INFORMATIONSDIENST SOZIALARBEIT

a e Zn loo;ji ihri igen Bestehen des Deutschen Vereins

EEN und z ‚um 69. Deutschen Fürsorgetag in Frankfurt —— Offenbach im März 1980 R Einfachnummer - Preis DM 6,--

ialistischen Büro Dieser Informationsdienst Sozialarbeit wird seit 8 Jahren im Sozialisti vo

n Gruppen, die im Sozialisationsbereich arbeiten, herausgegeben. Der Info dient der Kommunikation und Kooperation von Genossen, die m sozialistischem Anspruch im Feld der sozialen Arbeit tätig sind. x ai Der Info enthält neben einem Schwerpunktthema Darstellungen über A Organisationsmodelle und Basisaktivitäten sozialistischer Sozialarbeiter/-p

à > Mi f . ati und gen, Erzieher, Kindergärtnerinnen etc., Kurzberichte, Informationen Analysen aus dem So

se, Stellenangebot

. * 2.772 inwei- zial- und Gewerkschaftsbereich sowie Materialien, Hi e und Kleinanzeigen.

Folgende Hefte sind noch lieferbar:

Heft 5:

Zur Organisierung im Sozialbereich (104 Seiten, DM 5,--)

Heft 7: Jugendhilfetag Sozialistische Aktion (80 Seiten, DM 4,--) de

Heft 8: Reform und Reformismus als Problem praktischer Politik in Sozialarbeit (72 Seiten, DM 4,--)

Heft 10: Knast und Sozialarbeit (64 Seiten, DM 3,50) .

Heft 12: Probleme stadtteilbezogener Sozialarbeit Teil II (80 Seiten, DM 4,--)

Heft 13: Jugendarbeit Jugendarbeitslosigkeit (96 Seiten, DM 5,--)

Heft 14: Alternative Psychiatrie (80 Seiten, DM 4,--)

Heft 16; Gewerkschaftsarbeit in der OTV (88 Seiten, DM 5,--)

Heft 17: Kindergartenarbeit (96 Seiten, DM 5,--)

Heft 18: Heimerziehung (168 Seiten, DM 8 ,--)

Heft 19: Jugendhilferecht Jugendhilfetag (96 Seiten, DM 6,--)

Heft 20: Sozialarbeiterausbildung (104 Seiten, DM 7.--)

Heft 21: Familienfürsorge (80 Seiten, DM 5 ,--) '

Heft 22; Jugendhilfetag 1978 in Köln/Geschlossene Heimerziehung (104 Seiten, DM 7

Heft 23: Frauen und Sozialarbeit (144 Seiten, DM 8,--) ;

Heft 24; Psycho-Methoden in der Sozialarbeit (96 Seiten, DM 6,--)

Herausgeber: Sozialistisches Büro, Postfach 591, 605 Offenbach 4

Verleger:

Erste Auflage:

Verlag 2000 GmbH Offenbach März 1980, 5000 Exemplare Alle Rechte bei dem Herausgeber

Vertrieb: Verlag 2000 GmbH, Postfach 591, 605 Offenbach 4 Postscheck Frankfurt Nr, 61041-604

Preis: Einfachnummer DM 6,-- bei Abnahme von mind. 10 Ex. 20 % Rabatt ý Weiterverkäufer (Buchläden, Buchhandel) 40 % Rabat jeweils zuzüglich Versandkosten : Der Info kann auch im Abonnement bezogen * Bezugsgebühren für das Jahr 1980 DM 15,-- und DM 4, Versandkosten

Verantwortlich: Redaktionskollektiv Info Sozialarbeit

Presserechtlich

Verantwortlich: Günter Pabst Offenbach

Druck: hbo-Druck Einhausen

ISSN: 0170-2688

ISBN: 3-88534-016-X

Beilage:

Spendenaufruf “Kita im Exil’, Prospekt ir Sozialarbeit, päd.extra-Werbekarte, Aufruf Sozialhilfe

INFO SOZIALARBEIT, HEFT 25

INHALT

Vorbemerkung zu dieser Ausgabe Aufruf der Sozialhilfe-Aktion

Wolf Perdelwitz Zum Leben zuwenig - Zum Sterben zuviel - Zur Situation der Sozialhilfeempfänger -

"Sie haben mich die ganzen Jahre regelrecht betrogen" - Bericht einer Betroffenen -

"Angst und Isolation" - Brief an die Vorbereitungsgruppe Nette Sprüche - gesammelt im Hagener Sozialamt

"Nein Kinder, das geht nicht" - Bericht einer Betroffenen

Falco Werkentin Die Quantifizierung der Würde des Menschen nach dem BSHG

Albert Hofmann Zweimal beschissen: Kochfeuerung und Beleuchtung

Albert Hofmann Warenkorb 'Marke Schmalhans' - Die Bemessung der Würde des Menschen durch den Deutschen Verein -

Ulf Luers Ein Deutscher Verein - Jubiläum des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge -

Auszug aus dem Programm des Deutschen Fürsorgetages

Historische Dokumente/Auszüge aus dem Nachrichtendienst des Deutschen Vereins

- 100 Jahre Fürsorgeerziehung

- Offizielle Geschichtsschreibung

- Mitteilung des Vorstandes v. 8.5.1933

- Das Fürsorgewesen im Aufbauprogramm der Reichsregierung - Die Wohlfahrtspflege im Dritten Reich

- Schlußwort des Vorsitzenden Prof. Polligkeit (1934)

loo Jahre Deutscher Verein - 4 Jahre Interessengruppe Köln

Interessengruppe Sozialhilfe Hagen

23

29

35

43

45

Interessengruppe Sozialhilfe Duisburg 65

Arbeitsgemeinschaft sozialbenachteiligter Familien Hildesheim 69

Selbsthilfe Gelsenkirchen 70

Sozialhilfegruppe "Tu was" Frankfurt fa

Frauenhaus Kassel

St2əllungnahme zum $ 72 BSHG und dem Gutachten des Deutschen

Vereins 14

Frauenforum im Revier

Frauen kommt aus Eueren Schneckenhäusern 83

Adressen der Sozialhilfegruppen/Sozialhilfeleitfäden 85

Berichte - Hinweise - Informationen - Kleinanzeigen 88 96

Mitteilungen des Arbeitsfeldes

Tagungen der AG SPAK zu Sozialhilfe/Obdachlosenarbeit

ARMUT IN DER BRD -- Fortsetzungsseminar spez. für Obdachlosen -- Stadtteilarbeitsgruppen, 18.-20.4.80, Frankfurt/M. Anmeldung: AG SPAK, Belfortstr. 8, 8 München 80.

ZUR STRATEGIE UND INTERESSENDURCHSETZUNG VON INITIATIVGRUPPEN Sozialhilfe und Obdachlosenarbeit 25. - 27.4.80, Burckhardthaus Gelnhausen, Auskunft: AG SPAK, Belfortstr. 8, 8 München 80.

Workshop: Probleme in der Obdachlosensiedlung (Erfahrungsaustausch, Rollenspiele) für Gruppen aus dem südd. Raum) 9. - 11.5. in Reutlingen, Auskunft: Ingrid Maier, Schloßgartenstr. 5, 7417 Pfullingen oder bei AG SPAK, Belfortstr. 8, 8 München 80 (PB ODL)

Informationsdienst für Obdachlose Obdachlosenzeitungen - 27. - 29.6.80, b. Nürnberg Anmeldung: AG SPAK (PB ODL), Belfortstr. 8, 8 München 80.

VORBEMERKUNG ZU DIESER AUSGABE

Kein "deutscher Verein" im Bereich der "öffentlichen und privaten Fürsorge" hat es wohl bislang so glänzend und geschickt verstanden, sein Wirken und seinen Einfluß auf die Sozialpolitik über 100 Jahre hinweg derart stillschweigend zu entfalten und auszubauen wie der "Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge".

Mit den vorliegenden Aufsätzen und Materialien wollen wir versuchen, etwas Licht in die Arbeit des Deutschen Vereins zu bringen. Wir be- leuchten dabei nicht das gesamte Spektrum der Aktivitäten und Ein- flußnahmen des Deutschen Vereins auf die Sozialpolitik. Aus aktuel- lem Anlaß - der SOZIALHILFE-AKTION am 23. April 1980 in Frankfurt - beschränken wir uns auf den Bereich der Sozialhilfe.

Im ersten Abschnitt wird die Lebenslage der Sozialhilfeempfänger do- kumentiert. Der zweite Teil zielt unmittelbar auf die Verantwortung des Deutschen Vereins für die Lebenslage der Sozialhilfeempfänger. Kritisiert wird der Warenkorb, den der Deutsche Verein als Grundla- ge für die Berechnung der Regelsätze erstellt hat. Daran anschlies- send wird die 100jährige Geschichte des Deutschen Vereins skizziert und anhand von Dokumenten der Widerspruch zwischen offizieller Ver- einsgeschichtsschreibung und historischer Wirklichkeit für die Zeit des Nationalsozialismus problematisiert. Abschließend wird am Bei- spiel einiger Sozialhilfe-Initiativen die Möglichkeit und Notwendig- keit von Gegenwehr nachgewiesen.

Das Info versteht sich als eine Materialsammlung zur Unterstützung der SOZIALHILFE-AKTION am 23. April 1980 in Frankfurt. Aufgrund die- ser besonderen Aufgabenstellung bleibt der direkte Einfluß des Deut- schen Vereins auf die Sozialarbeiter und Sozialpädagogen ausgeklam- mert. Erinnern wollen wir aber an den Fürsorgetag 1969 in Essen, auf dem Sozialarbeiter des AKS-Berlin und anderer kritischer Gruppen aus Westdeutschland sich einig waren: "In Essen kann nur die gemeinsame Argumentation verhindern, daß kritische Stimmen als 'belebend' ab- sorbiert werden." Konzentriert wurde die Arbeitsgruppe "Entwicklungs- tendenzen in den Berufen der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen! be- sucht und zwölf vorbereitete Forderungen gegen die Versammlungslei- tung in die Diskussion eingebracht. (Siehe Sozialpädagogische Korres- pondenz, 1969, Nr. 6 und "Sozialarbeit zwischen Bürokratie und Klient" - Dokumente der Sozialarbeiterbewegung 1969 - 1973 reprint, Verlag 2000, Offenbach). Ähnliche Ansätze gemeinsamen Auftretens von Sozial- arbeitern zum Fürsorgetag in Frankfurt sind uns (noch) nicht bekannt. Während seit ca. 10 Jahren der "Deutsche Jugendhilfetag " für kriti- sche Sozialarbeiter Forum zur Darstellung ihrer Kritik am Jugendhil- fesystem ist und zur Auseinandersetzung mit den Vertretern von Be- hörden und Institutionen benützt wird, scheinen kritische Sozial- arbeiter von dem Fürsorgetag 1980 mal wieder überrascht worden zu

sein. Ist es die Größe des Verbandes, seine Undurchschaubarkeit, seine vermeintliche Omnipotenz die bisher dazu führte, diesen Verein

"rechts" liegen zu lassen?

Zusätzlich zu dieser Materialzusammenstellung sollte über die Kon- taktadresse: Sozialhilfe-Aktion, FH Sozialarbeit,

Limescorso 5

6000 Frankfurt 50 das auf S. 6 abgedruckte Plakat im DIN A 2 Format sowie der Aufruf

(S.7 ) und die Informationsrundschreiben der Sozialhilfe-Aktion bestellt werden. Weiterhin benötigen wir zur Finanzierung der Sozial- hilfe-Aktion Spenden: Eingezahlt werden kann auf das Postscheckkonto Frankfurt 128 35-609 Albert Hofmann - Kennwort: Sozialhilfe-Aktion.

Redaktionsgruppe:

AG "Tu was" Frankfurt - Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit Frankfurt- Projektgruppe Warenkorb an der FHS Frankfurt -

Redaktion Info Sozialarbeit

MATERIALIEN ZUR SOZIALHILFE-AKTION

. Pressemappe (Aufruf/Plakat/Info Sozialarbeit Heft 25 - Materialien zur Sozialhilfe-Aktion/Rundbriefe der Sozialhilfe-

Aktion einschl. Porto) DM 12,--

2. Plakat der Sozialhilfe-Aktion DIN A 2 l Ex. DM 2,50, ab 1o Ex. DM 2,-- pro Exemplar plus Porto

3. Leitfaden zur Sozialhilfe 1 Ex. DM 2,--

4. Aufruf der Sozialhilfe-Aktion loEx. DM 2,-- Sozialhilfegruppen erhalten

5oEx. DM 1o,-- den Aufruf kostenlos

looE. DM 15,-- looo E.DM 1oo,--

Bestellungen nur gegen Vorauszahlung(Scheck/Briefmarken) plus Porto an: Sozialhilfe-Aktion c/o AG Tu was Fachbereich Sozial-

arbeit, Limescorso 5, 6000 Frankfurt

påd. extra

GZId, MOEI

berichtet monatlich über die Arbeitsfelder der Sozialarbeit. Zum Beispiel: * Jugend und Bundeswehr

Die Männerschule der Nation

* Pennerleben

* Lernen in Situationen Versuch, mit Freire in der BRD Randgruppenarbeit zu machen

ı Heft viele Hinweise, Literatur, Texte und Medien,

Dazu in jeden

Hilfsmaterialien, z.B.:

* Rezensionen von Sozialhilfeleitfäden

%* Bericht über den Warenkorb Marke Schmalhans

x Analyse des Deutschen Vereins: eben ein deutscher Verein’ und so fort

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Vorname: __ Be

Name: _____

Straße:

PLZ. Dr

Unterschrift:

Datum:

SOZIALHILFE-AKTION

Zum 100jährigen Bestehen des Deutschen Vereins und zum 69. Deutschen Fürsorgetag am 23. April 1980 in Frankfurt

Je

| ERN | meine verehrten Feftgafte, la Uuf das Mob! unserer Gogialhilfeenpfänger!Gie [eben Hod! KHod! Hog

FORDERUNGEN DER SOZIALHILFE-AKTION PROGRAMM DER SOZIALHILFE—- AKTION

10,00 Uhr 7 Informationsstände vor der Festhalle ® Nichtanrechnung des Kindergeldes am Messegelände

auf die Sozialhilfe zur Eröffnung des Fürsorgetages

® Kostendeckende Regelsätze

® Kostendeckende Beihilfen für Bekleidung Möbel,

Hausrat, Heizung und Winterbrand 15.00 Uhr

a ic hende und nichtdiskriminierende Kundgebung und Informationsstände —— von Frauenhäusern vor der Paulskirche unc TOE TA : anderen Selbsthilfe gruppen zum Festakt des Deutschen Vereins

AUFRUF

SOZIALHILFE-AKTION

ZUM 100 JÄHRIGEN BESTEHEN DES DEUTSCHEN VEREINS UND ZUM 69. FÜRSORGETAG

AM 23. APRIL 1980 IN FRANKFURT/M.

"Der Deutsche Verein besteht 1980 100 Jah- re. Aus diesem besonderen Anlaß findet der 69. Deutsche Fürsorgetag im Jubiläumsjahr am Vereinssitz in Frankfurt am Main statt. Der Festakt in der Paulskirche und das Kon- zept des Deutschen Fürsorgetages im Messe- gelände sind von einem besonderen Vorstands- ausschuß und von einer Arbeitsgruppe der hauptamtlichen Referenten in der Geschäfts- stelle vorbereitet worden.

Es wird im Grundsatz an dem bewährten Ta- gungsablauf der vorhergehenden Deutschen Fürsorgetage festgehalten."

(Aus dem Programm des Deutschen Vereins)

Das 100jährige Bestehen des Deutschen Vereins und der 69. Deutsche Fürsorgetag finden zu einem Zeitpunkt statt, in dem der fortschrei- tende Abbau von Sozialleistungen auch auf die Sozialhilfe überge- griffen hat.

Im November 1975 kritisiert der "Deutsche Städtetag" den "überpropor- tionalen Anstieg" der Sozialhilfeausgaben und die "schwerwiegenden zusätzlichen Belastungen" für die Träger der Sozialhilfe. Ein halbes Jahr später spricht der "Deutsche Landkreistag" von "Fehlentwicklun- gen bei der Sozialhilfe", von "Mißbrauchtatsbeständen" und "teilwei- se überzogenen und mißbräuchlich genommenen Leistungen". 1977 fassen die Ministerpräsidenten der Länder einen Beschluß zur "Reduzierung der Sozialhilfekosten". Unterstützt wird diese gegen die Sozialhilfeempfänger gerichtete Kampagne von einem Teil der Presse: e "Bild" vom 2.2.1977:

Deutschlands faulster Gärtner lebt von Sozialhilfe e "Ouick" vom 10.2.1977:

Unversehämte Arme - Sie leben in Saus und Braus - auf unsere Kosten e "Bild" vom 29.7.1978:

1 430 Mark Sozialhilfe plus Schwarzarbeit = Mercedes - Wie der

schlaue Alfons (28) mit Bauchweh schön lebt

Der Deutsche Verein legt 1976 unter dem irreführenden Titel "Vor- schläge zur Weiterentwicklung der Sozialhilfe" auf die finanzielle Situation der Städte und Landkreise abgestimmte "Prüfungen" vor. Darin stellt er fest:"” ... die dafür aufgezeigten Wege erfordern ins- gesamt keine Mehraufwendungen. Die Einsparungen sind sogar höher, als es die voraussichtlichen Mehrausgaben sein werden."

Schon 50 Jahre vorher schlug er mit dem Aufruf "Die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen ergibt sich aus der Gesamtlage der deutschen Wirt- schaft", "Sparmaßnahmen unter möglichster Aufrechterhaltung des Ge- samtstandes der Fürsorge" vor.

1977/78 rücken die ersten Bundesländer von der in den vergangenen Jahren geübten Praxis ab, die Regelsätze jeweils jährlich um einen minimalen Betrag anzuheben. Die Beträge für die sog. einmaligen Bei- hilfen, wie Bekleidungsbeihilfen werden von den Städten und Landkrei- sen eingefroren oder sogar gekürzt.

Dies führt zu einer einschneidenden Verschlechterung der Lebenslage von Sozialhilfeempfängern. Davon findet sich allerdings in dem Pro- gramm des Deutschen Vereins zum 100jährigen Bestehen nichts. Dabei ist es gerade der Deutsche Verein,der unter dem Mantel der Unabhän- gigkeit und Wissenschaftlichkeit mit seinen Gutachten, Empfehlungen, Vorschlägen und insbesondere durch die Zusammenstellung des sog. Warenkorbs, der der Berechnung der Regelsätze zugrundeliegt, ent- scheidenen Einfluß auf die Lebenslage von Sozialhilfeempfängern aus-

übt.

Deshalb will die SOZIALHILFE-AKTION gegen "den bewährten Tagesablauf der vorhergehenden Fürsorgetage" die Lage von Sozialhilfeempfängern am 23. April 1980 darstellen.

Angeknüpft wird dabei an erste Ansätze einer Gegenwehr von Sozialhil- feempfängern ‚wie sie sich in den rund 50 Sozialhilfegruppen in der BRD und in den ersten zentralen Demonstrationen in Wiesbaden und Bonn

für die "Nichtanrechnung des Kindergeldes'" zeigt.

Aufgabe der SOZIALHILFE-AKTION ist es: ® Die Lebenslage der Sozialhilfeempfänger in der Öffentlichkeit be-

kannt zu machen. © Den Einfluß des Deutschen Vereins auf die Lebenslage von Sozialhil-

feempfängern klar zu stellen.

Wir fordern Euch auf: ® Bildet lokale Vorbereitungsgruppen © Beteiligt Euch an der SOZIALHILFE-AKTION am 23. April 1980 in Frankfurt - ab 10.00 Uhr Informationsstände vor der Festhalle/ Messegelände (Eröffnung des Fürsorgetages) - ab 15.00 Uhr Informationsstände und Kundgebung vor der Paulskirche (Festakt des Deutschen Vereins).

unter den Forderungen

- Kostendeckende Regelsätze - Nichtanrechnung des Kindergeldes auf die Sozialhilfe

- Kostendeckende Beihilfen für Bekleidung, Möbel, Hausrat, Heizung und Winterbrand

- Ausreichende und nichtdiskriminierende Finanzierung von Frauenhäusern und anderen Selbsthilfegruppen

Diesen Aufruf unterstützen bisher: Soziale Arbeitsgemeinschaft e.V. Aachen/Sozialhilfebratung e.V. Gropiusstadt Berlin/Interessengruppe Sozialhilfe Duisburg/Düren/Esslingen/Landesarbeitsgemeinschaft soz- iale Brennpunkte e.V. Hessen/Sozialhilfegruppe Tu was Frankfurt/ Projektgruppe Margaretenhütte Gießen/Interessengruppe Sozialhilfe Hagen/Arbeitsgemeinschaft sozialbenachteiligter Familien Hildesheim/

NVS-Nothilfe Vereinigung für Sozialhilfe- und Arbeitsförderungsbe- rechtigte e.V. Kassel/Interessengruppe Sozialhilfe e.V. Köln/Kölner Selbsthilfe e.V. Kindergruppenarbeit Mühlheim/Verband alleinstehen- der Mütter und Väter, Ortsverbände Frankfurt und Mainz/Sozialhilfe- gruppe Velbert/Arbeitsfeld Sozialarbeit im Sozialistischen Büro/ Arbeitsgemeinschaft Sozialpolitische Arbeitskreise/Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit Frankfurt/"ausgepackt"-Zeitung für Sozial- arbeiter in Frankfurt/Bund Deutscher Pfadfinder,Landesverband Hessen/ Jugendpolitisches Forum Wiesbaden/päd.extra Sozialarbeit/Projektgrup- pen "Warenkorb" der Fachhochschulen Fulda und Frankfurt/Fachschafts- rat Pädagogik Mainz

Kontaktadresse: Sozialhilfe-Aktion c/o AG Tu was Fachbereich Sozial- arbeit, Limescorso 5, 6 Frankfurt Telf.: Albert Hofmann 0611/59 66 53

rokla

Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik

Neustrukturierung bürgerlicher Herrschaft?

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Editorial, Korporativismus als Form der Neustrukturierung bürgerlicher Herrschaft? / Hajo Funke/Bodo Zev- ner, Profit aus der Angst - Ökonomie und ‘Psychologie’ in der Wahlkampf- strategie der CDU/CSU / Karl E. Loh- mann, Strauß, die Grünen und das sozialistische Wahldilemma / Kurt Hübner/Dick Moraal, Zwischen Ver- bändegesetz und ’Konzentrierter Aktion’ - Korporativistische Neu- strukturierungsversuche / Bernhard Blanke, Reproduktion des Kapitals als Verfassungsproblem / Hans Kastendiek, Neokorporativismus? - Thesen und Analysen-Konzepte / Michele Salvati/Giorgio Brosio, Poli- tik und Markt in der Krise: Die indu- striellen Beziehungen im Europa der siebziger Jahre / Gerd Armanski, Mi-

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litarismus und Soldatenphantasien /

Peter v. Oertzen/Redaktion Prokla,

Kontroverse zur Bahro/Abendroth- Resolution in Prokla 36.

Wolf Perdelwitz

ZUM LEBEN ZUWENIG ZUM STERBEN ZUVIEL Zur Situation der Sozialhilfeempfänger (aus: Stern Nr. 12/1977)

Die selbstzufriedene Bilanz des Bundesfinanzministers, der kein Elend in unserem Land entdecken kann, ist leider falsch. Mit fünf Mark und 37 Pfennigen täglich glaubt der Wohlstandsstaat Bundesrepu- blik die Teller der ärmsten seiner Armen füllen zu können. 5,37 Mark - so viel steht einem Sozialhilfeempfänger pro Tag für seine Ernäh- rung zu. Keiner der Bürokraten, die diese Summe festlegten, war

Je gezwungen, davon satt zu werden. Millionen - vor allem alte Leu- te, Kleinrentner - vegetieren am Rande des Existenzminimums, und sie schämen sich dessen auch noch.

Am Samstag bereitete Willi Barteldes, 60, Schneider in Schleswig, das Ende vor. Er bestellte beim Eierhändler Hansen die wöchentliche Lieferung ab: "Nächste Woche brauchen wir keine Eier mehr." Dann räumte er die Wohnung auf und kündigte die Zeitung. Als am Montag- vormittag der Gerichtsvollzieher kam, um den Schneider und seine Frau wegen Mietschulden ins städtische Obdachlosenheim einzuweisen, waren beide tot.

Willi Barteldes hatte erst seine Frau Käthe mit dem Beil erschlagen und dann sich selbst mit hundert Schlaftabletten das Leben genommen. Weil er sich seiner Armut schämte, hatte er im Frühsommer bereits auf die ihm zustehende Sozialhilfe verzichtet. Als der Winter kam, konnte er die neuerliche Schmach, das Obdachlosenasyl, nicht mehr ertragen.

Eine Woche später schickte sich im bayrischen Töging, nach dem from- men Altötting, der Sozialhilfeempfänger Anton Vogl an, aus dem Le- ben zu scheiden. In der Nacht sprach der 56jährige auf Tonband:

"Ich bin arbeitslos. Niemand stellt mich ein. 250 Mark Fürsorge sind zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel." Am Sonntagvormittag ging der ehemalige Tankstellenpächter zum Grab seiner Mutter und erschoß sich.

"Das Netz der sozialen Sicherheit wird immer dichter", rühmte die Bundesregierung im vergangenen Wahlkampf ihre Sorge für Arme und Al- te, für Mühselige und Beladene. Und Ministerialrat Dr. Günther Hal- bach vom Arbeits- und Sozialministerium ist sicher: "Wir haben das bestausgebaute Sozialleistungsnetz der Welt."

Mag sein. Doch der Schneider im Norden und der Fürsorgeempfänger im Süden setzten aus Armut ihrem Leben selber ein Ende. Waren sie nur Betriebsunfälle - durchgerutscht durch die Maschen eines an sich in- takten sozialen Netzes? Oder zeigt ihr Tod Fehler im System?

"Trotz hoher Arbeitslosigkeit gibt es in unserem Lande kein verbrei- tetes Elend", behauptete Deutschlands oberster Kassenwart, Bundesfi- nanzminister Hans Apel, vor dem Bundestag. Eine vergleichende Studie

BR i oe

über die Lebensverhältnisse in Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik, die zur Zeit im Auftrag der Europäischen Gemeinschaft erarbeitet wird und im Frühjahr veröffentlicht werden soll, dürfte ihn widerlegen: Auch in unserem Wohlstandsstaat leben Millionen in Armut.

Auf erschreckendes Elend und bitterste Not waren schon die Kölner Sozialwissenschaftler Otker Bujard und Ulrich Lange gestoßen, als sie Ende letzten Jahres eine Untersuchung über "Theorie und Praxis der Sozialhilfe" vorlegten. Sie hatten tausend Männer und Frauen über 60 befragt, wie's denn wirklich aussähe mit dem goldenen Alter. Das Ergebnis: Das Bild vom fröhlichen Rentner-Tourismus, von sorglo- sen Senioren, die winters ihr Altenteil auf Mallorca verjuxen, ist falsch.

Sicher: Wer in Not gerät, hat Anspruch wenigstens auf Sozialhilfe. Das macht je nach Bundesland monatlich zwischen 282 Mark (Bayern) und 296 Mark (Rheinland-Pfalz) zuzüglich Wohngeld aus. Familienan- gehörige bekommen etwas weniger, Invaliden , Rentner und werdende Mitter 30 Prozent mehr. Doch dieser Anspruch steht oft nur auf dem

Papier des Bundessozialhilfegesetzes.

SELBST FÜR NOTFAHRTEN MUSS KOSTENERSTATTUNG VORHER BEANTRAGT WERDEN

"Die Hälfte aller alten Menschen, die berechtigt wären, Sozialhilfe zu beanspruchen, macht diesen Anspruch nicht geltend", fanden die Kölner Soziologen heraus. Als Gründe orteten sie Rechtsunkenntnis, unzureichende Beratung und die Angst, als Bettler zu gelten.

Zu dieser Angst trägt das bisweilen rüde Vorgehen mancher Sozialäm- ter bei. Maria Etheber in Köln-Buchforst, 75 Jahre alt, hat solche Behördenkälte erfahren. Sie ist herzkrank und hat Zucker. Drei Kin- der hat sie in die Welt gesetzt. Die schicken ihr monatlich insge- samt 400 Mark, von denen sie lebt. Die Miete für ihre winzige Zwei- Zimmer-Wohnung zahlt sie von 44 Mark Wohngeld, die der Staat ihr gibt, und 30 Mark, die ihr der katholische Pfarrer monatlich zusteckt.

Zur Adventszeit im vorigen Jahr fragte die alte Dame bei ihrem So- zialamt an, ob sie ein wenig Kohlen-Zuschuß und Weihnachtsbeihilfe bekommen könnte. Die bürokratische Antwort der Fürsorger: "Sie selbst haben am 16.12.1974 eine Erklärung abgegeben, wonach Sie auf weitere Zahlungen des Sozialamtes, gleich welcher Art, jetzt und für die Zu- kunft verzichten."

Damals, im Dezember 1974, hatte das Kölner Sozialamt die Unterstüt- zungspflicht für Maria Etheber auf deren Kinder abgewälzt - ganz

wie es das Gesetz befiehlt. Die schlauen Beamten hatten ihr jedoch flugs auch jene Verzichterklärung untergejubelt, die sie nun, zwei Jahre später, aus den Akten hervorkramten. Und so war's für Maria Etheber nichts mit den 80 Mark Weihnachtsbeihilfe, die sonst Kölner Sozialhilfeempfänger bekommen. (Gottlob gab die Domstadt auch in diesem Jahr wieder ihren Narren eine knappe halbe Million Zuschuß zum Karnevalszug.)

Wie pingelig das Sozialamt auf die Pfennige sieht, erfuhr auch das

Rentner-Ehepaar Ottersbach in Köln-Buchforst. Als Helene Ottersbach, 79, auf Anweisung ihres Arztes sofort und mit einem Taxis ins Kran-

= IR =

kenhaus gefahren werden mußte, hoffte ihr Mann Willi, 72, die Fahrt- kosten, acht Mark, vom Sozialamt ersetzt zu bekommen. Doch das lehn- te der Sachbearbeiter Schneider ab. Die Notfahrt hätte vorher bean- tragt werden müssen.

Aber als die Sachbearbeiter dann hörten, Frau Ottersbach sei sechs Wochen im Krankenhaus gewesen, wurden sie munter. Sie strichen ihr für diese Zeit die Sozialhilfe bis auf ein Taschengeld zusammen. Willi Ottersbach: "Wir sind nicht auf Rosen gebettet."

Ihnen geht es wie vielen Rentnern in der Bundesrepublik. 2,3 Millio- nen Menschen in 1,1 Millionen Rentner-Haushalten haben weniger zum Leben, als ihnen nach den Sozialhilfe-Sätzen zustehe, errechnete im vorigen Jahr das rheinland-pfälzische Sozialministerium. Zwar warte- te das Bundessozialministerium 1976 mit imponierenden Zahlen auf: Seit 1971 haben sich die Renten verdoppelt, seit 1957 gar mehr als vervierfacht. Doch das starke Gefälle zu Lasten der Kleinrenten wird auch durch solche Rechnungen nicht eingeebnet. Wer 1957 eine Rente von 200 Mark bekam, kriegt heute 770 Mark. Wer indessen damals schon 500 Mark bezog, kassiert mittlerweile 1930 Mark. Mit der Vervierfa- chung der Renten vervierfachte sich also auch der Einkommensunterschied zwischen den armen und den reichen Rentnern.

Und dabei wird es fürs erste auch bleiben. Nach dem jüngsten Hickhack um die Rentenerhöhung wagt sich in Bonn auf Jahre hinaus niemand mehr an eine Änderung des bestehenden Systems. Der neue Arbeits- und Sozialminister Herbert Ehrenberg erklärte im Januar, die hohen Ren- ten sollten nicht zugunsten der Mini-Renten gekappt werden. Denn - so die skurrile Begründung aus Ministermund - hohe Renten seien das Ergebnis eines arbeitsamen Lebens. Wer dieserLogik des Sozialdemo- kraten Ehrenberg folgt, muß die kargen Renten von Arbeiterwitwen als gerechte Strafe für ein Leben in Faulheit halten.

Gesellschaftlicher Wohlstand wird von allen erarbeitet. Auch wer im Alter arm ist, hat zumeist sein Leben lang hart gearbeitet - nur eben, wie Millionen Hausfrauen, an einem Platz in der Gesellschaft, der für die Rentenversicherung nicht oder wenig zählt. Doch an die absurde Gleichung "Hohe Leistung = hohes Einkommen" glauben im Wohl- standsstaat offenbar auch viele Arme selber. Weil sie "nichts mehr leisten", scheuen Rentner den Weg zum Sozialamt, sparen sich allein- stehende Mütter das Essen für ihre Kinder vom eigenen Munde ab. Da- bei macht die zunehmende körperliche Gebrechlichkeit der Alten nur um so wehrloser gegenüber der materiellen Not.

Diese Not mag bisweilen banal aussehen, läßt aber dennoch das Leben zur Qual werden: In Kassel lebt Anna Wirges (Der Name wurde auf Wunsch der Betroffenen geändert), 73 Jahre alt, verwitwet. Ihre Zwei- Zimmer-Wohnung im vierten Stock hat noch Kohle-Öfen. Acht Briketts wenigstens braucht sie täglich zum Heizen. Seit sie Wasser in den Beinen hat, kann sie nur noch einmal am Tag Kohlen aus dem Keller holen und nicht mehr als vier Briketts schleppen. So wird nur die Wohnküche dürftig geheizt, das Schlafzimmer der alten Frau bleibt kalt. Sie muß ständig zwei Strickjacken tragen und mit Decken die Fensterritzen verstopfen.

Die Soziologen Bujard und Ulrich stellten fest: "Nur knapp die Hälf- te der alten Menschen verfügt über Bad und Dusche, Zwei von drei Al- ten müssen in kalter Jahreszeit für ihre Einzelöfen täglich Kohlen und Öl heranschaffen. Zu materieller Not und schlechtem Gesundheits-

zustand kommt noch der Mangel an sozialen Beziehungen." So gaben 77 Prozent der Befragten an, daß sie keine Cafés, Restaurants oder Gastwirtschaften besuchten. Aber auch die Bewirtung von Gästen zu Haus stellt für 54 Prozent eine zu große finanzielle Belastung dar.

Zwar bestimmt das Gesetz, die Sozialhilfe solle mehr geben, als zur Sicherung des Existenzminimums notwendig ist. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Als Studenten in Köln 1974 versuchten, für eine wissenschaftliche Studie eine Zeitlang von Sozialhilfesätzen zu le- ben, mußte das Experiment nach zwei Wochen abgebrochen werden. Die Teilnehmer waren entnervt vom ständigen extremen Sparenmüssen und sahen, wie sogar ihre sozialen Kontakte zusammenbrachen.

Weit in die Millionenhöhe hatte im vorigen Frühjahr der rheinland- pfälzische Sozialminister Heinrich Geissler (CDU)das Heer der Armen im reichsten Land der Europäischen Gemeinschaft hochgerechnet:

"Bei 2,1 Millionen Haushalten mit 5,8 Millionen Personen lagen im Jahre 1974 die monatlichen Nettoeinkommen unter den Bedarfssätzen der Sozialhilfe." Jeder zehnte Bundesbürger vegetiert demnach am Rande des Existenzminimums - oder darunter.

Die Höhe der Sozialhilfe wird von Jahr zu Jahr nach den Preisstei- gerungsraten neu festgesetzt. Die Basis liefert der "Deutsche Ver- ein für öffentliche und private Fürsorge" in Frankfurt, der alle fünf bis sieben Jahre für die Bundesregierung ermittelt, was und wieviel ein Deutscher zum Leben braucht. Das Ergebnis heißt "Warenkorb".

Er soll alles enthalten, was dem Sozialhilfe-Empfänger ein Leben er- möglicht, "das der Würde des Menschen entspricht" (Bundessozialhil- fegesetz , Paragraph 1).

Der derzeit gültige Warenkorb wurde 1971 aufgestellt und war monat- lich 179,90 Mark wert. Durch Anpassung an die Geldentwertung ist er nun runde hundert Mark mehr wert, sein Inhalt hat sich jedoch nicht geändert. Heute soll sich danach ein Erwachsener von 161,28 Mark im Monat ernähren können, für seine Frau reichen 153,92 Zehrgeld und für Kinder, je nach Alter, zwischen 102,63 und 201,98 Mark.

(Weil Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren besonders viele Kalorien zum Wachsen benötigen, erhalten sie mehr Beihilfe zur Ernährung.)

Doch auch der arme Mensch lebt nicht vom Brot allein. Eine halbe Kinokarte steckte der Frankfurter Verein einer jeden Familie ins Füllhorn, vier Briefmarken für jedes erwachsene Familienmitglied, drei Flaschen Bier monatlich für Vater und eine für Mutter, dazu 40 Gramm Erdnüsse und alle Jahre ein neues Oberhemd. Wer bei solcher Fettlebe Porzellan zerschmeißt, muß nicht verzagen. Eine neue Tasse steckt ebenso im Monatsbudget wie alle sieben Monate eine neue Glüh- birne.

Dem Normalverdiener fällt es leicht, über diesen Warenkorb und des- sen Seltsamkeit als trauriges Kuriosum zu spotten. Doch die ihn zu- sammenstellten, steckten selbst in einer Zwickmühle: Fällt ihr Wa- renkorb zu üppig aus, ragen die Fürsorgesätze plötzlich in die Ein- kommensgrößen der unteren Lohngruppen - und wer möchte dann noch Müllkarren schieben oder am Fließband stehen? Schon jetzt liegen kin- derreiche Arbeitnehmer mit ihrem Einkommen häufig unter den Sozial- hilfesätzen - meist ohne es zu wissen. Und weil sie es nicht wissen, versäumen sie, sich die Differenz beim Sozialamt zu holen.

Den Städten und Landkreisen ersparen sie damit unfreiwillig Millio- nenbeträge. Denn bei der Sozialhilfe macht zwar der Bund die Gesetze, aber zahlen müssen Kommunen und Kreise, die sich bei der Kostenflut im Sozialwesen längst an der Grenze des Möglichen sehen.

Doch wer von der Sozialhilfe leben muß, rechnet nicht mit Millionen- beträgen, sondern mit Pfennigen, und zwar mit jedem einzelnen. Rose- marie Müßle, 38, Hausfrau und Mutter von zehn Kindern in Karlsruhe: "Wenn wieder ein Monat rum ist, dann wunder' ich mich, wie hast du das nur wieder geschafft." Ihr Mann Harald ist Müllmann bei der Stadt. Er ist 35 Jahre alt und sieht aus wie Ende 40. Die Lehre hat er als Ofensetzer gemacht - in einem sterbenden Beruf. Erst wurde er Hilfs- arbeiter, dann Kranführer, schließlich fand er seinen Job bei der Stadt. Einschließlich 1080 Mark Kindergeld und 750 Mark Sozialhilfe bringt er netto monatlich 2574 Mark nach Hause. Dafür gehen gleich 520 für die Miete ab.

Zum Leben - für Nahrung, Kleidung, Anschaffungen und ein bißchen Vergnügen - bleiben 2 054 Mark im Monat, ganze 171,17 Mark je Kopf der Zwölf-Personen-Familie. Genaugenommen - so Rosemarie Müßle -

"ist nach dem Frühstück schon das Geld für den ganzen Tag aufgebraucht." Der Weg zu den billigsten Sonderangeboten wird da zwangsläufig, doch

dieser Weg ist lang, wenn man in einem Neubauviertel in der Vorstadt wohnt.

Dabei ist es nicht allein der ständige Geldmangel, das elende Spa- renmüssen an allen Ecken, das jeden Tag aufs neue bedrückt. Bis Juli 1975 haben die Müßles wegen Mietschulden in der städtischen Obdach- losensiedlung Killisfeld gelebt. Dann besorgte ihnen die Stadt eine Sozialwohnung im Neubauviertel Oberreut.

Ihre Hausnachbarn wissen, daß die Großfamilie vom Killisfeld kommt

- und lassen es sie spüren.Harald Müßle: "Wenn meine Kinder was anstel- len, ist das immer gleich doppelt schlimm." Im vorigen Sommer wand- ten sich die 27 anderen Familien dieses ehrenwerten Hauses mit einem Beschwerdebrief an die Wohnungsbaugesellschaft und beklagten, daß durch die Müßles und ihre zehn Kinder "der Wohnwert des Hauses stän- dig herabsinkt".

Spätestens mit vier Kindern sind trotz Kindergeld die meisten Fami- lien an der Armutsgrenze angelangt. Und mit jedem Kind mehr wird für diese Familien die Wahrscheinlichkeit größer, an den Rand der Ge- sellschaft und schließlich ins Obdachlosenghetto abzurutschen. Damit ist der Keim für neues Elend schon gelegt: Zwischen 50 und 60 Pro- zent der Ghetto-Kinder landen in der Sonderschule, wie der Karlsru- her Wissenschaftler Peter König nachwies. Gesellschaftlicher Auf- stieg ist so den Kindern von vornherein verbaut.

Denn in Zeiten des Lehrstellenmangels haben Sonderschüler kaum noch eine Ausbildungs-Chance. Berufe, in denen gut verdient wird, blei- ben ihnen verschlossen. So setzt sich der Kreislauf fort - Armut führt zu mangelnder Ausbildung, mangelnde Ausbildung zu neuer Armut. Franz Bogner (der Name des Betroffenen wurde geändert) in München hatte als Vater einen Tagelöhner. Er selbst wurde als l4jähriger mit dem Abschluß der 5. Klasse aus der Schule entlassen. Er wurde Stras- senkehrer. Das war 1912. Bogner verdiente damals 1,60 Reichsmark pro Tag, und er war's zufrieden: "Für fünf Pfennig bekam man damals ja ein großes Stück Wurst, und ein Bier kostete auch nur fünf Pfennig." Doch als er dann das vierte Kind gezeugt hatte, reichte der Straßen-

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1430 Mark Sozialhilfe plus Schwarzarbeit = Mercedes Wie der schlaue Alfons (28)

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“SIE HABEN MICH DIE GANZEN JAHRE REGELMÄSSIG BETROGEN” BERICHT EINER BETROFFENEN

Frau K., 29 Jahre, seh- und hörbehindert, 2 Kinder, 5 und 6 Jahre, geschieden

"Im Februar 1976 bin ich geschieden worden. Dann bin ich zum Anwalt gegangen, der hat mich zum Sozialamt geschickt. Ich kam dahin - und irgendwie wußte ich überhaupt nicht, was ich wollte hier warum und weshalb, was ich dann auch gesagt habe.

Nun bin ich dahingegangen und habe gesagt, ich möchte für die Kinder ein Paar Schuhe und so, wie das wäre. Dann wurde gesagt, das ginge nicht, ich hätte ja schließlich noch Eltern, also regelrecht, meine Eltern sollten das kaufen.

Später habe ich dann einen Kindergartenplatz beantragt. Und da hat der Sachbearbeiter gesagt, ich soll erst einmal schaffen gehen. Ich täte auf Kosten des Staates leben, ich soll lieber schaffen gehen. Da habe ich dann gesagt, ich kann nicht arbeiten gehen, ich bin be- hindert. Aber das nützt nichts.

Meine Behinderung ist dann vom Sozialamt überprüft worden. Der Sach- bearbeiter hat dann gemeint, das wäre gar nicht so und ich sollte versuchen, arbeiten zu gehen. Dann habe ich gesagt, das geht nicht. Er meinte, ich sollte wieder zum Augenarzt gehen. Das habe ich dann auch gemacht, und der Augenarzt hat dann geschrieben, daß ich auf Dauer erwerbsunfähig bin.

Mit dem Sachbearbeiter in der "Wirtschaftlichen Sozialhilfe" habe ich mich überhaupt nicht verstanden. Es war unmöglich,mit dem Mann eine Einigung zu erzielen. Es ging soweit, daß er sagte: Ich könnte ihm

am Arsch lecken. Und so, auf die Tour. Er hätte keine Zeit für mich. Tür aufgemacht - ich könnte nach Hause gehen.

Ich habe manchmal Beihilfe gekriegt, wenn ich mal sowas hatte oder so, wenn ich was wollte. Aber es war unmöglich,mit ihm eine Einigung zu erzielen.

Bis ich dann zum Verband alleinerziehender Mütter und Väter ging. Ich bin dorthin hingegangen und habe denen gesagt: ich komme einfach nicht klar mit den 600 Mark. Das geht einfach nicht. Also dann sind wir da hin, die Frau vom Verband und ich. Sie hat mit denen geredet, dann hatte ich erstmals DM 450.-- Beihilfe gekriegt. Dann hat sich auch herausgestellt, daß ich monatlich DM 50.-- mehr bekommen muß. Sie hatten mich die ganzen Jahre um DM 50.-- regelrecht betrogen. Wir haben dann eine Dienstaufsichtsbeschwerde gemacht.

——

“ANGST UND ISOLATION” Brief an die Vorbereitungsgruppe der Sozialhilfe-Aktion

*.s...... Mein von mir seit 12 Jahren getrenntlebender Ehemann ist gestorben, Dadurch sind mir hohe Unkosten entstanden, außerdem hat er nur Schulden hinterlassen. Um wenigstens meine in dieser Sache entstandenen Kosten zu decken, muß ich mit dem Sozialamt harte Käm- pfe um das Sterbegeld, das mir eigentlich zusteht, führen. Das hat zur Folge, daß ich jedesmal, wenn ich mit meiner ganzen psychischen und geistigen Kraft meine Interessen vertreten habe, nach einem bis zwei Tage einen Migräneanfall erleide. (Psychosomatisch) Andere bekamen Magengeschwüre. Trotzdem will ich versuchen, beim Gericht etwas zu erreichen, so wie es die Marburger Gruppe geschafft hat, Fahrgeld zu einem Treffen bewilligt zu bekommen. Leider ist unsere Gruppe noch ziemlich klein, und es gibt niemanden, der mich aktiv unterstützt. Die Einzige, die bereit ist, etwas zu tun, liegt mit einer Gehirnoperation im Krankenhaus. (23 Jahre) Nach 14 Tagen erhält sie ihre HZL nicht mehr voll, sondern lediglich ein Taschen- geld von 90.- DM. Ein Mitglied unserer Gruppe hat sich das Leben genommen, 23 Jahre - . Überhaupt ist die psychische Situation unter den Sozialhilfeempfängern alarmierend, bedingt durch das wenige Geld und die Angst zur "psychischen Folterung" zu gehen. So nennt es ein Mitglied unserer Gruppe. In der Mehrzahl handelt es sich wohl überall um alleinstehende Mütter mit Kindern; aber auch die Alleinstehenden haben es schwer. Sie leiden unter der Isolation - bedingt durch Man- gel an Geld. Sie können niemanden einladen und können niemanden be- suchen, einmal, weil sie das Fahrgeld nicht aufbringen können, zum anderen, weil sie kein Geld für kleine Geschenke haben. - Ich möchte sehr gerne nach Frankfurt kommen!!! - Leider ist meine Schreibma- schine zur Reparatur (Walze neu beziehen 25.- DM, Arbeitslohn für Walzeeinbauen 1 Std. = 35.- DM, zusammen 60.- DM!!!) Ich bedanke mich für Eure Einladung, auch im Rahmen unserer Gruppe und grüße Euch midt doch, wicht doch es py M puht tu kefas ‚ww es au a IT mene 7 seken? ,

NETTE SPRÜCHE

Gesammelt im Hagener Sozialamt

© Eine Sozialhilfeempfängerin fragt nach dem ihr wegen Krankheit zu- stehenden Mehrbedarfszuschlag. Antwort des Sachbearbeiters: "So krank können Sie nicht sein, sonst wären Sie doch nicht hier."

© Es soll geklärt werden, ob eine Sozialhilfeempfängerin in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Die Sozialhilfeempfängerin ist er- bost. Bemerkung des Sachbearbeiters: "Dann legen Sie sich doch meh- rere Männer zu, das läßt sich nicht so leicht kontrollieren."

@''Wwas, Handschuhe wollen Sie haben? Das ich nicht lache! Stecken Sie ihre Hände in die Tasche, ich tue das auch."

® Die Interessengruppe Sozialhilfe will die Sachbearbeiter entlasten, darum werden auch alle Anträge von uns schriftlich gestellt. Eine Sachbearbeiterin nutzte die gewonnene Zeit, um unseren Antrag nach Schreib- oder Tippfehlern abzusuchen. Zwei Fehler wurden säuberlich unterstrichen. Oh, heiliger Bürokratismus.

® Der mündliche Antrag einer Sozialhilfeempfängerin wurde mit dem folgenden Satz abgelehnt: "Ja glauben Sie denn, ich habe einen Sack voll Geld unter dem Schreibtisch stehen?"

® Eine Sozialhilfeempfängerin liegt im Krankenhaus. Da sie jetzt kein Geld für die Ernährung benötigt, bekommt sie dieses Geld auch nicht vom Sozialamt. Das ist richtig. Wenn sie aber Seife, Zahncreme, usw. beantragt, so ist das verständlich. Sozialhilfeempfänger waschen

sich nämlich auch. Der Antrag wurde abgelehnt. Über die Begründung haben wir noch lange gelacht. "Für Kosmetik haben wir kein Geld."

(aus: Broschüre der Interessengruppe Sozialhilfe Hagen e.V.)

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Totale Institution und Klassencharakter der Psychiatrie / Der Reformismus / SPK und Staatsapparat/Insassen: Patienten als Objekt/ Autobiografie eines Entkommenen/Psychi- sche Verelendung und die Politik der Psychia- trie

Kursbuch 29:

Das Elend mit der Psyche

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208 Seiten - 7 Mark (Abo 5) Psychonanalyse als Herrschaftswissen- schaft”/Auf der Couch (und dahinter)/Die Benutzung einer bürgerlichen Wissenschaft/ Odipus - ein bürgerlicher Konflikt?/Zur Ethnopsychoanalyse: Odipus in Afrika

Kursbuch 51:

Leben gegen Gewalt

192 Seiten : 8 Mark (Abo 6)

mit Artikeln von ::Peter Schneider/Heinar Kipphardt/Jakob Moneta/Inge Horni- scher/Yaak Karsunke/Heinrich Hanno- ver/K.H.Roth/WaAalter Adler/J.J.Pfänder und Christian

“NEIN KINDER, DAS GEHT NICHT”

Bericht einer Betroffenen

Alleinerziehende Mutter, berufstätig, 3 Kinder, bezieht ergänzende Sozialhilfe

"Was den Lebensunterhalt angeht, unter dem Motiv "'menschenwürdiges Dasein', so ist das meines Ermessens sehr sehr zweifelhaft.

Ich weiß, welche Entbehrungen ich auf mich nehme. Z.B. wenn ich mal am Sonntag mit meinen Kindern in den Taunus fahre, so bedeutet dies Geld für die Straßenbahn. Oder - da ich meinen Kindern, wenn auch ein ganz geringes aber immerhin doch ein Taschengeld zugestehe. Ich weiß, daß das Opfer sind, die ich mir nur leisten kann, weil mein Bruder ab und an mal meinen Kindern etwas zusteckt. Nur so kann ich mir diese Extras leisten. Von dem Geld was ich verdiene plus der Sozialhilfe, könnte ich mir praktisch mit den Kindern gar nichts lei- sten.

Theaterbesuch - auch Theaterbesuch mit den Kindern ist unmöglich. Wenn ich einmal im Jahr von der Wohlfahrt die verbilligten Karten bekommen kann, um ein Theater im Schauspiel zu sehen, mit meinen Kin- dern, dann ist es trotz der Verbilligung immer noch zu viel. Ein verbilligter Theaterbesuch ist für mich ein Zwanzigmarkschein und

ein DM 20-Schein, um 2 Stunden Theater sehen zu können, ist zu viel. Ganz zu schweigen von dem Luxus einmal auszugehen, z.B. in ein Re- staurant. Das gibt es überhaupt nicht, das kann ich mir nicht lei- sten.

Eingekauft wird, was Lebensmittel angeht, sowieso nur in Billigge- schäften. Mein Geschäft ist Aldi. Beim Aldi kauf ich auch nur die

Sachen, die im Sonderangebot sind. In anderen Geschäften kaufe ich auch nur die Sonderangebote.

Wenn es Kleidergeld gibt, z.B. für mich und meine Kinder, könnte ich nie sagen, daß ich vom Kleidergeld meinen Kindern ausreichend Klei- dung kaufen könnte. Außerdem bin ich gezwungen, das Geld - und ich glaube es geht vielen so - für den täglichen Bedarf und für das täg- liche Leben zu benützen.

Ich habe das Glück, daß nun meine Kinder keine Ablehnung zeigen, wenn sie Kleider tragen, die von anderen Leuten kommen - aus zweiter Hand. Praktisch bekommen meine Kinder nur zum Geburtstag und zu Weihnach- ten jeweils ein einziges Kleidungsstück, welches ich neu mit ihnen gekauft habe. Neu kaufen muß ich in der Hauptsache Schuhe. Denn Schu- he, auch gebrauchte zu finden für Kinder, ist so gut wie unmöglich, die Kinder sind in einem heranwachsenden Alter,und der Schuhbedarf ist doch relativ hoch.

Was sehr bedrückend ist, ist, daß man praktisch schon ein schweres

Schicksal hat und außerdem alleine als Mutter mit den Kindern da- steht. Hinzu kommt, daß die Kinder dann in der Schule, bei Klassen- kameraden sehen, daß sie praktisch in einer Welt leben, die bezeich- net wird als eine Konsumgesellschaft, in der der Lebensstil im all- gemeinen doch höher ist. Den Kindern wird doch klar bewußt, wie wir leben. Z.B. wir sind in der Stadt, es ist heiß , sie haben Lust auf ein Eis. Ich muß sagen: "Nein Kinder, das geht nicht". Sie haben auch mal Lust, sich Pommes frites auf der Straße zu kaufen - mal ganz frisch: "Nein, das geht nicht". Dann kaufen wir lieber die Pommes frites im Sonderangebot und machen sie zu Hause. Egal welche Wünsche die Kinder haben, ich muß als Mutter jedesmal sagen: "Nein". Das ist eine Sache, die eigentlich dem Herzen einer Mutter immer wieder sehr weh tut und in einer gewissen Beziehung zu einer Verbitterung führt. Gut - meine Kinder stellen keine großen Ansprüche. Sie kennen die Situation. Wenn sie einmal einen kleinen Wunsch äußern, dauert es sowieso schon lange. Sie wissen, daß ich ihn nicht erfüllen kann . Trotzdem rutscht es immer wieder durch und in den meisten Fällen oder eigentlich immer, muß ich sagen: "Nein Kinder, das geht nicht".

Vielleicht kommen mal bessere Zeiten, dann können wir uns das auch leisten. Evtl. mal im Kino sitzen, im Cafe, ein Eis essen, viel- leicht eine Schallplatte, ein größeres Geburtstagsgeschenk..."

Falco Werkentin

DIE QUANTIFIZIERUNG DER WÜRDE DES MENSCHEN NACH DEM BUNDESSOZIALHILFEGESETZ (aus: Kritische Justiz Nr. 3/1974)

So viele Reden auch am Verfassungstag gehalten wurden, so viele Leitartikel auch 25 Jahre Grundgesetz würdigten, über die tagtägliche mühevolle Arbeit, Verfassungsauftrag und Verfassungswirklichkeit in Übereinstimmung zu brin- gen, wurde wenig berichtet. Dies an einem Beispiel nachzuholen, versucht mein kleiner Beitrag.

Zu berichten ist von einer Gruppe sozial erfahrener Experten, die 1970 auszog, die Würde des Menschen zu quantifizieren, und dabei so erfolgreich war, daß die Ergebnisse dieses Versuchs der Operationalisierung von Artikel ı Abs. ı des GG zur Grundlage sozialadministrativer Entscheidungen gemacht wurden. Interessant ist nicht nur der Weg, der hier zur Operationalisierung von Verfas- sungsnormen eingeschlagen wurde, sondern interessant sind auch die Ergebnis- se, haben wir doch fortan einen empirischen Maßstab, der für einen Teilbereich zu einer von wilden und subjektiven Urteilen freien Einschätzung unserer Verfassungswirklichkeit verhelfen kann.

Hatte bereits 1954 das Bundesverwaltungsgericht! unter Verweis auf die Leit- gedanken des GG entschieden, daß Bedürftige gegenüber den Trägern der Sozialhilfe einen einklagbaren Rechtsanspruch auf die Gewährung des notwen- digen Lebensunterhalts haben, so erweiterte das am ı. 6. 1962 in Kraft getre- tene Bundessozialhilfegesetz (BSHG) diesen Rechtsanspruch ganz entscheidend ($ 1, Abs. 2): »Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht.« Diese in einem Standardkommentar zum BSHG zu Recht als »königliche Norm« gefeierte Festlegung, begründet mit der verfassungsrechtli- chen Feststellung der Unantastbarkeit der Menschenwürde, konfrontierte Ver- waltung und Praxis zunächst mit einem kaum lösbaren Problem. Man hatte zwar genug Erfahrung darüber, was Menschen brauchen, um physisch über- leben zu können. Hierzu gab es bereits wissenschaftliche Vorarbeiten; etwa ein Gutachten des Statistischen Amtes der Stadt Berlin von 1932 zur Bestimmung des notdürftigen Lebensunterhalts, »der die Fristung des Lebens und die Erhal- tung der Arbeitsfähigkeit gewährleisten soll«. Orientiert hatte man sich zu jener Zeit an der Bedürfnislosigkeit des chinesischen Kulis: »Der japanische oder chinesische Kuli, dessen Leistungsfähigkeit der Europäer bewundert, kann sich unbedenklich mit Reis und wenigen Zusätzen ernähren, denn in 1200 g Reis erhält er neben 72g Eiweiß 3900 Kalorien, und soviel braucht er für seine Muskelarbeit«.2

Für die Frage aber, was über den notdürftigen Lebensunterhalt hinaus an finan- ziellen Mitteln aufgebracht werden müßte, um ein Leben führen zu können, das

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der Würde des Menschen entspricht, gab es keine Vorarbeiten, sondern nur eine sehr allgemeine Orientierung mit $ 4 der VO zu $ 22 BSHG (Regelsatzverord- nung). Um möglichst alle Menschen ım Geltungsbereich des GG ın den Genuß eines Lebens kommen zu lassen, das der Würde des Menschen entspricht, hatte der weise Verordnungsgeber festgelegt: »Bei der Festsetzung der Regelsätze ıst darauf Bedacht zu nehmen, daß sie zusammen mit den Durchschnittsbeträgen für die Kosten der Unterkunft unter dem im Geltungsbereich der jeweiligen Regelsätze erzielten durchschnittlichen Netto-Arbeitsentgelt unterer Lohn- gruppen zuzüglich Kindergeld bleiben, soweit nicht die Verpflichtung, den Lebensunterhalt durch die Regelsätze im notwendigen Umfang zu sichern, insbesondere bei größeren Haushaltsgemeinschaften dem entgegensteht.« Klar war zumindest, daß um einige untere Lohngruppen zu nennen Büroboten, Hilfsarbeiter und Nachtwächter mit ihrem Lohn allemal eın Leben führten, das der Würde des Menschen entsprach. Aber die Praxis verlangte nach präziseren Angaben. Diese zu liefern, machte sich 1962 der »Deutsche Verein für öffent- liche und private Fürsorge« anheischig. Zusammengerufen wurde der Arbeits- kreis »Aufbau der Regelsätze«, eine Gruppe »sozialerfahrener Personen« (Ver- treter der Stadt- und Landkreise, der obersten Sozialbehörden der Länder, der Verbände der freien Wohlfahrtspflege, des Max-Planck-Instituts für Ernäh- rungsphysiologie), ganz wie es § 114 BSHG verlangt. Über die 1962 geleistete Arbeit wurde wenig bekannt. Immerhin kam es auf Grundlage dieser Arbeiten zu einer kräftigen Erhöhung der Regelsätze.

1970 Jedoch war aufgrund der Wandlungen ın den Anschauungen darüber, »welches Ausmaß eine Hilfe zur Ermöglichung einer Lebensführung haben muß, die der Würde des Menschen entspricht« erneut eine Untersuchung anhängig, über die in einer Broschüre ausführlich berichtet wurde.? Hier heißt es zum Ausgangspunkt der Untersuchung: Welche Lebensführung der Würde des Menschen entspricht, ist in den Untersuchungen des Deutschen Vereins aufgrund der Lebenshaltung beurteilt worden, die in der Bevölkerung besteht« (5. 30). Anders formuliert, wie eine Lebensführung entsprechend der Würde des Menschen auszusehen hätte, ist schlicht und einfach mit der Auflistung der Lebensbedingungen zu ermitteln, die faktisch vorherrschen. Bereits das Statisti- sche Amt der Stadt Berlin hatte sich in der erwähnten Untersuchung 1932 über den notdürftigen Unterhalt dieser Methode bedient. Damals zog man aus der Tatsache, daß gerade kinderreiche Familien gezwungen waren, in den schlech- testen Wohnungen zu hausen, weil sie für die Ernährung bereits den größten Teil des Einkommens ausgeben mußten, die Schlußfolgerung: »Hiernach kann also für geringentlohnte Arbeiterfamilien in Berlin eine Einzimmerwohnung als üblich und daher standesgemäß betrachtet werden; selbst bei Vorhandensein mehrerer Kinder.«*

Bei dem Versuch, die der Würde des Menschen entsprechende Lebensführung aufgrund der Lebenshaltung, die ın der Bevölkerung faktisch besteht, zu beur- teilen, kamen unsere Experten nicht umhin, festzustellen, »daß das Niveau der Lebenshaltung in der Bevölkerung nicht einheitlich ist« (S. 31) Anhand der Erhebungen des Statistischen Bundesamtes über die Wirtschaftsrechnungen

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ausgewählter privater Haushalte® (Haushaltstyp 1: Rentner u. Sozialhilfeem- pfänger, Haushaltseinkommen für 2 Personen 1970 nicht über 650,-; Haushalt- styp 2: 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt, Brutto-Einkommen 1970 zwischen 1100 DM bis 1600 DM; Haushaltstyp 3: Haushaltsbruttoeinkommen 1970 zwischen 2200 bis 2800 DM), die man zunächst analysierte, offenbarte sich, »daß die Lebenshaltung aller drei Gruppen als eine Lebensführung anzusehen ist, die der Würde des Menschen entspricht.« (S. 32) Wenn aber bereits

Rentner- und Sozialhilfeempfänger-Haushalte ein Leben führten, das der Würde usw. entsprach, so drängte sich die folgende Schlußfolgerung von selbst auf: »Die Prüfungen ergaben außerdem, daß die Lebens- und Verbrauchsge- wohnheiten und damit die Lebenshaltung der unteren Verbrauchergruppe geeignet sind, um sie als Grundlage bei der Feststellung des Ausmaßes der Regelsätze heranzuzichen«. (S. 32)° Es waren aber nicht nur schnöde finanzpo- litische Überlegungen, die zu dieser Orientierung führten, sondern wie so oft, erwies sich auch hier das Nützliche als das zugleich Notwendige, als das sozial- pädagogisch Wertvolle. Wie unsere sozial erfahrenen Experten betonen, ist die Unterbietung der Lebensbedingungen der am schlechtesten bezahlten Lohnar- beiter Garant dafür, die »Selbstverantwortung und den Arbeitswillen der Hilfesuchenden zu erhalten«. (S. 32)

Sich immer wieder in Erinnerung rufend, daß die »Regelsätze mehr als das zum Lebensunterhalt Unerläßliche und mehr als das zum Leben Notdürftige zu umfassen haben« ($. 30) hat der Arbeitskreis »Regelsätze« die Ergebnisse seiner Untersuchung schließlich in einem, nach verschiedenen Bedarfsgruppen detail- liert aufgegliederten Warenkorb zusammengefaßt, die Kosten für diesen Warenkorb ermittelt und Empfehlungen über die Neufestsetzung der Regel- sätze ausgesprochen, die im Juni 1971 gegenüber dem Vorjahr zu einer nominal 23-prozentigen, real ı8-prozentigen Erhöhung der Sätze führten.’

Dieser Warenkorb® ist es wert, etwas ausführlicher dargestellt zu werden, erfahren wir doch so en detail, bei welchem Lebensniveau nach 25 Jahren Grundgesetz die unantastbare Würde des Menschen beginnt. Hier einige Beispiele (die DM-Beträge wurden 1970 ermittelt):

Für die Bedarfsgruppe Ernährung eines Erwachsenen (Haushaltsvorstand oder Alleinstehend) sınd 104 DM pro Monat angesetzt. Der Warenkorb enthält neben Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln, Brot etc. an Gütern des geho- benen Ernährungsbedarfs einen Becher Joghurt, für ı DM Schokolade, 70 g Kalbfleisch, 40 g Erdnüsse und sogar für 0,50 DM Bonbons. Dieser Warenkorb wurde für den Kalorienbedarf nicht-erwerbstätiger Menschen ermittelt und ıst so knapp bemessen, daß nach Aussage unserer Experten für Sozialhilfeem- pfänger der Satz »wo fünf satt werden, wird auch ein sechster satt« nicht gilt. Obwohl der »Energiebedarf für die Durchführung der Lebensfunktionen« für Frauen um 15 Prozent unter dem der Männer liegt, wurde ihnen derselbe Tagesbedarf an Nahrungsmitteln zuerkannt, um die körperliche Mehrbelastung durch Hausarbeit auszugleichen. Kinder unter einem Jahr ließen sich 1970 für 36,50 DM (1974 für 67,80 DM) ernähren, wußten die Experten zu berichten. Für die Bedarfsgruppe Instandhaltung von Kleidung, Wäsche u. Schuhen in

kleinerem Umfang und kleinere Instandsetzungen von Hausrat, ferner Beschaf- fung von Wäsche und Hausrat von geringerem Anschaffungswert wurden für den Haushaltsvorstand 8,60 DM, für Kinder unter einem Jahr 3,80 DM angesetzt. Zu den kleineren Reparaturen gehören z.B. volle Schuhbesohlungen nicht mehr. Die Übernahme so extremer Reperaturkosten gewährt das BSHG ın Form einmaliger Leistungen, die beim Sozialamt zu beantragen sind (S. 41). Für die Bedarfsgruppe Körperpflege und Reinigung sind für den Haushaltsvor- stand 16,50 DM angesetzt. Der Warenkorb enthält z. B. 4 Rasierklingen, ṣo g Zahncreme, 60 g Seife, alle vier Monate eine chemische Reinigung à 8 DM. Mit ı DM im Monat werden Toilettenpapier, Shampoo, Hansaplast und Husten- bonbons angesetzt. Da Kinder unter einem Jahr sich weder rasieren noch die Zähne putzen müssen und ihre Körperfläche im Vergleich zu der eines ausge- wachsenen Menschen wesentlich geringer ist, können sie mit 8,80 DM auskom- men. Der Warenkorb für Babys erfaßt z.B. 25 g Seife, 18 ccm Hautcreme, für 0,05 DM Zellstoffwatte.

Für die Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens hielt man beim Haushaltsvorstand den Betrag von 37 DM für der Würde des Menschen angemessen. Gerade hier komme die Berücksichtigung der Würde des Menschen so stark zur Geltung, daß einzig und allein »übersteigerte Ansprüche« (S. 43) ausgeschlossen werden sollten. Für den Haushaltsvorstand sind hier nicht nur im Warenkorb 5 Blatt Papier und 5 Briefumschläge sowie 4 Postwertzeichen für Fernbriefe enthalten (gleichzeitig solle der entsprechende Betrag auch Telefongespräche ermöglichen) sondern sogar eine halbe Kino- karte und ein ganzes Taschenbuch (gleichzeitig als Abgeltung für Fernsehgebü- ren). Hınzu kommen außerdem ein Zeitungsabonnement, 6 Straßenbahnfahr- karten, ein Betrag von 1,80 DM für Vereins- und Versicherungsbeiträge, 3,25 DM für Geschenke und »zur Bewirtung von Gästen« 300 g Kaffee, ṣo g Tabak und für 3,90 DM Bier. Da Kinder bis sechs Jahre weder Gäste empfangen noch lesen können, sie keine Briefe schreiben und auch nicht in das Kino dürfen, hielten unsere Experten zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse 1,55 DM für ausreichend. Kinder von 7 bis 14 Jahren werden immerhin bei einem Waren- korb, der z. B. 2 Straßenbahnfahrten, Y, Taschenbuch, 1, Kinokarte sowie 3 DM für Schulbedarf umfaßt (eine besondere Vergünstigung, wie hervorgehoben wird, da ja bekanntlich Schulgeldfreiheit herrscht) mit 9 DM im Monat beglückt.

Die nach diesem auszugsweise wiedergegebenen Warenkorb festgelegten Regelsätze der Sozialhilfe können allerdings gekürzt werden, zum einen, um die »Hilfe zur Selbsthilfe bei unwirtschaftlichem Verhalten« anzuregen, zum anderen, um dem Grundsatz der individualisierenden Hilfe ($ 3, Abs. ı BSHG), die sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu richten hat, gerecht zu werden. Ein Beispiel für die letzte Möglichkeit: »... Abweichungen nach unten können sich bei Hilfeempfängern ergeben, die wegen geringer Körpergröße einen weit unter dem Durchschnitt liegenden Ernährungsbedarf haben« (S. 17). 1971 erhielten rd. 803 000 Personen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. In der Gliederung nach Haushalten bestanden diese Unterstützten zu 68% aus

Einzelpersonen (hauptsächlich über 60) und zu 18% aus Ehepaaren und Eltern- teilen mit Kindern.

Um abschließend zu einer Vergleichszahl zu kommen, die angibt, welches Haushaltseinkommen eine Familie erreichen muß, um den oben angeführten Warenkorb realisieren, d. h. also, um ein Leben entsprechend der Würde des Menschen führen zu können, habe ich für 1972 den Betrag ermittelt, der nach dem BSHG einer fünfköpfigen Familie (Vater erwerbstätig, Mutter, 3 schul- pflichtige Kinder) zusteht: 1332 DM.? Für dasselbe Jahr ist im Sozualbericht 73'° das durchschnittliche monatl. Netto-Einkommen eines verheirateten Indu- strie-Facharbeiters mit drei Kindern (ohne Kindergeld von 85 DM also und ohne Weihnachts- u. Urlaubsgeld) angegeben: 1230 DM.

Diese Gegenüberstellung des Familieneinkommens einer fünfköpfigen Sozial- hilfeempfängerfamilie mit dem Lohneinkommen eines Industriefacharbeiters macht deutlich, daß nach 25 Jahren sozialer Marktwirtschaft für ein Millionen- heer von Arbeiterfamilien die Mitarbeit der Ehefrau, Schwarzarbeit und Über- stundenschufterei sowie nicht familiengerechte Wohnverhältnisse immer noch notwendig sind, um auch nur die einfache Reproduktion der Arbeitskraft zu gewährleisten. Die Frage, ob die Ware Arbeitskraft zu ihrem Wert bezahlt wird, ist also weiter der theoretischen und empirischen Analyse wert. Wichtiger allerdings ıst die ın den Streikbewegungen der letzten Jahre zum Ausdruck gekommene praktische Antwort der Kollegen in den Betrieben.

Die Träger der Sozialhilfe haben von Amts wegen einzugreifen, wenn ein Notstand bekannt wird ($ 5 BSHG), d.h. auch ohne Antrag. Jedoch verlangt die Gewährung von Leistungen nach dem BSHG (ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt) das Einverständnis des Hilfeempfängers. So liegt es wohl am Unwillen (wieviel menschliche Größe verbirgt sich hier!) berufstätiger Fami- lienvorstände mit mehreren Kindern, daß es in der BRD so gut wie keine berufs- tätigen Familienvorstände aus der Gruppe der Hilfsarbeiter und sonstiger unterster Lohngruppen gibt, die Sozialhilfe erhalten.

Übrigens lohnt es sich, als Experte beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge über Sozialhilfe und» ähnliche Bereiche öffentlicher und privater Liebestätigkeit zu plaudern. Bereits 1972 gab es dafür auf Fortbil-

dungsveranstaltungen ein Tageshonorar von 300 DM, Reisekosten 1. Klasse selbstverständlieh extra.

ANMERKUNGEN

1 Vgl. Entscheidung des BVerwG vom 24. 6. 1954.

2 Zit. nach M. Arendsee, Wieviel braucht der Mensch zum Leben?, in: Proletarische Sozialpolitik, $. Jg-, Berlin 1932, Heft 5.

3 Käthe Petersen, Die Regelsätze nach dem BSHG - Ihre Bedeutung, Bemessung und Festsetzung, Eigenverlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Ffm 1972. Die folgenden Sceitenangaben im Text beziehen sich immer auf diese Veröffentlichung.

4 Zit. nach M. Arendsee, a. a. O. 5 Vgl. Wirtschaft und Statistik, 1969, S. 273.

6 Zeigt sich hier, daß je nach sozialer Stellung die Würde des Menschen schr unterschiedlich ange- setzt ist, so zeigten sich vergleichbare Unterschiede, den notdürftigen Lebensbedarf betreffend, auch bereits in der Studie des Statistischen Amtes von Berlin 1932. Damals wurde mit wissenschaft- licher Gründlichkeit nachgewiesen, daß der einfache Arbeiter sehr wohl mit Grütze und Kartoffeln über die Runden kommt, der »Geistesarbeiter« hingegen auf Kalbfleisch und Rinderfilet ange- wiesen ist. |

7 Gegenüber Juni 1971 erfolgte bis zum 1. Januar 1974 eine weitere nominale Anhebung der Regel- sätze um 25 Prozent. Deflationiert mit dem Lebenshaltungskostindex für Rentner und Sozialhil- feempfänger-Haushalte, ergibt sich real eine Anhebung um 6,5 Prozent.

8 Der ganze Warenkorb ist wiedergegeben bei Petersen, a. a. O., S. 68-87.

Im Detail:

801,— Regelsatz

61,— Mehrbedarf (30% vom Regelsatz des Haushaltsvorstands, wenn er berufstätig ist. Dieser

Mehrbedarf wird mit der erhöhten Kalorienbedarf, höheren Fahrgeld-K osten etc. berufstä- tiger Menschen begründet)

360,— Kaltmiete (Nach dem BSHG werden voll angemessene Mietkosten übernommen. Als ange- messen werden ausdrücklich in einem Kommentar die Mieten des sozialen Wohnungsbaus be- zeichnet. Der hier angesetzte Mietbetrag errechnet sich nach der vom Wohngeldgesetz für einen fünfköpfigen Haushalt als familiengerecht anerkannten Wohnfläche von 90 m?, multi- pliziert mit dem durchschnittl. m?-Mietpreis im soz. Wohnungsbau (z. B. Berlin Märkisches Viertel, Zentralheizung, zentrale Warm-Wasser- Versorgung)

60,— Heizung und Warm-Wasser- Versorgung |

50,— Einmalige Hilfen (Dieser Betrag dürfte absolut zu gering angesetzt sein bei einer fünfköpfigen Familie. Hierunter fällt z. B. Schuhbesohlung (voll), Beschaffung von Kleidung größeren Anschaffungswerts, z. B. Oberhemden, Schuhe etc.)

1332,

'% Hrsg.: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Albert Hofmann

ZWEIMAL BESCHISSEN ..... —KOCHFEUERUNG UND BELEUCHTUNG-— (aus: päd.extra Sozialarbeit Heft 7/8 1978)

Als „persönliche Bedürfnisse” sieht der Regelsatz fürerwachsene Sozial- hilfeempfänger monatlich vor:

(v.i.n.r.) 300 g Kaffee, Abonnement einer Tageszeitung, 50 g Tabak, 6 Straßenbahnkarten, 3 Flaschen Bier (für die Bewirtung eines Gastes), 5 Blatt Briefpapier, 4 Briefmarken, '%, Kinokarte, 1 Taschenbuch (als Ab- geltung für kulturelle Bedürfnisse), 1 Taschenbuch (für Geschenke), eine Rückfahrkarte für 30 km

DELIKATESSEN

surregtTr

fur

Konferenzen und Arheitsessen

ach den Bestimmungen des Bun- dessozialhilfegesetzes (BSHG) wird Sozialhilfe gewähr’, wenn ein sog. Bedarf vorliegt. Dieser sog. Bedarf bildet das entscheidende Kriterium für den Bezug und für die zu erreichende Höhe der Unterstützung. Die Berechnung des Bedarfs erfolgt auf der Grundlage von Regelsätzen. Regelsätze soll heißen, diese Sätze regeln, wieviel man bedarf, um leben zu können. Der $ 22 BSHG bestimmt die Aufgaben der Regelsätze und weist die Festsetzung der Höhe der Regelsätze den zuständigen Landesbehörden (So- zialminister) zu, die die Höhe durch Rechtsverordnung festlegen. Bei der Bestimmung der Höhe der Regelsätze sind die Landesbehörden an die Regel- satzverordnung (RVo) gehalten. Die RVo bestimmt das Verhältnis der Regelsätze untereinander (das entschei- dende Kriterium ist das Alter und die Stellung im Haushalt; Alleinstehende sind dem Haushaltsvorstand gleichge- stellt) und weist ferner bei der Festset- zung der Höhe auf die Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten hin. Die Lebenshaltungskosten werden wiederum auf der Grundlage eines sog. Bedürfniskatalogs oder Warenkorbs er- rechnet.

Die Bestimmung des Warenkorbes

Der „Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge” hat in Zusam- menarbeit mit „Wissenschaftlern, sozial erfahrenen Personen” einen für diese Berechnung vorgesehenen Warenkorb erstellt.° Dieser Warenkorb orientiert sich an dem $ I der RVo, der die Lei- stungen, die durch den Regelsatz ge- währt werden sollen, so festlegt: „Die Regelsätze umfassen die laufenden Lei- stungen für Ernährung, Kochfeuerung, Beschaffung von Wäsche von geringem Anschaffungswert, Instandhaltung von Kleidung, Wäsche und Schuhen in klei- nerem Umfang, Körperpflege, Beschaf-

35

fung von Hausrat, Beleuchtung, Betrieb elektrischer Geräte, Reinigung und per- sönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens.”

Auf dieser Grundlage nun ermittelte der „Deutsche Verein” äußerst detail- liert und mit peinlicher Akribie einen Warenkorb, den er in fünf sog. Bedarfs- gruppen unterteilte:

l. Ernährung;

2. Kochfeuerung und Beleuchtung (ohne Heizung) sowie weiterer elek- trischer Aufwand;

3. Instandhaltung von Schuhen, Klei- dung und Wäsche;

4. Körperpflege und Reinigung;

5. Persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens.

Dieser Warenkorb und die auf seiner

Basis berechneten Regelsätze sind im

Rahmen der materiellen Unterstützung

außerordentlich bedeutend.

Als rechnerische Größe bestimmen sie, wer Sozialhilfe beanspruchen kann und wie hoch die zu gewährende Unter- stützung ist. Bestimmen also primär über das qualitative und quantitative Niveau der Konsumtion.

Ferner bilden die Regelsätze, durch- gängig bei sozialwissenschaftlichen Un- tersuchungen, die sog. Armutsgrenze.

Unüberprüft ist dabei in allen Fällen, ob die Regelsätze tatsächlich ein Leben sichern können, das man gemeinhin unterstellt und wie es die $$ des BSHG man denke etwa an den $ 1 „Würde des Menschen” versprechen.

Wie sehr den offiziellen Stellungnah- men zu mißtrauen ist und wie ärmlich sich ein Leben als Sozialhilfeempfänger gestaltet, wird im Folgenden beispiel- haft anhand der Bedarfsgruppe „Koch- feuerung und Beleuchtung” aufgezeigt.

„Kochfeuerung und Beleuchtung”

Die Grundlage des gegenwärtigen Warenkorbs bilden Untersuchungen des „Deutschen Vereins”, die im Jahre 1970 durchgeführt wurden. Für die

Bedarfsgruppe „Kochfeuerung und Be- leuchtung” bestimmten die „Wissen- schaftler und sozial erfahrenen Perso- nen”, für Beleuchtung und den Betrieb elektrischer Geräte einen 16 kWh Stromverbrauch, sowie für Kochfeue- rung einen 18 cbm Gasverbrauch.

Bei der Berechnung der 16 kWh Strom wurde u.a. vom Verbrauch einer 100 Watt Glühlampe ausgegangen. Von 1962 bis 1970 war der Verbrauch für eine 60 Watt Glühlampe Berechnungs- grundlage (Immerhin, so möchte man sarkastisch anerkennen, eine Erhöhung um 40 Watt).

Zu den obengenannten Mengen an Strom und Gas kommt monatlich noch, der 0.083. Anteil vom Preis einer 100 Watt Glühlampe. Dieser etwas unge- wöhnliche Anteil, addiert sich über einen Zeitraum von 12 Monaten zu einer Summe, die den Kauf einer 100 Watt Glühlampe ermöglicht. Anders: Den Sozialhilfeempfängern wird jähr- lich eine 100 Watt Glühlampe zugestan- den.

Zusammenfassend ergibt sich für Haushaltsvorstände und Alleinstehende ein monatlicher Bedarf für „Koch- feuerung und Beleuchtung”, von:

GAS Grund- und Verrechnungspreis 18 cbm Verbrauch

STROM

Grundpreis

16 kWh Verbrauch

zuzüglich den 0,083. Anteil vom Preis einer 100 Watt Glühlampe.

1975 erklärte das Frankfurter Dezernat für Soziales in seinen Richtlinien, daß für Haushaltsvorstände und Allein- stehende 9% vom Regelsatz für „Koch- feuerung und Beleuchtung” entfallen. Auf der Basis des Regelsatzes von DM 292,— (1978) ergibt dies einen Be- trag von DM 26,28.

Fragen wir praktisch und arglos, mit welchem Rechnungsbetrag der Sozial- hilfeempfänger 1978 von den Stadtwer- ken Frankfurt konfrontiert würde, würde er sich nur an die vom „Deut- schen Verein” ermittelten Energiemen- gen halten?

GAS

Grundpreis 6,10

18cbm x DM 0,82 14,78 20,88

12 MWST 2,51 23.39 23,39

STROM

Grundpreis 5,00

Verrechnungspreis 2,00

16kWhx DM 0,12 1,92

8,92 Ausgleichsabgabe 4,1% 0,37

99 Der Deutsche Verein’ sollte Abstand nehmen von artistischen Berechnungen. Denn die Forderung steht: Bezahlung der tatsächlich anfallenden Kosten. 99

12 MWST

Ergibt eine Gesamtsumme von

Man vergleiche diesen Betrag von DM 33,78, den der Sozialhilfeempfän- ger tatsächlich an die Stadtwerke Frankfurt zahlen müßte, würde er nur die vom „Deutschen Verein” ermittelten Mengen verbrauchen, mit den Betrag

Eu: e

von DM 26,28, den er durch den Regel- satz zugestanden bekommt, so wird man unschwerlich eine Minus-Differenz von DM 7,50 (28,54%) entdecken.

Anders ausgedrückt: den Sozialhilfe- empfängern wird nicht einmal der Be- trag gewährt, den sie benötigen würden, um die vom „Deutschen Verein” ermit- telten Minimalmengen zu bezahlen.

Man bedenke, daß dieses nicht gerin- ge Defizit in der Haushaltskasse eınes Sozialhilfeempfängers auf der Unter- stellung beruht, daß die Energiemengen, die durch den Warenkorb gegeben sind, tatsächlich auch ausreichend sind.

Fragen wir auch hier praktisch und arglos, ob mit den Mengen, wie sie der Warenkorb monatlich vorsieht, gewirt- schaftet werden kann?

Gehen wir davon .aus, daß es der „Würde des Menschen” entspricht, wenn sich im Haushalt eines Sozial- hilfeempfängers folgende elektrische Geräte finden: eine 100 Watt Glühlampe, ein Kühlschrank, ein Radio, ein Fernseher, ein Bügeleisen und eine Waschmaschine.

Diese Geräte haben folgenden Ver- brauch:

stündlicher Verbrauch:

eine 100 Watt Glühlampe 0,1 kWh

ein Radio 0,05 kWh ein Kühlschrank 0,25 kWh ‘ein Fernseher 0,4 kWh ein Bügeleisen 1,0 kWh

7,5 kg Wäsche in der Waschmaschine waschen 4,0 kWh

Erinnern wir uns, daß der Warenkorb für Beleuchtung und den Betrieb elek- trischer Geräte einen Verbrauch von 16 kWh vorsieht.

Wie könnte bzw. müßte ein Sozial- hilfeempfänger mit obigen elektrischen Geräten auf dieser Grundlage haushal-

ten? tägl. monatl. kWh- (30 Tage) Verbrauch kWh-

Verbrauch 20 Minuten Licht täglich 0,033 0,99 30 Minuten Radio täglich 0,025 0,75 11,3 Minuten Fernsehen täglich 0,08 2,26 I Stunde Kühlschrank täglich 0,25 7,5 30 Minuten Bügeleisen monatlich 0,5 7,5 kg Wäsche in der Waschmaschine monatlich 4,0

ergibt einen monatlichen Verbrauch von 16,0 kWh

= duia nme ferd -Modell komme,

auch Se mit

dem Sosalhilfe- Regeltat, durch, *

qs den

Der Regelsatz sieht vor: Zweimal Baden

Es ist augenscheinlich, daß diese Bedin- gungen nicht eingehalten werden kön- nen. Angesichts dessen, verwundert es sicherlich nicht, daßsichauchdie 18cbm Gas als nicht ausreichend erweisen.

Die Bewag-Gasag (Westberlin)? er- mittelte für einen „Eın-Personen-Haus- halt” einen Gasverbrauch von 15 cbm für Kochen. Wird zusätzlich Warmwas- ser durch Gas gewonnen, so erhöht sich der monatliche Verbrauch auf 60 cbm, um also auf dasca. 3,5 fache der Menge, wie esdurchden Regelsatz gewährt wird.

Mit den Energiemengen, wie sie der Regelsatz vorsieht, soll nach den Vor- stellungen der „Wissenschaftler und sozial erfahrenen Personen” auch der Aufwand für Bäder abgegolten werden. Die Bewag-Gasag ermittelte für eine Badewannenfüllung 1, cbm Gas.

15 cbm Gas für Kochen plus zweimal baden ergibt 18 cbm, die im Warenkorb vorgesehene Energiemenge.

Sollen kurzfristige Schlußfolgerun- gen für die Praxis der Sozialhilfeemp- fänger und Sozialarbeiter gezogen wer- den, so liegt es an den Sozialhilfeemp- fängern Anträge auf Bezahlung der tat- sächlichen Energiekosten zu stellen. Sozialarbeiter können dazu ermuntern und aufklären. Für die Sozıialverwal- tungen ergibt sich dann die Schwierig- keit, den „Mehrbedarf” als nicht not-

wendig abzuerkennen. Dies dürfte ıhr sicherlich nicht leichtfallen.

Der „Deutsche Verein” hat seinerseits ın seinem letzten Geschäftsbericht für das Jahr 1976/77 angekündigt, daß der „Arbeitskreis für Regelsätze”, „gegen- wärtig (. . .) aus dem Bedarfsmengen- schema der Regelsätze die Kosten für Energie im Haushalt... untersucht”. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der „Ar- beitskreis” sich nach einem längeren Zeitraum der „Beratung und Unter- suchung”, mit Vorschlägen zur leichten Anhebung der Beträge für Energie an die zuständigen Stellen wendet. Dem Arbeitskreis, sollte er sich ernstlich da- mit befassen, ist anzuraten, Abstand zu nehmen von artistischen Berechnungen und überzugehen auf die Forderung nach der Bezahlung der tatsächlich an- fallenden Kosten für Strom und Gas.

1) Vorliegende Arbeit ist Teil einer noch in Vorbereitung befindlichen Untersuchung, die den Regelsatz ın seiner Gesamtheit analysiert. Diese Untersuchung wird ım koınmenden Semester an der FHS Frankfurt, Projekt Familienfürsorge begonnen. Leser, die über die Pro- blematik Regelsatz gearbeitet haben bzw. gegenwärtig arbeiten, werden gebeten, sich mit folgender Kontakt- adresse in Verbindung zu setzen:

Albert Hofmann, Sömmeringstr. 13, 6000 Frankfurt 1

2) siehe: Petersen, Die Regelsätze nach dem BSHG, Klei- nere Schriften des Deutschen Vereins, Nr. 43

3)nach, Hauptberatungsstelle für Elektrizitätsanwen- dung, Frankfurt, „HEA-Bilderdienst-aktuell”, „Elek- trizität und ihre Anwendung”

4) siehe, Gisela Knick, Regelsatz und Mehrbedarf, Soziale Arbeit, Sept. 1977, Berlin, S. 409-412

WARUM FÜRCHTET DER DEUTSCHE VEREIN DIE ÖFFENTLICHKEIT

DEUTSCHER VEREIN

FÜR ÖFFENTLICHE UND PRIVATE FÜRSORGE AM STOCKBORN 1-3 HANS-MUTHESIUS-HAUS

8000 FRANKFURT 50

eg (06 11) 58 03 / 230-

ABTEILUNG FACHREFERATE, GUTACHTENERSTATTUNG

Am Stockborn 1-3 - 6000 Fim. s0 WINARTA A B0 (ODER OBER VERMITTLUNG 58031) FURSORGETAG BANKKONTO: STADTSPARKASSE eA TAAl FRANKFURT 130 708 (BLZ 500 501 02) POSTSCHECKKONTO: FRANKFURT 1008 47 -607 (BLZ 500 100 60)

Deutscher Verein - Abt. Fachreferate -

Herrn Albert Hofmann c/o J. Grubmüller 100 JAHRE

Sömmerringstr. 13

6000 Frankfurt

UNSER ZEICHEN DATUM

12. Oktober 1979

IHRE NACHRICHT VOM

15.9.1979 F 1

IHR ZEICHEN

serrerr: Einsicht in die Protokolle, Analysen und Prüfungen bei der Zusammenstellung der Warenkörbe in den Jahren 1955, 1962

und 1970

Sehr geehrter Herr Hofmann, auf Ihre Anfrage teilen wir Ihnen mit, daß wir zu unserem Bedauern

nicht in der Lage sind, Ihnen das gewünschte Material zur Einsicht vorzulegen. Die im Verlauf der Neubearbeitungen des Bedarfsmengen- schemas (Warenkorb) für die Regelsätze in der Sozialhilfe für das zuständige Fachgremium angefertigten Beratungsunterlagen und Sitzungs- berichte sind nur für den Gebrauch der Mitglieder dieses Fachgre- miums bestimmt. Es handelt sich hierbei nur um momentane Zwischen- ergebnisse, die im weiteren Verlauf der Beratungen verändert oder ergänzt werden können. Lediglich die genehmigten Beratungsergebnis- se bilden die Grundlage für die von Ihnen genannten veröffentlich- ten Ausführungen, in denen die u.E. wesentlichen Einzelheiten dar- gestellt sind. Nach der Veröffentlichung der genehmigten Beratungs- ergebnisse werden die erwähnten Beratungsunterlagen und Sitzungsbe- richte nur noch für eine verhältnismäßig kurze Zeit aufbewahrt. Des- halb und mit Rücksicht auf einen im Jahre 1972 erfolgten Umzug der Geschäftsstelle in neue Büroräume, wobei der alte Aktenbestand be- trächtlich vermindert worden ist, müssen wir Sie um Verständnis bitten, daß wir nicht mehr über das vollständige Material verfügen. Der von Ihnen erwähnte Hinweis auf Prüfungen der Verbrauchsgewohn- heiten der Verbrauchergruppen (Heft 43 der Kleineren Schriften,

S. 32) bezieht sich auf Beratungsunterlagen, insbesondere der Aus- wertung statistischen Materials (der laufenden Wirtschaftsrechnun- gen sowie der Einkommens- und Verbrauchsstichproben) des Statisti- schen Bundesamtes, Wiesbaden, das der Fachzeitschrift "Wirtschaft

und Statistik" entnommen worden ist. Leider konnten wir Ihnen keine positive Antwort geben und bitten um

Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag

gez. Dr. Imlau

Albert Hofmann

WARENKORB ‘MARKE SCHMALHANS’ -Die Bemessung der “Würde des Menschen” durch den Deutschen Verein-

Der steigenden Zahl der Sozialhilfebezieher soll mit Einsparungen begegnet wer- den. Die Erhöhung der Regelsätze läßt immer länger auf sich warten. Die Erhö-

hungen fallen zunehmend geringer aus.

Das 1970 gegebene Versprechen des ‘Deutschen Vereins’, den Warenkorb in kür- zeren Abständen zu überprüfen, ist -trotz einer ständigen Verschlechterung der Lebenslage der Sozialhilfebezieher - immer noch nicht eingelöst.

Die folgende Analyse zeigt, daß der Warenkorb des ‘Deutschen Vereins der der Berechnung der Regelsätze zugrundeliegt, für den 'notwendigen Lebensunter-

halt’ vorne und hinten nicht reicht.

` er „Arbeitskreis kritische So- ‚zialarbeit” (AkS) Frankfurt ‚nennt es in einem Flugblatt

einen „Skandal”, 49 Sozial- arbeiter in Frankfurt bezeichnen es ın einer Uhnterschriftensammlung, als „einen besonders sozialpolıtischen Rückschritt’’, Vertreter von „Sozialen Brennpunkten” in Hessen reagieren in einem Brief an den Hess. Sozialminister mit „Empörung” und „Unverständnis’, andere Sozialhilfeempfänger bezeich- nen es kurz und treffend als eine „Saue- rei” die Rede ist von der Nichterhö- hung der Regelsätze.'

4

Angriffe auf Regelsätze: Verschleppen und kürzen

Angesichts der stetig ansteigenden Zahl von Sozialhilfebeziehern war ab 1975 hinter den Kulissen eine aktive Regsam- keit zu spüren. Ausschüsse und Vereine berieten über Einschränkungen von Sozialhilfeleistungen. Auch der „Sozial- ausschuß des Deutschen Städtetages’” stellte in Zusammenarbeit mit dem

„Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge”, in „Hinblick auf die angespannte Situation der Städte, kriti-

sche Überlegungen über Maß und Um- fang der Sozialhilfeleistungen’”? an.

„Bezirke befürchten Haushaltsplei- te”, meldete z.B. die Süddeutsche Zei- tung und: „’Explosionsartige’ Steige- rungen der Sozialhilfeleistungen bis zu 20 Prozent gefährdeten den Etataus- gleich 1976 der sieben bayerischen Bezirke,”

Im Januar 1978 rückten die ersten Bundesländer (Bayern, Hessen, Nord- rhein-Westfalen und Schleswig-Hol- stein) von der in den vorangegangenen Jahren geübten Praxis ab, die Regel- sätze für Sozialhilfeempfänger jährlich

'zum Jahresbeginn oder zur Jahreshälfte

um einen bescheidenen Betrag anzu- heben: erstes spürbares Ergebnis, der „Kostendämpfungsdiskussion in der Sozialhilfe”* (vgl. Tabelle 1).

Im September 1978 entschloß sıch das Bundesland Hessen dann doch noch, die bereits 20 Monate unverän- derten Regelsätze für Haushaltsvor-

stände und Alleinstehende um monat- lich DM 5,— und für die weiteren Haus- haltsangehörigen um DM 3,— bzw. DM 4,— anzuheben.

Kein zufälliger Zeitpunkt. Die Hes- senwahlen standen bevor und der Jah- reswechsel war so nahe, um der Forde- rung nach einer erneuten Erhöhung der Regelsätze zum Januar 1979 mit dem Hinweis auf die 4 Monate vorher durch- geführte Erhöhung entgegentreten zu können. Genau dies geschah. Erst- malig erhöhten ferner nicht die Städte Bremen und Berlin.

Die Erhöhung der Regelsätze ın den anderen Bundesländern kann aber nicht

darüber hinwegtäuschen, daß auch hier| Zeitraum Erhöhung Empfäng. eine restriktive Sozialpolitik betrieben inDM in% wird. So gilt für alle Bundesländer, daß| 1972-73 14,— 6,9 7,9 die Erhöhungsintervalle immer länger| 1973-74 18,— 8,3 7,8 oder/und die Erhöhungsbeträge immer BD De d 37

1975-76 14, 3,3 1.2 geringer werden. (vgl. Tab. 1I und Tab. 2)| 197677 19— 71 48 Wie die Tab. 2 ferner zeigt, sind die| 1977-78 jl 3,7 Regelsatzerhöhungen im Zeitraum| 1978-79 6— 24l 3,4 Tab. 1: Festsetzung der Regelsätze für Haushaltsvorstände und Alleinstehende am... auf DM... Zusammengestellt nach Daten des „Deutschen Vereins”

1.1.75 13.75 14975 11.76 1.7.76 14.77 1727 LAB 1478 1978 1.1.99

Baden Württemberg 255,— 267,— 283,— 290, 294,— Bayern 252,— 266, 282, 290, Bremen 258, 270, 289, 297, Hamburg 260, 268, 285, 292, 300, Hessen 260,— 273,— 292, 297,— Niedersachsen 250,— 265,— 284,— 291,— 297, Nordrhein- 250,— 272, 293, Westfalen 225, 268, 288, 297, Rheinland- 254, 274, 296, 296, 299, Pfalz 250, 268, 286, 292, 295, Saarland 250, 265, 280, 285, 290, 297, Schleswig- Holstein 254, 268, 288, 300,— Berlin 250, 265, 285, 297, Durchschnitt: 254, 268, 287, 291, 297,

1977-1979 unter dem Anstieg des Preis- index für 2-Personen-Haushalte von Renten- und Sozialhilfeempfängern geblieben, was praktisch einen Abbau der Regelsätze bedeutet.

Der Angriff auf die Regelsätze steht nicht isoliert: Ebenfalls gekürzt werden die sog. einmaligen Beihilfen. Bujard/ Lange kamen in ihrer Untersuchung über „Armut im Alter’ zu dem Ergeb-

Tab.2: Erhöhung der Durchschnitts-Regelsätze für Haushaltsvorstände und Alleinstehende in DM und Prozent

Anstieg d. Preisindex für 2-Pers.-Haush. von Renten- und Soz.hilfe-

nis, daß die „Beträge häufig nicht aus- reichen, um den erforderlichen Gegen- stand auf dem normalen Wege zu erwer- ben... Die für die einmaligen Beihilfen angesetzten Richtwerte sind ohne Zwei- fel Minimalsätze.’”

Dessen ungeachtet wird weiter abge- baut. Eine Tendenz dieses Abbaus zeigt eine von der „Landesarbeitsgemein- schaft soziale Brennpunkte Hessen” durchgeführte Umfrage zur gegenwärti- gen Handhabung der Beihilfegewäh- rung.

Beispiele:

In Offenbach a.M. war es bis 1974 „üblich, daß 15% des Gesamtjahres- regelsatzes pro Person zur Grundlage für Bekleidungsbeihilfe diente, wobei in der Regel eine Pauschalisierung gewählt wurde. Stufenweise wurde dann 1975/76 der Betrag auf zunächst 12,5% und dann auf 10% des Gesamtjahresregel- satzes herabgedrückt'’. In Darmstadt

wird Bekleidungsbeihilfe für Bewohner von „sozialen Brennpunkten” „immer

nur mit Gutscheinen gewährt. Bei For- derung nach Bargeld wurden 10% von der gewährten Summe abgezogen .. Der Verweis auf die freie Wohlfahrt geschieht häufig”. „Eine neue Variante ist (in Fulda) die, das eine ’Hilfe zum Lebensunterhalt-Empfängerin’, die ohnehin schon für diese Hilfe 12 Tage im Monat Pflichtarbeit leistet wie ıhr gesagt wurde für Stromschulden, die das Amt übernahm andere Einzel- anträge verwehrt werden, und erst nach Abarbeitung der Stromschulden behan- delt werden könnten.“s

Sozialhilfe reicht vorne und hinten nicht

Grundsätzliche Bedenken und Kritik an der Höhe der Sozialhilfe gab es bereits in Zeiten, als sie noch regelmäßig erhöht

wurden. Strang kommt anhand seiner Untersuchung über „Erscheinungsfor- men der Sozialhilfebedürftigkeit”’, 1970 zu dem Schluß, „daß die Regelsätze der- art knapp bemessen sind, daß die tat- sächlich realisierten Ausgaben zur Deckung des existierenden Bedarfs den erweiterten Lebens- und Kulturbedarf weitgehend aufbrauchen ... Die prakti- sche Befolgung des Prinzips der Men- schenwürde im BSHG muß demnach angesichts dieses Sachverhalts in Frage gestellt werden.” Insbdsondere sieht er „bei steigender Preistendenz’’, eine ständige Benachteiligung der Sozial- hilfeempfänger und warnt davor, „leichtfertig auf ’unrationelles’ und un- wirtschaftliches Verhalten (zu) schlie- Ben, wenn man erfährt, daß sich ein Teil

der Befragten oft in dringenden finan-

ziellen Schwierigkeiten befindet.’”* Auch die Münstermann, Schacht und Young-Erhebung (1974) in einem Dort- munder Stadtviertel ergab: „63 Prozent der Armen gaben an, daß sie weniger als nötig hatten... 65 Prozent der Armen.. gaben im Herbst 1974 an, sie hätten mit den Einkommenserhöhungen die Preis- steigerungen nicht kompensieren kön-

Inen. Hier zeigt sich, daß die Armen

"mehr bezahlen müssen’: die Konsum- güterpreise, die sich für alle Sozial- schichten absolut gleich erhöhen, tref- fen die niedrigen Einkommensgruppen natürlich stärker, da sie zumeist mit Einsparungen bei alltäglichen Gütern reagieren müssen.”

Ein Ergebnis, das von Bujard/Lange bestätigt wird. „Die Skala weist auf, daß unter den befragten alten Menschen finanzielle Schwierigkeiten ein alltäg- liches Problem sind, kommen sie doch nicht nur bei besonderen und/oder unvorgesehenen Ausgaben Ín Schwie- rigkeiten, sondern durch die tägliche Notwendigkeiten, sich zu ernähren, zu bekleiden, zu wärmen etc.’’'’ Zur bun- desrepublikanischen Wirklichkeit ge-

Pea T, pen

hört auch, daß Menschen auf die Frage, „was sie für den Fall, sie erhielten 2.000,— DM, mit dem Geld anfangen würden”, u.a. antworteten: „Ich würde mich einmal richtig satt essen.” ”'

Daß die Sozialhilfe nicht ausreicht, wurde ebenso für die Sozialhilfe bezie- henden alleinerziehenden Mütter und Väter in Westberlin ermittelt. Das Er- gebnis: „acht von zehn kommen mit der Hilfe nicht aus.”!?

Verordnete Unterernährung

Die Sozialministerien lassen diese Er- gebnisse ungerührt. Ein Schreiben des AKS Frankfurt, in dem die Forderung: „Sofortige Erhöhung der Sozialhilfe auf einen Betrag, der der allgemeinen K.ostensteigerung angepaßt ist”, vertre- ten wurde, beantwortete der Hess. Sozialminister mit dem Hinweis:

„Ihrer Besorgnis über eine rechtzei- tige Anpassung an die gestiegenen Preise darf ich entgegenhalten, daß... der am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Eckregelsatz von 292,— DM (. . .) bis heute durch die Preissteigerung bei den Warenkorbpositionen nicht erreicht worden ist.“

Eine fadenscheinige Antwort. Sie lenkt von der eigentlichen (finanz)poli- tischen Entscheidung ab und hin zu dem vom „Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge” erstellten Waren- korb. 8 22 BSHG bestimmt, daß „laufende Leistungen zum Lebensunter- halt“ nach Regelsätzen gewährt wer- den. Der Inhalt und Aufbau der Regel- sätze wird einer Rechtsverordnung übertragen (Regelsatzverordnung). Diese Verordnung basiert auf Unter- suchungen des „Deutschen Vereins’, der für die Berechnung der Regelsätze zuletzt 1970 einen Warenkorb zusam- mengestellt hat.'*

—_ 38 _

Die Waren und Dienstleistungen des Warenkorbs sind so bemessen, daß der Durchschnitts-Regelsatz von DM 297,-- für Haushaltsvorstände und Allein- stehende für das Jahr 1979 nach Be- darfsgruppen differenziert folgende Beträge ergibt:'’

Tab.3: Aufteilung des Regelsatzes für

Haushaltsvorstände und Alleinstehende nach Bedarfsgruppen in Prozent und DM-Beträgen

Ernährung 57% 169,29 Kochfeuerung/

Beleuchtung 9% 26,73 Instandhaltung/

Neubeschaffung v.

Kleidung, Wäsche

und Hausrat 5% 14,85 Körperpflege/

Reinigung 9% 26,73 Persönliche

Bedürfnisse 20% 59,40

Schon 1976 mußte ein Student monatlich für Ernährung (ohne Hilfe von daheim) nach einer Untersuchung des „Deutschen Studentenwerks’ DM 205,10 ausgeben.!® 1976 betrug der Durchschnitts-Regelsatz für Haus-

6 Die Erhöhungsintervalle werden immer länger, die Erhöhungsbeträge immer

geringer GG

haltsvorstände und Alleinstehende DM 268,—. Der Anteil für Ernährung (57%) betrug davon DM 152,76. Im Jahre 1976 hatte demnach ein Sozial- hilfeempfänger monatlich DM 52,34 weniger für Ernährung zur Verfügung, als im vergleichbaren Zeitraum ein Stu- dent für Ernährung ausgab. Selbst 1979 wird dem Sozialhilfeempfänger durch den Regelsatz noch immer monatlich

DM 35,81 weniger zugestanden, als einıpflege und Reinigung?! sind ebenfalls Student 2 Jahre vorher für Ernährungl[unzureichend. Ein praktischer Versuch,

ausgeben mußte.

Eine weitere Untersuchung ist in die- sem Zusammenhang von Bedeutung. Die „Barmer Ersatzkasse’’ kam in der von ihr durchgeführten Aktion” zu dem Ergebnis, daß 59,52% der Bonner Studenten Untergewicht haben.!*

Eine andere Erhebung beweist eben—

falls, daß der 57%-Anteil für Ernährung

im Regelsatz zu gering ist: Eine von der „Zentralstelle für rationelles Haushal- ten” (Bonn) durchgeführte statistische Auswertung von Beratungsmaterial ergab, daß eine Person 1977 für Ernäh- rung DM 223,— ausgab.'!” Im vergleich- baren Zeitraum betrug der Anteil für Ernährung im Regelsatz DM 163,59, also DM 59,41 niedriger.

kd

„Zweimal beschissen . . >

Daß der Inhalt und der Betrag der Bedarfsgruppe Kochfeuerung und Be- leuchtung nicht ausreichen kann, habe ich schon an anderer Stelle nachgewie- sen??. DM 7,50 mehr müßte ein Sozial- hilfeempfänger für Strom und Gas be- zahlen, als der Regelsatz vorsieht, würde er sich nur an die Mengen halten, die der Warenkorb gewährt. „Anders ausgedrückt: den Sozialhilfeempfän- gern wird nicht einmal der Betrag ge- währt, den sıe benötigen würden, um die vom „Deutschen Verein’ ermittel- ten Minimalmengen zu bezahlen.” Zu- dem: Die vorgesehenen Mengen von 16 kWH Strom für den Betrieb elektri- scher Geräte müssen wie auch die 18 cbm Gas für Kochfeuerung und den Aufwand für Bäder als völlig unzurei- chend angesehen werden. Fazit: „Zwei-

,

mal beschissen . . .”.

den ich durchführte, ergab, daß die 60 Gramm Seife, die die Bedarfsgruppe für Haushaltsvorstände und Allein- stehende vorsieht, am 15. Tag aufge-

„Wiege- braucht waren. Jugendlichen von 15-20

Jahren werden sogar nur unerklärliche 37,5 Gramm (!) Seife monatlich zuge- standen (nach meinem Test bereits am 9. Tag aufgebraucht).

„Es war Aufgabe des Arbeitskreises, nach wissenschaftlichen Gesichtspunk- ten... . ein neues Verbrauchsmengen- schema für Sozialhilfeempfänger zu entwickeln”??, wurde bereits bei der Zu- sammenstellung des Warenkorbs 1962 versprochen. Leider hat es der Arbeits- kreis „Aufbau der Regelsätze” bis heute versäumt, zu veröffentlichen, welche „wissenschaftlichen Gesichtspunkte” nahelegen, daß z.B. Jugendlichen erst ab 21 Jahren Rasierseife und Rasier- klingen brauchen.

Die vorgesehenen Mengen an Zahn- creme ermöglichen nur einmal tägliches Zähneputzen. (Wissenschaftliche Emp- fehlung: nach jeder Mahlzeit; minde- stens dreimal täglich.) Kinder und Ju- gendlichen wird umgerechnet alle 12,5 Monate eine Zahnbürste zugestan- den. „Zahnmedizinisch-wissenschaft- liche Gesichtspunkte” können hier wohl nicht zugrunde gelegt worden sein; Zahnbürsten sollen nach 2-4 Monaten weggeworfen werden.

Mit den für Haushaltsvorstände und Alleinstehende vorgesehenen Mengen an Waschpulver (grob) können an die 12 kg Wäsche gewaschen werden. Dies entspricht etwa 2 Bettbezügen, 10 Hem- den, 15 Unterhosen und Unterhemden, 15 Paar Socken, 2 Badetüchern und

“3 Cordhosen. Nicht berücksichtigt wer-

... und so wenig Seife

den könnte ein weiterer Anfall von schmutziger Wäsche wie Geschirr-

Die Mengen der Bedarfsgruppe Körper-!tüchern, weitere Handtüchern, Schlaf-

anzüge, Vorhänge, Tischdecken, usw. Die 65 Gramm Waschpulver (fein) er- möglichen die Wäsche von 400 Gramm Wolle (ein leichter Pullover).

Der Betrag von DM 14,85 für In- standhaltung von Schuhen, Kleidung und Wäsche sowie kleinere Instandset- zungen von Hausrat, Neubeschaffung von Wäsche und Hausrat von geringem Anschaffungswert?’, soll „im wesent- lichen der allgemeinen Haushaltsfüh- rung dienen”. Es sind also damit abzu- decken: Leim, Dübel, Schrauben, Nägel, kleine Werkzeuge, kleine Haushalts- geräte (z.B. Meßbecher), Kurzwaren (Knöpfe, Nadeln, Garn, Strickwolle,

Reißverschlüsse), kleinere Schuhrepara- turen (Absätze, Schnürsenkel), uunia Wäscheanschaffungen (Taschentücher, Schals, Krawatten) usw. Die Bedarfsgruppe Persönliche dürfnisse?* sieht für Briefporto z Telefongespräche monatlich DM * vor. Ferner 6 Straßenbahnkarten. em Menge ermöglicht 3 Hın- und Rüc s fahrten und dürfte mit den Fahrten 7 den Sozialämtern aufgebraucht Der Betrag der vom Stat. Hessen für die Berechnung der ur scheine zugrundegelegt wird, betrag: DM 1,16%. In den Verkehrsspitzen®S ten beträgt in Frankfurt der Fahrprei:

ICHMOCHTE STATT/NER HALBEN

TUBE ZAHN PASTA, LIEBER N GANZE UCK SEIFE !

DM 1,50. Sozialhilfeempfänger sind in den Verkehrsspitzenzeiten, demnach in ihrer „Beziehung zur Umwelt’ ausge- schlossen. Zwar besteht in Frankfurt die Möglichkeit, die sog. „Grüne Karte” zu erwerben, eine Monatskarte für sozial schwache Einkommensschichten (die ebenfalls die Beförderung in den Verkehrsspitzenzeiten ausschließt) die jedoch einen Eigenanteil von DM 14,— verlangt. Im Regelsatz ıst für Fahrten aber nur ein Betrag von DM 6,96 vorge- sehen. Für alle Sozialhilfeempfänger in Frankfurt, die im Besitz der „Grünen Karte” sind, gilt also, daß die größere Beweglichkeit durch die „Grüne Karte”, mit dem Verzicht aut andere Leistungen aus dem Warenkorb erkauft werden muß.

Für die Teilnahme am „kulturellen Leben” wird Haushaltsvorständen und Alleinstehenden u.a. ein Taschenbuch im Regelsatz angerechnet. Bei dem an- gerechneten Betrag handelt es sich um den Preis für die „Ein-Punkt’’-Ausga- ben, die dünnsten Taschenbücher. Eine Rückfrage beim ’Fischer Taschenbuch Verlag’ ergab. daß sich ım gesamten

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Taschenbuchsortiment nur noch 17 „Ein-Punkt”-Ausgaben befinden und die letzte Neuerscheinung 5 Jahre zu- rückliegt.

Der Betrag, der für diese „Ein- Punkt’-Ausgaben im Regelsatz ange- rechnet wird, beträgt DM 3,80. Dieser Betrag reicht z.B. nicht, um wöchentlich eine Fernsehzeitung zu kaufen.

Kindern bis zu 7 Jahren wird über- haupt kein Fahrgeld zugestanden. In Frankfurt müssen Kinder jedoch schon ab 4 Jahren Fahrgeld bezahlen. Jugend- lichen von 7-14 Jahren werden durch die Regelsätze 2 Fahrscheine gewährt, Jugendlichen von 15-20 Jahren ganze 4.

Für Spielzeug wird Kindern bis zu 14 Jahren monatlich ein Betrag von DM 2,3126 gewährt. Ein „Mensch-ärger- dich-nicht”’-Spiel kostete im September 1978 immerhin DM 9,60%; eine Puppe DM 37,99; ein Teddybär DM 45,58; ein Kunststoffbaukasten DM 39,34, ein Metallbaukasten DM 58,43; eine elek- trische Eisenbahn DM 168,34. (Für eine elektrische Eisenbahn müßte eine Mut- ter, die Sozialhilfe bezieht, 72 Monate

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Ergänzung zu Artikel "Warenkorb Marke Schmalhans’ aus päd.extra sozialarbeit. ee Ki

bzw. 6 Jahre den monatlichen Betrag für Spielzeug im Regelsatz sparen.)

Die Darstellung der Mängel des Waren- korbs ließe sich weiterführen, soll aber hier abgebrochen werden. Daß Berech- nungsgrundlage der Regelsätze und die Regelsätze selbst unzureichend sind, ist hinreichend belegt; ebenso die höchst fragwürdige Weise, in der der „Deutsche Verein’ bei der Zusammenstellung des Warenkorbs vorging.

Die (un) „saubere Logik” derer da oben oder:

Die „Würde des Menschen”

Petersen schreibt: „Welche Lebens- führung der Würde des Menschen ent- spricht, ist in den Untersuchungen des "Deutschen Vereins’ aufgrund der Lebenshaltung beurteilt worden, die in der Bevölkerung besteht.”??® Und „die Prüfungen ergaben außerdem, daß die Lebenshaltung der unteren Ver- brauchergruppen geeignet sind, um sie als Grundlage bei der Feststellung des Ausmaßes der Regelsätze heranzuzie- hen.””” Zu dieser Methode bemerkt Werkentin, daß sie darin besteht, schlicht und einfach aufzulisten, was faktisch vorherrscht® und daß sie in leichtfertiger Weise unterstellt, daß die unteren Verbrauchergruppen tatsäch- lich über den notwendigen Lebens- unterhalt verfügen, der der „Würde des Menschen” entspricht.

Die Fragwürdigkeit der vom „Deut- schen Verein” angewandten Methode wird ferner an folgendem Umstand deutlich: Welche Lebenshaltung in der Bevölkerung besteht, ermittelte der Arbeitskreis anhand der „Wirtschafts- rechnungen” („Einnahmen und Aus- gaben ausgewählter privater Haus- halte“) des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden. Die Ausgaben und Ein- nahmen der unteren Verbrauchergrup- pen werden von 2-Personen-Haushal- ten von Renten- und Sozialhilfeempfän-

gern mit geringem Einkommen aufge- zeichnet. ’'

„Die absolute Höhe der ausgaben- fähigen Einkommen bzw. Einnahmen je Haushalt, die bei den laufenden Wirt- schaftsrechnungen anfällt, ist also kei- neswegs, wie häufig angenommen wird, ein statistisches Ergebnis im eigent- lichen Sinne. Vielmehr wird sie durch die Vorgabe von Einkommensgrenzen bei der Auswahl der Haushalte auf einen ganz bestimmten Bereich fi- xiert.” >? Die Einkommensgrenzen der unteren Verbrauchergruppe orientier- ten sich „im Jahre 1964... an einem Ein- kommensniveau, das in etwa den dama- ligen Sätzen der Sozialhilfe entsprechen sollte.” Dieser Betrag wird seitdem „entsprechend der Steigerung der Ren- ten und Sozialhilfesätze fortgeschrie- ben,”

Man vergegenwärtige sich die Metho- de des „Deutschen Vereins” konkret: Anhand der Untersuchungen des „Deutschen Vereins” wird die Höhe der Regelsätze bestimmt. Die Höhe der Regelsätze werden vom Statistischen Bundesamt zur Bestimmung und Ein- grenzung der unteren Verbraucher- gruppen verwandt. Renten und Sozial- hilfeempfänger zeichnen auf der Grund- lage ihres durch den „Deutschen Ver- ein” vorbestimmten Einkommens ihre Ausgaben auf. Für den „Deutschen Ver- ein” sind diese aufgezeichneten Aus- gaben wiederum der Beweis, daß die Lebenshaltung der unteren Verbrau- chergruppen ausreichend ist und als Grundlage für die Zusammenstellung der Regelsätze verwandt werden kann.

9 Über das Fleisch, das in der Küche fehlt, wird nicht in der Küche entschieden 99

Eine saubere Logik, die erklärbar wird, wenn man betrachtet, welcher Personenkreis an der Zusammenstel- lung des Warenkorbs beteiligt war: „Vertreter der Stadt- und Landkreise und der Kommunalen Spitzenverbände,

4la—

der Obersten Sozialbehörden der Län- der, der überörtlichen Träger, der Ver- bände der freien Wohlfahrtspflege, des Max-Planck-Instituts für Ernährungs- physiologie, des Statistischen Bundes- amtes und des Hessischen Landesamtes ferner ein Vertreter des Bundesmini- steriums für Jugend, Familie und Ge- sundheit.”’’* Sieht man von den Vertre- tern des Statistischen Bundes- und Lan- desamtes und dem Ernährungsphysio- logen des Max-Planck-Instituts ab, so finden wir all die Repräsentanten von Gremien, die als Träger von Sozialhilfe naturgemäß an einem niedrigen Kosten- aufwand interessiert sind. Die aus- schließliche Beteiligung von Vertretern der Kommunen, Landkreise, der Sozial- behörden etc. läßt den Schluß zu, daß der „notwendige Lebensunterhalt”, bzw. die „Würde des Menschen” finanz- politischen Erwägungen ein- und unter- geordnet ist.

Lediglich Untersuchungen in eintöni- ger Regelmäßigkeit angekündigt

Angesichts der Unzulänglichkeit der Regelsätze sind neben der Forderung nach ihrer sofortigen Erhöhung wieder- holt Aufforderungen an die zuständigen Stellen ergangen, den Warenkorb zu überprüfen und neu zusammenzustel- len. Der „Deutsche Verein” muß daran erinnert werden, daß er im Zu- sammenhang mit der Erstellung des Warenkorbs 1970 ankündigte, daß sich für ihn „die Erkenntnis ergeben (hat), daß der Warenkorb künftig in kürzeren Abständen als bisher überprüft werden sollte”, Aus dieser Ankündigung ist bisher nichts geworden. Wurde der erste Warenkorb des Jahres 1955 nach 7 Jah- ren (1962) erneuert, dieser wiederum 1970 nach acht Jahren modifiziert, so ist dieser Warenkorb, bei dessen Erstellung die Haushaltsrechnungen des Jahres 1967 zugrundegelegt wurden, mit 9 Jah- ren der am längsten unveränderte. Eine grundsätzliche Anderung ist auch in nächster Zukunft nicht vorgesehen. Seit 2 Jahren werden lediglich Untersuchun-

41b

gen über die „Kosten für Energie im Haushalt” und über die „Kosten für Schulausgaben” in eintöniger Regel- mäßigkeit angekündigt.’

So wichtig die Beschäftigung mit dem Warenkorb und damit ist, welcher „Lebensbedarf’” und welche „Würde des Menschen” Sozialhilfeempfängern zugestanden wird, so wenig sollte ver- gessen werden, daß eine evtl. Neugestal- tung des Warenkorbs durch den „Deut- schen Verein” auf den § 4 der Regelsatz- verordnung Rücksicht nehmen wird. 84 der RegelsatzVO bestimmt, daß „bei der Festsetzung der Regelsätze (. . .) darauf Bedacht zu nehmen (ist), daß sie . unter dem ım Geltungsbereich der je- weiligen Regelsätze erzielten durch- schnittlichen Netto-Arbeitsentgelt unte- rer Lohngruppen . . . bleiben.” ,

Unterhalb dieser Grenze bleibt es dem Arbeitskreis „Aufbau der Regel- sätze” vorbehalten, Grundlagen für die Berechnung der Regelsätze zu erstellen. Zudem: „Die tatsächlichen Sozialhilfe- empfänger sowie die Höhe der Unter- stützungssätze dagegen sind zusätzlich von politischen Faktoren abhängig, d.h. der politische Charakter der Kri- senbewältigung bestimmt, ob und wie Zugangsbarrieren und Fürsorgerestrik- tionen ab- oder aufgebaut werden.''’’

Wurde eine Anhebung der Unterstüt- zungssätze in den 60er Jahren auf Grund von wirtschaftlichem Wachstum, Vollbeschäftigung und Lohnexpansion zugestanden, so dürfte das Sozialhilfe- system jetzt „am Ende einer Liberalisie- rungsphase angelangt sein.“*

„Sind die Armen friedlich, bekommen sie gar nichts, sind sie aber rebellisch, bekommen sie manchmal ein wenig’ „A placid poor get nothing but a turbu- lent poor sometimes get something”, mit dieser Einschätzung endet die Untersuchung von Piven/Cloward über „Die Politik der öffentlichen Wohl- fahrt” in den USA”, Ansätze einer Be- wegung von Sozialhilfeempfängern sind gegenwärtig in der BRD erst im Ent- stehen begriffen*° und öffentlich noch

nicht ausmachbar. Eine solche Bewe- gung gegen die restriktive Sozialpolitik ist aber in der gegenwärtigen (finanz)- politischen Situation wunabdingbare Voraussetzung zur Erlangung von Lei-

ANMERKUNGEN

I) Vgl. Flugblatt des AKS Frankfurt und die Reaktion der Frankfurter Sozialbürokratie, in: Informations- dienst Sozialarbeit 21, Offenbach 1978, S. 51 ff, Brief mit Unterschriften von 49 Sozialarbeitern in: „Brenn- punkt"-LAG Zeitung 3/1978, S. 6, hrsg. von „Lan- desarbeitsgemeinschaft soziale Brennpunkte Hes- sen”,

2) Mitteilungen des Deutschen Städtetages vom 21.5.75, S. 143.

3) Süddeutsche Zeitung vom 25.11.1975.

4)Utz Krahmer, „Menschenwürde zu teugs”, in: päd. extra sozialarbeit, Heft 7/8, 1978, S. 30-33; vgl. ferner Stephan Leibfried, in: Piven/Cloward, Regulierung der Armut Die Politik der öffentlichen Wohlfahrt, insbesondere die ausführliche Literaturübersicht zur „Strukturbereinigung” in der Sozialhilfe in Fuß- note 12.

ENTF Lange, Armut im Alter, Weinheim 1978, 6) Unveröffentl. Ergebnisse einer Umfrage der „Landes- arbeitsgemeinschaft soziale Brennpunkte Hessen”. 7)H. Strang, Erscheinungsformen der Sozialhilfe-

bedürftigkeit, Stuttgart 1970, S. 55.

8)ebenda, S. 219.

9)Münstermann, Schacht, Young, Armut in Deutsch- land, in: Böhret u.a. (Hrsg.), Gleiche Chancen im Sozialstaat ?, Opladen 1975, S. 27 ff.

10) Bujard/Lange, a.a.0., S. 9.

Il)ebenda, S. 101.

12) Dokumentation des Verbands alleinstehender Mütter und Väter, Landesverband Berlin, Sommer 1978,S.2.

13) Informationsdienst Sozialarbeit, a.a.O., S. 54.

14) Petersen, Die Regeisatze nach dem BSHG, Ihre Be- deutung, Bemessung und Festsetzung, in: Kleinere Schriften des Deutschen Vereins, Nr. 43, 1972.

15)Die prozentuale Aufteilung ist den „Frankfurter Richtlinien”, 2020/5, Januar 1975, entnommen. Die Aufteilung ın den „Frankfurter Richtlinien” ent- spricht geringfügig auf- oder abgerundet einer pro- zentualen Umrechnung der vom „Deutschen Verein” veröffentlichten „Monatlichen Aufwandbeträgen in DM zur Ermittlung des notwendigen Lebensunter- * für das Jahr 1970, in: Petersen, a.a.O., Anlage 7

16)Das soziale Bild der Studentenschaft in der BRD, 8. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, hrsg. vom Bundesminister für Bildung und Wissen- schaft, Bonn 1978, S. 107.

I7)ebenda.

18) Barmer Ersatzkasse, „Wiege-Aktion” 1974-1977.

19)8. Erfahrungsbericht der Zentralstelle für rationelles Haushalten, Bonn 1978, S. 68.

20) Vgl. päd.extra sozialarbeit, Heft 7/8, 1978, S. 28 ff.

21) Vgl. Petersen, a.a.O., Anlage 5, S. 80.

22) Petersen, a.a.O., S. 42.

23) Vgl. Petersen, a.a.O., Anlage 4, S. 78.

24) Vgl. Petersen, a.a.O., Anlage 6, S. 82.

25)Monatliche Aufwandbeträge in DM zur Ermittlung des notwendigen Lebensunterhalts des Stat. Landes-

in

stungsverbesserungen bzw. zur Abwehr weiterer Verschlechterungen; denn: „Über das Fleisch, das (. . .) in der Küche fehlt, wird nicht in der Küche entschieden” (Bertolt Brecht). $

amtes Hessen, September 1978 (unveröffentl.). 26)ebenda.

27) Verbraucherpreise und Preisindizes der Lebenshaäl- tung in Hessen des Stat. Landesamtes Hessen, Sep- tember 1978.

28) Petersen, a.a.O., S. 30.

29)ebenda, S. 32.

30) Werkentin, Die Quantifizierung der Würde des Men- schen im Rahmen des BSHG, in: Kritische Justiz, Heft 3, 1974, S. 296.

31) Vgl. Wirtschaftsrechnungen, Einnahmen und Aus- gaben ausgewählter privater Haushalte, Stat. Bun- desamt Wiesbaden, Erläuterungen.

32)Möglichkeiten und Grenzen der laufenden Wirt- schaftsrechnungen, in: wirtschaft und statistik, 1972, S. 322.

33) Wirtschaftsrechnungen, a.a.O., Erläuterungen.

34)NDV, 1971, S. 46.

35S)NDV, 1971, S. 48.

36) Vgl. Geschäftsbericht des Deutschen Vereins 1976/77 S. 8.

37)Monika Fuhrke, Sozialpolitik in der Krise, in: Pro- bleme des Klassenkampfs, Nr. 33, Berlin 1978, S. 18.

38) Stephan Leibfried, a.a.O., S. 15.

39) Pıven/Cloward, a.a.0., S. 390.

40) Vgl. päd.extra sozialarbeit, Heft 7/8, 1978; vgl. ferner die Dokumentation zur zentralen Veranstaltung der „Landesarbeitsgemeinschaft sozialer Brennpunkte Hessen” am 30.9.1978 in Wiesbaden, an der 500 So- zialhilfeempfänger teilnahmen. Zu beziehen über: „LAG", Moselstr. 25, 6000 Frankfurt 1.

Ulf Luers

EIN DEUTSCHER VEREIN Jubiläum des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Herr Deutsch trifft wieder mal seinen Verein: Ach, Sie haben sich ja gar nicht verändert! Erstaunt dieser: Ja, sollte ich das denn? (Sehr frei nach B. Brecht)

NOT MACHT ERFINDERISCH

Vor hundert Jahren, Bismarck hatte gerade sein Gesetz "gegen die ge- meingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" erlassen, da trafen sich in Berlin eine Reihe Männer und gründeten einen Verein zur Armenpflege mit dem Grundsatz:

"Es genügt nicht, dem Bedürftigen das Unentbehrliche an Nahrung, Kleidung und Obdach zu gewähren. Es muß vielmehr würdige Aufgabe der Armenhilfe sein, entweder zu verhüten, daß eine derartige Bedürf- tigkeit eintritt oder, wenn sie eingetreten, dahin zu wirken, daß ihre Folgen schnell wieder beseitigt werden und die wirtschaftliche Selbständigkeit wieder hergestellt wird".

(Zitiert nach einer Pressemitteilung des DV von 1980)

Dieses Verständnis,meint der Jubilar heute, sei "wmälzend neu" ge- wesen und er sei noch heute dieser Leitidee verpflichtet. Doch halt: Wer nun die Schlußfolgerung gezogen hat, da hätten sich soziale Er- neuerer vor hundert Jahren heimlich getroffen und mutige Bekenntnisse abgelegt, der irrt leider sehr. Die Männer waren Herren (Frauen stießen erst Jahre später hinzu, und sie waren "führende" Persön- lichkeiten ihrer Zeit, die sich auf einem Kongreß zum Thema "Maßnah- men zur Unterdrückung der Bettelei'" in Berlin zusammenfanden. Und erst wenn man sich die Protokolle der ersten und der nachfolgenden Konferenz (en) ansieht, wird deutlich, warum Bedürftigkeit verhütet und ihre Folgen beseitigt werden sollen: "Zum Schutz der Armenbehör- den gegen Mißbrauch" durch "Faule, Arbeitsscheue und Landstreicher".

Bereits 1881 beschloß auf Antrag von Staatsminister Dr. Friedenthal der Deutsche Verein (DV) den Reichskanzler zu ersuchen, gesetzlich wieder die seit 1855 entfallene Möglichkeit zu schaffen, "ohne vor- gängige gerichtliche Prozedur", also durch Verwaltungsakt der örtli- chen Armenbehörden "Personen, welche Unterstützung aus Öffentlichen Armenmitteln erhalten und das Empfangene unnütz verwenden" in das Arbeitshaus zu "überweisen" (siehe Kasten).

In einer ersten Würdigung der Tätigkeit des DV wurde beklagt, daß diese und viele nachfolgenden Eingaben einen wirksamen "Schutz der Armenbehörden gegen Mißbrauch" noch nicht erbracht haben. (Zitat aus Oertzen, 1898, S. 95 ff).

Esging also nicht um die Bedürfnisse der Armen, obwohl einer der Ini- tiatoren der Vereinsgründung sich in einer Denkschrift, die den An- stoß zur ersten Zusammenkunft gab, auf diese berief (DOELL 1879). Wenn man sich die Themen der Versammlungen (ab 1920 Fürsorgetage be- nannt) ansieht und, noch deutlicher wenn man die Protokolle der Jah- resversammlungen und die Entschließungen der ersten Jahrzehnte des

DV ansieht, so wird ersichtlich, daß es vor allem um zwei Probleme ging, die die Herren Stadträte, Beigeordnete und Bürgermeister so- wie die auch beteiligten Geheim- und Regierungsräte, Prälaten und Direktoren immer wieder beschäftigten:

© Die Frage der "gerechten Kostenverteilung" zwischen örtlichen Trä- gern der Armenfürsorge und überregionalen Verbänden der Länder. Hier- bei spielte vor allem der Streit eine Rolle, ob das konservativere Heimatprinzip oder der jeweilige Wohnort ausschlaggebend sein sollten. Ebenso wichtig war aber auch

® die Hoffnung auf Kosteneinschränkungen durch neue gesetzliche Re- gelungen zur zwangsweisen Unterbringung und Beschäftigung der Wohn- sitzlosen. Nahtlos von 1881 bis in die Zeit des Nationalsozialismus zieht sich die Forderung nach einem Arbeitsscheuengesetz durch die Verhandlungen des DV.

Es ist schon beeindruckend, wenn man verfolgt, wie die Honorationen sich stunden- und tagelang darüber stritten, ob "der Arme im einzel- nen Pflegefall eine größere Belastung für die Ortseimwohner hervor- bringt" (zitiert nach Bericht von 1890) oder nicht und wie man es verhindern kann, daß er dahin wandert, wo seine Unterstützung mögli- cherweise anderen anheimfällt (nicht etwa: wo es für ihn günstiger wäre!),

Doch auch heute noch spielt die Frage der Kostenverteilung eine Rol- le in der Tätigkeit des Deutschen Vereins. So zeigt ein Blick in die Sammelhefte der Gutachten zum Sozial- und Jugendhilferecht, daß zum Beispiel der DV 1968 ein Gutachten zur Frage "wer die Kosten für die Übernachtungs- und Verpflegungsstätte für Nichtseßhafte zu tragen hat" (DV Kleine Schriften Heft 37, S. 72) erarbeitete.

> * —EXW

Re nn

Die Sachverständigen des Deutschen Vereins bei der Erstellung eines Gutachtens

100 Jahre Deutscher Verein 69. Deutscher Fürsorgetag 1980 Gesamtthema: Soziale Arbeit Soziale Sicherheit

Zeitplan Programm

Mittwoch, 23.April 1980 Themenbereiche: (Referat/Informations- und Diskus- 11.00 Uhr sionsgruppen ) Eröffnung des Deutschen Fürsorgetages * Familie im System der sozialen Sicherheit ab 13.30 Uhr * Familienunterhalt und Sozial- Eröffnung ‘Treffpunkt - Information leistungen und Gespräch” /Besichtigung sozialer * Ausländische Arbeitnehmer und Einrichtungen ihre Familien ab 16.00 Uhr * Jugendhilfe in der Reform Festakt loo Jahre Deutscher Verein * Aufgaben kommunaler Sozialplanung Donnerstag, 24. April 1980 * Ambulante soziale Dienste * Soziale Sicherheit im Alter 9,00 17.30 Uhr * Integration Behinderter und psychisch Kranker Beratungen in 9 Themenbereichen * Soziale Berufe zwischen Generali-

sierung und Spezialisierung Freitag, 25. April 1980

9,00 10.30 Uhr Abstimmung der Ergebnisse in den Themenbereichen 11.00 13.30 Uhr Schlußveranstaltung

Nähere Informationen: Deutscher Verein, Am Stockborn 1-3, 6 Frankfurt

ÜBERLEBEN IST ALLES

Nun ist das ja durchaus eine für die Administrationen notwendige Ar- beit, und es wäre sicher nicht richtig angesichts einer Fülle von Gutachten und sonstigen Tätigkeiten, hieraus alleine Folgerungen für die heutige Bedeutung des DV zu ziehen. Dennoch: Wie immer man seine heutige Arbeit bewerten will, sie ist nicht verständlich ohne die Hintergründe der Entstehung, und ohne die seit dieser Zeit wesentlich- sten Impulse zu würdigen. Das liegt offensichtlich auch ganz im Sinne des DV selbst, der so stolz auf seine Tradition ist und sich so deut- lich auf die Verdienste seiner früheren Vorsitzenden, vor allem auf Wilhelm Polligkeit und Hans Muthesius, bezieht.

Verein und Vorsitzende verstanden es, eine Strategie des Überlebens und der Ausweitung in so verschiedenen Staatsformen wie Monarchie, Republik, Faschismus und parlamentarische Demokratie zu entwickeln.

Der Deutsche Verein (für Armenpflege und Wohltätigkeit, ab 1919: für öffentliche und private Fürsorge) entwickelte sich nach und nach von

“ELEMENTE UNSCHÄDLICH MACHEN” 100 Jahre Fürsorgeerziehung = 100 Jahre Zwangsmaßnahmen

Schon im 2. Jahr seines Bestehens beschloß der Deutsche Verein für Armen-

pflege und Wohltätigkeit (heute: für öffentliche und private Fürsorge):

“die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, der Gesetzgebung eine Bestimmung einzufügen, wonach es in ähnlicher Weise, wie nach dem preußischen Gesetze vom 21. Mai 1855

Art. 13 der Fall war, den Behörden wiederum zustände, arbeitsfähige Personen, welchen

zu ihrem eigenen Unterhalt oder zum Unterhalt ihrer Familie öffentliche Unterstützung gewährt werden muß, ohne vorgängige gerichtliche Prozedur

durch eine Verwaltungsprozedur, welche mit Garantien des Schutzes gegen etwaige Willkür ausgerüstet ist, zur Arbeit innerhalb oder außerhalb des Arbeits-

hauses anzuhalten.” (Zitiert nach DV 88. Heft, 1909 S. 3)

Dieser Antrag wurde mehrfach wiederholt (1883, 1887, 1898).

Als dennoch im Reichstag rechtsstaatliche Bedenken geäußert wurden,

variierte Landsberg unter Berufung auf mehrere Schriften des DV die Vor- stellungen:

Der Arbeitsscheue sei bis zu einem gewissen Grade der Willkür des betreffenden Unterneh- mers unterworfen, damit dieser direkten Zwang zur Arbeit gegen ihn ausüben kann. Nur “schwere” Mißhandlung werde dem Arbeitgeber untersagt. Die Widersetzlich- keit des Arbeitsscheuen gegen den Arbeitgeber, ebenso wie die Flucht, werde als Verge- hen und zwar, statt mit Haft oder Gefängnis, mit Arbeitshaus bestraft. Den Arbeitslohn zahlt der Unternehmer an die Gemeinde oder einen autorisierten Verein bar aus, der Verein beziehungsweise die Gemeinde reicht dafür der Familie des Arbeitsscheuen und diesem in Höhe des Lohnes Naturalverpflegung. Dieser Zustand des Arbeitsscheuen soll befristet sein, ist aber für den zweiten Rückfall bis zur Erledigung der Abhängigkeit der Familie des Arbeitsscheuen von dessen Erwerb auszudehnen. Diese Behandlung des Ar- beitsscheuen ist keine Strafe, sondern lediglich eine Maßregel der Zweckmäßigkeit, wie die Internierung eines Irren in der Irrenanstalt. ...

Die Hauptsache aber ist es, die so gefährlichen Personen dauernd unschädlich zu machen, ohne sie in einer der Humanität widerstrebenden Weise zu behandeln. Die geschehe

durch dauernde Verwahrung 1) in einer Arbeitsanstalt oder durch Deportation zu einer überseeischen Straf- und Arbeitsanstalt, nicht zur “Strafe”, sondern zum Zweck der Si- cherung. (Landsberg 1896, S. 21 u. 41)

Und endlich wird wenigstens in Preußen durch das sogenannte Arbeitsscheuen- gesetz” von 1912 den sich “gegenüber den Faulen in Not und Drangsal befinden-

den Armenverwaltungen” geholfen: $ la. Wer selbst oder in der Person seiner Ehefrau oder seiner noch nicht 16 Jahre alten

Kinder aus öffentlichen Armenmitteln unterstützt wird, kann auch gegen seinen Willen auf Antrag des unterstützenden oder des erstattungspflichtigen Armenverbandes durch ‚Beschluß des Kreis- (Stadt-) Ausschusses für die Dauer der Unterstützungsbedürftigkeit

in einer öffentlichen Arbeitsanstalt oder in einer staatlich als geeignet anerkannten Privat- anstalt untergebracht werden.

Also ohne Gerichtsverfahren. Doch das ging dem DV noch nicht weit genug, zumal nicht alle Länder folgten. Zwar wurde unmittelbar nach dem Kriege zu- nächst nur die Anstaltserziehung für sittlich gefährdete oder verwahrloste Jugendliche” (Polligkeit 1920) gefordert, doch schon ab 1922 setzte der DV eine Kommission für ein ““Bewahrungsgesetz”, wie es jetzt hieß, ein, die 1926 eine Eingabe an die Reichsregierung formulierte:

“Mit großer Genugtuunghaben unser Verein und die in ihm vertretenen Fachkreise davon Kenntnis genommen, daß die Reichsregierung die Vorarbeiten für ein Bewahrungsgesetz in Angriff genommen hat. Ein solches Gesetz wird seit Jahren als notwendige Ergänzung

des Systems der Fürsorge empfunden, um Personen, die infolge geistiger oder psychischer Mängel verwahrlost sind oder zu verwahrlosen drohen, von der Gefahr der Verwahrlosung und ihrer Folgen zu schützen, zugleich auch die Kosten herabzumindern, die heute in Staat und Gesellschaft durch das gemeinschädliche Verhalten solcher Personen verursacht werden. Das Fehlen eines solchen Gesetzes macht es heute unmöglich, eine wirksame Be- kämpfung des ungeordneten Wanderns, des Landstreichens und der Prostitution aufzuneh- men, da sich gerade unter diesen Personen solche befinden, bei denen der Hang zu einem ungeordneten, arbeitsscheuen oder liederlichen Lebenswandel auf geistigen oder psychischen Mängeln beruht. Wir begegnen solchen haltlosen Menschen ferner unter den Gruppen der Trunksüchtigen und sonstigen Rauschgiftkranken und auch unter den Geschlechtskranken. Schließlich sind die Fälle nicht selten, in denen geistesschwache oder sonst psychisch defek- te uneheliche Mütter immer wieder das Opfer einer Verführung werden und ihre meist ebenfalls psychisch defekten Kinder der öffentlichen Fürsorge überlassen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß das Fehlen der Möglichkeit, solche haltlosen Personen zu ihrem eigenen Schutz in Bewahrung zu nehmen, eine dauernde und schwere Belastung der Öffentlichkeit darstellt. (Aus Nachrichtendienst des Deutschen Vereins (ND) von 1926

S. 346)

Immer wieder wurde ein “Zusammenwirken” der Fürsorgeträger “mit Polizei und Gericht gegenüber Arbeitsscheuen, Landstreichern und Bettlern’’gefordert, um ‘die Freizügigkeit zu beschränken’ (ND 1930, S. 315). Die Gedankenwelt des Faschismus begann nicht erst 1933, sie erhielt sodann nur einen deutliche- ren Ausdruck und der Deutsche Verein wirkte mit. In einer Festschrift des DV zum Thema “Arbeitseinsatz und Arbeitserziehung durch Fürsorge, mit dem vor- angestellten Leitmotiv ‘Die deutsche Fürsorge hat sich zur nationalsozialisti- schen Hilfe der Gemeinschaft und Erziehung zur Gemeinschaft gewandelt’’, schrieb Hans Muthesius eine zeitgemäße Begründung zur ‘“Pflichtarbeit” als “Maßnahmen des Fürsorgeamtes, die als Auslese- und Erziehungsmittel uner- läßlich sind”. (1938, S. 22) Und 1938 schrieb Baumgärtner in einem Beitrag zur Schrift “Der nichtseßhafte Mensch” (Mitautoren: Reichsminister Frick und Polligkeit):

Es finden sich unter den mittellosen Wanderern in der Tat zahlreiche gefährliche Gewohn- heitsverbrecher, die bei ihrer unsteten Lebensweise eine besondere Bedrohung für die Volksgemeinschaft bedeuten. Die aktiven Verbrechernaturen bleiben allerdings weit hin- ter dem Heer der Gewohnheitsverbrecher aus Schwäche zurück. Doch auch diese “Schwächlinge’” sind nicht minder ernst zu nehmen. 347) Zwar begehen sie nur leichte Delikte, weil ihnen die Kraft zur schweren Kriminalität fehlt. Für die Volksgemeinschaft aber sind auch sie in gleicher Weise eine Gefahr. 348) Ihre Gefährlichkeit ist ihre schuld- hafte Lebensführung, ihr gemeinschaftsbelastender Zustand. 349) Bettel und Landstrei- cherei sind lediglich die Symptome dieser chronischen Gefährlichkeit.

Diesem Autor, der sich ausdrücklich auf Polligkeit bezieht, gingen die Gesetze des NS-Regimes noch nicht weit genug:

“Die unverbesserlichen, gewohnheitsmäßigen arbeitsscheuen Vagabunden, die Psychopa- then, die nicht unter die Geisteskrankheit und Geistesschwäche fallen, sind auf die Dauer zu bewahren.” (aaO S. 115)

Doch kaum ist das 3. Reich zusammengebrochen, da fordert eine Referentin auf einer Tagung des DV “zur Überwindung der deutschen Volksnot’ Verord- nungen

“zur Unterbringung verwahrloster Frauen und Mädchen.... Die zuständigen Stellen sollen „ermächtigt werden, Frauen und Mädchen über 18 Jahren, die durch ihren Lebenswan- del zur Verbreitung von Geschlechtskrankheiten beitragen und damit eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten, oder die sonst verwahrlost sind, aufzugreifen und in einer entsprechenden Anstalt einer geregelten Arbeit, einem geordneten Leben und einer er- zieherischen Beeinflussung zuzuführen’ (DV Heft 1, Reihe B, 1947 S. 58)

Auch für die “männlichen Jugendlichen” von 18-25 Jahren werden zur Gewöh- nung an “geordnete Arbeit” wieder Arbeitserziehungsanstalten’’ gefordert. (Ebenda, S. 59)

einer zunächst mehr losen Zusammenkunft honoriger Herren zu einer mächtigen Organisation mit fast 100 Mitarbeitern, über 2 500 Mitglie-

dern, einer eigenen Akademie und Tagungsstätte. Einfluß beruhen vor allem auf zwei Strategien:

Seine Erfolge und sein ® Eine breit gefächerte Mitgliederstruktur aus Kommunen, Staatsadmi- nistrationen, Wohlfahrts verbänden und Einzelpersonen (von Wissen- schaft, Wirtschaft und Pensionären), die bei aller Streuung doch der Repräsentanten der Kommunen und

stets vor allem vom Interesse Kommunalverbände beeinflußt wurde. Diese Verbindung von persönli- chen Privilegien und delegierter Macht ist zwar auch in vergleich-

baren Verbänden vorfindbar, jedoch nirgendwo so geballt vereinigt wie im Deutschen Verein. Das bedeutet aber zugleich: Es ist nicht der Verband, der real von Armut und Fürsorge Betroffenen, sondern der ihrer Verwalter. è In seiner Aufgabenstellung hat sich der Deutsche Verein stets vor allem als Clearingstelle der Zuständigkeiten und lange als eine Vereinigung zum Schutze der Kommunen bzw. der Abwehr neuer Belastun- gen verstanden und soweit hierzu inhaltlich Positionen zur Legiti- mierung erforderlich waren, standen sie stets im Einklang mit den vorherrschenden zeitgeschichtlichen Strömungen mit einer hinter den Erfordernissen der Zeit nachhinkenden Bereitschaft zu Reformen.

DIE OFFIZIOSE SCHALTSTELLE

hl korporative als auch persönliche Mitgliedschaf- ten. Gegründet von einer Reihe Einzelpersonen, überwiegend in kommu- naler Armenfürsorge tätig traten ihm sehr bald Gemeinden, Gemeinde- verbände und öffentliche Landesorganisationen und nur zögernd auch kirchliche und sonstige Träger der Armenfürsorge bei. Sieben Jahre nach der Gründung gehörten ihm 146 Städte, 19 kommunale und landes- rechtliche Träger an, dagegen nur 27 Vereine, vorwiegend solche mit dem Titelzusatz "gegen Bettelei", ferner rund 150 Einzelmitglieder, durchweg mit wohlklingenden Titeln, darunter eine Reihe bekannter Industrieller.

Heute zählt der DV neben 1 140 Einzelpersonen, 631 Städte, Kreise, Gemeinden und kommunale Ämter, 65 Bundes- und Landesbehörden, sowie 713 Verbände, sonstige Organisationen und Betriebe zu seinen Mitglie- dern (Stand: 1977). Es sind also sehr viel mehr Verbände und Betrie- darunter fast alle Dachverbände konfessioneller Dennoch bilden die Städte den größten geschlossenen Block in der Mitgliedschaft. Und um die traditionelle Gewichtung aufrecht zu erhalten wurde 1976 eine Satzungsänderung be- schlossen, nach der künftig die Gemeinden (und anderen kommunalen Instanzen), Bundes- und Landesbehörden sowie die Bundes- und Landes- verbände der Wohlfahrtspflege jeweils 3 Stimmen je Mitgliedschaft zählen. Dies gilt nicht für örtliche und Kreis-Verbände der sogenann-

Der DV kennt sowo

be dem DV beigetreten, und paritätischer Wohlfahrt.

ten freien Träger.

Hieraus, wie auch aus der Zusammensetzung der Vorstände ergibt sich die Dominanz der kommunalen Interessen, zumal auch sehr viele der Einzelmitglieder pensionierte oder aktive Kommunalpolitiker sind, Zwar hat sich der DV wiederholt zum subsidiären und auch pluralisti-

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schen Prinzip bekannt, zugleich hat er aber auch für sich in Anspruch genommen, über die Interessen einzelner Spitzen- und Fachverbände hinweg eine Art "offiziöse Schaltstelle"zu sein. Schon 1912 begrün- dete Wilh. POLLIGKEIT den Vorrang öffentlicher Fürsorge mit einem Führungsanspruch gegenüber der freien Wohlfahrtspflege, wobei er dies noch nicht auf den DV bezog und Weisungsbefugnis ablehnte. Später, und inzwischen für Jahrzehnte der massgebliche Mann des DV, sprach er sich für eine Art "Flurbereinigung'"

unter den Fachorganisationen aus, die nebeneinander und oft in Unkennt- nis voneinander arbeiten. Da er jedoch richtig sah, daß der Versuch, die "einzelnen Fachorganisationen in unseren Verein einzugliedern ...an den Widerständen ... scheitern würde", entwarf er die Vorstel- lung einer besseren "Arbeitsteilung im Zusammenwirken" und ihm schwebte eine Art ständiger "Ältestenausschuß" vor. (Zitate nach ND 1927, S. 270). Dieses Ziel haben dann die Nationalsozialisten auf ihre Weise realisiert (und den DV integriert). In der Nachkriegszeit ist es dem DV dann wieder gelungen, seine Stellung in der BRD so zu stärken, daß er heute als die mächtigste Organisation im Fürsorgebe- reich anzusehen ist, so mächtig, daß er alle Versuche der Bundesre- gierung zu einer Neuordnung des Organisationswesens unbeschadet zu- rückweisen konnte . (Vgl. LÜERS 1977, S. 268)

DIE OPPORTUNISTISCHE REFORMBEREITSCHAFT

Das Bekenntnis zur Notwendigkeit von Reformen ist im Fürsorgewesen so alt, wie es Träger der sozialen Arbeit gibt. Dazu waren die Not der Betroffenen und die Zweifel an den Hilfeformen zu unüberseh-

und hörbar. Auch der DV war stets für Reformen:

© In der Monarchie

zur "Überbrückung der Klassengegensätze" und gegen "selbstsüchtige Bestrebungen einzelner Bevölkerungsteile" (aus der Gründungsver samm- lung zitiert nach ND 1930 §. 324) - was im Klartext hieß: der DV war Teil des Kampfes gegen die Gewerkschaften und Sozialdemokratie.

® In der Weimarer Republik

trat der DV für eine stärkere Berücksichtigung des Individualprin- zips ein, die Fürsorge sollte von den Besonderheiten des Einzelfalls ausgehen. Dabei wurden zwar die Finanznöte der öffentlichen Hände, nicht jedoch die ökonomischen Zwänge des Wirtschaftssystems betont.

® Im Dritten Reich

jubelte POLLIGKEIT als Sprecher des DV: "Was lange Jahre unmöglich war, tst jetzt erreicht" und erklärte zum neuen Grundsatz "jedem das Seine, aber nur in dem Maße, wie es das Wohl des ganzen Staates verlangt". (Zitate nach ND 1933, S. 67) Dieser schnellen Anpassung verdankte der DV ein zunächst eigenständiges und später ab 1937

in das NS-Regime eingepaßtes Überleben. Rechtzeitig vor dem Kriege wurde die Frage der Verwendbarkeit des Einzelnen als Soldat oder Ar- beiter zum Mittelpunkt der Fürsorgetätigkeit erhoben.

© In den ersten Jahren der parlamentarischen Demokratie betonte der DV das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit und erinnerte zunehmend

rwirklichung an die Kriterien der

bei der Diskussion über seine Ve 1 fähigkeit der Träger.

Wirtschaftlichkeit und Leistungs

1äßt sich immer wieder aufzeigen: In vie- d auch Kommissionsvorschlägen zeigt der und - selten genug -~ auch progressiven h stößt er jedoch stets wieder auf die So kommt es, daß alle inhaltlich der Hürde der administrativen Kri-

Diese Widersprüchlichkeit len Einzeldiskussionen un DV Ansätze einer innovativen Reformbereitschaft. Letztlic Grenzen seiner eigenen Struktur.

weiter führenden Diskussionen an terien der Zuordnung, Abgrenzung und Machbarkeit scheitern. unistische Anpassungsfähigkeit auch

Offensichtlich ist diese opport t

ein Ausdruck widersprüchlicher Gestaltung der Sozialpolitik. Die

in ihren Traditionen verharrende Administration muß Defizite der po-

litisch-parlamentarischen Politikgestaltung ausgleichen und es kann ntanten nicht verargt werden, wenn sie

den im DV versammelten Repräse > nd mangelnder Ressourcen ım Wider-

sich angesichts vieler Aufgaben u " spruch zur Reformbereitschaft neuen Tendenzen abwartend gegenüber

verhalten. r Sehr befremdlich ist jedoch die völlig unkritische Distanz des DV Repräsentanten, vor allem Wilh.

zu seiner Geschichte und zu seinen j a ; POLLIGKEIT und Hans MUTHESIUS. Am Wirken von POLLIGKEIT läßt sich

zeigen, wie fließend die Übergänge von einem System zum anderen wa- ren und wie wenig Chancen für wirklich neue Anfänge bestanden. Liest man seine frühen Schriften mit seinem unkritischen Staatsverständnis und der Sorge vor der "Zersetzung unseres Volkskörpers" (1908, S. 833% so erklären sich auch die peinlichen Anbiederungsversuche an das NS-

Regime. (siehe auch S. ) Sie waren ja nicht ungewöhnlich.

Ein deutscher Sozialpolitiker, der auch unbestreitbare Verdienste hat - doch sein Verein tut 1946 so, als habe es die NS-Zeit nie gegeben.

Auch darinein deutscher Verein.

Wie sagte doch POLLIGKEIT schon beim 50-jährigem Jubiläum: "Als deutscher Verein will er deutsches Kulturgut auf dem beson-

deren Gebiete des Fürsorgewesens pflegen, deutscher Kultur und deut-

schem Volkstum dienen".

LITERATURHINWEISE

l. Schriften des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit,

1881 - 1917 2. Schriften des Deutschen Vereins für sorge, ab 1920. Hier insbesondere: lung der deutschen Fürsorge, 75 Jahre ND = Nachrichtendienst des Deutschen Vereins... LAMMERS, A.: Staatsarmenpflege, Berlin 1881 OERTZEN, Cl. von: Armenpflege in Deutschland, Gotha 1898 LANDSBERG, J.F.: Bettelei, Landstreicherei und Armenpflege, Düsseldorf 1896 7. POLLIGKEIT, W.: Das Rec 8. Der nichtseßhafte Mensc und Menschenordnung im Großdeutschen Reich. Darin Bei BAUMGÄRTNER, POLLIGKEIT u.a. 9, LÜERS, U.: Im Irrgarten der Sozia BARABAS, BLANKE, SACHSSE u. STASCHEI 1978, Reinbek 1977

öffentliche und private Für- 1955, Beiträge zur Entwick- Deutscher Verein

ab 1920

O 60

ht des Kindes auf Erziehung, Dresden 1908 h - Ein Beitrag zur Neugestaltung der Raum- träge von

1- und Jugendhilfeträger. In: T: Jahrbuch der Sozialarbeit

Bes

HISTORISCHE DOKUMENTE AUSZÜGE AUS DEM NACHRICHTENDIENST DES DEUTSCHEN VEREINS

DER DEUTSCHE VEREIN IM GESCHEHEN SEINER ZEIT —OFFIZIELLE GESCHICHTSSCHREIBUNG-— (aus: 75 Jahre Deutscher Verein, C.Heymanns Verlag 1955 )

1935 Der DV erhält eine neue Sat-

zung, die eine Bildung der Ver- einsorgane nach nationalsozialistischen Gesichtspunkten vorsieht. Der Leiter des Hauptamtes für Volkswohlfahrt der NSDAP beruft den Amtsleiter Alt- haus zum Vorsitzenden des DV. Prof. Polligkeit wird gezwungen, seinen Vor- sitz niederzulegen. Mit dieser Satzungs- änderung, die den DV dem Einfluß des Hauptamtes für Volkswohlfahrt der NSDAP preisgibt, verliert er die Fähigkeit, innerlich frei und selbstän- dig nach fachlichen Gesichtspunkten

Fürsorgepolitik zu betreiben.

1936 Die Geschäftsstelle des DV von Frankfurt a. M. nach Berlin ver- legt. Der bisherige Geschäftsführer, Prof. Dr. Polligkeit, wird beurlaubt. Als Herausgeber des ND zeichnet Reichsamtsleiter Althaus.

1937 Der DV wird in den „Reichs-

zusammenschluß für öffentliche und freie Wohlfahrtspflege“ als dessen wissenschaftliches Organ aufgenom- men, wobei ihm, wie er bekannt gibt, die Aufgabe zugedacht sei, insbeson- dere die Fragen, die für die Zusam- menarbeit zwischen öffentlicher und privater Wohlfahrtspflege von Bedeu- tung sind, in der bisherigen Weise wissenschaftlich zu bearbeiten und für die Praxis nutzbar zu machen.

1938 Die Zahl der von der öffent- 31.12. lichen Fürsorge laufend unter-

stützten Personen ist auf 1 462 000 zurückgegangen.

1938 Im DV befaßt man sich mit Jan. der Frage einer Erweiterung

der gesetzlichen Unterhalts- pflicht zu einer „Familiennotgemein-

schaft“.

23.— Die Würzburger Tagung des DV 24.5. behandelt u.a. das Thema „Ar-

beitseinsatz und Arbeitserziehung durch Fürsorge.“ Deutschland hat sich, wie es in der Motivierung dieser The- matik heißt, vom „Wohlfahrtsstaat zum Arbeitsstaat“ entwickelt. „Die kol- lektive Fürsorge hat sich zur national- sozialistischen Hilfe der Gemeinschaft und Erziehung zur Gemeinschaft ge- wandelt. Fürsorge ist nicht mehr Mit- leid mit dem Schwachen, sondern Hil- fe zum Starkwerden. Die Wohlfahrts- pflege ist im nationalsozialistischen Staat besonders darum bemüht, die von ihr Betreuten zu arbeitswilligen und arbeitsfähigen Menschen zu ma- chen, die als Arbeiter in der Nation ihre Pflicht tun.“

1938 Hitler Oberbefehlshaber der Wehrmacht.

Nach vorheriger Zustimmung Groß-

britanniens, Frankreichs und Italiens

im Münchener Abkommen Vereini-

gung des Sudetenlandes mit dem Deut-

schen Reich.

‘Nationalsozialisten organisieren am 8.

und 9. November Ausschreitungen ge- gen die Juden. Die systematische Ver- folgung der Juden durch die Macht- haber des 3. Reiches endet mit dem Tode von Millionen in Vernichtungs- lagern.

MITTEILUNG DES VORSTANDES VOM 8.MAI 1933 (aus: Nachrichtendienst des DV S.66/1933)

An die Mitglieder unseres Vereins.

Von dem ernsten Willen beseelt, audı die Arbeit im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorzı in den Dienst der nationalen Erhebung und des Aufbauwerkes der Reichsregierung zu stellen, hat unter dem 24. März ds. Js. eine Reihe von Vorstandsmitgliedern den Antrag gestellt, in Verfolgung dieses Zieles zunächst die Organe des Vereins (Vorstand und Hauptausschuß) neu zu bilden. Mit allen gegen eine Stimme hat darauf- hin der Vorstand unter Niederlegung seiner Aemter mir bis auf weiteres die Funktionen des Vorstandes im Sinne der Vereinssatzung übertragen und midı zugleich beauftragt, zur gegebenen Zeit die Neuwahl des Vor- standes und Hauptausschusses des Vereins in die Wege zu leiten. Im Falle einer Verhinderung werde ich durdı Herrn Schatzrat Dr. Hartmann vertreten,

Die Neuwahl des Vorstandes, die satzungsgemäß durch den Ilauptausschuß zu erfolgen hat, setzt eine Neubildung des Hauptausschusses voraus, da dieser durdı das Ausscheiden zahlreidıer Mitglieder zusammen- geschrumpft ist und in seiner Zusammensetzung nicht die Kräfte umfaßt, die für eine Beteiligung des Vereins an dem bevorstehenden Aufbauwerk unentbehrlich sind. Die für diese Wahl zuständige Mitgliederversammlung wird erst Wahlen vornehmen können, wenn in den Kommunalverwaltungen, aus deren Kreisen sidi die Mitglieder des Hauptausscdusses zu einem erheblichen Teil zusammensetzen, eine endgültige Besetzung der Fachdezernate fü: Wohlfahrtspflege erfolgt ist. Aus diesem Grunde ist ein Ueberleitungsausschuft gebildet worden, dem folgende

Personen beigetreten sind: Professor Dr. Polligkeit, als Vorsitzender Öberbürgermeister Dr. Neinhaus, Heidelberg Landrat Dr, Röhrig, Weimar Pfarrer Dr. Stahl, Wiesbaden komm. Präsident Dr. Storck, Lübeck. Pfarrer Wendelin, Dresden.

Landesdircktor von Arnim, Berlin

1. Bürgermeister Fiehler, München

Schatzrat Dr. Hartmann, Hannover

Prälat Dr. Kreutz, Freiburg

Landrat Matthaei, Recklinghausen Der Überleitungsausschuß hat am 29. April und 5. Mai in Berlin getagt und mir Vollmacht erteilt, die Geschäfte des Vereins bis zur Neubildung der Vereinsorgane fortzufübren. Weiterhin ist der Hauptausschuf des Verein: für aufgelöst erklärt worden. Bis auf weiteres übernimmt der Überleitungsausshufi die Aufgaben des Haupt- ausschusses, Eine Neufassung der Vereinssatzungen ist in Vorbereitung, Zur Genehmigung dieser neuen Satzung und zur Vornahme von Neuwahlen wird zu gegebener Zeit eine Mitgliederversammlung einberufen.

Getreu seiner jahrzehntelangen Überlieferung, gestützt auf das Vertrauen und die lebendige Mitarbeit seiner Mitglieder wird unser Verein auch in der kommenden Zeit sein Bestes zu leisten suchen im Dienst au den Not- leidenden und am Gemeinwohl. Neue Aufgaben, aber auch neue Möglichkeiten stehen vor uns, ihre Grüße und Bedeutung für das von der Reichsregierung begonnene Aufbauwerk habe ich in einem Aufsatz gekennzeichnet,

der die vorliegende Nummer des „Nachrichtendienstes“ einleitet. Professor Dr. Polligkeit.

Frankfurt a. M., den 8, Mai 1933.

DAS FÜRSORGEWESEN IM AUFBAUPROGRAMM DER REICHSREGIERUNG ( Aufsatz v. Wilhelm Polligkeit in NDV 1/1933, S.66 -67 Auszüge)

Nach langen Jahren tiefer Enttäuschung durchzieht eine Welle neuen Hoffens und des Glaubens an eine bes- sere Zukunft unser Volk. Mit aller Wucht ist der Wille zum Durchbruch gelangt, gegen die inneren und äußeren Mächte anzukämpfen, die den Wiederaufstieg Deutsdı- lands niederhalten. Dieser Wille zur Gegenwehr allein schon ist ein Erfolg. Denn die seelischen Kräfte zu be- leben, die unter der Wirkung der letzten Krisenjahre nachließen und die Gefahr eines Defaitismus zeitigten, war die unerläßliche Voraussetzung, um in gemeinsamer Anstrengung die Not der Gegenwart zu überwinden.

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Adolf Hitler, der Führer der nationalen Revolution, hat unserem Volk dieses Vertrauen in seine eigene Kraft wiedergegeben. ... Auf der 50-Jahr-Feier un- scres Vereins, die am 26. November 1950 in Berlin statt- fand und in ihren Verhandlungen dem Thema „Die Stellung der Wohlfahrtspflege zur Wirtschaft, zum Staat und zum Menschen“ gewidmet war, kennzeidinete der Unterzeichnete als Vorsitzender in seiner Begrüßungs- ansprache die Zielsetzung des Vereins mit folgenden Worten:

„Der Name des Vereins ist ein Programm. Als deutscher Verein will er deutsdies Kulturgut auf dem besonderen Gebiete des Fürsorgewesens pflegen, deutscher Kultur und deutschem Volkstum dienen. Weit über die jetzigen Grenzen unseres Vaterlandes reichen seine Beziehungen, und wenn wir heute die besondere Freude haben, Freunde aus ehemals reiche- deutschen und deutsdıstimmigen Gebieten des Aus- landes unter uns zu sehen, so sei das ein Anlaf, er- neut zu bekunden, daß wir unabhängig von politischen Grenzen und Hemmungen die Erhaltung und Reinhal- tung deutscher Art im Fürsorgewesen als eine heilige Aufgabe deutscher Kulturpolitik und damit auch un- seres Vereins betradıten. _........

Was lange Jahre unmöglich war, ist jetzt erreichbar. Die straffe Zusammenfassung der Gesetzgebungsgewalt in den Händen der Reichsre- gierung ermöglicht eine Neuordnung des Fürsorgewe- sens, wie es den Zeiterfordernissen entspricht. Nicht mehr steht die Gefahr abweichender Regelung durch die Landesgesetzgebung entgegen. Die Gefahren von Kompromissen, wie sie sidı in den Parlamenten als die typische Lösungsform herausgebilklet hatten, sind be- seitigt. Gegenüber dem Gruppenegoismus, der einseitige Vorteile ohne Rücksicht auf die Benachteiligung anderer Volksteile erstrebte, steht zur Abwehr der Grundsatz, daß zwar jedem das Seine gebührt, aber doch nur in dem Maße, wie es das Wohl des ganzen Staates ver- langt. Gegen eine Uebersteigerung des Fürsorgegedan- kens tritt heute mit Recht die Forderung nadı verstärkter Selbsthilfe und Selbstverantwortung auf. Im Grunde ist es nur ein Besinnen auf die gesunden Prinzipien wohl- verstandener Fürsorge. Kampf, Risiko und äußerste An- spannung eigener Kräfte sind unverzichtbare Bestand- teile des Lebens.

DIE WOHLFAHRTSPFLEGE IM DRITTEN REICH ( Rede des Regierungspräsidenten Matthaei auf der Mitgliederversammlung

vom Februar 1934, abgedruckt in NDV 1934, S.42 ff - Auszüge)

Deutiche Volksgenoſſen, deutſche Xolfägenojjinnen!

Seit der legten Tagung de3 Deutſchen Vereins für offent- lihe und private Fürforge ift ein gewaltige Gejcheben über Deutſchland hingebrauft. Jahrelang Ihon mußten ehte Man. ner und rauen mit Sorge in die Zukunft jeben bei der Ent: wiclung, welche die Verhältniffe in innen- und außenpoliti iher Sinficht nahm. Wenn auh der Deutſche Verein fid nie malg um Politik gekümmert bat, fo gebt es doh nicht an, a! der politiihen Entwidlung vorbeizugehen und in dem Ginn weiter zu arbeiten, wie bisher. Das ganze Tenfen und Fühlen de3 Deutschen Volkes ift durch die nationalſozialiſtiſche Nevo- lution jo gewaltig umgeſtaltet, dab alles, was wir wollen. wiinfchen und bandeln, eingeftelt werden muß auf das eine Biel: die Grundgedanfen deg Nationalloztalismus im Deut- ihen Wolf zu verwirklichen. Deshalb mijjen wir alle, die mir in der Moblfahrtspflege arbeiten, uns Far werden über dic Grundgedanken des Nationaljozialismus und über ihre Mus wirkung auf die Wohlfahrtspflege. ES iit jelbitverjtändlic. daf; diejenigen Kreiſe, die früber oft verſucht haben, mit ihren Ideen im Deutſchen Verein Fuß zu fallen, beute nicht mehr unter uns weilen. Ste haben aus dem Satzungsentwurf er- ichen, daß wir diefe Kreiſe nicht mehr unter uns als mii beratend und mitarbeitend baben wollen.

Als alter Freund dea Vereins, der über ein Sahrzehn: defien Arbeit bat verfolgen dürfen, zum Zeil aud jelbjt daran beteiligt war, babe ich erlebt, daß e3 der Vereinsleitung unter Führung von Profeſſor Polligfeit oft Schwer geweſen ift, fit der an fie berangetragenen internationalen, pazifiſtiſchen, bon Humanitätsduſelei erfüllten Gedanfengänge zu eriwehren. Ic: bebe aber deutlich hervor, day e3 unter der Führung von Prof. Nolligfeit ausgezeichnet gelungen ift, dieſe Kräfte niederzu- “alten und fie nicht zur Führung kommen zu laſſen. Für die Jufunft ift es felbftverftändlid, dağ nur und ausſchließlich ser Nationalfozialismus als Grundlage der Vereinsarbeit be rachtet wird,

Sch ſpreche in Ihrer aller Namen, wenn ich aus Anlaß der eutigen Verſammlung erkläre, daß wir nichts anderes fein vollen als getreue und zuverläflige Arbeiter am Aufbau des Dritten Reiches, die nichts andere3 wollen, als ihrem Führer ldolf Hitler feine ſchwere Arbeit erleichtern. . . ..

Entſchuldigen Sie, wenn ich in meinen Ausführungen im— mer wieder politiſch werde, aber es ift nötig, um die Haupt— gefahr aufzuzeigen: die Gefahr der Thjeftivität. Bon woher fam fie? Vom Judentum. Das Judentum fonnte allein bei joldjer Objektivität gewinnen, e8 ging davon aus, das deutſche

Volk daran zu hindern, jubjektiv zu fein, und feine eigenen Ssntereffen, Raſſe und Volfstum in den Vordergrund zu ſtel— len. Wir Deutichen mit unferer Saglidyfeit find hereingefallen, wenn wir dem Judentum auf dem Weg der Objektivität ge- folgt find. Heute wijfen wir, daß dies ein falicher Weg iſt. ....

Wir werden heute dafiir jorgen, daß die Gedanfen des Nationaljozialiamus fih durchſetzen und daß dem deutichen Volk, ſoweit es notleidet,befier und durchgreifender gebolfenwird.

Sch babe vorher die Abfichten der. Eozialdemofratie für Volt und Staat angedeutet. Was ift im Gegenfaß hierau das einzige Biel unſeres Führers? Volt und Staat fo miteinander au verbinden, daß es Feine Unterſchiede zwiichen beiden Ne- griffen mehr gibt, jondern dab jeder Einzelne fidh als Volks— genoſſe und Teil des Staates fühlt: und nicht Die Mochte an crite Stelle ſiellt, ſondern die Pflichten. Wir wollen ins Xoli die VUeberzeugung tragen., dal; Jeder Einzelne niht nur für ſeinen enaeren Xebensfreis, die Familie, jondern aud fiir die Geſamtheit dte Verantwortung übernimmt. Drei Geſichts punkte müſſen für unſere Arbeit maßgebend ſein: Die Wohl fahrtspflege muß danach trachten, fid ſelbſt überflüſſig au machen. Das Verantwortungsbewußtſein des Einzelnen fikh ich und feine Familie muß geſtärkt werden. Wohliahrtspflege iſt nur Solange und in dem Umfange berechtigt und möglich— als diewirtſchaftlichen Verhältniſſe hierfür die Mittel übrig baben.

Aus defen Grundſäßtzen ergeben ſich Me Unterſchiede zwi— iden der früheren Auffaſſung von Wohlfahrtspflege und dem, was künftig an deren Stelle tritt.

Der Führer hat es zum Gemeingut des Volkes gemacht. daß jeder ſich gegenüber der Allgemeinheit verantwortlich zu fühlen bat. Ym allermeiſten miijfen fih die Eltern kinderrei cher Familien dieſer Verantwortung bewußt fein. Sm prakti— ſchen Leben beſtätigt ſich, daß jedes Kind mehr eine weitere Einſchränkung der perſönlichen Bedürfniſſe der Eltern bede- tet. Es darf nicht ſoweit kommen, daß die geiſtesbeſchränkte Mutter alljährlich niederkommt, ohne jemals einen Vater an— geben zu können. Hier fehlt es am Verantwortungsbewußtſein. Es iſt eine Sünde und Schande, daß wir unſer deutſches Voll durch erbgeſchädigte Kinder weiter verſeuchen laſſen. Muß hier nicht der Staat eingreifen? Entſpringt ein Eingreifen nicht der Verantwortung, die wir unſerm Gott gegenüber übernom— men haben?

Unſer Führer wird uns alle auf einen Nenner bringen,

Unter der Fülle der uns geſtellten Aufgaben nenne ich Bevölkerungspolitik, Geſundheitsweſen, Siedlungsweſen. War es nicht eine Schande, in welchem Umfange die Propaganda für eine Geburtenkontrolle getrieben wurde? Man vergleiche nur im Gegenſatz zu den Verhältniſſen der letzten Jahre die Kinderzahl auf Grund von alten Stammbäumen. Hat man

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früher gefragt, ob man fih Kinder leijten fann? Die Propa- ganda für Geburteneinihränfung geht freilich auf das inter- nationale Judentum zurüd, das ein Recht verfiindete auf ein Sichausleben in jeder Hinſicht. Der Nationalſozialismus fagt dem Ginzelnen, er diirfe fih nur inſoweit ausleben, al3 ba- durch nicht die Allgemeinheit geichädigt wird.

Man hat die Erziehung der Jugend gröblich vernacdhläfjigt. Die jungen Mädchen wollten lieber Damen als Dienjtmäd- hen fein, hatten feine Ahnung von Haushalt und Kinder- pflege, wenn fie heirateten. Nele gewaltigen Aufgaben bat die NS-Frauenſchaft zu erfüllen, um die Mädchen zur Haus- frau und Mutter vorzubereiten und um fie wieder ftola dar- auf zu machen, diefe Pflichten zu erfüllen. Sie müffen erfen- nen, daß fie dadurd) an der Zufunft des Volkes mitarbeiten!

Bei der Erziehung der jungen Mädchen hört man öfter3 den Einwand, wir fönnen nicht alle heiraten. Es gibt aud heute noch typiiche Fyrauenberufe, 3.8. den Beruf der Für- jorgerin. Freilich muß diejer Beruf im Einne des National- lezialismug erfüllt werden und im Sinne einer Abkehr von der materialiittichen Einjtellung. ....

Sd habe verjudht, in großen Zügen die Srundgedanfen des Nationaljozialismus und ihre Muswirfung auf die Wohl: fohrtspflege zu zeigen. Adolf Hitler trog feiner Größe wird die gewaltigen Mufgaben allein niht bewältigen fünnen, wenn wir nicht alle als feine Soldaten mit ibm fämpfen mit aller Kraft und mit ganzem Herzen! HSeılSitler!

SCHLUSSWORT DES VORSITZENDEN PROF. POLLIGKEIT ( Mitgliederversammlung Februar 1934, abgedruckt in NDV 1934, Seite 34 ff. Auszüge )

Deutihe Volf3genojfen!

Es wird Ihnen, wie mir perfünlid, ein Bedürfnis fein, unjerem alten Freund und Mitarbeiter Regierungspräfident Matthaei aufrichtig und berzlidy für jeine Ausführungen zu danfen. Er hat ung die Grundgedanken und Ziele unferer Mr- beit dargelegt. Auch wenn er von Einzelheiten und perjönlichen Auffaſſungen fprad), fo zeigte er dod, dag c zur Zeit nidi darauf anfommt, über Einzelfragen zu debattieren, jondern, daß wir uns an die große Linie halten müjjen, daß wir Sol: daten eines Führers find, Glieder eines Nolfes, Verfechter eines Gedanfens, verantwortliche Mithelfer an der Erfüllung cines großen Bieles! Innerhalb unferes Irbeitägebietes fommt e3 gegenüber mannigfachen Auseinanderſetzungen Im

36—

früherer Zeit, gegenüber Streitigfeiten über Cinzelfragen vor allem darauf an, fih zufammenzufinden in dem Streben, die Arbeit im Sinne der Nidhtlinien des Führers zu tun. Ich ſtimme hierin mit den Musführungen von Seren Regierungs— präjidenten Matthaei völlig überein, möchte fie nur in einigen Nunften nod) ergänzen... ..

Zu Beginn der Tagung babe ich gelagt, dağ heute nod)

nicht der Nugenblid gekommen ift, um über die äußere Form su ſprechen, in der die Vereinsarbeit fünftig weitergeführt werden fann. Xediglich al perjönliches Bekenntnis und nicht al3 offizielle Stellungnahme unſeres Vereins möchte id) fagen: Sch habe im Laufe meiner Berufstätigkeit gelernt, dat die Quellen, die ein Volkstum ſpeiſen, immer von unten heraus und aus dem Bolte unmittelbar dringen. Es ift unfere Aufgabe, die- jen Quellen nachzuſpüren. Wir alle jteben vor der Murgabe, die Kräfte des Volkes zufammenzufafien, um damit ein ein- beitliches Volfstum zu fihern. Tag Ziel ift von unjerem be- gnadeten Führer Adolf Hitler aufgezeichnet, der in ciner ge- nial intuitiven Art jedem Volksgenoſſen flar machte, daß er jelber das Seine beizutragen habe und daß es darauf an- fommt, al3 Soldaten des Dritten Reihs in Reih und Glied zu ftehen. Unjer Führer bat die Arbeit der NS-Volfsmohl- fahrt ins Leben gerufen, die in der furzen Reit ihres Be- ſtehen Rieſiges geleiitet hat... .. Es geht darum, deutiches Kulturgut zu erhalten und, wie Herr Prafident Matthaei fagte, dem Fiihrer feine ichivere Mr- beit zu erleichtern. Sollten unſere Dienſte hierzu gebraudt werden, fol die Arbeit, die wir bisher geleiftet haben, aud fünftig nutzbar gemacht werden, jo dürfen Sie überzeugt fein, dag wir mit einem rüdbaltlofen Bekenntnis zum national- foztaltjtiihen Staat und zu unſerem Führer jteben.

Wir gedenken in diefer Stunde mit Dankbarkeit und Ver- trauen der Männer, die Deutichland aus feiner Not heraus— geführt baben. Ein dreifaches Ziegbeil unierem Führer und "olfsfanzler Wolf itler und unjerem Reichspräſidenten Generalfeldmarihall von Hindenburg!

= B7

100 JAHRE DEUTSCHER VEREIN 4 JAHRE INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE KÖLN

"Der Deutsche Verein besteht 1980 100 Jahre. Aus diesem besonderen Anlaß findet der 69. Deutsche Fürsorgetag im Jubiläumsjahr am Vereins: sitz in Frankfurt statt. Der Festakt in der Paulskirche und das Kon- zept des Deutschen Fürsorgetages im Messegelände sind von einem be- sonderen Vorstandsausschuß und von einer Arbeitsgruppe der hauptamt- lichen Referenten in der Geschäftsstelle vorbereitet worden. Es wird

im Grundsatz an dem bewährten Tagungsablauf der vorhergehenden Für- sorgetage festgehalten." (NDV 11/1979)

Und wie sieht der "bewährte Tagungsablauf'" aus? Da werden 3 Tage lang Reden gehalten: "Fachleute" aus der ganzen BRD werden in 18 Arbeitsgruppen "Soziales" diskutieren; am Schluß gibt's dann ein Buch, in dem nochmal alles zusammengefaßt wird, was da so an Vor- trägen und Berichten erzählt wurde. (- Man könnte eigentlich viel Geld sparen, wenn man gleich das Buch herausgeben würde -) Und wer sind die "Fachleute"? Das sind u.a. Sozialarbeiter, Verbands- funktionäre von den Wohlfahrtsverbänden, Ministerialbeamte, Verwal- tungsleute von den Sozial- und Jugendämtern und, und, und. Die ein- zigen, die hier fehlen, sind die über die man diskutiert: die So- zialhilfeempfänger, Rentner, Behinderten, die Frauen aus den Frauen- häusern. Und warum? Höchstwahrscheinlich weil sie bei soviel "Fach- leuten" nur stören würden. So wie z.B. beim letzten Fürsorgetag in Dortmund, wo den Vertretern der Dortmunder Selbsthilfe das Mikrofon einfach abgedreht wurde! - Denn "es wird im Grundsatz an dem bewähr- ten Tagungsablauf festgehalten"! - Und wo kämen wir hin, wenn auf einmal die Leute, über deren Köpfe hinweg der Deutsche Verein Sozial- politik macht: ® Preis- und Tragezeitlisten für Bekleidungsbeihilfen empfiehlt ® empfiehlt, die Bekleidungsbeihilfen nicht zu pauschalieren, weil sonst alles zu teuer wird und - Gott sei Dank - noch nicht einmal die Hälfte der Beihilfeberechtigten ihre Ansprüche geltend machen auch einmal zu Wort kämen.

Wenn das alles mal bekannter würde, dann wäre sicherlich der "bewähr-

te Tagungsablauf" getrübt.

Und das wollen wir dieses Mal auch machen. Deswegen der Aktionstag,

deswegen gibt es auch uns: die Interessengruppe Sozialhilfe Köln e.V.!

Es ist längst Zeit, den "Fachleuten" mal zu sagen, was sie so alles

mit ihrer Fachlichkeit in den letzten 100 Jahren erreicht haben!

© So wird heute immer noch das KINDERGELD als einziger Bevölkerungs- gruppe den Sozialhilfeempfängern als Einkommen auf die Sozialhilfe angerechnet

© So ist es heute noch immer jedem KLEINRENTNER ganz egal, wie hoch die Rentenerhöhung ist, ob Brutto- oder Nettorente. Denn er ist so- wieso auf Sozialhilfe angewiesen. Und was bei der Rente erhöht wird, wird bei der Sozialhilfe gestrichen. Unterm Strich bleibt 0!

“ÜBER RECHTE AUFGEKLÄRT”

—Weitverzweigte Aktionsgruppe informiert die Sozialhilfeempfänger—

Von Andrea Lindenau

Mit großem Programm hatte die „Interessengruppe Sozialhil- fe e.V," zum Nachbarschaftsfest ins Gemeindehaus St. Franzis- kus in Bilderstöckchen geladen. Gründe zum Feiern gab es ge- nug: gelunaene Offentlichkeits- arbeit der Gruppe Nippes, vor allem der große Erfolg der er- stellten Broschüre „Tips für So- zialhilfeempfänger“, die nur von Betroffenen erarbeitet wurde.

Das Fest war nach einhelliger Meinung eine gelungene Sache, die großen Vorbereitungen hat- ten sich gelohnt. Für nur wenig Eintrittsgeld die Künstler traten alle ohne Honorar auf wurde den Besuchern einiges geboten, vom Schlager bis zum Rock. Die Nippeser Gruppe stand auch setbst auf der Bühne: mit einem selbstgetexteten Lied nach einer Melodie von den Bläck Fööss „Hück es Zahl- daag om Sozialamp“.

Die Interessengruppe, die in Köln mittlerweile etwa 80 Mit- glieder stark ist und in mehre- ren Stadtteilen Untergruppen aufgebaut hat, ist entstanden aus der Erfahruna, daß man ge- meinsam stärker ist. Die Proble- me, mit denen man als Sozial- hilfeempfänger zu kämpfen hat, sind vielfältig: Es fängt so wurde betont damit an, daß mancher seine Rechte gar nicht kennt, geschweige denn weiß, wie man sie durchsetzen kann.

Der Gang zum Sozialamt ge- hört für viele Betroffene nicht gerade zu den angenehmsten Wegen: Als Gründe nennt die Interessengruppe die „teils er- niedrigende Behandlung” durch die Sachbearbeiter, zu lange Bearbeitungsdauer auf Grund Personalmangels, schlechte und unpräzise Auskünfte.

In diesem Punkt hat die Gruppe schon eine Reaktion der Stadt erreicht: Der Leiter des allgemeinen sozialen Dienstes, Bernd Mauermann, der auch zum Fest nach Bilderstöckchen gekommen war, nannte als po sitives Resultat der Zusammen- arbeit eine Schulung für Sach- bearbeiter, die eine sachgerech- tere Bearbeitung ermöglichen soll.

Neben der Wahrnehmung der bestehenden Rechte formuliert die Interessengruppe Sozialhilfe auch darüber. hinausgehende Forderungen. In erster Linie fordert sie die Abschaffung der Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen, denn jeder deutsche Bürger bekommt un- abhängig von seinem Einkom- men für seine Kinder Kinder- geld der Sozialhilfeempfän- ger allerdings bekommt es auf Heller und Pfennig von den Beihilfesätzen wieder abgezo- gen. Um diese Forderung zu un- terstützen, wurden bisher schon etwa 1500 Unterschriften ge- sammelt und beim Fest der Landtagsabgeordneten Anke Brunn übergeben, die versprach, sich entsprechend dafür einzu- setzen.

In ihrem Treffpunkt an der Longericher Straße hat die Nip- peser Gruppe mittlerweile eine Kleiderkammer eingerichtet ein Stück Selbsthilfe, das gro- ßen Anklang gefunden hat. Ne- ben der Arbeit verbringen die Mitglieder auch oft ihre Freizeit zusammen: Ausflüge und Zelt- lager wurden schon organisiert, und ab und zu erlaubt man sich den für Sozialhilfeempfänger teuren Spaß des Kegelns.

Besonders stolz sind die Mit- arbeiter der Interessengruppe auf ihre Broschüre „Tips für So- zialhilfeempfänger“,

Kölner Stadtanzeiger v. 25.1.1979

© So werden heute immer noch ALLEINERZIEHENDE FRAUEN diskriminiert. Wenn sie einen Freund haben, heißt es nämlich: Sozialhilfe gestri- chen - dein Freund kann zahlen!

und, und, und

Und um dies alles mal zu ändern, um unsere "Fachlichkeit'" als Betrof-

fene und Leidtragende ins Spiel zu bringen, gibt es seit 4 Jahren die

Interessengruppe Sozialhilfe Köln e.V. !!!

Damals haben wir ganz klein in Köln-Chorweiler angefangen. Wir haben

uns mit den damals noch herrschenden Zuständen am örtlichen Sozial-

amt auseinandergesetzt (Lebensmittelgutscheine gab's statt Bargeld;

l mal wöchentlich Zahltag; viel zu enge Räume und zu wenig Sachbear-

beiter und vieles mehr). Tja, einiges haben wir ja ändern können,

aber vieles ging nicht, weil es da z.B. Richtlinien vom Deutschen

Verein gibt, an die sich die Kölner Sozialämter halten. Oder weil

da Bundesministerien für zuständig sind und Gesetze geändert werden

müßten. Und wir haben damals noch etwas erfahren und gelernt: die

ohnmächtige Wut, die viele Sozialhilfeempfänger ihrem Sozialamt ge-

genüber empfinden:

® die Hilflosigkeit und die mangelhafte Informiertheit über die Rechtsansprüche

@ die einseitige, meist negative Information der Öffentlichkeit über Sozialhilfeempfänger - das sind doch alles Penner und Arbeitsscheue. die auf Kosten der Steuerzahler in Saus und Braus leben.

Und da haben wir uns gesagt, wir müssen dreierlei machen:

© 1. müssen wir die Sozialhilfeempfänger, die wir kennen, in ihren Rechten beraten. Dann müssen wir 2. sehen, daß wir ein anderes Bild in der Öffent- lichkeit über Sozialhilfeempfänger dargestellt bekommen.

© Und als letztes müssen wir versuchen - und, wo wir können, helfen - daß es viele, viele andere Sozialhilfe-Gruppen gibt, damit eines Tages eine "Gewerkschaft der Armen" entsteht, und wir nicht mehr von den "Fachleuten à la Deutscher Verein" abhängig sind!!!

Heute gibt es schon über 50 Sozialhilfegruppen alleine in Nordrhein- Westfalen. Das finden wir dufte! Im Februar dieses Jahres haben wir unser eigenes Büro aufgemacht, wo keine "Fachleute" sitzen, sondern "Leute vom Fach" - nämlich wir Sozialhilfeempfänger selber!!!

Wir wünschen uns, daß der Aktionstag genauso ein Erfolg wird, wie die beiden Kindergelddemonstrationen im letzten Jahr. Wir wünschen uns und allen anderen Sozialhilfeempfängern, daß im Jahr des 100jäh- rigen Bestehens des Deutschen Vereins endlich eine "Gewerkschaft der Armen" auf die Beine kommt. Denn nur gemeinsam können wir uns mit

unseren Forderungen gegen die "Fachleute des Deutschen Vereins" durchsetzen!!!

—1

INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE HAGEN

Die Interessengruppe Sozialhilfe informiert alle Betroffenen im Rah- men des Bundessozialhilfegesetzes. Alle Fragen, die von Sachbearbei- tern ungenügend beantwortet wurden, alle Fragen, die wegen mangeln- der Information nicht gestellt wurden, werden jeden Freitag von

15 - 19 Uhr am Rastebaum 22 mit Ihnen besprochen. Wenn nötig, schrei- ben wir Ihren Antrag, Ihren Widerspruch oder wir gehen mit Ihnen zum Sozialamt.

Die Kinder können zu jedem Gruppentreffen mitgebracht werden, ein großer Spielplatz ist direkt vor der Tür.

Wir veranstalten gemeinsame Nachmittage, Wanderungen, Kinderpartys usw. All diese Dinge lassen sich nur planen und durchführen, wenn

Sie auch mithelfen. Wir möbeln Ihr Selbstbewußtsein schon wieder auf.

KINDERGELDFORDERUNG IN BONN ZWEITER ANLAUF

Wie bereits in unserer ersten Broschüre berichtet, war für den 20.10.1979 eine Kundgebung aller Sozialhilfeempfänger, bezüglich der Kindergeldforderung, in Bonn angesetzt.

Da sich unser Verein bisher noch selbst finanzieren muß, war es sehr problematisch, das Geld für einen Bus aufzutreiben. An vielen Stellen, die wir hier nicht einzeln aufführen möchten, wurden wir abgewiesen oder gar nicht erst angehört. Erst nach endlosen Telefonaten und

einem Aufruf in der Zeitung sagte uns die SPD und CDU Hagen zu, je

die Hälfte beizusteuern. Wir möchten uns hiermit nochmals recht herz- lich bedanken.

Die Abfahrt war für 8 Uhr angesetzt. Wir hatten mittlerweile 30 So- zialhilfeempfänger und Interessierte zusammengetrommelt. Wenn man be- denkt, daß es in Hagen ca. 3.000 Sozialhilfeempfänger gibt, war das Interesse eigentlich recht mager.

Erster Zwischenstop war bereits in Vorhalle. Unsere lieben Kleinen hatten es vor der Abfahrt versäumt, das stille Örtchen aufzusuchen. Dieses mußte nun dringendst nachgeholt werden.

Nach der zweiten Pause auf der Autobahn kamen wir dann doch noch wi- der Erwarten pünktlich um 10 Uhr in Bonn an der Beethovenhalle an.

Da unser Busfahrer, HerrSomborn, stets etwas ängstlich seinen Bus be- obachtet hatte, konnte sich unser Schriftführer folgende Bemerkung nicht verkneifen: "Für eine Gruppe "Asozialer' habt Ihr Euch wirk- lich gut gehalten. Wir können ja ruhig aussprechen, was unsere Nach- barn denken!" Hier mußte selbst Herr Somborn schmunzeln.

Leichte Panik kam beim Verlassen des Busses auf. Alles menschenleer.

Keine Busse zu sehen, Sollten wir uns im Datum vertan haben? - Nach 10 Minuten ängstlichen Wartens kam die Befreiung. Aus allen Richtun-

E re

gen strömten Busse mit weiteren Demonstranten auf die Parkplätze. Wir mußtanuns jedoch alle noch bis zum Abmarsch zum Münsterplatz in Geduld fassen. Wie wir vom Veranstalter der Demonstration "Sozialer Brennpunkt Hessen eV" erfuhren, wurden ca. 50 Gruppen erwartet. Wäh- rend der Wartezeit vertrieben wir uns die kalten Füße mit flotter Musik. Es waren einige bekannte Schlager zur Unterstützung unserer Forderungen umgedichtet worden. Auch nahmen wir Kontakte zu anderen Gruppen auf. Einige von uns wurden mutig und begaben sich an den Ver- kauf unserer Broschüre "Arm sein is dooof", Selbst die Polizisten wurden nicht verschont und mußten den Geldbeutel zücken.

Unsere Kinder wurden nun allerdings langsam ungeduldig. Einer der

Jüngsten fragte verzweifelt: "Streiken wir jetzt hier solange, bis wir das Kindergeld bekommen?"

Bis 11.30 Uhr hatten sich ca. 3.000 Demonstranten eingefunden,und

wir marschierten geschlossen, unsere Spruchbänder straffend, zum Münsterplatz. Ein Kamerateam begleitete uns. Die Polizei riegelte

die Straßen ab, so daß wir ohne Unterbrechungen um 12 Uhr in der Fußgängerzone eintrafen.

Hier war bereits vom Veranstalter ein Podium für die Redner errich- tet worden. Die Organisation war wirklich tadellos.

Trotz Rufchören nach der Familienministerin Frau A. Huber tauchte keiner der geladenen Politiker auf. Obwohl sie bereits seit Monaten eingeladen waren, vermieden sie auch diesmal wieder ein Gespräch mit uns.

Als erstes erfolgte nun die Begrüßung aller anwesenden Gruppen. Wir waren angenehm überrascht,daß sich mittlerweile so viele Anhänger un- serer Sache in ganz Deutschland zusammengetan haben.

Zur Unterstützung unserer Kindergeldforderung wurden 10 400 Unter- schriften abgegeben.

Nun kamen einige der Gruppenmitglieder zu Wort. Es wurde darauf hin- gewiesen, daß dies die erste Demonstration von Sozialhilfeempfängern in der BRD sei. Und daß wir uns nicht mehr schämen, uns in der Öf- fentlichkeit dazu zu bekennen. Wir wollen nun für unsere Rechte kämpfen. Es wurde auch Kritik an der Herzlosigkeit des Staates geübt. Obwohl dies die zweite Zusammenkunft in Bonn war, wurden wir wiederum von den Politikern ignoriert. Wo bleibt die Gleichheit des Menschen vor dem Grundgesetz! Uns nimmt man ganz offensichtlich nicht für voll. Wir werden uns jedoch zu wehren wissen und auf uns aufmerksam machen. Einer der Redner bemerkte sehr treffend: "Unsere Politiker haben ja genug, deshalb ist auch keiner hier! Die werden trotz ihres Gehaltes nicht rot, wenn sie auch noch zusätzlich das Kindergeld einstreichen." Außerdem wurde beklagt, daß soviel Geld für die Rüstung und Entwick-

lungshilfe gewährt, sollten die Verantwortlichen erst einmal die Miß- stände im eigenen Land beheben."

Gegen 13.30 Uhr löste sich die Kundgebung dann langsam auf, und wir strebten hungrig und fußkrank zu den Bussen. Herr Somborn brachte uns wohlbehalten wieder zurück.

Erreicht haben wir im Moment nur wenig. Aber es hat uns allen großen

Mut gemacht, daß sich so viele Menschen für die gleiche Sache ein- setzen.

Wir machen weiter! K. Huttegger

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—*

INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE DUISBURG

VOR DEM ANFANG

1977 erschien in Duisburg unter dem Titel: "SOZIALHILFE IN DUISBURG" eine Sozialhilfebroschüre. In der Broschüre stehen wichtige Hinwei- se über die Rechte der Sozialhilfeempfänger und wie man sich gegen die Bürokratie zur Wehr setzen kann. Diese Broschüre war Ausgangs- punkt zur Gründung der INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE IN DUISBURG.

DIE GRÜNDUNG DER INTERESSENGRUPPE SOZIALHILFE

Im November 1978 lud eine Sozialhilfeempfängerin aus Duisburg, die sich nicht mehr mit der schlechten Lage von Sozialhilfeempfängern abfinden wollte, andere Gleichgestellte zu einem gemeinsamen Erfah- rungsaustausch ein.

In der hiesigen Presse richtete sie einen Aufruf an alle Mitbetrof- fenen,zu dieser Aussprache zu kommen. Weil sie auch wußte und am eigenen Leib erfahren hatte, daß man ohne juristische Hilfe gegen den Machtfaktor Sozialamt nicht ankommt, lud sie wohlweislich einen Rechtsanwalt zu diesem Treffen ein. Dieser Rechtsanwalt kam und kommt auch noch heute zu fast jeder Zusammenkunft der Interessen- gruppe. Diesem Rechtsanwalt verdanken viele Sozialhilfeempfänger heute, daß sie ihre berechtigten Forderungen beim Sozialamt durch- setzen konnten und können. (Dieses nur nebenher). Das erste Treffen der Sozialhilfegruppe war ein voller Erfolg. Es kamen viele mit einem Paket von Sorgen.

Bei der Aussprache wurde vielen klar, daß man sich nur gemeinsam ge- gen das Sozialamt zur Wehr setzen und seine Rechte erkämpfen kann. Die Treffen wurden dann alle 14 Tage wiederholt und so ist es heu- te noch.

WAS GESCHAH WEITER?

Zu diesen besagten Treffen kamen viele Leute auch aus den weiter entfernten Stadtteilen, wie z.B. aus Hamborn. Auf die Dauer war

der Fahrtweg für viele zu lang und zu teuer. Deshalb überlegten wir, auch in Hamborn eine Interessengruppe aufzubauen. Die AWO in Ham- born-Kopernikusstraße war bereit, uns die erforderlichen Räumlich- keiten zur Verfügung zu stellen. Am 19. Februar 1979 gründete sich dann die Interessengruppe Sozialhilfe in Hamborn. Getroffen wird sich auch hier bis heute noch alle 14 Tage im Gemeinschaftszentrum der AWO , Kopernikusstraße 110. Unterstützt werden wir auch hier durch den Rechtsanwalt.

= bb

WIE ARBEITET DIE SOZIALHILFEGRUPPE

In Duisburg bestanden also im Februar 1979 zwei Stadtteilgruppen, die gemeinsam eine Interessengruppe bilden. Es können sich durchaus auch noch neue Stadtteilgruppen in Zukunft entwickeln, aber alle werden gemeinsam planen und Aktionen durchführen.

Nun Vorrang hat natürlich die Aussprache untereinander, d.h. wir finden uns l4tägig zusammen und diskutieren wie wir uns und dem Einzelnen helfen können, unsere Forderungen gegenüber dem Sozialamt durchzusetzen. Wir gehen mit zu den Sozialämtern, wir reden über Widersprüche gegen die Bescheide des Sozialamtes und helfen bei

der Formulierung. Einzelberatung ist ebenso möglich durch den Rechts- anwalt, wie auch mit Sozialarbeiterinnen der AWO oder auch mit Mit- gliedern der Interessengruppe. Wir geben dabei Erfahrungen weiter, die wir selber gemacht haben oder die uns von anderen Gruppen aus anderen Städten übermittelt werden. Wir helfen bei Anträgen für das Sozialamt sowie auch bei Anträgen für einmalige Beihilfen (Kleider- beihilfen, Kohlengeld, Möbelbeihilfen u.s.w.). Kurzum: Wir informie- ren über alle Fragen, die ein Sozialhilfeempfänger hat. n

Wir haben eine Kontaktadresse,an die sich jeder Sozialhilfeempfän- ger wenden kann. Die Personen der Kontaktadresse helfen selber so gut sie können. In dringenden und eiligen Angelegenheiten vermitteln sie an Rechtsanwalt oder Sozialarbeiter (die das Vertrauen der In- teressengruppe haben).

AKTIONEN DER INTERESSENGRUPPE

Eine sehr wichtige Angelegenheit ist auch die Öffentlichkeitsarbeit. Von Anfang an wurde dieses von der Interessengruppe Sozialhilfe er= kannt. Es wurden Zeitungsartikel verfasst, Reporter wurden eingela- den, die über das Los der Sozialhilfeempfänger in dem jeweiligen Presseorgan berichteten. Auch das Westdeutsche Fernsehen war auf

der Kopernikusstraße und hat Aufnahmen von der Sozialhilfegruppe ge- macht.

Die Interessengruppe hat mehrere Informationsstände zum Thema: j "SITUATION DER SOZIALHILFEEMPFÄNGER" gemacht, um die Öffentlichkeit auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. ; Beim 60jährigen Bestehen der AWO haben wir in der Mercatorhalle in Duisburg ebenfalls einen Infostand gemacht. Dort haben wir plastisch dargestellt mit was ein Hilfeempfänger auskommen muß. Bei jeder Öffentlichkeitsarbeit haben wir vom Sozialamt, dem Land und Bund gefordert:

l. Gebt uns endlich kostendeckende Regelsätze.

2. Gebt uns unser Kindergeld.

3. Laßt uns menschenwürdig leben. e ,

Dabei wurden in Duisburg ca. 1 400 Unterschriften für die Nichtan- rechnung des Kindergeldes auf die Sozialhilfe gesammelt. Das Kinder- geld wird den Sozialhilfeempfängern von der Sozialhilfeleistung abgezogen, so daß sie also als einzige Bürger der BRD kein Kinder- geld erhalten. Damit ist die Sozialhilfegruppe nicht einverstanden. Wir waren zweimal in Bonn und haben dort demonstriert. Am 20. Ok- tober 1979 zusammen mit rund 2 000 Sozialhilfeempfängern auch aus anderen Städten.

= HO

WIE SOLL ES WEITERGEHEN?

Wir werden uns nach wie vor alle 14 Tage im Gemeinschaftszentrum der AWO Kopernikusstraße 110 in Duisburg-Hamborn um 20.00 Uhr tref- fen. Darüberhinaus kommt jede Woche dienstags die Arbeitsgruppe der Interessengruppe Sozialhilfe zusammen, die übrigens Anfang 1980 ge- bildet wurde. Sie hat die Aufgabe, Briefe zu beantworten, Infostän- de vorzubereiten u.s.w.

In den einzelnen Stadtteilen sollen Informationsabende stattfinden, bei der die Interessengruppe Sozialhilfeempfänger über allgemeine Fragen der Sozialhilfe informieren möchte. Erstmals wird das am

25. Januar 1980 in Duisburg-Neumühl im Bürgerhaus stattfinden.

Wir haben diese Form der Information gewählt, um auch die Sozial- hilfeempfänger, die bisher nicht in die Gruppen kamen,anzusprechen. Zu der Öffentlichkeitsarbeit gehört auch, daß wir den engeren Kon- takt zu anderen Sozialhilfegruppen in anderen Städten verstärken. Dabei werden gemeinsame Aktionen geplant und durchgeführt, ebenso wird ein intensiver Informationsaustausch gepflegt. ; Interne Aktionen der Gruppe stehen auch noch an. Z.B. soll über eine Vereinsgründung der Interessengruppen weiter nachgedacht werden und eventuell noch in diesem Jahr verwirklicht werden.

SCHWIERIGKEITEN DER INTERESSENGRUPPE

Uns beschäftigt schon seit längerem die Frage der Vereinsgründung . Wir überlegen, ob es andere Möglichkeiten gibt, eine rechtliche Kör- perschaft zu verwirklichen oder ob unsere derzeitige Arbeits- und Gruppenform nicht eine Alternative ist. Die Gruppe legt auch keinen Wert auf Funktionärstum , so wie es sich manchmal in Vereinen heraus- entwickelt.

Neue in der Gruppe haben es oft schwer, bis sie genauestens über

die Arbeit und Aktionen der Gruppe unterrichtet sind. Die älteren Gruppenmitglieder haben meistens einen gewaltigen Informationsvor- sprung. Um dies auszugleichen, planen wir ein Wochenendseminar, was gleichzeitig dazu dienen soll, sich besser kennenzulernen.

Interessengruppe Sozialhilfe Duisburg

Kontaktadresse: Erna Colligno, Am Kreyenbergshof 51, 41 Duisburg ll, Telefon: 0203/59 63 65

ARBEITSGEMEINSCHAFT SOZIALBENACHTEILIGTER FAMILIEN HILDESHEIM

Auslösendes Moment der Gründung der Hildesheimer Gruppe war die skan- dalöse Tatsache, daß das Kindergeld auf die Sozialhilfe als Einkom- men mitangerechnet wird.

Ein Leserbrief unter dem Motto "Sozialhilfe-Empfänger sollen sich mel- den, die es auch ungerecht finden, daß Kindergeld als Einkommen ange- rechnet wird", war der Anfang unserer Arbeitsgemeinschaft. Am selben Tag meldeten sich per Telefon 17 Familien. 2 Wochen später (Mai 1979) trafen wir uns das erste Mal. Heute (Februar 1980) treffen sich etwa 40 Familien in regelmäßigen Abständen in der Altenbegegnungsstätte der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Drispenstedt, Ehrlicherstr. 18. Hier werden Probleme besprochen, wie zum Beispiel das Beantragen von Woh- nungsrenovierung oder Bekleidungshilfe; nicht nur die Kindergeldfra- ge ist hier Gesprächsthema.

Frau S., die Mitbegründerin der Hildesheimer Initiative "Für jedes bischen Recht muß ich kämpfen. Freiwillig rücken die auf dem Sozial- amt nichts raus, man bekommt kaum Informationen."

In Hildesheim veranstaltete die Initiative in letzter Zeit regelmäs-

sige Informationsabende, für die jeweils mit Flugblättern vor dem

Sozialamt geworben wurde. Im März wird ein Kindernachmittag veran-

staltet, wo neben Informationen auch eine Theatergruppe mit einge-

plant ist.

Weitere Aktionen waren bis heute:

® Information regionaler Zeitungen über die AG

® Einladungen und Schreiben an Ratsmitglieder, Sozialamt, Jugendamt, Landtags- und Bundestagsabgeordnete

® Verteilen von Info-Schriften vor dem Sozialamt der Stadt Hildes- heim

® Sternfahrt nach Bonn am 20.10.79

© Nordschau-Magazin Hannover dreht bei uns 3.12.79. 18.12.79 wurde der Film gezeigt (19.30)

® Anrufe und Adressen entgegengenommen (wegen der Sendung) .Aus dem

ganzen Sendegebiet (Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Holstein er- halten wir Post).

AG sozial benachteiligter Familien Niedersachsen, Ehrlicherstr. 18, 3200 Hildesheim, 05121/59841.

SELBSTHILFE GELSENKIRCHEN

ZWANGSARBEIT IN DER BRD UND WIE MAN SICH DAGEGEN ZUR WEHR SETZT

Zwangsarbeit - ein Wort, das nicht gerade häufig in Zusammenhang mit der BRD genannt wird. Aber es gibt sie, verkleidet unter dem Begriff "Hilfe zur Arbeit", jedenfalls für Sozialhilfeempfänger. Gerade in Gebieten großer Arbeitslosigkeit, wie bei uns im Ruhrgebiet, werden durchgängig alle arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger zur sogenannten gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit herangezogen. Die geforderten Arbeiten bestehen etwa darin, daß Männer das Parkstadion von Schalke 04 reinigen müssen; Frauen werden als Putzfrauen in Altenheimen ein- gesetzt, wozu gelegentlich auch einmal die Wohnung des Heimleiters gehört. Wer die Ableistung dieser Arbeiten verweigert, da er für sie keinenLohn erhält, bekommt auch keine Sozialhilfe mehr.

Bei diesem System sparen die Städte doppelt. Sie müssen keine Plan- stellen schaffen und die geforderte Arbeitsleistung nach Tariflohn bezahlen. Eine Vielzahl von insbesondere randständigen Sozialhilfe- empfängern (Nichtseßhafte, alleinstehende junge Erwachsene) nimmt lieber die Sperrung von Sozialhilfe in Kauf und schlägt sich anders durch, als solche Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Betroffene wer- den in Kriminalität abgedrängt, für die dann nicht mehr die Stadt, sondern die Justiz zuständig ist; die Stadt spart Kosten. Es gibt eın paar Sozialhilfeberechtigte weniger.

Nun zur Selbsthilfe Gelsenkirchen und zu dem, was wir zu dieser Si- tuation getan haben: Im Arbeitslosenprojekt der Selbsthilfe Gelsen- kirchen eV (Schreinerwerkstatt, Haushaltsauflösungen, Entrümpelun-

gen mit einem LKW, Teestube) arbeiten Jugendliche und junge Erwachse- ne mit, die Sozialhilfe beziehen. Dieses Projekt wird vom Landschafts- verband im Rahmen des Programms zur Bekämpfung der Jugendarbeitslo- sigkeit finanziert. Gleichzeitig macht das Sozialamt aber denjenigen Jugendlichen die Teilnahme an dieser Maßnahme unmöglich, die Sozial- hilfe beziehen, da diese zur Pflichtarbeit herangezogen werden.

Eine der Betroffenen wehrte sich dagegen und lehnte diese Arbeiten

ab, da sie durch die Pflichtarbeit nicht von der Sozialhilfe unabhän- gig wird, und ihr die Möglichkeit einer Betreuung durch diese Selbst- hilfe genommen würde. Desweiteren wies sie daraufhin, daß der In-

halt der Pflichtarbeit nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, sıe ıst Insbesondere nicht zusätzlich im Sinne des Bundessozialhilfe- gesetzes, es werden vielmehr solche Arbeiten ausgeführt, für die eigentlich Planstellen im Haushalt der Stadt vorhanden sein müßten (Putz- und Aufräumarbeiten).

Sie legte also gegen die Aufforderung des Sozialamtes zur Ableistung von Pflichtarbeit im Juni 1978 Widerspruch ein. Das Sozialamt rea- gierte, indem es die Sozialhilfe im September 1978 um 20 % kürzte

S

und die völlige Einstellung zum 1.10.79 ankündigte. Eine beim Ver- waltungsgericht Gelsenkirchen beantragte einstweilige Verfügung hat- te zunächst Erfolg. Das Sozialamt wurde verpflichtet, bis zur end- gültigen Entscheidung über die Widersprüche Sozialhilfe zu leisten. Auf Betreiben des Sozialamtes Gelsenkirchen änderte das Oberverwal- tungsgericht im Mai 1979 diese Entscheidung ab und gab der Stadt die Möglichkeit zurück, die Sozialhilfe zu kürzen. Hinzuweisen ist dabei darauf, daß es sich lediglich um ein Verfahren um Erlaß einer einst- weiligen Verfügung handelt, bei welchem der Sachverhalt nur grob ge- prüft werden kann. Eine endgültige Entscheidung steht also immer noch aus. Nachdem die Stadt die Behauptung der Betroffenen, sie sol- le Putzarbeiten ableisten, ein halbes Jahr unwidersprochen ließ, wur- de vor dem Verwaltungsgericht plötzlich behauptet, man erwarte von ihr Mithilfe bei der Betreuung alter Leute, etwa durch Zeitung vor- lesen, gemeinsame Spaziergänge etc.. Man will also vermeiden, daß die gängige Praxis, Betroffene zu Putzarbeiten heranzuziehen, von einem Verwaltungsgericht überprüft wird.

Ein ordentliches Gerichtsverfahren wird von der Stadtverwaltung Gel- senkirchen erheblich verzögert. Bis heute war die Stadtverwaltung nicht in der Lage, über Widersprüche vom Mai und September 1978 zu entscheiden. Stattdessen beschäftigt sich die Verwaltung damit, der Betroffenen möglichst viele Schwierigkeiten zu machen. Diese erhält seit Februar 1979 BAFöG, da sie die Abendreal-Schule besucht. Zu- nächst versuchte das Sozialamt Wohngeld einzubehalten, das für einen Zeitraum gezahlt wurde, in welchem sie keine Sozialhilfe bezog. Nachdem dieser Versuch aber mißlang, stellte das Sozialamt jetzt die Forderung an die Betroffene auf, die gesamte Sozialhilfe zurückzu- zahlen, da angeblich von Anfang an kein Anspruch bestanden hat, ob- wohl die Entscheidung im Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgericht noch aussteht. Auf dem Hintergrund der Tatsache, daß dieses Verfah- ren von der Stadtverwaltung verzögert wird, kann ein solches Schrei- ben nur als eine Schikane betrachtet werden. Dahinter steckt der Ver- such, betroffenen Sozialhilfeempfängern deutlich zu machen, mit wel- chen Konsequenzen zu rechnen ist, wenn sie versuchen, sich gegen Ent- scheidungen des Sozialamtes zu wehren. Für die Betroffene ist die Forderung,ca. 1.200,- DM innerhalb von 4 Wochen zurückzuzahlen,eine Bedrohung, zumal sie BAFöG bezieht und zu der Zahlung gar nicht in der Lage ist.

Sozialdezernent Neumann ließ vor wenigen Tagen (WAZ vom 05.12.79) verlauten, daß beim Sozialamt "jeder frei und offen seine ihm recht- lich zustehenden Ansprüche geltend machen kann". Die Wirklichkeit sieht genau anders aus.

Die Selbsthilfe Gelsenkirchen verfügt inzwischen über eine ausge- feilte rechtliche Argumentation zu diesem Problemkreis, die gute Aus- sichten für Betroffene bietet, sich gegen die Verpflichtung zur Zwangsarbeit zu wehren. Wer diese braucht, kann sich mit uns in Ver- bindung setzen:

Selbsthilfe Gelsenkirchen Horster Straße 46 oder 75 4660 Gelsenkirchen-Buer Telefon (0209) 59 33 28 37 85 58

LEITFADEN DER

—⸗ SOZIAL HILFE

Jutta Stößinger

“DEN ARMEN WOLLEN SIE MUT MACHEN” Frankfurter Leitfaden zur Sozialhilfe (aus: Frankfurter Rundschau v. 12.5.1979)

“Ich laß mir doch nichts schenken’, sagen die einen. “Das steht mir doch wahr- scheinlich gar nicht zu”, vermuten die anderen. Daß Sozialhilfe kein Almosen ist, sondern das verbriefte Recht eines jeden Bürgers, der seinen Lebensunterhalt vor- übergehend oder längerfristig nicht alleine sichern kann, wissen längst nicht alle. Kein Wunder: Das Amtsdeutsch zählt nicht gerade zur Umgangssprache, und mancher Sachbearbeiter hilft lieber Vater Staat beim Sparen als einem Rentner

über die Runden.

Das haben Dozenten und Studenten der Fachhochschule Frankfurt heraus- gefunden und einen allgemeinverständ- lichen „Leitfaden der Sozialhilfe“ er- stellt: Mit zahlreichen Tips, Berech- nungsbeispielen und Adressen.

"Mut machen das ist eines der Hauptanliegen der Verfasser. Und: Der Leitfaden soll für jeden verständlich, anwendbar und möglichst ausführlich sein Eigenschaften, die die Broschüre des Hessischen Sozialministerlums („Sozialleistungen in Hessen ein Wegweiser“) nach Meinung der Fach- hochschüler vermissen läßt. Zwar wer- den dort verschiedene Hilfeleistungen aufgezählt, aber „weder ist der Regel- satz erklärt, noch sind Rechenbeispiele aufgeführt, noch werden konkrete An- gaben zu Bemessungsgrundlagen ge- macht“. Die Frankfurter „Seniorenzei- tung“ ist, so heißt es weiter, „da eine lobenswerte Ausnahme“. Nur: Dort gibt es mehr Informationen über Freizeitan- gebote und städtische Vergünstigungen als über Details der Sozialhilfe.

Anders auf den 72 Seiten des „Sozial- hilfeleitfadens“: Da findet man Infor- mationen über die Antragstellung, über die sogenannten Regelsätze, über Klei- der-, Möbel-, Hausrat- und Brennstoff- beihilfen. Es gibt Informationen über eine Unterstützung bei Krankheiten, über WMüttergenesungskur, über die Altenhilfe, über Urlaubszuschüsse, über mögliche Übernahmen von Funk- und Fernsehgebühren, von Umzugs-, Reno- vierungs- und Reparaturkosten. Erklärt werden auch Möglichkeiten des Wider- spruchs und der Klage, wenn man meint, nicht anders zu seinem im Bun-

dessozialhilfegesetz verankerten Recht auf ein „menschenwürdiges Leben“ zu kommen.

Die Studenten und Dozenten der Fachhochschule haben den Leitfaden im Verlauf von mehreren Semestern erar- beitet, haben Gespräche mit möglichen Interessenten gesucht und Informa- tionsstände in Stadtteilen aufgebaut. Die Ergebnisse dieser Aktionen waren oft entmutigend. Betroffene lehnten das Gespräch bisweilen mit den Worten ab: „Das ist immer so ein Bettelkram, da schämt man sich so.“ Nichtbetroffene reagierten mitunter mit Vorurteilen: „Geht doch schaffen, dann braucht ihr keine Sozialhilfe.“ Und Fachkundige kriegten’s wohl auch manchmal mit der Angst: „Schickt uns bloß nicht noch mehr Leute ins Amt.“

Tatsächlich sind viele Sozialstationen überlastet. „Bereits vor 8 Uhr wartet eine große Anzahl von Ratsuchenden auf Einlaß ... eine Wartezeit von drei bis vier Stunden ist keine Seltenheit“, heißt es in einer Examensarbeit -von Frankfurter Fachhochschülern. Die Sozialarbeiter sind überfordert; 'manche mögen es auch mit jenem Trierer Amts- leiter halten, der vor zwei Jahren in einem Gespräch mit dem „Spiegel“ äußerte: „Wenn wir die Leute über ihre Ansprüche aufklären würden, wären wir sehr schnell pleite.“

Die Folge: Nur 24,1 Prozent der über 65jährigen bundesdeutschen Sozialhilfe- empfänger so eine Studie des Kölner Instituts für Sozialforschung gaben an, durch das Sozialamt über die bezo-

gene Hilfeleistung informiert worden zu sein.

E _

In Frankfurt bekommen rund 21 500 Bürger Sozialhilfe und/oder ständige Hilfe in besonderen Lebenslagen (Stand

Sozialhilfeleitfaden

für die Rentner

Ob jemand Anspruch auf Sozial- hilfe hat und wie man seinen Bedarf errechnet, zeigt folgendes Beispiel aus dem „Sozialhilfeleitfaden“:

„Das Rentnerehepaar X bezieht eine Rente von monatlich 960 Mark. Um festzustellen, ob das Ehepaar zu- sätzlich „ergänzende“ Sozialhilfe er- halten kann, ist folgende Rechnung notwendig:

297 Mark

Regelsatz für den Rentner

89,10

Mehrbedarfszuschlag (30 Prozent von 297 Mark), den er erhält, weil er über 65 Jahre alt ist.

238 Mark

Regelsatz für seine Frau

71,40

Mehrbedarfszuschlag (30 Prozent von 238 Mark), weil sie über 65 Jahre alt ist.

350 Mark

Miete inklusive Umlagen, abzüglich Wohngeld.

1045,50 Mark

Bedarf des Rentnerehepaares.

Wird von dieser Summe die Rente von 960 Mark abgezogen, so bleibt ein Anspruch auf Hilfe zum Lebens- unterhalt in Höhe von 85,50 Mark monatlich. Anders herum: das Rent- nerehepaar liegt mit seiner Rente um 85,50 Mark unter dem Bedarfsstart der Sozialhilfe. Das Ehepaar kann beim zuständigen Sozialamt „ergän- zende“ Sozialhilfe beantragen. Es kann außerdem die Übernahme von Kosten für Kleidung, Mobiliar, Hausrat, Brennstoff, erforderliche Renovierungen und Reparaturen bè- antragen. |

Erhält das Rentnerehepaar diese Hilfen, so braucht es in der Regel nicht zu befürchten, daß seine Kin- der vom Sozialamt in Anspruch ge- nommen werden. Nur bei sehr gut verdienenden Kindern könnte dies der Fall sein.“ JS.

y

einen

1977), wobei die Sozialhilfeempfänger in Heimen und Anstalten nicht‘ mitgezählt wurden. Die Zahl derer, die Anspruch auf die Unterstützung hätten, sie jedoch richt in Anspruch nehmen, ist schwer zu ermitteln. Immerhin heißt es in der Frankfurter Examensarbeit, daß „die Zahl der Personen in der Bumdesrepy- biik, deren Einkommen unter den Be- darfssätzen der Sozialhilfe liegt, - rund siebenmal so groß ist wie die Zhhl derer, die Sozialhilfe beziehen“.

Der Grund: Vielen eigentlich An- spruchsberechtigten fehlen die Informa- tionen über Sozialhilfe; andere haben Probleme mit der Antragstellung; wie- der andere (und oft kommt eins zum an- deren) fürchten, daß die Unterstützung zurückgezahlt werden muß (was nur in extremen Ausnahmefällen stimmt) oder daß die Kinder und Kindeskinder in die Pflicht genommen werden könnten (was für Enkelkinder gar nicht und für Kin- der nur selten zutrifft).

Schließlich: Oft schämen sich die Armen (im Unterschied zu manchem Reichen), staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Die Fachhochschüler: „In einer am Profit orientierten Gesell- schaft, in der nur der gesunde und voll- wertig Arbeitende mithalten kann, da werden Alte, Kranke, Arbeitsunfähige, Arbeitslose an den Rand gedrängt ... Sie glauben, daß sie versagt haben, daß sie selbst schuld an ihrer Not sind.“

Der Zusammenhang zwischen zuneh- mender Arbeitslosigkeit und einem stei- genden Bedarf an Sozialhilfe ist hinge- gen unübersehbar. Dies konstatierte auch das rheinland-pfälzische Sozial- ministerium in einer Dokumentation mit dem Titel „Begleiter der 'Arbeitslo- sigkeit: Abstieg und Armut“. Staatsmi- nister Georg Gölter berief sich auf die amtliche Sozialhilfestatistik von 1975, wonach schon damals die Zahl der Haushalte, die Sozialhilfe bezogen, aber (in der Regel, arbeitsfähigen)

HaushaltsvorsStand unter 60 Jahren hat- ten, um 66000 (22 Prozent) gestiegen war. Das Ministerium: „Die seither ein- getretene Entwicklung hat die finan- zielle Lage der Arbeitslosen erheblich verschärft.“

Unter der sogenannten „Armuts- grenze des Sozialhilfegesetzes“ sprich, unterm Existenzminimum kann nämlich auch derjenige liegen, der bislang gar keine Sozialhilfe bekommt, sondern noch Arbeitslosengeld oder -hilfe bezieht. Im Klartext: Die Unter» stützung vom Arbeitsamt plus Wohn- und Kindergeld kann in einzelnen Fällen noch geringer sein als die vom Sozial- amt. Das hat jedenfalls das Ministerium errechnet, Arbeitslose, die davon betrof- fen sind, können (ergänzende) Sozial- hilfe beantragen.

Sozialhilfe beantragen können aber auch vor allem Leute, die gar keine Ein- künfte und größere Ersparnisse haben oder deren Rente oder Nettoeinkünfte einschließlich Wohngeld, Kindergeld und Unterhaltszahlungen unter dem Be- darfssatz der Sozialhilfe liegen. Auch wer keinen Anspruch auf regelmäßige Hilfe zum Lebensunterhalt hat, aber unter einer bestimmten Einkommens- grenze liegt, kann in besonderen Notla- gen (Krankheit, Kur, Zahnersatz) Un- terstützung beantragen oder gelegent- liche Behilfen (für Kleidung, Möbel Hausrat) beziehen.

Der „Sozialhilfeleitfaden“ nennt in diesem Zusammenhang nicht nur die derzeit in Hessen gültigen Regelsätze (zum Beispiel: 297 Mark pro Monat für einen Haushaltsvorstand oder erwach- senen Alleinstehenden, 267 Mark für einen 15 bis 20 Jahre alten Haushaltsan- gehörigen, 134 Mark für ein Kind unter sieben Jahren), sondern erklärt auch, wie man seinen Bedarf an Sozialhilfe berechnet. Erklärt wird auch, was ein Mehrbedarfszuschlag ist und wer ihn zusätzlich zum Regelsatz bekommt: Nämlich Personen, die über 65 Jahre alt sind, Erwerbsunfähige, werdende Müt-

ter und Elternteile, die zwei, drei oder mehr Kinder alleine versorgen.

Erklärt wird weiter, wie man einen Antrag auf Sozialhilfe stellt und welche Papiere man vorlegen muß (Mietver- trag, Lohnbescheinigung, Rentenbe- scheid, Unterlagen über Versicherungs- beiträge zum Beispiel). Und erklärt wird

chließlich, wie man einen schriftlichen

Widerspruch gegen abschlägige Be- scheide aufsetzt und gegebenenfalls eine Klage einlettet, Für spezielle Probleme gibt es im Leitfaden außerdem einen Anhang von Adressen. Da ist die Alten- hilfe ebenso aufgeführt wie das Frauen- zentrum, der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, das Wohnungsamt und der Evangelische Volksdienst.

Für die umfassende Informations- schrift haben die Fachhochschüler in- zwischen bei zahlreichen Verbänden, Fachkrankenhäusern, Diakonischen Werken, Bahnhofsmissionen, Behinder- tenclubs, Altenheimen, Kinderschutz- stellen, Anwaltsbüros, Strafvollzugsan- stalten und Volkshochschulen aus dem ganzen Bundesgebiet (und sogar aus dem Ausland) Interesse geweckt. Über 600 briefliche Bestellungen und Anfra- gen zum Leitfaden liegen vor. Rund 9000 Hefte wurden inzwischen verkauft.

Die eigentlichen Adressaten, die Be— troffenen selbst, meldeten sich bisher weniger zahlreich. Ihre Briefe deuten das Ausmaß von noch vorhandener Not, von Uninformiertheit undScham nur an. Eine alleinstehende Mutter aus Düssel- dorf möchte beispielsweise wissen, ob ihr vielleicht besondere „Zuschüsse“ zu- stehen und schreibt: „Ich bekomme jeden Monat 425 Mark Sozialhilfe, dazu die Miete und die Sozialversicherung.” Dafür braucht niemand einen Knie- fall zu machen.

Der Sozialhilfeleitfaden ist gegen 2,50 Mark in Briefmarken zu bestellen über: Sozialhilfegruppe TUWAS, c/o Fach- hochschule, Fachbereich Sozialarbeit, Limescorso 5, 6000 Frankfurt/Main (siehe auch Kasten).

SOZIALHILFE - LEITFADEN BEHINDERTEN- LEITFADEN

Zu beziehen gegen je 2.50 DM in Briefmarken bei: AG TUWAS Fachhochschule, Fachbereich Sozialarbeit, Limescorso 5 6 Ffm 50

Frauenhaus Kassel

STELLUNGNAHME ZUM § 72 BSHG UND DEM GUTACHTEN DES DEUTSCHEN VEREINS

Ende 1977 ließen die Stadt Frankfurt und der Landeswohlfahrtsverband Hessen vom Deutschen Verein ein Rechtsgutachten erstellen.

Es ging um die Frage, wer für die Finanzierung des Frankfurter "Heim's für Mutter und Kind" zuständig ist.

Das Ergebnis dieses Gutachtens bestimmt heute die öffentliche Diskus- ston: überall sollen Frauenhäuser nach $ 72 BSHG finanziert werden. Das Gutachten des Deutschen Vereins ist abgedruckt in: Nachrichten- dienst des Deutschen Vereins, 1978, 5.77.

Nachfolgend kritisiert das Frauenhaus Kassel dieses Gutachten. Die Stellungnahme haben wir der Broschüre entnommen: "Frauenhäuser sol- len an die Kandare genommen werden! Selbstverwaltungskonzept in Ge- fahr! $ 72 BSHG für Frauenhäuser - nein danke!" Diese Broschüre ist über das Frauenhaus Kassel e.V., Postfach 101103, 35 Kassel zu be- ztehen. (die Redaktion)

VORBEMERKUNG

Im $ 72 BSHG wird die besondere Hilfe für bestimmte Randgruppen wie Obdachlose, Fixer usw. geregelt, die nicht mehr in der Lage sind,am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen und mit fremder Hilfe inte- griert werden müssen.

Der gleiche Paragraph ist maßgebend für die Bewilligung von Pflege- sätzen für mißhandelte Frauen, die ins Frauenhaus aufgenommen werden wollen. Im Gutachten des Deutschen Vereins wird deshalb auch als eine Voraussetzung für das Zutreffen des $ 72 BSHG ausgeführt, daß die Lebensverhältnisse einer geprügelten Frau "von den allgemeinen Lebensverhältnissen der Durchschnittsbevölkerung abweichen."

WEICHEN DIE LEBENSVERHÄLTNISSE MISSHANDELTER FRAUEN SPÜRBAR VON DENEN DER DURCHSCHNITTSBEVÖLKERUNG AB?

Gegen diese These spricht allein die große Anzahl der geschlagenen Frauen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kommt es in 5 Mio Haushalten in der BRD einmal monatlich zu schweren Prügeleien. Die Dunkelziffer dürfte hier nicht unerheblich sein.

Die Anzahl der Mißhandlungen von Frauen hat sich auch mit der Fami- lienrechtsreform nicht geändert, die formal die Vorrangstellung des Mannes in der Familie aufheben soll. Gerichte, Lehrbücher und Ver- waltungspraxis gehen nach wie vor von der "Hausfrauenehe" als die typische Form der Ehe aus. Bei der Sozialhilfe, dem Armenrechtsan- spruch, der Steuer usw. wird stets der Mann automatisch als Haus- haltsvorstand angesehen.

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Es wird deutlich, daß eine Gesetzesänderung noch lange nicht die Än- derung in der Praxis bedeutet. Es haben sich nur die Buchstaben ver- ändert, die diskriminierende Praxis ist geblieben. Breite öffentli- che Diskussionen, intensive Aufklärungsarbeit wurden in der Vorberei- tungsphase nicht geführt, eine breite Bewußtseinsänderung hat nicht stattgefunden, weder bei Männern noch bei Frauen, ebenso bei Rich- tern, Sozialarbeitern ...

Wir gehen davon aus, daß j ed e Frau einem Unterdrückungsverhält- nis unterliegt und nicht nur die geschlagenen Frauen; körperliche Gewalt ist die sichtbarste Ausformung des allgemein-gesellschaftli- chen Gewaltverhältnisses gegenüber Frauen. Oder anders gesagt: Auch Männer, die ihre Frau nicht schlagen, haben keine inhaltliche Beden- ken gegen Frauenmißhandlung; sie verfügen nur über ein anderes In- strumentarium der Unterdrückung. Zudem kanm nicht davon ausgegangen werden, daß Männer, die nicht mißhandeln, auch tatsächlich gegen private Gewalt sind oder sich gar dagegen einsetzen. Die Macht (Ge- walt)-Strukturen in der Beziehung Mann/Frau sind breit vorhanden und werden nur unterschiedlich praktiziert.

INSOFERN MEINEN WIR, DASS DIE LEBENSVERHÄLTNISSE MISSHANDELTER FRAUEN

NICHT "'SPÜRBAR" VON DENEN DER (WEIBLICHEN) DURCHSCHNITTSBEVÖLKERUNG ABWEICHEN!

Als Erscheinungsformen der besonderen Lebensverhältnisse mißhandel-

ter Frauen werden im Gutachten des Deutschen Vereins der "hohe Grad

der sozialen Ausgliederung" und die damit verbundenen "größeren Schwierigkeiten der Wiedereingliederung'' genannt, sowie mangelnde Außenkontakte der betroffenen Frauen und Ablehnung mißhandelter Frauen durch ihre Umwelt. Außerdem unterstellt Herr Giese in seinem Gutachten, daß Gewalt in der Ehe "strengster allgemeiner Mißbilligung" unterliegt.

IST DER SCHRITT INS FRAUENHAUS EINE SOZIALE AUSGLIEDERUNG?

Die soziale Ausgliederung der Frau besteht in ihrer Isolation während der Ehe aufgrund massiver Einschränkung durch den Mann und ihrer an- erzogenen "Bestimmung" für den Mann.

Wir sehen dies im Zusammenhang mit einer langen Kette der Erziehung und gesellschaftlichen "Aufbereitung" von Frauen: im Kindergarten, in der Schule, in den Medien. Werbeslogans wie "etwas schöner sein als andere macht Sie erfolgreicher bei Männern" oder "Ihr Erfolg ist Ihre Attraktivität" sind brutaler Ausdruck dieser gesellschaftlichen Zustände.

Solange das bestehende Rollenbild von Mann und Frau (und die daraus folgenden Konsequenzen) weder breit erkannt noch problematisiert wird, wird es auch keine "strengste allgemeine Mißbilligung von kör-

perlicher Gewalt in der Ehe" geben, wie im Gutachten des Herrn Giese behauptet wird.

_78

WIRD PRIVATE GEWALT ÖFFENTLICH MISSBILLIGT?

Wir sind der Meinung, daß Gewalt in der Ehe bzw. "Partnerschaft" allgemein als unproblematisch, normal angesehen wird, weil einerseits oft gar nicht bekannt wird, wenn ein Mann eine Frau schlägt und andererseits die meisten Frauen als auch die Männer das übliche Rollenbild ak- zeptieren, die Frau müsse dem Mann un- terlegen (= untertan) sein. Auch in Ehen und Beziehungen, in denen es nicht zu körperlicher Gewalt komt, gilt

der Mann als der Herr im Hause, der seine Frau zu Gehorsam bringen muß.

Immer wieder müssen wir bei Interviews mit Passanten auf der Straße feststellen, daß es als normal angesehen wird, wenn "die Frau mal eine hinter die Ohren kriegt". Ähnlich lautenden Äußerungen begeg- nen wir immer wieder bei Behördenbesuchen seitens der Sachbearbeiter. Diese Grundeinstellung drückt sich aus in weitverbreiteten Sprüchen wie "willst Du eine treue Frau, so schlage ihr die Augen blau". In einer Infas-Umfrage für den "Stern" hatten 35 % der Befragten nichts

dagegen, wenn Frauen mißhandelt werden, allerdings würden nur 17 % Tıerquälereien hinnehmen.

Viel geläufiger als Vorurteile gegen mißhandelte Frauen sind uns "Erklärungen" für die Mißhandlung, die der Frau die Schuld in die Schuhe schieben: "Sie hat ihn zur Weißglut gebracht" oder "Sie hat ihn in seiner Ehre gekränkt" .. Vorurteile werden viel mehr den Frauen entgegengebracht, die sich gegen Schläge und Mißhandlungen wehren oder ir Frauen, die ins Frauenhaus fliehen, um a sich vor Gewalttätigkeiten zu schützen. Hier weichen Frauen von allgemein gülti- gen und gesellschaftlich akzeptierten Normen ab. Wir allerdings sehen in dem Schritt ins Frauenhaus einen positiven Ansatz für ihr weiteres Leben, es ist der aktive Versuch, sich aus einer unerträglichen Situation zu befreien. Gerade dieser Schritt wird aber im Gutachten des Deut- schen Vereins zum Vorwand genommen, die Frauen einer "Randgruppe" der Gesellschaft zuzuordnen. Es wird also vorausgesetzt, daß diese Frauen nicht gemeinschaftsfähig sind und so auf fremde Hil- fe in starkem Maße angewiesen sind, daß sie von der Bevölkerung als Sonderfälle betrachtet und abgelehnt werden.

Im Gutachten des Deutschen Vereins heißt es: die Frauen brau-

chen "persönliche Hilfe, die als Beratung und persönliche Be- treuung darauf gerichtet ist, die Ursachen der zutage getrete- nen schwierigen Beziehungs- konflikte festzustellen, sie dem Hilfesuchenden und nach Mög- lichkeit auch dem Partner bewußt zu machen und entweder - bei Fähigkeit und Bereitschaft des Partners - die Familienbezie- hungen wieder herzustellen oder die Selbsthilfe der Hilfe- suchenden bis zu einer selbstän- digen Existenz zu fördern. "An anderer Stelle führt Herr Giese aus, welches die Ur- sachen der "schwierigen Bezie- hungskonflikte", also der Mißhandlungen sind. Er behauptet: o hantu suo mnetbtaudug " familie

e Train" puid diufokig, sick Alit u helm o Doum auol mufòk 9, dut Gol inmaigakiu

IST DIE FRAU SELBST SCHULD, WENN SIE MISSHANDELT WIRD?

Hier wird eindeutig den Frauen die Schuld zugeschoben, daß sie miß- handelt werden. Die Ursachen der Gewalt sind in dieser Einschätzung des Herrn Giese nicht soziale Schwierigkeiten, sondern persönliche Probleme der Frauen.

In unserer Gesellschaft werden alle Frauen dazu erzogen, dem Mann

zu gehorchen, alle Frauen werden zur Unfähigkeit erzogen, eıne part- nerschaftliche Beziehung zu einem Mann aufzubauen, ebenso der Mann. Somit kann es nicht das persönliche Problem von Frauen sein, wenn sie sich gegenüber Männern nicht oder zu wenig durchsetzen. Nichts ist widersinniger als den Frauen einzureden, daß sie einen seelischen De- fekt haben, wenn sie sich dem weiblichen Rollenbild - passiv, alles ertragend, bereit sich unterzuordnen - entsprechend verhalten haben. Wir halten den Schritt, ins Frauenhaus zu gehen, nicht für ein Zeichen der Unselb- ständigkeit, sondern für den möglichen Beginn einer Ver- selbständigung. D.h. die

Frau beginnt sich selbst zu helfen, jedoch nicht verein- zelt, sondern mit anderen Frauen zusammen. Herrn Gie- se scheint entgangen zu sein, daß Frauenhäuser Selbsthilfe- projekte sind.

Alle Frauen werden in finan- zieller Abhängigkeit gehal- ten. Bei vielen ist es so, daß sie vom Mann Haushalts- geld zugeteilt bekommen. Selbst in Ehen, wo die Frau selbst Geld ver-

dient, ist es nicht üblich, daß sie und der Mann gleichberechtigt das Geld aufteilen. Die Verfügungsgewalt über das Geld, das die Fami- lie verbrauchen kann, steht meist allein dem Mann zu. Viele Frauen erhalten kein persönliches Taschengeld; wenn sie sich persönliche Dinge kaufen wollen, müssen sie um jeden Pfennig betteln. Einerseits wird von Frauen verlangt, daß die Familie gut zu essen hat und daß sie selbst den üblichen Schönheitsnormen entspricht. Die Vorbilder für das Aussehen der Frauen, der Kinder, der Wohnung werden von der Werbung geliefert. Über das Geld, das für die Verwirklichung dieser Ansprüche nötig ist, verfügt die Frau aber nicht. (Ein typischer Witz über Frauen: "Meine Frau will sich schon wieder einen neuen Pelzmantel kaufen", der mit der Realität nichts zu tun hat.)

Auch in gutbürgerlichen Familien haben Frauen oft kein eigenes Geld. In Familien, die von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe leben müssen, ist die Situation der Frauen unerträglich. Es ist kei-

ner Frau vorzuwerfen, wenn sie angesichts der knappen Sozial-

hilfe von vornherein die Hoffnung aufgibt, mit dem Geld über

den Monat zu kommen. Andere Frauen haben ein erstaunliches Ge- schick entwickelt, mit wenig Geld die Familie über den gan-

zen Monat zu ernähren. Da die meisten Frauen nicht die Ver- fügungsgewalt über das Geld haben, ist es reiner Hohn, ihnen Unfähigkeit im Umgang mit Geld vorzuwerfen.

Diese sozialen Schwierigkeiten, die Tatsache, daß Frauen von klein auf dazu erzogen werden, sich dem Mann unterzuordnen, daß sie ge- sellschaftlich isoliert werden, daß sie in finanzieller Hinsicht in Abhängigkeit gehalten werden, werden im Gutachten des Herrn Giese

als seelische Defekte der Frauen beschrieben, als Fehler in ihren Köpfen.

Das wirkt sich auf die Haltung aus, die nach Herrn Gieses Meinung ein Sozialarbeiter den Frauen gegenüber einzunehmen hat: Giese be- trachtet sie als hilflose, unselbständige Wesen, denen ihre persön- lichen Probleme "bewußt" gemacht werden müssen, deren Schwierigkeiten in Partnerbeziehungen aufgearbeitet werden müssen usw. Es ist die Frage, ob man Frauen nicht gerade indem man ihnen ihre Unselbständig- keit vor Augen hält und ihnen gleichzeitig vermittelt, daß diese ein

persönlicher Fehler von ihnen ist, ihre Unselbständigkeit untermauert und ihnen das Selbstvertrauen raubt.

Wenn eine Frau ins Frauenhaus geht, hat sie Mut bewiesen, sich einer neuen unbekannten Situation zu stellen. Mut, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Gleichzeitig ist sie verwirrt über die neue Situa- tion und hat Angst, sie nicht bewältigen zu können. Angst vor mate- riellen Schwierigkeiten, vor Behördengängen, vor dem Zusammenwohnen mit vielen fremden Frauen und Kindern. In dieser Situation muß die Frau konkret unterstützt werden. Ihr Mut, sich auf eine neue Lebens- situation einzulassen, muß anerkannt werden. Sie muß tatkräftige Hil- fe bekommen bei Ämtergängen usw. Vielleicht ist es auch möglich, daß sie Erfahrungen von Frauen, die sich erfolgreich gegen ihre Männer durchgesetzt haben, für sich verwerten kann.

Unser Ziel ist es, die Widerstandskräfte der Frauen zu stärken. Für die Frauen heißt das, daß wir sie in ihrem Widerstand unterstützen wollen. Wir wollen mit ihnen zusammen Wege erarbeiten, wie sie ihre Rechte als Frauen durchsetzen können! Wir wollen Punkte für einen neuen, besseren Anfang setzen!

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ANMERKUNG ZUM INFO SOZIALARBEIT, HEFT 23 “FRAUEN UND SOZIALARBEIT”

Im Info Sozialarbeit mit dem Schwerpunktthema “Frauen und Sozialarbeit” haben wir auf Seite 56 das Symbol des Frauen- forum im Revier” unbeabsichtigter Weise auseinandergeschnitten und in einer Weise montiert, daß der Symbolcharakter des Em- blems nicht mehr sichtbar wurde. Darüber hinaus hatten wir ver- gessen die Grafikerin zu nennen. Dies haben die Frauen vom Frau- enforum im Revier zu Recht kritisiert.

In der 2. Auflage des Info Frauen und Sozialarbeit” haben wir die Korrekturen bereits vorgenommen. In dieser Ausgabe drucken wir das Emblem in der Form ab, wie es sie auch als Aufkleber

zu bekommen sind. Im nebenstehenden Beitrag wird über die Ent- stehungsgeschichte des 1. Frauenforums im Revier berichtet.

Das Symbol des “Frauenforum im Revier” wurde von der Grafikerin Iris Büchsenschütz entworfen.

Wir bitten unsere Fehler zu entschuldigen. (die Redaktion)

Frauentorum ım Revier Pädagogische Hochschule Ruhr Fachbereich Ill 4600 Dortmund 50 Emilfigge-Str.50 Postf.380 Tel (0231) 7552853

“FRAUEN KOMMT AUS EUEREN SCHNECKENHÄUSERN’”

—Von der Entstehungsgeschichte des 1. Frauenforums im Revier—

Die politischen Strukturen im Ruhrgebiet sind besonders von dem ur- sprünglichen in diesen Gebieten dominierenden Bergbau geprägt. Die Gewerkschaft hat hier bis heute noch ständisch-patriarchalische Züge. Auch das Verhältnis der Frauen zur Politik ist infolgedessen von dieser Situation geprägt. Die häusliche Abhängigkeit bei gleichzeitig hoher Belastung bewirkt, daß der Stellenwert organisierter Politik

in ihrem Leben gering ist. Der Mann hat in der Familie das Privileg "politisch" zu sein. Aber auch von diesen Männern werden die meisten nicht politisch aktiv. Sie delegieren per Wahl ihre politische Inter- essenvertretung. Die politische Vertretung aus diesen Stadtgebieten, die Ratsvertreter, die sich aus der Arbeiterbevölkerung rekrutieren, sind aber durch Herkunft und Bildung so diskriminiert, daß sie sich häufig nur durch Anpassung an Fraktionsmehrheiten behaupten können. Hieraus folgt, daß die spezifischen lokalen Bedingungen und Sachver- halte, die besonders für Frauen entscheidende Bedeutung haben, nur eine sehr schwache Interessenvertretung gegenüber der kommunalen Verwaltung haben, in deren Aufgabenbereich letztlich die Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen liegt.

Der Grundgedanke, auf dem die Konzeption des l. Frauenforums im Re- vier aufbaut, ist die stadtteilbezogene Erwachsenenbildungsarbeit als Zielgruppenarbeit. Sie gewinnt ihre Bedeutung dadurch, daß sie jene gesellschaftlichen Gruppen erreicht, die in besonderer Weise benach- teiligt sind, Hausfrauen, Arbeitslose, Rentner, Invaliden, Jugendli- che, die durch ihre spezielle Arbeits- und Lebenssituation nicht in der Lage sind, über eine andere Institution oder Interessenvertre- tung z.B. über Gewerkschaftsarbeit, ihre Interessen politische zu vertreten und die infolgedessen auch auf diesem Wege nicht von poli- tischer Bildung erreicht werden. Der Stadtteil ist der Raum, in dem Folgen politischer Maßnahmen sich konkret als Lebenserfahrung nie- derschlagen und damit unmittelbar auf ihre reale Substanz überprüf-

bar sind. Diese Erfahrungen sind Ausgangspunkt für die Bildungsar- beit.

Auf diesem Hintergrund fand in der Woche vom 20. - 25.03.79 an der Pädagogischen Hochschule Ruhr eine große Bildungsveranstaltung für Frauen aus dem Ruhrgebiet statt. Veranstalter waren die Pädagogische Hochschule Ruhr als Gastgeberin und der Verein Sozialwissenschaftli- che Forschung und Praxis für Frauen. Finanziert wurde das Projekt teilweise über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (Übernahme der Per- sonalkosten für zwei Frauen zur Vorbereitung, Durchführung und Doku- mentation). Die Honorar- und Reisekosten für die Referentinnen und Teamerinnen wurden von der Landeszentrale für Politische Bildung,

die Sachkosten vom Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales über- nommen. Das 1. Frauenforum im Revier sprach in über 100 Veranstaltun-

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gen ca. 5 000 Teilnehmerinnen an und wird gegenwärtig ausgewertet. Es werden zu den verschiedenen Themenschwerpunkten jeweils eigene

Materialbände für die frauenpolitische Arbeit in den verschiedenen Institutionen zusammengestellt.

Die Idee für dieses Frauenforum brachten einige Dozentinnen vom Be- such der 2. Berliner Sommeruniversität für Frauen im Jahre 1977 mit. Die Planungen erfolgten in zwei Richtungen: Wissenschaftliche Er- kenntnisse sollten betroffenen Frauen dienstbar gemacht werden und Probleme von Frauen sollten in die wissenschaftlichen Fragestellun- gen eingebracht werden. Dieser wechselseitige Vermittlungsprozeß

ist bei jeder Öffnung der Hochschule für andere Bevölkerungsgruppen notwendig. Daß berufliche und politische Weiterbildung nötig und nützlich ist, wird inzwischen allgemein akzeptiert. Eine Frau oder eine Hausfrau aber, die Weiterbildung betreiben will für sich selbst und nicht etwa nur, um ihren Kindern bei den Schulaufgaben besser helfen zu können oder den Haushalt besser zu machen, hat es schwer, ein entsprechendes Angebot zu finden. Darüber hinaus muß sie ihre Interessen oft gegen weit verbreitete Vorurteile durchsetzen. Oft- mals stößt allein der Plan, an einer solchen Veranstaltung teilzu- nehmen, schon in der Familie auf schwere Hindernisse. Er wird als Provokation empfunden, da tendenziell in einem solchen Schritt ein Angriff auf die Rollenverteilung angelegt ist, die unter dem Heili- genschein des Familienfriedens glorifiziert wird.

Bildungsarbeit mit Hausfrauen muß organisatorisch und inhaltlich an den Problemen ansetzen, die im Stadtteil sichtbar und erfahrbar wer- den. Die Bildungsarbeit soll den Frauen Wissen über ihre Situation in der Gesellschaft, über die ihnen gesetzlich und politisch zuste- henden Rechte vermitteln. Sie soll Argumentationshilfen geben, das Erlernen sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten fördern, zum Artiku- lieren der Interessen anregen, soll erreichen, daß Frauen hellhöriger werden gegenüber Vorgängen, die sie betreffen und diskriminieren. Dieses Wissen und diese Fähigkeiten sollen helfen, daß Frauen fähig werden, ihr Handeln als politisch zu verstehen. Ob man diesem Ziel näherkommt, muß sich im Alltag und der politischen Praxis der teil- nehmenden Frauen erweisen.

Der Zugang zur Politik über Probleme des Alltags, als Politisierung des Alltags, eröffnet allen Frauen die Chance, sich in ihrer tägli- chen Arbeit als politisch handelnde Subjekte zu begreifen und zu- gleich mit ihren Interessen politisch Einfluß zu nehmen.

Diesen Prozeß des Heraustretens in die Öffentlichkeit des Stadtteils symbolisiert das Zeichen des Frauenforums. Es soll zeigen, wie Frauen miteinander in Kontakt treten und schrittweise, gemeinsam mit ande- ren Frauen solidarisch für ihre Rechte eintreten. In dem Zeichen angelegt ist die freundlich-beschwingte Aufforderung doch hinzuzu- kommen und mitzumachen.

=D

ADRESSEN DER SOZIALHILFEGRUPPEN/

SOZIALHILFELEITFÄDEN

Der Berliner Leitfaden:

„Sozialhilfeempfänger werden behandelt wie der letzte Dreck! Sozialhilfebro- schüre’’ (3. Auflage). Kontakt: „Chamis- so-Laden”, Willibald-Alexis-Str. 15, l Berlin 61, 8& Seiten, DM 4,-, Stu- denten DM 2,-, Sozialhilfeempfänger kostenlos.

Der Bielefelder Leitfaden:

„Leitfaden durch das Sozialamt”. Über: Pippi-Langstrumpf-Laden, August-Bebel- Str. 80, 4800 Bielefeld. 14 Seiten, DM l,— in Briefmarken.

Der Dortmunder Leitfaden:

„Sozialhilfe Dein gutes Recht’. Hrsg. von der Dortmunder Selbsthilfe e.V., Stollenstr. 6, 4600 Dortmund. 16 Sei- ten. DM 1,-— in Briefmarken.

Der Düsseldorfer Leitfaden:

„In jeder Lebenslage”. Sozialhilfe- Info der Selbsthilfe Düsseldorf, Koper- nikusstr. 53 oder Buchladen, Konkor- diastr. 81, 4000 Düsseldorf. 44 Seiten. DM. 2,- plus Porto (in Briefmarken).

Der Duisburger Leitfaden:

„Sozialhilfe in Duisburg’ Informa- tionen, die wir vom Sozialamt selten

hören” (2. Aufl. Jan. 1979; 3-4000 Exemp.). Über: Helmut Loeven c/o Literaturvertrieb, Finkenstr. 56, 4l

Duisburg 1. 45 Seiten. DM 2, alhilfeempfänger DM 0,50.

Sozi-

Der Kölner Leitfaden:

„Wichtige Tips über Sozialhilfe. Entwor- fen von Betroffenen für Betroffene.” (Jan. 1978; Auflage 3-4000). Hrsg. von: Interessengruppe Sozialhilfe e.V. Köln, c/o Annegret Rückriem, Lindenthalgürtel 94, 5 Köln-41, Tel. 402870. 40 Seiten. DM 2,- und Porto DM 0,60 (in Brief- marken).

Der Münsteraner Leitfaden:

„Wie ich bekomme, was mir zusteht’. Hrsg. von: Sozialhilfegruppe Münster GESA, Ewaldistr. 29, 4400 Münster. 40 Seiten. DM 2, - in Briefmarken.

Der Stuttgarter Leitfaden:

„Sozialhilfe in Stuttgart” Hrsg. von: Arbeiterselbsthilfe e.V., Rostocker Str. 9, 7000 Stuttgart 50. 52 Seiten. DM 2,

plus Porto DM 0,60 (in Briefmarken).

Leitfäden zu speziellen Hilfen: Der Frankfurter Leitfaden:

„Leitfaden: Sozialhilfe für Behinderte” Über: Sozialhilfegruppe TUWAS, c/o Fachhochschule/Fachbereich Sozialar- beit, Limescorso 5, 6 Frankfurt/Main. Ca. 80 Seiten. DM 2,- plus DM 0,60 Porto (in Briefmarken).

Der Marburger Leitfaden:

„BSHG-Merkblatt” (4. Aufl. 1978). Hrsg. von: Bundesvereinigung Lebenshilfe für geistig Behinderte e.V., Postfach 80, 3550 Marburg 7. 40 Seiten. DM 3,50 plus Porto DM 0,60 (in Briefmarken).

(Zur näheren Beschreibung dieser Leitfäden s. päd.extra sozialarbeit Nr. 9/

1979 5., 37 ff.)

Soziale Arbeitsgemeinschaft e.V. c/o Helmut Köhler Großköllnstr. 33

51 Aachen

Veronika Vanca

Sandstr. 152

5010 Bergheim-3 (Quadrath) Tel: 02271/95001

Caritasverb. Bergisch-Gladbach - Arbeitskreis Sozialhilfe Laurentiusstr. 32

506 Bergisch-Gladbach-2

Tel: 02202/32903 + 36315 Christa Bunzeck

Borchertstr. 20

463 Bochum

Tel: 0234/853220

Andrea Hildmann Bunzlauerweg 2

53 Bonn |

Tel: 02221/660590

Sozialhilfegruppe Burscheid e/o Karla Ostrowski Dünweg 14

5093 Burscheid 2

Tel: 02174/8421

Nachbarschaftszentrum Nettebruch 4

4354 Datteln

Tel: 02363/8916

Neuländer Club Interessengruppe Sozialhilfe c/o Gisela Tappe

Im Lindenort 16

493 Detmold

Frauengruppe Sozialhilfe c/o Karin Urbanneck Buschei 103

46 Dortmund 7

Tel: 0231/2324 36

Frauen-lnitiative Scharnhorst c/o Christel Langiewicz Döbelnerstr. 6

46 Dortmund 1

Barbara Linnenbrügger Hopfenstr. 4 46 Dortmund |

Interessengruppe Soziale Hilfe e.V. c/o Bruno Trojan Lindenhorsterstr. 7]

46 Dortmund-I

Tel: 0231/8561 11

Gisela Böhm

Kurt-Tucholskistr. 11

4000 Düsseldorf-13

Tel: 0211/703722

Selbsthilfe Düsseldorf Aachenerstr. 10 4000 Düsseldorf-1 Tel: 0211/349231

Erna Collignon

Am Kreyenberghof 51 41 Duisburg-l 1

Tel: 0203/596365

Gisela Sühr Vallenziennerstr. 174 516 Düren

Tel: 02421/63499

Karin Schulz Niederstr. 17

43 Essen |

Tel: 0201/313436

Interessengemeinschaft Sozialhilfe c/o Harald Habich Grabbrunnenstr. 10

7300 Esslingen

Landesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte Hessen e.V. -Geschäftsstelle

Moselstr. 25

6000 Frankfurt 1

Tel: 0611/234397

Gelsenkirchner Selbsthilfe e.V. Horsterstr. 75

466 Gelsenkirchen-Buer

Tel: 0209/378558 od. 593328

August Egeling Dorstenerstr. 39

466 Gelsenkirchen-Buer Tel: 0209/370812

Willi Dünow Gärtnerweg 14 4180 Goch

Tel: 02823/6217

Elfi Engelbrecht Ringstr. 3

3505 Gudensberg-6 Tel: 05603/4275

Max Marquart Neuenkirchnerstr. 46a 483 Gütersloh |

Tel: 04221/57760

Peter Coring Tannenbergstr. 76 4432 Gronau

Barbara Lüders Scheelring 17

2 Hamburg 61 Tel: 040/5508027

Interessengruppe Sozialhilfe c/o Edelgard Goebel

58 Hagen-1

Tel: 02331/56454

Arbeitsgemeinschaft

sozial benachteiligter Familien Niedersachsen

Gruppe Hildesheim Ehrlichstr. 18

3200 Hildesheim

Tel: 05121/59841

Margret Setzkorn Am Hoverkamp 125 4044 Kaarst

Tel: 02101/868796

NVS-Nothilfe

Vereinigung für

Sozial- u. Arbeitsförderungsberechtigte EV,

35 Kassel

Postfach 420206

Tel. 0561/43475

Interessengruppe Sozialhilfe e.V. Köln c/o Annegret Rückriem Lindenthalgürtel 94

5 Köln 41

Tel: 0221/402870

Sozialhilfegruppe Köln-Mühlheim c/o Herr Sinnhuber

von Sparrstr. 17

5 Köln 80

Tel: 0221/627190 od. privat 629996

Interessengruppe der Sozial- hilfeempfänger

c/o Elisabeth Nannig Remscheiderstr. 112

5000 Köln 91

Tel: 0221/854135

Marianne Düppen Heidelbergstr. 11 5 Köln 80

Tel: 0221/623154

Wenn weitere Gruppen oder Kontaktpersonen bekannt sind, oder wenn

Gerhard Feth Danzigerstr. 1 5910-Kreuztal Tel: 02732/21850

Erika Beier Düsselring 79

402 Mettmann Tel: 02104/72625

Peter Leipziger Humboldtstr. 6

405 Mönchengladbach 1 Tel: 02161/14369

GESA e.V.. Ewaldistr. 24

44 Münster

Tel: 0251/64477

Luise Kamper Westlintelerweg 39 2980 Norden/Ostfriesl. Tel: 04931/6322

Frauen helfen Frauen c/o Ursula Tinius Ludwigstr. 14

42 Oberhausen 1

Arbeiterselbsthilfe e.V. Rostockerstr. 9

7 Stuttgart 50

Tel: 0711/541079

Ilse Helbach Siegfriedstr. 3 4750 Unna-Massen Tel: 02303/52900

Cornelia Lenartz Frohnstr. 17 562 Velbert 11 Tel: 02127/7106

sich die Adressen ändern, gebt uns bitte Bescheid.

BERICHTE HINWEISE INFORMATIONEN KLEINANZEIGEN

® JA ZUM 7. DEUTSCHEN JUGENDHILFETAG ABER WIE UND WANN ? (aus: Informationen zur Jugendlörderung 1/80)

Einstimmig abgelehnt hat die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ) auf ihrer Mitgliederversammlung am 20. November 1979 in Kiel die Abschaffung des Jugendhilfetages. Die Mitgliederversammlung be- schloß zugleich die Bildung einer Arbeitsgruppe, die sich aus je zwei Vertreter(inne)n der Mitgliedersäulen zusammensetzt und auf der Grundlage der im folgenden wiedergegebenen Position der Jugendver- bünde (Mehrheitsbeschluß) sowie der schriftlichen Stellungnahmen der Mitglieder und der Ergebnisse der Diskussion während der Mitglieder- versammlung zu der Zukunft von Jugendhilfetagen eine Vorlage für

den 7. Deutschen Jugendhilfetag erarbeiten soll. Über die "Konzep- tion" dieser Arbeitsgruppe wollen die Mitglieder auf ihrer nächsten Versammlung im Mai/Juni 1980 endgültig entscheiden. Als Zeitpunkt ist für den 7. Deutschen Jugendhilfetag bisher das Frühjahr 1983 vorgesehen.

Grundsätze zur Durchführung zukünftiger Jugendhilfetage der AGJ

Vorbemerkung:

Diese Grundsätze zur Durchführung zukünftiger Jugendhilfetage der

AGJ sind gemeinsame Grundpositionen der Säule Jugendverbände in der AGJ. Sie sollen als verbindliche Leitlinie für ein durch den Vorstand der AGJ einzusetzendes Vorbereitungskomitee beim 7. Deutschen Jugend- hilfetag gelten.

Nach wie vor ist die Durchführung von Jugendhilfetagen ein Satzungs- auftrag der AGJ, der für alle Mitglieder verbindlich ist, und der

mit dem Eintritt in die AGJ anerkannt wurde. Daraus ergibt sich die unmittelbare Verpflichtung aller Mitglieder, sich aktiv am Jugend- hilfetag zu beteiligen.

I.

Die Mitgliedsorganisationen der AGJ wollen eine offene, sachbezogende Auseinandersetzung mit kritischen, auch radikalen Positionen in der Jugendhilfe führen. Dies ist in verschiedenen Formen möglich. Eine Möglichkeit ergibt sich durch die Veranstaltung des Deutschen Jugend- hilfetages, wie er durch die Satzung der AGJ vorgegeben ist. Die

Form soll dem Markt der Möglichkeiten nach dem Modell des 6. Deut- schen Jugendhilfetages entsprechen. Andere Formen der Auseinander- setzung, wie z.B. in Fachkongressen oder in Fachausschüssen, sollten deshalb nicht vernachlässigt werden.

Il.

Die Funktion von Jugendhilfetagen ist es, die Praxis der Jugendhilfe in der Öffentlichkeit darzustellen und Unterstützung für die Ziele, Aktivitäten und Probleme von Jugendhilfe zu erreichen. Jugendhilfeta- ge dienen darüber hinaus auch dem fachlichen und jugendpolitischen Austausch in Theorie und Praxis sowie der Einflußnahme auf jugendpo- litische Entwicklungen außerhalb des traditionellen Mitgliederspek- trums der AGJ.

Zielgruppe für einen Jugendhilfetag sollen nicht die Jugend im all- gemeinen, sondern vor allem Fachleute der Jugendarbeit sein (Mit- arbeiter in der Jugendarbeit, Studenten, Sozialarbeiter usw.).

LiL:

Um eine sachliche und fachpolitische Darstellung der Arbeit in der Jugendhilfe zu gewährleisten, muß die Organisation des Jugendhilfe- tages sicherstellen, daß alle Beteiligten ihre inhaltlichen Vorstel- lungen einbringen können und eine tatsächliche Diskussion möglich ist. Daher sind die Veranstaltungen während der künftigen Jugendhil- fetage nach folgenden Grundsätzen zu gestalten: Da Großveranstaltun- gen nach den bisherigen Erfahrungen nicht sinnvoll erscheinen, ist das diesbezügliche Angebot von Räumlichkeiten so zu gestalten, daß der Charakter der Veranstaltungen als Diskussionform gewährleistet bleibt. Veranstaltungen können nur von einzelnen Trägern oder Träger- gruppen in eigener Regie und Verantwortung durchgeführt werden; die Arbeitsgemeinschaft AGJ tritt lediglich als Koordinator auf und ver- zichtet auf eigene Veranstaltungen. Dabei werden die Träger der AGJ dazu aufgerufen, auch die Vertreter der in der AGJ nicht vertretenen Träger und Gruppen bei der Vorbereitung einzubeziehen.

IV.

Die Mitglieder der AGJ und alle anderen Gruppierungen nehmen insge- samt in eigener politischer und finanzieller Verantwortung am Jugend- hilfetag teil. Die AGJ stellt lediglich den Rahmen zur Verfügung. Dazu gehören insbesondere Information und Werbung, ausreichende Räum- lichkeiten und organisatorische Hilfestellung. Voraussetzung für die Teilnahme ist in diesem Zusammenhang eine ausführliche Beschreibung der vorgesehenen Aktivitäten während des Jugendhilfetages sowie die verpflichtende Teilnahme an Vorbereitungstreffen und die Einhaltung getroffener Absprachen. Die Verpflichtung zur Vorbereitung betrifft auch die Mitglieder der AGJ, die Vorbereitungstreffen selbst dienen lediglich der organisatorischen Koordination. Entscheidungen über inhaltliche Vorgaben bleiben dem AGJ-Vorstand vorbehalten.

Va

Ein Markt der Möglichkeiten ist die geeigneste Form, entsprechend den Aufgaben und der Funktion von Jugendhilfetagen den Interessen der Beteiligten Rechnung zu tragen. Daher ist hier sowohl eine trä- gerspezifische als auch eine thematische Aufteilung notwendig, wobei die Teilnehmer selbst entscheiden, ob fachspezifische Projekte in Verbindung mit einem Trägerbereich oder einem thematischen Bereich untergebracht werden. Dies erfordert eine größere räumliche Trennung verschiedener Blöcke als es in Köln möglich war.

VI./VII.

Den Beteiligten sind weitreichende Möglichkeiten einzuräumen, ihre Selbstdarstellung nicht nur durch einen Stand, sondern vor allem auch durch Aktivitäten - beispielsweise kulturelle und andere Pro- dukte ihrer Arbeit, Medien - zu führen. Hierzu müssen mehrere Bühnen bzw. Podeste zur Verfügung stehen, auch in geschlossenen Räumen.

Ein Podest, wie es in Köln im Marktbereich aufgebaut wurde, ist für die Gewährleistung einer solchen auch programmgemäßen Struktur in der Gestaltung des Jugendhilfetages nicht ausreichend.

Um eine vielfältige Beteiligung am Jugendhilfetag zu ermöglichen, soll die Themenstellung zukünftiger Jugendhilfetage so allgemein for- muliert werden, daß möglichst viele Bereiche der Jugendhilfe berück- sichtigt sind. In diesem Rahmen ist die trägerspezifische und themen- spezifische Aufteilung vorzunehmen. Die Wahl des Themas des 6. Deut- schen Jugendhilfetag wird insoweit positiv bewertet. Das Thema eines Jugendhilfetages sollte als Motto der Veranstaltung begriffen wer-

den können und einen Gesamtakzent der Arbeit aller Jugendhilfeträger aufzeigen.

VIII.

Der Zeitraum für die Durchführung von Jugendhilfetagen muß einerseits den Interessen und Möglichkeiten der AGJ und ihrer Mitgliedsorgani- sationen entsprechen, andererseits den Beteiligten ausreichend Raum für die Darstellung ihrer Arbeit geben. Daher soll der Jugendhilfe- tag zukünftig im Abstand von vier bis fünf Jahren durchgeführt wer- den. Eine Dauer von ca. drei Tagen erscheint in diesem Zusammenhang als sinnvoll.

Die Verpflichtung zur Durchführung von Jugendhilfetagen darf nicht

dazu führen, daß die Geschäftsstelle der AGJ zum Veranstaltungsbüro wird.

IX.

Aus den bisherigen Aussagen ergibt sich die Aufgabenstellung der AGJ als Veranstalter des Jugendhilfetages: Sie stellt den organisatori- schen Rahmen und die Voraussetzungen für die Durchführung des Jugend- hilfetages und hat darüber hinaus die koordinierende Funktion. Sie beteiligt sich nicht mit Beiträgen am Jugendhilfetag, es sei denn

mit einer Darstellung im Rahmen des Marktes.

Die AGJ übernimmt die formelle Eröffnung des Jugendhilfetages, jedoch nicht in Form einer Veranstaltung. Der Jugendbilfetag läuft ohne gesonderte Abschlußveranstaltung zu einem festzusetzenden Zeitpunkt aus. Die Teilnehmer haben sich im vorhinein zu verpflichten, das Ge- lände anschließend geordnet zu räumen und zu verlassen.

X.

Die Finanzierung des Jugendhilfetages - soweit die AGJ davon betroffen ist - ist rechtzeitig durch öffentliche Zuschußgeber im Rahmen der Pro- jektförderung sicherzustellen. Sollte dies nicht möglich sein, ver- zichtet die AGJ jeweils per Beschluß durch die Mitgliederversammlung auf die Durchführung eines Jugendhilfetages, und zwar unter Benennung ihrer Bemühungen um eine finanzielle Absicherung der Veranstaltung.

Yu

© SELBSTHILFEMATERIALIEN DER JUGENDZENTRUMSBEWEGUNG NÄCHSTES JZ BUNDESTREFFEN 18.-20. APRIL IN BIELEFELD

In unseren Köpfen spuken sie schon seit geraumer Weile herum, doch jetzt drängen sie mit Macht zur Realisierung: Die Selbsthilfe-Mate- rialien für selbstverwaltete Jugendzentren und JZ-Initiativen. Her- ausgeber sind die Regionalzusammenschlüsse der Jugendzentren, die sich in den vergangenen Jahren in vielen Regionen (leider noch nicht in allen) gebildet haben, um die gegenseitige Unterstützung und Koope- ration der Jugendzentren zu ermöglichen oder zu verbessern. Die Mate- rialien sollen aber auch bereits bestehenden Jugendzentren weitere Erfahrungen vermitteln und neue Impulse geben und somit einen kleinen Beitrag gegen die teilweise zu beobachtende inhaltliche Abflachung

und Entpolitisierung in schon länger bestehenden Jugendzentren lei- sten.

Die JZ-Selbsthilfe-Materialien sollen nicht in Form eines Handbuches oder einer Loseblatt-Sammlung erscheinen, da sich diese Form gerade im Bereich der Medienarbeit als nicht besonders brauchbar für die alltägliche Praxis im Jugendzentrum erwiesen hat. Es ist vielmehr an eine Art Medien-Paket gedacht, das aus verschiedenen Teilen (Heften, Wandzeitungen, Videofilmen, Kassetten, Dias usw.) besteht, die dann teils von den einzelnen JZs angeschafft und teils bei den Regionalzu- sammenschlüssen deponiert und dort ausgeliehen werden können. Somit können die Materialien auch leichter fortgeschrieben und immer wieder aktualisiert werden, wenn Informationen eines Themenbereiches veral- ten. Jeder Themenbereich der Materialien soll mit dem geeignetsten Medium dargestellt werden. Alle Bereiche zusammen ergeben das Medien- paket.

Bisher wird an folgenden konkreten Themenbereichen (Kapiteln) der Materialien gearbeitet: - Selbstverwaltung in Jugendzentren (Anspruch der SV, Wirklichkeit, Erfahrungen, Einschätzungen, Selbstorganisationsmodelle) Kontakt: Jugendhausclub Degerloch e.V., Obere Weinsteige, 7 Stuttgart 70 Rechtliches (Trägerschaft, e.V., Gemeinnützigkeit, Satzungen, Nutzungsverträge, Versicherungs- und Steuerfragen, GEMA usw.) Kontakt: Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung - VSJS, Feldmannstr. 92, 66 Saarbrücken. Literatur über Jugendzentren (Bücher, Artikel, Dokumentationen, Diplomarbeiten, kurz alles, was je von und über JZ geschrieben wurde) Kontakt: Dieter Koschek, Freihofstr. 11, 8990 Lindau/Bodensee Filmarbeit in Jugendzentren (Filme von und über Jugendzentren, JZ- Filmprogramme, Verleihe, technische Hilfen) Kontakt: Thomas Scheuer, Brombergstr. 24, 78 Freiburg (0761/70 91 93) Musik - "zwischen Disco und Dis-Dur'" (JZ-Lieder, Gruppenadressen, Selbermachen von Liedern und Instrumenten, Musiktheater und Revuen, GEMA-Erfahrungen, Einsatz von Tonband und Kassette im JZ, prakti- sche Tips zur Organisation von Konzerten, Festivals usw.) Kontakt: Wolfgang Hering, Poststraße 54, 65 Mainz 21 Video-Arbeit (Adressen von Video-Gruppen, Zusammenarbeit, Liste von Videofilmen über JZs, technische Tips) Kontakt: Anette Leyk, Die- burger Straße 83, 6101 Roßdorf,Darmstadt Foto-Arbeit "subjektiv durchs Objektiv" (Fotografie als subjektives und politisches Medium im JZ, Dokumentationen, Ausstellungen, Tech- nisches, Herstellung und Einsatz von Ton-Dia-Serien) Kontakt: Martina Winkel, Alicenstraße 39, 61 Darmstadt

1 =

- Öffentlichkeitsarbeit (Aktionsformen, Informationsvermittlung nach innen und außen, Berichte von spektakulären Aktionen, Druck, Pla- katherstellung usw.) Kontakt: Tiedeke Heilmann, Uelzener Str. 10, 3111 Suhlendorf (05820/638)

Unsere Bitte also an alle, die an einem der Bereiche mitarbeiten wol-

len oder die Material, Erfahrungen und Hinweise dazu haben: Schickt

das Zeug an die angegebenen Kontaktpersonen oder setzt Euch mit Ih- nen in Verbindung. Wer sich für die Materialien allgemein interes- siert oder noch nicht aufgeführte Themenbereiche beisteuern möchte, kann sich an Tiedeke Heilmann wenden.Also schickt, was das Zeugs hält!

Noch zwei kurze Terminankündigungen in diesem Zusammenhang: Das näch- ste JZ-Bundestreffen - also das 7.!! - findet vom 18. bis 20. April bei Bielefeld statt. Das Redaktionskollektiv für die Selbsthilfe-Ma- terialien trifft sich wieder am 30. Mai bis l. Juni im selbstverwal- teten JZ in Waldkirch bei Freiburg. Informationen und Anmeldung für beide Treffen beim alten Tiedeke (Adresse siehe oben). Bei dem kön- nen sich auch alle Jugendzentren melden, die noch nicht regelmäßig die bundesweite JZ-Wandzeitung bekommen. Die nächste JZ-Wandzeitung gibt's nämlich in der zweiten Märzwoche.

© AMBULANTE HILFEN FÜR BEHINDERTE SERVICEHÄUSER FÜR BEHINDERTE MENSCHEN

Die Bundesarbeitsgemeinschaft "Hilfe für Behinderte" e.V., Dachor- ganisation von z.Zt. 32 Behindertenselbsthilfeverbänden, hat zwei neue Broschüren zum Thema "ambulante Hilfen" und "Servicehäuser für behinderte Menschen" herausgegeben.

Die erste Broschüre bietet einen guten Überblick über die sozialpoli- tischen Erwägungen zum Ausbau der ambulanten Hilfen. Ebenso versucht sie die rechtlichen Grundlagen, sowie die wichtigen Anspruchsvoraus- setzungen für ambulante Hilfen systematisch darzustellen. Darüber hinaus wurden in der Broschüre die Hilfen für Behinderte über Sozial- stationen und durch den Einsatz von Zivildienstleistenden näher be- leuchtet.

In der zweiten Broschüre greift die BAG das Thema "Servicehäuser für behinderte Menschen" auf und legt Empfehlungen für die Errichtung

und den Betrieb solcher Wohnhäuser vor, um hierdurch behinderten Menschen eine echte Alternative zum ständigen Aufenthalt in einem Heim zu bieten. Im Interesse der behinderten Menschen hofft die BAG, daß möglichst viele Organisationen, Städte, Gemeinden und Landkreise ihre Anregungen aufgreifen.

Beide Broschüren können kostenlos über die Geschäftsstelle Kirchfeld- straße 149, 4000 Düsseldorf 1, angefordert werden.

© PSYCHISCH KRANKEN IN DER GEMEINDE HELFEN MANNHEIMER-KREIS-TAGUNG 1980 WILL ALTERNATIVEN ZUM “ABSCHIEBEN” AUFZEIGEN

Der "Mannheimer Kreis", das große Jahrestreffen aller im psychoso- zialen Bereich tätigen Berufsgruppen, besteht 1980 zehn Jahre. Die "Jubiläums"-Veranstaltung soll dort stattfinden, wo diese gemeinde-

psychiatrische Bewegung ihren Anfang nahm, nämlich in Mannheim, und zwar vom 15. bis 18. Mai 1980. Die Tagung steht unter dem Rahmen- thema "Ausgrenzen oder sich ertragen - der Beitrag der Gemeinden zur Auflösung der psychiatrischen Großkrankenhäuser". Sie soll Wege auf- zeigen, wie durch die Aktivierung ortsnaher Hilfen das Abschieben Gefährdeter, Kranker und Behinderter in entlegene Krankenhäuser, An- stalten und Heime reduziert werden kann.

Veranstaltet wird die Tagung von der Deutschen Gesellschaft für So- ziale Psychatrie (DGSP). Nach Mitteilung der DGSP werden wieder über 2.000 Teilnehmer erwartet: Ärzte, Psychologen, Pädagogen, Seelsorger, Sozialarbeiter, Schwestern, Pfleger, Arbeits- und Beschäftigungsthe- rapeuten, Verwaltungsleute, Laienhelfer und nicht zuletzt Betroffene, deren Mitwirkung in den Arbeitsgruppen des Mannheimer Kreises seit

der Gründung Tradition hat. Kontakt: DGSP, Postfach 1253, 3050 Wuns- törf 1,

© TAGUNGEN DER AG SPAK

Ausbildung und Berufsperspektive von Bewohnern in Wohngemeinschaften, 11. - 13.4. Krebsmühle. Auskunft: Koordinierungsstelle für Wohnge- meinschaften, Westenborken 49/I, 4280 Borken.

Möglichkeiten und Grenzen von Knastgruppen in der "totalen Institu- tion". Neue Modelle in der Reso-Arbeit. Seminar der AG SPAK, 9.- 11.5. b. Karlsruhe. Auskunft: Ruth Weikum c/o ahs, Danneckerstr. 7, 7 Stuttgart 1.

Seminar: "Theater im Knast", für Gruppen, die Theaterspiel als Me- thode in der Knastarbeit anwenden wollen. 9.-11.5.80 Altenmelle. Seminar: "Neue Psychiatrie - alte Strukturen in neuem Gewand?" - Ziel dieses Einführungsseminars ist es, die Strukturen der Psychia- trie verständlich zu machen und Anregung zum Weiterdenken, Weiter- lesen zu geben. - 21.-23.3. in Wildbad b. Wzb.

Seminar: "Versorgung als Repression" - Theorietagung zur Dialektik von Kontrolle und Versorgung, 18.-20.4.

Seminar: Verhaltensunsicherheiten bei Äußerungen von Sexualität oder Aggressivität in "Laien'"-helfergruppen, 20.-22.6. in Melle.

Seminar: "Die Bedeutung der Theorie Paulo Freires für eine politi- sche Veränderung - nur für engagierte Mitarbeiter in Initiativgrup- pen, die sich längerfristig für eine Mitarbeit interessieren. 15.-18,5.

Seminar: "Stadtviertelarbeit - Bewußtseinsbildung - Veränderung"

13. - 20.7. Nähere Auskunft und Anmeldung - wenn nicht anderes ange- geben bei der Geschäftsstelle, wo auch die Tagungsvorschau aller geplanten Seminare der AG SPAK für 1980, gegen 0,50 DM (in Brief- marken) zu beziehen ist: AG SPAK, Belfortstr. 8, 8 München 80.

© MATERIALIEN

Erfahrungsbericht _OBDACHLOSENARBEILT

Dieser Bericht enthält eine konkrete Beschreibung der Arbeit der Gruppe von 1976 bis 1979 mit weitergehenden Informationen zur Situa- tion der Obdachlosen, Kommunalpolitik etc., 216 S. Bezug: 7.00 DM (einschl. Porto), Vorkasse: Postscheckamt München: Nr. 205 47-808 - AG SPAK, oder per Briefmarken, Belfortstr. 8, 8 München 80

Sondernummer der HEZ - Berliner Zeitschrift für Erzieher und Sozial- arbeiter über die Reaktionen auf den Heimerziehungsskandal im Mäd- chenheim im Diakoniezentrum Heiligensee. Was hat eine Dokumentation bewirkt? Gegen Voreinsendung von DM 3.-- plus Porto ist das Heft über HEZ c/o Zeitungskooperative, Eisenbahnstr. 4, 1 Berlin 36 zu beziehen.

Thema "Arbeitslosigkeit"

Artikeldienst der Arbeitsgemeinschaft Junge Presse NRW zum Thema "Arbeitslosigkeit". Das 66 Seiten umfangreiche Heft enthält Beiträ- ge zur Jugendarbeitslosigkeit, Berufsbildungssystem, ABM-Maßnahmen, Selbsthilfen, Lehrlingsbewegung, Forderungskatalog franz. Arbeitslo- senkomitees u.a. Bezug: AGJPNW c/o Ansgar Klein, Im Erlengrund 1, 5205 St. Augustin 2.

Spielplatz-Dokumentationen

Die Interessengruppe Spichernplatz bietet folgendes Informationsma- terial an: Buch: Dokumentation über die Neugestaltung des Spichernplatzes im Stadtteil Derendorf in Düsseldorf: Band I, 1976, 191 Seiten, Größe DIN A5, Auflage 1000,. Preis 5.-- DM/ Band II, 1977, 253 Seiten, Größe DIN A5, Auflage 1000, Preis 5.-- DM/ Band III, 1979, 292 Seiten, Größe DIN A 5, Auflage 1000, Preis 5.-- DM Tonbandcassette: "Kampf um einen Spielplatz", Rundfunksendung vom 29. Oktober 1976, 60 Min. Musik- und Sprechteil, Preis 5.- DM Video-Cassette: "Ein Spielplatz", Fernsehfilm des WDR von 1976, farbig, 20 Minuten. Kostenlose Ausleihe, Portokosten trägt der Ausleiher. Überweisungen bitte auf das Konto 7443211 bei der Deutschen Bank, D'dorf. Kontaktadresse: Interessengruppe Spichernplatz, Meinecke- straße 28, 4000 Düsseldorf 30, Tel. 0211-433729

Dokumentation "Kommunikationszentrum Honigfabrik"

schildert die Entstehungsgeschichte des Zentrums, die bisher gelei- stete Arbeit und die Perspektiven der Arbeit in diesem Jahr. Bezug: Honigfabrik e.V. Industriestr. 125-131, 2102 Hamburg 93.

"ausgepackt" - Informationsblatt für Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Erzieher in Frankfurt und Umgebung

Bisher sind drei Ausgaben erschienen: ausgepackt wurde zu Problemen und Konflikten an einzelnen Arbeitsplätzen, zur Sozialpolitik Frank- furts und Umgebung, zu Unterstützungsmöglichkeiten für Klienten (z. B. BSHG), zu Veranstaltungen und Terminen, aber auch über positive Arbeitsansätze und Erfahrungen.

Bezug gegen Voreinsendung von DM 1,50 (einschl. Porto):

Wolfgang Scherer, Bornwiesenweg 47, 6 Frankfurt 1.

Reader; Arbeit mit Mädchengruppen

im schulischen und außerschulischen Bereich geplant.

Schickt uns Material: Examensarbeiten, Protokolle, Erfahrungsbe- richte oder Kurzinformationen.

Erika Leuteritz, Bahnhofstr. 64, 4400 Münster

= BE.

® MATERIALIEN ZUM PROJEKTBEREICH AUSLÄNDISCHE ARBEITER

Für Initiativgruppen, Lehrer und Gesundheits- und Sozialarbeiter gibt es schon seit längerem eine interessante Reihe, die sich mit Proble- men der ausländischen Mitbürger beschäftigt. Die vom "Verein der Initiativen in der Ausländerarbeit" herausgegebene Materialienreihe bietet eine interessante Mischung von aktuellen Informationen, Hinter- grundberichten und Analysen. Schwerpunkt des neuesten Heftes 25 ist z.B.: Bildungsarbeit mit erwachsenen Ausländern z.b. Aktivitäten einer spanischen Frauengruppe und Texte zum kommunalen Wahlrecht. Daneben regelmäßig eine Auflistung der Neuerscheinungen zum Bereich ausländische Mitarbeiter, Presseartikel, Berichte zur aktuellen Aus- länderpolitik, Hinweise auf Veranstaltungen von Initiativen und So- zialarbeitern sowie einen Veranstaltungskalender. Die Materialien- reihe lebt davon, daß betroffene Initiativen in ihr ein Sprachrohr ge- funden haben, in dem sie ihre Berichte und Erfahrungen artikulieren können. Neben der regelmäßigen Reihe (4 Hefte im Jahr für 20.- DM) werden noch Sonderhefte veröffentlicht, die für alle die, die mit Ausländern zu tun haben, wichtig sind. Beispiel: Unal Akpinar: Sozialisationsbedingungen in der Türkei, oder Faruk Sen: Volkssektor Türkei - eine neue Wirtschaftsform.

Bestellungen und Abos bitte richten an: Verband der Initiativen in der Ausländerarbeit (VIA), Rheinweg 34, 5300 Bonn. Dort kann man auch ein aktuelles Verzeichnis der Veröffentlichungen erhalten.

© TAGUNGEN DES ARBEITSKREISES ENTWICKLUNGSPOLITIK (AKE)

Lehrgänge über spezielle Problembereiche der Dritten Welt und der

Entwicklungspolitik

(Grundkenntnisse über den Themenbereich Dritte Welt werden voraus-

gesetzt):

28.03. - 30.03. Massentourismus und Dritte Welt

18.04. - 20.04. Tansania

29.04. - 02.05. Algerien

30.04. - 03.05. Türkei

09.05. - 11.05. Pädagogik der Dritten Welt

15.05. - 18.05. Ausländische Frauen in der BRD

27.05. - 30.05. Entwicklungspolitische Arbeit vor Ort/Arbeit in Dritte-Welt-Gruppen

05.06. - 08.06. Regionalplanung in der Dritten Welt

09.06. - 13.06. Frauen in der Dritten Welt

16.06. - 19.06. Entwicklungspolitik

Seminare über Probleme der in der Bundesrepublik Deutschland leben-

den ausländischen Arbeiter und ihrer Familien, vor allem für Inter-

essenten, die selbst haupt- oder ehrenamtlich in der Ausländerarbeit

tätig sind:

14.05. - 18.05. Ausländische Frauen in der Bundesrepublik Deutsch- land

19.05. - 24.05. Probleme der Arbeit mit ausländischen Kindern und Jugendlichen in der offenen Jugendarbeit

23.06. - 27.06. u ie

Nähere Informationen: AKE, Postfach 1109, 4973 Vlotho.

= 08

MITTEILUNGEN DER ARBEITSF ELDER BILDUNGSARBEIT UND SOZIALARBEIT

. . Planung Info Sozialarbeit 1980 C

Folgende Themen wollen wir in diesem Jahr bearbeiten: @ Neustrukturierung sozialer Dienste (Heft 26)

© Aussteigen - Weitermachen - Wie Zur politischen Strategie im Sozialbereich

© Ökologie und Sozialarbeit Linke Politik in der Jugendarbeit

® Weitere Themen mit denen wir u

ns beschäftigen bzw. beschäftigen wollen: Behindertenarbeit,

Schulsozialarbeit und Elternarbeit

Info-Leserinnen und Leser, die Interesse an einer Mitarbeit haben, schreiben uns: Arbeitsfeld

Sozialarbeit im SB,Postfach 591,605 Offenbach 4

. . Planung: Tagungen/Arbeitseminare 1980 rin

© Jugendgruppenarbeit im Stadtteil "Jugendgruppenarbeit im Stadtteil" ten 3-jährigen Projekt während unse feld Bildungsarbeit im Sozialistise

Jahren verschiedene Projekte, die Jugendliche nicht nur als poten- tielle "Klassenkämpfer", "Antifaschisten" oder "Kernkraftgegner" und auch nicht nur in ihrem Freizeitinteregse ansprechen, sondern mit und in einer Gruppe, die im sozialen Lebensraum angesiedelt ist,

m arbeiten. Es sollen die unterschiedlich-

sten Interessen und Bedürfnisse in der Gruppe zum Tragen kommen. Eine solche Gruppenarbeit

wollen wir exemplarisch kennenlernen. Termin: 25.-27. April 1980 bei Frankfurt Genaueres über Inhalt und Ablauf wie auch den Bericht von der letzten Tagung zur "Jugendbewegung" kann jeder im neuen Rundbrief 1/80 des AF Bildungsarbeit nachlesen. Der Rundbrief kann gegen Voreinsendung von DM 2.-- (Briefmarken) bestellt werden beim: Sozialistischen Büro, Postfach 591, 6050 Offenbach.

untersuchen wir an einem konkre- rer nächsten Tagung vom Arbeits- hen Büro. Es gibt seit einigen

E] Arbeitsfeldtagung Ye 13. = 16, Mai 1980

Thema: Sozialpolitik in den 8oer Jahren und Auswirkungen auf eine politische Arbeit im Sozialbereich

Diese Tagung dient der Selbstverständnis-Diskussion der im Arbeits- feld mitarbeitenden Genossi

x % ; nnen und Genossen. Im begrenztem Umfang können auch Gäste an diesem Seminar teilnehmen

® Arbeitsseminar (voraussichtlich Herbst 1980) Thema: Linke Politik in der Jugendarbeit

INFORMATIONSDIENST ARBEITSFELD SCHULE

INFORMATIONSDIENST ARBEITSFELD SCHULE

7 m Schwerpunktthema:

KINDHEIT UND LERNEN

und Protokolle des Glo« kseeschul-Kongresses *

BE SONDERSCHULE Abstellgleis

| oder | Freiraum? 1

« Berichte

\usserden Der Kinder {

Arbeitsfeldmaterialien ac” > zum Sozialbereich GESUNDHEITSWESENS

SOZIALARBEIT ZWISCHEN BÜROKRATIE UND KLIENT

Dokumente der Sozialarbeiterbewegung Sozialpädagogische Korrespondenz 1969 - 1973 (reprint)

Berichte + Konzepte * Alternativen

Arbeitsteldmatenalen zum Sozial und Gesundheitsbereich Het 9

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