten abge- zogen ; zur Abführung der dabei aus dem Ofen

entweichenden Blei- dämpfe ist über der Ar- beitsöffnungdeine Rauch- haube g aus Eisenblech angebracht ; durch die Oeffiiung i eines mit der

Haube verbundenen Rohres c und durch den Kanal f von entsprechen- dem Durchmesser ge-

Pig. 60. Pr.lbramer Röstofen mit Raachabmugsvor- i,^«®^ Dämpfe in riehtoDg (g) über der Anshacköffnimg. die zur JiiSSe führenden

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 505

Züge a. Nach beendetem Anshacken wird die Hanbe g so weit an den OfeH herangeschoben, daß die Oeffiiong i des Rohres c sich innerhalb des Kanales / befindet, eine unnötig kühlende Luftzufuhr in die Züge a also vermieden wird^'. In Friedrichshütte hat man über dem Bleisumpf k der Flamm- öfen (Fig. 61 und oben Fig. 52 54) einen Rauchfang h angebracht, welcher in dem Abzugsrohr g teleskopartig durch Ghegengewichte bewegt werden kann. Das Rohr g fährt zur Zeit zum Dache heraus ; es ist aber beabsichtigt, dasselbe unmittelbar mit dem Essenzuge in Verbindung zu bringen. Bei richtiger Stellung des Rauchfanges wird schon jetzt der größte Teil der aus der Stichöfihung i und dem Bleisumpf k entweichen- den bleüschen Dämpfe abgeleitet, ohne erst im Arbeitsraume Unheil stiften zu können *•.

Fig. 61. Friedrichthfltter Bleitchmeliflammofen mit Bauchhaube (h) Aber dem Stieh.

Bei den Gefäßöfen kann die Ableitung der aus offeDen Töpfen, Tiegeln und sonstigen Gefäßen entstehenden Dämpfe und Gase, wenn es sich, wie bei den meisten in diesen Oefen vorgenommenen Schmelz- prozessen, um geringe Mengen unschädlicher und wertloser Verflüch- tigungen handelt, mit den Feuergasen aus dem Erhitzungsraum in die Ofenesse erfolgen. Wenn aber in den Betorten, Mufieln, Röhren, Tiegeln u. s. w. einzelne Bestandteile des Rohmateriales durch die Erhitzung möglichst vollkommen verflüchtigt werden sollen, ohne mit der atmosphärischen Luft oder den Feuergasen in Berührung zu kommen (Destillation von Zink und Quecksilber, Sublimation der Arsenikalien, Röstung schwefelhaltiger Materialien zur Schwefelsäuregewinnung), so erfolgt die Ableitung der entstehenden Dämpfe und Gase in Vorrichbingen (Kanäle, Röhren, Vorlagen), welche unmittelbar mit den Gefäßen in Verbindung stehen und zur Auffangung der verflüchtigten schädlichen und wertlosen Bestandteile in fester oder flüssiger Form dienen. Meistens endigen diese Vorrichtungen in Essen, sodaß im Arbeitsraum nur Vor- kehrungen zu trefifen sind, um die aus undichten Stellen der Ableitungs-

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Vorrichtungen oder ans den zuweilen vorhandenen Arbeitsöffiiungeii (z. B. bei den Muffelöfen zur Gewinnung arseniger Säure) austretendea Verflüchtigungen zu entfernen. Das kann, wie bei den Flamm- und Schachtöfen, durch Rauchhauben geschehen. VoUkommnere Vor- kehrungen zeigen die neueren Zinkdestillieröfen. Früher wurden die in schlesischen Muffeln oder belgischen Röhren unter der Emwirkung der Kohle (hauptsächlich in Form von EoUenoxyd) entwickelten Zink- dämpfe allgemein in kurzen Vorlagen aus feuerfestem Thon zu flüssigem Zink kondensiert, wobei die nicht kondensierten Zinkdämpfe (bis zu 20 Proz.) in vorgesteckte Tuten oder Ballons (Allongen) aus Blech übertraten. Diese Tuten und Ballons waren aber nicht dicht ver- schlossen, weil dann ein zu starker, die Destillation störender und die Zinkdämpfe aus den Haarrissen der Muffeln und Retorten heraus- drängender Druck im Innern der Oefaße entstanden wäre ; es befanden sich vielmehr in den Tuten und Ballons kleine Oeffhungen, aus denen die bei der Berührung mit der Luft zu Zinkoxyd verbrannten Zink- dämpfe, meistens mit Bleidämpfen und Eohlenoxydgas gemischt, in un- mittelbarer Nähe des Arbeiters in den Hüttenraum austraten.

Dieser Zustand besteht bei den belgischen Röhrenöfen noch fort. Auf der Dortmunder Zinkhütte hat man deswegen über der obersten Reihe der Vorstecktaten eine Rauchhaube angebracht, deren Esse 1 2 m über das Dach herausragt ^^ ; dabei kann aber die Ableitung der aus den unteren Reihen der Vorstecktnten entweichenden Dämpfe nur un- vollkommen sein und auch für die oberen Reihen versagen, wenn un- günstige Witterung herrscht. Wirksamere Vorkehrungen sind neben den ebenfalls zu findenden Rauchhauben bei den neueren schlesischen Muffel- öfen getroffen worden'^. Wo man die Ballons beibehalten hat, leitet man die Gase und Dämpfe entweder durch besondere KondensationB- vorrichtungen auf der Friedrichshütte in Oberschlesien durch Draht- filter — in die Ofenesse, oder sorgt schon durch die Konstruktion der Vorlagen oder der Ballons selbst ^r eine so vollkommene Kondensation, daß keine Zinkdämpfe mehr aus den Ballons in den Arbeitsraum aus- treten. So wurde dem Hütteninspektor Bugdoll ein Ballon (Fig. 62> patentiert (D. R. P. 11646), bei welcher das Spurloch durch die selbst- thätig schließende Klappe i verschlossen gehalten wird, während die mit einer kurzen Tülle versehene auf der Oberseite angebrachte Oeffiiung b einen Wattepfropfen erhält, welcher die zu Poussiere (Zinkstaub und Zinkoxyd) kondensierten Zinkdämpfe zurückhält, die übrigen Gase aber durchläßt. Von Zeit zu Zeit werden die Wattepfropfen in den Ballon geschüttelt und durch neue ersetzt. Femer ist versucht worden, eine Kondensation durch Verlängerung des von den Dämpfen in den Ballons zurückzulegenden Weges zu erzielen. Narciss Recha(D. R.P. 12 768) bringt über dem Ballon B (Fig. 63), dessen Spurloch a ebenfalls durch

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Fig. 68. Bogdoirseher BaUod.

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Fig. 96

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68. BaUod von

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Hygiene der Hüttenarbeiter.

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eine selbstthätige Klappe verschlossen wird, den Ballon B, an, welcher mit einem Reinigongs- nnd Explosionsdeckel g and dem geschmiedeten Abzngsröhrchen l versehen ist. Die bei / noch austretenden Dämpfe können durch einen an der Vorderseite des Ofens entlang geführten Schirm aufgefangen und in die Ofenesse oder über das Dach heraus abgeführt werden. Den Erben des Hüttendirektors Kleemann ist unter No. 65 656 ein Ballon patentiert worden, welcher aus zwei ineinander- geschobenen Hülsen besteht. Die Hülse g (Fig. 64) steht mit der Vor- lage a durch / in Verbindung und reicht mit dem vorderen Ende bis ncdie an die Verschlußklappe e der zweiten Hülse h. Die Muffel^ase müssen deswegen nach dem Durchströmen der Hülse g in der Hülse h bis zur Austrittsöf&iung i zurücktreten und gelangen, nachdem sie auf dem verlängerten Wege in dem Ballon vollkommener gereinigt worden sind, hinter dem Schutzblech p in den Abzugskanal k. Auf der Hugo- hütte bei Antonienhütte in Oberschlesien gelangen die Zinkdämpfe aus je zwei Vorlagen d (Fig. 65 und QQ>) durch die horizontelen Blechröhren c

Fig. 64. Kleemann'scher Ballon.

Flg. 66. Mielchen' scher Ballon.

in das gemeinsame weitere Blechrohr e, welches mit den Reinigungs- deckeln / versehen ist (vgl. auch oben Fig. 55). Durch die siebartig gelochten Bleche g treten die Dämpfe in den nach oben gerichteten Ab- gangsstutzen A, auf welchen der gemeinsame Mielchen^ sehe Ballon C (D. B. P. 18 635) aufgesetzt wird. Auf dem Boden des letzteren steht zunächst der durchlochte Blechteller i und auf diesem der Blechcylinder k, dessen Deckel ebenfalls durchlocht ist. üeber den Cylinder k ist dann ein zweiter Cylinder / geschoben, um welchen spiralförmig neun Blech-

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SAEOER,

Fig. 66. M S e 1 e h e n ' scher Ballon. (Zu Fig. 65.)

Flg. 67. BaIIod von Hollek und Feikis.

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ringe so genietet sind, daß dieselben dicht an die Wände des Ballons anschließen. Wenn die Moffelgase in dieser Vor- richtong den durch Pfeile sichtbar gemachten langen

Weg zurückgelegt haben, treten sie fast frei Y<m festen Bestandteilen aus zwei kleinen Oef&iungen des mit einmal Handgriff versehenen Ballon- deckels in den Arbeitsraum. Neuerdings ist von Hollek in Antonienhütte und Feikis in Arthurhütte bei Trzebinia inOesterreich folgende Ballon- konstruktion zur Patentier- ung angemeldet worden : Die Muffelgase treten, wie bei der vorher beschriebenen Ein- richtung durch die Eöhren BB, (Fig. 67, 68 und 69) und die Siebbleche f des unteren Kastens A in den oberen Kasten (7; in diesem sind

abwechselnd stemfonnig durchlochte imd undurdi- lochte Klappen i und h an- gebracht, durch welche die Gase in der Richtimg der eingezeichneten Pfeile zick- zackförmig hindurchstreichen müssen, um in gereinigtem Zustande aus dem Rohr k des Ballondeckels l auszu- treten. Die Klappen i und h sind um Chamiere derartdreh- bar, daü die Entleerung des Ballons C von niedergeschla- genem Zinkstaub durch Um- drehung des mittels Hand- haben abzuhebenden Ballons geschehen kann (Fig 69), in- dem dabei die Klappen nach unten fallen und sich selbst- thätig reinigen. Bei den beiden zuletzt erwähnten Einrich- tungen ist es von Vorteil, daß die schon wegen des Gehaltes an Kohlenoxydgas immernoch schädlichen Muffelgase über der Kopfhöhe der Arbeiter austreten und durch Schirme

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Hygiene der Hüttenarbeiter.

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und Kanäle leicht ins Freie geführt werden können. D a g n e r (D. R. P. 8958) verlängert den Weg der MnfPelgase schon in den Vorlagen, indem er drei derselben übereinandergelegt und mit Kommnnikationsöfihongen versieht (Fig. 70 und 71). Die aus der obersten Vorlage in die Vorsteckballons austretenden Oase sind dann bereits von einem großen Teil des Zink- staubes befreit.

Zum Teil sind aber die Ballons überhaupt fortgefallen und andere Vorkehmngen zur Kondensation des aus den Vorlagen entweichenden Zink- nnd Zinkoxydstaubes getreten. An erster Stelle ist dabei die Klee mann 'sehe Vorlage zu erwähnen. Fig. 70 und 71 zeigen dieselbe in Verbindung mit der Dagn er 'sehen Einrichtung. Aus 2 Muffeln M trefcen die GFase in die beiden Vorlagen o, ziehen seitlich nach der ge- meinsamen Vorlage h und von dieser weiter durch die darüber liegenden Vorlagen c und ^ von denen die letztere als KleemannVsche Vorlage konstruiert ist, indem sich über der Austrittsöfihung der Rost e befindet,

4^

Pig. 6». (Zu Pig. «7.)

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Fig. 68. (Za Pig. 67.)

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Fig. 70. Dago er'sche Vorlage mit Kleemann- •chem Rost.

Fig. 71. (QnerschniU sn Fig. 70.)

auf welchem während der Destillation glühende Koksstückchen liegen. Der dadurch gebildete lose Verschluß läßt den Gasen freien Durchzug, genügt aber zur Auffangung eines Teiles des mitgerissenen metallischen und oxydischen Staubes'*. Für die ursprünglich erhoffte Reduktion des

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SAEOER,

Zinkozyds durch den glühenden Koks zu Metall ist aber die auf dem Roste herrschende Temperatur viel zu niedrig. Die in den Kanal K austretenden Muffelgase gelangen dann weiter in zum Teil mit Wasserbrausen versehene Kondensationskammem, bis sie, ohne die Luft im Arbeitsraum verun- reinigt zu haben, in gereinigtem Zustande durch Essen ins Freie ge- führt werden. Der Kleemann'sche Bost setzt sich aber leicht zu und giebt dann zu Explosionen Veranlassung. Auf der Hohenlohehütte und der Guidottohütte in Oberschlesien verbindet man deswegen die letzte der Dagn er ^ sehen Vorlagen V„ unmittelbar mit dem OaskadtJ Jr(Fig. 73). Die Oefen der Hohenlohehütte sind auch mit einer von dem dortigen Hüttenmeister Stempelmann eingeführten, sehr wirksamen Vorkehrung zur Abfahrung der beim Räumen, Beschütten und während der Destillation entweichenden zinkischen Dämpfe versehen. Ein an den Ofenankem oberhalb der obersten Vorlage fest angebrachtes Blech a b (Fig. 72, 73 und 74) bildet mit der gegenüberstehenden Ofenwand e d und je

Fig. 7t. Abingsvorrichtang fttr Maff«IgAse auf der Hohenlohehtttte.

2 Ankerschienen s einen nach oben durch die überstehenden Decksteine e geschlossenen Oasweg, welcher durch die Oeffiiung i mit den auf dem Ofengewölbe entlang geführten Abzugskanälen K in Verbindung steht. Auf das Blech a b sind zur Führung der Bleche g eiserne Schuhe / ge- nietet ; die mit Handhaben versehenen Bleche g hängen an Ketten, welche über Rollen l geführt sind und am anderen Ende die Gegengewichte r tragen. Beim Räumen der Muffeln M werden die Bleche g soweit herunter- gezogen, daü die aus der Abzugsöffiiung k austretenden Zinkdämpfe hinter

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Hygiene der Hüttenarbeiter.

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denselben und dem Blech a b emporsteigen und doroh i in die Kanäle K gelangen. Nach beendetem Bäumen wird das Schutzblech so hoch ge- schoben, daß die bei der Beschüttung der Muffel M aus den Vorlagen V V, und V„ austretenden Dämpfe ebenso wie die während der Destillation selbst aus den Spurlöchem und undichten Anschlußstellen entweichenden Muffelgase in derselben Weise zu den Kanälen K gelangen, also aus dem Arbeitsraum femgehalten werden. In ähnlicher Weise werden die

AbtagsYOiriehtang für Hnffelgate auf dar Hohenlohahfitt«. Fig. 78. (Zu Fig. 72.)

Fig. 74. (Zu Fig. 72.)

Haudboch dar HTfieue. Bd. YlII.

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zinkischen Dämpfe auf der Hugohütte abgeleitet (vgl. Fig. 55 8. 497)-, doch werden hier die Kanäle K beim Räumen unmittelbar mit der Vor- lagennische durch die Oefihungen i in Verbindung gebracht Vorher werden die Schutzbleche g nach Fortnahme der Ballons bis auf die- tiefste Stellung herabgelassen, und vor diejenigen Auszugsöffiiungen o, an welchen nicht gearbeitet wird, eingepaßte, auch diesen unteren Teil der Nische abschließende Bleche gestellt. Die Oeffiaungen % werden während der Destillation in allen, sonst aber immer nur in derjenigen Nische unbedeckt gehalten, an welcher gerade geräumt oder durch die- Vorlagen V beschüttet wird, damit unnötige Zufuhr kalter Luft und Störungen des Zuges während der stärksten Bauchentwickelung in den Abzugskanälen K möglichst vermieden werden. Aus den Kanälen K gelangen die Gase durch die Leitungen L aus Eisenblech in die Esse E^ Auch bei dem oben (S. 474) erwähnten Zinkdestillierofen von Francisci ist eine bequeme Abführung der Zinkdämpfe durch Kanäle innerhalb der Ofenmauerung vorgesehen.

Fast alle zur Ableitung der Luftverunreinigungeo getroffenen Vor* kehrungen endigen schließlich in einer niehr oder weniger hoben Esse,. so daß die Maßregeln, welche zur weiteren Reinigung des Hüttenrauches von schädlichen Stoffen getroffen werden, vor allem der Hüttenum- gebung Schutz gewähren; diese Maßregeln sollen deswegen im Anhange besprochen werden.

Nun kann man aber auf eine dauernd vollkommene Wirkung der besprochenen Ableitungsvorrichtungen, durch welche die Dämpfe und Gase am Orte der Entstehung, d. h. im Ofen oder dicht an dem- selben fortgeführt werden sollen, nicht immer rechnen. Zuweilen schließt auch die Eigenart des Ofens oder die Betriebsweise derartige Vor- richtungen aus, und endlich werden vielfach die Ausgaben für besondere Vorkehrungen dieser Art als unwirtschaftlich gescheut, auch wohl aus Unkenntnis oder Gleichgiltigkeit unterlassen. Dann müssen den Luft- verunreinigungen gegenüber, welche sich in den Arbeitsräumea ausbreiten, diejenigen Vorkehrungen oder Maßregeln in Wirksamkeit treten, welche auf natürlichem oder künst- lichem Wege eine Lüftung der Arbeitsräume herbei- führen. Alles wesentliche hierüber ist im Bd. IV d. Handb. und in der Abhandl. von Kraft in diesem Bd. gesagt, worauf verwiesen wird. Erwähnt sei hier nur, daß naturgemäß gerade auf den Hüttenwerken die natürliche Lüftung, hervorgerufen durch den Temperaturunterschied zwischen der äußeren Luft und der des Arbeitsraumes, eine sehr voll- kommene ist, und daß daher, falls die Apparate überhaupt unter einem geschlossenen Dach stehen, Dachreiter mit verstellbaren Lüftungsklappen oder Lüftungsessen mit Windablenkem für den Luftwechsel bei ce* ringerer Rauch- und Dämpfeentwickelung meistens genügen. Fehlen allerdings die Ableitungsvorrichtungen an den Oefen selbst, so reicht die gänzlich von der Witterung abhängige natürliche Lüftung zur Ab- leitung größerer Dampf- und Gasmengen meistens doch nicht aus; die künstUche Lüftung durch Ventilatoren, Strahldüsen oder mit Feuerung versehene Essen wird aber dadurch erschwert, daß über die Anordnung der Luftwege fast immer nur von Fall zu Fall entschieden werden kann. Handdt es sicl?i um verhältnismäßig kühle, reichlich mit Staub beladene Dämpfe, deren Entstehungsstelle unterhalb der Kopfhöhe des Arbeiters liegt, so münden die Saugkanäle natürlich am besten im

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 513

Boden oder nahe Ober demselben in den Wänden; dagegen wird man sehr heiße Dämpfe und Gase ihrem natürlichen Bestreben entsprechend immer nach oben absaugen.

Wenn aber alle bisher angeführten Vorkehrungen und Maßregeln zum Schutze gegen die Luftverunreinigungen, a^o die Einführung nasser Prozesse, die Femhaltung der Arbeiter von den staub- und dampferzeugenden Apparaten, die isolierte Aufistellung solcher Apparate, die dichte Ummantelung derselben, die Ableitung der Luftverun- reinigungen am Entstehungsort und die Lüftung der Arbeitsräume nicht ausreichen oder ausgeschlossen sind, so muß man schließlich die Arbeiter persönlich so auszurüsten versuchen, daß einer Einwirkung der schädlichen dampf-, gas- und staub- förmigen Luftverunreinigungen vorgebeugt wird, wobei nicht allein die Menge, sondern auch die Gefährlichkeit der die Luft verunreinigenden StoflFe zu berücksichtigen ist'* *• *• *• *'. Eine auf Hüttenwerken häufiger vorkommende Verrichtung, welche einen solchen persönlichen Schutz des Arbeiters erforderlich machen kann, ist das Ausräumen der Flugstaubkanäle und Gichtgasleitungen von den in Staubform abgesetzten festen Bestandteilen der Rauchgase ; man richtet deswegen diese Kanäle und Leitungen auch wohl zur gänzlichen oder teilweisen mechanischen Reinigung ein (vgl. unten S. 536) und ver- sucht das Aufwirbeln von Staub durch Wasserbesprengung vor der Räumung zu unterdrücken. Meistens wird man aber, und zwar nament- lich bei quecksilberhaltigem, arsenikalischem und bleiischem Flugstaube, die Atmungswege vor dem Eindringen von Staub durch Mund und Nase bedeckende Respiratoren, durchMundtücher oder feucht gemachte Mundschwämme schützen müssen ^^ (vgl. Kraft in diesem Bd. S. 214). Auf den Freiberger Hütten haben sich die feuchten Schwämme besser bewährt, als die mit Watte, feinem Gewebe oder sonstigem FUter- materiale versehenen Respiratoren. In den Arsenmehlkanälen erhalten die räumenden Arbeiter dort außerdem gut schließende Schutzbrillen und Fahrhauben und, wo sich saure Niederschläge gebildet haben, Gummistiefel. Wo der Körper der Arbeiter, wie in den Gichtgasleitungen und in den älteren Winderhitzern der Eisenhochöfen, unmittelbar mit dem Flugstaub in Berührung kommt, werden zweckmäßig glatt an- liegende Staubanzüge aus dichtem Stoff mit Kapuze getragen. Auf den englischen Arsenhütten halten die Arbeiter, welche die Kanäle räumen und die Arsenkrystalle mahlen, Mund und Nase mit Tüchern ver- schlossen; beim Besteigen der am Ende des Kanalsystems erbauten Essen werden besondere, dicht mit Flanell gefütterte Arbeitskleider getragen. Respiratoren können weiter von Vorteil sein für die an stauberzeugenden Zerkleinerungs- und Siebevorrichtungen beschäftigten Leute, z. B. in Thomasschlacken- und Scblackenzementmühlen, beim Zerkleinem stückiger Bleiglätte, beim Sieben derselben, dann beim Trans- portieren und Verpacken der staubförmigen oder leicht zerfallenden Hüttenprodukte (Arsenikalien, Bleiglätte, Bleifarbe, Zinkoxyd, Thomas- schlackenmehl, Schlackenzement), weiter beim Ausschuren der Oefen üadi beendeter Kampagne und bei Reparaturen in der Nähe von stark dampfenden Ofenöffhungen (namentlich an der Gicht) während des Be- triebes. Dauernd werden aber die Respiratoren wohl von keinem Ar- beiter gern getragen. Die damit verbundenen Belästigungen, d. h. die Erschwernis der Atmung, der Speichelentfernung, des Sprechens, die Erzeugung von Hitzegefühl im Gesichte b^influssen das Wohlbennden

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des Arbeiters so unmittelbar, daß er darüber die gesundheitlichen Vor- teile, welche das Tragen des Respirators für ihn mit sich bringt, ver- gißt und unbeaufsichtigt, selbst auf die Gefahr hin, bestraft zu werden, den lästigen Apparat bei Seite legt oder auf die Stirn schiebt Die Respiratoren wirken entweder nur mechanisch filtrierend oder durch absorbierende Stoffe chemisch reinigend.

Einfache und billige Apparate der ersteren Art sind die Watte- respiratoren von Lewald in Breslau, während Loeb in Berlin seine mit Gummiklappen zur Ein- und Ausatmung versehenen Respiratoren, je nachdem es sich um Staubfiltration oder um Neutralisation schädlicher Gase handelt, mit Wattefilter allein oder daneben mit einem neutrali- sierenden Stoffe versieht. Grell 's (Hamburg) aus Gummi bestehender ,,Lungenbeschützer^ ist in den Stumm' sehen Thomasschlackenmühlen mit Erfolg verwendet worden ^ ^ ; dort wurde der das Filter bildende Schwamm mit einer 1-proz. Lösung von essigsaurem Bleioxyd getränkt zur Absorption des beim Vermählen alter Schlacken zuweilen entweichen- den Schwefelwasserstoffes.

Als Schutzmittel gegenDämpfe von schwefliger Säure benutzt man auf italienischen Werken einen 1,6 kg wiegenden Apparat, welcher aus einer 0,6 bis 1 1 fassenden Flasche, einem Nasenklemmer mit Brillengläsern und einem mit der Flasche durch einen Gummischlauch verbundenen Mundstück besteht Letzteres wird vom Hinterkopfe aus durch eine Feder gegen den Mund gedrückt. Wird die Flasche mit Wasser gefüllt, so kann man in einem Raum, in welchem durch SO ^ -Dämpfe ein Licht auf 4 m Abstand unsichtbar wird, 20 Minuten verweilen, dagegen 1 Stunde, wenn die Flasche Chromate, Permanganate, alkalische Kar- bonate oder Kalkwasser enthält ^^.

Ist ein vorübergehender Aufenthalt in Räumen erforderlich, welche atembare Luft überhaupt nicht oder in zu geringer Menge enthalten, so werden Apparate verwandt, mittels derer den Arbeitern frische Luft unmittelbar zugeführt wird. Auf der Königshütte in Ober- schlesien wird die Stolz^sche Rauchmaske mit Erfolg bei Unter- suchungsarbeiten und Reparaturen in Gas- und Rauchkanälen, z. B. der Siemens-Martin- Anlage, sowie beim Ausbrechen von Gichtschwanmi in den Hochöfen während des Betriebes angewandt

Der Apparat besteht, wie Fig. 76 und 76 zeigen, aus einer G^ichts- maske aus Messingblech, welche durch eine am Rande befindliche Gummi- einlage gegen das Gesicht abgedichtet ist; die Augenöf&iungen sind mit Drahtgaze geschlossen. Die Zufährung der Lufb geschieht zu beiden Seiten des Gesichtes durch 2 Gummischläuche, welche auf dem Rücken des Arbeiters zu einem Schlauch vereinigt sind ; der letztere ist mit einem Haken an dem Gurt des Mannes befestigt und wird an die Schlauch- leitung einer H^anddruckspritze angeschlossen, welche, im trockenen Zu- stande als Luftpumpe wirkend, der Maske die erforderliche Atemlufb in solcher Pressung zuführt, daß ein Eintreten von Dämpfen und Gasen durch die Augenöf&iungen unmöglich ist. Die mittels eines Riemens schnell anzulegende Maske gestattet einen beliebig langen Aufenthalt in Räumen, welche mit staubbeladenen und giftigen Gasen angef&llt sind. Dabei ist der Gebrauch der Augen, Ohren und der Sprache in keiner Weise gehindert, sodaß eine fortwährende Verständigung durch Zurufen

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möglich ist Wo es an einer Handdruckspritze fehlt, kann die Luft- zufElhrong durch einen kleinen Blasebalg erfolgen. Vielseitige Aner- kennung und Verwendung hat auch der Bespirationsapparat König des Ingenieurs Eleemann zu Hamburg gefunden; derselbe wurde z. B. von der Halsbrückener Hütte zu Freiberg i. S., von der Eeckehütte bei Schoppinitz O.-S., von der Zinkhütte Wilhelm Orillo bei Neumühl- Hambom, von der Württembergischen Metallwarenfabrik zu Geiülingen

Fig. 75. Banehmuke von Stoli. Fig. 76.

und von den Oberungarischen Berg- und Hüttenwerken, A.-G. zu Szomolno- hutta, zur Ausrüstung von Arbeitern, welche Räume mit irrespirablem oder giftigem Luftgemisch betreten müssen, angeschafft. Der Apparat (Fig. 77, 78) besteht aus einem mit Augengläsern und Nasenvorsprung versehenen Helm aus steifem Leder, welcher den ganzen Kopf mit reich- lichem Spielraum umschlieBt und nach unten in einem mittels Schnallriemen gegen den Hals abzudichtenden Mantel aus Erausleder endigt. Die Luft wird durch einen an das Mundstück des Helms angeschraubten Spiralschlauch zugeführt, welcher einem starken äuieren Druck ausgesetzt und um scharfe Ecken und Kanten gelegt werden kann, ohne zusammenzu- knicken« Als Luftpumpe dient ein Blasebalg, welcher von einem außer- halb des Arbeitsraumes stehenden Mann ohne Anstrengung nur lang- < sam bewegt werden braucht, da er doppelwirkend ist. Der Träger des

Helmes bleibt den AuBenstehenden ^ ^^ Respirationsappurat „König«

vollständig verständlich und ist nicht von Klee mann in Hamburg.

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allein gegen das Einatmen der verunreinigten Luft, sondern auch gegen etwaige Hitze geschützt, da die verbrauchte Luft durch ein Ventil im Scheitel des Helmes austritt, der Kopf also fortwährend von einem angenehm kühlenden, frischen Luftstrom umspielt wird. Ist der zu betretende Raum dunkel und mit einem Gasgemisch erfüllt, welches explosiv ist oder ein oifenes Licht verlöschen würde, so wird zu dem

Fig. 78. Reinigung einer Bleikunmer mit Hilfe des Resplrationsappanitos „KSnlg'^

Respirator ein Leuchtapparat geliefert, wie ihn in Fig. 78 der eine Blei- kammer reinigende Mann vor der Brust trägt. Zur Speisung der sonst hermetrisch abgeschlossenen Flamme des Leuchtapparates dient die Druckluft, welche von der Hauptschlauchleitung aus mittels einer Ab- zweigung zugeführt wird.

5!

DU UnfallverhiUungwortchriften der tüddevUehen Eiten- und 8tahlb0ruftgenos9en§ehaß. DU ünfallverhütungivorachrijten der tüdtoedliehen Eüen- und 8Uihlberuftgemogien§eha/t, 8] Die ün/allverhiituHgtvorsehrißen der rhemüekufest/älüchen Hütten- vnd WieUtnoerktberu/i' geno8$en»chaft.

4) Die Un/tUlverhütungiPOrsehri/ten der rheimseh-weet/älisehen Matdunenbau- und Kiemeieen' induitriebert^f»geno8»enieha/t.

5) Die ünfaüverhütungsvorschriften der Bäekmeh'thürtngiichen Eisen- und Stah&eruftge' noisentehaft.

6) Die Ut\/€Ulverhütungtvorschrtften der n&rdwettliehen Eieen- und Stahlberuftgenoteentehaft.

7) Platt, Die ünfaüverhUtungtvortchriften^ Berlin (1890).

8) Plfttiy S^tdzvorriehtungen an WeUenleitungenj Triebwerken und Getrieben im Ber, Mber d, deuUche Aüg. AuatUllwmg ßlr Un/alherkütung, Berlin (1889).

9) Hartmann, Sekuttma/snahmen beim Betriebe von Fakrttüklenf Av/zägen^ Erahnen und Hebezeugen in demselben Berieht.

10) Specht, Metallindustrie in demselben Berieht.

11) Morgenstenif Ueber Einrichtungen und Schutavorkehrungen u. s. w., lAspmg (1888).

12) Pütfch, Die Sicherung der Arbeiter u. $. to., Berlin (1888).

18) Seichel, Die Sicherung von Leben und Oeeundheit im Fabrik- und Gewerbebetrieb a. d Brüsseler Ausstellung im Sommer 1876, Berlin (1877).

14) Dehn, Arbeitersehutxmafsregeln, Berlin (1882).

15) Feeg, Zeitschr. d. Ver. deutscher Ing. (1894) 1518 /".

16) Yillaret, Gewerbe und Industrie m Bd. 8 d. Ber. über die Aüg. deutsdi, Auuteüung auf dem Gebiete d. Hygiene u. d. Rettungswesens in Berlin (1893).

17) Albreoht, Gewerbehygiene und Ar^eiterwoJd/ahrtsbestrebungen ] Fürsorge fUr Verletzte i. Ber. über du Aüg. AussteUung für ünfaüverhüJbung, Berlin (1889).

18) Baeger, J^eu/s. Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen (1898) 267 f.

19) Balling, Grundri/s der Elektrometallurgie , Stuttgart (1888).

20) Borohen, ElektrometaUurgiej die Gewinnung der MOaUe unter Vermittdung des elektri- schen Stromes f Braunscluoeig (1891).

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Hygiene der Hüttenarbeiter.« 517

tl) Elbt, Chm/i. Ztg, (1894) ^b. 8S, 88, 84.

22) WcndeUn, 0€*Ur. ZeiUchr. f, Berg- u. HdUenwesm (1894) No. 43 /.

S8) FeHmAnn, Zeüsehr. Dampf (1894) 1055.

24) Ven, EldUr, Zeütchr. (1894).

f 5) Wflft-KiuiB, Zuttehr, d, Ter. denUeh, Ing. (1894) 1488 /.

26) XflUcndorf, Qloäo's Äimdlmi (1894) 187.

27) W. 8. Hedley, Zeütehr. für EUktroUeh$uk u, EUktroehtmU (1894).

28) Koppmeyer, ZeiUehr, Stahl und EUen (1890) 618.

29) Titoher, ZeUschr. d. Ver. deut$ek. Ing, 87. Bd. 1448.

80) Oppler, QheMx»eh€, Oias- «. keramigehe Induttrie i Ber, über die Aüg, deuteeh. Aus- etdbmg /. UnfaUverhüitmg, BerUn (1889).

31) Wedding, Zeifehr. Stahl und Eisen (1890) 810 f,

32) Zrdahal, Jahrb. d. k, k. Bergakademien xu Przibram und Leoben u $, w., Jahrg, 1890. 413) Xitter, üeber dat alte und das moderne QaeeksHberverhBtungtweten in Idria im Ber,

über d. AOg Bergmannstag mi KlagenfuH (1893). 4t4) HaMlMher, Bergbau und Büttomoesen im Ber. über die Aüg, deutsche Ausstellung auf dem Oebiete d. Hggiens u. d. BeUungswetent in Berlin (188S).

35) Eeinserling, Die Gefahren und I^ankheiten in der ehemuehen Industrie u. s. w., Haue a,/8, (1886).

36) Kary, Bul. ßoe, <f Eneour. (1894) 598 /.

37) Oetwald, Die unssenteht^ftUehe EUktroehemie der OegemoaH und die teehnisehe der Zu- kunft^ Vortr, gehalten auf der Jahresversammlung det ESUktrüteekmher-Verbandes 1894, ZeiUehr, d, Ver, deiäseh. Ing. (1894) 852 /.

38) Boroheri, Vertuehe sur Nutabarmaehung der ehem. Energie der Kohlen als BUkstrieiiät, Vortr, auf d, I. Jahresversammlung der Deutsehen Elekbroehemisehen Oesellsehaft 1894, Haue a./8. 1894.

39) Berchen, Die direkte elektrolgtisehe Verarbeitung von Emen und Hütienprodukten, Berg- u, HütUnm. Zisehr. von Kerl und Wimmer (1893) 251.

40) Walech, Berg- u. Hüttenm, Zttehr. (1887) 58.

41) Meehamtehe Vorrichtungen mtm Zertehlagen von Bcheisenmattelnf Stahl und Eisen (1891) 157, (1891) 881, (1894) 408 u. 409.

42) Br&iiniiig, Preuf$, Zeitsehr, /. Berg-, Hütten- u. Sal,- Wesen (1894) 257. 48) Bidon, Le smtffre en Italie, naeh ,,GUlekauf' (1894) No, 74.

IT. Sonstige Einrichtongen anf dem Gebiete der Hygiene nnd der Arbeiterwolilfahrt

Im folgenden sind diejenigen Maßregeln und Vorkehrangen zu- «ammengefaüBt, welche zur Beseitigung oder doch zur Abschwächung der schädlichen Einflüsse der Hüttenarbeit beitragen, ohne mit dem Hüttenbetriebe und den Betriebsapparaten unmittelbar im Zusammen- hange zu stehen. Dabei lassen sich die Gebiete der Hygiene und der Arbeiterwohlfahrt nicht scharf gegeneinander abgrenzen ; es sind aber in nachstehendem diejenigen Maßregeln, welche die körperliche Gesund- heit der Hüttenarbeiter unmittelbar fördern, im allgemeinen denjenigen vorangesetzt worden, welche denselben Zweck mittelbar z. B. durch Besserung der wirtschaftlichen Lage, Ausbildung der geistigen Fähig- keiten u. a. m. verfolgen.

Vom hygienischen Standpunkte ist es zunächst erforderlich, bei der Einstellung von Arbeitem im Hüttenbetriebe auf Alter, €^e- schlecht und kOrperliehe Entwiekelnng Rücksicht zu nehmen. Die gesetzlichen Bestimmungen (vgl. Roth in diesem Bd. S. 39 u. 51) reichen dazu nicht aus; Regel sollte es sein, daß jugendlich liehe Arbeiter von dei^jenigen Hüttenarbeiten, welche einen wickelten, widerstandsfähigen Organismus erfordern, aus werden. Welche Arbeiten hierher zu rechnen sind, geht a den vorhergehenden Abschnitten Gesagten zur Genüge hc muß besonders betont werden, daß eine kräftige Körpere

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nicht nur für die eigentlich schweren und gefährlichen Arbeiten, soilderD auch den schädlichen Einflüssen hoher Temperaturen und staiier Luft- verunreinigungen gegenüber erforderlich ist. Darum hängt auch die Entscheidung in dieser Frage sehr wesentlich von den betriebliche» Schutz^orkehrungen gegen die Gefahren und Schädlichkeiten der Arbeit ab, sodaß z. B. für die eine Zinkhütte die B^chäftigung jugendlicher Arbeiter bei den leichteren Arbeiten an den Destillieröfen ohne Bedenken gestattet werden kann, während sie auf der daneben liegenden unbe- dingt ausgeschlossen bleiben muß.

Aus demselben Grunde sollten auch alle Arbeiter vor dem^ Eintritt in die Hüttenarbeit vom Arzte untersucht und nur bei kräftiger Körperentwickelung eingestellt werden, wie es auch zum Teil bereits geschieht. Für die besonders gefähriichen Betriebe der Quecksilber-, Arsenik-, Blei- und Zinkhütten wäre daneben eine beständige Beaufsichtigung der Belegschaft durch den Arzt zu empfehlen, welcher dann auch berufen sein würde, an dem Ausbau der hygienischen Einrichtungen mitzuarbeiten.

Aber auch für den normal und kräftig entwickelten Körper ist da& Maß der Widerstandsfähigkeit gegen die Schwere der Arbeit und die sonstigen Schädlichkeiten des Betriebes ein begrenztes, und zwar sind die Grenzen entweder in der Verrichtung an sich oder in der Dauer derselben gegeben. Man kann hierbei das Beispiel der Maschine heran- ziehen. Wird dieselbe über die in ihrer Konstruktion gegebene höchste Leistungsfähigkeit beansprucht, so versagt sie einfach oder es treten Brüche der Maschinenteile ein; wird sie dauernd über die normale Leistungsfähigkeit beansprucht, so ist ein unwirt43chaftlicher Verbranch des teuren Dampfes, häufige Störung des Betriebes und vorzeitige Un- brauchbarkeit die Folge. Und wird an den Körper des Arbeiters eine seine Widerstandsfähigkeit von vornherein übersteigende Anforderung: gestellt, so vers£^ derselbe oder der Schade Unfall durch Quetschung,. Leistenbruch, akute Vergiftung u. s. w. tritt sofort ein ; wird der Körper dauernd über seine normale Widerstandsfähigkeit beansprucht, so- sind Störungen Krankheit und vorzeitige Arbeitsunfähigkeit die unausbleibliche Folge. Der große Unterschied ist nur, daß das Ver- sagen der Kräfte bei einer zu schweren Verrichtung sehr leicht in einer für die Existenz des Arbeiters gefährlichen Weise gedeutet werden kann, und daß es sich bei der Maschine immer nur um leicht ersetz- bare Geldopfer, bei dem Arbeiter aber um dessen unersetzbares Gut,, die Gesundheit, handelt Wie man daher von dem Maschinenbeamten mit Recht verlangt, daß er seine Maschine nach bestimmten, einen rationellen, ungestörten Betrieb sichernden Grundsätzen beansprucht,, so wird man auch von den übrigen Betriebsbeamten fordern müssen^ daß sie mit aller Gewissenhaftigkeit jede die Grenzen der körperlichen Widerstandsfähigkeit übersteigende Anforderung zu vermeiden suchen. Man wird hiemach z. B. auf Blei-, Quecksilber- und Arsenikbütten an den gefahrlicheren Stellen (am Treibofen, beim Ausräumen der Konden- sationskanäle, beim Verpacken der Bleiglätte, der ArsenikaUen und des Quecksilbers) die kräftigsten Leute verwenden und solche Arbeiter aus- schließen, bei denen sich eine persönliche Disposition zur Vergiftung gezeigt hat, oder deren Körper gar schon durch frühere Vergiftungs- anfalle geschwächt ist

Nach diesen Grundsätzen wird man weiter auch die Arbeltsdaiier zu regeln haben. Im aUgemeinen erscheint für die Nebenarbeiten auf

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 519

Hüttenwerken die 12-8tündige Schiebt mit etwa 2-standiger Pause an- gemessen; auch das Ofenpersonal wird bei einer 12-stündigen Schicht in Anbetracht der meistens durch den Betrieb an sich bedingten häufigen Arbeitspausen nicht überanstrengt, doch ist für manche Oefen z. B. Martinöfen und Bleischmelzflammöfen wegen hoher Temperatur und besonders schwerer Arbeit auch schon die 8-stündige Schicht auf einigen Hütten eingeführt worden.

Auf der Silber- und Bleihütte zu Przibram in Böhmen hat man beim Schmelzen, beim Oichten auf die Hochöfen und beim Sortieren, Verwiegen und Verpacken der Glätte die 12-8tündige Schicht durch die S-stündige ersetzt, und zwar in diesem Falle hauptsächlich wegen des schädlichen Einflusses bleiischen Dampfes und Staubes auf den Körper '. Auf den Freiberger Hütten verfahren die Arbeiter bei der Fabrikation der Arsenikalien ebenfalls nur 8-stündige Schichten mit 6-stündiger Arbeitszeit.

Daneben kommen aber Arbeiten vor, welche einen weit häufigeren Arbeiterwechsel erfordern ; es sind das namentlich die Beparaturarbeiten, welche forciert werden müssen und darum besondere körperliche An- strengung erfordern, und Arbeiten in stark erhitzter oder verunreinigter Luft, also in der Nähe von Ofenöfihungen, in Gasleitungen und engen Bauchkanälen.

Neben den täglichen Buhepausen kommen diejenigen Arbeitsunter- brechungen in Betracht, welche durch die gewerbliche Sonntagsnilie bedingt sind. Die hierüber in verschiedenen Staaten erlassenen gesetz- Ucben Bestimmungen verbieten die gewerbliche Thätigkeit an Sonn- ond Festtagen entweder für alle Arbeiter oder doch lür die jugend- lichen und weiblichen Personen, lassen aber allgemeine Ausnahmen in Notfallen und in demjenigen Betrieben zu, welche ihrer Natur nicht unterbrochen werden dürfen (Both oben S. 40). Das letztere ist aber leider auf Hüttenwerken vielfach der Fall.

Zunächst ist bei den Schachtöfen, welche zur Gewinnung von Eisen, Blei, Kupfer, Nickel, Kobalt, Antimon, Wismut, Zinn bezw. von den Verbindungen dieser Metalle im Schmelzverfahren dienen, eine sonn- tägliche Unterbrechung des Betriebes gänzlich ausgeschlossen. Bei diesen Oefen muß jeder Temperaturwechsel im Ofeninnem, jede Störung der regelmäßigen Beschickung sorgfältig vermieden und das im Ofeninnem angesammelte Metall nebst den Nebenprodukten stets rechtzeitig abge- lassen werden; wird hierin gefehlt, so sind Störungen im Ofengange die Folge, welche bei einer Unterbrechung von der Dauer eines Tages in den meisten Eällen nur durch Kaltlegen, gänzliches Ausschuren und Neu- anlassen des Ofens beseitigt werden könnten. Wie die Oefen, müssen an den Sonn- und Festtagen natürlich auch die Gebläsemaschinen, die dazu gehörenden Kessel und die Winderhitzungsapparate bedient werden. Bei den Flammöfen ist ein ununterbrochener Betrieb nicht unbedingt erforderlich, in manchen Fällen, z. B. bei Böstöfen mit Schwefel- säuregewinnung, aber doch kaum entbehrlich ; jedenfalls müssen die Oefen, am nach dem Sonn- und Festtage den Betrieb wieder voll aufnehmen zu können, während der Betriebsunterbrechung durch Feuern heiß ge- halten werden. Bei den Zinkdestillieröfen läßt sich der Betrieb so regeln, daß der Schmelzer am Sonntag Morgen etwa zwischen 8 und 9 Uhr be- schüttet; er hat dann bis zur beendeten Destillation volle 20 Stunden

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Zeit, während welcher sich die HUfismaDiisohaften vor dem Ofen ablösen können.

Um nun den im unanterbrocbenen Betriebe beschäftigten Leuten eine Sonntagsruhe gewähren zu können, ließ man früher allgemein die Tag- oder die Nachtschicht am Sonntage eine Doppelschicht von 24 Stunden verfahren, sodaß jede ELälfte der Belegschaft immer am zweiten Sonntage eine 24-standige Ruhepause hatte. Eine so lange Schicht übersteigt aber die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Körpers, über die 18-stündige Arbeit sollte man vielmehr auch in solchen Ausnahme- fällen nicht hinausgehen. Um das zu erreichen, muß man entweder 8-stündige (sog. drei Drittel-)Schichten einführen, oder mit Ablösungs- mannschaften arbeiten. Im ersteren Falle verfährt jedes Drittel an jedem dritten Sonntage eine 16-stündige Schicht, wofür die beiden an- deren Drittel eine 24-stündige Sonntagsruhe haben. Im zweiten Falle zieht man die in Nebenbetrieben nur am Tage oder in sonstigen Be- triebszweigen wenigsens am Sonntage nicht beschäftigten Arbeiter zur teilweisen Vertretung der bei den ununterbrochenen Arbeiten beschäftigten Leuten heran*)-

Eine wichtige Maßregel, namentlich für die Blei-, Arsenik- und Quecksilberhüttenarbeiter ist ferner der Arbeitswechsel , welcher für die besonders gefährdeten Arbeiter auf einigen Hütten eingerichtet ist So werden auf der Friedrichshütte die mit dem Zuschlagen der Olätte- fässer beschäftigten Böttcher allmonatlich gewechselt. Auf der Przi- bramer Hütte werden die beim Sieben, Verpacken und Verwiegen der Glätte beschäftigten Leute nach 14-tägiger Verwendung gewechselt und für längere Zeit ungefährlicheren, meistens im FVeien zu verrichtenden Arbeiten zugeteilt. Für die Arbeiter an der Gicht der Bleischachtöfen tritt dieser Arbeitswechsel nach je zwei Monaten ein'.

Wichtiger aber, als alle vorerwähnten Maßregeln, wichtiger auch, als die meisten Schutzvorkehrungen an den Betriebsapparaten, sind die- jenigen Vorkehrungen und Maßregeln, welche zur Förderung der Bein- Uchkeit auf Hüttenwerken getrofien werden; denn mehr als für die Arbeiter anderer Industriezweige ist die Reinlichkeit ein Lebensgebot für die Hüttenarbeiter, weil der die Haut bedeckende, hauptsäch- lich aus Schweiß, Kohlenstaub und den festen oder festgewordenen metallischen Luftverunreiuigungen bestehende Arbeitsschmutz nicht nur durch Verstopfung der Hautdrüsenausgänge die Hautthätigkeit stört, sondern überall, wo es sich um quecksilberhaltige und die auch auf Zink-, Kupfer- und Eisenhütten vorkommenden bleiischen und arsenika- lischen Luftverunreinigungen handelt, zugleich der Träger vergiftender Stoffe ist.

Zunächst ist in den Arbeitsräumen für möglichste Sauberkeit zu sorgen, weil der größte Teil des Arbeitsstaubes erst mittelbar, d. h. nach vorheriger Ablagerung im Arbeitsraume durch Aufwirbeln an den Körper des Arbeiters gelangt. Wände, Decken und Fußböden müssen deswegen in bestimmten Zeiträumen, deren Länge sich nach der Staubig- keit des Betriebes richtet, durch Abkehren nach vorheriger Besprengung gesäubert werden. Geweißte Wände sind von Zeit zu Zeit frisch zu

*) FOr Deutschland hat der Bandesrat in seiner Sitsang vom 25. Janaar 1895 die Bedingungen festgestellt, unter welchen eine Beschftftigung der gewerblichen Arbeiter an Sonntage ausnahmsweise gestattet ist.

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 521

tünchen, mit Oelfarbe gestrichene abzuwaschen. Der Fußboden ist zur leichteren Reinigung glatt herzustellen ; die dazu meistens verwendeten Steinfliesen oder Eisenplatten müssen möglichst dicht verlegt werden, weil sich sonst zwischen den Fugen schwer zu entfernender Staub an- sammelt Auf Quecksilberhütten stellt man den Fußboden am besten ganz ohne Rillen und Ritzen aus Asphalt oder Zement her, um das Kindringen von Quecksilber in Fugen und das langsame Verdunsten desselben zu verhüten. Es ist auch vorgeschlagen worden , auf diesen Hütten zur Unschädlichmachung der Quecksilberdämpfe die Wände mit einem von Zeit zu Zeit zu erneuernden Anstrich von Kalk und Schwefel- blüte zu versehen, flache Schalen mit wässerigem Ammoniak in den Arbeitsräumen aufzustellen und mit dieser Lösung den Fußboden zu besprengen. Leicht verstaubende oder verdampfende Produkte und der Kehricht sind möglichst bald aus den Arbeitsräumen zu entfernen.

Der größte Teil des Körpers erhält durch die Bekleidung einen Schutz gegen die unmittelbare Einwirkung der Luftverunreinigungen. Dafür setzt sich aber in den Arbeitskleidem und zwar namentlich in den Falten und Nähten der Arbeitsstaub in reichlicher Menge ab und gefährdet dann bei der Verschleppung in die Wohnungen nicht allein den Arbeiter selbst, sondern auch die Angehörigen desselben. Be- sondere, möglichst faltenlose Arbeitskleider aus glattem, dichtem Stoffie, welche beim Verlassen der Arbeitsstätte gegen andere Kleider gewechselt werden, sind namentlich von den Blei-, Arsenik- und Queck- silberhüttenarbeitem zu tragen, empfehlen sich aber auch für andere staubige Hüttenbetriebe, denn schmutzige und durchschwitzte Arbeits- kleider tragen immer zur Verschlechterung der Luft in den meist engen Wohnräumen der Arbeiterfamilien bei. Leider ist aber dieses Wechseln der Kleider auf Hüttenwerken, wenn man von einigen Blei-, Arsenik- und Quecksilberhütten absieht, wenig eingeführt, viel seltener jedenfalls, als auf den in vielen Fällen nicht schmutzigeren Steinkohlenbergwerken. Zum Wechseln der Kleider sind besondere Räume vorzusehen, welche am besten mit den noch zu erwähnenden Bade- oder Waschräumen in Ver- bindung stehen. Ein besonderer Rock oder eine Blouse für die Arbeit sollte wenigstens keinem Hüttenarbeiter fehlen, welcher in staubigen Betrieben beschäftigt ist; zur Aufbewahrung dieser Kleidungsstücke genügt dann ein verschließbarer Schrank, welcher an einer möglichst staubfreien Stelle in der Nähe der Arbeitsstätte anzubringen ist

Von größerer Bedeutung als die Reinigung der Arbeitsräume und der Wechsel der Kleider sind aber die Maßregeln zur Förderung der unmittelbaren körperlichen Reinlichkeit Gesicht und Hände sind am meisten der Beschmutzung ausgesetzt; darum sollte es auf keiner Hütte an einer Waschgelegenheit fehlen. Es ist hierbei schon von Vor- teil, wenn in der Nähe der Arbeitsstellen eine Wasserleitung vorbei- führt, deren Wasser zur Reinigung der unbedeckten Körperteile benutzt wird. Daneben empfiehlt es sich aber, in der Nähe der Speiseräume Waschbecken (am besten Kippwaschbecken mit selbstthätigem Wasserzu- und Abfluß) und Seife unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Aber auch die bekleideten Körperteile bedecken sich selbst unter dichten Ar- beitskleidem mit Arbeitsschmutz; es werden deswegen überall auf Hüttenwerken Badeeinrichtungen von Vorteil sein, namentlich aber, wenn es sich um die Entfernung bleiischen, arsenikalischen oder queck- silberhaltigen Arbeitsschmutzes handelt; in den letztgenannten Fällen

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522 SAEGER,

^ürde sogar ein Zwang zum Baden den Arbeitern gegenüber gerecht- fertigt sein.

Besser ist es, wenn man ohne Zwang zum Ziele gelangt. Das ist auf der Friedrichshütte in Obersohlesien gelungen. Dort ist hauptsäch- lich infolge des steten Hinweises auf den Segen der körperlichen Rein* lichkeit der Besuch der Badeanstalt, welcher sich vor etwa drei Jahren auf 5988 Brausebäder und 1078 Wannenbäder in 12 Monaten belief; vom 1. April bis 1. Oktober 1894 also in 6 Monaten auf 9382 Brause- bäder und 507 Wannenbäder gestiegen, trotzdem die Belegschaft abge- nommen hat Wenn man die im Sommer im Hüttenteiche verabreichten Bäder hinzurechnet, entfiel vor drei Jahren auf den Kopf der Beleg* Schaft etwa ein Bad im Monat, jetzt ein Bad in jeder Woche. Das letztere müßte das Ziel aller Hüttenbetriebe mit den mehrfach bezeich- neten gefährlicheren Luftverunreinigungen sein. Die Bäder müssen natür- lich unentgeltlich verabreicht werden, ebenso Seife und wenn möglich auch Handtücher.

lieber die Einrichtung der Badeanstalten, von denen die Brausebäder den Vorzug verdienen, die gemeinsamen Bassinsbäder aber zu verwerfen sind, ver^. die Abhandlung von K Schultze in Bd. VI d. Hdb., ferner Füller in diesem Bande S. 351 ff. Die vollkommenste Hautreinigung ist mittels der auf einigen Werken schon eingerichteten Dampfbäder zu erzielen. In gewissen FUlen giebt man dem Wasch- und Badewasser auch wohl chemisch wirkende Zusätze. So sind gegen blei- ischen und quecksilberhaltigen Arbeitsschmutz Schwefelbäder, gegen arsenikaliscben Staub namentlich bei entzündeten Fingerspitzen Lebm- wasser mit Zusatz von Eisenoxyd-Hydrat als Waschwasser empfohlen worden. Miura empfiehlt den Bleiarbeitem , bei Unterbrechung der Arbeit und vor den Mahlzeiten die Hände mit weinsaurem Ammoniak zu reinigen, welches das äußerlich anhaftende Blei unschädlich macht. Zur Entfernung des Staubes aus Mund und Nase sind Ausspülungen der Mundhöhle und Nasendouchen mit reinem W^asser oder mit Flüssigkeiten, welche die Schleimhäute stärken, erforderlich. Auf Blei- hütten säuert man das Mundspülwasser mit verdünnter Schwefelsäure an; auf Arsenikhütten setzt man Eisenoxyd- Hydrat, auf Quecksilber- hütten chlorsaures Kali, übermangansaures Kali, Kupfervitriol, Katechu oder Salbei zu; eine günstige Wirkung soll nebenbei bemerkt in Idria auch mit dem Tabakkauen der Quecksilberhüttenleute erzielt sein», i<>.

Zur Reinhaltung des Körperinneren, d. h. zur Verhütung des Eindringens von dampf-, staub- und gasförmigen Luftverunreinigungen in den Körper muß der Hüttenarbeiter dadurch beitragen, daß er sich gefährlichen Gas-, Dampf- und Staubarten nie ohne dringendes Er- fordernis, etwa aus Bequemlichkeit, Nachlässigkeit oder Uebermut aus- setzt. Er hat sich aber vor allem des Einnehmens von Speisen in staub- oder dampferfüllten Arbeitsräumen zu enthalten. Schon das Aufbewahren von Speisen darf in den Arbeitsräumen nur in Schränken an staubsicheren Stellen gestattet werden. Ist das Einnehmen von be- schmutzten Speisen mit schmutzigen Händen und Gesicht an sich schon unappetitlich, so ist es auf den meisten Hüttenwerken mit unmittelbarer Erkrankungsgefahr verknüpft. Besondere Speiseräume sind des- wegen für alle Hüttenarbeiter eine Woblthat, für die Blei-, Arsenik-

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 523

und Qaecksilberhattenarbeiter aber ein dringendes Bedürfnis, ebenso wie die Wascheinrichtungen, deren Benutzung in Betrieben mit den gefähr- licheren Staubarten vor dem Einnehmen der Mahlzeiten obligatorisch sein sollte; für Beleuchtung, Heizung und Reinhaltung dieser lUume ist ausreichend zu sorgen.

Trotz aller betrieblichen und sonstigen Schutzmaßregeln werden Unf&Ue und gewerbliche Erkrankungen nicht verschwinden. Demgegen- über ist der Arzt der berufene Helfer, der nicht früh genug zu Rate gezogen werden kann. Empfehlenswert ist deswegen die Einrichtung der Freiberger Hütten, welche durch Femsprecher mit den Wohnorten der Hüttenärzte verbunden sind. Meistens vergeht aber, bevor ärzt- liche Hilfe an Ort und Stelle, in der Wohnung oder im Lazarett ge- währt werden kann, eine geraume Zeit, während welcher sich der Zu- stand eines verunglückten oder plötzlich Erkrankten unter Umständen bedeutend, sogar bis zum tödlichen Ausgange verschlechtern kann. In solchen Fällen muß die erste Hilfe auf dem Werke geleistet werden können. Vielfach werden deswegen einige Arbeiter oder Betriebsbeamte durch die Hüttenärzte im Samariterdienste ausgebildet, auch fehlt es wohl auf keinem Werke an Verbandmaterial und einfachen Medi- kamenten. Zur vorläufigen Unterbringung des Verletzten oder Er- krankten muß ein besonderer Raum und zur Ueberfflhrung desselbeu in die Wohnung oder das Lazarett eine trag- oder fahrbare Bahre zur Verfügung stehen. Anleitungen für die erste Hilfeleistung werden in einer großen Anzahl von Schriften, so von Esmarch, Mosetig, Rühlemann, Rotter, Dornblüth, Pistor, L. Mehler und J. Hess, sowie in den Instruktionen einiger Werke und Berufsge- nossenschaften gegeben, sodaß sich hier ein näheres Eingehen auf den Gegenstand erübrigt.

Von günstigstem Einfluß können gewisse diätetisehe Maßregeln sein, während die Anwendung chemisch wirkender Medi- kamente selten von Erfolg begleitet ist Eine strenge Diät, welche in der Aufnahme möglichst kräftiger Nahrung und in der möglichsten Enthaltung des Branntwein- und sonstigen Alkoholgenusses gipfelt, trägt neben MäJBigkeit in anderweitigen Genüssen für alle Hüttenarbeiter wesentlich zur Erhaltung eines gegen alle schädlichen Einflüsse der Arbeit widerstandsfähigen Körpers bei. Allzu oft handeln aber die Arbeiter teils aus Unverstand, teils wegen mangelnder Mittel dieser unleugbaren Thatsache zuwider. In empfehlenswerter Weise haben des- wegen Hüttenwerke vielfach die Einrichtung getroffen, ihren Arbeitern nahrhafte Speisen zu möglichst niedrigen, die Selbstkosten oft nicht deckenden Preise zu verabreichen.

Seist, um einige Beispiele anzuführen, auf der Mechernicher Blei- hütte eine Speiseanstalt für 400 Personen eingerichtet, in welcher neben anderen billigen Speisen Mittagbrot, bestehend aus Suppe, Gemüse, Kar- toffeln und 190 g Fleisch zum Preise von 32 Pfg. verabreicht wird. Auf der Königlichen Friedrichshütte in Oberschlesien kostet ein Mittagbrot, bestehend aus 125 g Fleisch und reichlich Suppe, Kartoffeln und Gemüse nur 20 Pfg. Unter den groBartigen Wohlfahrtseinrichtungen der Firma F. Krupp in Essen befindet sich auch eine Menage, in welcher für Logis, reichliches, klüftiges Mittag- und Abendbrot und wöchentlich 0,6 kg Butter und 0,26 kg gemahlenen Elaffee von Arbeitern unter 16 Jahren 60 Pfg., von solchen über 16 Jahren 80 Pfg. für den Tag bezahlt werden.

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Der Boohamer Verein für Bergbau- und Gußstahlfabri- kation hat ein Kost- und Logierhaos für 1500 Arbeiter eingerichtet, in welchem für Wohnung, gutes Mittag- und Abendessen bei unentgeltlichen Bädern 76 Pfg. im Sommer und 80 Pfg. im Winter bezahlt werden. Auf den Stumm' sehen Werken bei Neunkirchen bestehen zwei Speiseanstalten mit 338 Plätzen ; dort werden nach wechselndem Küchenzettel als Mittag- brot Fleischsuppe , Gemüse mit Kartoffeln und durchschnittlich 180 kg Bindfleisch zum Preise von 25 Pfg. verabreicht; die Arbeiter sitzen bei der Mahlzeit auf Stühlen an Tischen, auf welchen ihnen die Speisen in drei besonderen Tellern aufgetragen werden. Morgens und abends wird eine Tasse Kaffee (^/^o ^) ohne Zucker zu 2 Pfg., mit Zucker zu 3 Pfg. verabreicht. In den Schlafliäusern der Mansfe 1 duschen Gewerkschaft erhalten die Arbeiter an Kost: täglich ^/^ 1 Kaffee mit Milch morgens, 1^/iQ 1 dicke Suppe oder Gemüse mit 250 g Rindfleisch oder 125 g Schweinefleisch, in gekochtem Zustande und ohne Knochen gewogen, mittags, ^/^ 1 dicke, geschmälzte Suppe oder Kaffee mit Milch abends, sowie wöchentlich 2 Brote , je 3 kg schwer , 250 g Butter und 250 g Fett oder für Butter und Fett zu gleichem Geldwerte Wurst oder Schinken als Frühstück; für diese Kost und für Wohnung, Licht und Feuerung zahlt der Arbeiter im Winter pro Tag 83 Pfg., im Sommer 80 Pfg. Im Schlafhause der Vereinigten Königlichen und Laurahütte zu Königshütte O./S. bezahlen die Arbeiter für gutes Mittagbrot 40 Pfg., für Abendbrot 20 Pfg. und far Wohnung und Bett- wäsche wöchentlich 40 Pfg.

Wenn man die Speisezettel dieser Anstalten, welche in ähnlicher Weise noch auf einer ganzen Reihe von Hüttenwerken bestehen, liest, so gewinnt man die Ueberzeugung, daß nur ein geringer Teil der Ar- beiter, welche sich selbst beköstigen, so gut genährt werden ; jedenfalls ist das aber nur unter größerem Kostenaufwande möglich. In den Speiseanstalten erfordert die Beköstigung selten mehr, oft aber weniger als V5 d^s täglichen Arbeitsverdienstes. Auf vielen Werken sind übrigens in oder neben den Speiseräumen Oefen oder sonstige Vorrich- tungen zum Wärmen der von den Angehörigen der Arbeiter zuge- tragenen Speisen aufgestellt. Auf den größeren Werken bestehen da- neben Konsumvereine, welche die Arbeiter mit guten und billigen Lebensmitteln versehen, oder es werden doch einzelne Lebensmittel, z. B. Winterkartoffeln und Mehl oder Brotkorn vom Werke im Großen angekauft und den Arbeitern zum Selbstkostenpreise überlassen.

üeber MatsenemOhrung vmd VoOtsküehen vergl, Mnnk in Bd, III, KnAnff tmd Weyl m Bd. VI diesei Handbuehss,

Neben diesen, eine zweckmäßige Ernährung bezweckenden Maßregeln, be^^CT für bestimmte Betriebe nodi^ eimge prophylaktische Vorschriften. So ist der Genuß von sauren Speisen und Getrftnkm vw den arsen- und bleihaltigen Luftverunreinigungen ausgesetzten Arbeiter zu vermeiden, weil dadurch in den Körper eingedrungene, unlösliche Verbindungen in lösliche, vom Organismus leicht aufgenommene Ver- bindungen übergeführt werden. Aus dem entgegengesetzten Grunde hat man für Quecksilberhüttenarbeiter den Genuß dieser Speisen em- pfohlen, ebenso wie mäßiges Trinken von Wein und Spirituosen, welche übrigens auch bei Antimonvergiftungen zur Anregung verabreicht werden. Wenn für Blei- und Arsenhüttenleute der Genuß von Speck und sonstigen

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fetten Speisen empfohlen wird, so darf man auf eine eigentlich prophylak- tische Wirkung durch diese Stoffe nicht mit Sicherheit rechnen ; doch bleiben dieselben wegen ihres Nährwertes immer von Vorteil fQr den Organismus. Das letztere gilt auch von der Milch, deren Wert aber zugleich auch, wenigstens für manche Fälle, in einer medikamentösen Wirkung besteht. Man sollte mit diesem Mittel, welches auch für die Schwefelwasserstoff- dämpfen ausgesetzten Arbeiter empfohlen wird, recht freigebig sein und bei besonders gefährlichen Arbeiten unentgeltlich 1 bis 1,5 1 täg- lich verabreichen.

Eigentliche Medikamente mögen von Wert sein, wenn sie vom Arzte in bestimmten Fällen verordnet werden ^ ^, ', ^^. Sonst können dieselben leicht die umgekehrte Wirkung haben, indem sie den Magen, der vor allem normal funktionieren muß, beschweren und schwächen. Man hat namentlich mit den Arbeitern, welche bleiischen Dämpfen aus- gesetzt sind, alle möglichen Versuche gemacht; sie mußten Schwefel- pillen schlucken, schwefelwasserstoffhaltige Schwefelcalciumlösung inha- lieren, sogar Schwefelwasserstofflimonade trinken, um unlösliches Schw^elblei zu bilden; jetzt aber will man entdeckt haben, daß auch Schwefelblei vom Organismus aufgenommen wird.

Ein Getränk, welches sich nach Johnston (Oesterr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenw., 1882, S. 164) als wirksames P^ophylactioum gegen Bleivergiftungen bewährt hat, setzt sich aus 18 g Wasser, 3 Tropfen spir. aeth. nitric, 2 Tropfen verdünnte Schwefelsäure, 1,4 g Bittersalz zusammen ; wegen des Zusatzes von Bittersalz ist es vertrauenerweckend, während die Schwefelsäure znr Vorsicht mahnt. Die Darbietung von Jodkalium und Schwefel an die Quecksilberhüttenleute kann jedenfalls unter- bleiben, wenn die sonstigen Schutzvorkehrungen richtig ausgestaltet sind. Nach Bothwell (Die Mineralienindustrie im Jahre 1893, Bd. 2, S. 25, 26) giebt man auf der Canada Consol. Gold Mining Comp, zu Deboro in Ontario Eisenoxydhydrat prophylaktisch als Gegenmittel gegen den ver- giftenden Einfluß des Arsens.

Von großem Werte können Medikamente bei den allerdings seltener vorkommenden akuten Vergiftungen sein, es muß aber immer so bald wie möglich der Arzt zu Rate gezogen werden.

Bei akuten Arsenvergiftungen giebt man im Wasser suspendierte Magnesia, sucht aber vorher durch Kupfervitriol (0,5 g) Erbrechen herbeizu- führen; akute Bleivergiftungen werden durch Kochsalzlösung, Bitter- salz oder Glaubersalz bekämpft. Gegen Cyankaliumvergiftungen soU sich nach Antal (Chemiker Ztg., 1894, S. 864) als Gegenmittel Kobalnitrat, welches mit dem Cyankalium eine unlösliche Verbindung eingeht, gut bewährt haben. Auch Ferrocyankalium , sowie frisch ge- feites kohlensaures Eisen werden, und zwar ersteres sowohl äußerlich wie innerlich, letzteres nur innerlich als Gegenmittel gegen Cyankalium- vergiftungen (bei der Extraktion von Gold durch dieses) empfohlen (Eng. and Min. Journal, 1892, Vol. 64, No. 18). Bei Cyanwasserstoffvergif- tungen (an der Hochofengicht) läßt man Ajnmoniak inhalieren und gießt kaltes Wasser auf das Rückgrad.

Häufiger kommen akute Vergiftungen durch Kohlenoxyd oder durch Gemenge von Kohlenoxyd, Kohlensäure und Kohlenwasser- stoff vor, bei welchen die gefährlichste Wirkung immer durch das Kohlen-

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oxyd hervorgerufen wird; bei diesen Vergütungen werden Kaffee, Ergotin und Liquor antimiasmaticus verabreicht, besser ist es aber nach Hirt, bald den Ersatz des vergifteten Blutes durch sauerstoffreiches Biat (Transfusion) vorzunehmen, die unterbrochene Atmung künstlich wieder einzuleiten und die sensiblen Nerven durch Wasserbesprengung, Ver- brennung kleiner Hautstellen oder mittels Elektricität zu reizen. O^gen Chlorgasvergifbungen sollen sofort Ammoniak- oder Schwefelwasserstoff- inhalationen unter Vorsichtsmaßregeln gegen ein Zuviel angewendet werden.

Zu den Einrichtungen, welche der Arbeiterwohlfahrt dienen und hierher gehören, weil sie den Arbeiter zum Kampfe gegen die Ge- fahren und Schädlichkeiten des Betriebes körperlich und geistig stählen, sind in erster Linie gesunde Arbeitenrohnangen zu rechnen. Der Einfluß der Wohnung ist fttr das Wohlbefinden jedes Menschen von so hervorragender Bedeutung, daß diesem Gegenstande mit Becht ein besonderer Band (IV) des Handbuches gewidmet ist. Eine Wohnung, welche den dort gestellten Anforderungen möglichst vollkommen ent- spricht, ist gerade dem Arbeiter nach des Tages Last und Mühe in der oft ungesunden Hüttenatmosphäre zu gönnen. Derartige Mietswohnungen stehen dem Arbeiter aber selten zu einer für ihn erschwingbaren Miete zur Verfügung; das gilt namentlich für die großen Fabrikstädte mit ihren Wohnungskasemen, während die Wohnungsverhältnisse bei Hütten* werken mit ländlicher Umgebung zumeist günstiger sind; im letzteren Falle wird jedoch die weite Entfernung der Wohnung von der Hütte oft zum Uebelstand. Vielfach sind deswegen die Hüttenwerke bestrebt, den Arbeitern zu gesunden Wohnungen in der Nähe des Werkes in der Weise zu verhelfen, daß entweder Familienhäuser auf Werkskosten gebaut werden, in denen die Arbeiter gegen niedrige Miete (zuweilen, wie auf den Werken des Oesterreichischen Vereins für chemische und metallurgische Produktion in Aussig, Kralup und Ebensee, sowie teil- weise auf der Friedrichshütte in Oberschlesien auch ganz umsonst) wohnen, oder daß den Arbeitern zum Bau von eigenen Häusern der Bauplatz, Geldvorschüsse oder Bauprämien gewährt werden^, ^. Das orstere Verfahren ist das häufigere. Unter den Bausystemen herrscht dasjenige vor, bei welchen die Häuser dichter zusammengedrängt liegen und unter möglichster Trennung der einzelnen Parteien von mehreren Familien bewohnt werden ; das Kottagesystem , bei welchem jede Fa- milie ein besonderes Haus, womöglich inmitten von Garten und Feld, bewohnt, verdient gewiß den Vorzug, ist aber in der Nähe von großen Werken meistens teils wegen der hohen Landpreise, teils wegen der großen Entfernungen, welche die in den entlegensten GLäusern Wolmendra zurückzulegen haben würden , nicht durchführbar. Daneben sind auf den meisten größeren Werken zur Unterbringung der nicht bei den Eltern wohnenden, unverheirateten und der weit entfernt wohnenden, ihre Familie nur über den Sonntag aufsuchenden verheirateten Arbeiter kasemenartige Schlafhäuser eingerichtet, welche zumeist mit Speise- anstalten verbunden sind^. Eine nähere Beschreibung der zum Teil großartigen Anlagen dieser Art würde hier zu weit führen.

Es mögen aber einige Zahlen von dem segensreichen Bestreben der Werke auf diesem Gebiete Zeugnis geben. Von den 73 769 Angehörigen der Krupp 'sehen Werke im Jahre 1888 (20360 Arbeiter 1891

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 527

Kraren es 24084 , 62809 FamiliengUeder) wohnten 12 728 in eigenen Hänaem und 24193 in Krupp 'sehen Familien- und Sohlafhäusem. Der Boohnmer Verein hat in seinen Familien- und Schlafhäusem 6000 Per- sonen untergebracht. Auf den Stumm 'sehen Werken in Neunkirchen haben 123 Familien Werkswohnungen, eigene Häuser (zum Bau solcher wird eux Vorschuß bis zu 2400 M. gegeben) 1677 FamiUen. Die Schlaf- häuser enthalten 28 Säle mit 648 Betten. Die Mansfeld'sche Ge- werkschaft hatte Schluß 1890 in den Schlafhäusem für 2268 männliche und 48 weibliche Arbeiter Platz; an Familien Wohnungen waren 654 vor- lianden. Für Errichtung von Schlafhäusem, Erbauung von Familienhäusem und Bewilligung von Hausbaudarlehen und Bauprämien hatte diese Gewerk- «chaft bis ikde 1890 über 8,5 Millionen Mark ausgegeben. Der Mecher- nicher Verein hat 184 Arbeiterwohnungen und in den Schlafhäusem Platz far 400 Personen. Die Berndorfer Metallwarenfabrik be- sitzt in Bemdorf, Veitsau, St. Veit, Fahrafeld, Treisen und Wiener Neu- stadt 350 Familienwohnungen und legt seit 1887 bei Bemdorf eine Kottage-Kolonie an, indem sie ordentlichen Arbeitern zu geringem Preise 100 bis 1^00 Quadratklafber aus einem größeren, zu diesem Zwecke er- worbenen Orundkomplex und Geldvorschüsse zum Bau eines Eigenhauses gewährt. Der Oesterreichische Verein für chemische und metallurgische Produktion überläßt in Außig, Kralupp und Ebensee 268 Familienwohnungen ihren Arbeitern unentgeltlich; dasselbe geschieht mit 68 Familienwohnungen auf dem Berg- und Hüttenwerk von Friedrich von Neumann in Marktl in Nieder-Oesterreich *. Die Wittkowitzer Bergbau- und Eisenhüttengewerkschaft in Wittkowltz in Mähren bringt 2000 * Personen in Schlafhäusem unter. Den Inhabern von Familienwohnungen wird daneben in vielen Fällen Gemüse- und Kartoffelland zur Verfügung gestellt.

Neben den schon erwähnten Konsumvereinen sind auf einigen Hütten- werken, gewöhnlich auf Anregung und mit Unterstützung der Besitzer, zur Förderang der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter Spar- und Vor- schußkassen eingerichtet worden (z. B. durch Krupp, die Mans- felder Gewerkschaft, die Marienhütte bei Kotzenau, die Berndorfer Me- tallwarenfabrik). In Haushaltungsschulen werden die weiblichen Angehörigen der Arbeiter in der Führang eines einfachen Haushaltes, in Industrieschulen in allen Handarbeiten unterrichtet. Die geistigen Fähigkeiten der ArbeiterMnder werden geweckt und gefördert in Kleinkinder- und Volksschulen, welche teils von den Werkeu neu errichtet, teils durch Zuwendungen aller Art in ihrem Be- stehen unterstützt werden. Zur Heranziehung eines geistig tüchtigen Arbeiterstammes dienen Fortbildungsschulen, welche von den Werken unterhalten werden.

Haben sich alle betrieblichen und sonstigen Schutzvorkehrungen den sdiädlichen Einflüssen der Hüttenarbeit gegenüber als machüos er- wiesen, ist das Krankenlager nicht abzuwenden gewesen, so gereichen dem Arbeiter in Deutschland und Oesterreich die gesetzlichen Be- stimmungen über Krankenpflege und Krankenlohn zum Segen; meistens gehen aber die Leistungen der auf den Werken bestehenden Krankenkassen weit über die gesetzlichen hinaus und stellen der Opferwilligkeit der Besitzer ein glänzendes Zeugnis aus. Hat die Kunst des Arztes die Folgen des Unfalles oder der sonstigen schädlichen Ein-* Wirkungen der Hüttenarbeit nicht oder nur zum Teil zu beseitigen ver-

Haodbiich der Hygleae. Bd. VUL 34

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528 SAEOER,

mocht, oder ist Invalidität oder Altersschwäche eingetreten, so bewahrt die gesetzliche Unfalls-, Invaliditäts- und Altersversicherung (erstere in Deutschland und Oesterreich, letztere in Oesterreich noch nicht, in anderen Ländern fehlen derartige staatliche Einrichtungen) die Ar- beiter und deren Angehörige vor Nahrungssorgen. Wo gesetzliche Be- stimmungen nicht bestehen oder, wie es zur Zeit noch der Fall ist, Lücken und Härten enthalten, wird durch die Einrichtung und Unterstützung von besonderen Arbeiterpensions-, Witwen- und Waisenkassen imd durch den Bau von Arbeiterasylen und Waisenhäusern Abhilfe geschafifen. Auf mehreren großen Hüttenwerken (z. B. Krupp, Stumm, Mechemicher Verein, Mansfeldsche Gewerkschaft) bestehe außerdem Fonds für besondere Unterstützungszwecke. Mit welcher Großherzigkeit in dieser Hinsicht verfaiiren wird, zeigt so recht die im Jahre 1887 von dem jetzigen Inhaber der Krupp'schen Werke, F. A. K r u p p , erfolgte Stiftung eines Kapitals von 1 Million Mark, deren Erträgnis neben den Wohlthaten der schon vorher in großartigem Maßstabe ge- troffenen Wohlfahrtseinrichtungen lediglich den Arbeitern und deren Angehörigen in außergewöhnlichen Notfällen zu Gute kommt

Diese Stiftung erfolgte zum Gedenken des Mannes, dessen höchster Wunsch zu der Zeit, als er seinem Namen schon den Weltruf errungen hatte, das Glück und die Wohlfahrt seiner Arbeiter war; indem er auf die einstmalige inmitten des riesigen Werkes gelegene, pietätsvoll er- haltene elterliche Wohnung verweist, sagt er:

Fig. 79.

Vor fftofiig Jahren war diese ursprüoglicbe Arbeiterwohnan^ die Zuflucht meiiMr Eltern. MQohte Jedem unserer Arbeiter der Kummer fem bleiben, den die Grfindung dieser Fabrik &ber uns Terhftngte. 25 Jahre lang blieb der Erfolg sweifelhaft, der seitdem aU- mfthlich die Entbehrungen, Anstrengungen, Zuversicht und Beharrlichkeit der Vergangen- heit, endlich so wunderbar belohnt hat.

Möge dieses Beispiel Andere in Bedrängnis ermutigen , mSge es die Achtung tot kleinen Hftusem und das Mitgefühl für die oft gro&en Sorgen darin Termehren. «»Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein, dann bringt Arbeit Segen, dann ist Arbeit Gebet*'.

IIB

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Hygiene der Hüttenarbeiter.

529

Möge in lusarem Verbände Jeder, Tom HScbsten bb lom Geringsten, mit gleicher Uebeneugnng sein blaeliehes Gl&ck dankbar und bescheiden su begründen and au be- festigen streben; dann ist mein höchster Wonsch erfOllt.

Essen, Febmar 1873.

Alfred Krupp.

95 Jahre nach meiner Besits&bemahme.

Utber Ärbeiterwolmimgm vergl Bd, IV (Hmsbuim), über Sehlajkäuter Bd. VI (Knanff undWtjDumd Bd. VIII 8. 858/. (Tftller), über iontüge Wohi/ahrUemrichiungm nawtenüieh fltr BergUuU Bd. VUI 8. 861 ß. (FttUer) m die$0m HmMu4^

Um schließlich wenigstens an einem Beispiel die segensreichen Folgen eifrigen Strebens auf dem Gebiete der Hüttenhygiene zu zeigen, fflhre ich nachstehend die Erankheitsstatistik der hauptsächlich Blei, Bleiglätte und Silber darstellenden, oben mehrfach erwähnten Friedrichs- htttte in Oberschlesien an, auf welcher namentlich im letzten Jahrzehnt be- ständig an der Vervollkommnung der betrieblichen Schutzvorkehrungen und der sonstigen, die Gesundheit der Arbeiter fördernden Einrichtungen gearbeitet worden ist Es galt dort namentlich den Kampf gegen die Bleivergiftungen, deren Abnahme darum auch am meisten in die Augen £Kllt;'aber auch die Erkrankungen aller Art zeigen eine überaus er- freuliche Abnahme.

KrankheiUfUle aller Art einsc heitsfiUe

hl. Bleikrank.

Ble

ikrankheitsflUle allein

Besohif.

KrankheiUflUle

(einschl. Rfick-

fftUe)

Krankheitstage

KrankheitsflUe einschl. R&ckflUle

Krankheitstage

Jahr

tigU Ar- beiter

Ansahl

auf 100 Arbeiter

Aniahl

aaf 100 Arbeiter

Aniahl

auf 100 Arbeiter

AnaahJ

auf 100 Arbeiter

1884

449

213

47,4

2744

611,1

147

32,7

1714

381,7

1885

505

269

53,s

3802

752,9

196

38,8

2188

433,0

1886

581

376

64,7

5317

s^:^

250

48,0

2999

516,2

1887

619

429

69,8

5903

258

41,7

3335

MS:!

1887/88

614

386

62,9

5300

863.«

252

41,0

3312

1888/89

616

249

40.4

3726

603,2

122

19,8

1446

234,7

1889/90

623

226

36,8

3546

F2''

104

16,7

1426

229,2

1890/91

636

15a

m

2610

410,4

48

7,5

554

5l'*

1891/92

579

131

«732

471,8

36

6,2

460

7M

1892/98

531

159

29,9

2468

464,8

41

7,7

778

140

1898/94

483

162

33,5

2525

522,7

72

987

204

1894/95

502

H9

29,7

2923

582,5

31

470

93,6

5i

»)

8

6) 7) 8) 9) 10) 11}

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630 8AEOKR,

Anhang« Der Schatz der Anwohner.

Der Hüttenbetrieb kann fOr die Bewohner der Umgebung durch Geräusch, Erschütterung des Bodens, Funken, sowie durch Luft- und Wasser Verunreinigung GesundheitsschftdUdikeiteB, Belästigungen und wirtschaftliche Nachteile zur Folge haben. Der Hütten- betrieb gehört deswegen auch zu deqjenigen Gewerben, deren Anlage und Betrieb in den meisten Staaten nur unter bestimmten , die Nach- baren der Werke schützenden Bedingungen gestattet ist. Bei der Fest- setzung dieser Bedingungen, welche naturgemäß immer nur von Fall zu Fall erfolgen kann, wird man aber dem Hüttenbetriebe, falls er überhaupt lebensfähig erhalten werden soll, stets ein gewisses Maß von Belästigung der Umgebung nachsehen müss^. Das erscheint auch, namentlich wenn es sich dabei um die Entscheidung auf naditrägUche Beschwerden der Nachbaren handelt, oft durchaus gerechtfertigt Denn meistens sind zuerst die Hüttenwerke dagewesen und erst nach und nach bevölkerte sich die Umgebung mit Leuten, welche wohl wissen, daß der Betrieb Lärm, Ruß und Bauch mit sich bringt, aber auch reichliche Gelegenheit zum Geldverdienen bietet. Es ist diesen Leuten dann sogar unerwünscht, wenn das Geräusch der Maschinen, der Lärm der Hämmer, das Rauchen der Essen unterbrochen wird, und doch sind gerade diejenigen Anwohner, welche im Laufe der Zeit durch das Wwk oder die Arbeiter desselben zum Wohlstande gelangt dnd, nachher am schnellsten zu Beschwerden über Belästigungen durch den Betrieb be- reit; meistens laufen dann diese Beschwerden auf die Forderung eines Schadenersatzes oder des Erwerbes des angeblich unbenutzbar gewordenen Gebäudes oder Grundstückes seitens des Werkes hinaus. Andererseits werden die Aufsichtsbehörden mit Recht gegen diejenigen Verwaltungen einschreiten, welche im Vertrauen auf die abhängige Lage der um- wohnenden Arbeiter und Gewerbetreibenden es an dem Bestreben, die schädlichen Einflüsse des Hüttenbetriebes auf die Umgebung nach Mög- lichkeit zu beseitigen, fehlen lassen.

Die nächste Umgebung der Hütten hat im allgemeinen am meisten unter den Schädlichkeiten des Betriebes zu leiden; es ist deswegen von Vorteil, mit den Werken, soweit es technisch und wirtschaftUch zu- lässig ist, von den Wohnstätten fern zu bleiben und nach dem- selben Grundsatze sowohl bei der Erweiterung der Werke wie auch bd dem Bau neuer Wohnstätten in der Hüttenumgebung zu verfahren; dabei wird auch Rücksicht auf die vorherrschende Windrichtung zu nehmen sein. In den häufigen FäUen, in welchen diese Maßregel ausgeschlossen ist oder sich als unzureichend erweist, läßt sich durch mancherlei be- triebliche Vorkehrungen auch auf diesem Gebiete der Hüttenhygiene Abhilfe schaffen.

Zur Vermeidung von lästigem, unter Umständen durch Nerven- reizung gesundheitsschädlich wirkendem und geistiges Arbeiten oft un- möglich machendem GerSnseh wird man zunächst Anfang und Ende der Arbeitszeit, sowie das Anlassen der Dampfmaschinen nicht durch grelle Lippen-Dampfpfeifen, sondern durcm Zungenpfeifen anzogen, den Ton derselben langsam anschwellen und möglichst bald wieder ver- stummen lassen; vielfach wird man die Dampfpfeifen auch ganz gut

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 531

durch Lftutewerke ersetzen können. Anspuffdampfmaschinen wird man nicht nach der Straße oder einem nachbarlichen Grundstücke zu ausblasen lassen und das durch den auspuffenden Dampf zuweilen verursachte Geräusch durch Schalldämpfer (z. B. von Patrik in Frankfurt a/M.) oder durch Einrichtung einer Kondensation zu ver- meiden suchen. Schnell laufende Ventilatoren, namentlich R o o t s - Blowers, machen sich oft durch ein weithin hörbares Heulen un- angenehm bemerkbar; man muß solche Schnellläufer daher entweder unterirdisch aufstellen oder durch langsam laufende, größere Ventilatoren ersetzen. Dampfhämmer und namentlich die schnell schlagenden Federhämmer machen zuweilen einen unerträglichen Lärm und lassen den Ersatz derselben durch Schmiedepressen (vgl oben S. 453) erwünscht erscheinen. Kreissägen (namentlich die schnell laufenden Heißsägen) und Abrichtmaschinen geben durch ihren Lärm oft Veranlassung zu begründeten Beschwerden der Nachbarschaft; man muß versuchen, durch Schließen der Thüren und Fenster, namentlich nach der Straße und benachbarten Grundstücke zu, und durch Ummantelung der Ma- schinen Abhilfe zu schaffen. Noch schlimmeren Lärm bringt das Ver- nieten von Blechen in Kesselfabriken und das Abhauen von Trägern mit sich; diese Verrichtungen sollten deshalb möglichst nur am Tage vorgenommen werden. Im ersteren Falle helfen hydraulische Niet- vorrichtungen mehr als der Abschluß durch doppelte Thüren und Fenster. Das Zerschlagen der J- und [^'^i^^^^ geschieht meistens derartig, daß dieselben von Hand mit dem Schrotmeißel eingekerbt, dann hochge- hoben und zum Zerbrechen nötigenfalls mehrmals niedergeworfen werden. Das verursacht nicht allein großen Lärm, sondern flihrt durch Ab- springen von Splittern beim Meißeln, durch Ueberheben und durch Auf- werfen auf die Füße auch zu Unfällen. Kaltsägen, welche zum Ersatz des Meißeins verwendet werden, liefern zwar einen glatten, nachher nicht mehr zu bearbeitenden Schnitt, arbeiten aber zu langsam.

Besser sind die von E. Specht in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ing. 1894 S. 791 und 1461 beschriebenen Trägerschneide- maschinen von Klostermann in Köln und die Trägerbeißmaschinen von C. Hoppe in Berlin. Beide Vorrichtungen sind im wesentlichen hydraulische Pressen, welche leicht auswechselbare, scheerenartig wirkende Messer bewegen. Die Träger werden auf kleinen Handwagen mit 2 hohen Bädern, unter deren rechteckigen Bahmen 4 Trageklauen angebracht sind, zu der auf beiden Seiten der Presse befindlichen EoUbahn gebracht. Ohne besonderes Oer&usch erfolgt das Zerteilen eines 400 500 mm hohen Trägers, welches firüher 4 5 Leute und eine Zeit von */« his '/4 Stunden erforderte, auf diesen Maschinen in l*/j 2 Minuten, wobei nur 1 Mann die Maschine bedient. Die Klostermann 'sehe von der Kalker Werkzeugmaschinenfabrik L. W. Breuer, Schum acher & Co* hergestellte hydraulische Schneidemaschine eignet sich auch für das ge- räuschlose Zerschneiden von Ea9oneisen.

Die Ersehflttemngeii, welche durch die Dampfhämmer in dem Ambos und dessen Unterlagen, der gußeisernen Schabotte und dem aus Holzbalken hergestellten Hammerstock, hervorgerufen werden, pflanzen sich wellenförmig in die Umgebung fort. Das führt namentlich bei den schweren Hämmern leicht zu Unzuträglichkeiten, deren Beseitigung zuweilen durch Verstärkung der Holzunterlagen gelingt; besser ist es

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532 SAEGER,

jedoch, das ganze Hammerfandament durch einen dasselbe umgebenden hohlen Raum, der durch Spundwände gesichert wird, zu isolieren. Dampfschmiedepressen bieten auch in dieser Hinsicht einen yorteilbaften Ersatz für die Dampfhämmer.

Eunken, welche Belästigungen und selbst Feuersgefahr mit sich bringen können, treten zuweilen aus den Schornsteinen der Gießerei- öfen, und zwar namentlich aus den Kupolöfen zum Umschmelzen des Roheisens aus. Erhöhung der Schornsteine und Anbringung von Funkenfängern (z. B. Schomburg'sche, Löffler'sche D. R. P. 66679 oder Grog er 'sehe D. R. P. 77 175) genügen oft zur Beseitigung dieses Uebelstandes. Bei den Kupolöfen sind zur Funken- aufhahme meistens Bauchfänge über der GichtöfFhung vorgesehen, auch werden, wie es ein Modell des Schalker Gruben- und Hüttenvereines auf der Unfall Verhütungsausstellung in Berlin 1889 zeigte, über der Gichtöfihung Kammern (aus Mauerwerk, Eisen wird zerstört) zur Auffangung der fortgerissenen glühenden Koks- und Aschenteilchen an- gelegt. Gänzlich verhütet wird der Funkenauswurf bei der Verwendung von Herbertz'schen Dampf strahlöfen (oben S. 503), welche sich gerade für Gießereizwecke gut bewährt haben. Bei diesen Oefen treten aus der Gichtöffhung weder Funken noch die Gichtflamme aus, welche bei den älteren Kupolöfen für die Aufgeber die Gefahr der Verbrennung und Belästigungen mit sich brachten; in das Ausblaserohr herüberge- rissene Funken werden durch den Dampfstrahl gelöscht Das Strahl- gebläse muß aber in eine Esse ausblasen, da bei Verwendung eines kurzen Blechrohres zu diesem Zwecke ein posaunenartiger, unangenehm heulender Ton entsteht

Lästiger und gefährlicher sind für die Hüttenumgebung, und zwar sowohl für den tierischen wie für den pflanzlichen Organismus, die bei den Hüttenprozessen durch feste dampf- und gasförmige Stofie ein- tretenden Luftverunreinigungen % zumal von den Vorkehrungen und Maßregeln, welche zum Schutze der Arbeiter gegen dieselben getroffen Inrerden, nur die Einführung der nassen und elektrolytischen Prozesse an Stelle von trockenen Prozessen auch für die Hüttenumgebung als Schutzmaßregel in Betracht kommt Im übrigen erfordert der Schutz der Arbeiter in diesem Falle gerade eine möglichst vollkommene Ab- fiihrung aller im Betriebe entstehenden Luftverunreinigungen in die Atmosphäre, und es würde vielleicht um den Schutz der Anwohner schlimm stehen, wenn nicht im eigensten Interesse der Hüttenwerke die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes und der Wert der die Luft verunreinigenden Stoffe namentlich wenn dieselben bleiisch, arsenika- lisch, zinkisch, kupferhaltig, quecksilberhaltig, silberhaltig, schweflig- und schwefelsauer sind die Auffangung derselben erforderte^ * * 9 20 «1 üebrigens tragen die hierzu getroffenen Vorkehrungen in vielen Fällen auch zur Verbesserung der sanitären Verhältnisse der Hüttenarbeiter bei, da es bei ungünstiger, regnerischer Witterung vor- kommen kann, daß sich die aus den Essen austretenden schädlichen Stoffe namentlich die schweren Metallverbindungen zum Teil schon innerhalb des Hüttenterrains ablagern.

Die Stoffe, welche aus den Essen und den sonstigen Abzugs- öfihungen der Hütten ins Freie gelangen, haben wir oben (S. 440 ff.) in ihrem schädlichen Einfluß auf den Körper der Hüttenarbeiter kennen

•) Vergl. Abschnitt II, 4 (3. 440 ff.).

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 533

gelernt Wie weit die dort geschilderten Gefahren für Leben und Ge- sundheit auch den Anwohnern der Hütten drohen, hängt im wesent- Uchen von der Wirksamkeit der zur Aufisjigung bez. Unschädlich- machung der Luftverunreinigungen getroffenen Vorkehrungen und von der Natur der ins Freie gelangenden Stoffe ab. Im allgemeinen wird man aber die gewerblichen Krankheiten, welche der Hüttenbetrieb mit sich bringt, unter den Anwohnern, soweit dieselben nicht zur Hüttenbeleg- schs^ gehören oder als Angehörige der Hüttenarbeiter durch den in die Wohnung verschleppten Arbeitsschmutz gefährdet sind, nur aus- nidimsweise wiederfinden.

Immerhin wird man aber die Notwendigkeit einer möglichst voll- kommenen Auffangung, namentlich der gefährlicheren, also quecksilber-, blei- und arsenhaltigen Flugstaubarten, auch im reinen sanitären Interesse der Anwohner schon aus dem Umstände herleiten können, daß diese Metallgifte überall Erkrankungen nicht nur bei den Arbeitern an den eigentUchen Betriebsapparaten, sondern auch bei denjenigen Arbeitern herbeifiihren, welche IcKiiglich mit Nebenarbeiten abseits der gefähr- lichen Stellen beschäftigt sind.

Als die gefährlichsten unter den festen Bestandteilen des Hütten- rauchs galten lange namentlich für den tierischen, daneben aber auch für den pflanzlichen Organismus in der Hüttenumgebung das Queck- silber und seine Verbindungen, deren vollkommene Zurückhaltung in den modernen Kondensationsapparaten aber nicht mehr zu den Unmög- lichkeiten gehört. Weniger vollkommen gelingt das beim bleiischen Flugstaube. Derselbe hat sich denn auch für den tierischen Organismus in der Hüttenumgebung mehrfach als gefährlich erwiesen ^^ la «o ^n Menschen sind Bleivergiftungserscheinungen in der Hüttenumgebung meines Wissens allerdings noch nicht sicher festgestellt worden; ich halte aber doch z. B. den Genuß von ungereinigtem rohem Obst, wie es namentlich von Kindern im Garten gepflückt und sofort verzehrt wird, in der Nähe von Bleihütten für nicht ungefährlich. Denn daß sich namentlich bei schwerer Luft bleiischer Flugstaub überall auf den Sträuchem und Bäumen wie auf den Früchten an denselben ablagert, lehrt ohne weiteres der Augenschein. Mit Sicherheit sind Bleivergif- tungen bei Haustieren festgestellt worden, welche auf Wiesen in der Nähe von Bleihütten geweidet oder mit Heu von diesen Wiesen ge- füttert worden sind. Mir ist sogar ein Fall erinnerlich, in dem Schweine, welche Heu von solchen Wiesen als Streu erhielten, an Bleivergiftung eingingen. Gelähmte Vögel, deren Kontrakturen von dem mit den Beeren in den Körper gelangten Blei herrühren, sind in der Umgebung von Bleihüttenwerken nicht gerade seltene Erscheinungen. Unter dem Feder- vieh sind die beständig mit dem Schnabel auf dem Boden herum- suchenden Enten am anfälligsten ; dieselben zeigen bald Lähmungen an den Füßen und unter der Federbedeckung, auf der Haut große blau- graue Flecken (Schwefelblei?). Die sonstigen in die Hüttenumgebung gelangenden Metallverbindungen dürften für den tierischen Oi*ganismus keine besonderen Gefahren bieten.

Der Pflanzenwelt schaden die festen Luftverunreinigungen im all- gemeinen nichts s <^ 2 ^ Ganz ungefährlich sind die unlöslichen und schwer- löslichen Metallverbindungen, also die Silikate, Phosphate, Schwefelver- bindungen, Bleioxyd, Kupferoxyd, Zinkoxyd, schwefelsaures Blei u. s. w. Von den in Wasser löslichen Metallverbindungen des Hüttenrauches, also von den Sulfaten, Chloriden, namentlich aber von der Arsenigen-Säure

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534 SAEGER,

kann eine Zerstörung zarter Pflanzengewebe yerarsacht werden, wenn durch gleichzeitig, vor- oder nachher fallenden Thau eine konzentriertere Lösung aus dem sich ablagernden Flugstaub auf den Blättern oder Nad^ gebildet wird. Im Boden gehen die löslichen Metallverbindungen durch Absorption bald in unlösliche Verbindungen über.

Die sauren Dämpfe und die Gase machen sich in der Hütten- umgebung zuweilen durch den Geruch (schweflige Säure, Schwefelwasser- stoff) unangenehm bemerkbar, ohne aber der Gesundheit unzuträglidi zu werden. Schlimm steht es aber um den pflanzlichen Organismus, welcher der Einwirkung von sauren Dämpfen und Gasen des Hütten- rauchs ausgesetzt ist. Namentlich die schweflige Säure, die Salzsäure und die dampfförmige Schwefelsäure haben in der Umgebung mancher Hütten zu einem vollständigen Aufhören des Pflanzenlebens geführt ^ ^ 18 «0 21^ Dag jiaß (j^r Zerstörung ist hauptsächlich von der Kon- zentration der schädlichen Dämpfe, dann aber auch von der Dauer der Ein- wirkung und der Art der Pflanzen abhängig. Am meisten ist die schweflige Säure zu fürchten, weil sie am häufigsten im Hüttenrauch vorkommt und am schwierigsten unschädlich zu machen ist. Salzsäure wirkt ähnlich wie schweflige Säure, kommt aber im Hüttenrauch viel seltener vor und ist leichter zu kondensieren. Dampfförmige Schwefelsäure ist neben der schwefligen Säure fast immer im Hüttenrauch vorhanden, soll aber (auch nach der Absorption durch Regen oder Thau) nach Schröder und Reich *• weniger schädlich wirken als SO, und HCl. Die geringste Widerstandsfähigkeit gegenüber säurehaltiger Luft zeigen die Nadelhölzer; nach Stöckhardt genügt schon ein Gehalt von 0,0001 Vol. Proz. SO s in der Luft zu einer alknählichen Zerstörung dieser Baumart. Laubhölzer, und namentlich die Erle, die Eiche und der Ahorn erkranken weniger leicht. Die landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, mit Ausnahme etwa des Klees und sonstiger Blattpflanzen, werden erst bei höheren Kon- zentrationsgraden (nach Freytag*^ über 0,00135 Vol. Proz.) ange- griffen. Boden, Klima, Döngung und sonstige Wachtumsbedingungen sind natürlich ebenso, wie die Assimilation, von wesentlicher Bedeutung für die Widerstandsfähigkeit des Pflanzenorganismus wie allen anderen, so auch den Rauchschädlichkeiten gegenüber.

Ist nun schon die Zusammensetzung der aus den Betriebsapparaten der Hüttenwerke den Essen und sonstigen Abzugsöfihungen zuströmen- den Luftverunreinigungen, wie wir oben gesehen haben, eine sehr ver- schiedene, so zeigen die Vorkehrungen, welche zur Unschädlichmachung bez. Wiedergewinnung dieser teils schädlichen, teils wertvollen Stoffe getroffen werden, eine noch größere Mannigfaltigkeit, ohne daß im Grunde genommen die Auswahl unter den Mitteln und Wegen hierzu eine allzugroße ist. Wenn man zur besseren Uebersichtlichkeit, nicht, weil dadurch in jedem Falle ein prinzipieller Unterschied im Verfahren bedingt wäre, eine Dreiteilung vornimmt, je nachdem es sich um feste Stoffe, Metalldämpfe oder saure Dämpfe und Gase handelt, so lassen sich die Grundsätze, nach denen die hier in Frage kommenden Ein- richtimgen getroffen werden, etwa wie folgt gruppieren:

L Für feste Stoffe. (Staub von den Zerkleinerungs- und Siebprozessen, Flugstaub und kon- densierte Metalldämpfe.)

a) Abscheidung durch die eigene Schwere. (Hilfsmittel: Abkühlung,

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 535

Zugverminderung, Zugbrechung, FlftchenberfihruDg, Elektrizität, Erschfitterong.)

b) AbscheiduDg durch trockene oder nasse Filter.

c) Abscheidung durch Centrifugalkraft.

n. Für Metalldämpfe.

a) Absorption.

b) Kondensation zu festen oder flüssigen Stoffen; für erstere dann Vorkehrungen wie bei I.

IIL Für saure Dämpfe und Gase.

a) Starke Verdünnung durch Luft.

b) Kondensation.

c) Absorption (durch Wasser und neutralisierende Stoffe).

I. Der einfachste imd meistens eingeschlagene Weg, um feste Stoffe an dem Austritt in die Atmosphäre zu hindern, ist die Aus- nutzung der denselben innewohnenden eigenen Schwere. Da die letztere in dem Augenblicke, in welchem die festen Teilchen in den Luftstrom aufgenommen werden, durch die Kraft, welche den Luftstrom der Abzugsöfinung zuführt, aufgehoben wird, so kommt es darauf an, entweder diese Kraft, den Zug, zu vermindern, oder die einzelnen Teil- chen zu vereinigen, sodaß sie durch vereinte Schwere zu Boden ge- zogen werden. Beide Zwecke lassen sich zunächst durch Abkühlung erreichen, welche aber natürlich nur für den eigentlichen „Hütten- rauch^^ — zum Unterschied gegen die mit kalter Luft abgezogenen Staubteilchen aus den Zerkleinerungs- und Siebapparaten in Betracht kommt. Sinkt die Temperatur der Rauchgase, so vermindert sich auch das Volumen derselben (Mariotte^sches, Gay Lussac'sches und Dalton'sches Gesetz) und dementsprechend die Geschwindigkeit beim Durchströmen gleicher Querschnitte; bei der Volumenverminderung kommen aber auch die festen Teilchen, ebenso wie die gasförmigen, näher aneinander, sie ballen sich zusammen und fallen, da sie zu schwer

S;eworden sind, um von dem an sich schon verminderten Zuge weiter örtgetragen zu werden, zu Boden. Die Abkühlung der Rauchgase wird meistens dadurch herbeigeführt, daß man dieselben vor dem Austreten ins Freie in Kanälen, Kammern und Essen weite Wege zurücklegen läßt, wobei eine beständige Wärmeabgabe an und durch die Wandungen stattfindet. Die abkühlende Wirkung einer solchen Anlage hängt von der Länge des zurückgelegten Weges, von der Wärmeleitungsfiüugkeit der Wandimgen und von etwaigen besonderen Kühlvorrichtungen ab. Was den ersten Punkt anbelangt, so bestehen namentlich auf den Blei-, Arsenik- und Quecksilberhütten z. T. ausgedehnte Kanalsysteme.

Auf der Muldener Hütte bei Freiberg in Sachsen haben z. B. die Rauchgase der Röstöfen in Kanälen und Kammern einen Weg von 1860 m Länge mit einem Fassungsraume von 7653,48 cbm bis zur Esse zurück- zulegen; für die Rauchgase von 4 Schachtöfen und den Oefen für die Werkbleiverarbeitung beträgt die Wegelänge 962 m, der Lihalt der Kanäle und Kammern 4012,87 cbm; zwei weitere Schachtöfen haben eine Flugstanbkammer von 1722,87 cbm Lihalt, in welcher die Rauchgase einen Weg von 602 m Länge zurücklegen, worauf dieselben zusammen

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6AEOER,

mit den Rauchgasen von den Flammöfen und den Botglasöfen in einen Kanal von 1015 m Länge und 8350,42 cbm Inhalt treten. Auf der Hcdsbrückner Hütte bei Freiberg legt der Ranch der Rost- und Schacht- öfen einen Weg von 1950 m in Kanälen und Kammern von 8541 cbm Fassungsraum zurück, um dann in die höchste (140m hohe) Esse der Erde zu treten^'. Auf den Bleihütten von Beaumont zu Allen, Allan- head und Rookhope in Nord-England beträgt die Gesamtlänge von vier KondensationskaniGien sogar 13900 m bei 2 m Weite und 3 m Höhe^*. Große Ausdehnung besitzen auch die Flugstaubkammem und Kanäle auf der Mechemicher Bleihütte; der Hohlraum derselben beträgt fcLr die Rauchgase der Röstöfen 10015 cbm, für die der Schachtöfen 23900 cbm; die SchachtofenjBUchgase treten dort schließlich in eine Esse von 134,6 m Höhe.

Weiter kommt es darauf an, der äußeren Luft Gelegenheit zn geben, kühlend auf den Gasstrom zu wirken. Unterirdische Kanäle, welche schon der immer zu befürchtenden zerstörenden Grundfeuchtigkeit wegen nur in unumgänglichen Notfällen (wegen Raummangels) gebaut werden sollten, sind hiernach nicht empfehlenswert. Die älteren oberirdischen Kanäle sind meistens, wie die unterirdischen, in Mauerwerk ausgeführt; zum Teil hat man die Kanalwandungen sogar sehr stark gemacht, um Gewähr für die Dauerhaftigkeit derselben zu haben. Die Wirkung solcher Kanäle, welche noch dazu vielfach als Parallelkanäle in einem Massiv vereinigt sind, besteht aber oft entgegen der Absicht darin, daß die Wärme der Rauchgase möglichst zusammengehalten wird.

Richtiger ist es, die Kanäle aus dünnwandigem Material herzu- stellen und von allen Seiten durch die Luft bestreichen zu lassen.

Einen solchen 360 m langen Kanal hat z. B. die Richmond- und Eureka-Bleihütte zu Eureka aus galvanisiertem Eisenblech gebaut (Fig. 80).

Derselbe hängt frei in einem Holzgerüst und kann nach Oeffnung von Räumklappen auf der unteren Seite von Flugstaub gereinigt wer- den^*. Auch auf ander^i Hütten (z. B. auf der Mul- dener Hütte, der Emser Hütte und der Friedrichs- hütte) hat man Eisenblech zum Bau von Kanälen ver- wandt; allgemein werden die Gichtgasleitungen der Hoch- und Schachtöfen aus Eisen- blech, nötigenfalls mit innerer Auskleidung mittels feuer- festen Materials hergestellt. Bedingung bei der Verwen- dung von Eisenblech ist, daß die Rauchgase keine sauren Dämpfe enthalten oder eine 80 hohe Temperatur (also Flg. 80. Eiserner Flugstaubkanal auf der Bld- mindestens 110 bis 120« C) h&tte la Eureka. behalten , daß sich saure

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 537

Niederschläge nicht bilden können; ein säurefester Anstrich im Innern verspricht keine Dauer und würde die Anlage auch zu sehr verteuern. Sind saure Niederschläge zu befürchten, so kann man die Kanäle und Kammern aus in Teer gesottenen oder sonstigen säurefesten Steinen, besser aber aus Bleiblech herstellen, wie es auf den Freiberger Hütten vielfach geschehen ist^*; die Verwendung von Bleiblech hat namentlich far Bleihütten den großen Vorteil, daß das Material auch beim Abwerfen der Anlage immer seinen Wert behält. Große Hoffiiungen hatten nament- lich die deutschen Bleihütten auf das Moniermaterial (Eisengeflecht mit Cementbewurf) fELr den Bau der Flugstaubkanäle gesetzt; die Herstel- lungskosten solcher Kanäle waren verhältnismäßig niedrige, die Flug- staubniederschlagung wegen der nur einige Centimeter starken Wandungen eine sehr vollkommene, aber die Widerstandsfähigkeit gegen Temperatur- wechsel und den Einfluß von sauren Niederschlägen eine so geringe, daß die mehrfach erst vor wenigen Jahren erbauten Monierkanäle fast überall schon Kuinen geworden sind. Und doch wird man auch heute noch be- haupten können, daß sich diese Kanäle unter Umständen, d. h. bei nicht zu heißen, nicht sauren, ununterbrochen durchströmenden Bauchgasen be- währen müssen. Holz ist zur Herstellung von Kondensationsröhren (Va- lalta, Idria) und von Kammern und Kanälen (Neu Almaden in Kalifornien) auf Quecksilberhütten und auch zum Bau der Esse auf der oben er- wähnten Bleihütte zu Eureka verwandt worden ^^, ^^; hölzerne Wand- ungen können natürlich nur fELr verhältnismäßig kalte, möglichst säure- fireie Oase in Betracht kommen und müssen zur eigenen Erhaltung und zur Erzielung einer abkühlenden Wirkung meistens mit Wasser berieselt werden. Oußeisen, welches zur Herstellung von Kondensationsröhren und Kammern auf Quecksilberhütten oft verwandt wird, wirkt gut abkühlend, wird aber durch saure Niederschläge, wenn auch weniger leicht, als Schmiedeeisen und Stahl zerstört; zum Schutze dagegen dient Asphcd- tierung und Zementierung der Apparate. Widerstands&higer gegen Säuren, dafür aber zerbrechlicher sind die gut abkühlend wirkenden Kon- densationsapparate aus Thon ; haltbarer als diese sind die jetzt allgemein auf der Quecksilberhütte in Idria eingeführten C z er mak' sehen Konden- satoren aus glasiertem Steinzeug ^^ Glasplatten mit Drahteinlage, wie sie von der Aktiengesellschaft für Glasfabrikation vorm. Fried r. Sie- mens in Dresden hergestellt werden, dürften gegen Schlag und Tem- peraturdifferenzen hinreichend widerstandsfähig sein, uro bei abgekühlten, saure Niederschläge bildenden Gasen mit Vorteil zur Herstellung von Wandungen oder doch zur Abdeckung der Kanäle verwandt zu werden. Auf einer Bleihütte zu Monteponi auf Sardinien hat man in einfacher Weise alte Stollen und Strecken eines nahen Bergwerks zu Flugstaub- kanälen hergerichtet und auf den Alaunwerken von de Laminne in Belgien an einem hohen Bergesabhange Kanäle von 200 m Länge für die Bauch- gase von vier Zinkblenderöstöfen ausgebrochen; in beiden Fällen ist natürlich der Hauptzweck nicht die Wärmeabgabe, bez. Abkühlung der Kauchgase; im ersteren Falle nutzt man vielmehr eine vorhandene An- lage zweckmäßig aus und kann, da auch noch eine andere Wirkung (Heibung an den Wandungen) in Betracht kommt, zu einem ganz guten Besultate gelangen; im zweiten Falle dient der Kanal, wie unten ge- schildert, zugleich zur Absorption der schwefligen Säure ^ ®.

Will man die abkühlende Wirkung der Kanäle erhöhen, so kann man Wasser entweder zur Kühlung der Wandungen oder zur un-

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538 SAEOER,

mittelbaren Kühlung der Bauchgase in den Kanälen und Kammern ver- wenden.

Das erstere geschieht namentlich hei den unmittelbar an die Oefen angeschlossenen Kondensationsapparaten (Bohren) der Qaeck- silberhütten. Wände aus Bleiröhren, in denen Wasser cirkuliert, sind auf der Halsbrückner Hütte für Flugstaubkammem gewählt worden, in welchen arsenikalischer Flugstaub aus über 500^ C heißen, zur Schwefelsäuredarstellung bestimmten Böstgasen niedergeschlagen werden soll (M. Hagen, Jahrb. f. d. Berg- u. Hüttenw. im Königr. Sachsen, Jahrg. 1879). Man läßt dabei aus dem Bohre d (Fig. 81 , 82) Wasser

auf die als Kühlkasten kon- struierte Decke c fließen; in den zu einzelnen Abteilungen aneinander gelöteten, ellipli- sehen Bleiröhren b gelangt das Wasser sodann teils nach unten in das horizontal liegende Bleirohr a, teils auf- steigend zur Decke c zurück, sodaß eine beständige Cirku- lation des Kühlwassers statt- findet. Eine kühlende Wasser- Fif. 81. Freiberger FlngsUnbkanal ans Blei- Oberfläche wird den Bauch- röhren, in denen Kühlwasser airknliert. gasen in dem zur Beinigung

von Hochofengasen verwen- deten S-Apparat (Lothringer Schneckenrohr) geboten (Fig. 83). Der Wasser- spiegel e wird in diesem Apparate so hoch gehalten, daß das Heraus- nehmen des Gichtstaubes beständig während des Betriebes von c aus erfolgen kann; a und b sind Beinigungs- und Explosionsklappen. Läßt man Wasser in Form eines Begens oder als Spritzwasser in den Kam- mern oder Kanälen unmittelbar auf die Bauchgase einwirken, so wird man die vermehrte Flugstaubniederschlagung in erster Linie auf die dadurch herbeigeführte Abkühlung zurückzufUhren haben. An-

Fig. 88. Lothringer Schnecken- rohr aar Reinigung der Hochofen- # Fig. 82. (Zn Fig 81.) gase.

feuchtend und dadurch beschwerend wirkt Wasserregen nur bei hygroskopi- schem Flugstaube, welcher nicht gerade häufig ist. Dagegen erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß eine starke Niederschlagung von Flugstaub an der in den Tropfen gegebenen großen kalten Oberfläche stattfindet, und daß dann mit den niederfallenden Tropfen auch der Flugstaub ausgeschieden wird. Das Wasser wird meistens in Verbindung mit einem Filtermateriale

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 539

oder, wie wir nnten sehen werden, selbst als Filter verwandt. Wasserregen allein dient auf der Wilhelminenhütte und auf der Hohenlohehütte in Ober- schlesien zur Niederschlagung des Zinkozydes. Auf der letzteren Hütte müssen zu dem Zwecke die mit Zinkozyd beladenen MufPelgase nach dem Passieren yon Staubkammem in gemauerten Thürmen auf- und absteigen, während von oben herab Wasser heruntertr&ufelt. Auf der Friedrichs- hütte in Oberschlesien werden neuerdings die Rauchgase eines Schacht- ofens in einem Thurm und einer Doppelkammer der Einwirkung von Wasser ausgesetzt, welches durch Eörting'sche Strahldüsen zerstäubt wird; die Abkühlung ist bei genügendem Wasserzusatze eine sehr voll- kommene. Auch zu Pontgibaud und auf den Watermann Works in Utah sind Wasserregenkondensationen eingerichtet ^ ^ , ebenso auf der Alfort- hütte in Derbyshire * *. Bei einer Vorrichtung von Lundin zur Reini- gung von Gtichtgasen (hauptsächlich zur Bindung des für die Verbrennuung schäd- lichen Wasserdampfes) fließt das Wasser aus dem Rohre e (Fig. 84) in die Sprüh- ringe d'f dabei wird das gegen einen stellbaren Metallkegel spritzende Wasser zerstäubt *.

Als zweites Hilfsmittel zur Aus- nutzung der eigenen Schwere der festen Fig. 84. Kammer cor ReinigoBg Luftveninreinigungen wurde oben die ^^^ Oiehtgaaen dorch Sprohregeo. Zugverminderung angeführt. Die- selbe tritt, wie schon bemerkt, bei dor Abkühlung der Rauchgase von selbst ein und ist sonst durch Erweiterung der Gas- oder Staubwege herbeizuführen. Man ist aber immer mehr zu der Ueber- zeugung gelangt, daß man sich von der Verlangsamung des Zuges in großen Räumen allein nicht viel Erfolg versprechen darf. Die Rauchgase schlagen doch den nächsten Weg zwischen der Eintritts- und Austritts- öffnung ein und verringern ihre Geschwindigkeit nicht in dem Maße, wie es bei Ausnutzung des ganzen Raumes erwartet werden müßte. Eine Ausnahme hiervon machen die He ring* sehen Flugstaubkammem, in denen für einen bestimmten Zeitraum der Zug vollständig aufhört (8. unten S. 542).

Zugbrechungen, bei denen die festen Teilchen durch das größere Beharrungsvermögen gehindert werden, an der plötzlichen Aenderunff der Richtung teilzunehmen, einen Stoß erleiden und nun vermöge der eigenen Schwere das Bestreben haben, zu Boden zu sinken, dienen sowohl zur Reinigung kalter, stauberfüllter Luft, wie auch zur Niederschlagung des Flugstaubes aus den Rauch- und Gichtgasen. Man führt zu diesem Zwecke die staubbeladene Luft oder die Gase sowohl in einer Ebene hin und her, wie auf- und abwärts ; dabei stellt man entweder die Gaswege und Leitungen gebrochen her oder man baut Zwischenwände zu demselben Zwecke ein.

Bei der Was um ^ sehen Thomassohlackenmühle (vergl. oben S. 488) wird z. B. die von den Kollergängen abgeleitete, stauberfüllte Luft zur Reinigung in mehreren übereinander liegenden Röhren hin und her ge- führt; der aus der Sieberei und den elektromagnetischen Scheideappa- raten stammende Staub gelangt in einem 8 m langen, 4 m breiten und 2 m hohen hölzernen Kasten, welcher durch feste und herausziehbare Bretter-

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540 SAEGER,

wände in eine Anzahl von miteinander in Verbindung stehenden Kam- mern geteilt ist, zur Ablagerung ^^ Der Eiedler-Randorsche Quecksilber-Kondensator (Fig. 85) ist ebenfalls aus Brettern hergestellt und in den Wänden mit zahlreichen Glasfenstem Ä versehen; die bei C eintretenden Dämpfe und Guse müssen unter und über den Scheide- wänden B hin wegstreichen ^•. In dem Oichtgasreiniger von 0. Schrader und H. Macco (D. R. P. 28003) wird der Gasstrom durch eine ganze

Anzahl von horizontalen und vertikalen Scheidewänden zur Zurücklegung eines viel gewundenen Weges gezwungen. Zickzack- wege beschreiben femer die Bauchgase namentlich in den Gifttürmen und Gift- &ngen (Kanälen) zur Niederschlagtmg der arsenigen Säure und in den Kondensations- röhren der Quecksilberhütten. Auf der Herzog Juliushütte im Harz werden die TM OK «.• ji n j 1 Schachtofenrauchgase aus dem centralen scher Qaecksüberkondensmtor. Gasableitungsrohre 6 (vergl. Fig. 68, S. 602)

rechtwinklig dem Kanäle /, mittels einer zweiten Brechung dem Thurme g, dann wieder rechtwinklig durch die Oeffiiung k in den Kanal b gef^rt, in welchem sie den Weg zur Esse wiederum unter einem rechten Winkel einschlagen. Namentlich vor dem IJebertritt in den Kanal / durch die Oeffiiung k lagern sich große Mengen von. Flugstaub wegen des Beharrungsvermögens in dem nach unten fort- gesetzten Teil des Thurmes g ab. Die Klappe t dient zur Absperrung des Zuges während der Räumung des Kanales /; die Rauchgase treten dann nach Oeffiiung der Klappe h auf kurze Zeit nach oben aus dem Turme g. Der Hauptflugstaubkanal /, welcher auf dem Wege zu der 45 m hohen Esse noch einmal fast rechtwinklig umbiegt , ruht auf 4 m hohen Pfeilern n, welche hohl gemauert sind und so als Säcke für den Flugstaub dienen. Als Unterlage f&r den aus Backsteinen hergestellten Kanal dienen Wellbleche, welche über den hohen Pfeilern fehlen. Die blindvermauerten Oeffiiungen m in den Pfeilern und im unteren Ende des Turmes g sind zur Entfernung des Flugstaubes bestimmt; o sind Explosions- und Lüftungsklappen. Die Ableitung der Ofengase durch die obere Oefhung der Türme g wird auch bei dem Ausblasen der Oefen nach beendeter Kampagne gewählt, sobald die Beschickung unter die Unterkante der centralen Gasrohre e gesunken ist, weil selbst bei Be- deckung der Gicht durch passende Eisenplatten der Zug in dem Kanäle l nicht stark genug ist, um die Ofengase vollständig am Austritt aus der Gicht zu verhindern.

Uebrigens giebt es kaum eine Anlage zur Reinigung der Luft und der Rauchgase von festen Bestandteilen, bei welcher Zugbrechungen aus- geschlossen sind ; muB man doch z. B. auch den L ö f f 1 e r ' sehen Schom- steinaufsatz , in welchem die Rauchgase zur Abscheidung von Funken und Ruß durch Blechzungen hin und her gef^rt werden, hierher rechnen.

Wenn man nun in vielen Fällen die Zugbrechong durch Einschal- tung von Zwischenwänden herbeiführt, so bringt man dadurch zugleich ein weiteres Hilfsmittel zur Ausnutzung der eigenen Schwere der festen Bestandteile, die Flächenberührung, in Anwendung. An den Flächen reibt sich der Gasstrom und verliert an Geschwindigkeit, so- daß die eigene Schwere der mitgerissenen festen Teilchen wieder wirk-

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 541

sam werden kann. Erhöht wird die Wirkung der Flächen, wenn die- selben abgekühlt werden, weil sich dann eine dichtere Luftschicht an denselben bildet Der Wert einer großen Oberfläche für die Rauch- yerdichtung ist namentlich durch die Untersuchungen von Freuden- berg in ^8 deutlich erwiesen worden ^^.

Die demselben patentierte Einrichtung (D. R P. 17513, 20666 26006) besteht im wesentlichen darin, daß in den Kanälen, welche zur Esse r^ren, parallel zur Zugrichtung möglichst dünne Platten aus Eisen- blech (bei niedriger Temperatur aus Pappe) senkrecht oder geneigt auf- gehängt oder aufgestellt werden. Der abfallende oder durch eine Zug- stange abgeschüttelte Flugstaub wird durch niedrige Querbleche am Fortwehen verhindert. In dem Fiedler 'sehen, aus einem gußeisernen Kasten Ä (Fig. 86) bestehenden Quecksilberkondensators wird den bei D eintretenden Dämpfen und Oasen in den Wänden B ebenfalls eine große Oberfläche geboten. Dieselbe wirkt um so vollkommener verdichtend, als von dem Bohre C aus eine Wasserkühlung der hohlen Wände stattfindet. Die Wasserverbindung der Wände wird durch die Röhren r hergestellt; bei s fließt das erwärmte Wasser ab. E ist die Austrittsöffiiung der Oase, bei F fließen die Kondensationsprodukte ab ^ '. Auf der Friedrichs- hütte in Oberschlesien stehen fär die Rauchgase von Bleischachtöfen und Treiböfen EühHürme in Anwendung (D. R. P. 45 677), in denen haupt- sächlich durch eine große wassergekühlte Oberfläche eine nahezu voll- kommene Flugstaubniederschlagung erzielt wor- den ist. Es hängen dort in gemauerten Türmen für die Rauchgase von 6 Schachtöfen 180, für diejenigen von 2 Treiböfen 132 Kühlrohr- bündel (Fig. 87). Dieselben bestehen aus dem Centralrohr c von 42 mm und 6 dasselbe um- gebenden engeren Rohren d von 20 mm äus- serem Durchmesser, sodaß bei 5 m Rohrlänge

Fig. 87. Priedrichshfitter Fig. 86. Qne€k8ilb6rkondenuitor Kfthlrohrbflndel fOr Konden-

mit wAssargekOblten Innen wftndeo. lationBtfirme.

die gekühlte Oberfläche im ersteren Falle 480 qm, im zweiten Falle 885 qm beträgt; an beiden Enden sind die 7 Rohre in gegossene Verbindungsstücke eingelassen, deren oberes mit einem ringförmigen Ansatz / versehen ist, welches sich beim Einhängen des Rohrbündels auf den Turmdeckel e auflegt und durch einen Oummiring oder bei umbördeltem Rande mittels Wasser abgedichtet wird. Das Kühlwasser wird von Verteilungsrohren aus jedem Centralrohr c durch einen be- sonderen Schlauch zugeführt; es gelangt dann in den weiten Rohren e

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nach unten und in den engen Bohren d wieder auf den Tanndeckel, am nach der Abkühlang wieder in den Kreislauf za kommen. Es ist darch Messungen festgestellt worden, daß durch den Schachtofenkühlturm etwa 84 Proz. des Flugstaubes niedergeschlagen werden ^^. Die in der Kraf tischen Abhandlung i|i diesem Bande 8. 212 gegebene Abbildung zeigt den jetzt anderweitig benutzten guBeisemen Kühlturm, welcher für die gemauerten Kühltürme zum Vorbilde gedient hat. Bei dem Flugstaub- gewinnungsverfahren von Schlösser und Ernst (D. B. F. No. 31108 und 85942), welches sich auf der Bleihütte in Call gut bewährt haben soll, werden die Bauchgase in den Kanälen durch Spiralrohre, wasser- formenähnliche Körper und quer durchgeführte Bohre, in denen Wasser cirkuliert, gekühlt und zugleich mit einer großen Oberfläche in Berührung gebracht (Berg- und Hüttenm. Ztschr. von Kerl und Wim m er, 1887, S. 134).

Eine sehr sinnreiche Vorrichtung, bei welcher Abkühlung, Zug- brechung, Flächenberührung und Zugverminderung zur Niederschlagung von Flugstaub angewendet wird, hat C. A. Hering (D.B.P. No. 38 775) angegeben*. Dieselbe (Fig. 88, 89, 90) besteht aus einer Flugstaub-

Fig. 88. Hering'sehe FlogttaiibkMniner. Pig. 89. (Za Fig. 88.)

Fig. 90. (Zo Fig. 88.)

kammer, welche durch die Mauer e in zwei Parallelkanäle geteilt ist ; die Bauchgase treten zunächst aus dem Kanal a in den Vorraum Ij in wel- chem die von a aus mit Wasser zur Kühlung gespeisten Hosenrohre p hängen ; die abgekühlten Qaae gelangen dann in einen der Parallelkanäle, in welchem sie durch die Querwände i, die Vorhänge h und die im oberen Teile angebrachten Läugszungen k mit einer grofien Oberfläche in Berührung kommen und die Bichtung häufig ändern müssen. Nach einer bestimmten Zeit verschließt die von dem Mechanismus g (Schaukel- trog) selbstthätig bewegte Klappe f den Kanal, sodaß der Oasstrom plötz- lich vollständig zum Stillstande kommt und die festen Bestandteile ab- setzt; zugleich hat sich die Klappe des vorderen Kanales geö&et; der

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 543

in demselben befindliche gereinigte Teil des Oasstromes zieht znr £8se und sangt einen anderen zn reinigenden Ghtsstrom an, bis ein neuer Wechsel stattfindet. Wenn man der Kammer die richtigen Dimensionen giebt, wird man mit dieser Vorrichtung einen vollkommenen Erfolg er- folg erzielen können.

Auf der Halsbrüokner Hütte in Freiberg hat man in das Kanal- system für saure GFase Bleitürme eingeschaltet, welche nach Art der Türme zum Fällen des Arsens aus der Schwefelsäure mit Bleidäohem ausgesetzt sind. Die große Oberfläche dieser Bleidächer wird beständig ^urch Wasser yon oben her berieselt und ergiebt in den Türmen selbst, namentlich aber auch in dem dahinterliegenden Kanalstück eine sehr vollkommene Flugstaubablagerung fBauer, Die Hüttenrauchkon- xlensation auf der Halsbrüokner Hütte i. Jahrb. für das Berg- und Hüttenw. im Königr. Sachsen , Jahrg. 1889). Zwei ähnliche, 7 m hohe, ^ X ^ ^ breite Bleitürme sind auf der Friedrichshütte in Oberschlesien kürzlich für die Niederschlagung des Flugstaubes aus den Bauchgasen der Blei-, Flamm- und Sinteröfen gebaut worden. In jedem Turme liegen in drei Oruppen 90 Bleidächer vom 3 m Länge und 20 cm Höhe, sodaB ;8ich in beiden Türmen in den Dächern, den Seitenwänden und den Decken eine wassergekühlte Oberfläche von 600 qm ergiebt.

Die Elektricität ist von Lodge auf dem Bleiwerke von Walker, Parker u. Ko. in ehester zur Flugstaubverdichtung in der Weise nutzbar gemacht worden, daß zwischen isolierten Metallstangen, Kreuzen und Ringen elektrische Entladungen herbeigef&hrt wurden ; da- "bei vereinigte sich der Flugstaub zu Flocken und fiel zu Boden. Das Verfahren, welches in Deutschland unter No. 3286 patentiert ist, zeigte bei Versuchen auf der Friedrichshütte nicht den erwarteten Erfolg und hst sich bisher keinen weiteren Eingang verschafft Dasselbe gilt von •dem Patent No. 37433, nach welchem die Verdichtung durch starke Erschütterungen, wie Schüsse, Pauken auf Blech u. s. w. erfolgen soll*.

Bringt man in den Kanälen und Kammern Bleche und sonstige :aus einzelnen festen Teilen bestehende Körper immer nälier aneinander, Terringert man die Maschenweite eingehängter Siebe immer mehr und läßt man den Wasserregen immer dichter und schließlich zum Wasser- ^bade werden, so gelangt man dadurch zur trockenen oder nassen Filtration der durch feste Stoffe verunreinigten Luft- und Oasarten. Man hat es dabei natürlich vielfach mit Uebergängen zwischen Filtration lund Flächenberührung zu thun.

Das ist bei der Verwendung von Koks, Domen und ähnlichem Filter- materiale, sowie beiden Rösi ng' sehen Drahtfiltem der Fall, welche auf der Friedrichshütte für die Muffelgase der Zink- und Zinkschaumhütte und fELr die Kauchgase der Schacht-, Treib- und Flammöfen mit ausge- zeichnetem Erfolge in Anwendung stehen ^®. Für die Flamm- und Sinter- öfen sind zu diesem Zwecke auf der genannten Hütte in das Kanalsystem zwei Kammern eingebaut, von denen die neuere 20 m lang, 2,8 m breit und 6 m hoch ist (Fig. 91 , 92). Durch eine 4,70 m hohe Wellblech- virand a ist die Kammer der Länge nach in zwei Hälften Ä und B von Je 1,40 m Breite geteilt , welche nur an der Decke durch den 30 cm hohen Schlitz b miteinander in Verbindung stehen. Die Deckenwölbungen •der Kammern ruhen auf den Querträgem c, an welchen auch der mitt- dere der drei Längsträger d befestigt ist. Ein an den Längsträgem mittels

Haadtmch der HygleiM. Bd. VIIL . 85

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Laschen befestigtes , an der Decke des ganzen Oewölbes aufgespanntes^ Drahtnetz e trägt in jeder der 4 qcm weiten Maschen einen in die Kammer herabhängenden runden Eisendraht von 4 mm Stärke und 3 m Länge; bei einem lichten Querschnitt der Kammern von 2000 X ^^^ ^^ hängen demnach 140000 Stück Drähte mit einer Gesamtoberfläche von 5278 qm in der Kammer. Die bei C aus dem AnschluEkanal ^ in die Kammer- hälfte A eintretenden Bauchgase steigen, dem Zuge der Esse folgend, in dem Drahtfilter hoch, treten durch den Schlitz h in die Kammerhälfte B über, passieren abwärtsgehend das Drahtfilter derselben und gelangen schließlich durch die Oeffnung D in den zur Esse, bezw. zur zweiten Drahtkammer führenden Kanal F. Die AnschluÜkanäle E und F waren

Fig. 91. Flngstaabkammer mit Rösing'scbem DrahtfilUr.

ursprünglich aus Moniermaterial hergestellt, welches aber bald verfiel und durch 4 mm starkes, verzinktes Eisenblech ersetzt worden ist. Zur Ent- fernung des an den Drähten reichlich anhaftenden Flugstaubes werden die Drähte von Zeit zu Zeit durch Zugstangen fy an welche eiserne Bahmen ge- nietet sind, mittels der Hebel g von der Außenwand aus geschüttelt. Eine Versetzung des Drahtfilter» ist namentlich in Höhe des Schlitzes h zu befürchten, weil die Drähte im obersten Teile beim Schütteln nur wenig bewegt werden. Man stellt deswegen die DiUhte zweckmäßig in zwei in einander zu hängenden Längen her und läßt dann durch die Fortlassung eines Teiles der oberen Längen das Drahtfilter nach oben zu allmählich an Dichtigkeit Fig. 9«. (Zu Fig. 91.) abnehmen. Hat man trockenen

Dampf oder Druckluft zur Ver- fügung, so dürfte es angebracht sein, die Drähte häufig durch Abblassen vom Flugstaube zu reinigen. Hering schlägt zur trockenen Filtration ein» Kammer vor, in welcher gelochte oder geschlitzte Bleche oder Drahtge- webe hintereinander auf der ganzen Höhe oder wechselständig zur gleich- zeitigen Auf- und Abwärtsführung angebracht sind^. Macco will nach

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 545

dem Patente No. 24557 die Gichtgase znr Reinigung in vertikalen oder horizontalen Kanälen dnrch Filter beliebigen Materiales führen.

Hat man es mit kühlen, nicht sanren Rauchgasen oder mit stauberffillter Luft zu thun, so kann man als Filter- material Stoffgewebe wie Nesseltuch, Mousseline, Flanell und Lein- wand benutzen.

Das geschieht namentlich bei der Absoheidung von Antimonoxyd, Zinkoxyd und bleiischem Flugstaube. George F. Lewis in Phila- delphia fuhrt den Zinkoxydrauch zunächst zur Abkühlung durch eine Anzahl von stehenden, mit Zwischenwänden versehenen Rohren und bläst ihn dann durch einen Ventilator in eine Kammer aus, an welche durch seitliche Rohrstutzen lang herabhängende wollene Säcke angeschlossen sind. Die Geschwindigkeit des Ventilators wird so reguliert, daß er die gereinigte Luft noch durch das Gewebe der Säcke hindurchdrückt, wäh- rend sich das Zinkoxyd in den unten geschlossenen Säcken ansammelt (D. R. P. No. 40624, B.- und H. Ztg. von Kerl und W immer, 1887, 8. 92). Die Treibofenrauchgase der Friedrichshütte werden zunächst in einem Turme mit Kühlrohrbündeln (vergL oben S. 541) abgekühlt, dann in Zickzackwegen einer Drahtkammer (vergl. Fig. 91 und 92) und flchließ- lieh einem Staubfänger (von Nagel und Kaemp in Hamburg) zugeführt. Derselbe besteht aus einem runden Blechgehäuse von 2 m Höhe imd 1,7 m Durchmesser (Fig. 93 und 94), in welchem an der tmter der Decke

befindlichen Zwischenwand a ein Sternen- förmiger Filterkorb hängt, dessen einzelne Hohlzellen 6 mit Flanell überspannt sind. Die durch das Rohr e einströmenden Rauchgase treten radial in die Zwischen- räume der Filterzellen und dann durch die Flanellwände derselben in die Zellen

Fig. 98. SUabdbiger von Nagel and Kaemp. Fig. 94. (Zu Fig. 93.)

selbst ein, lassen dabei aber die mitgeführten festen Bestandteile an der äußeren Zellenwand zurück. Die so filtrierten Oase steigen im Innern der Zellen hoch, gelangen durch die obere Oeffnung derselben und entsprechende Schlitze der Zwischenwand a in den über letzterer liegenden Raum des Gehäuses. Aus diesem werden sie endlich durch die beiden Exhaustoren d abgesogen und in den zur Esse führenden Kanal ausgestoßen. Die Reinigung der äußeren Zellwand von anhaftendem Flugstaube geschieht selbstthätig" für eine Zelle nach der anderen durch einen kräftigen Oegen- luftstrom mit Hilfe des in dem Oehäusedeckel aufgehängten, durch ein Zahnradgetriebe bewegten Krümmers e, dessen untere Oefhung genau der Oeffnung einer Filterzelle entspricht. Der Gegenluftstrom entsteht

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dadurch, daß in den einzelnen Zellen beständig ein durch die Exhaustoren hervorgerufener geringerer Luftdruck herrscht als in dem mit der äußeren Luft unmittelbar in Verbindung stehenden Krümmer e. Der Druck- unterschied bewirkt, daß in dem Augenblicke, in welchem der Krümmer sich über einer Zelle befindet, ein Strom reiner Luft in das Zelleninnere und aus diesem durch das Filtertuch dringt, wobei der angesetzte Mug- staub abgeblasen wird. Das ebenso wie der Krümmer von der Ex- haustorwelle bewegte Klopfwerk f verstörkt die Wirkung des GFegen- lufbstromes. Der ausgeschiedene Flugstaub wird durch das Bührwerk g dem Ausfallrohre h und durch dieses einem außerhalb des Gehäuses stehenden, also während des Betriebes zu entleerenden Kasten zugeführt. Die mit einer Feder angepreßte Klappe i hindert den Eintritt der Luft und öfihet sich für kurze Zeit selbstthätig, wenn das Gewicht des dar- auf lastenden Staubes die Federkraft übersteigt. Der Apparat, dessen Zellen leicht herausgenommen und neu bespannt werden können, hat sich gut bewährt und schnell bezahlt gemacht ^^. Wegen anderer Staubfilter vergL Kraft in diesem Bande S. 211.

Wasser wird zur Rauchfiltration auf Hüttenwerken in England häufig, sonst aber bisher nur ungern verwendet, weil die Vorrichtungen namentlich bei größeren Mengen saurer Gase in der Anlage und Unter- haltung unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen, wenig dauerhaft und bei nicht hygroskopischem Flugstaube nicht besonders wirksam sind; meistens eignet sich auch der erhaltene nasse Schlamm nicht gut zur hüttenmännischen Wiederverarbeitung, wenngleich nicht verkannt werden kann, daß er dem trockenen, leicht aufwirbelnden Flugstaub g^enüber als minder gesundheitsschädlich für die Hüttenarbeiter angesehen werden muß; andererseits können aber auch bei Anwesenheit von löslichen Salzen, namenüich aber von schwerer und arseniger Säure, schäd- liche Abwässer entstehen.

Das Wasser wird entweder zur Berieselung von Filtern oder selbst in Form eines möglichst dichten Wasserregens oder eines Wasserbades als Filter benutzt Im ersteren Falle werden als Filtermaterial meistens auf .Rosten oder zwischen Sieben Beisig und Domen ^tockoe und Oriffith), Kieselsteine (zu Eggleston Mill in Cumberland), Koks und andere größere Substanzen benutzt ^^.

Wasserregen oder Spritzwasser allein kann natürlich nur in dichtester Form als Filter wirken, während die Hauptwirkung in der Abkühlung der Rauchgase zu suchen ist. Dem oben S. 538 Gesagten möge daher ergänzend nur hinzugefügt werden, daß auch Zimmer bei seiner Thomasschlackenmühle Spritzwasser zur Ausscheidung der letzten Mehlteilchen vorgeschlagen hat ^ M^ in Fig. 56 auf S. 499).

Wasserbäder kommen zur Filtration entweder derart zur An- wendung, daß man die staubbeladenen Luft- und Oasarten mittels Schöpf- oder Schneckenräder durch das Wasser hindurchführt, wie es auf den Watermann Works bei Stokton mit den zugleich einem Wasserregen ausgesetzten Rauchgasen geschieht (Dingler s pol. Joum. Bd. 218 S. 223), oder man verwendet drückende und saugende Gebläse zum Hindurchpressen der Rauchgase durch das Wasser. Auf der Hütte der Swansea Complex Ore Company wird z. B. nach einem Verfahren von Wilson & French der lUuch in einer Menge von 850 cbm in der Minute bei 300 mm Wasserdruck mittels 2 Roots Blowers durch

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 547

in Wasser liegende Siebe gepreßt (Berg- u. Hüttenm.-Ztg. v. Kerl und Wimmer 1884 S. 430).

Nun wird aber der Zug der Oefen bei den Filtrationsprozessen fast immer, zuweilen aber auch bei den sonstigen Rauchverdichtungs- verfahren derartig beeinträchtigt, daß der Ofengang gestört wird und die Rauchgase aus den Ofenöfihungen zurücktreten. In solchen Fällen muß man unter teilweisem Verzieht auf eine der Wirkungen die Zugverminderung , aber unter stärkerer Ausnutzung der anderen Hilfsmittel Zugbrechung, Flächenberührung u. s. w. den Zug der Oefen durch ein Lockfeuer an der Esse oder durch Ventilatoren (aus Eisenblech, bei sauren Oasen säurefest angestrichen, verbleit oder aus Hartblei hergestellt, auf Quecksilberhütten aus Messing- oder Kupfer- blech) künstlich verstärken. Verwendet man zu dem Zwecke Centrifugal- Ventilatoren, so erlangt man durch die dabei stattfindende Centri- fugierung ein neues Hilfsmittel zur Ausscheidung der festen Teile aus den Rauchgasen. Auf anderen Gebieten ist dieser Weg zur Trennung von Körpern mit verschiedenem spezifischen Gewichte oder verschiedenem Aggrecatzustande bekanntlich schon vielfach eingeschlagen worden ; der Mumford'sche Patent-Separator und der Cyklon-Staubsammler der Zimmer 'sehen Thomasschlackenmühle ^ ^ (vgl. Fig. 56) beruhen z. B. auf diesem Prinzipe. Für die Rauchverdichtung ist dasselbe aber meines Wissens noch nicht praktisch oder doch nur unbewußt bei der Aufstellung von CentriAigal- Ventilatoren zur Verstärkung des Zuges zur Anwendung gelangt Man findet nämlich bei der Untersuchung der Schaufeln eines Ventilators fQr staubbeladene Rauchgase stets, daß die Stärke der abgelagerten Flugstaubschicht an denselben von der Axe aus gleichmäßig zunimmt, ein Beweis dafür, daß, wie es ja auch nicht anders zu erwarten ist, in den an der Peripherie ausgeschleuderten Rauchgasen die festen Teilchen viel enger zusammengekommen sind. Aus diesem Grunde scheidet sich denn auch an der Ausblaseöfihung des Ventilators stets eine verhältnismäßig größere und dichter gelagerte Flugstaubmenge ab, als in dem Kanalstück, aus welchem der Ventilator saugt. Abgesehen von besonderen Vorkehrungen (Anordnung eines er- weiterten oder toten Kanalstückes gleich hinter der Ausblaseöfinung des Ventilators) erscheint es deshalb zunächst zweckmäßig, einen etwa notwendig werdenden Centrifugalventilator möglichst so aufzustellen, daß er die mit nunmehr centrifugiertem (verdichtetem) Flugstaub be- ladenen Rauchgase in die sonstigen Verdichtungsvorrichtungen (Zickzack- wege, trockene und nasse Filter) unmittelbar hineindrückt, da diese Vor- richtungen natürlich um so vollkommener wirken, je dichter der Flug- staub in den Rauchgasen enthalten ist.

n. Metalldämpfe können entweder durch Absorption oder durch Kondensation aus den Rauchgasen ausgeschieden werden.

Die Absorption, d. h. die Beseitigung der MetaUdämpfe aus Rauchgasen auf chemischem Wege ist durch Zersetzung mittels glühen- der Kohlen oder Salpetersäure versucht worden (KerTs Grundr. der AUg. Hüttenkunde, 2. Aufl. S. 312), hat aber keine Anwendung im Großen gefunden.

Die Kondensation der Metalldämpfe, d. h. die Herabminderung der Temperatur derselben bis unter ihren oben (S. 444) angegebenen Verflüchtigungspunkt zum Uebergange in den festen oder flüssigen Zu- stand, bietet selbst bei denjenigen Hüttenprodukten keine besondere Schwierigkeiten, welche zur Gewinnung vorher vollständig in Dampf-

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form übergeführt werden. Man muß allerdings sicher sein, daß eine vollständige Kondensation der metallischen Dämpfe stattgefunden bat, bevor man daran denken kann, die soeben angeführten Yorkehnmgen zur Auffangung der fest gewordenen metallischen Bestandteile der Rauch- gase auszunutzen. Welche Mittel zur Abkühlung der Rauchgase zu Ge- bote stehen, ist oben gesagt worden.

in. Die sauren Dämpfe und Gase, also namentlich schweflige Säure, salzsaure Dämpfe, Chlorgas und Schwefelwasserstoff, sind für die Pflanzenwelt zumeist sehr gefährlich, können aber, soweit sie in die Hüttenumgebung gelangen, dem tierischen Organismus kaum Schaden zufügen^ 2 8 6 17 18^ £Iq näheres Eingehen auf die große Zahl der zur Unschädlichmachung der sauren Dämpfe und schädlichen Gase vor- geschlagenen Methoden erübrigt sich demnach an dieser Stelle um so mehr, als doch nur wenige derselben bisher zur Einführung gelangt sind. Die meisten dieser Methoden bieten zweifellos die Möglichkeit eines vollkommenen Erfolges, verursachen aber so hohe Anlage- und Unter- haltungskosten, daß (lieselben die nötigenfalls zu zahlenden Entsdiä- digungskosten weit übersteigen.

Um schädlich auf den Pflanzenorganismus einwirken zu können, müssen die sauren Dämpfe und Gase einen bestimmten Konzentrations- grad haben'*'), welcher z. B. filr schweflige Säure nach den allerdings sehr scharfen Kozessionsbedingungen fttr oberschlesische Hütten 0,005 VoL Proz. der Rauchgase nicht übersteigen darf. Der einfachste Weg zur Unschädlichmachung konzentrierter Rauchgase ist demnach die Ver- dünnung derselben durch Luft Zu dem Zwecke werden die sauren Gase durch hohe Essen ins Freie geführt, um ihnen Gelegenheit zu möglichst weitgehender Diffusion vor dem Niedersinken zu geben. Bei schwefligsauren Gasen gelangt man hiermit auch vielfach zum Ziel, wenn der Gehalt der Rauchgase an SO« nur gering ist, also je nach der Höhe der Essen beim Austritt aus denselben nicht mehr als etwa 0,2 bis 0,01 Vol. Proz. beträgt. Nicht so vollkommen gelingt in dieser Weise die Unschädlichmachung von Salzsäure- und Chlordämpfen, welche weniger diffundieren und darum schnell niedersinken.

Die Kondensation, d. h. die Ueberführung in den flüssigen Zustand, erfolgt für die schweflige Säure des Hüttenrauchs zum Teil in Verbindung mit Absorption bei der Verwendung derselben zur Darstellung von Schwefelsäure, flüssiger schwefliger Säure und Schwefel- säure-Anchydrid.

Zar Schwefelsäuredarstellung muß der Hüttenrauch mindestens 4 VoL Proz. schweflige Säure enthalten und &el von Verunreinigungen durch Verbrennungsprodukte sein; metallischer Flugstaub muß vorher nach einem der oben beschriebenen Verfahren entfernt werden. Um die aus schwefelhaltigen Materialien ausgetriebene schweflige Säure von den Ver- brennungsprodukten rein zu halten, werden Schachtöfen, in denen der verbrennende Schwefel selbst die erforderliche Wärme erzeugt (Kilns, Bäesbrenner, Oefen von Gerstenhoefer, Hasenclever AHelbig, Ollivier & Perret, Maletra), oder Muffelöfen (Hasenclever, Grillo, Eichhorn-Liebig) verwendet. Der Kammerprozeß verläuft dann in der gewöhnlichen, hier nicht zu erörternden Weise. In dieser Art verwendet, ist die schweflige Säure, welche vorher Kosten und Un- annehmlichkeiten bereitete, ein wertvolles Hüttenprodukt geworden, wenn .

*) Vergl. oben S. 584.

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 549

sich ancb mit der Zeit eine Ueberprodoktion und weitgehende Yerbilligong der Schwefelsäure bemerkbar gemacht hat. Jedenfalls bezahlt die Aktien- gesellschaft Rhenania, welche fOr rheinische und westfälische Hütten- werke Schwefelsäurekammern auf eigene Kosten baut, für die entnommene 43chweflige Säure immer noch einen nennenswerten Preis.

Zur Gewinnung von flüssiger schwefliger Säure (Verfahren von Hänisch u. Schroeder und der Bergwerksgesellschaft O. v. Oiesche's Erben auf den Zinkhütten zu Lipine, Chropaczow *), Hambom) wird die dampfförmige schweflige Säure zunächst durch Wasser absorbiert, aus diesem durch indirektes Erhitzen und durch Wasserdampf ausgeschieden, der mit ausgeschiedene Wasserdampf durch Abkühlung kondensiert und darauf das Gemisch in einem Turm durch Schwefelsäureberieselung oder Ohlorcalcium getrocknet; die aus dem Turm austretende reine gasförmige schweflige Säure wird schließlich bei einem Druck von 2^/^ 3 Atmo- sphären mit Hilfe von Eompressionspumpen verflüssigt und bildet ein wertvolles Produkt ftir Cellulosefabriken, Bleichereien, zur Herstellung von Kältemischungen u. s. w. Die Gewinnung von Schwefelsäure- Anhydrid erfolgt nach dem Patente von Ol. Winkler (D. R P. 4666) in der Weise, daß die schwefligsauren Gase zunächst in einem Turme durch herabrieselnde konzentrierte Schwefelsäure getrocknet und dann -über glühenden platinierten Asbest geleitet werden, wobei durch Kontakt- wirkung aus schwefliger Säure und Sauerstoff Schwefelsäure-Anhydrid gebildet wird. Dasselbe wird durch konzentrierte Schwefelsäure ab- sorbiert, aus welcher es durch Destillation gewonnen wird.

Die Absorption schwefliger Säure durch Wasser, Wasser und Kalkstein, Kalkwasser, Kalkmilch, Magnesia, Thonerde, Soda, Schwefel- calcium, Schwefelnatrium, Schwefelbaryum, Schwefelwasserstoff, wasser- berieselte Eisenabfälle, Zinkoxyd, Kupfer, glühende Kohlen und kon- zentrierte Schwefelsäure ist bei den Versuchen meistens gelungen ' « » ». Für die dauernde Einführung im Großen eignen sich diese Verfahren aus dem oben angegebenen Grunde aber nur, wenn lokale Verhältnisse dabei eine Nutzbarmachung der schwefligen Säure in der einen oder anderen Weise gestatten.

So leitet man auf den schon genannten Alaunwerken von de L a m minne in Belgien die schwefligsauren Gase von Blenderöstöfen durch Kanäle im Alaunschiefer, welche oberhalb und seitlich mit dem losge- hackten Bohmateriale bedeckt werden, und erzielt damit eine Auf- Schließung des Alaunschiefers für die weitere Extraktion ^^. In Linz und in Stadtberge wurde früher schweflige Säure zur Extraktion Ton Kupfererzen verwandt, wobei die schweflige Säure allerdings be- sonders dargestellt wurde. Lätrange bringe Blendeabbrände zur Sulfatisierung in die Kanäle für schwefligsaure Rauchgase; der ent- stehende Zinkvitriol wird ausgelaugt und auf Zink elektrolytisch verar- beitet^. Bössler drückt schweflige Säure, welche bei der Scheidung von Gold und Silber mit Hilfe von kochender konzentrierter Schwefel- säure entwickelt wird^ Qiittels eines Körting 'sehen Injektors durch Kupfervitriollauge, welche gold- und silberhaltiges Zementkupfer enthält. Dabei verwandelt sich unter Reduktion des schwefelsauren Kupferoxjds zu schwefelsaurem Kupferoxydul die schweflige Säure in Schwefelsäure,

*) Die Gaidottohütte in Chropaciow geht in nlcheter Zeit von der Fabrikation •chwefliger SAore sa der besser rentierenden SchwefeUftarefabrilLation Qber.

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550 SAEOERf

welche das Zementkupfer unter Abscheidnng von Oold und Silber auf- löst Auf der Friedrichshütte will man neuerdings Schachtofenflugstaub^ welcher Zinkoxyd und Bleiozyd etwa zu gleichen Teilen enth&lt, in Wasser fein suspendieren und in dem oben (S. 543) erw&hnten Turm den schweflig- und schwefelsauren Oasen der Flamm- und Sinteröfen aus- setzen. £s soll sich dabei löslicher, als Lauge weiter zu verarbeitender Zinkvitriol und unlösliches Bleisulfat zur Verarbeitung im Flammofen bilden.

Zur Absorption von Schwefelsäure- Anhydrid, welches von Wasser nur unvollkommen aufgenommen wird, werden die dasselbe enthaltenden Gase durch Kokstürme geleitet, in denen Schwefelsäure herabrieselt.

Salzsäure und Chlordämpfe werden durch Wasser absorbiert, welches in Türmen aus gebranntem Thon, säurefesten Steinen oder Holz über Koks- und Quarzstückchen herabrinnt Für die Kondensation der Salz- säure sollen sich die Lunge-Rohrmann'schen Plattentürme sehr gut bewährt haben (Zeitschr. f. angew. Chemie 1894 S. 615).

Schwefelwasserstoff kann durch schweflige Säure unter Bildung von Wasser und Schwefel unschädlich gemacht werden.

Wasserreninreiiilgiuigeii bringt der Hüttenbetrieb nur selten mit sich. Vorsicht ist gegenüber dem Gichtgas- Waschwasser und dem Schlackengranulationswasser nötig, welche durch den Gehalt an Schwefel- wasserstoff (beim Gaswasser auch an Cyanverbindungen) für Fische gefährlich werden können. Schwefelwasserstoffhaltig ist auf Eisenhütten das Schlackengranulationswasser namentlich, wenn hochprozentiges Ferromangan erblasen, also bei hohem Hitzegrade und starkem Koks- verbrauch eine stark basische schwefelhaltige Schlacke erzeugt wird. Hat man Wasser zur Filtration von Hüttenrauch verwandt, welcher Arsendämpfe mit sich fQhrte, so muß man verhüten, daß dasselbe un- gereinigt in Quellen, Brunnen, öffentliche Wasserläufe gelangt; derartiges Wasser kann auf arsenige Säure abgedampft oder über FilterbeUoi von Schwefelkies-Röstrückständen geleitet werden (Kerl, AUg. Hütten- kunde 2. Aufl. S. 314); noch besser ist es, arsenhaltige Abgänge mit Eisenvitriollösung umzurühren und dann zu klären. In Lipine (Ober- schlesien) werden die schwachsauren Abwässer der Schwefli^ure- fabrikation durch geräumige Bassins geleitet, welche zur Absorption der Säure mit Kalkstein gefQllt sind.

Vergl. auch: Wasserversorgung im Bd. I, Flußverun- reinigung im Bd. II dieses Handbuches und Heinzerling, Hygiene der ehem. Großindustrie, namentlich anorganische Säuren und deren Salze im vorliegenden Bande.

1) FUttner, Die waUüIurguektn BOttprwtesUt Frtiberg (1866).

8) BMeb, Die bisherigen Vereueke wwr Beseitigung des edMUchen Etn/hueet des Bauem-'

rauehes bei dem fUkdUeehen HUUenwerhen mar Dreiberg, Dreiberg (1858). 8) Winkler, Freiberger Jahrb, (1880) 60 /.

4) Bobnabel, Preufi, ZeiUehr. /. Berg-, HÜiteiir und SaUnemeeeen (ISSI) 895 /.

5) Merbaeh, Freiberger Jakrb, (18S1) 42 /.

6) Frendenberg, Die a%f der BleihOUe bei Ewu mar Oew. d. FtagtUmbee getroffenen Ein^ richtungen, Em» (1882).

7) KoMmann, Preufi. ZeiUehr, /. Berg-, EMUen- und SaUnenwesen (1888) 228 ff.

8) Kofsmann, Zeitsehr. QUekauf (1894) 681.

9) Httriog, Die Verdiehiung dee HUtUnrauehe, StuUgaH (1888).

10) Baeger, Die hygien. Einrichtungen der Friedriehehme m Obersehlesienj Preufi. ZeiUfkr. /. Berg-, Hatten' und BaUnenweten (189S) 267 ff

11) Wedding, Zeüechr. Stahl und Eieen (1890) 810 /.

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Hygiene der Hüttenarbeiter. 551

18) H«l]iB6rliBg , DU Orfakrm und &r^nkh$itm m dir thmiiehtn Indiatrü «. «. w^

HaUe a.l8. (1886> 18) FreOerfft Berff und HütUmceten, Fräberg (1898). 14) BAlling, DU MiUMkmUmJnmde, BerHn (1886). 16) lütter, Ueber da» alU und da$ woAme QueektObervirhlUiungitoeien m läria i, Bit. über

d. Jüg. Bergwumnttag m Klagei^/urt (1898).

16) BtftlMl, DU MitaUmrgU^ Gewinnung der MeUdU im Eandb, der ehern, Xiehnologie^ Braute schweig (1863—1886).

17) Freytmg, Wieeenseha/a. Ovtaehien über den Einflu/e, welchen dU Ettttenwerhe der Man»" fddmr h^Jer$ehi^erbauenden Oewerheehaft cmf die Vegetaitum der benaehborten Orund- ttOcke und indirekt au/ Menschen und Tiere aueOben^ Euleben (1870).

18) Jrtjtng, ZweiUe Outachten über den Einffuß des EüUenrauche, Freiberger Jahrb. (1876).

19) HMenkleTer, Ueber du Beetkädigung der Vegetation durch eaure OaeCy Berlin (1879).

50) J. T. BelurSder «. 0. Banfk, DU Beschädigung der Vegetation durch Saueh und dU Ober» harter HüHenrauchschOden^ Berlin (1888).

51) 0. BanCi, Sauehbeschadigung in dem von TieU-WinMer* sehen Forstreviere Mgslowit»' KaUowitn, Goslar (1898).

FigureiiTerzeieliiiis.

Ueber Fig. 1— S6 liehe Seite 895. Ueber Fig. 26 81 siehe Seite 350.

Fig. 38—84 tind der ZeitMihrift fUr Berg-, Hatten- and Salinenwesen 40. Bd. 8. 498 entnommen.

Fig. 82 Seite 871 und 88, 34, 36, 86 sind dem Bergmannsfrennd No. 16, 17 und 18, Jahrgang 1894 entlehnt

Fig. 87 sUmmt ans dem Handbuch der Architektur 4. Teil 8. Bd. Fig. 88 ans Specht, Ber. Aber d. deutsche Allg. Ausstellung flir UnfallTerhfltung, Berlin 1889 Bd. II 1. Hälfte S. 88. 89 aus S p e c h t , Ber. Aber d. deutsche Allg. Ausstellung für UnfallTerhfltung, Berlin

1889 Bd. II 1. Hälfte S. 88. 48 aus Specht, Ber. Aber d. deutsche Allg. Ausstellung für Unfallrerhatung, Berlin

1889 Bd. II 1. Hälfte S. 18. 48 aus Specht, Ber. Aber d. deutsche Allg. Ausstellung für UnfidlrerhAtung, Berlin

1889 Bd. U 1. Hälfte S. 11. 44 aus Specht, Ber. Aber d. deutsche Allg. Ausstellung fAr UnCUlrerhAtung, Berlin

1889 Bd. U. 1. Hälfte S. 18.

40 ans UofiillTerhAtuDgsTorschrift. d. Sächs.-ThAring. Eisen- a.Stahlberufiigeno8sen8chaft.

41 Preiskourant von Schmidt in Niederlahnstein.

77 u. 78 aus Preiskourant von Ingenieur Kleemann, Hamburg.

46 aus Zeitschrift Suhl und Eisen 1881 S. 466.

48 u. 49 aus Wedding, Die VerhAtnng der Suubeinatmung in ThomasmAhlen in

der ZeiUchrift Stahl und Eisen 1890. 66 aus Wedding, Die TerhAtung der Staubeinatmung in ThomasmAhlen, in der

Zeitschrift Stahl und Eisen 1890. 60 aus Kerl, Grundrifs der Allgemeinen HAttenkunde 8. Aufl. S. 167. »» •** »» »I >i II II *• »f »I ^bl,

,, 60 Zrdahal, Die k. k. Silber- und BleihAtte lu Priibram im Leobener Jahrb.

1890 Taf. IV Fig. 6.

69 aus Schnabel, Lehrbuch der Allgemeinen HAttenkunde 8. 380.

»» 80 t, 601.

,, 70 u. 71 aus Bai 11 ng, HetallhAttenkunde 8. 463 (abgeändert).

88ausWedding, Orundriüi der EisenhAttenkunde 8. Aufl. 8. 188.

86 u. 86 aus StSliel, Die MetaUurgie S. 1461.

79 aus WohlfSshrtseinriditungen der Guisstahlfabrik ron Fried r. Krupp an

Essen a. d. Buhr, Essen 1891, Selbstverl. Titelbild.

68 68 aus H e i n I e r 1 i n g , Die Gefahren und Krankheiten u. w. 8. 89, 87.

64 aus der Patentschrift (D. B. F. 66 666).

67, 68 u. 69 aus der Patentanmeldungssehrift 7788/94.

81 n. 88 aus Hering, Die Verdichtung des HAttenrauchs Taf. 8 Fig. 6 u. 7.

84ausHering, Die Verdichtung des HAttenrauchs Taf. 9 Fig. 68.

,, 88, 89 u. 90 aus Hering, Die Verdichtung des HAttenrauchs Taf. 7 Fig. 48, 44 n. 46.

46 u. 47 aus Saeger, Die hygien. Einrichtung, der FriedrichshAtte in Oberschledeo,

Preufs. Zeitschr. f. Berg-, HAtten- u. Salinenwesen 1898 Taf. XVIII Fig. 9 n. 10.

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552 SAEGER, Hygiene der Hüttenarbeiter.

#ig. 6S, 6S n. 54 ans 8 a 6 g 6 r , Die hygien. Elnriohtnog. der Friedriehthfltte in Oberschlesien,

Prenfs. Zeitschr. f. Berg-, Hütten- n. Salinenwesen 1898 Taf. XV Flg. 1, S n. 4. 61 ans Saeger, Die bygien. Binricbtong. in Priedriebsbfttte in Oberscblesien, Prenls.

Zeitschr. f. Berg- Hauen- u. Salinenwesen 1898 Taf. XV Pig. 8. 87 ans Saeger, Die hygieo. Einrichtung, der Priedriebsbfttte in Oberscblesien, Prenfs.

Zeitschr. f. Berg-, Hfltten- u. Salhienwesen 1898 Taf. XVI Pig. 8. 91 n. 98 ans Saeger, Die hygien. Eiftrichtnng. der Priedriebsbfttte in Oberscblesien,

Prenls. Zeitschr. f. Berg-, Hfttten- o. Salinenwesen 1893 Taf. XVIII Flg. 2 u. 8. 98 n. 94 ans S a e g e r , Die hygien. Binrichtnng. der Priedriebsbfttte in Oberscblesien,

Prenfs Zeitschr. f. Berg-, Hfitten- n. Salinenwesen 1898 8. 887. ,, 66, 57, 58, 65, 66, 78, 78, 74, 75 u. 76 sind Originale.

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Seite 411 Zeile 88

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Ztg.

617 642

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28, 18

29

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Hegister

zur Hygiene der Berg-, Tnimel- und Hüttenarbeiter.

LiU. bedmtUi den Bimotü auf da$ LüUraim'iwmiiehmi,

AbbM 8S7. 861.

Abel« BchieXien mit WMserbesati 881.

Litt. 896. I

Ableitung der Bllser (schlAgende Wettar) 878.

der SchAchtofengase 491.

der LnftTeninreioigangen aat deo Ar-

beittrAomen 498 ff.

der FlammofengMe 604.

der Gase bei den Gef3Us6fen 606.

der Hnffelgase 610. Abortnnligcn auf Bergwerken 648.

beim Tonnelban 409. Abriehten der Schleifsteine 468. AbrtehtniMfthinmi , Lärm derielben 681. AbforpUoa der Hetalldimpfe 647.

der schwefligen Bftore 649. Abspemehieber für Windleitungen 468. Abftrieh, Absng (ErUftrong) 488. Abtreiben s. Silbergewinnung. Abwftfeer, schädliche der Aufbereitungen

und Bergwerke 400. ~ Hatten 660. Aehenbaeb, Litt. 849. Albreeht, Litt. 849. 868. 879. 616. 689. AUoBgen (Zinkgewinnung) 486. Alter Kean (Bergbau) 877. Alterifefiorgnng der Bergleute 896. Alumininmgewiimviig, elektrolytische 477* AmnlgematioiiiproMMe 488. 424. 476. Aninde der. Bergleute 848. AüMtheeie ders. 806. Anehyloetomiaiii ders. 848. 846. 847.

der Tunnelarbeiter 407. d'Andrimont, Litt 879. Anemometer 876.

AaUeiderftiime auf Bleibergwerken 888. Anlemuig der HQttenleute 458. AAOde 477. Anorexie der Bergleute 808.

er bei der Förderung 264.

AniehweUvBg der Paroüden bei den Qneck-

Silberbergleuten 887. Aneiedlvng Ton Bergleuten 860 ff.

Ton Hflttenleuten 686 ff. Antbnkoiif s. Kohlenlunge. Antimon (Gewinnung) 488.

dessen Flftchtigkeit 4U. AntimonTerbindnngen 489.

deren Fiaehtigkeit 4U. AntimonTergiftimgen der H&ttenleute 446. Anwohner der Hütten, Sehuti derselben

680 ff. Anitkge f&r nasse Grubenarbeiten 888.

Tunnelarbeiter 409. ^ Hflttenarbeiter 681.

Aphthen der Qaecksilberbergleute 887. Apoplexien beim Arbeiten in komprimierter

Luft 889. Appetitmnngel bei Bergleuten 808. Armetra-Amalgamation 488. Arbeit, die Schwere derselben beim Bergbau 817. 886.

im Hflttenbetrieb 487. 466 iL Arbeiter, Jugendliche im Bergwerksbetrieb

844. 246. 248.

im Hflttenbetrieb 618.

-Asyle 688.

-Bftder 868 ff. 681 ff.

-Bibliotheken 886, 888.

-HAuser (Skissen) 871. 878. 878.

-Kolonien 869. 686.

-Wohnungen, 817. 868 ff. 626 ff. Arbeiterinnen im Bergwerksbetrieb 244. 246.

im Hflttenbetrieb 617. ArbeitiUeider fflr Bergleute 848.

fflr Hflttenleute 621. Arbeitemaiehinen, SchutsTorrichtungen an

denselben 466. Arbeitepaofen 619. ArbeiteSfhvngen an Flammöfen 494.

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564

Register.

Arbeltir&iime, Reinlichkeit in denselben 520.

Ventilation derselben 482. 500. ÖIO. Arbaitoftbertragimg, elektrische 480. Arbeitiweclifel ffir Qaecksilberbergleute 887.

für Hattenlente 580. ArbeitidAiier im Bergwerksbetriebe 248.

für weibliche Arbeiter 245.

,, jagendliche 248.

an heifsen Betriebspunkten 287.

im Hüttenbetriebe 518.

im Tonnelban 407. ArenVscher BleUtich 473. 485. Arlbergtnnnel (UnfSUe beim Bau) 403. Armblei (Erklämng) 422.

ArMB, Arsenikftlien, Darstellung 428.

Flfichtigkeit 444. Anwilkalkiei Artenkief 428. Anenarbeitar, Waschwasser fOr dieselben 522. Ars«&b«rglent6, deren Krankheiten 838. Artenige B&nre in Hflttenabwftssem 550. Arsanikalien, deren Verpackung 487.

deren Schädlichkeit 442. AneiiTerg:ifliiiigeii 446.

SchuU dagegen 513. 522. 524. 525. AnaawMferftoff 445. 448. 488.

Ant, Untersuchung durch diesen vor An- nahme in die Hfitteuarbeit 518.

AsbMtUeider für Hüttenleute 462.

Asphyktitohe ZniUnde bei Bergleuten 809.

Affhenie der Qaecksilberbergleute 887.

AUkamit 418.

Atmung, künstliche 811.

AtmnngaorgaiM, deren Erkrankungen bei den Hüttenleuten 488.

Anfberoitang 229, 298.

AuljgebeTonriehtimgeii für Hochdfen 484.

Anfknohnng der nutxbaren Mineralien 225.

Aufkflge, Unf&lle an denselben 486.

deren ümwfthrung 462.

mechanische für Hochöfen 484. Angonentifliidiiiig«!! der Schwefelgruben- arbeiter 388.

der Hüttenleute 489. AngonerkrankiixigMi der Bergleute 340 ff. AngoiiTerletiiiiigaii an Drebbllnken 456.

458. AugQftin, nasse Silbergewinnung 476. Aufbau in Bergwerken 228. AuibUdnng der Hüttenleute 458.

im Steigerdienst 887. Auifahrt der Bergleute 249. Aiiil5t6Torriehta]ig«& f&r FörderkSrbe 254. Ansriehtung der Lagerstätten 226. AnirüekvoniclitiuigtiL an Transmissionen

452. AuirflBtniig, persönliche der Hüttenleute 513. Antrifthtm der BückstXnde ans den Oefen

492. 494. 497.

Babel, KühlTorrichtungen für Puddelöfen 468. Baeelli> Animie der Bergleute 345. BadeeinrlehtUBgeii auf Bleibergwerken 338.

für Bergleute 811. 351 ff. ~ Hüttenleute 521 ff.

Tunnelarbeiter 409.

B&der, medisinische für Hüttenleute 522.

Balling, Litt 481. 516. 551. BallOBi (Zinkgewinnong) 425. 506 ff. Barackenlager für Tunnelarbeiter 408. Barometerstand und Schlagwetteraustritt 285. Bankoften yon Arbeiterhäusem 870. Banprftmien für Arbeiterwohnungen 865. Banatatnten für Arbeiterhftuser 869. Beanfiiehtigiing der Bergwerke 288 ff. Befenehtong der Kohlenstöfse 278. Belagplatten mit Bleieinlagen 461. Belenehtnng in Bergwerken 282. 840.

auf Hütten 480.

~ beim Tunnelbau 408. Belgien, Ansiedlung von Bergleuten 863.

Arbeitermenagen 888.

Schlafhäuser für Bergleute 872. Belgiiehe Zinkgewinnung 425. Bensin-Bicherheitslampe 280. Bergarbeiter, Hottalität, Invalidität, Mor^

bidität 296. Bergbehörden 239. BergeTertati 400. Berggeaeti preufsisches 289. Berggold 424.

BeigpoUieiTerordniingen 239. Bergschäden 899 ff. Bexgscholen 887. Bergsneht 344.

Bergwerksbetrieb im allgemeinen 225. Bemhardi, Litt. 889. Bert, über Arbeiten in komprimierter Lnfl

340. Beschäftigongsarten der Bergleute 241. Beschickung (Erklärung) 418. Beschioliiingsöi&iiingen, deren VerseliluA498. Bessemerbirne, Ausfüttern derselben 478. Bessemerei 471.

Bessemern des Niekelsteiues 480. Betriebsplan für Bergwerke 239. BetriebsnnAlle auf Hüttenwerken^484 ff.

. (Schutz dagegen) 450 ff BibUotheken für Arbeiter 886. Bidon, Litt. 507.

Bindegewebeentiflndnpgen bei Bergleuten 842.

bei Hüttenleuten 488. Bischoff's Generator 493. Bläser (Grubengas) 268.

Blake, mechanischer Röstofen 470.

Blasenstein (Kupfergew.) 420.

Blauer Stein 420.

Blechrichtmaschinen 456.

Blei (Darstellung) 416.

Blei, BleiTerUndvngen, deren Flfichtigkeit 444.

Bleiblech für Bauchkanäle 587.

Bleiflammöfen, Schutivorkehrungen an den- selben 494.

Bleiglätte 422. 487. 489.

Bleiglans 416.

Bleihüttenlente, Schutz derselben 621. 522. 524.

Bleiischer FlugsUub in der HÜttenumgebung 588.

Bleikolik 447.

Bleikrankheitsstatistik 529.

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Begister.

555

Blttpnmpe, B^toin^iche 474. Blttlnfftiifttioiiy elektrolytische 478. Blrtwwm 447. Btoiaeh— htofwt, SchntiTorkehniiigen daran

486. 501. Bldiiahanrngwi in elektr. Leitungen 480. Blaiftda 416.

BUlatloh, Arenfscher 478. 486. Bltitflrm« lor FlogsUabniederschlagaog 648. Bl«iTergiftii]igt& der Bergleute 887.

der Hflttenlente U7. 624. Blgpharitlden der QaeoksUberbergleate 886. Bliokdlber 488.

Bliektilb«rrei]ügii]ig, elektrolytitche 478. m<wkrinn 487.

Blntftniint der Bergleute 848. Bodmintr KnappaebaftivartlB 891. Bodmintr Teräi, Arbeitermeoagen 684.

Arbeiterwohnungen 687. Boitiu-Fenening 496. Bo«tte]i«r, litt 849.

Borelk«n, UtL 849. 516. 617. Borehaxt'sches Blement 466.

HetsingwalBwerk 464. Bomemaim, Litt 294. Bnad in Bergwerken 889. Bniiddftmme in Bergwerken 889. Brandgma« der Halden 400. BrandtUber 488. Bmmtwaingeiiiiilli, dessen Sehftdlichkeit 880.

886. BrivBiBg, Litt 617. Braun, LiU. 368. BrauadiemteiB 418.

BnuiMbftder f. Berg- u. Hfitteoleute 868 ff. 621. BnmabergfSrdamiig 868. BramsTorriehtuiig an Wagen 460.

an Fördermaschinen 864. Breonen des Oalmeis 486 Branner, Litt. 894. Brigleb-Hanien, Trockenofen 488. Broekmann, Litt 808. 849. 449. 629. Broeek, Litt. 849. 889. 898. Bronehialektaalen der Bergleute 888. Bronehialkatarrhe der Berg- u. Hattenlente

888. 889. 489. BroBMtteixL (Kupfergew.) 419 Browa-Allen, mechan. Btfstofen 468. BroderladMi in Oesterreich 394. Brflelie 811. 488.

BrftetaMr, mechanischer Röstofen 470. Bmntoii, 469.

BrnstfeUentittiidiiiigMi bei Bergleuten 884. BndAnui'scher Oiohtrerschlufs 498. BvgdoU'scher Ballon 606. BiiiitlnipfnrMn 418.

CaM-ProieA 488.

Oentrlftigiamiig des Hüttenrauchs 647. OhamlMh« Eigenschaften der MeUUe und Metallrerbindungen 418.

Wirkung des elektr. Stromes 477.

der Stanbarten auf den mensch-

lichen Organismus 448. Ohaneui'sche Sicherheitslampe 867. Chlordimpfe 446. 448.

Ohoupin, Litt. 849.

OircttUtionaorgane, Erlurankungen bei den

Hflttenleuten 488. OiMk, Litt 894. CUudiit, nasse Silbergew. 476. Oobnhalm, Aber Kobaltarbeiter 888.

Litt. 849.

OotUge-System bei Arbeiteransiedlungen 364.

686. OyaakAliiimproMfii 476. OyankaHumTargiftnngcn 686. OjaawaMfntoff 446. 449. 686. Oyklonitoubaammjer 600. Ofermak'sche QnecksUberkondensatoren 687.

IHgncr'sche Vorlage 608. Bahmenit 866. 881. 848. BampfabepenrTorriohtang«!! 448. BampftSnblaaung in stauberflUlte Rfiume 487» Bampfhimmer 468. 681. BampIl^eifMi 680. Bampteohmiad0preM«& 418. Bampfrtrahlapparata 888. 604. BampfMrahlöf«!! 608. 688. Banka, mechao. Puddelofen 471. Barby'scher Gasfaog 600. BaTf'sche Sicherheitslampe 867. 888. Bahn, Litt 616. Bemanet, Litt 896. BastUlattoa der Zinkerse 486.

des Zinkschaums 488.

QnecksUbers 486. BeatiUierSfen 486. 497. Biftt der Hflttenlente 688. Biehtpolan (Kapfergew.) 480. Böleaalek, Litt 884. BoppolftoUe& (Tunnelbau) 408. B<meh«ii, kalte, für Bergleute 811.

_ schottische 811. Bowaing, elektr. Ofen 477. Bralitkammern aur Flugstaubniedersohlagung

648. Brahtwaliwerk, SchntaTorkehrungen 466. BrahtiieliMraieii, 466.

jugendl. u. weibL Arbeiter in den-

selben 460. Brehbiak«, SchntaTorkehrungen 466. Brehpuddelofaii von Pietska 471. BroMalkUppan fflr Windleitungen 468. Bneretet u. Lcijeune, elektr. Ofen 477. Budweiler Brausebad 366. Bftrre, Litt 481. BftMn (ErkUrung) 418. BftsentlMM 468, 498. Bnrehhiebe (Bergbau) 876. Bynamit 866, 867.

Eiehhont, Litt. 849.

Einfahrt (Bergbau) 848.

EinfiriedicfuBg der Tagebrflche 401.

Xiaeii (Darstellung) 418.

Biaenblaeli fttr Bauchkanftle 686.

BiMngieiMrei 418. 414. 488.

EiSMiglaiii 418.

Biaenozydhydrmt (gegen Arsenyergiftung 622

Slbi, Litt. 617

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556

Begister,

Blektrldt&t nomittelbar ans der Kohle 466. Blaktrifohe Belenchttuig in Bergwerken 884. 348.

anf Hfttten 480.

Arbeits&bertragiing 480.

FlagsUnbniedersohlagnng 648.

Bebandlang Erstickter 811.

ZQndnng fBr Sprengscbfisse 866.

Oefeo 476.

Xloktriiclier Strom, Unfälle a. deren Ver-

hfitang 480. Blektriiehef Sohweissen 489. 477. 488. Blektrode, Blektrolyt 477. Xkktrolyie der Metalle 476 ff.

fOr goldhaltiges Platin 481. BXektrolytiiohe Bafflnationsproaeste 477 ff.

ErsTerarbeitong 479 ff.

SteinyerarbeitQDg 479 ff. XBuomelMegttDgnibe, Schlafhans 876. Smmerioh, Litt. 879.

Emphytem als Folge der Kohlenlange 888.

idiopathisches 888. 880.

der Hüttenleate 448. Engel, Litt 849. 894.

England, Ansiedlang der Bergleute 868.

Schlafhäoser fOr 878.

KonsomTcreine fttr 888.

ünterstfitsnngskassen fttr 896.

Lasarette 896. Entdlbern des Werkbleies 478. Entw&Memng dareh den Bergban 400. Bntiflndnng der Schlagwetter 869. Erblindung der Bergleate 840. Erkftltiingen der Bergleate 848.

der Hüttenleate 489. BxnUmingsverhUtniete der Bergleate 817.

880.

der Tannelarbeiter 409.

der Hüttenleate 488. Enehfltteningen des Bodens daroh Dampf- hämmer 681.

Ente Hilfe bei Unfällen 309. 688 Enti<^te, deren Behandlang 811. 686. Ene, deren Zasammensetanng 411.

Elektrolyse 479. StmOller, Litt. 887.

Enlenberg, Litt. 849. 864. 879. U9. 689. Enlenbnrg, Litt. 849. Bzeli'scher Qaecksilberofen 498. Ezplodierbarkeit der schlagenden Wetter 866. Emotion schlagender Wetter 870. 880.

der Puddelöfen 468.

Gichtgase 468. Szepiratorifohe Einflüsse aof die Lunge 880.

Ftibian, Litt. 896. Fahre, Utt. 849.

Blutarmat der Bergleate 848. F&eher, mechanisch bewegter für heifbe Ar-

beitsräame 468. F&eseianudgamation 488. Fahlene 418. 486. 490. Fahren (Bergbau) 864. Fahrhanben für Arsenarbeiter 618. Fahrkünate 850. 886. Fahrtmmm 860.

Fahrong 849.

Fall in Luken, Vertiefhngen n. s. w. 486.

Schuts dagegen 461. FUnilienhiuer für Berg- nnd Htttteolente

869. 686. FangTorrlehtongen an Fahrkfinsten 880.

an FSrderkörben 868. Feeg, Litt. 616. FelniUber 488. Fellmann, Litt. 617. Fellner, elektr. Ofen 477. Fenenurbeiter, Sehuti derselben 468. Fiedler-Bandorscher QneeksUbo'koiidetttator

640. Fiedlw'soher Quecksilberkondeaeator 641. Filtration, trockene, der Banchgase 648 ff.

nassse. der Eauchgase 646 ff. Firttenban (Bergban) 887. FintitoUen (Tannelbau) 888. FiMher, Litt. 617.

Flammüfen, Verschlnfs der Oeffirnngen 498.

Ableitung der Ofengaae 604. Flammofenproieli für Bleierse 417.

für Kupfererse 418. Flaaehenattge 461.

Floieen (Eisendarstellung) 414. Flftehtigkeit der MetaUe nnd MetaUrerbfn-

dangen 444. Flngatanb 448. 498. 688. Flnüieiaen, Flnltotalil 414. Fürdergeatell (Bergbau) 889. 868. FürdeneU 868. 864. Fürdening 828. 868. Folaey, über den Einfluls komprimierter

Luft 889. Formen (Erklärung) 418. Formüflhnngen 498. Franeiiei, Zinkdestillierofen 474. Franke, Litt. 868. Frankreioh, Ansiedlung Ton Bergleuten 861.

Schlafhäuser für Bergleate 878.

Konsumvereine für ^^^•

Kranken- u. Pensionskassen für Berg-

leute 894.

Lasarette für Bergleute 896. Fraieh, mechan. Röstofen 469. Freiberg, Erkrankungen der Hüttenleate 488.

persönliche Ausrüstung der Arsen- n.

Säurearbeiter 618.

Rauchverdichtungsanlagen das. 586.

Blelturm sur Flngstaubniedersehlagung

daselbst 648. Fröndenberg, Flugstaubniedersciilagong 641.

Litt. 660. Freytng, Litt. 561.

Friedriehahütte, OlättesiebTorrichtnng 486.

Schachtofen 486. 601.

Schlackenwagen 486.

Flammöfen 494, 606.

Beschäftigungswechsel 680.

Badeeiarichtung 688.

Speiseanstalt 688.

Arbeiterwohnungen 686.

KrankheiUsUtistik 689.

Rauchverdichtung 689.

Schachtofenkühlturm 641.

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Register.

557

Triddriehihfttto, Bleitiurm 648.

Drahtkaxnmern 548.

NntsbarmacboBg dar schwefligen Säure

in den Banebgasen 550. Trlieharbeit (Erklärung) 414. Vriiebglätte 488. TflUort (Bergban) 829. Fankenaiuwnif, Fnnkaiiftiiger 688. FnGibekleidiuig der Hfittenleate 468. Tiibb6deii in Wasehkanen 858.

in Arbeitsräunen 461. 620.

€hd#er«ii6faii s. Araengewinnang.

Chdmei 484.

Chuigarteii der Erae 418.

0«rknpfer 480.

Gasftnga bei Schacbtdfen 600.

eeflUMfen 496. 606.

GahTerb&nde bei Brachen 811.

CMgel, Litt. 849.

OtUtine-DyiiAmit 866.

Gelenke, Krankheiten bei den Hüttenlenten

487. gelenkrhenmatiiinni der Bergleute 886. Generatoren, deren Verschlol« 498. Georgi, Litt. 894. Gerftnseh, lästige» 680. Ctonngferoine der Bergleute 888. GMelligkeit 888.

Cbftoiniwftrme in Bergwerken 886. Geatell der Hocb6fen 418. CMrinke für Hfittenarbeiter 488. Geifthe der Bergleute 228. Glbb-GeUUuurp, mech. B6stofen 470. Gieht (Erklärung) 413.

Hängen derselben 468. Giehtgaiezplofionen 468. Giehtgaarehilger 689. 640. Giehtgaiwaaehwafier 660. GiehtreraehllUse 491. Giofierei s. Eisengielserei. GUtfänge, Gifttflrme 428. 540. Glätte 422.

deren Schädlichkeit 448.

Siebvorrichtung 485. Gold (OewinnuDg) 424. Goldgewinnung, nasse 476.

elektroljtische 478. Granulation der Schlacke u. s. w. 492. Granepiotiglans 429.

Grell, Respirator 614. Griaontit 281.

Gr6ger'scfaer Fonkenfäoger 532. Gmbenbrand 289.

in Quecksilbergruben 387. Gmbengaf, dessen Entstehung 266.

-^ dessen Vorkommen 268. 269,

zulässige Menge 277. Gmbenklima 286. Grubenlampen 288. Grundeigentum und Bergbau 401. Gnuon'sche KugelmOhle 489. Gtthrdynamit 256.

Gummikleider ffir Säurearbeit<:r 513. Gntowaren 414.

Gntkmann, Litt 294.

Haarmaiin, Litt. 294.

Haberer, Litt. 294.

Habet!, Litt. 249.

Hängen der Gicht 468.

H&niieh ft Sokr6der, flOssige schweflige Säuro

649. Haortling, fiber Kobaltarbeiter 888.

Fahren der Bergleute 260. Halden, brennende 401.

HaU, Litt. 249. 294. Hammergaree Kupfer 419. Hammenehmied, Litt 449. Hammerwerke, jugendl. und weibl. Arbeiter

in denselben 450. Handarbeitifchnlen 387. HandTontilatoren (Bergbau) 276. Handwerkaieug, Unfälle durch dasselbe 436» O'Harra, mechao. Röstofen 468. Hartblei 417. Hartmann, Litt. 616. Han4, Litt. 249. HaienkloTer, Litt. 561. Haaslaeher, Litt. 294. 896. 617. 629. Haton de la Goupilli^ Litt 296. Haufenamalgamation 428. Haufenr6atnng der Pahlerse 426. Haupt, Litt 234. Hauähaltungteehnlen 627. Hautaffektionen der Tunnelarbeiter 406. HautaUMohläge der Arsenarbeiter 888.

der Salibergleute 839. Hantentiflndnngen bei Bergleuten 886.

bei Hüttenlenten 438. 443. Hautkrankheiten, durch Staub beryorgerufen'

316. 443. Hedley, Litt 617. Heilquellen, Scbuta derselben gegen Berg-

bau 401. Heinitigrube, Schlafhaus der 877. Heintimann n. Oreyer, Oflsenstöoke 468. HeinserUng, Litt 449. 517. 661. Hen<^el, Litt. 449. Herbertl, Dampfstrablöfen 608. 632. Herdfriiohen 414. Herdöfen 490.

Hereingewinnungtarbeiten (Bergban) 226. Hering'sche Flugstaubkammern 642. 644. Hering, Litt 650.

H4roult, elektrolytische Aluminiumgew. 477^ Henkrankkeiten der Bergleute 250. 386.

der Hüttenleute 488. Heriog JuUnahfttte 501, 540. Heaae, Fahren der Bergleute 260.

- üeber Kobaltarbeiter 388.

Litt 350.

Ton der Heydt-Grube, Schlafhaus 877.

HUbk, Litt. 294.

Hilfe, erste bei Unfällen 309, 628.

Hirt, Litt. 449. 529.

Hoehöfen 412. 484.

HooUng-Ozland, mechan. B6stofen 470.

TOn Hoffscher SchachtdfenTersehlufs491. 600.

Hohenlohehfttte, Zinkdestillierofen 610.

HoUek u. Feikia Ballon 608.

Holiringe zur Einkapselong 466.

Holawandungen ffir Rauchkanäle 687.

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Ö58

Register.

&, Litt 294. HoBdld'8ch«r GKehtrerschlaCi 492. HSpfiier, Knpferelektrolyse 479. Eoriey-Hodrittoh, Krankheiten der Berg- leute 318. Howei, Sieherheitalampe 268. Howmh n. Thomai, mechan. Pnddelofen 471. EtUmerplinte der Zinkhfittenlente 489. Hftttoiarbeiter, deren UnfKUe 484 ff.

deren Krankheiten 487. Hftttenbetrleb im allgemeinen 411 fll Eftttennmöh 498.

Hvgoh&tte, Zinkdeetillierofen 497, 612. Hydroperikardivm der Bergleute 828. Hjdrop6ritoiieii]i& ^ ,, ^^ 828.

IMrotlioraz 828-

l^rpariiiiie bei Arbeiten in komprimierter Lnft 889.

IdiopathiMliM Emphyieiii htü Bergleuten

828. Indnitriefehiilen 627. Inipinitorifolie BixiflIliM anf die Lnnge 880 Intentitiellef Smphjsam bei Bergleuten 881. InTuUdit&t der Bergarbdter 296. 800. 802. I]iTalideiipeiiiioiie& der Bergarbeiter 892. IfoUening der Betriebaapparate auf Htttten

487.

jMOb, Litt 449.

Jeble u. Lewy, Litt. 449.

JohnHon, Medikamente f&r Bleihfittenleute

625. JodkaUvm für Qneckiilberarbeiter 842. JngendUehe Arbeiter 244. 246. 248. 450. 618. Juieiea, Krankheiten der Quecktilberarbeiter

887.

Kaehezia earbonica 820. KaflisekHeheii auf 'Gruben 886. Xanile fOr Bauchgaae 686 ff. Karbonit 266. 268. 281. Xarenneit 898. Xatalepeie der Bergleute 806. Katarrhaliielie Knuikheiten der Bergleute 819. - der Hftttenleute 489. 448. Kathode 477. Kaufblei 418. XauljgUtte 422.

Keith, elektrolytisehe Bleirafflnation 478. Kerl, Litt 481.

Kerpely, mechan. Puddeln 469. Kieferkrampf bei Bergleuten 807. Kinderarbeit auf ital. Schwefelgmben 888. Kindergarten 887. Kindenehnti 247.

KippTorriehtongen für Eisenbahnwagen 467. Kippwaaehbeeken 621. Kiäa, nasse Silbergewinnung 476. KUrtümpfe auf Gruben 401.

auf Hatten 660. Kleemann'scher Ballon 607.

Bost 608.

Kleider, Aufbewahrung derselben 864. 621. Klemmaeheiben für Schleifsteine 467.

Kloatermann'sehe Trigerschnddemaschine

681. Knappichaftikaeien 889 ff. Kobalt (Gewinnung) 480. Kobaltgrabenarbeiter, Krankheiten derselben

888. Kobaltnitrat gegen CjankalinmTergiftung

626. K5brieh, Litt 296. K5hler, Litt 294.

mechan. Ofen 470. y^telg**, Bespirationsapparat 616. KSrpersteUvng bei den Hflttenarbeiten 488. KSrperrerletiang bei dens. 484. KSrting'sche Dampfstrahlapparate 282. Kohlendnnkt in Bergwerken 807. Kohlenlnnge der Bergleute 819 ff.

der Hflttenleute 448. Kohlenozyd in Bergwerken 266. 807.

auf Hfittenwerken U6. 449. Kohlenoxydverglfinngen (Mittel dagegen)526. Kohleniadk der Hoeh6fen 418.

8&nre in Bergwerken 266. 806. 886.

in Tunneln 406.

8tanb als TrXger ron Explosionen

267. 271. 277. 278.

anf Hfittenwerken 441. Koknrbeiter 294.

Kollerginge, Staubgefahr derselben 488. Komprimierte Luft, deren Verwendung 889. Kondentation der arsenigen Sftnre 428.

des Quecksilbers 426. 688.

der MeUlldimpfe 647.

der sauren Dftmpfe und Gase 648. KondensationaTorriehtongen 686 ff. KoninmTereine 879 ff. 624 ff. Kontrollapparate fOr die Wetterffihmng 277. KonTorterproiesM 416. Konientration des Kupfersteines 419.

~ des Werkbleies 421.

Koppmeyer, Sehutxbleche vor den Puddel- öfen 481.

Koiimann, Litt. 660.

Krihne, Unfille an denselben 486. 461.

Krankenkaiaen der H&ttenwerke 627.

Krankenlohn 892, 627.

Krankheiten der Tunnelarbeiter 406. 407.

der AtmungsorganCy der Girkulations-

organe und der Gelenke bei den Hftttenleuten 488.

der Verdauungsorgane bei den Hfitten-

leuten 489. Krankenwagen 810, 628. Krankenalnuner 810. KreiTf, StoubkoUektor 600. KreiCiMigen, Lirm derselben 681. KrenigriLben, Badeanstalt 866. Krftnekeproielii 428. Kropfbildnng bei den Hfittenleuten 488. Krapp, SchutsTorkehrung am Schienenwala-

werk 464.

Schutsbrillen 489.

laufende Revision der Krahnketten 460.

BadeansUlten 864.

Menagen 628.

ArbeiterwohnhAuser 627.

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Register.

559

Xropp^ Spar- und DarleboskASMii öS 7.

Waisenhtaser 628.

KubOXB, Aber BlntarmiU der Bergleate 548.

849. KUütflme der Friedrichshfltte 641. KflhlToniehtniig fOr Poddeldfen 468. Kntttner, Litt. 860.

SterbUcbkeit der Bergleute 800.

loraliditAt ,, 80S. KiigelmiUüea 488.

Knkeif , Litt 840.

KiLhiia, ^ 879. 888. 889.

Kupfer, Dantellimg 418.

Flficbtigkeit 444.

•— Eioflafs auf den Körper 447.

Bessemem 478.

Branoen, Ozford'scber 478.

Gewinnang, naaee 476. XnpferglAiii 418. KnpfiBrkief 418. Xnpferkolik 447.

KQpferrafAnatloii, elektrolydsche 477. Xnpfertaiim 447.

Xnpfenehiefer, dessen BÖstoog 490. Xnpfentein, dessen Elektrolyse 479. Kiipfervergiftiiii|f6ii 888. Knpfenritriol 418.

Kupolofen 414. 608. 688. Knrkoften bei Erkrankungen der Bergleate 889.

Ijagraage n. Hoho, elektrisches ScbweifiMn

477. Lampreeht, Litt. 896. Langen'sche Glocke 491. 600. Laaaar-Haiilaehor, Litt 8Ö8.

Litt. 849.

Lauer, 8Ö8. 879. 889.

Layot, 849.

Laiarotte in Frankreich 896.

in England, Oberschlesien und Saar-

brücken 897. Lohenamittolpreifo in Menagen 884. Ö88. Lodobnr, Liu. 481. Lodor'scbe Schlackenwagen 486. Lodonx, Litt. 849.

Logiernngen, deren Elektrolyse 479. Lohrnwafohwaiaor fOr Arsenarbeiter Ö88. Lahrhaner in Bergwerken 242. Lohneit für Bergleate 248. Leitam, UnfiUIe doroh dieselben 486.

SchntsTorkehrongen an denselben 462. Lent, Litt. 860.

Leaesimmor f&r Bergleate 886. Letrange, Zinkelektrolyse 479. Ö49. Lewald, Respirator 614. Lewis, Filtration von Banchgasen 646. Ueht, grelles anf H&ttenwerken 489.

Schati da- gegen 482.

Lidkrampf, chronischer der Bergleate 841. Loekfener sar Ventilation 604. Loeb, Respirator 614. Löffler'sche FankenfUnger 682. Löhnert'sehe Kogelmfihle 489. Lohmann, Litt 294. 296.

Handbuch dar Bjgiea». Bd. YIII.

Lothringer-Apparat 688. Lflrmann, Dfisenstöcke 468.

Ezplosionsklappe 466. Luft in Bergwerken 264.

deren Wassergehalt in Bergwerken

316.

in Tnnneln 406. Lnflmange für Bergwerke 274.

ffir den Tannelbaa 407. Lnftravm, Luftwechsel in Hattengebäaden

440. LnftrShrenkatarrhe der Bergleate 819. Loftvarnnroinigiingen aof Hüttenwerken 440 ü:

Schuta dagegen 487 ff.

für die Anwohner der Hütten 682 ff.

Lnndin, Gichtgaswascher 689. Lnnge-Bohrmann'sche Plattentürme 660. Lnngenkrankhaitan der Bergleute 818.

der Hüttenleute 448. Lnngenaahwlndaaeht unter den Bergleuten

832.

unter den Hüttenleuten 448. Lnppan (ErkUhrung) 416.

Lnta, Litt 849.

LymphoaarkomatOM der Kobaltarbeiter 839.

Lynen, Zinkdestillierofen 474.

]Iae-Arihnr*7oRMt, Goldgewinnung 476. Maooo, Filtration der Rauchgase 644. Madransan, Litt 284. 410. Magnetdaenitain 412. Kahlen der Bleiglfitte 486. Kalaohit 418.

Kallard, Entzündung der Schlagwetter 282. Mandelentiündnngen bei Hüttenleuten 439. Manhte, Kupferbessemem 472. Manifeld, Schlepperfördernng 261.

Waschkauen 866.

Arbeiterwohnungen 369. 627.

SchlafhAuser 876. 627. «- Menagen 627.

Bergbau u. der Salaige See 400.

Schlackentransport 468.

mechanischer Röstofen 469. Karaamna carbonicus der Bergleute 820. Maroheaa, Kupferelektrolyse 479. Martin-Prosefs 416.

lUry, Litt 617.

Kaiohinen, ünfUle an denselben 486.

ScbutBTorkebrungen an dens. 462. Maiohinanw&rtar der Fördermaschinen 254. Maaieln (Erklärung) 414.

Mathat, Litt 849 Mayer, Litt. 296. Mechaniacha Wirkung der Staubarten 443.

Oefen 468 ff.

Machemieh, Arbeiterwohnungen 869. 627.

Schlafhftaser 878.

Speiseanstalt 628.

Bauchkanäle 636. Medico-mechanische Behandlung der Berg- leute 897.

Medikamente für Bergleute 342.

für Hflttenleute 626.

36

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560

Register.

T, Litt B49, 294. Malaiiüinlft bei Bergleaten 828. lUiimgan für Barf^leate 881. 888.

fOr Taooel Arbeiter 409.

,, Hfltteoleate 628. Mamel, Litt. 294.

Xerat, ftber Qaeckdlbenrergifliingen 887.

lUrbaeh, Litt 660.

MarknrialmarMiiiiu der Qoecksilberbergleate

886. XettiiigWAlswttrk, SohntsTorkehniog daran

464. MbtUUagm bei GichtrerMhlfissen 468. Xatalle, deren Eigenschaften 412. MetalldAmpfe, deren Verdichtiing 647. Xatallgewiimiiiig, nasse 476.

elektrolytische 476 ff. MiehaeUf, Litt 849. Xialchaii'scher Ballon 607.

Miefner ft Papa, Klemmscheiben für Schleif- steine 467.

Xlkroikopiaoha Untersaehnngen der Kohlen- lange 824.

Xileh fttr Bleihflttenlente 628.

Xineraliaii, die natsbaren 226. 412.

Xitter, Litt. 617. 661.

Xiura, Waschwasser fttr Bleibflttenltate 622.

X6biiu, elektrolytisohe Blicksilberrdnignug 478.

XSUer (Erklärung) 418.

Xolefehott, Litt 860

XoU, ErkranknngssUtistik der Bergleute 818.

Xoniermatarial ffir Raachkanäle 687.

Xont-Oenif-Tonnel (Erkranknngen) 406.

Xorbidit&t der Bergarbeiter 296. 804.

XortaUUt ,, 296.

Morgenstern, Litt. 616, 629.

Motoren, UnfiUle an denselben 486. 462.

MAUendorf, Litt 617.

Mftller, Aber Salsberglente 849.

Litt 849.

Mnenioher, Sterblichkeit der Bergleute 299.

Litt 894.

Mflnmer, Fangvorrichtung 262. Muffeln (Zinkgewinnung) 426. MnffelgaiM, deren Ableitung 610 ff. Mnmford*8cher Patentseparator 647. MundauMptthingen fttr Bleibflttenleute 622. Mvndtttoher, Mnndiohwimme 618.

Maohaohwaden 270 274. 290.

Vaehtarbeit im Bergwerksbetrieb 248.

Hagel ft Kaemp, StaubfEnger 646.

Hahnien, Zinkelektrolyse 479.

Hasse Metallgewinnung 476.

Haue, Litt. 296.

Haise-Xrfinuner, Litt 249. 879. 889.

Hers, Litt 617.

Henxmlgien der Hflttenleote 489.

Hiekei, Darstellung 480.

Flttchtigkeit 444. Hiekelene 480.

Hiekelgewinnung, nasse 480. 476. IHekelspeite, Hiekelttein 480. Hieden, Litt 296. HiedenohlagMirbait bei der Bleigew. 416.

Hiederaehlagiarbalft bei der Antimongew.

429. HiadartelüagnBg des Flagstanbes 689 ff. Hletanitalten, Lirm derselben 681. Hitroglyacrin, Vergiftung durch 268. Honne, Litt. 296. Howak, Litt. 401. HTitagmua der BergleuU 284. 841.

Obenehleaidn, Arbeiterwohnungen 869. 868.

Arbeiteransiedlangen 866. ~ SchlafhAuser 874.

KonsumTcreine 882.

Arbeitermenagen 888.

KnsppschaflsTerein 891.

Erkrankungen der Hflttenleute 488.

Oedeme der Lunge bei Bergleuten 828.

Oefen, mechanische 468 ff.

Owtorraieh, Verein fttr ehem. u. metall. Pro- duktion, Arbeiterwohnungen 626. 627.

Ofengasa, Ableitung derselben 600. 604. Ohrenldiden der Httttenleute 439. Oppler, Litt 617. Orford, Nickelbessemerei 472.

Kupferbrunnen 478. Ottwald, Litt 647.

Panierang der Qneeksilberöfen 497.

Parallelitreeken (Bergbau) 276.

Parket, mechan. Röstofen 469.

Parketioren 421. 474. 490.

ParrT'scher Trichter 681.

Patera, nasse Silbergew. 476.

Patrik's Schalldftmpfer 681.

Pattintoniertn 421. 478. 490.

Pearee, mechan. Röstofen 469.

Pearton, über Kohlenlunge 820.

Pentiontkatten fttr Httttenleute 628.

Pemot, mechan. Puddelofen 471.

Perrondto, Animie der Bergleute 846.

Pfanntnamalgamation 424.

Pfeiffer, HorisontalkugeUntthle 489.

PfeUerban 227.

Pferdefttrdemng 268.

Pflanien, deren Zerstörung durch saure Oase

684. Pfort'scher Oasfisng 600. PhyrikaHtehe Eigenschaften der Metalle 412.

444. Pialer'sche Sicherheitslampe 267. Pietika, Drehpuddelofen 471. Platin, Darstellung 480. Plattnar, Litt. 660.

nasse Goldgew. 476. Plata, Litt. 616. Pleuritit bei Bergleuten 884. Pnenmomalanotit s. Kohlenluage. Pneumonie bei Bergleuten 884. Poehknabentohnlen im Hars 887. Peinoarr4, Litt. 879.

Polen des Oarkupfers 420.

., Werkbleies 421.

Armbleies 422.

Zinns 428.

Pollak's elektr. Grubenlampe 284. Pot^Albreoht, Litt. 860.

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Itegister.

561

FonniaM (Brklimog) 425. PieiÜi, mechao. Röstofen 468. ProphjUktiMli« Maftregeln IQr Hfilteiüeiite

584. PnibxBm, Treiboftn 494.

AbiagSTorriebtimg fttr OfeagAse 504.

Arbeitsdaaer 519.

Arbeitswechsel 6S0. Fndd«lftrb6it 414. Piidd^ftf«n 414. 469. 471.

Explosioneo 468.

Sobatsblecbe PBar dieselben 481. PfttMh, Litt. 616.

PvlTumfiller, Blutarmut der Bergleute 848.

QmeeHübtr, Gewinnung 416.

dessen Flüchtigkeit 444. QvMkiUberMBn 498. 498. (|MckfUbmrko&denMtor«n 58T. 540. 541. Qwukrilbervargiftuagen 886. 445.

Oegennüttel 5S8. 684. <tetr¥mohlig« (Bergbau) 886.

Bafflnatloa des Schwarakupfers 480. 478.

des Werkbleies 481. 478.

BlieksUbers 488. 478.

Rohlinks 486. •— ,, Werkainns 487.

Rohantimons 489. BafBmiiinritalü (Darstellung) 416. Ba—Bdienera 418.

BMt der Hochöfen 418.

BMib«& der Zimmerung (Bergbau) 861.

Bauehgafd, deren Schldlichkeit 683.

Bauehhanlwn an Oefen 601. 604.

Bauohkanile 685 ff

Banehmaakt tou Stoli 614.

Ton Kleemann 616. BauehTardiohtmig 685 ff Bteha'scher Ballon 506. BeibUBgtitbidQiig 867. Baieh, Litt 660. BaJehMal 488. Beiehel, Litt. 616 BaiBlieUnit der Bleibergleuto 888.

der Hflttenleute 680 ff. B«kBp«ratiT-Penerung 496. Betpirator«n IQr Bleibergleute 888.

für Hflttenleute 618 iL

BattoBg Verunglflckter (Bergbau) 890.

Brab, Litt 561.

Baviarbeamtor (Bergbau) 889.

RhiHifnatitahe Augenerkrankungen der Berg- leute 848.

Rbaumatiinmi bei Bergleuten 818. 886.

bei Tunnelarbeitem 406.

Httttenleuten 489. Bleluurd, Litt 849. Bläh«, Litt 849. Biehtor, Litt 894.

Biehfter n. Lor«iis, meehan. Ofen 470.

BiehtttoU«!! beim Tunnelbau 888.

Bindflaiaeh, Litt 860.

Babvrit 867. 881.

Böaing, Werkbleibessemerei 478.

Bleipumpe 474.

Böalng, Zinkschaumelektrolyse 478.

Drahtfilter 648.

B5Cklar, Untchldlichmaehung der schwefligen

Sftnre 649. B5blar - Bdalmaan , Zinksehaumelektrolyse

478. BSatan der Blelene 417.

Knpfererse, des Kupfersteins 418»

Zinkblende 484.

,, Quecksilberene 486. ^ des Öchwsfelantimons 489.

dsr Nickelerse 480. Böathaufan, offene, deren Schldlichkeit 480. BÖatftfan, mechanische 468 ff. Böatradnktloii, Röstreaktion bei der Blei- gewinnung 417.

bei der Antimongewinnung 489. Babataanartap 414.

Bohaiianwaüalan, Zerschlagen derselb. 478. Boota-Blawara 681.

Boaanbaom, Litt 449.

Bataiaanatala 418.

Bathwall, Litt. 689.

Botknpforan 418.

Baux, Anämie der Bergleute 844.

Litt. 849.

Bowaa-System bei Arbeiterwohnungen 868. Bona-Verfahren 474.

BaekieUagrantUa für Windleitungen 468. Bmga, Litt 401.

asae Silbergewkinung 476. Litt 884. 410.

Saarbrflekar Arbeiterwohnnngen 869. -— Arbeiteransiedlang 864.

Scblafhftuser 377.

KonsumTcreine 888. 884.

Arbeitermenagen 888.

KnappsehaftSTcrein 891.

Knappschaftslaaarette 897. Baahaanbarg'sche Kugelmtthe 488. MufardTikraila bei Bergleuten 886. Baigaxn des Werkbleies 481.

^ Zinkschaums 488.

Werkainns 487.

n Schwefelantimons 489. ~ Wismuts 480.

Salibaxgwarka^ deren Oefahren 889. Baliaiura 445. 448. 684. 660. Bamaritardiaiift auf Htttten werken 588. Sättig, Arbeiterwohnungen in Oberschlesien

868. Sanra DImpfe und Gase 588. 684. 648 ff. Bahaahtafan (Erklftrung) 418.

SchutsTorkehrungen 486. Bahaahtafangaia, deren Ableitung 491. SchaehtafBiipraiafi f&r Knpfererse 418. BahaahtafanTariahliUsa 490. 600. Bahaahtaaliaidar 894.

Sahiahta (Bergbau) 886. BahidigUBgaii der Umwohner durch Berg- bau 899 ff.

durch den Hflttenbetrieb 630 ff. Sahidliahkalt der Staubarten auf Htttien-

werken 448 ff. SahafMidt^sche Oegenstrombrause 364.

36*

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562

Register.

BdhaUd&mpfer 681.

toherbenkobalt 428.

fleherk, Litt 849.

Bohlenenwalswerk 454. 478.

flohlMk«iigr»aiilation 499. 550.

BohUokentimiiiport 467.

Bohlaekenwageii 467. 486.

SohlafUiiMr 878 ff. 526

Sehlftgwetter 264. 266. 270. 272. 279. 805.

Sdüeifftonb 440.

Schleif lUin, SchatsTorkehiniigen daran 456.

Bohleifvorlagen 458.

Behleppar (Bergbau) 229. 261.

Schleiisclie ZinkgewmnaDg 425.

SehUtiarbelt 259.

Bobloekow, fiber Kobaltarbeiter 888.

~ Litt. 294. 849. BeklSber n. Ernst, Flagstaabniedersehlagnog

542. Bohmelstemperatiir der Eisenarten 414. Bokmiedbaret Eisen, Schmiedeeisen 414. Bohmieren der Maschinen n. Transmissionen

452. Bohmirgelsteine, SchutsTorkehningen daran

467. Sohnabel, Litt. 481. 650. BehftnemMiw, Litt. 849. BehSnfeld, aber Blatarmat der Bergleute 848.

Litt. 849. Sehombnrg, Fanken Aoger 582. BohondorfE; Litt. 294. 849. Bohottlaohe Douche 811. Bchrader-Kaeeo, Gichtgasreioiger 540. Sehrftmarbeit 259. Sehrftmmafchinen 260.

8ühr6der n BeaOi, Litt. 551. Sohfir5flhvngen der Flammöfen 498. Bohnlen für Bergmannskinder 886.

für Kinder der Hüttenlente 627. Behnlnng der Bergleute 242.

Behnti gegen die Kinwirkong des Bergbaues 289.

der Heilquellen gegen Bergbau 401.

gegen Ueberbeben 460.

VerbreDnungen 462.

die Schwere der Hüttenarbeit

466.

hohe Temperatoren auf Hütten-

werken 482.

grelles Licht 482.

die Luftrerunreinigungen auf Hüttenwerken 488 ff.

der Anwohner tou Hüttenwerken

680 ff.

Behntibleohe an den Puddel- und Zinkdfen 481. 510 ff.

Bohntibrillen 459. 462. 482. 518.

Schntamaaken für Hüttenleute 460. 482.

BohntiTorriehtungen an Maschinen u. Trans- missionen 452.

an Dampfhftmmern 458. SehntiTorkehningen an Schienenwalswerken

454.

an Warmsftgen 464.

Dahtwalswerken 455.

Drahtxiehereien 465.

Behntivorkehrnngea an Arbeitsmaschineo 456.

an DrehbXnken 456.

Blecbrichtmascbinen 456.

Schleifsteinen 466.

Sehmbgelsteinen 467.

bei den Transportarbeiten auf Hütten-

werken 460.

gegen Fall 461.

an Leitern 462.

gegen Explosionen 468.

gegen Feuer, Luft und Ucht auf

Hüttenwerken 475.

Behwanknpfar 420.

Bohwefelantlmon, dessen Flüchtigkeit 444.

Behwefelb&der für Bleihüttenlente 522.

Bohwefelblai« dessen Flüchtigkeit 444.

Bohwefelgrubenarbeiter, deren Krankheiten 888.

BehwefelpiUen, SchwefelUmonade für Blei- hüttenlente 525.

Behwefelqneekiilber , dessen Flüchtigkeit 444.

Behwefeltfture 445. US. 527. 660.

Sehwefela&ureanhydrid-Oewinnnng 649.

SehwefalwaMentoff in Bergwerken 266. 808. 886. " auf Hütten 446. 448. 650.

Sohweflige Unit 446. 448. 614 584. 649.

BehweiCMibfonderang, übermXfsige, der Hü^ tenleute 438.

BehweiCtoeiaen, Schweif^tahl 414.

Behwehner Tunnel (UnfXlle) 403.

Bohwere der Arbeit hn Bergbau 817. 885.

,1 ff Hütteobetrieb 487. 466.

Bohwimmendea Gebirge (Bergbau) 289. Bohwitikaren für Qaeoksilberbergleute 842. Bohwnngrad-Andrehvorrichtnngen 452. Bohnerven, Lähmung derselben 841. 489. Seifengold 424.

Beilfahrt (Bergbau) 248. 250. 254. Bekurit 266. 258. 281. Beltmann, Litt. 850. Serie, Litt 294. 849. Bieherheit der Grubenbaue 289. Sicherheitilampen 267. 279. 280. 2SS. «84. Sieherheittürter behn Sprengen 256. BieherheitfpfeUer (Bergbau) 289. 401. Sieherheitiiprengatoffe 256. 281. SioherheitiTentile an Gasleitungen 466. BieherheitiTOrriohtnnffen an Fafarkünstea 260. ~ für die Seilfahrt 250. Siemena-Martin-Prosers 415. Biemeni n. Ealske, Kapferelektroljse 479. SUbtrbUek (Brklftmog) 428. SUberene 420. Silbergewinnvng (Allgemeines) 420 ff^

nasse 423. 476.

elektrolytische 478. Simon, Litt 808. Bimplon-Tunnel 408. 408.

Skorbut der Qaecksilberbergleute 887. Smalte (Gewinnung) 480. Bohlen (Bergbau) 226.

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Begister.

563

SolilMifUdleii (Tnnnelbaa) S8S. BoimUgtMrbeit im Bergwerksbetrieb 244.

. im Hflttenbetrieb ftl9. Bojka^ über Kohlenlimge 8S1. BpttT- und Darlehnkassen aaf Hflttenwerken

5S7. BpfttdMiiiteiB 412.

BpeiehelflnOi der QaecksUbergleate 887. Bpeita (Httttenbetrieb) 417. BpoiMUiBtAlteii fßr Bergleute 881. 888.

~ f&r Httttenlente 628. Bprangurbtit beim Bergban 228, 265 ff. Bprenggaae 268. 842. Bprenggelatine 265. BprmgpolTor 256.

BprengMliflfMy VerletBODgen doroh diese 806. Bprengitoffe fttr Sehlsgwettergraben 281. Springer, rhjthmiscbe Zongenkontraktionen

811. Bpnratein 419. Btadefai (ErklftroDg) 417.

deren SchAdlichkeit 490. Btapenhont^ Litt 879.

Btapf, Litt 294. 849. 410.

filier deo Qottbard-Tonnel 406. Btatiltik der Uofälle beim Bergbaa 286. 804.

Fahren 261.

_ darch Schlagwetter 271.

,, ,, bei den Arbeiten ttber Tage (Bergbaa) 292.

der MorbiditlU, MorUlität and In-

TaUdität der Bergleute 296.

im Lasarett gebeilten Bergleute

810

der Erkrankungen unter den Berg-

leuten 812. 818.

,, Emphysematiker unter dens. 829.

Lungenschwindsttchtigen unter

dens. 882.

UnfUle beim Tunnelbetrieb 408.

,, Eisen- und Stahlbemfsgenossen-

sebalten 482. 486.

OnfXlle beim Httttenbetrieb 482.

485.

Erkrankungen bei dems. 488.

,1 der Bleikrankheiten auf der Fried-

riehshtttte 629. Btaub in der Grubenluft 282.

f, den Kohlenaufbereitungen 298.

beim Tunnelbau 405.

auf Httttenwerken 441 ff.

dessen Schädlichkeit für Bergleute

814. 851. Btanbarten in Bergwerken 816, 851.

auf Httttenwerken 441 ff. BtMibbMttitigaBg in Kohlengruben 278.

in Tunneln 406.

auf Httttenwerken 487. 498 ff. StMibfiiigtr Yon Nagel u. Kaemp 646. BtenbkoUektor 500. BtanbMunmler 500. 545. Bteinbreeht, mechan. Röstofen 469. Bteine, deren elektrolytische Verarbeitung

479. Btaiikfiai in der Grube 260.

beim Tannelbetriebe 402.

Bterb«wa]tftoheiiilithkeit der Bergleute 298.

800. Bt. €k>ttliard-Tunnel, dessen Ventilation 405. BtttlMl, Litt 481. 661. BtoffiraohMl, ungenügender der Httttenarbeiter

488 Bt6U«n (Bergbau) 226. Btrebban (Bergbau) 227. Btnmm, Tbomasschlackenmtthle 488.

Arbeiteransiedlung 527.

Menage 624.

Bton von Treppen, Leitern 486. 462. BnbHmatian der Arsenikalien 428. 497. Bnmpfitnokan (Bergbau) 231.

Tabakkanen der Bergleute 818.

der Qaecksilberhttttenleute 622. Tigliohabeok, Litt. 249. 858. 867. 879. Tagebau (Bergbau) 226. Tagebrftehe 899. TaugUehkeit snr Bergarbeit 241.

aar Httttenarbeit 518. Teilatrttme, s. Wetterftthrung. Telloge ttber Qnecksilberbergleute 837. Temparatiir, hohe in Bergwerken 248. 285.

287. 316.

hohe beim Tunnelbau 406.

Httttenbetrieb 488. 481. Tempern (Brklftmng) 415.

Thofern, Kupferelektrolyse 478. Thomaa u. Oüehriit, FluTseisengew. 471. Thoma aichlackeiinittMen 488. 499. 546. 547. Thomaon, elektrisches Schweiften 477. Thoneisenitein 412. Tiegelgniiitahl, Darstellung 416. Toniui, ttber Quecksilberbergleute 837. Traoilniki, Litt. 449. Trftger-Schneidemaschinen 621. Trantformatoren in elektrischen Leitungen

480. Tranamiitionan, Unfllle an denselben 436.

Schuti gegen UnfKUe daran 462. Tranfport Verunglfiokter 292. 809. 628. Tranaportarbeiton, UnflUle dabei 486.

Verbtttung Ton UnfKUen 460. Traniportweaan, Erleichterung in demselben

466. Treibofan, Treibproaefs 422. TralbofanTttTiehlttiae 494. Tremonia, Arbeiterwohnnngen 869. Trinkwaüer in Bergwerken 842. 848.

beim Tunnelbetrieb 407.

auf Httttenwerken 482. Trockenofen ilir Eisengiefiiereien 488. TnborknloM bei Bergleuten 881. Tunnelarboiter, deren Krankheiten 406. 407. Tnnnelbotrieb (allgemeines) 282.

dessen Gefahren 402 ff.

Ueboranftrengnng bei der Httttenarbeit 487.

518. Ueboraohiehton im Bergwerksbetrieb 248. Uloeration in der Bergmannslnnge 888. Ulcui serpona der Beri^eute 841. Umdrehnngaiahl, sullssige der Schleif- und

Schmirgelsteine 457.

II

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Register.

UmUeldoiig bewegter Heschineateile 452. Ummanteliiiig staabender Betriebsapparate

487. UmwUimng too Oeflbnngen 462. Uaftlle im Bergwerksbetrieb 886 ff. 804 ff.

beim Fahren in der Grabe 266. > bei der Sprengarbeit 256.

durch Steinfall in der Grabe 260.

beim Tonoelbau 402.

im Httttenbetrieb 482. 484 ff.

~ Sehata dagegen

469 m

dareh den elektrischen Strom 486.

UnfallkatMü fflr Berglente 896.

VnfttllTerhfltiiiigfTorMlirifteB für Hütten- werke 461 ff.

Vnaoh&dUehmaiihiiBg der sanren Gate and Dftmpfe 684.

der schwefligen Sftore 648. 649. Urbanitikx, elektr. Schmelsofen 477. Unaehan der UnOlle beim Bergbau 804 ff^

886 ff.

^ beim Hflttenbetrieb 442. 484 ff.

TentUaÜon in Bergwerken 281. 264. 278 ff. 844.

beim Tannelban 288. 407,

in Badeanstalten 864.

in Arbeiterwoimnngen 869.

Schlafhänsem 877.

. beim Ban des St Gotthard-Tnnnels 406.

der Arbeitsriame anf HQtten 482 600.

610. VantUfttoren fttr Bergwerke 474.

für Ofengase 604. Varbaadkigtan auf Hüttenwerken 628. VerbramimgeB dareh schlagende Wetter 806.

durch Sprengschüsse 806.

im Hflttenbetriebe 487. 488.

Schuts dagegen 462. Varblaioiig s. Silbergewinnung. VardMongaofgaiLe, deren Krankheiten bei

den Bergleuten 886. 840.

~ bei den Hflttenleuten 489. 447. VerdlehtOBg des Hüttenrauchs 688 ff. Varainigte Btaaten Ton Nordamerika, An-

siedlung Ton Bergleuten 868. Vergiftung durch Nitroglycerin 268.

durch Sprenggase 268.

Kohlensfture 266. 806.

Kohlenozyd in Bergwerken 266.

807.

auf Hütten 449. 626.

Schwefelwasserstoff auf Berg-

werken 266. 808.

auf Hütten 448.

Quecksilber 886. 446.

Blei 887. 447. •— Kupfer 888. 447. ^ Kobalt 888.

Arsen 888. 446.

Antimon 446.

Arsenwasserstoff 448. 488.

Cyanwasserstoff, Cyankalium

449. 626.

Verglitimg, akute der Hüttanleute 626. Varkalinwaga auf den Bütten 461. Varladuiig anf Bergwerken 293. Varlatmngan der Bergleute 806.

der Hüttenleute 486. Varpaeknag staubfSrmiger Materialien 487. Vanagar beim Sprengen 267.

Vanan, Ausbessem des Bimenfbtters 478. VariahluM der FSrderkdrbe 262.

der Ofenöffnungen 490 ff. 498. 494. Vanmglüakniigaii beim Fahren (Statistik)

261.

durch Schlagwetter 271. Vendmoianiiig in Bergwerken 269. 261. VaiikuHlraa Emphysem bei Bergleuten 881. Viailla Montagna, Schutableche für Zink-

Sfen, 481. Villarat, Litt. 849. 401. 449. 616. 629. VoUhanar 242. Volti, Litt. 401.

Vorflnt, deren Störung durch Bergbau 899. Vorlagan (Zinkgew.) 426. 606. Varriehtniiig (Bergbau) 226. Vonatibla^ für Ofsndflkmngen 498. 494.

Wabnar, Litt. 849.

Wftnnawirkimg des elektr. Stromes 477.

WaiMBanialuiiig 892. 628.

Walaeh, Litt. 617.

Waliwarka, SchutsTorkehrungen in densaibeii

468. Wapplar, Litt. 294.

Waimaigan, SehutsTorkehrungen daran 464. Wasohan der Gichtgase 646. 660.

bei der Goldgewinnung 424. WaaohainrlehtiEngaii für Hüttenleute 621. Waachkauan fttr Bergleute 862. Waaahr&nma auf Bleibergwerken 888. Wasaar aar BauchTcrdlchtung 689. 646. Waaaarawiaminlmigan in der Brusthöhle 828. Waiaarbaaprangimg der Kohlenstöfse 278.

aar Staubniederschlagung 487. 646. Waaaardimma, Wasserdurchhrfiche 289. WaaiaraatiiohQiig dareh den Bergbau 400. Waaaargahalt der Luft in den Bergwerken

816. Wasaarhaltmig in Bergwerken 281.

beim Tunneibau 288. Waaaarkflhluiig der Wände beim Tunnelbau

408.

der Ofenthüren und FuAbodanplatten

481. Waaaarvanmrainiginig durch Grubenwisser 400.

durch Abwässer der Hütten 660. Wamm'sche Thoma8schlackenmühie488.689. Watarmaa Works, RanchTcrdichtung 646. Wadding, Litt 481. 617. 660. WaibUeha Arbeiter in Wals- u.

werken 460. Waiakart, Utt. 484. 449. WaUiblaian 416. WaUiMr Stein (Kupfergew.) 420. Wandalin, Litt 617. Warkblai 418. 421. WarkUaibaiiamarai 472.

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565

WerkbleienttUbemiig 478.

Werkteuge, UnflUle dnroh dieMlben 486.

Sebuts gogen UnfXUe dnreh diese 458. Werkiiiiii 487.

WeitflUit 856, 881.

Wett«r, schlechte, mmtte, b8ae in Graben 866.

Wetternnaljaen 877.

WttttrdTiiamit 856. 881.

Wettarfthrnng 874 ff. 891.

WettorgMoliwlndigkeit, inllssige 887.

WetteriBdikator«& 868.

Wttttrlntton 875.

W«ttenntMiixigeii 877.

WetterSfen 888. 874.

Wettanohle 875.

Wcttarthflren 876.

WetterweehMl. 874 ff.

Weyl, Litt. 449.

White, meehsn. Röstofen 470.

WUton Q. Vreneh, BaaehTerdichtnng 646.

Winden, UnfKIle an denselben 486.

VerbQtang Yon UnfUlen daran 461. Winkl«r, Litt. 849. 550.

Oew. des Scbwefelsänreanbydrids 549. WirtMhafttiohe Verhftltnisse der Bergleute

880. WirtoehaftiMliiilon 887. 587. Wiimnt, Gewinnung 480. 476.

FlQchtigkeit U4. Wiftikowiti, Schlafbans 878. 587.

Braderlade 894.

Witwen- o. WaitanTanorguig 878. 898.

588. Wohlfahrtoeiniiehtiing IQr Bergleute 851 ff.

ftlr Tonnelarbeiter 408 ff.

Hflttenlente 586 ff.

Wohnungen der Bergleute 817. 858 ff.

WohnongtrerhUtniiM der Berg- u. Salinen- arbeiter in Preufsen 866. 867.

Wolfsche Bensinlampe 880. Wüit-Xnns, Litt. 517.

Sftnder'scher Apparat 897.

416.

Zerener, elektr. SchweiTseo 488. ZerideineningaftpparAte^ SchutsTorkehraogen

daran 487. 498. Zerapring«n der Schleifsteine 457. Zierrogel, nasse Silbergewinnung 476. Zimmer'sche Thomasschlackenmühle 488.

499 546. Zink, Gewinnung 484.

Plftchtigkeit 444. Zinkblende 484.

Zinkd&mpfe, Einflnfs auf den Körper 447.

Ableitung derselben 510. ZinkdettillierSfan 485. 494. 497. 510.

Ton Prancisd 474.

Leo Ljnen 474. Zinkelttktroljae 479. ZinkenteUbening 474. Zinkhüttenarbeiter, Verrichtungen derselben

487. 489. Zinkoscjd, Zinkstenb 485.

deren Schädlichkeit 447. Zinkfohanm 425. ZinkfohanmelektrolTse 478. Zinn« Gewinnung 487.

~ dessen Flüchtigkeit 444. Zinnober 486. Zjpy%ft¥p 487. ZrdahAl, Litt. 517. 589. Zflndaohnnr 856. Zündvng tou Spreogschüssen 867. 888.

~ elektrUche 856. 888. ZündTorriehtangan für Sicherheitslampen

880. Zngbreohungen, Zugrerminderung lur Flug-

suubniederschlagnng 589. Znglnft, Schidliehkeit für Hüttenarbeiter 488.

deren Verhütung 488. ZngtehAehtSftei 508. 588. Znngenkontraktionen, rhythmische 811. Zuammenietning der Brse 411.

der Hfittenrauchgase 498. ZniehUgo bei der Verhüttung der Erse 418.

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