INFORMATIONSDIENST SOZIALARBEIT

DAS EFFEKTIVE” SYSTEM DES HEIFENS

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Schwerpunktthemen: z JUGENDHILFETAG ’78 IN KOLN GESCHLOSSENE HEIMERZIEHUNG

Ausserdem: SPZ wird dichtgemacht * Sozialarbeitergesetz in Westberlin * Jugendpolizei x Sommerschule ’79 * Rationalisierung im Sozialdienst

Offenbach im März 1979 Einfachnummer - Preis DM 7,--

Dieser Informationsdienst Sozialarbeit wird seit 7 Jahren im Sozialistischen Büro von Gruppen, die im Sozialisationsbereich arbeiten, herausgegeben.

Der Info dient der Kommunikation und Kooperation von Genossen, die mit sozialistischem Anspruch im Feld der sozialen Arbeit tätig sind.

Der Info enthält neben einem Schwerpunktthema Darstellungen über die

Organisationsmodelle und Basisaktivitäten sozialistischer Sozialarbeiter/-pädagogen, Erzieher, Kindergärtnerinnen etc.,

Kurzberichte ‚Informationen und Analysen aus dem Sozial- und Gewerkschafts- bereich sowie Materialien, Hinweise,Stellenangebote und Kleinanzeigen.

Folgende Hefte sind noch lieferbar:

HEFT 5: HEFT 7: HEFT 8:

HEFT lo:

ZUR ORGANISIERUNG IM SOZIALBEREICH (104 Seiten,DM 5,--) JUGENDHILFETAG SOZIALISTISCHE AKTION (30 Seiten,DM 4,--) REFORM UND REFORMISMUS ALS PROBLEM PRAKTISCHER POLITIK IN DER SOZIALARBEIT (72 Seiten, DM 4,--)

KNAST UND SOZIALARBEIT (64 Seiten, DM 3,50)

Die nun folgenden Hefte 11 bis 18 Jahrgänge 1976/77 sind zusammen auch zu einem Sonderpreis von DM 20,-- erhältlich. Das einzelne Heft kostet weiterhin den regu-

lären Preis.

HEFT 11: HEFT 12: HEFT 13: HEFT 14: HEFT 15: HEFT 16: HEFT 17: HEFT 18:

HEFT 19: HEFT 20: HEFT 21:

Herausgeber:

Verleger:

Erste Auflage:

Probleme stadtteilbezogener Sozialarbeit - Teil I (64 Seiten, DM 3,50) Probleme stadtteilbezogener Sozialarbeit - Teil II (80 Seiten, DM 4,--) Jugendarbeit - Jugendarbeitslosigkeit (96 Seiten, DM 5,--)

Alternative Psychiatrie (80 Seiten, DM 4,--)

Studium und Berufspraktikum (88 Seiten, DM 5,--) Gewerkschaftsarbeit in der OTV (88 Seiten, DM 5,--) Kindergartenarbeit (96 Seiten, DM 5,--)

Heimerziehung ( 168 Seiten, DM 8,--)

JUGENDHILFERECHT JUGENDHILFETAG (96 Seiten, DM 6,--)

4

SOZIALARBEITERAUSBILDUNG (104 Seiten, DM 7,--) FAMILIENFÜRSORGE (80 Seiten, DM 5,--)

Sozialistisches Büro,Postfach 591, 605 Offenbach 4 Verlag 2000 GmbH Offenbach März 1979, 5000 Exemplare

Alle Rechte bei dem Herausgeber

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Der Info kann auch im Abonne

Verlag 2000 GmbH, Postfach 591, 605 Offenbach 4 Postscheck Frankfurt Nr. 61041 - 604 Einfachnummer DM 7,--

bei Abnahme von mind. lo Ex. 20% Rabatt Weiterverkäufer(Buchläden,Buchhandel) 40% Rabatt

jeweils zuzüglich Versandkosten

ment bezogen werden; Bezugsgebühren für das

Jahr 1979 (Heft 22 - 25) DM 15,-- und DM 4,-- Versandkosten

Verantwortlich: Redaktionskollektiv Info Sozialarbeit

Presserechtlich verantwortlich: Günter P

Beilagen:

abst Offenbach

Prospekt Juventa Verlag Netzwerk Selbsthilfe Unterschriftenflugblatt “Gegen geschlossene Unterbringung”

Günter Pabst und Frank Düchting

hbo-Druck Einhausen

INFO SOZIALARBEIT, HEFT 22

INHALT

Mitteilungen des Arbeitsfeldes 3

JUGENDHILFETAG

Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit, Hamburg , Selbstkritische Nachlese zum Jugendhilfetag 1978 in Köln 2

Erklärung zur Offenen Jugendarbeit

Erklärung zur Veranstaltung "Jugendhilfe und Schule" 17 Resolution zum Jugendhilferecht 19 Christine Holzkamp/C.W.Müller,Westberlin/H.Thiersch, Tübingen i Lernen in der Jugendhilfe - Moderation einer Realität 25 Abschlußerklärung des Vorstandes der AGJ A Abschlußerklärung des Jugendpolitischen Forums 45 Roland Roth, Frankfurt / "Wir müssen uns schon selber helfen - Jugendhilfetag 1978 i Erklärung des JupoFo v. 20./21. Januar 1979 53 HEIMERZTEHUNG

Die Westfälische Heimerziehung probt in Dorsten n das Korsettstangensystem A Arbeitsgruppe der Intern.Gesellschaft f. Heimerziehung

Indikatoren für geschlossene Unterbringung von Kindern f und Jugendlichen b 39 Probleme von Kindern und Jugendlichen lassen sich m

nicht einsperren

Günter Pabst, Schwalbach 4000 gegen geschlossene Unterbringung 82

SOZIALDIENST

Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit,Frankfurt Wir lassen uns nicht wegrationalisieren 85

AUSBILDUNG

Studenten der FHSS Westberlin Sozialarbeitergesetz - Berufsverbot auf Umwegen ? 9]

Josef Bura/Lora Barrelet, Hamburg Ein Lehrstück aus der Gegenreform - Die Zerschlagung eines fortschrittlichen Instituts im Bereich Sozialpädagogik/Sozial-

arbeit an der Universität Hamburg 95

SOMMERSCHULE 1979

Alternativ Arbeiten - Alternativ Leben? 99

MATERIALIEN

Thema: Jugendpolizei 102

MITTEILUNGEN DES ARBEITSFELDES SOZIALARBEIT

NACHRICHTEN AUS DEM ARBEITSFELD

® Am 3./4. März haben sich Genossinnen und Genossen aus München, Tü- bingen,Stuttgart, Frankfurt, Mönchengladbach, Düsseldorf/Krefeld, Hamburg und Westberlin zur Koordinationsratssitzung in Frankfurt getroffen und über die jeweilige Gruppensituation und die Arbeit im Arbeitsfeld Sozialarbeit diskutiert. Fast in allen Gruppen ist derzeit eine große Verunsicherung über die Möglichkeiten einer sozialistischen Arbeit im Sozialbereich festzustellen. Dies äußert sich darin, daß stärker als früher dis- kutiert wird, welchen Sinn eigentlich diese politische Arbeit habe, daß sehr aktive Genossinnen und Genossen nach 3-4 jähriger Arbeit nach anderen - ausserhalb der Sozialarbeit liegende - Selbstver- wirklichungsmöglichkeiten suchen bzw. viele Gruppen sich noch stär- ker auf das eigene Arbeitsfeld zurückziehen und Schwierigkeiten haben eine gemeinsame Strategie des offensiven Arbeitens und Wehrens zu entwickeln. Auch der sehr widersprüchlich erlebte Jugendhilfe- tag war mit ein Grund dafür, uns mit diesen Fragen stärker ausein- anderzusetzen und eine kollektive Diskussion in Gang zu setzen. Unter dem Arbeitstitel "Aussteigen oder Weitermachen - Wie ? - Zur politischen Strategie im Sozialbereich'" werden wir in den nächsten Wochen und Monaten diese Diskussion in den Gruppen und im Koordinationsrat führen und darüber die Arbeitsfeldtagung im Herbst dieses Jahres vorbereiten. Info-Leser(innen), die sich an dieser Diskussion beteiligen wollen, schreiben an das Arbeitsfeld Sozial- arbeit, Postfach 591, 605 Offenbach 4

® Folgende Schwerpunktthemen sind für 1979 und das 1. Halbjahr 1980 geplant: - Frauen in der Sozialarbeit (Heft 23 - erscheint Mai 1979) - Methoden in der Sozialarbeiter-Fortbildung (Heft 24) - Behinderte - Nichtbehinderte (Heft 25) - Politische Arbeit im Sozialbereich - Gewalt (durch Sozialisationsinstanzen)

® Info-Leser-Treffen in Hamburg Der Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit Hamburg lädt alle Info- Leser aus Hamburg und Umgebung zu einem Lesertreffen ein. Wir möchten gern bei Kaffee und Kuchen mit Euch über den Info, über unsere und Euere Arbeit ins Gespräch kommen und mit Euch her- ausfinden, welche Formen der Kooperation und Kommunikation es für uns geben könnte.

Zeit: Samstag 5. Mai um 15.00 Uhr

Ort: Laden des Sozialistischen Büros Hamburg, Altonaerstr. 29 2 Hamburg 6 (Nähe U-Bahn/S-Bahn Sternschanze)

® Veranstaltung "Gegen geschlossene Unterbringung" in Tübingen In Verbindung mit der Unterschriftenaktion "Gegen die Verankerung der geschlossenen Unterbringung im neuen Jugendhilferecht" wird das Arbeitsfeld Sozialarbeit im Sozialistischen Zentrum in Tübingen am 27.4.1979 eine Veranstaltung durchführen. Kontakt: SZ Tübingen c/o Angelika Walther, Münzgasse 13, 74 Tübingen

® Weitere Termine des Arbeitsfeldes: - Koordinationsratssitzung vom 19. - 20. Mai 1979 in Frankfurt - Arbeitsfeldtagung vom 29. - 30. September (Ort steht noch nicht fest)

NACHRICHTEN AUS ALLER WELT

® Streik in England Einige Tausend Sozialarbeiter sind in Großbritannien im Streik. Hauptsächlich in London,Glasgow,Liverpool und Manchester wurde für jetzt schon sechs Monate die Sozialarbeit eingestellt. Der Hintergrund: Vor fünf Jahren wurden die Grafschaften in Regionen umgegliedert. Aufgabengebiete und Verantwortung wurden so für die einzelnen Sozialarbeiter größer, ohne daß - wie bei anderen Ange- stellten im öffentlichen Dienst - das Gehalt erhöht wurde. Der Streik ist in der englischen Öffentlichkeit kaum bemerkt worden und hat keine einzige Schlagzeile gemacht. Den "Klienten" fehlen die Sozialarbeiter nicht sehr, da es ihnen auch nicht schlechter geht als zuvor mit Sozialarbeiterbeistand. Und da der Gewerkschaft der Streik jetzt mit der Zeit zu teuer wird, ist ein baldiges Ende mit einem faulen Kompromiß zu erwarten. Dazu der Kommentar einer betroffenen Sozialarbeiterin: "Eine schöne Lehre für Alle.Strei- kende Sozialarbeiter scheinen so gut wie gar nichts erreichen zu können." (aus Rundbrief des AF Sozialarbeit München Nr. 11/1979)

© Kongress "Kindheit und Lernen" vom 22. - 24.6. in Hannover Die pädagogische und schulpolitische Diskussion ist in letzter Zeit vorwiegend durch zwei Positionen bestimmt: Einerseits ein wachsendes Interesse an Gegenschulen, andererseits der immer häufigere Vorwurf, hierbei handele es sich um Rückzugsbewegungen, die die notwendige Arbeit im Regelschulsystem vernachlässigten oder gar behinderten. Unsere Frage: Inwieweit bildet sich hier -über schulpolitisch-strate-=, gische Unterschiede hinaus - eine pädagogisch-inhaltliche Kontro- verse heraus? Inwieweit gibt es innerhalb einer progressiven pädagogischen Öffentlichkeit überhaupt einen'Minimalkonsens' zur Frage, was Erziehung zur Autonomie, was selbstbestimmtes Lernen sei? Mitarbeiter in Alternativprojekten,Lehrer,Erzieher,Sozialarbeiter, Wissenschaftler und Eltern sind zur Teilnahme eingeladen. Wer nähere Informationen haben will, schicke einen mit -,80 DM frankierten, adressierten Rückantwortumschlag (DIN C4) an die: Glocksee-Schule "Kongress" ‚Hölderlinstr. 6, 3 Hannover 6l

© Tagungen der Arbeitsgemeinschaft sozialpolitischer Arbeitskreise Aus dem zahlreichen Angebot an Seminaren zu den Projektbereichen "Strafvollzug/Fürsorgeerziehung","Psychisch Kranke","Obdachlosig- keit/Stadtteilarbeit", "Jugendzentren", "Jugendwohnkollektive" wollen wir aus Platzgründen lediglich auf eines Hinweise: Thema: Standhalten - Flüchten - Gründe der Resignation und Möglich- keiten der Überwindung v. 2. - 5.8.1979 in Ahrdorf. Die Tagungsvor- schau ist bei der Geschäftsstelle, Belfortstr. 8, 8 München 40 erhältlich.

Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit, Hamburg

SELBSTKRITISCHE NACHLESE ZUM JUGENDHILFETAG 1978

1. CHRONOLOGIE DER VORBEREITUNG

Als bekannt wurde, daß die Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe (AGJ) für

1978 wieder einen Jugendhilfetag (JHT) plante, war uns klar, daß sich

das Arbeitsfeld Sozialarbeit-als Initiator der Sozialistischen Aktion

zum später abgeblasenen JHT 74 und mit dem Bund Deutscher Pfadfinder,

den Jungdemokraten und den hessischen Naturfreunden und Jungsozia-

listen Träger des damaligen Jugendpolitischen Forums, dazu verhal-

ten mußte,

® 50 wurden im November 1977 auf der Göttinger Koordinationsratssit- zung die vorhandenen Informationen zusammengetragen und die ört- lichen Arbeitskreise Kritische Sozialarbeit aufgefordert, über Akti- vitäten des Arbeitsfeldes zum JHT zu diskutieren.

© Die Frankfurter Koordinationsratssitzung im Februar 78 brachte erste Einschätzungen und Aktionsvorschläge, Übereinstimmend wurde von den Gruppenvertretern festgestellt, daß es Fraktionen in der AGJ gibt, die offensichtlich seit 1974 Lernprozesse durchgemacht ha- ben, was an der offenen Konzeption für den JHT 78 deutlich werde, So solle die Chance, an eine breite Fachöffentlichkeit heranzutre- ten, die der JHT trotz seiner Widersprüchlichkeit für die Linke biete, genutzt werden. Der Widersprüchlickeit sei dadurch zu be- gegnen, daß die Kontroversen auf den Tisch gebracht würden. Hinsichtlich des Vorgehens auf dem JHT waren wir uns einig darin, daß der Schwerpunkt auf Themen quer zu der von der AGJ vorgesehenen Strukturierung nach Arbeitsfeldern liegen sollte, wie z.B. Jugend- hilferecht, Jugendarbeitslosigkeit, Rechtstendenzen bei Jugend- lichen und Ausbildungssituation im Sozialbereich. Aktionsformen sollten eine entsprechende thematische Veranstaltung, eine Demon- stration in der Kölner Innenstadt und eine Kulturveranstaltung sein. Um dies gegenüber der AGJ durchzusetzen, sollte wie zum ge- platzten JHT 74 eine Sozialistische Aktion initiiert werden.

® Diese Einschätzung und Konzeption war Grundlage für eine Stellung- nahme des Arbeitsfeldes zum JHT 78 im Info Sozialarbeit Heft 19 und für einen geplanten Aufruf zu einer Neuauflage der Sozialisti- schen Aktion.

© Zum April hatte das Arbeitsfeld alle interessierten Gruppen und Einzelpersonen zu einem Vorbereitungstreffen nach Köln eingeladen. Dieser Einladung hatten sich Mitglieder des Redaktionsbeirates von päd. extra Sozialarbeit, die sich mit Gruppen aus Berlin und Ham- burg unabhängig vom Arbeitsfeld Sozialarbeit auf den JHT vorberei- tet hatten, angeschlossen.

® Der Ko-rat, der unmittelbar vor dem Vorbereitungstreffen tagte, mußte bei der Durchsicht der Anmeldungen feststellen, daß eine Neuauflage der Sozialistischen Aktion wohl nicht möglich sein würde.

Es gab zwar zahlreiche Anmeldungen, doch viele der größeren Grup-

pen und Verbände, die sich 1974 beteiligt hatten, waren nicht da-

bei. Ferner war nur ein Teil der AKS-Gruppen vertreten.

Die Vorbereitung am Ort war nicht oder nur mangelhaft gelaufen.

So verhielten sich dann auch die Vertreter des Arbeitsfeldes beim

Vorbereitungstreffen sehr zurückhaltend,

Zustimmung bei der Mehrheit der Anwesenden fand ein Konzept, die

oppositionellen Kräfte in Vorbereitungsgruppen zusammenzufassen,

die entsprechend der AGJ-Planung nach Arbeitsfeldern gegliedert

sein sollten. Alle hierbei mitwirkenden Gruppen und Einzelperso-

nen sollten sich als Jugendpolitisches Forum (JupoFo) verste-

hen.

Das so konstituierte JupoFo zum JHT 78 organisierte verschiedene

Vorbereitungstreffen und stellte in einem offenen Brief an die

AGJ folgende Forderungen auf:

- Beteiligung am Eröffnungspodium und an der Ausgestaltung der Halle für die Eröffnungsveranstaltung

- Einbau mehrerer Veranstaltungen von JupoFo-Gruppen in das offi- zielle Programm

- Erhöhung der Mittel für den JHT, um freien Eintritt für Jugend- liche zu ermöglichen

- Schul- bzw. Dienstbefreiung zum JHT

- Zusammenlegung von Ständen der Gruppen, die sich zum JupoFo zähl- ten.

Beim offiziellen Vorbereitungstreffen der AGJ in Bonn Anfang Juni

kam es zum verbalen Schlagabtausch zwischen Vertretern des JupoFo

und der AGJ. Einer der Schwerpunkte der Auseinandersetzung war die

Frage der Gestaltung der Eröffnungsveranstaltung. Es kam zu einer

eher peinlichen Kampfabstimmung mit 3 Anträgen und knappem Ergeb-

nis, bei der Vertreter von Gruppen, die zum JupoFo gezählt wurden,

sehr unterschiedlich abstimmten. Vertretern, die sich nicht zum

JupoFo zählten, konnte nicht vermittelt werden, warum das JupoFo

einen besonderen Anspruch auf einen Podiumsteilnehmer stellte, Da-

bei kam es u.a. zu einer scharfen Kontroverse mit den Falken,

Dennoch wurde dies später von der AGJ akzeptiert, ebenso wie die

Darstellung von Problemfällen in der Eröffnungsveranstltung durch

Betroffene.

Nachdem die Bedeutung des JupoFo als Handlungsbasis auf dem JHT

im Arbeitsfeld umstritten war und wegen der mangelhaften Vorberei-

tung praktisch kaum Einfluß auf die Diskussion im JupoFo genommen

werden konnte, rafften wir uns doch noch einmal zu einer Kraftan-

strengung für den JHT auf, Während der Arbeitsfeld-Tagung in

Darmstadt, September 78, wurde konzentriert und mit guten prak-

tischen Ergebnissen an der Gestaltung des AF-Standes und der Durch-

führung kleinerer Aktionen gearbeitet.

Niemand sah sich dann eine Woche später in der Lage, am 3. Vorbe-

reitungstreffen des JupoFo teilzunehmen.

Die dort Anwesenden stellten fest, daß die AGJ den Forderungen des

JupoFo im Wesentlichen nachgekommen war, und daß sich konservative

Gruppierungen wie der Caritas-Verband z.T. wegen der Linkslastig-

keit vom JHT distanziert hätten. Man einigte sich auf eine poli-

tische Erklärung, in der der AGJ die geplante Entpolitisierung des

JHT vorgeworfen und gemutmaßt wurde, daß u.a. die Falken das JupoFo

in die linksradikale Ecke drängen wollten, was vereitelt werden

müsse,

Und dann endlich, zwei Tage vor der Eröffnung der Karnevalssaison, begann das große Jugendhilfe-Spektakel.

2. WAS WAR LOS ?

Ohne ins Detail gehen zu wollen, soll beschrieben werden, was sich vom 9. - 11.11.78 auf dem Kölner Messegelände so alles getan hat.

Das vor allem für die, die nicht zu den 20 - 25 000 Leuten gehörten, die das Gelände bevölkerten.

Der Jugendhilfetag war grob in zwei Teile gegliedert:

® Zum einen der 'Markt der Jugendhilfe', eine messeähnliche Ausstel- lung, auf der ca, 150 Gruppen, Verbände, Initiativen und Projekte ihre Arbeit darstellten. Das Spektrum reichte von SDAJ, Falken, Gewerkschaftsjugend, ÖTV und GEW über zahlreiche Stände unter der Fahne des DPWV, verschiedenen öffentlichen Jugendhilfeeinrichtun- gen und sogar einem Arbeitsamt, bis hin zu kleinen Jugendzentrums- initiativen oder anderen Projekten, häufig auf selbstorganisierter Basis. Dieser Markt bot die Möglichkeit, sich über die vielfältigen An- gebote zu informieren, mit den Leuten zu reden und sich Informa- tionsmaterial einzustecken, daß vielleicht zu Hause gelesen wird. So informativ dieser Markt auch war, viele waren einfach von seiner Fülle erschlagen, wanderten hindurch, wie durch eine beliebige Ausstellung - angesichts des enormen Spektrums und der Reizüber- flutung optischer und akustischer Art kein Wunder. Mitten im Markt war ein Marktplatz, bühnenähnlich aufgebaut, auf dem Songgruppen, Kabaretts, Theatergruppen einzelner Initiativen ihre Sachen vorstellen konnten. Hier fand auch die total mißglückte, von ständigen Buhkonzerten begleitete Eröffnungsrede der Frau Mini-

sterin Huber statt.

® Zum anderen liefen jeden Tag eine Reihe von Großveranstaltungen in fast immer überfüllten Sälen zu verschiedenen Themen ab. Die Anzahl dieser Veranstaltungen war so groß, daß hier nur die wich- tigsten aufgezählt werden sollen: - Offene Jugendarbeit - Jugendzentren - Ausländische Kinder in der Jugendhilfe - Heimerziehung - Jugendhilferecht - Frauen - Schule - Jugendhilfe - Politische Entwicklung der Jugend Hinzu kamen noch die Eröffnungs- und die Schlußveranstaltung, auf denen, im Gegensatz zu den meisten anderen Veranstaltungen, auch mal Politiker oder Funktionäre der großen Verbände das Wort er- griffen, Ohne der Einschätzung im folgenden Teil vorgreifen zu wollen, kann zunächst festgestellt werden, daß die Veranstaltungen eigentlich alle Problembereiche der Jugendhilfe abdeckten und so für jeden et- was zu finden war. Abgesehen von der inhaltlichen Kritik ist sicher

rein formal festzustellen, daß die Veranstaltungen einfach zu groß waren, es fast nie Arbeitsgruppen gab, Diskussionen mit den Podiums- rednern nicht stattfinden konnten.

Für beide Bereiche, Markt und Veranstaltungen, war von der AGJ

ein Führer und ein Reader herausgegeben worden, der es ermöglichte, sich recht gut überall zurechtzufinden und sich einen gewissen Überblick über das jeweilige Thema oder die vortragende Gruppe zu verschaffen.

Das Arbeitsfeld Sozialarbeit schließlich, weit außen in eine nicht besonders publikumswirksame Ecke gestellt, konnte ungeahnt großen Zu- lauf verbuchen, Nicht nur, daß das Arbeitsfeld so bekannt war und der Informationsdienst Sozialarbeit und die Arbeitsfeldmaterialien rasend weggingen, war erstaunt festzustellen, sondern auch, daß sehr viele Leute mit ganz konkreten Fragen an uns herantraten und sichtlich das Arbeitsfeld als kompetenten Gesprächspartner ansahen, freute uns, ob- wohl wir diese Tatsache auch darauf zurückführen müssen, daß eben vorwiegend fortschrittliche Leute auf dem Jugendhilfetag anwesend waren. Außer dem Info-Stand hatten wir drei kleinere Aktionen vorberei- tet. ® Die szenische Darstellung des "effektiven" Systems des Helfens während der Eröffnungsveranstaltung. Diese als kleine Provokation geplante Aktion, bei der mehrere Ge- nossinnen und Genossen, mit Schildern verschiedene Positionen in der hierarchischen Dienstleistungspyramide der Jugendhilfe dar- stellend, das Podium besetzen sollten, wurde leider dadurch unter- laufen, daß sie von dem offenbar vorbereiteten Diskussionsleiter als Kulturbeitrag angekündigt wurde. Wir brauchten das Podium also nicht besetzen, sondern bekamen es geschenkt. Auch gut. ® line Fragebogenaktion zu den $$ 97 und 102 des geplanten Jugend- hilfegesetzes. Hierzu zogen wir auffällig finster mit Schlapphüten, langen Mänteln und Sonnenbrillen als Verfassungsschützer verkleidet durch den Markt und forderten die Besucher per Megaphon dazu auf, sich und ihren Anstellungsträgern einer Gesinnungsprüfung zu unterziehen. Dazu wurde ein lustig-makaberer Fragebogen verteilt. Jeder, der ihn ausfüllte und die Prüfung bestand, bekam den Stempel "gesin- nungsgeprüft'" auf die Hand. Diese Aktion hat uns Spaß gemacht und die angesprochenen Besucher heiter und ernst berührt. ® Eine Sandwich-Demo auf dem Markt zum Thema Repression im Sozialbe- reich, Auf dieser Aktion verzichteten wir dann letztlich, weil wir den Eindruck hatten, daß der Konsumdschungel des Marktes damit nicht mehr zu zerteilen war.

TEST TEST KOMMEN SIE IHRER PERSÖNLICHKEIT /

Br IHREM ANSTELLUNGSTRAGER AUF DIE SCHLICHE | bei einem öffentlichen Träger ?

bei einem freien Träger?

SIND SIE ANGESTELLT

WENN FÜR SIE ZUTRIFFT: eignen sie sich gem. $102 RE nach ihrer persönlichkeit

dafür bei einem öffentlichen träger beschäftigt zu sein ? _— NEIN _ Ich trage eine AkW-NEE Plakette

Ich lese die FR und habe PÄD.Ex Sozialarbeit abonniert Sure

TOET. OBER Ich stelle fast nie Verständnisfragen

Ich habe schon mal einen Kollegen dem Verfassungsschutz gemeldet, weil er seine Klienten duzt

O O

Y Fun 7 Ich habe meinen Vorgesetzten zum Ver mc O LJ

trauensmann der Ü T V gewählt

Ich bin dafür, daß Peter Böhnisch den Nobelpreis bekommt

Mein Lieblingsgericht sind Schwarwurzeln

Ich kenne einen Lokführer dessen Neffe in der DKP ist.

Mein Lieblingsgericht ist Rote Grütze

L O g Neben mir wohnt eine Wohngemein. s =

bietet ihr träger nach §97(3) RE Gewähr dafür, daß

WENN FÜR SIE ZUTRIFFT: seine Arbeit der FDGO des GG entspricht ?

NEIN

Mein Anstellungsträger beteiligt sich am Jugendpolitschen Eon

O Wir haben dem Landes jugendamt einen Vorschlag zur Rationalisierung unserer Einrichtung unterbreitet

si i Es gibt bei uns keinen veran

E In unserem Büro hängt ein Bild vom Sortlichen Leiten t

Bundespräsidenten

[] Unser Team unterstüzt die Forderunge n

= Zu den Freitag-Discos bitten wir des ZDL ers

immer einen vom Jugendschutz in Zivil

u Wir haben an einer Aktionseinheit mit Judos, Jusos und DGB-Jugend gegen Lehrstellenabbau teilgenommen

DO Der Träger hat sich geweigert, einem päd. Mitarbeiter Sonderurlaub zum Besuch des Jugendhilfetages zu gewähren

O Wir haben zusammen mit den Jugend- lichen ein weitgehendes Mitbe- stimmungsmodell entwickelt,

1 Es wurde ein Maler beauftragt, in den Räumen unserer Einrichtung (rote) Stellen (über) zu streichen.

ee ee _AUFLOSUNG

Wenn Sie bei (7) oder(2) mehr als zwei Antworten in der NEIN- Rubrik angekreuzt haben, sollten sie schleunigst Ihre Persönlichkeit überprüfen (lassen),

bzw. so schnell wie möglich Ihren Anstellungsträger wechseln.

8 97 (3) RE EIN FREIER TRÄGER DER JUGENDHILFE HAT EINEN ANSPRUCH AUF ANERKENNUNG, WENN ER DIE GEWÄHR DAFÜR BIETET, DASS SEINE ARBEIT DER FREIHEITLICHEN DEMOKRATISCHEN

GRUNDORDNUNG DES GRUNDGESETZES ENTSPRICHT.

S 102 (1) RE

DER ÖFFENTLICHE TRÄGER DER JUGENDHILFE DARF BEI DER DURCHFÜHRUNG DIESES GESETZES HAUPTBERUFLICH NUR PERL SONEN BESCHÄFTIGEN, DIE SICH HIERFÜR NACH IHRER PER- SÖNLICHKEIT EIGNEN UND ENTWEDER EINE IHREN JEWEILIGEN AUFGABEN ENTSPRECHENDE AUSBILDUNG ERHALTEN HABEN

ODER BESONDERE ERFAHRUNGEN IN DER JUGENDHILFE BESITZEN,

(Interpretation dazu aus den MATERIALIEN) 5. 335 Zu der fachlichen Qualifikation muß eine persönliche Eignung für die Aufgaben der Jugendhilfe hinzutreten, Angesichts der großen menschlichen Verantwortung, die alle in der Jugendhilfe Tätigen tragen müssen, ist neben der fachlichen Qualifikation die persön-

liche Eignung unabdingbare Vorraussetzung.

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Mädchen aus einem Kölner Heim stellen in einem Theaterstück ihren Heimalltag dar

3. ZUR EINSCHÄTZUNG

3.1 Großveranstaltungen - wenig Neues een u sche Peiner

Die Einschätzung der Großveranstaltung ist ambivalent.

Zum einen sind solche Großveranstaltungen unbedingt wichtig für viele Sozialarbeiter, die in ihrer eigenen Praxis ertrinken oder zu ertrin- ken drohen und wenig Gelegenheit haben, einmal über die eigenen Gren- zen hinauszuschauen, um festzustellen, daß man mit seinen Problemen gar nicht so allein ist, daß viele andere gleiche oder ähnliche Sor- gen haben. Außerdem ist es auch mal wieder ganz interessant, sich mit theoretischen Ansätzen auseinanderzusetzen, eine Sache, die wegen

der Überbeanspruchung durch die Praxis häufig unterbleiben muß,

weil keine Kapazitäten dafür freisetzbar sind. Zudem sind solche Ver- anstaltungen am ehesten geeignet, politische Forderungen zu artiku- lieren.

Zum anderen hatte die Darstellung der Mißstände, Repressionen und strukturell schlechten Bedingungen in diesen Veranstaltungen einen wesentlich zu hohen Eigenwert, Natürlich ist es wichtig, gerade zur politischen Meinungsbildung solche Einschränkungen immer wieder zu markieren, daraufhinzuweisen, daß in der Jugendhilfe zum Teil aben- teuerliche Bedingungen herrschen, was personelle, finanzielle und räumliche Ausstattung angeht, oder was die Einschränkungen durch die herrschende Administration bei allem, was in Ansätzen fortschritt- lich ist, betrifft. Aber man kann diese Darstellung auch übertrei1- ben. Übertrieben im Sinne von - wenig Neues, keine Perspektiven - waren viele der Veranstaltungen. Da die Veranstaltungen vorwiegend von Leuten besucht wurden, die über solche Mißstände Bescheid wußten, sie 2.T. oft erfahrer haben, aber trotzdem nicht das Handtuch ge- worfen haben, waren sie im Interesse des Publikums vorbeikonzipliert.

Um diese pauschale Aussage zu belegen und vielem zu widersprechen was seit dem Jugendhilfetag bisher in den Fachzeitschriften ver- öffentlicht worden ist, abschließend einige Beispiele:

Der Veranstaltung zur offenen Jugendarbeit muß zugute gehalten wer- den, daß die Macher mit einem viel zu großen Publikum konfrontiert wurden, daß bei tausend Leuten keine vernünftigen Diskussionen auf- kommen können. Aber wenn im einleitenden, immerhin zweistündigen Vortrag nur Altbekanntes an Beispielen illustriert wurde,wenn so- wenig nach vorne Weisendes zu vernehmen war, wenn so ziemlich die ganze Perspektive darin bestand, wieder an den Bedürfnissen der Ju- gendlichen anzusetzen, dann fehlte für viele Sozialarbeiter gerade das, was sie sich von solchen Veranstaltungen auch erhofft hatten: die Entwicklung von perspektivischen Gedanken - wie kann es welter- gehen, was bringt die Arbeit überhaupt noch, wo sind Chancen, fort- schrittliche Ansätze in diese beschriebenen schlechten Bedingungen einzubringen,

Auch die Veranstaltung zur Heimerziehung war problematisch, Grund- sätzlich ist es richtig, sich soweit wie möglich mit den Heimbe- wohnern zu solidarisieren, mit ihnen zusammen für die notwendigen Verbesserungen und lctztlich für die Abschaffung der Heime insge- samt einzutreten. Nur, die vielfältigen Schwierigkeiten, die dem

so handelnden Sozialarbeiter vom Träger immer wieder gemacht werden,

- 13 -

ERKLÄRUNG ZUR OFFENEN JUGENDARBEIT

Die Situation in der Offenen Jugendarbeit ist davon geprägt, daß die Träger von kommunalen und verbandlichen Jugendfreizeiteinrichtun- gen auf die sich negativ entwickelnden Lebensbedingungen der Jugend\ lichen in zunehmendem Maße mit Arbeitseinschränkungen und prakti- schen Behinderungen einer engagierten sozialpädagogischen Arbeit

bis hin zur Schließung von Einrichtungen reagieren, statt die not- wendigen Unterstützungsangebote für die Jugendlichen zu ermöglichen, Diese Tendenz kommt auch gegenüber den selbstverwalteten Jugend- zentren und gegenüber d en Jugendverbänden zum Ausdruck, die sich in den letzten Jahren verstärkt den Problemen von Arbeiterjugendli- chen zugewandt haben und die traditionellen Verbandsstrukturen mit der Hinwendung zur Offenen Jugendarbeit zu verändern suchten.

Viele Träger von Jugendfreizeiteinrichtungen wollensich die gesellschaft lich produzierten Jugendprobleme mit der Tendenz zur Geschlossenen Jugendarbeit vom Leibe halten und sind offenbar bereit, die "Lösung"

der Schwierigkeiten den staatlichen Polizei- und Justizorganen zu überlassen. Dies wird in besonders krasser Weise zur Zeit mit der Einführung der Jugendpolizei in Köln und anderswo versucht.

Die in Arbeitslosigkeit, Drogenkatastrophe und Jugendalkoholismus sich zugespitzt ausdrückende Verschlechterung der Lebensverhältnisse und -perspektiven großer Teile der Jugend stellt uns vor kaum noch lösbare Aufgaben und erzeugt einen fast unerträglichen Arbeitsdruck. Gleichzeitig werden die materiellen Voraussetzungen (Personallage, Finanzmittel) auch in unserem Arbeitsbereich nicht besser, sondern schlechter. Das durch diese Entwicklung verstärkt notwendig werden- de persönliche und politische Engagement und die aufkommende Kritik an diesen Zuständen wird vom Staat und den sog. Freien Trägern der Jugendhilfe nicht positiv aufgenommen, sondern mit repressiven Maß- nahmen (polit. Überprüfungen, Schwarze Listen, Berufsverbote, büro- kratische Kontrollen) zu behindern und zu ersticken versucht. Der immens gewachsene Druck macht sich in allen Bereichen der Jugendhil- fe dadurch bemerkbar, daß viele Kolleginnen und Kollegen psychisch und physisch überfordert werden, oft zusammenbrechen, die Arbeit aufgeben und resignieren.

Deshalb fordern wir:

l. Umfassende Autonomie für die Jugendlichen und die Pädagogen als Voraussetzung für Offene Jugendarbeit in staatlichen und verbandli- chen Einrichtungen!

2. Orientierung der Jugendarbeit an den Lebensbedingungen der Arbei- terjugendlichen und ihren Freizeitbedürfnissen!

3. Materielle Voraussetzungen für die direkte Unterstützung von Ar- beiterjugendlichen bei der Verwirklichung ihrer existentiellen In-

teressen und Unterstützung ihrer Widerstandsformen, - Möglichkeiten

kollektiver Selbsthilfe!

4. Möglichkeiten und Unterstützung von Selbstverwaltung in der Offe-

nen Jugendarbeit.

5. Beseitigung der bürokratischen Schikanen und politischen Behinde-

rungen gegenüber der Offenen Jugendarbeit und grundlegende Verbes-

serung der Arbeitsbedingungen!

6. Zeugnisverweigerungsrecht für die Mitarbeiter in der Jugendarbeit!

7. Möglichkeiten des regelmäßigen Erfahrungsaustauschs und selbstor-

ganisierter Fortbildung während der Arbeitszeit!

- Gegen jede Verschulung der Jugendarbeit!

- Gegen Polizeieinsätze und Bespitzelungen in den Jugendhäusern!

- Gegen die Einführung der Jugendpolizei (pädagogische Sonderpoli- zei) in Köln und anderswo!

- Für selbstorganisierte Zusammenschlüsse der Kolleginnen und Kolle- gen!

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wurden nicht differenziert betrachtet. Welche Möglichkeiten dem So- zialarbeiter im Heim zur Verfügung stehen, wieweit es z.B. sinnvoll ist, eine Kündigung in Kauf zu nehmen und vielleicht einen reaktio- nären Typ als Nachfolger zu haben; solche Fragen wurden nicht ge- stellt. Die bedingungslose Solidarisierung ist eben nicht überall durchführbar.

Bei der Jugendzentrumsveranstaltung war ebenfalls wenig Differenzie- rung vorhanden. Man hatte den Eindruck, die Jugendzentrumsbewegung ist immer noch auf dem Stand von vor fünf Jahren: erkämpfe Dir Dein Jugendzentrum, möglichst ohne Sozialarbeiter, und Dein Ziel ist er- reicht, Die Schwierigkeiten, die dann meistens noch kommen, die prak- tische Bewältigung der Jugendzentrumsarbeit, die Schwierigkeiten in der Selbstverwaltung wurden leider nicht thematisiert.

Die Stimmung im Marktbereich war wohl deswegen sehr viel konstruk- tiver, weil dort auf der praktischen Ebene z.T. genau die Fragen, die in den Veranstaltungen ausblieben, konkret beantwortet werden konnten.Dort fand man vielerlei Anregungen und Möglichkeiten, die eine oder andere Idee mit in die eigene Arbeit zurückzunehmen, Im Gespräch mit den einzelnen Vertretern an den Ständen konnte man die Fragen stellen, die einen interessierten, die einem selbst noch un- klar sind. Insofern fehlte leider die praktische Verbindung zu den Veranstaltungen. Die mußte jeder für sich herstellen, indem er aus der erschlagenden Fülle von Anregungen und Möglichkeiten,das heraus- suchte, was für ihn wichtig war. Allerdings erforderte der Marktbe- reich eine enorme Hartnäckigkeit, denn nur zu leicht kam der Konsum“ rausch auf, bei der Fülle der Stände.Aber wenn man gezielt Informa- tionen, Projekte o.ä. suchte, konnte man sie finden,

EEE» 3.2 Kontroversen auf den Tisch oder Integration? Ra rein en Mensen » "nasse nahen

Die vorher analysierte Widersprüchlichkeit der Funktion des JHT

ließ sich (wer hätte das gedacht?) auch in der Praxis nicht aufhe- ben. Die Linke bekam die ihr versprochene Möglichkeit zur öffentlichen Darstellung und nutzte sie, wenn auch nicht immer geschickt, so doch unübersehbar. Zwar konnten in den Veranstaltungen kaum Perspektiven gewiesen werden (dafür wurden im Marktbereich punktuelle Alternati- ven sichtbar), doch kamen die Kontroversen auf den Tisch, wenn sie auch in den seltensten Fällen ausdiskutiert wurden, da der Gegenpart kaum zu Wort kam, was in derartigen Mammutveranstaltungen nicht ver- wunderte, zumal dort die Linke weitgehend unter sich blieb.

Wir müssen erst noch lernen, mit Situationen umzugehen, in denen wir die Stärkeren sind. Von einer Jubelfeier der Jugendhilfe im Sinne der Herrschenden, wie anfänglich befürchtet, konnte jedenfalls keine Re- de sein.

Das Thema, unter dem die Linke, das Jugendpolitische Forum und damit auch das Arbeitsfeld Sozialarbeit im SB angetreten war und das als

Alternative zum AGJ-Thema: "Lernen in der Jugendhilfe" gedacht war, konnte voll in die Praxis des Jugendhilfetags umgesetzt werden. Bei dem 'in den Mittelpunkt stellen' ist man aber auch stehengeblieben. Niemand hatte etwas dagegen, Alltägliches darzustellen, damit lief

man offene Türen ein. Aber das Verändern dieser Realität ist nun

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Arbeitskreis hessischer Schulsozialarbeiter

ERKLÄRUNG ZUR VERANSTALTUNG “JUGENDHILFE UND SCHULE”

"Als wir nach Köln zum Jugendhilfetag kamen, hatten wir die Hoff- nung, daß die AGJ auf ihrer Veranstaltung "Jugendhilfe und Schule' die Probleme der Schulsozialarbeit zur Diskussion bringen würde. Leider mußten wir feststellen, daß die Veranstalter dieser Diskus- sion das Thema in unwichtige Unterthemen zerstückelten und damit eine konstruktive Klärung zum Verhältnis Jugendhilfe und Schule nicht möglich war. ("Ist die Schule am Konsumverhalten der Jugendlichen schuld?'). Die Befürchtung von '"Methodenklamauk' war berechtigt. Viel schlimmer aber: Damit wird wieder einer Form der Schulsozial- arbeit Vorschub geleistet, die letztlich darauf abzielt, eine kon- fliktlose, reibungslos funktionierende Schule zu organisieren. Das kann doch nicht ernsthaft Aufgabe von Schulsozialarbeit sein!

Wir meinen, daß Sozialarbeit in der Schule kein Instrument zur Dis- ziplinierung und zur Anpassung der Jugendlichen in der Schule sein darf. Sie darf kein Instrument zur Verdeckung und Verschleierung

der Schwierigkeiten von Jugendlichen in der Schule werden. Es ent- spricht zwar den Zielen einer konfliktlosen Schule, nicht aber den Ansprüchen einer kritsichen Sozialarbeit. Wenn Schulsozialarbeit von Ansätzen der Offenen Jugendarbeit ausgeht - und das muß sie, wenn sie sich als Sozialarbeit versteht, hat sie zugleich eine bestimmte Zielgruppe im Auge. Und zwar diejenigen Jugendlichen, die aufgrund ihrer Lebensbedingungen unterprivilegiert sind und bei denen die Ge- fahrt der Deklassierung besteht, weil Arbeitslosigkeit und Abgleiten in kriminelle Subgruppen droht.

Unsere Forderungen richten sich somit auch gegen die bürokratische Willkür, die mit Modellversuchen betrieben wird. Nämlich, daß an

der einen Stelle ein Projekt zugemacht wird, während an der anderen Stelle ein neues entsteht. Hinzukommt, daß die Erfahrungen zwischen den Projekten nicht vermittelt werden. Aus diesem Grund haben sich Sozialarbeiter und alle in der Schulsozialarbeit tätigen Kollegen an hessischen Schulen zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, um Erfahrungen gemeinsam aufzuarbeiten und sich in Konflikten solida- risieren zu können. Wie von institutioneller Seite und von den Trä- gern Schulsozialarbeit gesehen wird - als Anpassung der Schüler an einen reibungslosen Schulverlauf - spiegelte sich in den offiziellen Diskussionen auf diesem JHT wider. Für uns heißt das, für unsere Forderungen nach einer offenen Schulsozialarbeit, die sich an den Lebensbedingungen und Freizeitbedürfnissen der Arbeiterjugend orien- tiert, eine breite Öffentlichkeit herzustellen. Dazu brauchen wir den Kontakt und die Solidarität von allen Kollegen, die die Offene Jugendarbeit im Interesse der Jugendlichen praktizieren."

wieder jedem selbst überlassen. Zu diesen Veränderungen der Alltags- realität gab es im Markt einiges, in den Veranstaltungen wenig Mate- rial, wenig Anknüpfungsmöglichkeiten.

Das Thema des Jugendhilfetages hätte eigentlich heißen müssen, wenn man die Kräfteverhältnisse und den "Gegner AGJ' richtig eingeschätzt hätte: die Alltagsrealität der Jugendhilfe und ihre Veränderung (wohin?). Insgesamt blieb ein fader Nachgeschmack zurück. Nicht nur wegen der streckenweise unglücklichen Präsentation der Linken, son- dern weil in dem großen Spektakel doch vieles einfach unterging, in- tegriert wurde, Die Ankündigung der Abschlußdemonstration des JupoFo, die kaum Resonanz fand, über AGJ-Saallautsprecher gehörte ebenso da- zu, wie die Ankündigung der vom Arbeitsfeld als Provokation geplante Aktion auf der Eröffnungsveranstaltung durch die Diskussionsleitung als Kulturbeitrag. Provokationen liefen wie selbstverständlich mit, gehörten dazu als bunte Tupfer.

EL EEE AE AEA TENE eisen Ren 3.3 Auf dem Jugendhilfetag waren wir stark, aber was ist nach den 3 tollen Tagen? oder - Wer mit wem?

Der JHT präsentierte sich im linken Gewande. Das war ein Erfolg un- serer Politik seit 1974. Die Linken dominierten im Marktbereich, in den politischen Veranstaltungen und im Kulturbereich. Die Niederlam gen und Demütigungen, die die meisten von uns in der täglichen Prax1i15 verkraften müssen, konnten hier mal so richtig heimgezahlt werden. So wurde während der Eröffnungsveranstaltung beim Bericht einer Ju- gendlichen über eine Auseinandersetzung mit einem Heimbediensteten

- "Sie gehören doch ins Altersheim" - an eben dieser Stelle von vie- len Linken begeistert geklatscht. Auf dem Eröffnungspodium wurde die als linksliberal bekannte Liselotte Pongratz am Reden gehindert. Ja, sogar der Beitrag des JupoFo-Vertreters auf dem Podium mußte aus- fallen, weil die Mehrzahl der Anwesenden sich der Meinung einiger schon etwas gealterter Jugendlicher anschloß, daß dies zu unterblei- ben habe. Ein Vertreter des Kölner Jugendamtes verstand es zunächst geschickt, durch das Ausnutzen dieser Emotionen der Veranstaltungs- teilnehmer seine Hilflosigkeit in der Diskussion über den behandel- ten Fall zu vertuschen. Diese, wenn auch nicht entschuldbare, so doch verständliche zeitweilige Besinnungslosigkeit unter den Linken verschließt jedoch den Blick auf die politischen Bedingungen, unter denen wir arbeiten und unter denen wir z.T. auf eine Zusammenarbeit mit den linksliberalen und reformerischen Kräften angewiesen sind, die in der Auseinandersetzung um den JHT mindestens von Teilen der Linken nicht ernstgenommen und z.T. auch diffamiert wurden. So

haben wir in der Auseinandersetzung mit der AGJ die Chance verpaßt, zu einer inhaltlichen Diskussion mit diesen Kräften zu kommen, um die wir in anderen Bereichen (z.B. Russell-Tribunal) bemüht sind. Zu- wenig wurde von uns berücksichtigt, daß es in der AGJ verschiedene kontroverse Gruppierungen gibt, von denen einigen zugestanden wer- den muß, daß sie seit 1974 Lernprozesse durchgemacht haben (es ist z.B. in der BRD keineswegs selbstverständlich, daß Linke unzensiert die Möglichkeit zur öffentlichen Darstellung bekonmen, wie auf dem JHT), während andere sich vom JHT distanzierten, weil er ihnen zu linkslastig wurde.

Stattdessen wurde von uns teilweise eine sektiererische Politik der unbedingten Opposition mindestens stillschweigend geduldet (Über- spitzt nach dem Motto: Was von der AGJ kommt, kann nicht gut sein.)

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| RESOLUTION ZUM JUGENDHILFERECHT

"Nach fünf Jahren verbreiteter Reformillusionen (inzwis:hen gibt es seit 1973 fünf veröffentlichte Diskussions-, Referenten- oder Kabi- nettsentwürfe) gibt es seit dem 8.11.1978 eine verabschiedete Vor- lage im Bundeskabinett.

Dieser Kabinettsentwurf, der als 8. Buch dem Sozialgesetzbuch und damit insgesamt den Fürsorgemaßnahmen schwerpunktmäßig zugeordnet wird, geht nicht mehr von Anspruchsberechtigten, dem Kind, Jugend- lichen oder den Eltern aus, sondern von den Maßnahmen, zu denen die von ihnen Betroffenen nicht mehr gefragt werden müssen (KE $ 10). Die Vorlage beinhaltet wieder die'geschlossene Unterbringung’ im Heim (KE $ 46) und sogar Notmaßnahmen bei Gefahr in einer Einrich- tung - im Klartext: Freiheitsentzug fiir die Jugendlichen ($ 47 KE). Ausländische Jugendliche sind nach wie vor den deutschen Jugendli- chen nicht gleichgestellt (siehe Ausschlußklausel KE $ 6 2

In den Grundsätzen der Jugendarbeit (KE § 17) soll die Offene Jugend- arbeit direkt Zuarbeit für die Jugendfürsorge leisten. Sowohl der § 20 (arbeitsweltbezogene Jugendarbeit) wie der § 23 (Jugendsozial- arbeit) stuft den Jugendlichen als 'berufsunfähig' oder 'berufsun- willig' ein. Unterbringung außerhalb der Familie und Möglichkeiten zur kurzfristigen Unterbringung von jungen Menschen sind vorgesehen, wenn dies 'zur Abwendung einer Gefahr erforderlich' ist (KE $ 23 (3)). | | Richtige Antworten auf die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen wie: - Umwandlung der Arbeitsplätze und der berufsvorbereitenden und ähnlichen Maßnahmen in Ausbildungsplätze l - Bestimmung der Jugendlichen über alle Bau- und Arbeitsprogramme in den Jugendwerkstätten - Existenzlohn für alle Jugendlichen - Tarifverträge (Sozial- und Krankenversicherung, Jugendvertretung etc.) sind in dieser Kabinettsvorlage nicht angelegt, im Gegenteil sind Vorbereitungen für Jugendzwangsarbeit bei länger anhaltender Ar- beitslosigkeit in Konsequenz des Gesetzentwurfs zu befürchten. Jugendzentrumsinitiativen haben keine Chance mehr, anerkannt zu wer- den nach den Vorschriften des $ 102 KE, Elterninitiativen benötigen in Zukunft - auch wenn sie keine staatlichen Mittel beantragen -~ eine Betriebserlaubnis (KE $ 63). l Auch die berüchtigte Jugendpolizei kann in dieser Kabinettsvorlage durch den § 108 in die Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stel- len und Einrichtungen nahtlos eingegliedert werden.

Zum Teil sichert diese Kabinettsvorlage bestehende Zustände der herrschenden Realität ab (in der Hervorhebung der Maßnahmen zur an- geblichen Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit - auch in der Ver- pflichtung als freier Träger der Jugendhilfe aktiv für die freiheit- lich-demokratische Grundordnung einzutreten), aber er enthält noch zusätzliche Verschärfungen,die von jedem Jugendlichen, Eltern und auch fortschrittlichen Pädagogen entschieden abzulehnen sind.

Wir lehnen den vorliegenden Kabinettsentwurf insgesamt ab und sind

auch nicht bereit, scheindemokratische Pseudokorrekturen mitzutra- nm

gen.

anahas

Anabas-Verlag - Unterer Hardthof - 6300 Lahn-Gießen

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Der erste nicht von Sparkassenwerbern sondern von Lehrern für Lehrer gemachte Kalender mit berufsspezifischem Ge- brauchswert, mit vielen Notizen zu Alltag, Schule und Er- ziehung, mit Informationen über die wachsende Repression in der BRD, mit einer Menge Karikaturen, Comics und Fo- tos ein Politkaleidoskop, das Spaß macht und Mut, auf Einschüchterungen wieder solidarisch und politisch zu rea- gieren.

Das Kalendarium reicht von Schuljahr zu Schuljahr also von August 1979 bis Juli 1980.

384 Seiten, DIN A 6, gebunden, flexibler Einband, DM 8,50

Der Kalender erscheint Anfang Mai 1979

en EEEE E E EE LLERENA LEE 3.4 Funktion und Aktion des JupoFo er Malen une Mer Mn ee a a zirka

Das JupoFo hatte seine Berechtigung als Zusammenschluß von Gruppen, die nicht in der AGJ repräsentiert sind, und die sich so davor schüt- zen konnten, auf dem Jugendhilfetag verplant zu werden oder als "lin- kes" Alibi herzuhalten.

Im Gegensatz zu den Vorbereitungen zum später abgesagten Jugendhilfe- tag 1974 gelang es aber nicht,eine Mobilisierung unter Sozialarbei- tern und Jugendlichen in und durch gemeinsame Diskussionen zu er- reichen. Es fanden so gut wie keine lokalen Vorbereitungstreffen statt und auch die Treffen des JupoFo auf dem Jugendhilfetag, auf dem Presseerklärungen, JupoFo-Informationsblätter und Aktionen diskutiert und geplant wurden, beschränkten sich auf einen kleinen Kreis von Aktiven.

So konnte das JupoFo zwar als Sprachrohr einer linken Opposition auf dem Jugendhilfetag auftreten und seine Forderungen bezogen auf den Jugendhilfetag und die eingebrachten Resolutionen durchsetzen,

Dies kann jedoch nicht darüberhinwegtäuschen, daß es nicht gelungen ist, die Konsumhaltung vieler Besucher aufzubrechen, geschweige denn, Perspektiven aufzuzeigen, wie über die Darstellung der Alltagssitua- tion eine Handlungsfähigkeit erhalten und weiterentwickelt werden kann, die nicht von Resignation oder Fluchttendenzen geprägt ist. Auch der praktizierte Diskussionsstil - viele der verbalradikalen Ungeschicklichkeiten und Entgleisungen gehen auf das Konto des JupoFo trug wenig dazu bei, gemeinsame Interessen innerhalb des linken und linksliberalen Spektrums herauszuarbeiten, auf dessen Grundlage eine Politik zur Veränderung entwickelt werden könnte,

Wenn dies hier so scharf kritisiert wird, dann nicht in der Rolle des Besserwissenden, denn gerade wir können unsere Hände nicht in Un- schuld waschen. Nicht Wenige - auch innerhalb des JupoFo - waren enttäuscht über unseren Rückzug aus der aktiven Beteiligung.

3.5 Die Handlungsfähigkeit der AKS-Gruppen

Wie schon in der Chronologie der Vorbereitung beschrieben, besteht

ein krasser Widerspruch zwischen den Ansprüchen und den politischen Notwendigkeiten auf der einen und der Handlungsfähigkeit der AKS-Grup- pen auf der anderen Seite, Fast alle zentralen Beschlüsse des Arbeits- feldes hinsichtlich des Jugendhilfetages wurden nicht ausreichend von den Gruppen am Ort getragen. Angesichts dieser hoffentlich nur momen- tanen Schwäche solltedas Arbeitsfeld von Projekten wie der ursprüng- lich geplanten Sozialistischen Aktion zum JHT. die z. Zt. einige Num- mern zu groß für uns sind, Abstand nehmen. Daß dennoch gute Arbeit ge- leistet werden kann, hat die Arbeitsfeld-Tagung in Darmstadt und letzt- lich unsere Präsenz auf dem JHT gezeigt. Besonders berücksichtigt werden muß, daß der Kreis von Sozialarbei- tern, die sich am Arbeitsfeld orientieren, relativ groß ist, und daß unsere Möglichkeiten von diesem Kreis oft überschätzt werden.So waren z.B. viele der irrigen Meinung, daß die JupoFo-Politik wesentlich vom Arbeitsfeld getragen würde. Diese Tatsache sollte uns zu besonderer Sorgfalt bei unserem Vorgehen mahnen.

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3.6 Resignation, Theorielosigkeit, keine Perspektiven - Wie geht es weiter?

Die Linke konnte im Marktbereich punktuelle Alternativen aufzeigen, dennoch wurde bei den Veranstaltungen deutlich, daß ein Klima der jammervollen Perspektivlosigkeit vorherrschend ist.

Das unter den Sozialarbeitern wegen der fehlenden Perspektiven und wegen der immer stärker werdenden Einschränkungen die Resignation groß ist, ist nicht neu. In den Veranstaltungen war sie jedenfalls deutlich spürbar. Die Analyse der Jugendhilfe im System des Spätka- pitalismus ist für viele so niederschmetternd vor allem, wenn diese Analyse laufend an Beispielen aus der Praxis belegt werden kann, daß viele nicht mehr dagegen angehen können, daß viele auch keine Mög- lichkeit mehr sehen, überhaupt ein Stück weiterzukommen. Schließlich kämpft man nur noch gegen das roll-back. Den status-quo erhalten, ist zur Devise geworden. Die weiterreichenden Perspektiven, die Vor- stellungen vom eigentlich Machbaren, wie sie Anfang der siebziger Jahre da waren, sind eingemottet. Kein Wunder, Für die, die weiter- machen, bleibt häufig der Strohhalm, die Zielgruppe der Arbeit nicht im Stich zu lassen. Das ist sehr berechtigt, allerdings auch sehr mühsam, Eigentlich ist man/frau immer nur dabei, was zu verhindern, was aufzubauen, um was zu verhindern etc. Und das in recht großer Isolation. Hier konnte der Jugendhilfetag mit seinen Riesen-Veran- staltungen nicht viel weiterhelfen.

Erschreckend war, und ebenfalls in den Veranstaltungen besonders spürbar, die Theorielosigkeit, die mit der Resignation einherzugehen scheint, Zusammenhänge herstellen, die einzelnen Erscheinungen in einen Kontext zu bringen und von daher Konsequenzen für das eigene Handeln zu entwickeln, Aufgaben also, die eher dem theoretischen Be- reich zufallen, wurden schlicht abgelehnt. Die Linke gab insgesamt kein ermutigendes Bild ab. Ihre pädagogische, aber auch politische Hilflosigkeit war deutlich spürbar. Die Hoffnungen auf Veränderung sind abgenutzt. Die Illusion, allein durch Pädagogik gesellschafts- verändernd wirken zu können, hat sich in Hoffnungslosigkeit verkehrt. Bezeichnend war hier die Glorifizierung der Jugendlichen. Alles, was Jugendliche machen, ist zunächst einmal gut und richtig. An den Be- dürfnissen ansetzen, ist die neue Parole (die alte neue). Alles was Sozialarbeiter machen, ist zunächst einmal Herrschaft und Repression. Kaum ein Wort von differenzierten Einschätzungen, kaum ein Wort von Rechtsentwicklung und Jugendalkoholismus, jedenfalls nicht im Zusam- menhang der Veranstaltungen zur offenen Jugendarbeit und Jugendzen- tren,

Die einzige wichtige Ermutigung dieser Tage lag darin, feststellen zu können, daß es eigentlich sehr viele Sozialarbeiter u.ä. gibt, die kritisch denken und eine fortschrittliche Praxis machen - das tat, trotz alledem, gut.

Wer aber soll die zusammenfassende Perspektive weisen, wenn nicht die Linke? Daran müssen wir, trotz unserer momentanen Schwäche, wei- terarbeiten. Neben der Auseinandersetzung mit den Reaktionären, Kon- servativen, Technokraten und Reformisten müssen wir auch die Ausein- andersetzung untereinander, z.B. mit unseren Genossen im JupoFo führen, die das Arbeitsfeld z.T. aus Schwäche opportunistisch umgan- gen hat, Insbesondere 3 Punkte scheinen uns dabei z.Zt. dringend der Diskussion zu bedürfen:

- 49 -

@ Herr Freßsack ung die Bremer Stadtmusikanten et

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ne. AO.

- über das klagende Beschreiben der repressiven Alltagsrealität hinaus Handlungskonzepte zu finden, auch unter diesen beschriebe- nen Bedingungen die Alltagsrealität zu überwinden.

- die bedenkliche Tendenz bei einigen Sozialarbeitern, den Jugend- lichen zum Kultgegenstand zu machen, den man bedingungslos unter” stützen muß und dessen Forderungen und Aktionen prinzipiell fort- schrittlich und Ausdruck seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem System sind

- die Frage des Vorgehens der Linken im Sozialbereich gegenüber links- liberalen Kräften, wie sie z.T. in der AGJ vorhanden sind.

Insbesondere der letzte Punkt könnte bei der Auseinandersetzung um

die Konzeption zukünftiger Jugendhilfetage eine Rolle spielen. Inter

ressant dürfte hier das Konzept zur Durchführung regionaler JHT sein, das für uns neue Ansätze bieten könnte, von dem sich aber auch rechte

Kräfte eine Entpolitisierung erhoffen.

Nicht zuletzt muß natürlich gerade die Diskussion im Arbeitsfeld ge-

führt werden, wie die Arbeit mit neuen Impulsen aufgenommen werden

kann.

SOZIALES LERNEN

Wir - eine Dipl. Psychologin und ein Sozialpädagoge - wollen der institutionellen Zwangsjacke entfliehen und arbeiten u.a. in der Mitarbeiter-, Multiplikatoren- und Team-Schulung,- Weiterbildung für Lern, Arbeits- und Wohngruppen, -gemein- schaften, - kollektive (z.B. in Jugendzentren) etc. - aber auch für lockere Grup- plerungen. Hauptsächlich arbeiten wir mit den Methoden des Gruppentrainings -

Selbsterfahrungsgruppen und Sensitivitytraining, Kommunikations- und Kooperationstraining. Uns geht es nicht darum, nur oberflächliche Freude und Wohlbefinden zu produzieren, sondern z.B. konkrete Techniken und Möglichkeiten für effektiveres und menschlicheres (sprich: gemeinsames und nicht in Konkurrenz gegeneinander) Lernen, Leben und Arbeiten in Gruppen zu vermitteln und zu er- proben. Stichwort: Soziales Lernen. Die finanzielle Seite ist eine Vereinbarungs- sache, wobei hierfür die Basis daß für Euch uns tragbare ist.

Kontaktadresse für weitere Informationen:Gabriele Gielen, Asternstr.8 512 5120 Herzogenrath

Christine Holzkamp/C.W.Müller, Westberlin/H.Thiersch, Tübingen

LERNEN IN DER JUGENDHILFE-MODERATION EINER REALITÄT

Holzkamp, Müller und Thiersch gehen in ihrer Vermittlung (Moderation) zwischen Lehr-Theorie (Didaktik), Lerntheorie und Jugendhilfe davon aus, daß in den verschiedenen Feldern der Jugendhilfe seit eh und

je eine Menge Vernünftiges gelehrt und gelernt wird - auch wenn

die Beteiligten es nicht so nennen. Am Beispiel von Jugendarbeit, politischer Jugendarbeit, internationaler Jugendarbeit und Frauen- arbeit versuchen sie zu demonstrieren, daß der Lernbegriff der Ju- gendhilfe stärker an konkrete, situationsbezogene Interessen der beteiligten Jugendlichen gebunden werden kann als in anderen Erzie- hungsfeldern. Am Beispiel von Therapie und Beratung wollen sie de- monstrieren, daß eine unkritische Übernahme kurzatmiger Lernbegriffe die Gefahr mit sich bringt, daß Jugendarbeit, Jugendpflege und Ju- gendhilfe jene sinnvolle Unbefangenheit gegenüber den von ihnen or- ganisierten Lehr-Lern-Prozessen verlieren und wie Schule und beruf- liche Bildung anfangen, alles zu curricularisieren, zu didaktisie- ren, zu evaluieren...

Ihre Thesen haben sie auf einer Diskussionsveranstaltung auf dem Jugendhilfetag am 10.11.1978 vorgestellt.

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Ich will nicht die Gleichberechtigung von Erziehung und Bildung beschwören - Wir wollen lieber vom Lernen reden.

Ich heiße Carl Wolfgang Müller.

Zu meinen Erfahrungen in der Jugendhilfe gehören meine ehrenamtli- che und hauptamtliche Tätigkeit in der Sozialistischen Jugend Deutschlands Die Falken, der ich seit 1956 angehört habe, meine Tä- tigkeit als Jugendpfleger in Berlin und als Dozent und Leiter des Institutes für Jugendgruppenarbeit beim (West)-Berliner Senator für Familie, Jugend und Sport. Seit 13 Jahren bin ich Professor für So- zialpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Berlin,

Ich werde mit dieser Moderation beginnen. Nach einer Viertelstunde wird sich Christine Holzkamp einschalten und nach weiteren 20 Minu- ten Hans Thiersch. Wir werden also eine Stunde brauchen, ehe wir in einem zweiten Diskussionsteil Überlegungen anstellen können, was das Lernen in der Jugendhilfe mit der Reform der Jugendhilfe zu tun ha- ben kann.

Wir drei haben diese erste Stunde in zahlreichen Gesprächen gemein- sam vorbereitet. Wir sprechen also von den gleichen Sachen, selbst wenn wir sie von unterschiedlichen Seiten her anpacken.

Eine Moderation, so meinten die Alten, sei die Lenkung und Leitung eines Prozesses oder einer Sache, betrieben mit Milde, Geduld und Schonung, betrieben mit dem Ziel, die richtige Einstellung zu finden

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durch 'Maß und Selbstbeherrschung'. 0.K. Wir brauchen uns nicht daran zu halten. Aber ich meine schon, daß es unsere Aufgabe ist, zwischen Lern-Theorien, Lehr-Theorien und Jugendhilfe zu vermitteln,

Ursprünglich hatten uns Diskussionen mit der Vorbereitungs-Kommis- sion dieses Jugendhilfetages nahegelegt, nicht gleich vom "Lernen" zu sprechen, sondern zunächst von dem ebenso unnötigen wie unaus- rottbaren, vermeintlichen Gegensatz von 'Erziehung' und "Bildung'. Unsere spontane Reaktion darauf war zu sagen: 'Das machen wir nicht, Das ist doch ein toter Hund'. Will heißen: in den Wissenschaften

von der Gesellschaft und von den Menschen, die wir vertreten, spielt die alte Streitfrage nach den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Erziehung und Bildung keine Rolle mehr.

Gewiß: die Didaktiker, die vor der Zeitenwende den griechischen Knas ben das Alpha-Beta-Gamma und die Kunst der öffentlichen Rede bei- brachten, waren freie Bürger. Die Pädagogen hingegen, welche die griechischen Knaben zum Unterricht führten und dafür sorgten, daß sie saubere Fingernägel hatten und unter der Bank keine Dummheiten machten, waren Sklaven. Diese offensichtlichen Unterschiede in der Bewertung verschiedener Tätigkeiten des Lehrens, Kontrollierens und Disziplinierens schlagen sich auch heute noch in Bezahlung und Pre- stige unterschiedlicher Lehr-Berufe nieder. Die Kollegin, die in

der Krippe den Po abwischt, verdient in den meisten Fällen weniger als die Kollegin, die im Hort bei den Hausaufgaben hilft. Wer in der Oberprima Latein lehrt - oder Chemie - wird höher eingestuft als

die Springerin, die in der Eingangsstufe zwischen Erstleseunterricht, Mengenlehre und Heimatkunde hin- und herpendelt.

Die Beeinflussung menschlicher Gedanken wird also höher eingeschätzt als die Beeinflussung menschlicher Handlungen. So, als ob man das eine ohne das andere 'menschlich' nennen dürfte.

Die Trennung von Erziehung und Bildung bringt uns nicht weiter in unseren Erkenntnissen über menschliche Entwicklung und menschliches Lernen. Aber sie rechtfertigt die unterschiedlichsten Privilegien von Bund, Ländern und Gemeinden, von Familien, Erziehungsgemein- schaften und Religionsgemeinschaften, und deshalb wagt niemand im Ernst an ihr zu rütteln.

Die bisher veranstalteten Jugendhilfetage haben deshalb auch nicht die Einheit von Erziehung und Bildung, sondern die Gleichberechti- gung von Erziehung und Bildung gefordert. Sie haben gefordert, daß der erste Paragraph des Jugendwohlfahrtsgesetzes genauso ernst zu nehmen sei (und genauso verbindliche finanzielle und personelle Kon- Sequenzen nach sich ziehe) wie die ersten Paragraphen der Schulge- setze unserer Bundesländer. Noch in den unterschiedlichsten Erwar- tungen an das neue Jugendhilfegesetz drückt sich die fast schon eschatologische Hoffnung aus, daß wir es nun endlich packen würden. Daß nun endlich dem Jugendamtsgesetz des Jahres 1922 und dem Subsi- diaritätsgesetz des Jahres 1961 ein Jugenderziehungsgesetz folgen werde, das die Jugendhilfe als dritte Säule des Erziehungsgebäudes gleichberechtigt etabliert.

Bildungspolitisch mag es vernünftig sein, immer wieder die Gleich-

berechtigung von Erziehung und Bildung im Wortlaut unserer Gesetze zu fordern. Erziehungswissenschaftlich bringt es wenig, die beiden

- 26 =

Begriffe als zwei autonome Besonderheiten aufzufassen, deren Exi- stenz lediglich gleiche Berechtigung habe. Für uns bilden Erziehung und Bildung eine Einheit im Prozeß der Entwicklung des Menschen. Und dieser Prozeß heißt Lernen., =

Der Einwand, dem wir uns aussetzen, wenn wir solches anscheinend blau-äugig naiv formulieren, heißt in der Regel: 'Das mag zwar theo- retisch stimmen, in der Praxis gibt es diese Einheit nicht'.

In welcher Praxis? In der Praxis der Institutionen, die davon leben, daß sie arbeitsteilig Lernprozesse organisieren. In dieser 'Praxis' gibt es in der Tat scheinbar ebenso unüberwindliche Gegensätze zwi- schen "schulischem' und "außerschulischem' Lernen, wie sie früher zwischen "Bildungsprozessen' einerseits und "Erziehungsprozessen' andererseits gesehen wurden. "Die Schule ist nicht für die Jugend da, sondern für den Staat" klagte der Jugendbewegte Hans Blüher 1912 in seiner Geschichte des Wandervogels und fügte hinzu: "Die Lehrer, als die Vollstrecker dieser Tendenz, können im letzten Grunde nie- mals Freunde der Jugend sein".

Wollten sich die Jugendbewegten nicht einspannen lassen in die Zie- le der Disziplinierungs- und Dressur-Maschinerie '"Schule', so konn- ten sie auch nicht von dem Prestige profitieren, das Pädagogen in den gesellschaftlich etablierten Einrichtungen bürgerlicher Bildung zugesprochen wurde. In einer ihrer letzten LPs singen die ABBAS von ihren Gefühlen, als sie ihre Lehrerin/ihren Lehrer küßten ("Wen I kissed the Teacher", Polydor 2344 058). Keiner von uns kommt wahr- scheinlich auf die Idee zu erwarten, daß sie auf einer ihrer näch- sten Singles von ihrer Affaire mit einem Familienfürsorger oder mit einer Ehe- und Konfliktberaterin berichten. Das musical von der West Side Story mit ihrem leicht vertrottelten street worker ist da eine einsame Ausnahme.

Anders ausgedrückt: unsere Regelschulen haben auch umgangssprachlich das Lernen gepachtet. Außerhalb ihrer Mauern, Zäune und Vorgärten läuft nichts. In der Heimerziehung wird nicht gelehrt, sondern auf- gepaßt. Im Freizeitheim wird nicht gelernt, sondern es werden Leute angemacht. In der internationalen Jugendbildung gibt es kein curri- culum, sondern man fährt auf irre Typen ab. In der Drogentherapie macht man keine emanzipatorischen Lernprozesse durch, sondern steigt aus oder kommt los von der Nadel. In der politischen Bildung lernt man nicht den Unterschied zwischen Verfassung und Verfassungswirk- lichkeit, sondern man kriegt mit, auf welcher Ebene was läuft und wer das Sagen hat.

Also noch einmal:

An der Basis distanzieren sie sich von allen Lernprozessen, die nach Schule riechen, nach Kreide, Schiefertafel und Turnhalle, in den Vorstandsetagen der großen Wohlfahrtskonzerne wollen sie das, was sie an 'Erziehung' betreiben, gleichberechtigt neben der "Bildung! in Gesetzen festgeschrieben sehen, um von den damit verbundenen Steuergeldern profitieren zu können, und wir drei - mit niemandem hinter uns und niemandem unter uns -, wir drei wollen nicht länger die Gleichberechtigung von Erziehung und Bildung beschwören, son- dern ihre Einheit, das heißt: wir wollen lieber vom Lernen reden.

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In der Jugendhilfe ist die Einheit von Erziehung und Bildung durch Lernen leichter herzustellen als in traditionellen Erziehungsfeldern

So ganz allein, wie ich eben angedeutet habe, sind wir nicht. Die internationalen Lernforscher haben in den letzten 40 Jahren ein ra- sches Verständnis dafür entwickelt, daß sich in der vorschulischen und der außerschulischen Lernarbeit mit Kindern und Jugendlichen Prozesse abspielen, die für unser Verständnis vom menschlichen Ler- nen und Lehren mindestens ebenso bedeutsam sind wie das, was in un- seren Schulen, Oberschulen und Hochschulen passiert.

Ich erinnere an Kurt Lewin, Ronald Lippitt und Ralph K. White, die in den 40er Jahren ihre berühmt gewordenen "Führungsstilexperimente' in amerikanischen Zeltlagern durchführten, um die Wirkung der Um- gangsformen erwachsener Erzieher auf das Arbeits- und Sozialverhalten von Kindern zu erforschen.

Ich erinnere an das Ehepaar Carolyn und Muzafer Sherif, die in den 50er Jahren in Feldexperimenten mit Pfadfindergruppen im Robbers Cave State Park in Oklahoma die äußeren Bedingungen untersuchten, unter denen Jugendgruppen 'Freundschaft' und "Feindschaft' erlernen. Ich erinnere an Albert Bandura und seine Mitarbeiter, die in den 50er und 60er Jahren in Feldexperimenten in Kindergärten untersuch- ten, wie aggressive Verhaltensweisen von Kindern durch die Beobach- tung aggressiver Vorbilder gelernt werden.

Sicher: in den genannten drei Beispielen wird vom Standpunkt enger Schulpädagogen eigentlich nichts Rechtes "'gelernt': es gibt kein curriculum, es gibt keine abgeleiteten Lehrziele, es gibt keine Ope- rationalisierungen, keine Medienwahl, keine Prüfungen, keine Zen- suren .

Und dennoch: Wenn Menschen aufgrund von Modellpersonen lernen, sich mit anderen Menschen über Arbeitsziele, Arbeitsmittel, Arbeitsweisen zu verständigen, und wenn sie sich dabei weitgehend unabhängig von den sie anleitenden Erwachsenen machen - lernen sie dabei nichts? Können sie das alles schon von Anfang an?

Wenn Menschen aufgrund von äußeren Umständen lernen, daß Angehörige einer anderen Gruppe, mit denen sie die Benutzung eines Geländes teilen, entweder Freunde sind oder Feinde,- lernen sie dabei nichts? Bestand ihre Freundschaft oder ihre Feindschaft von Anfang an?

Wenn Menschen durch Beobachtung, Nachahmung und Identifizierung ler- nen, bestimmte Probleme auf eine bestimmte Weise zu lösen - lernen sie dabei nichts? Konnten sie das alles schon von Anfang an?

Die Fragen waren rhetorisch, die Antwort ist eindeutig: in allen Beispielen wird gelernt. Und in allen Beispielen wird gelehrt. Die Lernergebnisse sind nicht zufällig, sie sind vielmehr das Ergebnis geplanter, überlegter und organisierter Lehrprozesse. Nichts läuft von selber. Und nichts läuft ohne die vermittelnde Instanz mensch- lichen Bewußtseins. Wenn ich die Hoffnung äußere, daß in der Jugend- hilfe die Einheit von Erziehung und Bildung leichter herzustellen ist als in anderen, traditionellen Erziehungsfeldern, dann nehme

ich für diese Hoffnung einen Lernbegriff in Anspruch, der das Erler- nen der Fähigkeit, Quadratwurzeln zu ziehen, nicht willkürlich vom Erlernen der Fähigkeit trennt, mit anderen Menschen zusammenzuar- beiten, für die man auf den ersten Blick keine Sympathien empfindet. Ein solchen Lernen bewerkstelligtjeder von uns an jedem Tag. Mit

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sich selbst, mit seinen Familienangehörigen, Freunden, Bekannten

und Arbeitskollegen - und mit den Kindern, Jugendlichen und Erwach- senen, mit denen er beruflich zusammenarbeitet. Aber: es reicht nicht aus, es zu tun, man muß es auch wissen. Darum sprechen wir vom Ler- nen in der Jugendhilfe nicht als von einem naturwüchsigen Prozeß, sondern von einem Prozeß, der geplant, angeleitet und ausgewertet werden muß,

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Lernen - so Wolfgang Müller - kann in der derzeitigen Jugendhilfe

realisiert werden; dies ist möglich, anspruchsvoll aber auch schwie-

rig, von dauerndem Mißlingen bedroht. Diese Spannung von Chance und

Gefahr möchte ich (Hans Thiersch, Professor an der Universität Tü-

bingen, d. Red.) unter vier Thesen verdeutlichen.

® Jugendhilfe als offenes Arbeitsfeld mit weithin alltagsorientier- ten Aufgaben bietet besondere Chancen zu einem aneignenden "ganz- heitlichen" Lernen,

® die Alltagsnähe der Jugendhilfe wird oft als belastend erfahren; man sucht sich in gleichsam sicheres Gelände zu retten und setzt auf zwar überschaubare, aber verkürzte Lernkonzepte, z.B. auf enge Curriculumkonstruktionen oder rigide Verhaltenstherapien.

® Groß ist die Verführung, alle Erlebnisse und Erfahrungen als Lern- prozesse auszugeben, und so die Anstrengungen des Lernens ebenso zu unterlaufen wie die Kriterien gelungener Lernprozesse.

® Wir brauchen Lernkonzepte für konkrete Alltagsaufgaben und Ansätze zu einem neuen Verständnis des Verhältnisses von Lernen und Lehren, von Selbständigkeit und Anleitung, von Lernbedürfnissen und Lern- angeboten.

Die Thesen haben sich auch aus vielen Auseinandersetzungen ergeben. Ich skizziere - ganz verkürzt - diesen Hintergrund.

Natürlich - mit dem Lehrer will ich nicht tauschen, da habe ich an- dere Möglichkeiten, informellere, vielfältigere, ich treffe die Ju- gendlichen nicht nur in der Amtsstube, zu vorgeschriebenen Amtszel- ten, ich kenne sie, auch so wie sie sich selbst sehen und erfahren. Aber: was tue ich denn in meinem Alltag? Im Jugendhaus, in der Wohn gemeinschaft: Schließen, aufräumen, organisieren, reden, vermit- teln. Sollte ich nicht auch etwas "Ordentlicheres" machen, ein Pro- gramm, ein Projekt, vielleicht eine gezielte Gruppenarbeit? Brauche ich nicht einen Kurs in Gesprächstherapie? Nun, das mache ich viel- leicht alles auch, auch erledigt werden, nur - die Frage bleibt, was mache ich denn da, schließen, aufräumen, organisieren, reden, vermitteln, - ist das Pädagogik? Ist das ein Beruf? Ich hoffe, es wird deutlich, daß es unger Interesse ist, vielleicht beizutragen zu einem deutlicheren Bewußtsein von den in unserem Job liegenden Risiken und von den darin auch liegenden Aufgaben und Chancen.

Ehe ich die Thesen durchgehe - noch einmal knapp zusammengefaßt - was wir unter Lernen verstehen; diese - nun zunächst allgemeinen und abstrakten Bestimmungen - werden dann im folgenden konkretisiert

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und damit hoffentlich verständlich.

Wir verstehen Lernen

- als Aneignung von Erfahrung,

- als Aneignung zugleich von kognitiven und sozialen Erfahrungen (also als einen ganzheitlichen Aneignungsprozeß)

- als produktive Aneignung im Handeln, in Tätigkeiten,

- als Aneignung nützlicher, emanzipatorischer Erkenntnis-, Handlunßs\ und Lebensstrategien,

- als Aneignung, die Veränderungen bedeutet, Veränderungen von mir und anderen und zugleich der Wirklichkeit, in der wir leben, also unserer Welt,

- als Aneignung durch Organisation und Strukturierung von Prozessen, also durch Organisation in Strategien, Schritten, Teilzielen, End- zielen, als Organisation in einem zusammenhängenden, überschauba- ren reflektierbaren Prozeß.

® Erste These: ;

Also in der Jugendhilfe sind wir in alltäglichen Situationen mit allı täglichen Aufgaben konfrontiert, in der Beratung im Jugendhaus, in der Straßensozialarbeit, in Wohngruppen, in der politischen Bildungs“ arbeit oder in Bürgerinitiativen müssen Probleme des Alltags geklärt werden. Was heißt das? Da müssen zugleich Informationen gesammelt werden, ergänzt, erweitert und Fragestellungen strukturiert werden, da müssen emotionale Hemmungen und Barrieren durchgearbeitet werden, da müssen soziale Bezüge und Spannungen transparent, aushaltbar und umstrukturiert werden.

Eine solche Behauptung klingt illusionär, wie eine schöngefärbte Un- terstellung .Können wir in der Jugendhilfe die sich uns aus dem Alltag der Jugendlichen aufdrängenden Aufgaben angehen? Machen nicht die gesellschaftlichen Zwänge, die Erwartungen, unter denen wir arbeiten, die institutionellen Vorgaben, die Repressionen und Einengungen,

die Kläglichkeit der Arbeitsausstattung und - nicht zuletzt - die Ängste, Unsicherheiten und Frustrationen, die sich daraus bei uns selbst ergeben, solche Ansprüche zunichte? Gewiß, das ist weithin so. Ich möchte hier zunächst aber auf einen gleichsam internen, struktural- len Moment hinweisen. Im Vergleich zu anderen Lebensfeldern, z.B.

zur Schule oder zur derzeitigen Organisation innerhalb der Produk- tion ist es evident, daß Jugendhilfe strukturell trotz aller politi- schen und institutionellen Restriktionen über Chancen verfügt, die- se auch in relativer Offenheit, "ganzheitlich" anzugehen. - Dieses Faktum hat - so scheint mir - seinen Grund darin, daß Jugendhilfe, wieder an Schul- und Produktionsbedingungen gemessen, weder streng instituionalisiert und professionalisiert ist, diese "Offenheit" hängt damit zusammen - zum einen - daß sich Aufgaben in der Jugend- hilfe immer wieder relativ neu, aus aktuellen Krisensituationen er- geben (so war es mit der Obdachlosenarbeit, den Gastarbeiterproble- men, den Aussiedlerproblemen, der Drogenarbeit) und weil - zum zwei- ten und wichtiger - die Möglichkeiten der Jugendhilfe wohl als ge- sellschaftlich nicht so brisant gelten, also auch nicht so aufwendig betrieben werden. Sie lebt - jedenfalls bisher - gleichsam im Wind- schatten neben Entwicklungen zu einer strengen arbeitsteiligen und institutionalisierten Arbeitsorganisation. - Die darin liegenden Vorteile aber sind nicht selbstverständlich gegeben, sie müssen ge- sehen und genutzt werden, also behauptet und ausgebaut. Sie müssen behauptet werden, gegen die äußeren Zwänge - darüber wird Christine

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Holzkamp nachher noch etwas sagen - und es ist ja auch das beherr- schende Thema dieser Tage. Sie müssen behauptet werden - auch - ge- gen die Gefahren interner Verflachung und interner Mißverständnisse in den Arbeitsvollzügen selbst. Dies ist der Gegenstand meiner fol- genden Überlegungen.

© Zweite These:

Die komplexen und offenen Aufgaben wahrzunehmen ist schwierig. Man erfährt sich - zumal unter den gegebenen Arbeitsverhältnissen - als verhetzt,mit allem und jedem beschäftigt, überbeschäftigt; man wurschtelt; man sieht keine Ergebnisse. Da ist es naheliegend, nach neuen, ausweisbaren, effektiven Arbeitskonzepten zu suchen. Sie bie- ten sich an z.B. in überschaubaren, aber verkürzten Lernkonzepten. Indem Jugendhilfe sich auf sie einläßt, tritt sie aus ihrer Wind- schattenposition heraus, sie entspricht damit zunehmend deutlicher werdenden gesellschaftlichen allgemeinen Erwartungen; ich skizziere schlagworthaft. Mit der zunehmenden Vergesellschaftung der in der Jugendhilfe zu bearbeitenden Problembereichen - also auch mit der Ver- größerung, Institutionalisierung und Professionalisierung der Ju- gendhilfe - werden auch für sie eben die Standards verbindlich, wie sie in anderen Lebensfeldern der Gesellschaft (z.B. Schule oder Pro- duktion) schon länger selbstverständlich sind. Effektivität, Pla- nung, Leistung, methodologische Transparenz. Diese Standards schla- gen durch auf Verständnis und Arrangement von Lernprozessen. Um Ler- nen nämlich planbar, übersehbar und kontrollierbar realisieren zu können, wird es gleichsam im Muster des Experiments veranstaltet. Konzentriert auf eingegrenzte, deutlich fixierte Themen, festgelegt in den einzelnen Schritten der Bestärkung, Korrektur, Kontrolle, An- wendung. Indem Lernen so unter das Diktat von Eindeutigkeit, Plan- barkeit und Prüfbarkeit gerät, wird es vom Ende her, vom prüfbaren Erwerb von Leistungen her bestimmt - die Zudem im allgemeinen sehr eindeutig eng und allgemein als kognitiv festgelegt werden. Lernen

- als strukturierter Prozeß der Aneignung von Erfahrung - wird er- setzt durch den Prozeß des Erwerbs vorweisbarer Leistungen. Lei- stung ist hier eng verstanden als eine Fähigkeit, die ich erwerbe, um mir mit ihr Vorteile verschaffren zu können, Leistung also gleich- sam als Tauschaspekt von Erfahrung. Solche Leistung aber schluckt jene Lernprozesse, die an den Schwierigkeiten der Aneignung von Er- fahrung orientiert sind. Wie sich solche verkürzten Lernprozesse durchsetzen, läßt sich zweifelsohne leicht an manchen Entwick- lungen der Schule der letzten Jahre aufweisen. Ich bleibe bei uns - ich erinnere an Curriculum-Ansätze in der offenen Jugendarbeit, an Beratungs- und Therapieansätze, die in streng überprüfbaren Arran- gements einzelne Verhaltensmomente (Symptome) zu modifizieren ver- suchen, ich erinnere an das Konzept der psycho-sozialen Diagnose (im Jugendhilfegesetzentwurf), die ja das Erziehungsgeschick von Heran- wachsenden im Vorhinein überschaubar zu verplanen versuchen soll.

© Dritte These:

Derart verkürzte Lernkonzepte abzulehnen, ist das eine. Es besser zu machen, also sinnvolle Lernangebote im Jugendhilfealltag anzubieten das andere, weitaus Schwierigere.

Zunächst. Welche Lernaufgaben stellen sich im Alltag?

Mit dieser Frage scheint mir das erste, schwierigere Problem aufge- worfen, die Erkenntnis nämlich dessen, was gelernt werden müßte,

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die Identifikation der Lernsituation und Aufgaben; gerade hier fehlt uns viel.

Also

- in der Wohngemeinschaft,der Wohngruppe, im Heim geht es darum, sich z.B. über das Spülen und Aufräumen zu verständigen, aber auch für das Einkaufen und über das mit-dem-Geld-umgehen, über Musik hören und über die Lautstärke beim Musik hören, über die Reparatur von Mofas, über Trinkgewohnheiten usw.

In solchen zunächst ja banal scheinenden, eher lebenspraktischen

Aufgaben stecken schwierigere. Z.B. Fragen der Abgrenzung, der Riva-

lität, der Auseinandersetzung in der Gruppe, Fragen der Selbstdar-

stellung (z.B. der geschlechtsspezifisch männlichen oder weiblichen),

Fragen des Umgangs auch mit sich, mit der eigenen Langeweile, den

eigenen Enttäuschungen, Frustrationen, Aggressionen, Interessen.

Solche biographisch bedeutsamen langwierigen und schwer zu fassenden

Lernaufgaben stellen sich ja auch indirekt,

= wenn es daraum geht, zu lernen vertrauen zu können, sich etwas sagen oder helfen zu lassen, sich in einer Gruppe zu arrangieren und in ihr stabile Beziehungen aufzubauen,langfristige Interessen zu entwickeln, eigene Wünsche (Interessen und oft ja auch Träume) auf die Gegebenheiten so zu beziehen, daß die objektiven Schwie- rigkeiten und ihre Lösungsmöglichkeiten nicht zugedeckt werden von Aktionen, die im Leeren verpuffen oder von Apathie, also auf dem Unrecht beharren können, insistieren können, sich durchsetzen können, sich selbst mit sich arrangieren zu können.

Wie aber kann ich in solchen Situationen und Aufgaben Lernen arran- gieren. Zunächst: Lernen geschieht überall da, wo Menschen Erfah- rungen machen und verarbeiten, wo sie mit neuen Aufgaben konfron- tiert werden und sich ihnen stellen.

Aber dies nur so zu formulieren, ist ungeschützt, ja naiv. Es ist gefährlich und fahrlässig, bei allem, was erfahren und erlebt wird, von Lernprozessen zu reden. Eine solche Inflation des Lernbegriffs verdeckt die Anstrengungen des Lernens ebenso wie die im Lernen zu erledigenden schwierigen Aufgaben. Der Alltag von Erfahrungen ist immer in Gefahr, blind, unaufgeklärt zu bleiben, in seinen eigenen Routinen featzuhlingen. Erfahrungen und Aufgaben gelingen nicht von selbst, Erfahrungen können unverstanden und damit ungenutzt bleiben, Aufpäban können schlecht, unzulänglich, ungeschickt, ja gefährlich für alle Beteiligten gelöst werden. Es kommt also darauf an, daß

die im Alltag angelegten Chancen zu einem emanzipierten Leben deutlich werden, daß Erfahrungs- und Lernprozesse zu nützlichen und emanzipativen Verhaltens- und Lebensstrategien führen und so zu einer Aneignung meiner eigenen Erfahrungen und damit zur Veränderung von mir und meiner Wirklichkeit.

Um dieser Dialektik von Alltag und gelungenem Alltag, von Erfahrung und emanzipierter Erfahrung, von Lerngeschehen und nützlichen Lern- prozessen willen, genügt das Reden nur von Erfahrungen und Lern- prozessen nicht; Lernprozesse müssen von Zielen her bestimmt sein. Damit aber stellt sich auch die Frage nach dem Zusammenhang von Ler- nen und Lehren, also den überlegten, gezielten, arrangierten Hilfen und Herausforderungen zum Lernen.

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Dieser Zusammenhang von Lernen und Lehren bezeichnet - wenn wir es recht sehen - für uns heute das eigentliche Problem.

Eine alte Pädagogik ist davon ausgegangen, daß Lernen und Lehren immer und notwendig zusammengehören. Man lernt - so hieß es - was gelehrt, wozu man erzogen wird. Gegen die Fatalität einer solchen Arroganz haben wir uns in den letzten 20 Jahren - nach Rousseau, Bernfeld, z.B. - wieder einmal zu wehren gelernt.

Es ist uns selbstverständlich, daß

die Lernenden ihre Probleme haben, artikulieren und mit ihren

eigenen Strategien angehen können, daß wir, also die Lehrenden

und Erziehenden, uns fürchten müssen vor der in der pädagogischen Rolle des Vowebens liegenden Macht zur Manipulation, Unterdrük- kung, Projektion und Verstümmelung von Erfahrung, daß

wir in dieser Rolle des Lehrens und Erziehens Angst haben müssen

vor den in uns sich repräsentierenden gesellschaftlichen Erwar- tungen - also z.B. der Abrichtung auf mittelschichtspezifische Normen, auf Stillhalten und sich fügen, auf entfremdetes und entfrem- dendes Wissen, auf die Funktionsfähigkeit in unserer Gesellschaft.

Dieses Selbstverständnis formuliert und praktiziert sich oft sehr entschieden gegen jede Art von Vorgabe, also auch von Lehren und Erziehen.

Eine solche undifferenziert "anti-pädagogische" Position aber ist fatal. Gerade hier kommt es darauf an, diese Kritik aufzunehmen und aufzuheben in einer unserer historischen und gesellschaftlichen Si- tuation angemessenen Neubestimmung des Zusammenhangs von Lernen und Lehren.

Zunächst ist es - so scheint es mir - selbstverständlich, daß die Prozesse der Selbsterfahrung, des Selber-Lernens die eigentlich ent- scheidenden sind, daß also auch pädagogisches Handeln - das Handeln also von uns Erziehern - gesehen werden muß als Umgang, sich also nicht primär von Lehren und Erziehen her definieren darf, sondern vom Miteinander-Leben, vom Sich-Einlassen auf einen gemeinsamen All- tag, vom Sich-Brauchen in gemeinsamen Erfahrungen und Unternehmun- gen.

Mit einer solchen Zurücknahme aber von Lehren und Erziehen im Kon- text von Erfahrungs- und Lernprozessen ist das Problem des Zusam- menhangs von Lernen und Lehren noch nicht erledigt. Was Lehren be-

deutet, läßt sich vielleicht deutlicher fassen, - "belehrt" durch Überlegungen z.B. von von Hentig, Negt, Freire oder aus Bürgerini- tiativen.

Voraussetzungen für jede Art von Vorgabe sind die Realerfahrungen derer, die lernen, ihre Thesen, ihre Bedeutungsdefinitionen, ihr Selbstverständnis, ihr Problembewußtsein, ihr Angst- und Hoffnungs- potential. Voraussetzung von Lehr- und Erziehungsarrangements ist - zum zweiten s daß Selbstständigkeit und Aktivität der Betroffenen, also ihre eige- nen Verständnismöglichkeiten und Problemlösungsstrategien respek- tiert, geschützt, genutzt werden. Vorgaben, Zumutungen und Provoka- tionen des Lehrens und Erziehens, die sich nicht auf eigene Erfah- rungen der Lernenden zurückbeziehen lassen, bleiben nicht nur inef- fektiv. Sie verdrängen die Erfahrungsmöglichkeiten der Lernenden in das Abseits der unbearbeiteten Erfahrungen und der traurigen - wenn auch gesellschaftlich opportunen - Einsicht, daß es auf Erfahrungen wohl nicht ankomme.

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Wenn unter solchen Voraussetzungen Lehren und Erziehen riskiert wird, dann scheinen uns fünf Aufgaben deutlich.

l. Wenn selber Lernen das Primäre ist, kommt es sicherlich darauf an, Arrangements zu treffen, Situationen zu schaffen, die Lernen provozieren. Theo Schulze hat gerade wieder sehr eindringlich gezeigt, daß die Frage nach Lernen und Methode des Lernens zunächst und vor al- lem eine Frage von Lernsituationen, also ein Problem des indirekten Lehrens und Erziehens ist.

2. Wenn Lernen bedeutet, Erfahrungen strukturieren in der Komplexi- tät des Alltags, sich also auf verschiedenste Lernsituationen und -erfahrungen beziehen muß, kommt es darauf an, nicht nur den Zusammenhang der verschiedenen Situationen und Aufgaben zu sehen, sondern immer auch zu prüfen, wo, wie und inwieweit einzelne Momente herausgelöst und in sich überschaubar strukturiert werden können. Dies macht das Lerngeschäft greifbar, schafft Ermutigung, Zutrauen zu sich selbst und den eigenen Möglichkeiten. Dieser allgemeine Hinweis scheint mir besonders wichtig in unse- rer derzeitigen Situation. In der Vielfältigkeit unserer Geschäf- te, im Druck des Alltags, ist es naheliegend, alles nur ein we- nig und nichts wirklich befriedigend zu machen und darüber zu resignieren; ebenso naheliegend ist es wohl, sich selbst mit all- zu hoch gesteckten weitreichenden Zielen zu identifizieren und darüber zu vergessen, daß sie uns nicht der Aufgabe entheben, die kleinen, nächsten, überschaubaren Schritte auf sie hin,nicht nur zu planen, sondern in der Mühseligkeit des Alltags auch zu realisieren.

3. Lernen, Lehren und Erziehen ist ein soziales Geschehn. Wir Er- zieher und Lehrer spielen mit. So zu tun, als spielten wir nicht mit - hätten also keine Erwartungen, Meinungen und Perspektiven - wäre in besonderen pädagogischen Situationen ebenso fade und uner- träglich, wie es das in allen anderen sozialen Beziehungen ist. - Dies hat zwei Konsequenzen. Weil Lehrer und Erzieher für Lernen- de wichtig sind, müssen sie über sich, über das, was sie sind, was sie äußern, was sie erwarten, was sie stützen, was sie nicht beachten oder beachten usw. sich vor sich (und vor allem im Kol- legenkreis und in der Kommunikation mit den Lernenden) Rechen- schaft ablegen. Es geht nicht an, vor der eigenen Existenz und Wirksamkeit gleichsam wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand zu stecken. Das andere: Lehrer und Erzieher müssen direkt zu erken- nen geben, was sie wollen, mögen, meinen, erwarten, woran sie leiden, was sie erleichtert, freut usw. Dies müssen sie in die Begegnung mit den Jugendlichen hineinwerfen, daß dieser sich da- ran abarbeiten kann und - in der Auseinandersetzung mit deutlichen, identifizierten Äußerungen und Intentionen - sich als sich selbst entdecken und durchsetzen lernen kann - wie ja Wenigeer früher und wohl richtig formuliert hat.

4. Wenn Lernen bedeutet, Erfahrungen zu verarbeiten in komplexen Situationen und Sequenzen von Situationen, dann wird Beratung wichtig - Beratung im weiten Sinn verstanden als die flexible Begleitung, Stützung, Stabilisierung der Lernprozesse in den vom

w IE

Lernenden vorgegebenen Fragen, Problemen usw., als Hilfe also mit Informationen, Materialien, Provokationen.

5. Lehren und Lernen dürfen nur gesehen werden im Kontext eines kom- munikativen Prozesses, eines Prozesses also, in dem die Rollen des Lehrens und Lernens nur auf Aufgaben bezogen sind und nicht als ein prinzipieller Unterschied zwischen einer überlegenden und einer unterlegenen Position gelten, als Prozeß also, in dem die Rolle je nach der Situation Aufgabe und Erfahrung gegenein- ander ausgetauscht werden können, in dem, wer heute lehrt, morgen zu lehren imstande ist.

Aufgaben im Alltag der Jugendhilfe so als Lernaufgaben zu verstehen, scheint uns notwendig und wichtig. Wolfgang Müller hat eingangs ja jene eher saloppe Redeweise angeführt, in der wir im allgemeinen unsere Geschäfte unter freundlichem Understatement verbergen, - mit den Geschäften aber auch unsere Probleme, Schwierigkeiten und Unsi- cherheiten. Unsere Behauptungen und Hoffnung ist die, daß es für uns im Alltag des Geschäfts wichtig und hilfreich ist, wenn wir wissen, was wir tun, und dieses beschreiben und ausweisen können. Gegenüber den Verführungen in verkürzte Konzepte oder in die Schlamperei des Hinwurschtelns, in der wir in der Überforderung des Alltags so oft stecken bleiben, scheint es uns notwendig zu sein, daß wir, was wir tun, artikulieren und reflektieren, damit es im Kreis der Jugend- lichen und der Kollegen also - in der Gemeinschaft der Lernenden - diskutiert, modifiziert, kritisiert, weiter entwickelt werden kann.

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Ich heiße Christine Holzkamp, bin Diplom-Psychologin, Mutter von zwei Söhnen und arbeite an der Pädagogischen Hochschule Berlin in der Ausbildung von Lehrer- und Diplomstudenten (-studentinnen). Mein - in den letzten Jahren - immer stärker werdendes Interesse an der Jugendhilfe hat auch etwas mit meiner persönlichen Entwicklung als Frau zu tun. Je mehr ich begriff und begreife, wie sehr meine persönlichen Lebensumstände dadurch bestimmt sind, daß ich als Frau in dieser Gesellschaft lebe, umso mehr versuche ich mit anderen Frauen herauszubekommen, warum das so ist und was wir ver- ändern können.

Zur Verdeutlichung eine persönliche Erfahrung, die ich wahrschein- lich mit vielen Frauen, aber wahrscheinlich kaum einem Mann in die- sem Raum teile: Abbruch der Ausbildung wegen Kinderkriegen und Hei- rat, später der physische und psychische, kräfteverschlingende Ver- such, die Ausbildung trotz Kleinkind, Mann, Hausarbeit abzuschlies- sen, Familie und Beruf gleich gut über die Runden zu bekommen; immer gezwungen, eins auf Kosten des anderen zu tun.

In diesem Prozeß wird mir immer deutlicher, daß sich nur dann etwas an der Benachteiligung von Frauen ändert, wenn Mädchen und Frauen ihre eigenen Lebensumstände kritisch erkennen können und in die Lage versetzt werden, auf diese Lebensumstände in ihrem Interesse Einfluß zu nehmen. Aber wie ist das zustandezubringen? Wie müßten Lernprozesse aussehen, in denen sich solche Erkenntnis und Hand-

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lungsfähigkeit herausbilden? Und: welche gesellschaftlichen Rahmen- bedingungen müßten gegeben sein, damit für Mädchen und Frauen sol- che Lernprozesse überhaupt laufen können?

Während meiner über Jahre ausschließlich auf Schule bezogenen Tätig- keit - im Rahmen von Unterrichtsforschung und Lehrerausbildung - und als Mutter von zwei Schülern habe ich immer mehr mitbekommen, wie sehr die Schule aufgrund ihrer Struktur solche Lernprozesse er- schwert (Rahmenplan, Zensurengebung). Im Zusammenhang mit diesen Erfahrungen stieg ich an der PH Berlin stärker in die Ausbildung im Diplomstudiengang ein, machte mit einer Kollegin Frauenseminare mit Studentinnen und später Frauenseminare mit den Bediensteten der PH Berlin. Ich begann, mich für den Bereich der Jugendhilfe zu interes- sieren und zwar unter der Fragestellung: Wieweit kann in den Feldern der Jugendhilfe nützliche Mädchen- und Frauenarbeit gemacht werden?

Die Antwort auf diese Frage ist widersprüchlich:

Zum einen wissen wir, daß auch in der Jugendhilfe Mädchen und Frauen

benachteiligt sind, und Jugendhilfe insgesamt unter den bestehenden

gesellschaftlich-politischen Rahmenverhältnissen zur Symptomkuriere-

rei zu verkommen droht.

Zum anderen bieten gerade die Felder der Jugendhilfe die Chance,

nützliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen - und damit auch mit

Mädchen und Frauen - zu machen, und zwar deshalb, weil die prakti-

sche Auseinandersetzung mit der Alltagsrealität, das Handeln in kon-

kreten Lebenszusammenhängen, im Mittelpunkt von Jugendhilfe steht.

Der Widerspruch besteht darin, daß die Art und Weise

des Lernens in der Jugendhilfe zwar nützliche Lernprozesse ermög-

licht, gleichzeitig jedoch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen

solche Lernprozesse immer wieder erschweren und verhindern.

Die ungenügenden personellen und materiellen Mittel im Bereich der

Jugendhilfe, wie auch organisatorische und institutionelle Beschrän-

kungen, Abstriche an Reformen, Berufsverbote, Jugendarbeitslosig-

keit - wovon die Mädchen stärker betroffen sind als die Jungen -

sind ein Teil der gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen,

die eine für die Kinder- und Jugendlichen nützliche Arbeit behin-

dern und verhindern - für die Arbeit mit Mädchen und Frauen kommen

noch weitere erschwerende Bedingungen hinzu, zum Beispiel:

- Orientierung der meisten sozialpädagogischen Maßnahmen an den ak- tiv-aggressiv auffälligen Jugendlichen - also den Jungen;

- Geringschätzung, Lächerlichmachung, Unverständnis, auf die Mädchen- arbeit bei Kollegen und Vorgesetzten stößt;

- geringes Selbstbewußtsein und fehlende Eigenaktivität von Mädchen und Frauen, die nicht gelernt haben, Forderungen zu stellen;

- eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten von Mädchen durch stärkere Elternkontrolle, Arbeit im Haushalt, Geschwisterbetreuung.

Die Projekte hier auf dem Markt der Jugendhilfe spiegeln diese Pro- bleme von Mädchen- und Frauenarbeit schon rein quantitativ wider: drei Projekte von insgesamt 140 haben Mädchen- bzw. Frauenarbeit

zum Inhalt. l Trotz - oder besser: gerade wegen - dieser deprimierenden Situation scheint es mir notwendig, die besonderen Chancen der Jugendhilfe für nützliche Mädchen- und Frauenarbeit aufzuweisen, wobei ich unter

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"nützlich" verstehe, daß sie Mädchen und Frauen hilft, ihre eigenen Lebensumstände kritisch zu erkennen und auf diege Lebensumstände in ihrem Interesse Einfluß zu nehmen.

Wolfgang Müller hat davon gesprochen, daß in der Jugendhilfe leich- ter als in den etablierten Feldern der Erziehung die Einheit von Bildung und Erziehung herzustellen ist. Hans Thiersch sprach von

der Chance der Jugendhilfe zu einem aneignenden, integrierten "ganz- heitlichen” Lernen mit weithin alltagsorientierten Aufgaben.

Das wesentliche Gemeinsame in beiden Aussagen besteht darin, daß das Lernen in der Jugendhilfe als Prozeß begriffen wird, in welchem die Veränderung von Verhalten un d die Veränderung von Bewußtsein, also von Erkenntnissen, Gefühlen, Motiven ... eine Einheit bilden und diese Veränderungen sich in der praktischen Auseinandersetzung mit der Alltagsrealität vollziehen.

Ein Beispiel: Mädchen im Jugendfreizeitheim, die um einen eigenen Gruppenraum kämpfen, machen eine Menge wichtiger Erfahrungen. Sie lernen sozusagen auf allen Ebenen: sie kapieren etwas über die ma- terielle Situation im Jugendfreizeitbereich; riskieren es, den Unmut der Jungen auf sich zu ziehen; erfahren die Solidarität in der Mäd- chengruppe; merken, daß es Spaß macht, die notwendigen Aktionen 'nur' mit Mädchen zu tun ...

Es ist ein ganzheitlicher Lernprozeß, wo nicht der Erwerb von Kennt- nissen abgetrennt ist vom Verwendungszweck, wo Gefühle nicht unter- drückt werden müssen, sondern den Prozeß mitbestimmen, wo sich die sozialen Beziehungen über die gemeinsame Sache herstellen, um die es geht.

In solchem Lernen kann auch eher erfahrbar werden, daß Menschen in der Lage sind, auf ihre eigenen Lebensbedingungen Einfluß zu nehmen und daß das, was wir an Lebensbedingungen vorfinden, von Menschen gemacht, hergestellt, eingerichtet wurde. Ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, daß die typische Kleinfamilie und die in ihr gel- tenden Normen, die für einige Jahre meines Lebens bestimmend waren, keine Naturtatsachen sind, sondern eine von Menschen gemachte In- stitution.

Wesentlich für menschliches Lernen ist, daß der Mensch seine Erfah- rungen benutzen kann, um bewußt, aktiv und zielgerichtet seine Um- welt zu verändern. Menschen sind eben nicht Ratten, die sich der Um- welt nur anpassen können, sie gewissermaßen nur so nehmen können, wie sie ist.

Lerntheorien, die Lernen als Anpassung des Menschen an seine Umwelt und Lernen als Verhaltensänderung abgetrennt von Bewußtseinsvorgängen begreifen, - wie behaviouristische Lerntheorien - werden deshalb

dem Wesen menschlichen Lernens nicht gerecht.

Im Rahmen materialistischer Lerntheorie - basierend auf den Arbei- ten von Wygotski und Leontjew - ist ein Konzept menschlichen Lernens entwickelt worden, das den Besonderheiten menschlichen Lernens ange- messener ist, da es von der Einheit von Bewußtsein und Verhalten ausgeht und erfaßt, daß sich der Mensch im Hande 1l n Kenntnis- se, Fähigkeiten, Gefühle, Motive aneignet. Aneignen meint in die- sem theoretischen Kontext, daß der Mensch sich die gesellschaftlich-

historisch entstandenen, akkumulierten Erfahrungendurch Handeln zuei- gen macht.

Das heißt zugespitzt und vereinfacht: der Mensch lernt, indem er handelt. Und: von der Art und Weise des Handelns und den Konsequen- zen des Handelns hängt ab, w i e Menschen lernen und was Menschen lernen.

Ein Beispiel: Was hat ein Kindergartenkind eigentlich gelernt, das im Rahmen eines verhaltenstherapeutischen Programms dazu gebracht wurde, andere Kinder nicht mehr zu verprügeln? (Es bekam nach jedem Kindergartentag eine Belohnung, wenn es keine Kinder verprügelt hat- te.) Das Kindergartenkind hat nicht nur sein Verhalten verändert, sondern auch - von den Erziehern ungewollt und in der zugrundeliegen- den Lerntheorie nicht vorgesehen - bestimmte Einsichten bekommen, d.h. etwas gelernt. Etwa so: Wenn ich das mache, was die Erwachsenen von mir wollen, bekomme ich eine Belohnung. Es hat also gelernt, daß ein gefordertes Verhalten, wenn man es zeigt, sich auszahlt.

Ein anderes Beispiel: von den Mädchen werden in der Familie im all- gemeinen bestimmte Tätigkeiten erwartet, andere nicht. Das bleibt - wie wir aus der Sozialisationsforschung wissen, nicht ohne Konse- quenzen, die sich in den Tätigkeiten und Handlungen herausbildenden Erkenntnisse, Einstellungen, Gefühle, Handlungskompetenzen bekommen dadurch die Qualität des "typisch Weiblichen'. Unterschiedliche Konzepte von Mädchenarbeit sind Reaktionen auf den Tatbestand, daß dieses "typisch Weibliche' zur gesellschaftlichen Benachteiligung führt. Frauen, die Mädchenarbeit machen, balancieren auf dem schma- len Grat entweder "Kompensatorisches" zu betreiben, mit Blick auf die Jungen "das können wir auch', oder 'Weibliches' unhinterfragt gutzufinden und zu verstärken. Neben dem Balancieren gibt es nur

e ine Perspektive: Wir müssen langfristig uns für die Verände- rung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Mädchen und Frauen ein- setzen, d.h. wir müssen an den gesellschaftlichen Ursachen der Pro- blemlage ansetzen.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die starke Familienorientierung des neuen Jugendhilfegesetzes nicht fortschrittlich, sondern rückschritt- lich, da durch dieses Gesetz - trotz des Anspruchs "Beseitigung, mindestens Verminderung sozialer Benachteiligung' die einseitigen und eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten von Mädchen weiter zemen- tiert werden.

Diese Erkenntnis, daß der Mensch sich im Handeln entwickelt, klingt fast banal und enthält doch den Schlüssel für jegliche pädagogische Arbeit. Lehren in solchen handlungsorientierten Lernprozes- sen heißt dann Unterstützung, Anleitung, Organisierung, Initiierung von Handlungen der Kinder und Jugendlichen. Natürlich kann es nicht darum gehen, irgendwelche beliebigen Handlungen anzuregen und zu unterstützen, so nach dem Motto: "Hauptsache, es läuft etwas." Es müssen Handlungen sein, in denen die Kinder und Jugendlichen - wenn auch nur in kleinsten Schritten - etwas über ihre Lebensbedingungen mitbekommen und Handlungsfähigkeit entwickeln können. Das bedeutet, daß die jeweiligen Handlungen von Kindern und Jugendlichen analy- siert werden müssen, um herauszufinden, wieweit sie bestimmte Lern- prozesse ermöglichen und in welcher Weise auf diese Handlungen Ein- fluß genommen werden kann.

In Bezug auf die Arbeit mit Mädchen sollten das Handlungen sein, die z.B. - als ein Kriterium unter anderen - das Selbstbewußtsein der Mädchen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten stärken. Bei ganz kon- kreten Projekten wie z.B. Fete im Jugendheim ausrichten, Geld für

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Wochenendfahrt organisieren, Fotoausstellung über Mütter machen, müßte jeweils genau analysiert werden, in welchen Handlungen die Mädchen diese Erfahrungen machen könnten. Es müßte präzisiert wer- den, welche Struktur diese Handlungen haben müßten, etwa so: - die Aufgabenanforderungen müssen so sein, daß sie von den Mädchen auch bewältigt werden können, - der Zweck der Handlung muß einsehbar sein und die eigenen Bedürfnisse mit berücksichtigen, etwa so, wie Bert Brecht Herrn Keuner auf die Frage, wie man einen dazu veranlassen kann, daß er gute Vorschläge macht, antworten läßt: "Dadurch, daß man sorgt, daß er an dem Nutzen seiner Vorschläge beteiligt ist und auf andere Weise, also allein, die Vorteile nicht erreichen kann." Dieses "dafür sorgen' meint, Einfluß auf die Handlungen nehmen.

Die Aufzählung der Strukturmerkmale solcher Handlungen ist nicht vollständig, sie soll nur verdeutlichen, wie die Aktivitäten in Mädchengruppen beurteilt und in Richtung der Beeinflussung in Bezug auf die Zielvorstellung bewußt gemacht werden kann. Für jede konkre- te Arbeit mit Mädchen ist jeweils neu zu bestimmen, an welchen Hand- lungen der Mädchen anzuknüpfen ist und wie weitertreibende Aspekte im Bewußtsein und Handeln der Mädchen unterstützt und modifiziert werden können. Zu diesen Fragen findet heute nachmittag im Kölner Jugendtag eine Podiumsdiskussion statt, auf der Frauen, die Mädchen- arbeit machen, ihre Konzepte diskutieren wollen.

Ich will an dieser Stelle die Überlegungen zur lerntheoretischen Fundierung der Arbeit in der Jugendhilfe, im besonderen der Arbeit mit Mädchen und Frauen, abbrechen und zum Einstieg in die Diskussion noch folgendes sagen: Eine bessere Lerntheorie nutzt uns in der prak- tischen Arbeit wenig, wenn wir nicht gleichzeitig auf die Bedingun- gen, unter denen wir arbeiten, so Einfluß nehmen, daß sich solche, für Kinder und Jugendliche, für Mädchen und Frauen nützliche Lern- prozesse realisieren lassen.

Pädagogische Arbeit meint eben nicht nur Veränderung von Menschen, sondern auch - als wesentlichen Bestandteil dieses Prozesses - Ver- änderung von Bedingungen. Dazu noch einmal Herr Keuner, der auf die Frage, wie man einen zur Unbestechlichkeit erziehen könnte, antwor- tet: "Dadurch, daß man ihn satt macht."

Das praktische Eintreten für die Verbesserung der Jugendhilfe durch die konkrete Abwehr von Maßnahmen, mit denen für Kinder und Jugend- liche Lernprozesse eingeschränkt oder verhindert werden sollen, ist deshalb notwendiger Teil unserer sozialpädagogischen Arbeit.

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SOZIALARBEIT ZWISCHEN BÜROKRATIE UND KLIENT

Rüdeger Baron/Kristin Dyckerhoff Rolf Landwehr/Hans Nootbaar

Dokumente der Sozialarbeiterbewegung

Sozialpädagogische Korrespondenz 1969 - 1973 VERLAG 2000

Preis: DM 1o,-- (reprint)

pád, oZia/ abonniert - in der Praxis

AN HF en ageschmie

Wir greifen Themen auf, die alle Be-

ziehungsarbeiter angehen: Drogen- au |, szene Praxisschock Videoarbeit

Spiel und Spielzeug Neofaschisti-

sche Jugendorganisationen Tabu

Eros Jugend und Gericht Ster-

ben Ausländer März 79: Knast-

biographien.

Ob in Schule, Jugendzentrum, Stadt- teil Lehrer und Sozialarbeiter sind in vielfacher Weise mit Problemen Jugendlicher befaßt. Zu deren Aus- bildungs- und Berufsnot unser April-

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ABSCHLUSSERKLÄRUNGEN

1. STELLUNGNAHME DES VORSTANDES DER AG]

"Die Konzeption des 6. Deutschen Jugendhilfetages war durch die fol- genden vier Grundbedingungen gekennzeichnet:

Der Jugendhilfetag sollte:

l. Ein breites Forum zur Information, Kommunikation und Diskussion für jedermann sein.

2. Nicht nur traditionelle Träger und ihnen verbundene Gruppierungen, sondern auch Selbsthilfegruppen, Initiativen u.a. einbeziehen.

3, Der Praxis zumindest den gleichen Rang wie der Theorie einräumen und Möglichkeiten der Verknüpfung eröffnen.

4. Der Durchsetzung eines einheitlichen politischen Anspruchs der Jugendhilfe gegenüber anderen Sozialisationsbereichen dienen.

Eine erste Beurteilung, wieweit der Jugendhilfetag Köln 1978 diese Erwartungen erfüllen konnte, führt zu dem Ergebnis, daß die ersten

3 Grundbedingungen

- breites Forum

- nicht nur traditionelle Träger

- gleicher Rang von Praxis und Theorie

weitgehend hergestellt werden konnten. RE Die vierte Erwartung - ob es der Jugendhilfe gelingt, als eigenständi- ger Sozialisationsbereich anerkannt zu werden, hängt nicht zuletzt davon ab, ob es in der Jugendhilfe möglich ist, gemeinsame jugend- politische Positionen zu vertreten.

Die folgende Einschätzung aus der Sicht des Veranstalters versucht erste Ergebnisse und Erfahrungen zusammenzufassen.

l. Problemlagen

Unsere Gesellschaft wird bestimmt durch ungelöste Verteilungskon- flikte, strukturelle Defizite, den Diskrepanzen zwischen privatem Konsum und "öffentlicher Armut'.

Personengruppen, die über kein eigenes Einkommen verfügen und auf öffentliche Zuwendungen und Sozialleistungen angewiesen sind, werden in besonderer Weise von diesen Diskrepanzen betroffen.

Die Schere zwischen dem gesellschaftlich Möglichen und dem faktisch Gegebenen entscheidet über Lebenssituationen und Perspektiven von Kindern und Jugendlichen in dieser Gesellschaft. nu

Wie wenig diese Gesellschaft ihrem Anspruch auf Realisierung von Chancengleichheit und optimaler Förderung der Entwicklung aller Kin- der und Jugendlichen nachkommt, machen folgende Krisenbereiche schlag- artig deutlich:

Ei «

- materielle Armut

- Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit

- Gettoisierung und Unterprivilegierung von ausländischen Arbeit- nehmern

- wachsender Leistungs- und Selektionsdruck in den Schulen.

Symptome dieser gesellschaftlich verursachten Inhumanität finden

sich in:

- psychischer Verelendung (Selbstmord)

- individueller Drop-out (Drogen)

- Aggressivtität und Kriminalisierung

- Überanpassung und mangelndes demokratisches Engagement.

Probleme,die Jugendhilfe von ihrem gesellschaftlichen Auftrag bewäl-

tigen soll, sind wesentlich durch sozioökonomische und bürokrati-

sche Struktur produziert. Eine gewichtige Rolle spielen hier u.a.

unzureichende Familieneinkommen, mangelhafte Wohnversorgung, Bela-

stung durch menschenfeindliche Arbeitssituation, mangelnde Unter-

stützung erwerbstätiger Mütter, fehlende soziale Infrastruktur

(Kinderfeindlichkeit). Überall dort, wo Gesellschaft versagt, soll

Jugendhilfe einspringen.

2. Defizite und Mängellagen von Jugendhilfe

Jugendhilfe, so wie wir sie heute kennen, ist nicht in der Lage, auf die ihr gestellten Problemlösungen zu reagieren.

Die wichtigsten strukturellen Defizite und Mängellagen von Jugend- hilfe lassen sich wie folgt kennzeichnen:

- Dominanz obrigkeitsstaatlicher Eingriffsverwaltung

- Dominanz der reagierenden und eingreifenden Interventionen

- Vernachlässigung präventiver und allgemein fördernder Leistungen

- fehlendes Angebot an Einrichtungen und Diensten

- Einzelfallorientierung

- zu hohe Fallzahlen.

Auf dem Jugendhilfetag zeigte sich Enttäuschung darüber, daß die

von der Bundesregierung angestrebte Reform des Jugendhilferechts

aufs Ganze gesehen nicht geeignet ist, die fundamentalen und struk-

turellen Mängel unseres Jugendhilfesystems zu beseitigen. Darüber

hinaus wurde in vielen kritischen Beiträge darauf hingewiesen, daß

das geplante Jugendhilferecht neue Gefahren beinhaltet und aufwirft.

Zu nennen wäre hier vor allem:

- Entpolitisierung der Jugendarbeit und der Jugendhilfe schlechthin

- Begünstigung einer adressatenfernen Fachlichkeit und technokrati- schen Professionalisierung der Jugendhilfe

- Behinderung und Unterdrückung von Basisinitiativen, Selbsthilfe- organisationen, Kreativität und Flexibilität in der Jugendhilfe

- Disziplinierung und administrative Kontrolle unbequemer Gruppen in der Jugendhilfe.

3. Alternativen und offensive Formen der Jugendhilfe Alternative Problemlösungen in der Jugendhilfe werden nur allzu

rasch und leichtfertig ins Utopische abgedrängt und als unrealistisch abqualifiziert. Dieser Jugendhilfetag hat jedoch gezeigt, daß Betrof-

= dd =

fene und engagierte Praktiker alternative Lösungsmöglichkeiten auf- zeigen können, die das eingefahrene System von Mängelverwaltung und Konfliktunterdrückung sprengen und dessen Irrationalitäten überdeut- lich aufzeigen.

Der 6. Deutsche Jugendhilfetag hat insbesondere durch das Experiment 'Marktbereich' möglich gemacht, daß sich die Initiativen und Grup- pen, die neue Formen des Umgangs mit den gesellschaftlichen Proble- men ausprobieren, in einer breiten Präsentation der Öffentlichkeit vorstellen.

In einer ersten Einschätzung soll hier versucht werden - ohne An- spruch auf Vollständigkeit - darzustellen, welche Tendenzen hier er- kennbar sind, und zwar in folgenden Bereichen:

- Kinderarbeit

- Jugendarbeit

- Heimerziehung und Strafvollzug

- Jugendarbeitslosigkeit

- Medien.

Kinderarbeit

Im Bereich der Kinderarbeit haben neue Formen offener Kinderarbeit, Eltern-Kind-Gruppen und Elterninitiativen als freie Träger von Tages- einrichtungen gezeigt, daß neue Inhalte notwendig und realisierbar sind:

- kleine Gruppen, in denen Kinder nicht untergehen, sondern ihre Be- dürfnisse nach Aktivität, Lernen und sozialem Kontakt einbringen können

- aktive Beteiligung der Eltern

- Integration von Ausländerkindern und behinderten Kindern.

Diese Gruppen haben deutlich gemacht, daß neuen Formen der Kinderar-

beit nach wie vor nicht die erforderlichen Rahmenbedingungen zur Ver-

fügung stehen und die Erschwernis, Behinderung und Boykott dieser

Arbeit bis hin zum Verbot keine Seltenheit sind.

Jugendarbeit

Im Bereich der Jugendarbeit ist eine Tendenz deutlich sichtbar, in der engagierte Sozialpädagogen gemeinsam mit Jugendlichen emanzıpa- torische Jugendarbeit realisierbar machen. Dies gelingt unter der Prämisse ganzheitlichen Lernens, einlassen auf die Lebenssituation, Langfristigkeit und Kontinuität und der Ernstnahme der Forderungen von Jugendlichen nach Autonomie und Selbstorganisation.

Die Ganzheitlichkeit und Alltagsorientierung ist eine notwendige Voraussetzung besonders auch für Mädchen- und Frauenarbeit, die deut- lich macht, daß Jugendhilfe nicht nur eine 'Jungen'hilfe bleiben darf, sondern die in ihren allgemeinen pädagogischen Zielsetzungen Parteilichkeit für die Mädchen ausdrücken muß. : Projekte ausländischer Jugendlicher zeigen, daß der Ausweg aus Dıs- kriminierung und Ghettoisierung nur durch ein Ernstnehmen Ihrer kul- turellen Identität erreichbar ist.

Heimerziehung und Strafvollzug

Gruppen und Initiativen in diesem Bereich haben darauf hingewiesen, daß sich hier in besonders brisanter Weise die gesellschaftliche

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Unfähigkeit und Unzulänglichkeit konkretisiert, mit existentiellen Problemen von Jugendlichen menschlich umzugehen. Daß der Teufels- kreis von emotionaler und materieller Benachteiligung sowie (...) Sanktionen durchbrochen werden muß und kann, zeigen u.a. Wohngemein- schaften, Mitbestimmung in den Heimen und koedukative Erziehung.

Jugendarbeitslosigkeit

Das gesellschaftliche Problem mangelnder Ausbildungs- und Arbeits- plätze für Jugendliche stellt Jugendhilfe vor eine besondere Probe. Jugendverbände und freie Initiativen haben deutlich gemacht, daß Jugendhilfe offensiv werden muß in Richtung auf eine qualitative Verbesserung der beruflichen Bildung. Selbsthilfeprojekte arbeits- loser Jugendlicher haben gezeigt, daß sie als eine Möglichkeit ernstA genommen werden müssen, sich mit der Arbeitslosigkeit aktiv ausein- anderzusetzen.

Medien

Der 6. Deutsche Jugendhilfetag hat in einer enormen Breite die Frage nach neuen Medien und Formen politischer Vermittlung und Auf- klärung von Kindern und Jugendlichen aufgeworfen. Allein der An- sturm auf 'Grips' und "Rote Grütze! zeigt, daß wir gutes, bewußtes und realitätsbezogenes Kinder- und Jugendtheater brauchen. Dasselbe gilt für Filme und Literatur. Politische Unabhängigkeit und Eigen- ständigkeit muß dabei gewährleistet sein.

essen ee ee ne 4. Perspektiven und Aktionsformen

BE pen SE ne ec ae nic a

Diese Gesellschaft ist eine Gesellschaft der Mehrheitsinteressen. Jugendhilfe ist mit betroffenen Minderheiten konfrontiert. Minder- heiten haben keine Möglichkeiten, ihre Interessen in den vorgegebenen Strukturen und Aushandlungsprozessen durchzusetzen.

Jugendhilfe muß daher im Interesse der betroffenen Minderheiten

neue Formen der Interessenartikulation und unkonventionelle Aktions- formen mitentwickeln und unterstützen.

Neue Formen von Konfliktverhalten und politischer Aktion sind daher nicht nur legitim, sondern auch gesellschaftlich notwendig, sollen nicht von vornherein '"Minderheitsinteressen' von Kindern, Jugend- lichen und Eltern untergehen angesichts der Sachrationalität büro- kratischer und ökonomischer Verengung von Handlungsspielräumen.

Der 6. Deutsche Jugendhilfetag hat die Berechtigung und die Legiti- mität von unorthodoxen Konflikt- und Aktionsformen deutlich ge- macht. Sie sprengen den Rahmen konventioneller Veranstaltungs-, Kon- greß- und Diskussionsrituale. Statt leidenschaftsloser Geschäftig- keit wird hier Betroffenheit, Engagement und Handlungsbereitschaft ausgelöst.

Eine Jugendhilfe ohne emotionale Betroffenheit und ohne emotionale Solidarität verkommt zur gleichgültigen Verwaltung sozialer Problem- lagen, zum Geschäft von Bürokraten und Technokraten.

Der Zorn und der Protest führen jedoch unweigerlich ins Abseits, wenn darüber hinaus nicht auch der Dialog, die Diskussion, das Be- mühen um Verständigung ernst genommen und Möglichkeiten der Inter-

= Eh -

essenartikulation gesehen und genutzt werden. Veränderungsinitiativen werden sich nicht durchsetzen lassen, wenn dabei nicht auch organisierte Gruppen in dieser Gesellschaft, Eltern, Lehrer, Sozialarbeiter, Mitarbeiter in Verbänden und Verwaltungen als Bündnispartner angesprochen und gewonnen werden können. Diese Chancen dürfen nicht leichtfertig verspielt werden.

Zur Abwehr repressiver Tendenzen in der Jugendhilfe (Disziplinierun- gen, Zementierung des Status quo) ist ein breites Bündnis aller hier engagierten demokratischen Gruppen erforderlich. Dieses kann nur erreicht werden, wenn der Dialog nicht abreißt, gemeinsame Positio- nen gefunden und offensiv vertreten werden können.

Eine Jugendhilfe, die nicht radikal ist, wird ihrem gesellschaftli- chen Auftrag nicht gerecht. Wird diese Forderung ernst genommen,

muß Jugendhilfe offen, offensiv und unter Einbeziehung der Interessen und Bedürfnislagen der Betroffenen agieren. Um diesem Auftrag ge- recht zu werden, muß Jugendhilfe sich als politische Interessenver- tretung verstehen, ihre Forderungen mit Nachdruck an die Politik richten und die Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugend- lichen gegen das Primat ökonomischer Rationalität und Inhumanität verteidigen und durchsetzen."

2. JUPOFO SCHLUSSERKLÄRUNG

"Der Jugendhilfetag (JHT) war trotz vieler Probleme für die Kolle- gen aus der Praxis und die Jugendlichen ein wichtiger Erfolg. Es

ist gelungen, ihn weder zu einer unverbindlichen Jugendhilfeschau noch zu einer Selbstdarstellung der Verwalter von Jugendhilfe werden zu lassen. Vielmehr haben diejenigen, denen es um die Interessen der Kinder und Jugendlichen an Selbstbestimmung und nicht um die bürokra- tischen Interessen etablierter Jugendhilfeträger geht, die Gelegen- heit genutzt, den JHT zu einem jugendpolitischen Forum der Betrof- fenen zu machen.

Im Marktbereich konnten vielerlei Anregungen und Kontakte zwischen verschiedenen Projekten einerseits und Initiativen und Besuchern andererseits ausgetauscht werden. Allerdings erzeugte das zusammen- hanglose Nebeneinander unterschiedlichster "Aussteller! eine starke Verwirrung und Konsumhaltung bei vielen Besuchern. Durch den Zwang, sich verkaufen zu müssen, wurde für die Projekte eine wirkliche Ver- tiefung der Kontakte und Entwicklung von über den JHT hinausweisen“ den gemeinsamen Handlungsmöglichkeiten erschwert.

Die mehrmonatigen Vorbereitungen auf den JHT und dessen Verlauf ha- ben gezeigt, daß die Kluft zwischen den in der Praxis arbeitenden Kollegen und Jugendlichen einerseits und der sie kontrollierenden Bürokraten andererseits kaum zu überbrücken ist. Gleichzeitig wurde durch die Vorbereitungsarbeit die Möglichkeit geschaffen, die not- wendigen jugendpolitischen Auseinandersetzungen aufzunehmen. Als wichtigstes Ergebnis bleibt festzuhalten, daß viele tausend Teilneh- mer bei den unterschiedlichsten Veranstaltungen den von der Bundes-

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regierung vorgelegten Kabinettsentwurf zum Jugendhilferecht unmiß- verständlich ablehnten; dies besonders wegen der darin stark ausge- bauten Kontroll- und Disziplinierungsmöglichkeiten gegenüber fort- schrittlicher Jugendhilfepraxis.

In dieser Situation war es auffällig, daß viele Vertreter etablierter Jugendhilfeorganisationen und staatlicher Jugendbürokratie sich die- ser Auseinandersetzung entweder gar nicht erst stellten, oder durch die Form ihres Auftretens ihre Unfähigkeit unter Beweis stellten, sich an den Problemen der Betroffenen zu orientieren.

Extremster Ausdruck dieser Lage ist die Tatsache, daß zur Schlußver- anstaltung sich kein Vertreter von Regierung oder Bundestagsparteien unseren Forderungen stellen will. Stattdessen tagen die Spitzenpoli- tiker der Bundesregierung in diesem Augenblick mit den Vertretern der konservativen Jugendhilfeverbände im Schutze der Rummelsberger Fürsorgeanstalten zu Nürnberg. Sie erörtern dort unter Ausschluß der Öffentlichkeit den Kabinettsentwurf zum Jugendhilferecht.

Zu kritisieren bleibt ferner die völlig unzureichende Öffentlichkeits- arbeit der Veranstalter, die eine umfassende Information der Bevöl- kerung durch die Presse nicht gewährleistete und die ohnehin verbrei- tete Verdrängung der im Jugendhilfebereich bestehenden Probleme und Notwendigkeiten noch unterstützte.

Der JHT hat gezeigt, daß die brennenden Probleme der Praxis auf Groß- kongressen dieser Art nur angerissen, jedoch nicht ausdiskutiert wer- den können. Von vielen Praktikern wurde deshalb das Bedürfnis geäus- sert, in regionalen und überregionalen Zusammenhängen nun auch ge- meinsame Problemlösungen zu erarbeiten. Dazu fordern wir die AGJ auf: l. Allen am JHT beteiligten Gruppen und sonstigen interessierten Per- sonen sämtliche Tagungsmaterialien und Resolutionen kostenlos zur Verfügung zu stellen, sowie für eine entsprechende Veröffentlichung Sorge zu tragen,

2. die weitere überregionale Zusammenarbeit zu unterstützen und

3. in zwei Jahren den siebten Deutschen Jugendhilfetag (JHT) zu orga- nisieren."

Roland Roth, Frankfurt

WIR MÜSSEN UNS SCHON SELBER HELFEN JUGENDHILFETAG 1978

Seit der Jugendhilfetag von 1970 in Nürnberg als Forum der oppositio- nellen Jugendkultur und kritischer Ansätze in der Sozialarbeit ge- nutzt wurde, scheuten die traditionellen Jugendverbände und die So- zialbürokratie vor einer weiteren Öffentlichen Großveranstaltung zu- rück. Der Jugendhilfetag von 1974 wurde kurzerhand abgesetzt, und

die oppositionellen Gruppierungen im Jugendbereich veranstalteten

ihr eigenes Jugendpolitisches Forum. Erst im vergangenen Jahr schien den offiziellen Trägern der Jugendpolitik der Boden nicht mehr so heiß, drängten andererseits die Alltagsprobleme im Jugendbereich so stark, daß man einen Jugendhilfetag riskierte.

In einer der Kölner Messehallen - sonst Drehscheibe des kapitalisti- schen Warenmarkts - drängten sich Anfang November drei Tage lang meh- rere tausend Besucher um mehr als 150 Stände und Kojen. Der "Markt der Jugendhilfe" - so die offizielle Bezeichnung - war jedoch weni- ger als zuvor befürchtet eine Masse von Jugend- und Wohlfahrtsver- bänden, die mit Renommierständen um Anteile an staatlichen Fördermit- teln bzw. deren Rechtfertigung ringen. Einige der unter dem Dach der "Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe" (AGJ) - der Veranstalter der Jugendhilfetage - zusammengefaßten Großverbände (wie z.B. der Cari- tas-Verband) waren erst gar nicht erschienen, andere traditionelle Verbände fielen mit ihren teuren Metallständen vom besten Messeaus- statter aus dem Rahmen.

Geprägt wurde das sehr lebendige Bild dieses Marktplatzes vielmehr von Jugendlichen aus Jugendzentrumsinitiativen, Selbsthilfegruppen und fortschrittlichen Ansätzen in Jugendverbänden und politischen Jugendgruppen. Schließlich war er ein Treffpunkt der kritischen So- zialarbeiter aus allen möglichen Zusammenhängen. Der Publikumsandrang war so groß, daß kaum alle Informations- und Kontaktbedürfnisse zwi- schen den Projekten untereinander und den Besuchern befriedigt werden konnten. In der Mitte der Halle war ein Forum eingerichtet worden, das Liedermachern, Theatergruppen und Aktionen zur Verfügung stand und reichlich genutzt wurde. In mehreren Medienzeiten flimmerten Pro-

duktionen aus den verschiedenen Projekten über den Bildschirm. Viel Trubel also,

Die Veranstalter und wohl auch ein Großteil der Besucher werteten diesen Teil des Jugendhilfetags sehr positiv. Der Marktplatz war kei- ne Verkaufsmesse für die Fachöffentlichkeit und die zuständigen staat- lichen Behörden - lammfromm und ordentlich -, sondern ein Kommuni- kationsforum, wo sich ein wichtiger Teil der hoffnungsvollen Ansätze im Bereich der Jugendarbeit und der Alternativprojekte zusammenfand, die sonst meist wechselseitig voneinander isoliert an den einzelnen Orten vor sich hin wurstelt. Üblicherweise gelingt es nur wenigen, in eine breitere Öffentlichkeit vorzudringen, sich über die lokale

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Ebene hinaus Gehör zu verschaffen. Von den Veranstaltungen des Ju- gendhilfetags ging daher ein Impuls in Richtung Gegenöffentlichkeit aus: gegen die ausgrenzende Praxis der Verbände und Institutionen, die im Zusammenspiel mit Behörden meist wirkungsvolljede kritische öffentliche Auseinandersetzung mit ihrer Alltagspraxis, der Situa- tion, den Interessen und den eigenständigen Ansätzen der Jugendlichen verhindern. Die wenigen linken Publikationen im Sozialbereich können nur bedingt Breschen ins Dunkel des Verbands- und Institutionenall- tags schlagen, zumal Mittelkürzungen und wachsende bürokratische Kon- trolle im Zuge der Krisenpolitik zugenommen haben, ohne daß es zu einer größeren übergreifenden Abwehrfront der Betroffenen gekommen wäre.

Wenn auch nur Ausschnitte aus der Realität des Jugendhilfealltags sichtbar wurden (so wurde der "Markt der Jugendhilfe" konsequenterwei se in "Markt der Möglichkeiten" umbenannt; für viele Besucher dürfte es jedoch eher ein "Markt der Unmöglichkeiten'" im Hinblick auf die Realisierungschancen in ihrer eigenen Praxis gewesen sein), so fand doch auch keine Vereinnahmung des Alternativmarktes als Propaganda- oder Legitimationsvehikel für die offizielle Jugendpolitik statt.

Im Zuge der Krisenpolitik hat sich diese losgelöst und teilweise im Gegensatz zu den Verbandsinteressen - ganz zu schweigen von denen

der Jugendlichen - entwickelt.

Daß im Bereich der Jugendpolitik die Zeit der Reformen nie recht an- gebrochen ist, das, was sich heute so nennt, eher eine Mogelpackung darstellt, kritische Ansätze eher stören, machte schon der offizielle politische Kontext überdeutlich. Am Vorabend verabschiedete das Ka- binett den Entwurf für ein neues Jugendhil ferecht, der in einer Mi- schung von mehr Staat und mehr Familie durch eine Verstärkung der bürokratischen Disziplinierungsmöglichkeiten im Kern gegen die mei- sten der auf dem Markt präsentierten Möglichkeiten gerichtet ist. Während der Veranstaltungen machten sich die Politiker rar. Stattdes- sen tagten sie zur gleichen Zeit mit Vertretern der konservativen Jugendhilfeverbände im Schutze der Rummelsberger Fürsorgeanstalten

zu Nürnberg. Dies deutet darauf hin, daß die Konflikte zwischen staats licher Politik und konservativen Verbänden auf der einen Seite und kritischen Initiativen aus den Verbänden und den Selbsthilfeprojek- ten der Jugendlichen auf der anderen Seite zunehmen werden. Daß sich zwischen dem progressiven institutionellen Flügel, kritischen Sozial- arbeitern und den autonomen Ansätzen - bei allen Spannungen - neue gemeinsame Perspektiven im Widerstand gegen die staatliche Jugend- politik und ihre verbandliche Umsetzung ergeben können, wird auch an eıner ersten Stellungnahme der AGJ deutlich, die noch vor vier Jah- ren aus Angst vor der Linken den Jugendhilfetag absagte.

MEHR ERZIEHUNG

Da wo noch konservative Verbandsvertreter auf dem Jugendhilfetag

auftraten, entzogen sie sich jedem Legitimationsdruck, demonstrier- ten unverfroren ihre Herrschaftspositionen. Es wird an den autono- men Projekten der Jugendlichen und den progressiven Ansätzen im Be- reich der professionellen Jugendarbeit liegen, ob dieses Machtkal- kül aufgeht, das auf eine Integration progressiver Ansätze verzich- ten zu können glaubt - mit dem Vertrauen auf eine politische regu-

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k und Kommunikat

è

Faschismus heute?

Neyer Foschismus?: Fragen, Diskussionsbeiträge, Positionen; Zur Chorakterisierung faschistischer Herrschaft; Berufsverbote 1 Foschismus - Adenauer-Ärao heute; Die neue und die alte

Rechte; Neonazistische Tendenzen in der Schule; Neue Repression

in der BRD: Berichte, Glossen; Sozialismus-Diskussion: Bahros

Kritik am reolen Sozialismus; Nichtkommerzielle Rundfunkpraxis

in Italien

Geschichte schreiben/SPD-Kultur 2 Geschichte als kollektive Praxis, Gesellschafts- oder Sozial-

geschichte? Alternative Geschichtsschreibung: der Beitrag von

E.P. Thompson - Untersuchungen, Interviews und Diskussion;

Kapitalismus als Kultur; Verstaatlichung von Lebensverhältnissen. 3

Neue Lebensformen

Wunsch und Praxis

Zeitgeschichte der gegenkulturellen Bewegung; Zwangs- alternativen: Dialektik von Subkultur und Hinterwelt; Diskussion über Landkommunen; Asthetik der Alternotivszene; Das Beispiel Longo Mai; Provinzarbeit; Analysen: Christianio, Tvind.

Kulturarbeit Kultur selber machen (März 1979)

Industrielle Kulturerfahrung; Theoterarbeit auf dem Lande; Freie Rockgruppen; Was ist Straßenkultur? Schreiben lernen; Neue Kulturzentren Kulturhäuser; Animationsbewegung in Frankreich; Stadtsanierung als Kulturzerstörung.

Linker Konservatismus”? Yuni 1979)

Unser konservativer Alltag; Aufklärung im Nebel; Never Konservatismus von links? Besonderheiten des deutschen Konservatismus konservative Revolution; Das Konservative in unseren Wünschen und Bildern; Rechte Unterwanderung der Alternativscene; Konservalives vom Neuen Sozialisationstyp;

Das Linke und das Rechte. Frauenbewegung und Linke (sep1.1979) I

Autonomie der Frauenbewegung; Frauen und Linke in anderen Ländern; Weibliche Identität; Schwierigkeiten linker Frauen mit der Frauenbewegung; Wos hat die Linke von der Frauen- bewegung gelernt? Rechter Feminismus Frauen im Foschismus;

Weibliche Mythen. Kinderalltag (»z. 1979)

Kinderöffentlichkeit Kindertheater.

Politik im Kindertheater; Wie grausam sind Kinder? Geschichte des Kinderalltags; Folgen der neuen Erziehung; Zeiterfahrung: Langeweile, Kinder- träume, Spontaneität; Kinderfilme; Wozu Märchen? Kinderöffentlichkeit: Straßen,

Platze, Zimmer, Feste.

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lierte, breite Apathie und Entmobilisierung eines Großteils der Ju- gendlichen.

Die haushaltspolitische Randposition der Jugendpolitik, die schwache Stellung des entsprechenden Ministeriums, das harmonisierende Zusam- menspiel von Verbänden und Staatsbürokratie lassen unter den gegen- wärtigen politischen und ökonomischen Bedingungen erwarten, daß sich auch bei uns die Marginalisierung von Teilen der Jugendlichen verstärkt. Daß die Nürnberger Indianerkommune die Begleitmusik des Jugendhilfetags bestimmte, dürfte zukünftig - wie schon Mescalero und Tunix ankündigten - mehr als nur eine exotische Ausnahmeerschei- nung sein: Im Vergleich zu diesen radikalen Ausgrenzungsformen dürf- te jedoch die alltägliche Desintegration von Jugendlichen in Form von Jugendreligionen, Drogen, Neonazismus usw. wesentlich massenhaf- ter und relevanter werden, sind sie doch Reaktionsbildungen, die indix\ viduellen Sinnverlust und gesellschaftliche Perspektivlosigkeit an- zeigen.

Die herrschende Politik glaubt, dies in Kauf nehmen zu können; die um Integration bemühten Politiker - wie z.B. Glotz, der auf die Ge- fahr der Entstehung von "zwei Kulturen" hingewiesen hat - sind auch in der Sozialdemokratie selten. Stattdessen soll wieder mehr "erzo- gen" werden. Die Utensilien hierfür liegen in der kaum mit Staub be- deckten Rumpelkammer der deutschen Geschichte reichlich herum. Daß und wie sie genutzt werden, hat zuletzt die Abschaffung des KITA- Modells in Frankfurt verdeutlicht. In vielen Köpfen waren sie nur für eine Zeit zurückgedrängt.

Auch die politische Rechte sieht eine "Krise der gesellschaftlichen Integration", die aber flugs gegen die Krisenopfer selbst gewendet wird. Ursache sei der Realitätsverlust bei Linken und Jugendlichen. "Es gibt eine Kluft zwischen objektiven, durch den Vergleich der Sy- steme erhärteten positiven Gegebenheiten und einem negativen sub- jektiven Empfinden vieler Menschen dieser Gesellschaft, vor allem der jungen Generation."

Bloß rhetorisch fragt Sontheimer, einer der neuen, allzu dienstfer- tigen intellektuellen Wasserträger, die seismographisch die Wand- lungen der politischen Kultur in der Bundesrpublik vermelden, wer die Verantwortung trage für die "kritischen Phänomene der Jugendsze- ne, angefangen bei den Terroristen über die vielen Drogenabhängigen, die jugendlichen Arbeitslosen bis zu den an Zahl zunehmenden jugend- lichen Selbstmördern, gar nicht zu reden von den vielen Tausenden, die in die städtischen und ländlichen Subkulturen fliehen, von alter- nativen Lebensformen träumen und an neuen Lebensstilen basteln",

Es sind die "von ihrer Gesellschaft im Stich gelassenen Jugendlichen selber" (alle Zitate stammen aus einem Beitrag für die FAZ "Eine neue verlorene Generation?", vom 2.12.78). Dieses zynische Selbstbe- wußtsein der Herrschenden, gemeinsamer Grundnenner der Rückentwick- lung im Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich, lebt davon, daß die herrschende "erste" Kultur sich gegen eine "zweite", marginalisier- te und oppositionelle abschotten und sie repressiv-staatlich neutra-

lisieren kann.

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AUSGRENZUNG VON WIDERSPRÜCHLICHEM

In der Tat erzeugt der gesellschaftliche Reproduktionsprozeß diffuse und gegeneinander isolierte Verarbeitungsformen, die in die Sphäre der Privatheit abgedrängt werden können. "Die Alltagsrealität in

den Mittelpunkt stellen", die gemeinsame Forderung der im Jugendpo- litischen Forum zusammenarbeitenden Gruppen reflektierte diese Pro- blemebene der gesellschaftlichen Ausgrenzung von Teilen der Jugend- lichen. Der Verlauf des Jugendhilfetags machte mehr als deutlich, daß die zerfaserten Realitätsfragmente nicht von selbst zusammenkom- men, "die Realität" erst ein Kommunikations- und Kampfergebnis sein könnte. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn in den Auseinanderset- zungen auf dem Jugendhilfetag die jeweiligen Erfahrungen konflikt- trächtig gegeneinander gehalten wurden, jeweils ihren eigenen Gel- tungsbereich beanspruchten, ob es nun der fortschrittliche "Büro- krat" aus dem Jugendamt war, der Sozialarbeiter im Bereich der of- fenen Jugendarbeit, Jugendliche aus selbstverwalteten Jugendzentren und Selbsthilfeprojekten - im Clinch mit den beiden -, Vertreter aus Jugendorganisationen, die jeweils nur spezifische Bedürfnisse und Teile der Jugendlichen organisieren oder die Indianerkommune, die aus ihrem offensiv gewendeten Rückzug zur extremsten Vereinseitigung ihrer Forderungen gelangt (u.a. Abschaffung des Schutzalters für Jugendliche, der Schulpflicht generell).

Die Kommunikationschancen, die der Marktplatz der Jugendhilfe für diese Segmente der Jugendkultur und Sozialarbeit bot, gingen in den Großveranstaltungen zu verschiedenen Problemlagen der Jugendarbeit (Kindererziehung, Jugendarbeitslosigkeit, Heimerziehung, offene Ju- gendarbeit, selbstverwaltete Jugendzentren usw.) wieder verloren. Dort prallten die Widersprüche mit aller Deutlichkeit aufeinander. Resignation und Nabelschau bei vielen Sozialarbeitern, Schwung aus einigen Projekten, die Radikalität einiger autonomer Gruppen, Steri- lität bei einigen Jugendorganisationen, dazu einige lokale Konflikte (Einführung des Jugendpolizisten in Köln), beherrschten die Szene. Weder gemeinsame politische Perspektiven oder Handlungsmöglichkei- ten, noch theoretische Verallgemeinerungen wurden entwickelt. Es wäre jedoch falsch, diese Entwicklung als "Entpolitisierung" zu geis- seln. Gemeinsame Handlungsgrundlagen und Perspektiven sind in Anbe- tracht der veränderten Situation, in der die ökonomische Krise, aber auch die Kultur der Jugendbewegung nachhaltige Spuren in den Alltag der Jugendlichen zeichnet, erst wiederzugewinnen.

Ein erster praktischer Schritt könnte möglicherweise die Umsetzung des Vorschlags sein, regionale Jugendhilfetage zu organisieren, die eine politisch-praktische Zusammenarbeit und eine tiefergehende Aus- einandersetzung mit und zwischen den unterschiedlichen Ausprägungen der Jugendkultur ermöglichen. Für Sozialisten, die in diesem Bereich arbeiten, wäre dies eine spannende politische Aufgabe. Sie kann dort produktiv werden, wo sie selber Teilanspruch ist und sich als sol- cher in die Auseinandersetzung mit anderen Interessen, Bedürfnissen und Handlungsformen hineinbegibt.Vielleicht könnten dann die für die Sozialarbeit besonders heiklen Widersprüchlichkeiten sowohl in der Ar- beit als auch in der eigenen Person wieder akzeptiert und damit ver- ändert werden. Damit könnte auch etwas gegen die vielbeschworene Ge- fahr berufsständischer Selbstbeschränkung in der Arbeitsfeldpraxis - mit eigenem Zugewinn an Erfahrung und Hoffnung - unternommen werden.

- 5] -

N

Stand des Lehrer- und Sozialarbeiterzentrums Köln zur Einführung des Jugendpolizisten in Köln und anderswo

ERKLÄRUNG DES JUGENDPOLITISCHEN FORUMS Treffen in Paderborn vom 20./21.Januar 1979

Ungefähr 30.000 Menschen - Kolleginnen und Kollegen aus den Arbeits- feldern der Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit, Jugendliche aus Wohn- kollektiven und Jugendzentren - nahmen am 6. Deutschen Jugendhilfe- tag im November 1978 in Köln teil. Schon durch die Zahl der Teilneh- mer unterschied sich dieser Jugendhilfetag von seinen Vorgängern. Erstmals nach 3 Jahren (der letzte Jugendhilfetag fand 1970 in Nürn- berg statt) hatten Sozialarbeiter, Erzieher und Jugendliche wieder die Möglichkeit, auf einem offiziellen Fachkongress ihre Unzufrie- denheit und ihre Kritik an den Arbeitsbedingungen im Jugendhilfebe- reich und an den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen zu formulieren - gesellschaftliche Verhältnisse, die immer mehr Jugend- liche in die Rolle von "Randständigen" drängen (als Arbeitslose bzw. gering Qualifizierte, die bei "Rationalisierungen" als erste aus den Betrieben fliegen; als “Auf fällige", die mit der bürgerlichen Rechts- und Eigentumsordnung in Konflikt geraten oder als Drogenkonsumenten, die keinen anderen Ausweg mehr wissen als die Flucht in die Sucht).

Die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ) als Veranstalter des Jugendhilfetages hat versucht, diese Unzufriedenheit und Kritik zu kanalisieren und ihr die politische Spitze abzubrechen. Die AGJ wollte mit ihren "moderierten" Podiumsdiskussionen zum einen verhindern,

daß Betroffene ihre Probleme selbst vortragen - hauptamtliche Stell- vertreter sollten ihnen diese Aufgabe "abnehmen". Und außerdem sollte die grundsätzliche Kritik an der gegenwärtigen Jugendpolitik auf die Diskussion von "kleinen Reform-Schritten" gelenkt werden (ohne die Frage aufzuwerfen, was der Durchsetzung wirklicher Veränderungen im Interesse der Kinder und Jugendlichen entgegensteht). Dieses Konzept konnte von der AGJ nicht voll durchgezogen werden, wie beispielsweise schon die Eröffnungsveranstaltung zeigte.

Bezeichnend ist, daß die AGJ während des Jugendhilfetags in Köln nicht in ihrer Gesamtheit als Dachorganisation der staatlichen und privaten Träger der Jugendhilfe in Erscheinung trat. Der Veranstal- ter AGJ wurde im wesentlichen von Funktionären sozialdemokratisch orientierter Verbände (Arbeiterwohlfahrt, Falken) vertreten. Diese Funktionäre versuchten den Eindruck zu erwecken, als handele es sich bei der AGJ um eine unabhängige und kritische Instanz der Jugendhilfe, die imstande Sei, gegenüber Staat und reaktionären Verbänden eigene Positionen zu entwickeln. Tatsächlich ging es den regierungsverbund- denen AGJ-Funktionären darum, die aufkommende Kritik vom sozialdemo- kratischen "Reformprogramm" abzuwenden und auf die konservativen bis reaktionären Kräfte in der Jugendhilfe (z.B. Caritas) sowie auf die CDU/CSU zu lenken.

Entgegen dem offiziellen Slogan des Jugendhilfetags, die "Alltagspro- bleme in den Mittelpunkt" zu stellen, demonstrierten der Veranstalter

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und andere Bürokraten ständig ihre Unfähigkeit, die wirklichen Pro-

bleme, wie sie von Kolleg(inn)en und Jugendlichen vorgetragen wurden,

überhaupt zu verstehen und sich darauf einzulassen. Der Jugendhilfe-

tag zeigte damit erneut die unüberbrückbare Kluft zwischen der Jugend-

hilfe-Bürokratie und dem politischen Management auf der einen Seite

und kritischen Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis und Jugend-

lichen andererseits.

Dieser Widerspruch ist bei der Behandlung des Jugendhilferechts am

deutlichsten zum Ausdruck gekommen. Die AGJ versuchte auf dem Jugend-

hilfetag, den Jugendhilfegesetz-Entwurf als in der Tendenz fortschritt-

lich anzubieten. Dieser Versuch stieß bei der überwältigenden Mehr-

heit der Anwesenden auf Ablehnung. Sie waren sich darüber im klaren,

daß dieser Gesetzentwurf in wesentlichen Teilen nichts anderes als

die Festschreibung und Legitimation - in wichtigen Bereichen sogar

eine Verschärfung - der bestehenden schlechten Praxis in der Jugend-

hilfe darstellt:

© Das wird besonders deutlich an der gesetzlichen Absicherung der geschlossenen Unterbringung in der Heimerziehung ( $ 46 Kabinetts- entwurf). Das Leben der Heimbewohner soll vollständig reglemen- tiert werden (das geht hin bis zur Postzensur - $ 48 KE).

® Polizeifunktionen sollen auf Sozialarbeiter übertragen werden (Durchsuchung von Wohnungen und Einrichtungen, um "bei unmittelba- rer Gefahr für Leib und Leben des Minderjährigen! diesen zu seinen Personensorgeberechtigten zurückzuführen - $ 69, Abs. 3).

© Die bisher schon bestehende Heimaufsicht soll auf alle Formen der außerfamilialen, selbstoranisierten Erziehung von Kindern und Ju- gendlichen ausgedehnt werden ( $ 63 KE). Wer in Zukunft z.B. eine Eltern-Kind-Gruppe aufbauen will, ohne eine offizielle "Betriebs- genehmigung' zu besitzen, kann bis zu einem Jahr Gefängnisstrafe verurteilt werden ($ 142 KE) !

® Das vom Beamten geforderte "besondere Treueverhältnis" zum Staat soll jetzt zur Richtschnur für die Anerkennung und Förderungswür- digkeit von freien Initiativen werden ($$ 95 und 102 KE).

® Über die Einführung der Jugendhilfeplanung, die sich jeweils über einen Zeitraum von 5 Jahren erstreckt, wird das verwaltungstech- nische Instrument geschaffen, um ein unmittelbares Reagieren frei- er Initiativen auf Konflikte und spezifische Bedürfnisse zu er- schweren. Wer seine Aktivitäten nicht auf 5 Jahre im voraus planen kann, hat in Zukunft kaum noch Chancen, gefördert zu werden.

Die Zusammenfassung dieser Kritik durch das Jugendpolitische Forum rief insbesondere bei den sozialdemokratischen Verbänden Empörung hervor. Demagogisch versuchten sie, diese Kritik auf eine Ebene mit der Kritik der reaktionären Verbände und der CDU/CSU an diesem Ge- setztentwurf zu stellen. Die regierungsverbundenen Funktionäre ver- suchten gerade mit der Kritik aus den Reihen der Reaktion zu bewei- sen, daß es sich doch um ein fortschrittliches Gesetz handeln müsse.

Die CDU/CSU wirft der Bundesregierung die Aushöhlung des Eltern- rechts vor. Tatsächlich gibt es im Gesetzentwurf keine einzige For- mulierung, die die Kinder und Jugendlichen als Subjekte mit wirk- lichen Rechten ausstattet. Die CDU/CSU kritisiert die Ersetzung des bestehenden Subsidiaritätsprinzips durch das Prinzip der Gleichrangig- keit von Staat und freien Trägern. In Wirklichkeit wird durch die Einführung der Jugendhilfeplanung das Kartell der Wohlfahrtskonzerne gestärkt und die Stellung der freien Initiativen entscheidend ge-

schwächt.

= Sh =

Es geht uns in dieser Erklärung nicht darum, die AGJ zu kritisieren. Auch unser eigenes Auftreten auf dem Jugendhilfetag muß einer Kritik unterzogen werden. Das Jugendpolitische Forum ist ein Zusammenschluß von Kolleginnen und Kollegen an der Basis, aus den Praxisbereichen der Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit. Als Teil der auf dem Jugend- hilfetag anwesenden kritischen Fachöffentlichkeit ist es uns aber nicht in genügender Weise gelungen, die deutlich gewordene Sensibi- lität vieler Kolleginnen und Kollegen für die Mißstände und Fehler im System der Jugendhilfe und im gesellschaftlichen System unseres Landes aufzunehmen. Unsere Schwierigkeiten wurden bei den Großver- anstaltungen zur Heimerziehung und zur Offenen Jugendarbeit besonders deutlich. Diese Veranstaltungen waren zwar ein demonstrativer poli- tischer Erfolg gegenüber der herrschenden Jugendhilfepraxis und de- ren Verantwortlichen, zeigten aber noch keinen Weg auf, wie die Ver- einzelung und Resignation vieler Kolleginnen und Kollegen überwunden werden kann. Wir hatten auch Probleme im Umgang mit Jugendlichen und den radikalen Formen der von ihnen geäußerten Kritik. Es zeigte sich, daß auch wir linke Sozialarbeiter und Erzieher in bestimmter Weise berufsborniert auf die Interessen von Jugendlichen reagieren. Die Klammer zwischen ihnen und uns war die Kritik an der herrschenden Jugendhilfepraxis. Wie aber der Kampf gemeinsam geführt werden kann, ist uns in vielen Punkten noch nicht klar. Diese Frage muß gemeinsam mit den Jugendlichen offen diskutiert werden.

Bezeichnend für den Veranstalter des Jugendhilfetags ist, in welcher demagogischen Art er gegenüber der Öffentlichkeit versucht hat, das Verhältnis des Jugendpolitischen Forums zu den Jugendlichen und zur Masse der Kolleginnen und Kollegen als ein manipulatives darzustellen. Für die Bürokraten ist es undenkbar, daß die Betroffenen ihre Inte- ressen selbst formulieren und sich darüber auseinandersetzen, weil sie selbst nur ein instrumentelles Verhältnis zur Basis haben.

Das Jugendpolitische Forum hat aus den Erfahrungen des Jugendhilfe-

tags Konsequenzen gezogen:

® Die überregionale Zusammenarbeit der kritischen Kolleginnen und Kollegen in den Praxisfeldern der Kinder-, Jugend- und Sozialar- beit wird weitergeführt. Die Zahl der in den Gruppen des Jugend- politischen Forums mitarbeitenden Kolleginnen und Kollegen hat sich seit dem Jugendhilfetag schon wesentlich vergrößert.

® Die auf dem Jugendhilfetag deutlich gewordenen zentralen jugendpo- litischen Konflikte wie das neue Jugendhilferecht, die zunehmende polizeiliche Überwachung und Kriminalisierung von Jugendlichen (Stichwort: Jugendpolizei), die Situation in den Erziehungsheimen werden vom Jugendpolitischen Forum aufgenommen und weiter disku- tiert. Daneben wollen wir auch auf die Frage nach den Bedingungen fortschrittlicher Arbeit in bürgerlichen Jugendhilfeinstitutionen und die Frage der Gewerkschaftsarbeit eingehen, Zu diesem Zweck wer- den überregionale Arbeitswochenenden zu allen Themenbereichen statt- finden. Die Vorbereitung dieser Treffen läuft in örtlichen oder regionalen Gruppen. Es können aber auch Kolleginnen und Kollegen teilnehmen, die nicht in solchen Gruppen mitarbeiten.

@ Bisher stehen zwei Arbeitswochenenden fest: 24./25. März in Hamburg - Thema: Jugendhilferecht; Anmeldung an: Kinderhaus, Heinrichstr. 14a, 2 Hamburg 50; Telf.040/433949

9./lo. Juni in Darmstadt - Thema: Sozialarbeit und Gewerkschafts- arbeit

(Die am 20./21. Januar 1979 in Paderborn anwesenden Kolleginnen und Kollegen des Jugendpolitischen Forums haben eine Westberliner Redak- tionsgruppe beauftragt, diese Erklärung auszuarbeiten.)

direkt von den Be. kr Und Betei ligten . ofenen

jeden Monat ın der

HEZ

HEZ - Zeitung von und für Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen Urbanstr. 126 (Laden) 1000 Berlin 61

Telf. 030/ 69 18311

Ermäßigt: DM 24,-- (12,--)

ZAHLUNG DURCH ÜBERWEISUNG an: L. Erfurth, PSCHA Bln-W Sonderkto. Z Kto. Nr. 720 65 - 102

Schwerpunkte: März: SONDERPROJEKTE April: FAMILIENHILFE

Ein Kollege aus Westfalen

DIE WESTFÄLISCHE HEIMERZIEHUNG PROBT IN DORSTEN DAS KORSETTSTANGENSYSTEM

Gerrit Homanner, Diplompädagoge und Heimleiter, übernahme am 1.1.77 offiziell die Leitung des Westfälischen Jugendheimes in Dorsten; vor- her war erlängere Zeit Heimleiter des Westfälischen Mädchenheimes

in Tecklenburg. Bei seiner Amtsübernahme orakelte sein Landesjugen- amtschef Dr. Happe: "Seine Aufbauarbeit in Tecklenburg dürften ihn auch für die neuen Aufgaben in besonderer Weise prädestinieren."

Homanner will seine Heimerziehung therapeutisch orientieren, er will seinen Jugendlichen ein zeitliches Korsett anlegen, dessen Stangen nach und nach entfernt werden. "Wobei jeder Jugendliche ein unter- schiedlich starkes Korsett benötigt," - so seine Erkenntnis in ei- nem Gespräch mit seinen Mitarbeitern anläßlich seiner Amtseinführung.

In der Tat, Gerrit Homanner hat Erfahrungen mit den Korsettstangen der Heimerziehung. Denn für manche der ihm durch Verwaltungsakte zugeführten Jugendlichen sind diese Korsettstangen recht massiv. Be- reits im November 1975 konnte er im '"Sonnenwinkel' (West. Mädchen- heim in Tecklenburg) seine Erfahrungen mit einer geschlossenen Thera- piegruppe Vertretern der Jugendämter berichten: "Unser Heim verfügt über zwei therapeutisch geschlossene Gruppen. Jede dieser Gruppen erhält eine Gruppentür, die auch massiven Einwirkungen standhält. Sämtliche Fenster sind durch Kettchen so gesichert, daß sie nur etwa 30 cm geöffnet werden können. Jede zerstörte Scheibe wird duch Plexiglas ersetzt (natürlich sind auch ganz andere technische Lö- sungen denkbar). Alle Aktivitäten der Gruppe können, zumindest wenn nötig, unter solch gesicherten Bedingungen stattfinden." Dieser Art von Heimerziehung legte er dann eine Aufenthaltsdauer von 9 bis 18 Monaten zugrunde, wobei Ausgang als Lernschritt in dieser 'Therapie' klassifiziert ab und an möglich war, jedoch streng gemessen durch ein PunktesystemUnabhängig von diesem Ausgang blieb die Gruppentür ständig geschlossen. Der Korrektur des Arbeitsverhaltens rühmte er die absolute Voraussetzung für die Hoffnung auf gesellschaftliche Integration ein. Die Mittel setzt er nicht zimperlich ein: "Jede Gruppe hat einen eigenen Arbeitsbereich, in dem 7 Mädchen mit leich- ten Montagearbeiten (Zusammensetzen von Wäscheklammern, Gardinen- feststellern oder Fahrradschlössern) unter Aufsicht einer Erziehe- rin beschäftigt sind..." Zwischen allen gebräuchlichen Therapiemodel-

len und der von ihm geleisteten Arbeit sah er eine erhebliche Diffe- renz.

Die "Kommission Heimerziehung' urteilte im Dezember 1977: "Die An- wendung von Freiheitsentzug ist permanente Gewalt und kann als päda- gogische Kapitulation betrachtet werden. Das Problem, wie Therapie als eine Zwangsmaßnahme wirksam werden kann, ist bisher ungelöst, ebenso das Problem der Überleitung von Jugendlichen aus der abge-

- 57 -

schlossenen Situation in die Freiheit."

Gerrit Homanner urteilt jedoch anders: "Im Zusammenhang mit dem 'Kor- settstangengleichnis' will ich nicht verhehlen, daß es Jugendliche gibt, für die der therapeutische Prozeß nur unter geschlossenen Be- dingungen eingeleitet werden kann. Aus diesem Grunde sollen die Ju- gendlichen hier auch nur vormittags arbeiten, damit nachmittags ne- ben den psychodynamischen Übungen auch Reiten, Werken und Sport

als therapeutische Elemente berücksichtigt werden können."

In Dorsten-Holsterhausen betreut Gerrit Homanner nach wie vor Jugend- liche, die in mit Glasbausteinen erziehungs-schnittig ausgerüsteten geschlossenen Gruppen ihr Dasein fristen und auf "Integration' hof- fen. "Ne, hier hat noch nie ein therapeutisches Pferd gewiehert', sagte jüngst ein Betroffener. "Was soll der Unsinn mit den Korsett- stangen, für mich sind das einwandfrei Knaststangen. Und die müssen weg."

Verwandte Quellen:

e Protokollnotizen über Gespräche mit Betroffenen, Dezember 1978, 1%. M,.

e Zwischenbericht Kommission Heimerziehung )mehrere Autoren): Heimerziehung und Alternativen, Frankfurt 1977, S. 182

e Homanner, Gerrit: Vorläufige Erfahrungen mit einer geschlossen Therapiegruppe, in: Mitteilungen des Landesjugendamtes Westfalen- Lippe, Nr. 36, S. 84 f£.

e Homanner, Gerrit: Rede anläßlich der Einführung als Heimleiter des Westfälischen Jugendheims Dorsten, in: wie vor, Nr. 41, 5.79 ff

e Happe, Günter: Personalien aus der westfälischen Heimerziehung, in: wie vor, Nr. 39, S. 86

PROBLEME BEI ARBEITSBESCHAFFUNGSMASSNAHMEN ERFAHRUNGSAUSTAUSCH ORGANISIEREN

Seit einiger Zeit werden insbes. im Sozialbereich Sozialarbeiter und andere pädagogische Fachkräfte lediglich mit Zeitverträgen über Ar- beitsbeschaffungsmaßnahmen angestellt.

Die Erfahrungen, die dabei gemacht werden,sind unterschiedlich. Für eine Reihe von Projekten ergaben sich Möglichkeiten über diese Finanzierung zusätzliche Stellen zu schaffen, bzw. Projekte wer- haupt erst in Gang zu setzen. Für die Mehrzahl der ABM/ler bedeu-

tete dies aber, daß sie gezwungen waren schlechtere Arbeitsbedin- gungen anzunehmen. Für nur befristet Beschäftigte werden lediglich behelfsmäßige Arbeitsbedingungen eingerichtet.

Unser Ziel ist es,die bisherigen Erfahrungen einmal aufzuarbeiten, einen Erfahrungsaustausch unter den ABM/lern herzustellen und zu überlegen, welche gewerkschaftlichen und politischen Forderungen aufgestellt werden müssen.

Wer Interesse an einem solchen Erfahrungsaustausch hat, schreibe an das Arbeitsfeld Sozialarbeit im Sozialistischen Büro, Postfach 591 605 Offenbach 4

Arbeitsgruppe der Intern. Gesellschaft für Heimerziehung

INDIKATIONEN FÜR GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG VON KINDERN UND JUGENDLICHEN

Bericht einer Arbeitsgruppe der Internationalen Gesellschaft für Heimerziehung (IGfA) über den Versuch, eine empirische Untersuchung zu einem brisanten Thema durchzuführen.

l. EINLEITUNG

Die Arbeitsgruppe bildete sich am 30.11.1977 anläßlich der IG£fH-Ta-

gung zum Thema "Abgeschlossene Unterbringung von Kindern und Jugend-

lichen in Einrichtungen der Jugendhilfe" in Königstein, sie wurde

durch Beschluß der Tagungsteilnehmer sowie vom IGfH-Vorstand mit der

Durchführung einer Untersuchung zu "Indikationen für geschlossene

Unterbringung von Kindern und Jugendlichen" beauftragt. Die Arbeits-

gruppe ging nach dem Verlauf der Tagung davon aus,

© daß ein bestimmter Personenkreis von Kindern äußerst beschwerlich außerhalb der Herkunftsfamilie und in den Einrichtungen der Ju- gendhilfe untergebracht werden kann,

® daß aus dieser Not heraus eine "sichere" Unterbringungsmöglich- keit wie z.B. Geschlossene Unterbringung (GU) für erforderlich ge- halten wird,

© daß die IGfH sich aufgefordert sieht, für gerade diese Kinder an- dere Möglichkeiten als GU aufzuzeigen.

Der Status einer Arbeitsgruppe wurde von einigen Trägern der Jugend- hilfe, die als Kooperationspartner für die Durchführung der Untersu- chung angesprochen worden waren, als unklar und problematisch ange- sehen. Von diesen wurden Anforderungen gestellt, die auf eine Ver- kleinerung der AG abzielten. Außerdem sollten möglichst nur Perso- nen in der AG vertreten sein, die durch anerkannte Institutionen le- gitimiert sind. Diesen Forderungen wurde durch die Bildung einer - verkleinerten - Kommission Rechnung getragen. ; Trotzdem wurde die für die Durchführung der Untersuchung erforderlı- che Einsichtnahme in Akten schließlich verweigert. Begründet wurde die Verweigerung unter Hinweis auf Bestimmungen des Datenschutzes, eine vermeintliche Paralleluntersuchung durch den AFET sowie auf die Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter. Am 3.5.1978 mußte die Kommission ihr Vorhaben als vorläufig geschel- tert erklären.

In Absprache mit dem Vorstand der IGfH fand am 3.9.1978 eine letzte Sitzung der Arbeitsgruppe statt, in der der Verlauf der bisherigen Bemühungen dokumentiert und der Besorgnis über die zunehmende Ein- schränkung der Forschungsfreiheit auf dem Gebiet der Sozialarbeit Ausdruck verliehen wurde. Gleichzeitig wurde der Bericht der Kom- mission vom Mai 1978 verabschiedet.

- 59 -

Die Arbeitsgruppe begrüßt, daß es der Kommission trotz aller Widrig- keiten gelungen ist, einen Bericht zu verfassen, durch den die ver- schiedenen Behauptungen zur geschlossenen Unterbringung einer vor- läufigen Überprüfung unterzogen werden. Die gesammelten Erfahrungen scheinen viele Argumente von Befürwortern geschlossener Unterbrin- gung zu widerlegen (z.B. die Behauptung einer einheitlichen Anwen- dung oder die der Besonderheit der Maßnahme). Nach einhelliger Mei- nung der Arbeitsgruppe bestätigt der Bericht viele der Befürchtungen, die von Kritikern der geschlossenen Unterbringung seit langem vorge- bracht werden.

Die im Komissionsbericht wiedergegebenen Erfahrungen sind auf der Grundlage einer kleinen unsystematischen Stichprobe zustande gekom- men und daher in ihrer Beweiskraft beschränkt. Sie werden von der Arbeitsgruppe als "praxisnähere Hypothesen" verstanden, die weiterer Überprüfung bedürfen. Die gemachten Erfahrungen unterstreichen die Auffassung der Arbeitsgruppe, daß eine umfassende Untersuchung der Entscheidungs- und Vermittlungspraxis bezüglich geschlossener Unter- bringung dringend erforderlich ist. Die Arbeitsgruppe fordert den Vorstand der IGfH auf, seine dahingehenden Bemühungen fortzusetzen.

2. DOKUMENTATION DES VERSUCHS, EINE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG ZUM THEMA “GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG” DURCHZUFÜHREN

EREE EEEE EEES AE DONI EE SEEE EED 2.1 Gründung und Auftrag der Arbeitsgruppe Eee A usa ei

Bei der IG£H-Fachtagung "Abgeschlossene Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendhilfe" vom 28.-30.11.77 beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe mit der Frage der Indikation für geschlossene Unterbringung.

Die Diskussion zeigte, daß in der Behandlung dieser Frage - ein zen- traler Punkt der Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Kri- tikern von geschlossener Unterbringung - nur eine empirische Unter- suchung über die gegenwärtige Einweisungspraxis in geschlossene Heime/Gruppen und mögliche alternative Unterbringungsarten Klärung bringen kann. Deshalb schlug die Arbeitsgruppe den Tagungsteilneh- mern vor, durch die IGfH eine solche Untersuchung durchführen zu lassen. Die Arbeitsgruppe wurde mit diesem Vorhaben beauftragt.

Das INSTITUT FÜR SOZIALARBEIT UND SOZIALPÄDAGOGIK (ISS) erklärte sich zur wissenschaftlichen Begleitung des Projekts bereit.

2.2 Vorbereitung der Untersuchung

Die AG entwickelte für die Untersuchung folgende Konzeption:

Durch Aktenanalyse und Interviews mit den zuständigen Sozialarbei- tern bei

- Entsendestellen (Landesjugendämter, -wohlfahrtsverbände)

- geschlossenen Heimen bzw . Heimen mit geschlossenen Gruppen

- "Alternativeinrichtungen", insbesondere Kleinstheimen

sollte zum einen geprüft werden, bei welchen Kindern und Jugendli- chen gegenwärtig geschlossene Unterbringung gefordert und prakti-

- 60 -

ziert wird; zum anderen, ob in "Alternativen" Kinder und Jugendliche betreut werden, die ursprünglich für geschlossene Unterbringung vorgeschlagen waren, bzw. die gleichen Merkmale wie diese Gruppe aufweisen.

Als repräsentative Stichprobe, die endgültig jedoch erst nach Been- digung der Vorbereitungsphase festgelegt werden sollte (konnte), waren 60-80 Akten aus verschiedenen Bundesländern vorgesehen.

Die weiteren Arbeitsschritte werden nun in chronologischer Abfolge dargestellt:

Die ersten 3 AG-Treffen finden im Zeitraum vom 14.1. bis 30.3.78 statt:

1. AG-Treffen

® Die AG bemüht sich, durch informelle Kontaktaufnahme Institutionen

zu finden, in denen die Untersuchung durchgeführt werden kann. An- fragen sind vorgesehen in:

- 9 Entsendestellen

- 4 Heimen mit geschlossenen Gruppen

- ca. 10 Einrichtungen, die "Alternativen zur Geschlossenen Unter- bringung' darstellen könnten.

- Drei AG-Mitglieder beginnen mit der Erarbeitung des Erhebungsbo- gens für die Aktenanalyse, sowie der Ausarbeitung eines Inter- viewsleitfadens

- Die AG wendet sich an den IGfH-Vorstand zwecks Finanzierung der AG-Treffen und des Projekts.

~N

AG-Treffen © Ihre vorläufige Zusage zur Mitarbeit an der Untersuchung geben: - 5 Entsendestellen - 2 Heime - ] "Alternativeinrichtung"; ® 1 Heim gibt seine endgültige Zusage zur Mitarbeit an der Untersu- chung.

Zur Offiziellen Kontaktaufnahme entwirft die AG ein "[egitimations-

schreiben"; dieses wird Mitte März zusammen mit einem Frageraster

zur Bestandsaufnahme der vorhandenen Akten von der IGfH an die in-

frage kommenden Institutionen versandt.

® Die AG entwirft einen Arbeitsplan: Die Vorbereitung der Untersuchung, die Entwicklung der Untersu” chungsinstrumente und die Auswahl der Stichprobe sollen bis Ende März 78 abgeschlossen sein. Für die Erhebung in Heimen und Entsen- destellten sind die Monate April, Mai, Juni vorgesehen; die - vor- läufigen - Ergebnisse sollen dann der AG vorgestellt werden. Im Juli und August soll eine quantitative Auswertung der Ergebnisse der ersten Erhebung und die Erhebung in den "Alternativeinrich- l tungen" stattfinden. September und Oktober sind für die qualitative Auswertung der beiden Untersuchungsteile und die Abfassung des Un- tersuchungsberichts vorgesehen. Die Durchführung der Untersuchung übernehmen "hauptamtlich" zwei AG-Mitglieder, Diplomanden an der Universität Tübingen unter Be- treuung von Prof. Dr. H. Thiersch. Vier weitere AG-Mitrlieder, darunter zwei Mitarbeiter des ISS, be-

teiligen sich an dieser Arbeit. Die AG ist weiterhin Träger der Untersuchung.

- 6] -

® Die Arbeit am Erhebungsbogen wird von dieser Gruppe mit Unter- stützung durch andere AG-Mitglieder fortgesetzt. Zur Überprüfung des Erhebungsbogens kann ein Teil des Probelaufs in einem Heim durchgeführt werden. Eine Entsendestelle zieht ihre Zusage zur Teilnahme am Probelauf wieder zurück. Begründung: Die Trägerschaft der Untersuchung durch eine Arbeitsgruppe mache eg fraglich, ob der notwendige Datenschutz gewährleistet werden kön- ne. - Diese Zweifel können auch durch Schweigepflichterklärungen von ~ z.T. beamteten - AG-Mitgliedern nicht ausgeräumt werden. Dies widerspricht den bisherigen Konventionen der Forschungspraxis, nach denen Schweigepflichterklärungen zur Sicherung des Daten- schutzes ausreichend sind.

® Zur Finanzierung der Untersuchung soll nach Absprache mit dem IGfH- Vorstand ein Projektantrag an die Robert-Bosch-Stiftung, Stuttgart, gestellt werden. Am 24.2.78 legt die AG dem Vorstand einen Entwurf des Projektan- trags vor. Dieser geht überarbeitet am 6.4.78 an die Bosch-Stif-

tung.

3. AG-Treffen ® Eine Entsendestelle gibt eine endgültige Zusage; drei weitere Ent-

sendestellen erklären ihre Zustimmung zur Durchführung des Probe- laufs der Untersuchungsinstrumente. Endgültige Zusagen liegen wei- ter vor von einem Heim und drei "Alternativen". Die AG bemüht sich um Gewinnung weiterer Kooperationspartner.

® Aufgrund der Vorbehalte einer Entsendestelle (s.o.: AG als Träger der Untersuchung) setzt die AG eine Kommission ein; die wissenschaft- liche Begleitung übernehmen Prof. Dr. H. Thiersch, Universität Tü- bingen und das ISS Frankfurt. Dadurch wird die AG weitgehend von der Mitarbeit an der Untersu- chung ausgeschlossen.

® Die inhaltliche Vorbereitung der Untersuchung wird fortgesetzt: - endgültige Festlegung des Untersuchungsplans mit dem IGfH-Vor-

stand;

- Weiterarbeit am Erhebungsbogen; - Weiterarbeit an der Hypothesenformulierung; - Verfeinerung der Kriterien für die Auswahl der Stichprobe.

® Aufgrund der bisherigen Verzögerungen (verzögerte Rückmeldungen aus den angefragten Institutionen, Bedenken gegen die AG, Bil- dung der Kommission und damit Behinderung des Probelaufs) muß der Zeitplan um ca. einen Monat verschoben werden.

2.3 Scheitern der Untersuchung

Vor der Schilderung des weiteren Verlaufs fassen wir das Ergebnis unserer Bemühungen um kooperationsbereite Institutionen noch einmal zusammen:

Vorläufige Zusagen gaben:

4 Entsendestellen

l Heim mit geschlossenen Gruppen

l "Alternativeinrichtung".

Endgültige Zusagen gaben:

l Entsendestelle

2 Heime

4 "Alternativeinrichtungen".

- 62 -=

Zur Durchführung des Probelaufs waren 4 Entsendestellen und 3 Heime bereit. ® Nach dem 3. AG-Treffen werden wegen der ungewissen Mitarbeit eini- ger bislang bereiter Institutionen weitere Kontakte zu möglichen Kooperationspartnern aufgenommen: 4 Entsendestellen L Heim 9 "Alternativen".

Parallel dazu bemüht sich die Kommission, von Entsendestellen, die

bereits ihre prinzipielle Bereitschaft zur Mitarbeit erklärten,

Termine für die Durchführung eines weiteren Probelaufs zu erhalten:

a) Eine Entsendestelle gibt daraufhin Ende März ihre Zusage für die Durchführung eines Probelaufs, macht bald darauf jedoch eine entscheidende Einschränkung: Akteneinsicht könne nicht gewährt werden. Der Probelauf findet trotz dieser erschwerten Bedingungen statt.

b) Eine weitere Entsendestelle gibt ebenfalls ihre Zusage. Als Ter- min für den Probelauf wird zunächst der 19.4., dann der 26.4.78 vereinbart. Die Zusage wird jedoch anschließend wieder zurück- genommen.

Die Kommission nimmt Kontakt zu anderen, bisher noch nicht ange-

sprochenen Entsendestellen auf. In einer dieser Institutionen kann

daraufhin ein Probelauf am 25./26.4.78 durchgeführt werden.

Am 2./3.5.78 trifft sich die Kommission mit dem Ziel der endgül-

tigen Festlegung der Stichprobe und des Erhebungsbogens. Diese

Arbeit kann jedoch nicht durchgeführt werden:

- 3 Entsendestellen, die bereits vorläufige Zusagen gegeben hatten, ziehen sich von der weiteren Mitarbeit an der Untersuchung zu- rück.

Begründungen: Arbeitsüberlastung, Durchführung einer Untersuchung zum gleichen Thema durch den AFET.

Die Mitarbeit einer weiteren Entsendestelle ist äußerst frag- lich: Obwohl Mitglieder der Kommission bereits in mehreren Ge- sprächen die Vertreter dieser Jugendbehörde über das Projekt informiert haben, wird die Entscheidung von der Vorlage eines end- gültigen Untersuchungsplans abhängig gemacht. Dieser setzt jedoch aus methodischen Gründen einen Probelauf voraus, der von dersel- ben Behörde mit der gleichen Begründung verweigert wurde. Eine Entsendestelle ist nur dann zur Mitarbeit bereit, wenn die Untersuchung ohne Akteneinsicht durchgeführt wird.

Eine (halbwegs sichere) Bereitschaft zur Mitarbeit besteht nur noch bei einer Entsendestelle und zwei Heimen.

Da auf dieser Grundlage die Auswahl einer repräsentativen Stich-

probe nicht erfolgen kann, erklärt die Kommission die Untersuchung für vorläufig undurchführbar.

Am 18.5.78 lehnt die Bosch-Stiftung die Finanzierung des Projekts ab.

Damit entfällt auch die Möglichkeit, im geplanten Zeitraum (bis Oktober 1978) eine Untersuchung auf der Grundlage eines alterna- tiven Forschungsdesigns durchzuführen.

Die Kommission beschließ daher, die im Probelauf erfaßten Informa- tionen auszuwerten und auf dieser Grundlage ein Hypothesenpapier abzufassen. Dieses wird der Arbeitsgruppe am 3./4.9.78 zur Stel-

- 63 -

lungnahme vorgelegt. Die Arbeitsgruppe verabschiedet das Papier einstimmig und beschließt, es zusammen mit der hier vorgelegten Dokumentation auf der 3. IGfH-Tagung zum Thema "Abgeschlossene Un- terbringung von Kindern und Jugendlichen" vorzustellen und zu ver-

öffentlichen.

3. INDIKATIONSSTELLUNG UND ENTSCHEIDUNGSPRAXIS BEI DER GESCHLOSSENEN UNTERBRINGUNG VON KINDERN UND JUGENDLICHEN

Meinungen, Erfahrungen, Hypothesen, zusammengestellt von den Mitglie- dern der Kommission "Indikationen für geschlossene Unterbringung von Kindern und Jugendlichen" der Internationalen Gesellschaft für

Heimerziehung (IG£fH).

Kommissionsmitglieder waren:

Dr. Vera Birtsch, Frankfurt; Erika Diekmann, Tübingen; Egon Halbleib, Frankfurt; Barbara Kubale, Marburg; Heidrun Metzler, Tübingen; Irm- gard Piorkowski-Wühr, Heppenheim; Prof. Dr. Hans Thiersch, Tübingen. (Redaktion: Egon Halbleib und Dr. Vera Birtsch,ISS Frankfurt).

3.1 Vorbemerkung

Der Auftrag der Arbeitsgruppe lag in der Beschreibung der Zielgruppe, die gegenwärtig von Jugendämtern und Heimen für geschlossene Unter- bringung vorgeschlagen wird. Sie sollte ferner die gegenwärtige Ent- scheidungs- und Vermittlungspraxis in geschlossene Heime/Abteilungen untersuchen und die inhaltlichen Erwartungen der Entscheidungsträger an diese besondere Form der Heimerziehung erfassen.

Darüber hinaus sollte festgestellt werden, ob für die im ersten Un- tersuchungsteil definierte Zielgruppe gegenwärtig andere Jugendhilfe- formen angeboten werden oder realisierbar sind, deren verstärkte An- wendung geschlossene Unterbringung im Einzelfall oder generell ver- meidbar macht.

Ausgangspunkt der angestrebten Untersuchung waren die Diskussionen

in der Fachöffentlichkeit über die Notwendigkeit einer Wiedereinfüh- rung/Neugestaltung/Legitimation geschlossener Heime und über deren pädagogisch-therapeutische Möglichkeiten. In diesen Diskussionen wurden von Befürwortern geschlossener Unterbringung unter Berufung auf die Defizite gegenwärtiger Jugendhilfe (besonders im Bereich

der offenen Jugendhilfe) positive Erwartungen an die Wiedereinfüh- rung geschlossener Unterbringung geäußert. So wurde von einigen Be- fürwortern geäußert, daß geschlossene Unterbringung mit neu zu de- finierenden Inhalten eine vertretbare und wirkungsvolle Maßnahme auf dem Wege zur Verselbständigung und Sozialisierung von "einer kleinen Gruppe von Jugendlichen" sei, die als "besonders gefährdet" und "be- sonders schwierig" gekennzeichnet wird. Alle vorhandenen oder gegen- wärtig realisierbaren Alternativen seien bei dieser Gruppe von Ju- gendlichen erschöpft.

Im folgenden sind die Erwartungen der Befürworter thesenartig wieder- gegeben, soweit sie uns bekannt und erinnerlich sind.

= 64 =

3.2 Erwartungen und Hypothesen von Befürwortern geschlossener Unterbringung

Im folgenden werden die einzelnen Erwartungen und Hypothesen als

eigene Gliederungspunkte dargestellt und teilweise in einzelnen Un- terpunkten konkretisiert.

3.2.1 Anwendung von geschlossener Unterbringung (GU)

Geschlossene Unterbringung wird nur als Ultima ratio angewendet, und zwar dann,

l. wenn alle anderen Erziehungsmaßnahmen vorrangig ausgeschöpft sind 2. wenn Jugendliche in eine andere Erziehungsmaßnahme nicht mehr

vermittelt werden können 3. wenn durch mehrfaches Entweichen (und während des Entweichens) Jugendliche in besonderer Gefahr sind, in die Kriminalität abzu- gleiten wenn durch die GU die Unterbringung im Strafvollzug (insbesondere der U-Haft) abgewendet werden kann 5. wenn begründete Erwartung besteht, daß sich besonders gefährdete Jugendliche in der Anfangsphase von Heimerziehung bei geringfü- gigen Belastungen ständig durch Entweichen entziehen wenn die notwendige Kontinuität der Erziehung bei diesen Jugend- lichen nur durch GU gewährleistet werden kann.

bh.

6.

3.2.2 Fehlentwicklungen

GU wird nur angewendet, wenn besonders schwerwiegende Fehlentwick- lungen eines Jugendlichen vorliegen, etwa durch:

- schwer gestörte Persönlichkeitsentwicklung

stark abweichende Verhaltensweisen, insbesondere Streunen im Zu- sammenhang mit massiver Aggressivität, schwerer sexueller Verwahr- losung und/oder massiven und kontinuierlichen Eigentumsdelikten.

3.2.3 Besonderheit der Maßnahme (Sicherung gegen Mißbrauch)

GU ist eine besondere Maßnahme der Heinerziehung, deren Problematik allen Beteiligten bewußt ist. Die damit verbundenen Grundrechtsein- schränkungen und pädagogischen Risiken werden vor der GU sorgfäl- tig gegen die angezielten Möglichkeiten abgewogen.

3.2.4 Einheitlichkeit der Anwendung

Die Vorstellungen, wann GU erforderlich ist (Indikation), sind bei den Verantwortlichen im gesamten Bundesgebiet weitgehend überein- stimmend; es gibt eine einheitliche Definition der Zielgruppe.

3.2.5 Inhaltliche Erwartungen an die geschlossene Unterbringung nr Be E N A

(1) In der GU können schwergeschädigte Jugendliche dazu angehalten werden, Bindungen einzugehen, die einen erfolgreichen Erziehungsprozeß ermöglichen.

(2) In GU können Jugendliche Verhaltensweisen und Haltungen erwerben,

die ihnen ein befriedigendes, selbständiges und sozial angepaßtes Leben nach der Heimerziehung ermöglichen.

- 65 -

3.2.6 Vollzug der geschlossenen Unterbringung

(1) Durch ein Stufensystem zunehmender Freizügigkeit (in der glei- chen Einrichtung oder durch Verlegung) können die Gefahren von Fehlsozialisation und Grundrechtsvernachlässigung vermieden werden. (2) Durch intensive Betreuung und großzügige Ausstattung können die Freiheitseinschränkungen (Gitter, Ausgangsbeschränkungen, isolierte Lage, etc.) unmerklich gemacht werden. Sie stellen keine prinzipiel- le Einengung der pädagogischen Möglichkeiten dar.

(3) Die Gefahren des besonderen Ausgeliefertseins an die Erzieher können durch die Auswahl besonders hochqualifizierter Erzieher und

durch Supervision vermieden werden. 3.2.7 Dauer von geschlossener Unterbringung KT

Es wird sichergestellt und von allen Beteiligten mit besonderer Auf- merksamkeit verfolgt, daß die Dauer der GU streng begrenzt ist

(2 Monate bis 1/2 Jahr).

3.2.8 Anzahl von GU-Heimplätzen

Die momentan und künftig vorhandene Zielgruppe ist relativ klein; infolge dessen wird nur eine sehr begrenzte Zahl von GU-Plätzen be- nötigt (je nach Bundesland zwischen 10 und 30 Plätzen). Die Zahl

der vorhandenen GU-Plätze liegt unter diesen Bedarfsangaben.

Die obengenannten Behauptungen zur geschlossenen Unterbringung be- ziehen sich sowohl auf die gegenwärtig geübte Praxis als auch auf die geplanten Erweiterungen und Neukonzeptionen geschlossener Unterbrin- gung. Daraus ergeben sich eine Vielzahl von Fragen, deren empiri- scher Überprüfung es bedarf. In den Diskussionen um geschlossene Unterbringung wurde die Überprüfung dieser Annahmen sowohl von den Befürwortern wie von den Gegnern geschlossener Unterbringung für dringend notwendig erachtet. Unterschiedliche Auffassung bestand jedoch in der Frage, welche Teilprobleme des genannten Komplexes einer vorrangigen Überprüfung bedürften. Bei dieser Prioritäten- setzung unterschieden sich Befürworter und Gegner geschlossener Heim- erziehung deutlich.

Befürworter plädieren auf dem Hintergrund ihrer zunehmend größer wer- denden Probleme bei der Unterbringung und pädagogischen Betreuung

von "besonders schwierigen" Jugendlichen für die Einrichtung einer streng kontrollierten Erprobungsphase mit geschlossener Interbrin- gung. In dieser sollen bei großzügigem Einsatz personeller und fi- nanzieller Mittel die pädagogisch-therapeutischen Möglichkeiten mit dieser Erziehungsform und mit dieser Gruppe von Jugendlichen ausge- lotet werden. Die damit einhergehenden Grundreehtseinschränkungen werden in Abwägung mit den Gefährdungen dieser Gruppe in offener Unterbringung als vertretbar eingeschätzt. Befürworter halten wirk- same Soztalisationsmöglichkeiten auch unter Einsehränkung des Fret- heits- und Erfahrungsraums im geschlossenen Heim für realisierbar. Ste vertrauen darauf, daß die Einweisungspraxis der Jugendämter etne vorerilige oder gar mißbräuchliche Anwendung dieses "letzten

Mittels der Jugendhilfe" ausschließt.

eln den Wert einer vor-

Gegner geschlossener Interbringung bezwei ener Unterbringung. Ste

rangıgen Erprobung neuer Formen gesehlos

2 5

- 66 -

sehen diese als ethisch nicht vertretbar und aus erziehungswissen- sehaftlicher Sieht als unwirksam im Hinblick auf den gesetzten Er- stiehungsauftrag an. Gegi schlos

eschlossener Unterbringung befürchten, daß die kinscehränkun ngen d Pr ;

er Freizügigkeit unüberwindbare negative Folgen für die strukturellen Bedingungen des Heime hervorrufen (z.B. sehleiehende Veränderung des Erstehungsver "s aine in Riehtung auf npädagogische Bewachungstendensen daß geschlos-

N,

ne eng wmrissene vorten anstatt mit GU als vorrangige Aufgabe die Dokumentation und inben ısive Erprobung alternativer Jugendhilfeformen (insbeson- dere, alternativer offener Unterbringungsformen).

ene Unterbringung die Ultima ratio m

uppe von Jugendlichen wird und bleibt. Ste an sines Modellversuchs

un > J Gm

Befürworter wie Gegner geschlossener Unterbringung waren einig in der Auffassung, daß es dringend einer Klärung darüber bedarf, wel- che Jugendliche in eine Probephase einbezogen werden sollen, bzw. für welche dieser Jugendlichen alternativen praktifiziert werden oder realisierbar sind.

Die bisherigen Versuche, Indikationen für geschlossene Unterbringung auf theoretischer Ebene festzulegen, waren nicht erfolgreich. Sie wurden teils von pädagogisch-therapeutischen Modellen hergeleitet, deren Realisierungsmöglichkeiten in geschlossener Unterbringung noch ungeprüft sind. Als Beispiel soll hier der Versuch genannt werden, intensive Beziehungen mit dem Ziel der wirksamen pädagogischen Ein- flußnahme anzubahnen (maßnahmeorientierte Indikation).

Andererseits wird versucht, durch Abstraktion von Persönlichkeits- eigenschaften und spezifischen Verhaltensauffälligkeiten bestimmter Jugendlicher Indikationen zu gewinnen. Zum Beispiel wird behauptet, daß "Wegläufer" mit einer weiteren massiven Verhaltensauffällig- keit wie "Stehlen, Aggressivität, sexuelle Verwahrlosung' geschlos- sener Unterbringung bedürfen (zielgruppenorientierte Indikation). Diese Versuche, Indikationen zu definieren, reichen weder aus, um Entscheidungshilfen für die Einweisung in geschlossene Heime zu ge- winnen, noch um die Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern

geschlossener Unterbringung zu versachlichen, da sie zu ungenau und nicht belegt sind.

Die IGfH entschloß sich daher zur Durchführung einer Untersuchung mit dem vorrangigen Ziel, durch Akteneinsicht und Interviews mit

den Entscheidungsträgern die Kriterien exakt zu erfassen, die gegen- wärtig zum Vorschlag eines Jugendlichen für geschlossene Unterbrin- gung führen.

Die mit der Durchführung der Untersuchung betraute Arbeitsgruppe be- zog sich bei der Untersuchungsplanung auf die oben erwähnten Hypo- thesen der Befürworter geschlossener Unterbringung und konzentrier- te ihre Aufmerksamkeit vornehmlich auf die Hypothesen zur Ultima ra- tio (3.2.1), zu Fehlentwicklungen (3.2.2) zur Besonderheit der Maß- nahme (3.2.3), zur Einheitlichkeit der Anwendung (3.2.4). Die in- haltliche Durchführung geschlossener Unterbringung konnte nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein. Von Interesse waren jedoch auch die Erwartungen und Vorstellungen der Entscheidungsträger über die Durchführung geschlossener Unterbringung, ferner der Stellen- wert, den einzelne inhaltliche Erwartungen für Entscheidungsträger haben (z.B. bezüglich der Dauer von GU).

Ergänzend und konkretisierend formulierten wir Zusatzhypothesen,

- 67 -

die neben den obengenannten in der Untersuchung überprüft werden soll- ten. Im Anschluß an die bezifferten Hypothesen sind jeweils Erläute-

rungen angefügt.

3.2.9 Zusatzhypothesen der Arbeitsgruppe zur Indikation und Entscheidungspraxis

(1) Es handelt sich bei den für GU vorgeschlagenen Jugendlichen um eine festumrissene Gruppe, die durch besondere Merkmale in ihrer Entwicklung und in ihrem momentanen Verhalten gekennzeichnet ist. Aus der Argumentation der Befürworter der geschlossenen Unterbrin- gung ist eindeutig zu entnehmen, daß Gewißheit darüber besteht, um welche Jugendlichen es sich handelt, die für GU vorgeschlagen werden. (2) Jugendliche, die für GU vorgeschlagen werden, haben viele Heim- verlegungen erfahren und eine Vielzahl von Wechseln in ihrer Lebens- situation erlebt.

Es wird angenommen, daß Jugendliche besonders gefährdet sind, in GU zu kommen, wenn ihre Biographie häufige Wechsel der Aufenthaltsorte und instabile Familienbeziehungen aufweist.

(3) GU wird bei den Entsendestellen angestrebt, wenn aufgrund der institutionellen Bedingungen und der örtlich gegebenen Jugendhilfe- möglichkeiten der Handlungsspielraum des Sachbearbeiters erschöpft ist, bzw. wenn der Druck der Öffentlichkeit zu stark wird.

Es wird angenommen, daß bei Entsendestellen die Tendenz zur Unter- bringung in einem geschlossenen Heim nicht nur von der antizipierten Hilfestellung für den betreffenden Jugendlichen bestimmt wird.

Der Entscheidungsdruck zur Regelung sehr schwieriger familiärer Ver- hältnisse durch Eingriffsmaßnahmen wird vermutlich auch durch das Legitimationsbedürfnis der Jugendbehörden und durch die Verantwort- lichkeit der Sozialarbeiter gegenüber ihren Anstellungsbehörden verstärkt.

(4) Welche spezifischen Wirkungen und Entwicklungen sollen im vor- liegenden Fall durch die Unterbringung in GU erreicht werden?

Da GU als geeignete Maßnahme zur Erreichung von Sozialisations-/ Therapiezielen angewendet werden soll, muß untersucht werden, für

welche Ziele GU als indiziert gilt. l (5) Welche Kriterien bestimmen die Aufnahme/Ablehnung eines Jugendli-

chen in einem geschlossenen Heim?

Es wird angenommen, daß Heime und Entsendestellen unterschiedliche Kriterien bei der geschlossenen Unterbringung anwenden (Entsende- stellen betonen den Faktor der Abgeschlossenheit, Heime beziehen sich stärker auf die Einflußmöglichkeiten auf den einzelnen Jugend-

lichen).

3.2.10 Zusatzhypothesen der Arbeitsgruppe zur Vermeidung von geschlössener Unterbringung

(1) Es gibt in pädagogischen Kleinstheimen Jugendliche, die in Problemlage, Entwicklung und Verhaltensauffälligkeit zum Zeitpunkt der Aufnahme mit den Jugendlichen vergleichbar sind, die geschlossen untergebracht werden.

Es wird angenommen, daß aufgrund von Platzmangel in geschlossenen Heimen und bei engagierter Bemühung der Entsendestellen um Vermei- dung geschlossener Unterbringung häufig Jugendliche in pädagogisch flexiblen, demokratisch strukturierten Kleinsteinrichtungen unter-

- 6B -

gebracht werden bzw. auch nach Scheitern einer geschlossenen Unter- bringung dort Aufnahme finden.

Es soll geprüft werden, ob es sich hier um Jugendliche handelt, von denen anderenorts behauptet wird, daß allein GU noch als Erziehungs- maßnahme möglich und vertretbar ist. Als Mindestkriterium zur Beur- teilung der Wirksamkeit der Alternativmaßnahme sollen der einjährige Aufenthalt in der Einrichtung und die positive Einschätzung der Ent- wicklung des Jugendlichen durch Erzieher und Aufsichtsbehörde gel- ten.

(2) Es gibt in Kleinheimen Kinder und Jugendliche, die als "Wegläu- fer" vor Aufnahme in die Einrichtung gekennzeichnet wurden.

(3) Mit welchen pädagogischen Mitteln wird in der Einrichtung der freiwillige Verbleib des Jugendlichen erreicht?

Die unüberwindbare Schwierigkeit, bestimmte Jugendliche zum freiwil- ligen Verbleib in der Einrichtung zu bewegen, gilt als eines der wichtigsten Argumente für GU ("ich kann nur erziehen, wen ich habe"). Es muß daher der Frage nachgegangen werden, ob in Kleinheimen päda- gogische Wege gefunden werden, die das Weglaufen ohne Anwendung von Zwang verhindern. Es wird deshalb der Frage nachgegangen, ob sich in kleinen Einrichtungen Jugendliche befinden, die als "Wegläufer'" be- kannt sind. In diesen Fällen soll herausgefunden werden, wie diese

Heime Kinder und Jugendliche durch pädagogische Angebote zum frei- willigen Verbleib motivieren können.

—-SSS Th

3.3 Auswertung unserer Erfahrungen mit der Praxis geschlossener Unterbringung

Seea a ee

Bei der Entwicklung eines Erhebungsrasters für die Aktenauswertung und bei der Erprobung eines Interviewsleitfadens wurden bei 2 Ent- sendestellen und in 2 Heimen 17 Akten gesichtet und Gespräche mit den verantwortlichen Mitarbeitern geführt. Diese Stichprobe redu- zierte sich bei Fragen, wenn keine entsprechenden Informationen vor- lagen.

Die Erkenntnisse aus dieser Vorbereitungsphase führten zur Korrek- tur einiger Ausgangshypothesen und zur Aufnahme neuer Fragestellun- gen. Darüber hinaus konnten wichtige Erfahrungen mit der gegenwärti- gen Entscheidungspraxis und der Indikationsstellung für GU gesammelt werden. Diese erlaubten keineswegs gesicherte Aussagen über die Si- tuation, gestatten aber vorsichtige Einschätzungen zur gegenwärti- gen und geplanten Anwendung vo: GU.

Wir geben die Auswertung unserer Erfahrungen im folgenden wieder. Wir betrachten diese nachfolgenden Aussagen als "praxisnähere Hypo- thesen", die aus einer kleinen, unsystematischen Stichprobe mit einem unfertigen Untersuchungsinstrument gewonnen wurden und wollen da-

mit erneut zu einer systematischen Untersuchung der weiterhin offe- nen Fragen anregen.

3.3.1 Zum Begriff der Indikation

ai A a a a E aa In der Vorbereitungsphase unserer Untersuchung über Indikationen für geschlossene Unterbringung bemühten wir uns zunächst um ein Verständnis darüber, wie der Indikationsbegriff in diesem Bereich

der Jugendhilfe angewendet wird. Dabei ließen wir uns zunächst von den Überlegungen leiten, wie sie im "Zwischenbericht Kommission

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Heimerziehung'', Kap. 2.1 IGfH 1977, ausgeführt sind.

Dort wird betont, daß die Gründe für die "Herausnahme aus der eigenen Familie" ebenso wenig ausreichende Indikation für Heimerziehung seien, wie die "Überforderung anderer Institutionen". Vielmehr müsse sich die "Heimerziehung als geeignetes Hilfsangebot'" erweisen. Den ungünstigen Lebensbedingungen in der Herkunftsfamilie oder am ge- genwärtigen Aufenthaltsort müßten die Lebensbedingungen und Sozia- lisationschancen im jeweiligen Heim gegenübergestellt werden. Zuvor sei noch die'Funktionsfähigkeit alternativer Hilfen" zu prüfen.

Wir glauben, daß bei der Indikationsstellung für geschlossene Unter- bringung diese kritischen Abwägungen der Ausgangssituation mit dem Hilfsangebot und den Alternativen in verschärftem Maße erforderlich sind.

Über die Erläuterungen im Kommissions-Bericht hinaus haben wir uns mit dem Indikationsbegriff auseinandergesetzt, wie er unter Zugrun- delegung des sozialwissenschaftlichen Krankheitsbegriffs in der Kli- nischen Psychologie diskutiert wird (siehe GRAWE in: Handbuch der Psychologie, Bd. 8.2; Göttingen 1978).

Angewendet auf "geschlossene Unterbringung" bedeutet dies:

a) Zunächst muß geklärt werden, ob die angezielte Maßnahme GU ethisch verantwortbar ist. Die Problematik von GU wird auch von Befürwortern dieser Maßnahme erkannt. Dies drückt sich in der geforderten Ein- schränkung ihrer Anwendung als "Ultima ratio" aus (s.3.2.1)

b) Indikationen setzen prognostisches Wissen darüber voraus,

l. für welche Jugendliche (soziale Herkunft, familiäre Situation,

bisherige Entwicklung), 2. mit welchen Merkmalen (bestimmte Persönlichkeitsstörungen, Ver-

haltensauffälligkeiten), 3. durch welche Maßnahme (welche Inhalte, Organisationsformen von

GU), 4. welche angestrebten Effekte (konkrete Lernziele), 5. in welchem Ausmaß erreichbar sind (Abwägung gegen alternative Hilfeformen). Die Zweckmäßigkeit und quantiative Wirksamkeit der zur Entscheidung anstehenden Maßnahme kann demnach nur beurteilt werden, wenn zu je- dem der 5 Punkte hinreichend sichere Aussagen zu machen sind. Wir waren uns bewußt, daß die Anforderungen an die Indikations-Stel- lung durch die gegenwärtige Praxis nur teilweise erfüllt werden kön- nen. Uns interessierte, in welchem Ausmaß die genannten 5 Punkte bei gegenwärtigen Indikationsstellungen Berücksichtigung finden.

Die wichtigste Erkenntnis aus den Praxiskontakten war, daß sich die Überlegungen bei der Indikationsstellung überwiegend auf soziale Situation, Entwicklung bis zum Entscheidungszeitpunkt (1) konzen- trieren. Die in Fachdiskussionen hervorgehobenen Persönlichkeits- störungen und schweren Verhaltensauffälligkeiten (2) spielen nicht die erwartete Rolle. Vorstellungen über die besondere Pädagogik in Abgeschlossenheit von der sozialen Umwelt werden kaum expliziert (3), noch weniger konkrete Erziehungsziele (4). Auch Abwägungen ge-

gen andere Maßnahmen treten zurück (5). . , D , .. s. . ' = Nach unserem Eindruck dominiert eine "rückwärts gerichtete Indika-

tion: Geschlossene Unterbringung wird gefordert und praktızıert

- zur Beendigung - zur Unterbrechung

- Jo -

- zur Vermeidung

von

negativen Entwicklungen des Jugendlichen

(als Selbstschädigung oder als Schädigung anderer)

und von

Umwelteinflüssen, die als schädigend gekennzeichnet werden (Abschir-

mung).

In Akten und Interviews ist die Rede vom "Durchbrechen des Teufels-

kreises", der "Abwendung der Gefährdung", von "Absinken verhindern".

Dagegen wird die Frage selten erörtert, welche positiven Sozialisa-

tionsimpulse und -effekte im konkreten Fall vom Heim aufgrund der

Festhaltemöglichkeiten erwartet werden (maßnahmeorientierte Indika-

tion). Allerdings werden Erwartungen an die Institution GU und ihre

Mitarbeiter gerichtet, die nicht als spezifische Qualifikationen von

GU-Heimen betrachtet werden können, da sie sich aus der problemati-

schen Situation der Heimerziehung insgesamt ableiten:

- "GU-Heime geben nicht so schnell auf, weisen Jugendliche nicht so schnell ab, setzen sie uns nicht bei jeder Kleinigkeit wieder auf den Tisch”;

- GU-Heime sind oft Landesjugendheime, die aufnehmen müssen;

- GU-Heime haben weniger Personalfluktuation; in offenen Heimen stellen die Erzieher im Konfliktfall häufig die Frage: Einer geht, der Jugendliche oder ich!

Erwartungen an die Lebenssituation im geschlossenen Heim werden eher

von Idealvorstellungen und von den in anderen Settings erprobten

Therapiekonzepten abgeleitet, institutionssoziologische und -psycho-

logische Erkenntnisse (z.B. die Theorien zur totalen Institution,

s. Coffmann) scheinen unbekannt zu sein: "ns braucht nur ein wenig

Idealismus und Phantasie, dann vergessen die Jugendlichen die Frei-

heitsbeschränkungen und fühlen sich so wohl, daß sie gar nicht wie-

der raus wollen". Dementsprechend erscheint es auch verständlich, daß Abwägungen gegen mögliche Schäden durch GU zumeist unterbleiben

3.3.2 Fehlentwicklungen/Einheitlichkeit der Anwendung

2,2 und 3.2.4 erwarteten wir, daß henen Jugendlichen beson- Verhalten aufweisen. Die-

Ausgehend von den Behauptungen 3. die für geschlossene Unterbringung vorgese ders gravierende Auffälligkeiten in ihrem se Annahmen wurden auch von Sachbearbeitern in Entsendestellen be- kräftigt: Selbstschädigungen (insbesondere Drogen, Alkohol, Suizid, häufig wechselnder Geschlechtsverkehr) und Fremdschädigung (schwere Eigentumsdelikte, Aggressionen) seien hervorstechende Merkmale dieser Gruppe, in der Regel in Verbindung mit "ständigem Weglaufen".

Bei den Aktenanalysen fanden wir jedoch dafür keine hinreichende Bestätigung:

Lediglich in 5 von 15 Fällen werden kigentumsdelikte berichtet (über die Schwere des Delikts liegen wne gegenwärtig keine Angaben vor), nur in 3 Fällen wird von Aggressionen ("Zerstörungswut") gesprochen. In 9 von 15 Fällen werden Auffälligkeiten im affektiven Bereich ge- nannt: Suizidneigung, Angstzustände, Depressionen, Reizbarkeit. Dagegen werden in 7 Fällen Schulschwierigkeiten genannt.

Uns ist nicht klar geworden, welche spezifischen Sozialisations- oder therapeutischen Wirkungen von dem Moment der Geschlossenheit bei den vorliegenden Problemen (z.B. Depression!) erwartet werden. Es sollten hierzu Interviews durchgeführt werden, die aus den be-

- 71 -

kannten Gründen aber nicht zustande kamen. In der Vorbereitungsphase zur Untersuchung begegneten wir oft dem

Argument, daß eine Untersuchung über die Indikationen für GU nicht erforderlich sei, weil unter Praktikern ein hinreichender Konsens bestehe, in welchen Fällen GU angewendet werden müsse (Einheitlich- keit der Anwendung, 3.2.4). Wir konnten bei unserer Stichprobe weder feststellen, daß eine besondere Häufung bestimmter Auffälligkeiten vorliegt, noch daß die Gruppe der für GU Vorgesehenen durch besonders massive Störungen imponiert.

Es wurden stattdessen widersprüchliche Einschätzungen derselben Probleme festgestellt: Im Heim X gilt z.B. Suizidgefährdung als Indi- kation für GU, im Heim Y wird ein Jugendlicher wegen der gleichen Problematik nicht aufgenommen.

Die häufig vertretene Auffassung, daß "ständiges Entweichen aus dem Heim" regelmäßig beteiligt sei, wenn geschlossene Unterbringung ge- fordert wird, konnten wir nicht bestätigen.

Die Zahl der Entweichungen ist unterschiedlich hoch. Die Angaben reichen von "einmal" bis "ständig". Bei den uns zugänglichen Akten waren immerhin bei einem Drittel der Jugendlichen weniger als 5 Ent- weichungen aufgetreten. Es trifft demnach nicht zu, daß ständiges Entweichen immer bei Jugendlichen vorliegt, die für geschlossene Unterbringung vorgeschlagen werden.

Für das Argument, Jugendliche brächten sich während des Entweichens in besondere Gefahr, würden kriminell (3.2.1) fanden wir bei den

uns vorliegenden Akten ebenfalls keine hinreichende Begründung. Die Entweichungen waren oft harmlos, endeten in der Regel in der eige- nen Familie oder bei Freunden. Nicht Kriminalität, sondern Krimina- lisierungen entstehen, unseres Eindrucks nach, häufig durch Entwei- chungen: Eltern verbergen ihre aus der Heimerziehung entwichenen Kinder vor der Rückführung, es kommt zu Polizeieinsätzen und Andro- hung bzw. Durchführung strafrechtlicher Maßnahmen, wenn das Aufent- haltsbestimmungsrecht beim Jugendamt liegt. Gefährdungen und Schädi- gungen der Kinder nach Entweichungen treten vermutlich nicht selten bei gewaltsamen Rückführungsversuchen auf.

Beispiel:

In einem Fall sprang ein zwölfjähriges Mädchen auf der Flucht vor Fürsorgerin und Gerichtsvollzieher aus dem Fenster der elterlichen Wohnung, während die Mutter an der Wohnungstür bat, von der Maßnah- me Abstand zu nehmen. Das Mädchen erlitt Verletzungen der Wirbel- säule und ist zeitlebens dadurch geschädigt.

Es kann angenommen werden, daß Entweichungen nur sehr selten direkt zur geschlossenen Unterbringung führen, sehr viel häufiger zur Ent- lassung aus dem jeweiligen Heim. Dadurch entstehen beim zuständi- gen Jugendamt besondere Vermittlungsprobleme, die dann nicht selten durch geschlossene Unterbringung gelöst werden. Daß dem Phänomen des Entweichens in manchen Heimen immer noch eine derartige Bedeutung beigemessen wird, ist schwer verständlich, tragisch zudem, daß Heim- entweichungen fast immer unhinterfragt als negative Zuschreibungen wie "notorischer Wegläufer" die Akte des Jugendlichen durchziehen, Geradezu paradox mutet an, daß auch geschlossene Heime bei Entwei- chungen die Wiederaufnahme verweigern. Das Argument von der "Kon- tinuität der Erziehung" (3.2.1) durch geschlossene Unterbringung

muß durch diese Beobachtung in Frage gestellt werden. Daraus leitet

sich ab, daß die Kontinuität der Erziehung besser in dem offenen Heim zu gewährleisten ist, in dem Entweichungen nicht dramatısıert

- 72 -

und durch Reflexion des Erziehungsalltags und der Lebenssituation des Jugendlichen verstehbar gemacht werden.

Für die Einweisung in geschlossene Unterbringung spielt die Zahl der bisherigen Heimunterbringungen eines Jugendlichen mit Sicherheit eine besondere Rolle. Von 16 darauf untersuchten Jugendlichen waren 13 bereits vorher in Heimerziehung. Unsere Hypothese, daß geschlos- sene Unterbringung regelmäßig nach mehreren Heimstationen erfolgt, trifft jedoch nicht zu. Es gab in der Stichprobe Jugendliche, die nur eine oder zwei Heimstationen vor dem Vorschlag für GU durchlebt haben. Die Mehrzahl der Jugendlichen hat drei, manche auch sieben Heimstationen hinter sich.

Bei der Aktenanalyse fällt auf, daß auch die Gründe für die vorzei- tige Entlassung eines Jugendlichen aus einem Heim von den Entschei- dungsträgern in den Jugendämtern zu wenig hinterfragt werden, viel- mehr das Scheitern dem Jugendlichen ungeprüft angelastet wird. Ent- weichungen spielen für die Entlassung eine wichtige Rolle. Den Ju- gendamtsakten ist nicht zu entnehmen, daß nach Erklärungen für das

Entweichen gesucht wird (etwa: Konflikte in der Heimsituation).

Eher entstehen neue Zuschreibungen von negativen Verhaltensweisen t der Entlas-

(stiehlt,ist aggressiv etc.), die im Zusammenhang mi sung genannt werden.

Auch die Versuche der Entscheidungsträger, das bisherige Heim zu erreichen, erscheinen unzureichend. Es wird

eher resignierend hingenommen, daß sich manche Heime durch die Ver- weigerung der Wiederaufnahme ihrer Verantwortlichkeit entziehen und das Schicksal des Jugendlichen Sache der Entsendestelle sein lassen. Diese Aussage muß allerdings auf dem Hintergrund des Verhältnisses zwischen Heimerziehung und Jugendämtern gesehen werden, das u.a. durch einseitige Eingriffe der Jugendämter in den Erziehungsproze83 im Heim belastet wird (Herausnahme eines Jugendlichen).

Zahlenmäßig bedeutsamer als die "Heimkarriere' sind die Wechsel der Lebenssituation. In den meisten von uns beobachteten Fällen sind mehr als fünf (bis zu zwölf) Wechsel der Lebenssituation zu ver” zeichnen. Dabei spielen häufige Wechsel zwischen Elternhaus, Heim und Psychiatrie eine besondere Rolle. In keinem Fall war jedoch die Psychiatrie die letzte Station vor der geschlossenen Unterbringung.

eine Wiederaufnahme in

Es war uns bei der vorläufigen Aktenauswertung nicht möglich zu klä- ren, welchen Stellenwert welche Verhaltensabweichung bei der Indi- kationsstellung im Einzelfall hatte (3,29) Ein Teil der Fälle

wies überhaupt keine gravierenden Verhaltensauffälligkeiten oder Nennungen sonstiger besonderer Störungen auf. Es verdichtete sich der Eindruck, daß Verhaltensauffälligkeiten in der Regel nur auf dem Hintergrund extrem ungünstiger Lebensumstände (insbesondere der öko- nomischen und sozialen Situation der Familie) Indıkatoren für ge-

schlossene Unterbringung sind.

Beispiele:

® Familie lebt in der Obdachlosensiedlung, mit der Nachbarschaft, Sorgerechtsentzuß, de Unterbringung aller Kinder im Heim.

® Ehe der Eltern ist geschieden. Vater war Stiefvater sehr streng.

© Mutter ist seit längerem i hat keine geregelte Arbeit, mißhandelte

Bei allen Fällen kommt erschwerend hinzu,

Schlägereien der Eltern mehrfache vorausgehen-

Trinker und Schläger, n der Psychiatrie, Vater ist Alkoholiker,

die Kinder. daß in Familie und Nach-

- 73 -

pupon AO

barschaft offenbar keine Personen vorhanden sind, die kompensatorisch eingreifen können oder wollen.

Es entsteht der Eindruck, daß es für geschlossene Unterbringung

eher eine "soziale Indikation" gibt, als eine durch massive Fehlent-

wicklung des Jugendlichen begründete,

Warum kommt es in diesen Fällen jedoch zur geschlossenen Unterbrin- gung, wenn die beschriebenen Schwierigkeiten häufig die "normale Indikation" für Fremdplazierung ohne Einschlußbedingungen darstellen? Ein entscheidender Grund scheint die Einschätzung der Kooperations- möglichkeiten des Jugendamtes mit den Eltern des Jugendlichen zu sein:

® Eltern haben ihre ursprüngliche Zustimmung zur Heimeinweisung des Kindes zurückgezogen und arbeiten nun gegen das Jugendamt.

® Eltern gelten als "unzuverlässig", weil sie bei Besuchen im Heim oder bei Entweichungen des Kindes für dieses und gegen das Heim Stellung bezogen haben, weil sie tatsächlich oder aus der Sicht des Heims Kinder zum Entweichen oder nach Ferienaufenthalten zum Verbleib in der Familie aufgefordert haben.

@ Das Jugendamt hat oben aufgeführte Erfahrungen mit der Familie im Zusammenhang mit älteren Geschwistern gesammelt und fordert daher die geschlossene Unterbringung ohne vorausgehende anderweitige Versuche. Begründung: "Kontinuität der Erziehung" (3.2.6).

Zum Stellenwert der Verhaltensstörungen gewannen wir in den Unter-

suchungen die neue Hypothese, daß Verhaltensstörungen auch nachträg-

lich zur Begründung der geschlossenen Unterbringung herangezogen wer- den und dann ein besonderes Gewicht bekommen.

Beispiel:

Ein Mädchen wird in geschlossene Unterbringung genommen, weil das

vorhergehende Heim nach einer Entweichung die Wiederaufnahme verwei-

gerte. Durch die geschlossene Unterbringung soll der ungünstige Ein- fluß der Mutter auf das Mädchen verhindert werden. Nach der Heimauf- nahme gerät diese Begründung jedoch in den Hintergrund, einem jugendpsychiatrischen Gutachten "Drogenmißbrauch und Entzugs- erscheinungen" genannt werden. Als Heimeinweisungsziel erscheint dann in den folgenden Berichten vorrangig "Abbau von Drogenfolgen und Milieuschäden".

Insgesamt wird vermutet, daß geschlossene Unterbringung häufig dann

angewendet wird, wenn Milieufaktoren als besonders ungünstig und

unbeeinflußbar eingeschätzt werden und Störungen der Heimerziehung durch familiäre Einflüsse nicht riskiert werden sollen. Auffallend ist auch, daß intensive Familienhilfen in den zur GU anstehenden

Fällen nur selten angeboten wurden. Es ist denkbar, daß Sozialar-

beiter der Familienfürsorge in ihrer völligen Überforderung durch

überhöhte Fallzahlen und mangelnde materielle Ressourcen unter einem besonderen Legitimationsdruck stehen, dem sie in besonders schwie- rigen Fällen durch massivere Eingriffsmaßnahmen nachgeben.

als in

3.3.3 Besonderheit der Maßnahme

Von den Diskussionen über geschlossene Unterbringung ausgehend, hat-

ten wir die Hypothese, daß GU nur dann angewendet wird, wenn die Sicherung des Verbleibs in der Einrichtung die ausschlaggebende Rol- le spielt. Diese Annahme fanden wir in einigen Fällen bestätigt. Häufiger stellten wir jedoch fest, daß geschlossene Unterbringung

—- 74

für die Entscheidungsträger durchaus keine besondere Maßnahme dar-

stellt, die erst nach Ausschöpfung anderer Maßnahmen erwogen wird

(3.2.1). Vielmehr waren bei den meisten Fällen andere Kriterien als

die Geschlossenheit ausschlaggebend:

- Bei der Suche nach einem Heimplatz wurden oft 10 bis 12 Heime an- geschrieben. Darunter befanden sich Einrichtungen, die geschlos- sen unterbringen ebenso wie Jugendwohngruppen und heilpädagogische Heime.

- Ausschlaggebend scheinen die Erfahrungen zu sein, die Sozialarbei- ter mit einem bestimmten Heim gemacht haben.

- Personelle und bauliche Ausstattung eines Heimes, die Möglichkeiten zur Berufsausbildung und persönliche Kontakte dorthin geben eher den Ausschlag. In einem Fall wurde die Unterbringung in einem GU- Heim damit begründet, daß dort eine psychiatrische Betreuung und der Schulbesuch gewährleistet sei.

- Auch die Erwartung, daß dort die Mitarbeiter "länger durchhalten" und den Jugendlichen nicht so schnell entlassen, spielt eine wich- tige Rolle.

- Wir fanden Fälle, in denen geschlossene Unterbringung ohne beson- dere Begründung vorgenommen wurde, weil sich dort ein Heimplatz bot: Nach 12jährigem Familienaufenthalt kam ein Junge in ein GU- Heim, ohne daß auch nur der Versuch unternommen wurde, ein ande- res Heim zu finden. Ein 16jähriges Mädchen ließ sich geschlossen unterbringen, weil sie von zu Hause wegwollte und die Sozialarbei- terin kein anderes Heim finden konnte. Sie entschloß sich freiwil- lig für dieses Heim nach einer Besichtigung und reiste allein dort an.

Unter einem anderen Aspekt gibt hier die weitere Entwicklung zu

denken: Als sie nach einem halben Jahr die Bedingungen der Ge-

schlossenheit nicht mehr freiwillig zu ertragen bereit war, entstan- den beim Jugendamt Zweifel an der ausgangs hochgeschätzten Reife

und Entscheidungsfähigkeit des Mädchens.

Durch die einmalige Einweisung in geschlossene Unterbringung ge-

winnt das Kriterium Geschlossenheit an Bedeutung: Wer einmal in einem geschlossenen Heim war, wird nach unserem Eindruck in der Folgezeit

als "besonders schwierig" etikettiert. Die meisten Heime verweigern seine Aufnahme, die Entsendestellen suchen jetzt nur noch nach ge- U-bedürftig" scheint

schlossenen Heimen. Die Etikettierung als "G

nun nicht mehr korrigierbar:

© Erschwerend und den Anteil des Zufallsfaktors erhöhend ist die Praxis der Heimplatzsuche: Die Sachbearbeiter bei den Entsende= stellen haben in der Regel nur unsystematische Kenntnisse der Hei- me. Sie belegen vorzugsweise ihre "Stammheime", die sie aus elge- ner Anschauung oder aus Vorerfahrungen von Kollegen kennen. Das Risiko der GU-Unterbringung eines Jugendlichen erhöht sich da- durch, daß der Sachbearbeiter zufällig eine größere Zahl von GU-

Heimen kennt. (im Sinne einer besonderen

Struktur des Entschei- Entsendestelle ab:

Die Zuweisung des Etiketts "GU-bedürftig" Maßnahme) hängt im besonderen Maße von der dungs- und Verwaltungsgangs der jeweiligen ® Im Bundesland X wird ein Jugendlicher als GU-bedürftig vom ört- lichen Jugendamt vorgeschlagen und dem Landesjugendamt zur Weiter- vermittlung gemeldet. Dieses wirkt in der Praxis jedoch nicht als

- 75 -

Kontrollinstanz (Prüfung der Notwendigkeit dieser Maßnahme), son- dern übernimmt in der Regel diese Zuschreibung ungeprüft und ver- sucht, die Entscheidung zu verwirklichen. In diesem Fall wird nur noch nach einem Heim mit Möglichkeiten zur geschlossenen Unter- bringung gesucht; alternative Unterbringungsformen werden dann nicht mehr in Erwägung gezogen.

© In einem anderen Bundesland wird die Heimunterbringung bei FEH- Fällen bis zur Zusage durch das Heim von der Familienfürsorge be- handelt. Dadurch wird die Frage: GU oder offenes Heim offengehal- ten und hängt vom Erfolg der Heimplatzsuche und den besonderen Ge- gebenheiten des Jugendamts ab,

© Während in der zuerst genannten Form der Entscheidungspraxis eine Sondergruppe "Fälle für geschlossene Unterbringung" geschaffen wird, fördert die zuletzt genannte Form die Verwischung der Gren- zen zur geschlossenen Unterbringung.

© Nach unseren Erfahrungen ist die erstgenannte Form des Entschei- dungsgangs als für den Jugendlichen problematischer zu bewerten, weil nach der Zuordnung als "GU-Fall" für ihn kaum noch Alterna- tiven in Frage kommen. In der zweiten Form kann es in einem Fall noch zur Anwendung anderer Erziehungsmittel kommen, weil in der Zeit der Heimplatzsuche aufgrund familiärer Veränderungen Ent- scheidungen revidiert werden.

® Es ist anzunehmen, daß in anderen Bundesländern weitere Entschei- dungsformen existieren (wir konnten nur in 2 Bundesländern Erfah- rungen sammeln). Die Behauptung von der Einheitlichkeit der Anwen- dung (3.2,4) und der Besonderheit der Maßnahme (3.2.3) muß bereits aufgrund unserer begrenzten Erfahrungen zurückgewiesen werden.

Die Annahme, daß geschlossene Unterbringung nur dann angewendet wird,

wenn alle alternativen Hilfsmöglickeiten erschöpft sind, wurde oben

bereits bezweifelt, weil geschlossene Heime häufig gar nicht als be-

sondere (oder gar: besonders problematische) Erziehungsinstitutionen

angesehen werden. Ausgeschöpft sind sicher häufig die unzureichend vor-

handenen Möglichkeiten, unkonventionelle Formen der Ersatzerziehung

zu probieren.

® Aus Gesprächen mit Kleinheimen und Jugendwohnkollektiven erhielten wir den Eindruck, daß häufig ein letzter Versuch mit diesen (oft diskriminierten) Alternativen zur traditionellen Heimerziehung erst gemacht wird, wenn die Unterbringung im geschlossenen Heim gescheitert ist,

® Ein Mitarbeiter einer überörtlichen Entsendestelle berichtete uns von der Ratlosigkeit, die dann entsteht, wenn sich GU-Heime wei- gern, einen ausgerissenen Jugendlichen wieder aufzunehmen. In ei- nem solchen Fall kam man auf die Idee, für den Jugendichen eine Wohnung anzumieten und einen arbeitslosen Sozialarbeiter teilzeit- beschäftigt mit der Betreuung zu beaufsichtigen. ("Sie werden es kaum glauben: das hat gar nicht mal so schlecht geklappt!") Die- se Abweichung vom "geordneten Weg" der Fremdplacierung ist sicher ein Sonderfall, sollte aber zu denken geben und zur Nachahmung er-

mutigen.

3,3.4 Dauer der Unterbringung in geschlossener Unterbringung Keen. Mesa; See a

Nach Aktenauswertung und Interviews haben die Untersucher nicht den Eindruck, daß einweisende Stellen Wert darauf legen, die Maßnahme der

GE

geschlossenen Unterbringung zeitlich zu begrenzen. Dies steht im Widerspruch zu den öffentlichen Beteuerungen in Fachdiskussionen. Die Dauer geschlossener Unterbringung hängt entweder vom Verwaltungs- gang ab (Sicherstellung bis eine alternative Dauerunterbringung ge- funden wird) oder wird den Heimen zur Entscheidung überlassen. Be- ruhigend auf die Entsendestellen wirkt, daß geschlossene Heime meist über offene Gruppen verfügen. Heime wollen sich nicht vorschreiben lassen, wie lange sie welchen Jugendlichen in einer geschlossenen Gruppe belassen,

Ob geschlossene Unterbringung in Heimen mit unterschiedlicher Frei- heitlichkeit auf die Anfangsphase begrenzt wird, wie diese Anfangs- phase zur Herstellung einer pädagogisch nutzbaren Bindung genutzt wird etc., konnte nicht erhoben werden.

3.3.5 Geschlossene Unterbringung zur Abwendung von Strafvollzug en A AEE r che za E rennen a Eai

Unsere Stichprobe enthielt keinen Fall, in dem GU zur Abwendung von Untersuchungshaft angewendet wurde. Wir sind der Meinung, daß in solchen Fällen geschlossene Unterbringung in der Jugendhilfe dem Jugendstrafvollzug vorgezogen werden sollte.

3.3.6 Anzahl der Plätze für Geschlossene Unterbringung arai alri ana Bae e a R a E

Es gibt in jedem Bundesland bereits heute eine Vielzahl von Plätzen von geschlossener Unterbringung. Den Sozialarbeitern in den Jugend- ämtern sind weitaus mehr Heime und Abteilungen bekannt, in denen ge- schlossen untergebracht wird, als sie z.B. bei der IGfH-Tagung ın Königstein im November 1977 genannt wurden. Dies betrifft auch die Zahl der Plätze. Wir schätzen, daß es gegenwärtig weit mehr als

1000 Heimplätze mit geschlossener Unterbringung gibt. Es stımmt da~ m her nicht, daß es gegenwärtig um die "Wiedereinführung" von "wenigen geschlossenen Heimplätzen geht.

3.3.7 Alternativen

Die Hypothesen 3.2.10 zur Vermeidung der GU in Kleinsteinrichtungen konnten nicht überprüft werden, da ihre Bearbeitung nach dem vorge- sehenen Untersuchungsdesign die Identifikation der für GU genannten Zielgruppe voraussetzt.

3.4 Neue "praxisnähere' Hypothesen

Aufgrund unserer Erfahrungen in der Vorbereitungsphase kommen wir zu is und die Indikatıons-

folgenden Hypothesen über die Entscheidungspraxi stellung für geschlossene Unterbringung! n” (1) Geschlossene Unterbringung wird gefordert und PRAFHLZAee re endigung, Unterbrechung und Vermeidung negatıver Entwicklungen, BAER jedoch als geeignetes Hilfsangebot zur Erreichung bestimmter Soziall- sationsziele. Sie hat damit überwiegend bewahrende und abschirmende Funktion. BR

(2) Es werden von Entsendungsstellen keine spezifischen Erwartungen bezüglich der Sozialisierungsmöglichkeiten im Heim gestellt. Zu sel- ten geschieht die Abwägung der möglichen Schäden durch GU mit dem Verbleib im bisherigen Milieu.

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(3) Es gibt keine einheitlichen Indikatoren für GU. Weder bestimmte Auffälligkeiten, noch besondere Ausprägungsgrade von Verhaltensstö- rungen sind bei der GU-Einweisung ausschlaggebend.

(4) Es trifft nicht zu, daß ständiges Entweichen aus dem Heim Haupt- indikation für geschlossene Unterbringung ist.

(5) Geschlossene Unterbringung wird nicht als Ultima ratio angewen- det. Alternative Erziehungsformen werden oft erst erwogen, wenn ge- schlossene Heime die Aufnahme oder die Wiederaufnahme verweigern.

(6) Geschlossene Unterbringung ist im Verständnis der Entsendungs- stellen keine besondere Maßnahme der Ersatzerziehung. Andere Aspekte überwiegen häufig das Moment der Abgeschlossenheit.

(7) Die Einweisungspraxis unterscheidet sich besonders stark durch die auf Länderebene unterschiedlich geregelten Zuständigkeiten ört- licher und überörtlicher Träger.

(8) Jugendliche, die bereits mehrere Heimaufenthalte erlebt haben, laufen eher Gefahr, für GU vorgeschlagen zu werden.

(9) Häufige Wechsel der Lebenssituationen weisen einen auffälligen Zusammenhang zu "GU-Bedürftigkeit" auf.

(10) Für geschlossene Unterbringung ist eine "soziale Indikation" be- deutsamer als das Vorliegen massiver Fehlentwicklungen. Die Einschät- zung geringerer Kooperationsmöglichkeiten mit den Eltern läßt ein Jugendamt zur Anwendung geschlossener Unterbringung tendieren.

(11) Es gibt keine Hinweise darauf, daß von allen beteiligten Insti- tutionen auf die begrenzte Dauer geschlossener Unterbringung beson- ders hingewirkt wird.

(12) Es gibt in jedem Bundesland bereits heute eine Vielzahl von Plät- zen für geschlossene Unterbringung. Die in Königstein genannten Ein- richtungen/Plätze sind nur "die Spitze des Eisbergs".

Die Erfahrungen , die in den wenigen Kontakten mit Jugendbehörden und Heimen gemacht und die hier dokumentiert wurden, haben darüber Auf- schluß geben können, daß die Fragestellung der geplanten Untersuchung in die richtige Richtung weist.

Einzelne Hypothesen mußten verändert werden, neue wurden hinzugezogen. Insgesamt wurde der Untersuchungsgruppe deutlich, daß die Frage der Indikatoren für geschlossene Unterbringung und alternative Maßnahmen tatsächlich nicht eindeutig beantwortet und gelöst ist. Wir halten eine empirische Untersuchung der oben formulierten Hypothesen deshalb mehr denn je für erforderlich und hoffen, daß zukünftige Forschungs- projekte zu diesem Thema erfolgreicher arbeiten können als wir.

HINWEIS

Den Beitrag “Indikatoren für geschlossene Unterbringung von Kindern und Jugend- lichen” haben wir den Materialien zur Heimerziehung Nr. 3/78 - herausgegeben von der Internationalen Gesellschaft für Heimerziehung entnommen.

Wer sich für die Arbeit der IGfH näher interessiert schreibe an:

Gesellschaft für Heimerziehung, Heinrich-Hoffmann-Str.3, 6 Frankfurt 71

Bei der IGfH ist ebenfalls ein Buch erschienen, das sich mit der Situation, Entwick- lung und Leistungsfähigkeit von Kinderhäuser beschäftigt. Es handelt sich dabei um eine von Mitarbeitern des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Ffm. 1976 durchgeführte empirische Untersuchung, die bisher einzigste Untersuchung über “Kleinsteinrichtungen” in der BRD. Preis: DM 6,--

Erklärung gegen die Verankerung der geschlossenen Unterbringung

PROBLEME VON KINDERN UND JUGENDLICHEN LASSEN SICH NICHT EINSPERREN

Während sich in Italien die Tore psychiatrischer Anstalten öffnen, will die Bundesregierung die GESCHLOSSENEN ANSTALTEN für Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung gesetzlich verankern.

In der Bundesrepublik leben bis zu 250 000 Kinder und Jugendliche in Kinderheimen, Schüler- und Jugendwohnheimen, Auffang- und Er- ziehungsheimen, Jugendschutzstellen, Beobachtungs- und Heimen für Behinderte, kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen oder sind internatsmäßig untergebracht. Tausende von ihnen sind täglich auf Trebe. Allein in Berlin sind es bis zu 1 500 Kinder und Jugend- liche, die das Heimleben nicht aushalten. Bis zu 1000 Jugendliche sind in geschlossenen Heimen, Abteilungen oder Gruppen eingesperrt.

Am 8.11.1978 verabschiedete das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für ein neues Jugendhilferecht, der in den $$ 46 und 47 unter dem Vorwand einer "wirksamen pädagogischen und therapeutischen Hilfe" erstmals in der deutschen Geschichte der Heimerziehung die Zwangs- maßnahme des Freiheitsentzugs zur sofortigen und totalen Isolierung von Kindern und Jugendlichen im Gesetz festschreibt. Durch den $ 47 wird jedem Leiter eines Heimes sogar das uneingeschränkte Recht eingeräumt, selbstmordgefährdete oder "hoch aggressive" Kinder und Jugendliche aus dem offenen in ein geschlossenes Heim zu verlegen. Diese Maßnahmen sind die ausschließliche Folge des Interesses von Jugendbehörden und Heimträgern die Ruhe und Sicherheit in Heimen zu schützen. Sie mißachten das Recht der Kinder und Jugendlichen auf eine pädagogische und menschenwürdige Hilfe.

In den $$ 46 und 47 des Kabinettsentwurfs manifestiert sich die kon- tinuierliche Rückentwicklung der Jugendhilferechts-Reformentwürfe seit 1974. Die Bundesregierung schlägt damit fundierte Argumente

und Fakten gegen die GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG zurück, die während

der sehr engagiert geführten Diskussion der letzten 2 Jahre von Pä-

dagogen und Erziehungswissenschaftlern vorgebracht wurden:

© Zwang und Therapie sind in der Heimerziehung miteinander unver- einbar

® Bindungen über die Dauer des Heimaufenthaltes hinaus entstehen nur da, wo Erzieher durch Hilfen bei der Bewältigung realer Le- benssituationen Vertrauen erwerben können, wo sie in kritischen Situationen akzeptierbare Alternativen aufzeigen und Verständnis für Fehler unter Beweis stellen können. Das geschlossene Heim bie- tet keinen Raum für realistische Problemsituationen und adäquate Bedürfnisbefriedigung.

0 Sozialpädagogische Erfahrung lehrt, daß Handlungsfähigkeit nur durch Erleben und Handeln erworben wird. Lernen durch Handeln setzt ein realistisches Lernfeld voraus, das schon die offene Heimerziehung kaum bereitstellen kann (Inselpädagogik). Die Bedin-

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gungen der geschlossenen Unterbringung reduzieren, verändern und verzerren die Umwelt der Kinder und Jugendlichen. In geschlossenen "-otalen" Institutionen kann kein Verhalten erlernt werden, das brauchbar für das Leben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in unserer Gesellschaft ist, Stattdessen werden solche Überlebens- techniken erworben, die nur relevant sind für das Leben unter ge- schlossenen Bedingungen (Vorbereitung auf den Knast). Wenn unter den Bedingungen abgeschlossener Unterbringung keine echten Hilfen für die Betroffenen zu erwarten sind, dann handelt es sich auch nicht um pädagogische Einrichtungen, Was als pädagogische und the- rapeutische Hilfe bezeichnet wird, hat im Kern nichts mit der Not der Betroffenen zu tun. Es handelt sich nur noch um den Tatbestand von Freiheitsberaubung, die als letztes Mittel eingesetzt werden soll, - wenn Erzieher - aus welchen Gründen auch immer - an den Grenzen ihrer Möglichkeiten angelangt sind, - wenn es an Kraft und Phantasie zur‘ Veränderung fehlt und die materiellen Voraussetzungen angeblich erschöpft sind, - wenn die Heime dafür herhalten sollen, die Öffentlichkeit vor jugendlichen Störern, Wegläufern und kleinen Dieben auf relativ bequeme Weise zu schützen.

Wir lehnen die gesetzliche Festschreibung der GESCHLOSSENEN UNTER- BRINGUNG entschieden ab. In 10 Bundesländern werden seit Jahrzehn- ten immer wieder Hunderte von Jugendlichen in GESCHLOSSENEN Heimen festgehalten. Seit 1969 haben uns Frfahrungsberichte betroffener Jugendlicher immer wieder bewiesen, daß der Freiheitsentzug in Hei- men ihnen schweren psychischen und sozialen Schaden zugefügt hat. Sie erwarteten Hilfe und erlebten Bestrafung. Sie hatten Probleme und wurden isoliert, Sie hatten Angst, waren mißtrauisch, aggressiv und hilflos, aber wurden zurückgestoßen, ausgesondert und einge- sperrt. Am Ende waren sie gebrochen und den Belastungen draußen erst recht nicht gewachsen.

Statt das nach wie vor unzulängliche System der Jugendhilfe für die Betroffenen zu einem immer engmaschigeren Netz zu machen, dem sie sich nicht entziehen können, erscheint es uns mehr denn je notwen- dig, die Struktur dieses Systems grundlegend zu reformieren. Nur dann kann die Sorge um besonders gefährdete und schwer erreichbare Kinder und Jugendliche glaubhaft erscheinen.

Dabei kommt es vor allem auf die Unterstützung präventiver Ansätze an, die sich auf die sozialen Lebensumstände der Familien, ihrer Kinder und Jugendlichen beziehen, und in unorthodoxer Weise Selbst- hilfeorientierungen anregen und stabilisieren.

Weiter müssen die Heime der öffentlichen Erziehung qualitativ so verändert werden, daß ihre Mängel nicht von vornherein zu dem Ver- legungsmechanismus führen, der als Endstation die GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG nach sich zieht.

Die jugendhilfegesetzliche Verankerung der GESCHLOSSENEN UNTERBRIN- GUNG wird die Willkür und den Mißbrauch des Freiheitsentzugs in der Heimerziehung verschärfen. Dagegen ist eine Öffnung aller GESCHLOS- SENEN HEIME notwendig, wenn wir den Kindern und Jugendlichen in ih- rer psychischen und sozialen Not tatsächlich helfen wollen.

- Bo -

® Wir fordern alle Fachleute und Politiker auf, den geplanten Rück-

schritt zu offenen

ten.

e Wir fordern die Verantwortlichen in allen Länderministerien und

Zwangsmaßnahmen im Jugendhilferecht aufzuhal-

Heimträger auf, ihre Zustimmung zu den $$ 46 und 47 des Kabinetts- entwurfs zurückzunehmen und sich für eine humane Heimerziehung

einzusetzen.

e Wir fordern die Presse und gesamte Öffentlichkeit auf, diese Er- klärung zu verbreiten und weitere Informationen zugänglich zu ma-

chen.

® Für die Heimerziehung signalisieren die geplanten $$ 46 und 47

die höchste Alarmstufe.

® Wir fordern die ersatzlose Streichung der $$ 46 und 47 aus dem Kabinettsentwurf für ein neues JUGENDHILFERECHT.

INFO SOZIALARBEIT, HEFT 18 HEIMERZIEHUNG KRITIK UND ALTERNATIVEN

Das Schwerpunktthema wird ein- geführt mit einem Protokoll der Abschlußdiskussion des Kölner Heimerziehertreffens des Arbeits- feldes Sozialarbeit. Es folgen ein Beitrag "Gedanken über unser Le- ben im Heim”, der von Kindern, Jugendlichen und Erziehern zusam- mengestellt wurde und den Heim- alltag einer vergleichsweise fort- schrittlichen Einrichtung sehr haut- nah an den auch dort erfahrbaren Grenzen beschreibt. In einer eher analytischen Problemskizze Heim- struktur und Erziehersituation” werden grundlegende institutio- nelle und strukturelle Probleme herausgearbeitet, die den Rahmen für Erziehungsarbeit definieren. Zu- gleich diskutiert dieser Beitrag strategische Überlegungen für eine Handlungsperspektive der Eirzie- her und stellt damit die theoreti- sche Klammer zu einent Bericht "Gewerkschaftliche Arbeit in ei- ner Betriebsgruppe” dar Daran schließen sich einige "Berichte aus der totalen Heimsituation’’ Heim, Psychiatrie und Gefängnis an, die zeigen, wie sich grundlegende Strukturprinzipien der Heimerzie- hung unter Bedingungen totaler Abschottung verhängnisvoll zu- spitzen. Hierauf folgen einige ”Al- ternativen zur totalen Institution”, die direkt an den Lebenszusam- menhängen der Betroffenen an- setzen und versuchen, die Selbst-

hilfepotentiale von Familien, Kin- dern und Jugendlichen zu mobi- lisieren und zu unterstützen. Der Bogen, der sich vom Konzept des "Familienhelfers”, wie es die Ber- liner Gesellschaft für Heimerzie- hung entwickelt hat und praktiziert, über das "Kinderschutzzentrum” mit seinem mehrdimensionalen Hilfsangebot für Familien, über die "Werkschule” bis zum selbstorga- nisierten Jugendhof Kollektiv” in Odenthal-Kleve erstreckt, skizziert eine vorstellbare integrierte Fami- lien- und Gemeinwesenarbeit, die das für unser Jugendhilfesystem charakterische Merkmal des repres- siven Eingriffs engültig aufgibt. Ein Beitrag "Jugendfürsorge Kon- troll- und Eingriffsinstrument des bürgerlichen Staates in Arbeiter- familien” setzt sich mit dem Recht der Heimeinweisungsbehörden, dem Jugendhilferecht und der Ju- gendhilferechtsreform auseinander. Beiträge zur offenen Jugendarbeit "Selbstbestimmung: und der Weg dorthin Zum Aktionsradius von Berufspädagogen im Vorfeld von Selbstbestimmung und Selbstor- ganisation” und "Was ist los im Jugendzentrum?” sowie Beiträge zu Repression und Widerstand schließen das Heft ab.

Informationsdienst Sozialarbeit, Heft 18, Doppelnummer, 168 Sei- ten, DM 8,--.

‚- (Briefmarken/Scheck) an

g von DM 8 2000 GmbH, Postfach 591, 605 Offenbach 4

'oreinsendung

Bezug: Gegen V

Verlag

Günter Pabst, Schwalbach

4000 GEGEN GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG

Der Redaktionsbeirat "päd.extra Sozialarbeit" (in ihm arbeiten auch 2 Mitglieder des Arbeitsfeldes Sozialarbeit und der Redaktion Info Sozialarbeit mit) hatte im Dezember 1978 beschlossen, gegen die bevor- stehende gesetzliche Verankerung der geschlossenen Unterbringung im neuen Jugendhilferecht eine Unterschriftenaktion durchzuführen mit dem Ziel, möglichst viele Unterschriften zu sammeln und das Problem "Geschlossene Heime und Abteilungen" einer breiten Öffentlichkeit be- wußt zu machen und in der Fachöffentlichkeit die Diskussion von der Expertenebene herunterzuholen und die Arbeit verschiedener Heimer- ziehungsinitiativen zu unterstützen. Der Aufruf mit einer Liste von über 200 Erstunterzeichnern wurde in der Januar-Ausgabe von päd.extra und päd.extra Sozialarbeit veröf- fentlicht und gleichzeitig an die bürgerlichen Medien, Alternativ- und Fachzeitungen weitergegeben. Dieser Ausgabe des Info Sozialar- beit liegt ebenfalls das Unterschriftenflugblatt bei. Aus der Vielzahl der Aktivitäten sollen im folgenden einige dokumen- tiert werden: ® Mittlerweile haben über 4000 Erzieher, Sozialarbeiter, Lehrer, Psy- chologen, Pfarrer, Erziehungswissenschaftler, Schriftsteller, Haus- frauen, Arbeiter ect. diesen Aufruf unterschrieben (Stand: Anfang März). Hier ein Ausschnitt der eingegangenen Unterschriften: Prof. Dr. Georg Auernheimer; Prof. Dr. Wolfgang Bäuerle; Prof. Dr. Egon Becker; Prof. Dr. Helmut Becker; Prof. Dr. Ernest Bornemann; Ekkehard v. Braunmühl; Karola Bloch; Anita Breithaupt (Stadtver- ordnete in Frankfurt); Dr. Andreas Buro; Prof. Dr. Erhard Dennin- ger; Ingeborg Drewitz (Schriftstellerin); Prof. Ossip K. Flecht- heim; Dr. Anne Fromann; Prof. Dr. Wilfried Gottschalch; Prof. Her- bert Colla; Wolfgang Heckmann (Landesbeauftragter für Drogen West- berlin); Dr. H.H. Heldmann; Prof. Walter Hollstein; Prof. Klaus Horn (Sigmund Freud-Institut Frankfurt); Prof. Dr. Ernest Jouhy; Erwin Jordan; Robert Jungk (Publizist); Prof. Dr. Helmut Kentler; Prof. Dr. Arno Klönne; Dr. Heinz Kloppenburg DD.; Dr. Eberhard Künzel; Ernst Klee; Barbara Kubale (Heimleiterin); Prof. Dr. Hell- mut Lessing; Prof. Dr. Oskar Negt; Dr. med. Terje Neraal; Helmut OÖstermeyer (Familienrichter); Prof. Dr. Klaus Rehbein; Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter; Dieter Rössner (Staatsanwalt Tübingen); Jürgen Roth; Dr. Sigrun Schmidt-Traub; Prof. Gunther Soukup; Prof. Dr. Peter Teigeler; Dipl.Psych. Ursula Teigeler (Senat Familie, Jugend und Sport West- berlin); Dr. Hans Thiersch; Prof. Dr. C.Thürmer-Rohr; Prof. Dr. Marie Veit; Dorothee Vorbeck (Vorsitzende des Landesjugendwohl= fahrtsausschusses Hessen); Peter Widemann (Sozialoberamtsrat beim Senat Familie, Jugend und Sport Westberlin) ;Peter Paul Zahl (Schrift- steller, z.Zt. in Haft); Hartwig Zander; Dr. Thomas Ziehe;

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Arbeitsfeld Sozialarbeit im Sozialistischen Büro; Bundesarbeits- gemeinschaft der Dipl.Pädagogen e.V.; Courage - aktuelle Frauen- zeitschft; Mitarbeiter des EG-Modellvorhabens Projektverband Ob- dachlosenarbeit Duisburg/Essen; Eltern und Mitarbeiter der Glock- see Schule Hannover; Eltern- und Erzieherverband NRW e.V. Geschäfts- stelle Gelsenkirchen; Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Arbeits- gemeinschaft Jugendhilfe Bonn (u.a. Geschäftsführer Dieter Greese); Mitarbeiter des Deutschen Jugendinstituts München; Mitarbeiter des Fortbildungsinstituts für die pädagogische Praxis Berlin e.V.; Mit- arbeiter des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Frank- furt; Studenten und Dozenten der Fachhochschulen für Sozialarbeit Frankfurt, Wiesbaden, Köln, Fulda, Berlin etc; Mitarbeiter(innen) des Kinderheimes Leppermühle/Gießen; Mitarbeiter eines Heimes in Rittmarshausen bei Göttingen; 12 Mitarbeiter der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden Heidelberg; Projektgruppe "Ganztagsschul- projekt Drispenstedt'" Hildesheim; Weissmann-Verlag; 26 Mitarbeiter der "Qualifizierungsvereinigung Berliner Sozialpädagogen (QuaB$); Verein für Kultur und Kommunikation, Fulda; Redaktionskollektiv

der Fuldaer Stadtzeitung; Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes in München; Mitglieder einer Ev. Heimschule in Rangen- dingen-Bietenhausen; Fachschaft Pädagogik der Uni Mainz; Mitarbei- ter des Hauses für Jugendliche, Reinfeld/Hamburg

Studenten der Projektgruppe "Fremdplacierung" an der Fachhochschu- le Fulda haben zur Unterstützung Informationsstände aufgebaut und dort Unterschriftenlisten gesammelt. Eine Erzieherin aus Elmshorn hat sich nicht darauf beschränkt Unterschriften bei den Kollegen zu sammeln und ihre Verwandten und Bekannten angesprochen - es ist ja auch nicht allein ein pädagogisches Problem - unterschrie- ben haben auch Verwaltungsangestellte, Maurer, Maler und Schmid.

Ähnlich reagiert haben auch die Bewohner der Mühltalsiedlung in Wiesbaden.

Die Unterschriftenaktion hat - wenn auch bisher nur vereinzelt - zu Diskussionen in ÖTV-Fachgruppen, unteren Partei- und Parlaments- gremien geführt:

- Die Unterbezirkskonferenz der Jungsozialisten des Kreises Borken lehnt die geschlossene Unterbringung ab und leitet ihre Kritik weiter an den Unterbezirksparteitag der SPD mit der Aufforderung, entsprechende Beschlüsse in den Kreistag einzubringen.

- Stadtrat Eugen Eberle (Parteifreies Bündnis) brachte im Stuttgar-

ter Gemeinderat eine Anfrage ein und wollte wissen, ob die Stadt

Stuttgart die Paragraphen 46 und 47 anwenden würde. Für die Stadt-

Stuttgart bejahte der Bürgermeister Dannecker Konzeption und In-

halt des neuen Jugendhilferechts. Die CDU wies daraufhin, daß

über 200 Änderungsanträge gestellt worden seien. Ein zusammen- fassender Bericht über diese Anfrage wurde später im Amtsblatt der Stadt Stuttgart, das in einer Auflage von 400 ooo Exemplaren erscheint, veröffentlicht.

Informiert wurden alle Bundestagsabgeordnete; reagiert haben bis-

her die SPD-Bundestagsabgeordneten Karsten Voigt, der ein Ge-

spräch "über Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Wünsche des

Aufrufs" vorschlug; und Klaus Rottweil, der eine sachliche Stel-

lungnahme ankündigte.

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® Enttäuschend ist allerdings bisher die Reaktion der linken Zei- tungsmacher, Stadt- und Volksblätter ect.. Sie haben - mit weni- gen Ausnahmen: AZ - Die andere Zeitung; "links" - Sozialistische Zeitung; De Schnüss - Stadtzeitung Bonn; Fuldaer Stadtzeitung; Mar- burger Zeitung; Heim- und Erzieherzeitung Berlin; Elefantenklo - Gießener Zeitung; Plärrer - Stadtzeitung Nürnberg; "radikal! - Sozialistische Zeitung Westberlin; Stadtzeitung für Filderstadt bei Stuttgart; Informationsdienst Schule und Gesundheitswesen - die Problematik bisher nicht zur Kenntnis genommen. Wir haben nicht erwartet, daß die bürgerliche Presse das Thema auf- greift (die Frankfurter Rundschau brachte allerdings am 12.1.79 einen längeren Beitrag über die Aktion), aber erhofft, daß die vie- len Stadt- und Volksblätter, Alternativzeitungen etc. sich des Themas annehmen und damit der Unterschriftenaktion eine größere Breitenwirkung geben, Wie die pädagogische Fachpresse auf die Erklärung gegen die ge- schlossene Unterbringung reagiert, darüber werden wir im nächsten Heft berichten. Leserinnen und Leser, die Kontakt zu den Redaktionen der Stadt- und Volksblätter, zu Fachzeitschriften etc. haben, sollten einmal nach- fragen, ob die Erklärung nicht beim Genossen "PK" gelandet ist. Wer der Genosse "PK" ist? - Ganz einfach, er findet sich in jeder Re- daktion: der Papierkorb.

® Mittlerweile geht der Kabinettsentwurf seinen parlamentarischen Gang, die CDU hat im Bundesrat - ihr passt die ganze Geschichte aus einem anderen Grunde nicht, sie sieht die "Heilige Familie" angegriffen und wendet sich gegen die "sozialistische Emanzipations- duselei'"; die Paragrafen 46 und 47 gehen ihr im übrigen noch nicht weit genug - über 200 Änderungsanträge gestellt. Da die SPD das Jugendhilferecht wohl kaum zu einem Wahlkampfthema machen wird, dürfte der Kabinettsentwurf wohl erst einmal eine längere Zeit in den Ausschüssen schmoren und kommt Zeit - kommt Rat in der nächsten Legislaturperiode vielleicht wieder auftauchen. Auch wenn der Kabinettsentwurf erst mal wieder vom Tisch ist, für uns besteht kein Grund die Hände in den Schoß zu legen oder zu jubeln. Geschlossene Abteilungen und geschlossene Heime existieren weiter oder werden neu eingerichtet. (siehe auch S. 57)

® Die Unterschriftenaktion soll bis Ende April abgeschlossen sein, Die bis zum 30.4. eingegangenen Unterschriftenlisten werden ausge- wertet und in Form eines offenen Briefes dem Minister für Familie, Jugend und Gesundheit und der Presse zugänglich gemacht. Das Unterschriftenflugblatt kann weiterhin bezogen werden gegen Voreinsendung von DM 2,-- für lo Exemplare bei: Redaktionsbeirat päd.extra Sozialarbeit, c/o Günter Pabst, Am Schollengarten lo,

6231 Schwalbach

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Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit, Frankfurt

WIR LASSEN UNS NICHT WEGRATIONALISIEREN

Bisher konnten wir (Sozialarbeiter im Öffentlichen Dienst) noch re- lativ leicht behaupten, daß uns Rationalisierungsmaßnahmen nicht betreffen. Zum einen, weil wir persönlich nicht davon betroffen wa- ren, zum anderen, weil wir glaubten, persönliche Hilfen, wie wir sıe leisten, seien nicht zu rationalisieren.

In der "freien" Wirtschaft sah das anders aus. Auch bei Post und

Bahn hörte man mal von Stellenstreichungen.

Langsam aber sicher rollt nun auch auf uns die Rationalisierungswelle zu. Etappenweise - sehr dosiert - das Gefühl vermittelnd, auch die- se Streichungen oder jene Einengungen geien noch verkraftbar.

DIE SITUATION IN FRANKFURT

Vor nicht allzu langer Zeit haben viele Kollegen in der FaFü doppelt und dreifach gearbeitet, weil viele Stellen nicht besetzt waren (Notdienst, Abordnungen). Doch schon wenig später - als genug So- zialarbeiter zur Verfügung standen - wurde per Magistratsbeschluß eine Wiederbesetzungssperre (3 Monate durften freiwerdende Stellen nicht wieder besetzt werden) verordnet, d.h., die Stadt sparte sich dadurch erhebliche Kosten, die Kollegenarbeiteten oft wieder für zwei. l

Dann erwischte es die Kollegen in anderen Sachgebieten. Statistiken "bewiesen", daß das Sachgebiet "Wirtschaftliche Jugendhilfe zu we- nig Arbeit hat, 8 Kollegen wurden abgezogen. Im Sachgebiet Wirt- schaftliche Sozialhilfe" lief eine Organisationsprüfung, bei der herauskam, daß die ca. 30 fehlenden und deshalb nicht besetzten Plan- stellen ohnehin zuviel sind und deshalb gar nicht eingerichtet wer- den müssen - obwohl jedem bekannt ist, daß die Zahl der Hilfeempfän- ger erheblich zugenommen hat (Arbeitslosigkeit etc.). Der Personal- rat machte sich zwar stark, daß doch ca. 30 Kollegen eingestellt wer- den - es ist aber nur eine Frage der Zeit, wann diese Stellen ge- strichen werden und die übrigen Kollegen statt bisher 100 dann 127 "Fälle" zu bearbeiten haben.

Hautnah erreichten uns in der FaFü die Streichungsmaßnahmen, als im Frühjahr 1977 5 Planstellen gestrichen werden sollten mit der Begrün- dung: die Einwohnerzahl Frankfurts nimmt ab, also auch die Arbeit in der FaFü. Nach starken Protesten aller FaFü-Kollegen konnte die Strei- chung verhindert werden. Mit Zustimmung des Personalrates schaffte

es dann die Amtsleitung jedoch, eine Umverteilung von Planstellen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang (Streichung bzw. Verschiebung

von Planstellen) kam auch von der Sozialarbeiterbasis vermehrt der Wunsch auf (u.a. auf der Teilpersonalversammlung am 20.9.77), die Verteilung der Sozialarbeit und damit einhergehend die Verteilung

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von Planstellen nach einer neu zu erarbeitenden Bemessungsgrundlage "gerechter" vorzunehmen. Das Dezernatsverwaltungsamt ist an einer Arbeitsplatzbemessung sehr interessiert, mit dem Ziel der Rationali- sierung. Dies soll im Folgenden aufgezeigt werden.

Als erstes wurde in Abstimmung zwischen Sozialverwaltung und Haupt- amt eine Arbeitsgruppe mit \ertretern der Sozialen Ämter, dem Haupt- amt und dem Personalrat gebildet, die die Vorbereitungs- und Be- gleitarbeit leisten soll. Außerdem werden von fünf Sozialarbeitern aus der FaFü, einem Personalratsmitglied und einem Vertreter des Hauptamtes eine "Aufgabengliederung" für die in der FaFü zu leisten- den Arbeit erarbeitet. Dies dient als Vorbereitung für die eigentli- che Bemessung, d.h. für "Tägliche Arbeitsaufzeichnungen" und Lauf- zettel (siehe weiter unten).

Der zweite Schritt auf dem Weg zur Rationalisierung war der "Info- Markt", am 20.6.78, an dem aus jeder Sozialstation 3 Kollegen teil- nehmen durften. Außerdem erschienen vier Oberfürsorgerinnen und die gesamte Amtsleitung. Als "neutrale" Moderatoren nahmen zwei Herren

der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) teil.

Sehr viele Kolleginnen und Kollegen hielten es für wichtig und rich- tig, in den oben genannten Arbeitsgruppen und dem "Info-Markt" mit- zuarbeiten, auch wenn in der Zwischenzeit die Skepsis bezüglich dem Sinn und Ziel des durchgeführten "Info-Marktes" zunahm.

In Diskussionen in den einzelnen Sozialstationen und auf einer ÖTV-

Versammlung wurden Gründe aufgezählt, die für das "Mitmachen" spre-

chen sollen:

- durch Beteiligung können wir auf das Ergebnis der Arbeitsplatzbe-

messung Einfluß nehmen:

uns wird vom Arbeitgeber ein Mitwirkungsrecht eingeräumt. Dieses

"demokratische" Verhalten müssen wir ausnützen. Wir wissen zwar

nicht genau, was bei der ganzen Sache herauskommt, aber wenn wir

gar nicht mitmachen, wird das Ergebnis bestimmt noch schlimmer

als ohne uns;

endlich wird der Versuch gemacht, unsere Arbeit mit wissenschaftli-

chen Methoden zu überprüfen und "objektiv" festzuhalten;

- als Ergebnis erhoffen wir uns eine gerechtere Verteilung der Ar- beit;

- bei einer Untersuchung wird sicher unsere Arbeitsbelastung fest- gestellt und als Entlastung müßte zwangsläufig eine Planstellenver- mehrung herauskommen;

- mit dem Aufzählen unseres quantitativen Arbeitsanfalles wird un- sere qualitative Arbeit auch bewiesen werden;

- unser Berufsstand als Sozialarbeiter erhält endlich eine Aufwer- | tung, wenn unsere Arbeit wissenschaftlich bemessen und dargestellt wird;

- die Amtsleitung und die KGSt beweisen durch die Durchführung des "Info-Marktes" ein Interesse an unserer Sozialarbeit. Wir können durch Beteiligung am Info-Markt also ein gewisses Verständnis für unser sozialarbeiterisches Handeln bei den Vorgesetzten bewirken.

Die vorgebrachten Forderungen nach verbesserten Arbeitsbedingungen und der Schaffung einer unserer Arbeit angemessenen Bemessungsgrund- lage, wie wir sie auf der Teilpersonalversammlung vom 20.9.77 ge- fordert haben, sind richtig und legitim.

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Dieses Anliegen deckt sich scheinbar mit dem Anliegen der Stadt. Scheinbar deshalb, weil wir hinter dem Interesse der Stadt Rationa- lisierungsabsichten vermuten.

WAS DEUTET DARAUF HIN, DASS DIE VORGESCHLAGENEN UND TEILWEISE BEREITS DURCHGEFÜHRTEN UNTERSUCHUNGEN ZUR ARBEITSPLATZBE

MESSUNG, VORBEREITUNGEN FÜR GEPLANTE RATIONALISIERUNGEN BEINHALTEN ? ?

Zum einen wissen wir, daß der öffentliche Dienst und damit auch die Stadt Frankfurt aufgrund der staatlichen Finanzkrise unter einem Rationalisierungszwang steht.

Ein anderer Beleg für die Rationalisierungsinteressen der Stadt ist in der Mitarbeit der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungs- vereinfachung (KGSt) zu sehen. Bekanntlich ist die KGSt eine Einrich- tung - analog zu Unternehmensberatungsfirmen in der Industrie - die immer dann herangezogen wird, wenn es um Neu- und Umstrukturierungen größeren Ausmasses geht. Und die KGSt wird dafür bezahlt, daß sie dem Auftraggeber Vorschläge macht für Kosteneinsparungen - und d.h. immer auch Personalkosten - ohne daß dabei das Arbeitsergebnis sinkt, sondern möglichst noch steigt.

Die im Merkblatt zum "Info-Markt" aufgeführten unterschiedlichen Organisationstechniken zur Arbeitsplatzbemes- sung sind mit einigen Abänderungen in den Begriffen und den vorge- schlagenen Vorgehensweisen in den Methoden in der industriellen Ver- waltung als Rationalisierungsvorbereitung von Angestelltentätigkeiten hinlänglich bekannt.

WAS BENÖTIGT NUN DIE STADT FRANKFURT, UM RATIONALISIERUNGEN DURCHFÜHREN ZU KÖNNEN ? ??

Sie braucht vor allem genaue Kenntnisse darüber, wie unsere Arbeit im einzelnen abläuft und muß sie bis ins Detail hinein verstehen, um

sie dann rationalisierbar machen zu können.

Anders als bei Rationalisierungen durch Refa-Fachleute in der Indu- strie, ist unsere Sozialarbeitertätigkeit wegen der komplexen A k beitsprozesse schwer zu erfassen und ohne unsere Mitarbeit nicht mög- lich. D.h. die Fachleute, die mit der Erfassung unserer Arbeitspro- zesse beauftragt werden, müssen daher mit uns zusammenarbeiten, well nur wir ihnen genaue Kenntnisse über unsere Arbeit vermitteln können, Bei dem durchgeführten "Info-Markt" wurde auf ein sogenanntes Partı- zipationsmodell zurückgegriffen, welches sehr geschickt verschiedene Interessen abdeckte. b

Zum einen das Interesse der Fachleute, sich die o.a. notwendigen Kenntnisse über unsere Arbeit anzueignen. Zum anderen gelang es durch die besondere Methode des "Info-Marktes" das Interesse für eine Mit- arbeit bei uns herzustellen. Nämlich: es ist unser Interesse, Pro- bleme mit der Arbeit transparent zu machen und unsere teilweise vlel- schichtigen Arbeitsvollzüge darzustellen. Wie wir bereits oben aus- geführt haben, schien dieses Vorgehen vielen Kollegen als die einzi- ge Möglichkeit, Grundlagen zu schaffen, die eine gerechtere Planstel- lenbemessung zulassen.

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WAS WURDE JEDOCH TATSÄCHLICH DURCH DIE MITARBEIT AM INFO MARKT ERREICHT ?

Die Form des "Info-Marktes" griff unsere Bedürfnisse ersteinmal auf und schuf scheinbar ein liberal-pluralistisches und repressionsfrei- es Kommunikationsklima (alle Meinungen und Wünsche sind zugelassen)! Man spricht von Mitbeteiligung. Tatsächlich bleiben die alten Struk- turen jedoch erhalten, denn z.B. sind Vorgesetzte im "Info-Markt" mit vertreten. D.h. die Hierarchie der Arbeitsordnung bleibt beste- hen. Wenn auch die Sozialarbeiter mitreden durften, muß berücksich- tigt werden, daß sie an der Entscheidung über die Planung der Perso- nalbemessung, der Einrichtung des Info-Marktes, der Arbeitsweise usw. nicht beteiligt werden.

Dadurch wird deutlich, daß der "Info-Markt"

l. den Eindruck erweckt hat, unseren berechtigten Interessen nach verbesserten Arbeitsbedingungen nachzukommen;

2. für die von der Verwaltung beauftragten Fachleute der erste Ein- stieg war, um sich mit unserer Mitarbeit Wissen und Kompetenzen über eine ihnen fremde Arbeit anzueignen.

Parallel zum "Info-Markt" ist bereits eine Arbeitsplatzbeschreibung bzw. detaillierte Aufgabengliederung in Kleingruppenarbeit von uns erstellt worden. Durch dieses Verfahren sind entscheidende zusätzli- che Informationen über unsere Arbeit an die mit der Neuorganisie- rung bzw. Rationalisierung beauftragten Fachleute gegangen.

Mit diesem Material wurde die Grundlage geschaffen für ein kombinier- tes bzw. analytisches Verfahren. Eines der Instrumente für die Ra- tionalisierungen sind die analytischen VRLTARTEN, die Kombination von 'Täglichen Arbeitsaufzeichnungen' und "Laufzettelverfahren'.

Die Vorteile dieses Verfahrens liegen auf der Hand. Erst mit diesen Instrumenten vor allem den täglichen Arbeitsaufzeichnungen lassen sich die Informationen erheben, die einen detaillierten Einblick in die komplexen Anforderungen, Aufgabenstellungen und Abläufe der So- zialarbeit ermöglichen. Hat man einmal diesen Einblick und diese In- formationen, kann man die einzelnen Komponenten der Sozialarbeit analytisch vargi teleri, dann kann man auch bestimmen, welche Arbei- ten routinisierbar, standardisierbar und formalisierbar sind. Wel- che Tätigkeiten weniger qualifiziertem Personal (Sozialassistenten) übergeben werden können, welche Vorgänge in die elektronische Daten- verarbeitung integriert werden können, was zentralisiert und dezen- tralisiert bearbeitet werden kann.

Symptomatisch für den Teil des Merkblattes zum "Info-Markt", in dem die Erhebungsverfahren beschrieben werden, ist das völlige Fehlen inhaltlicher Probleme von Sozialarbeit. Es geht nur noch um Arbeits- mengen, Zeitwerte und Zeitaufwände für einzelne Tätigkeiten. Als l Ziel wird offen angegeben: die Ermittlung mittlerer Bearbeitungszei- ten. Dieser Begriff läßt nicht nur die Refa-Normalzeit anklingen,

er verfolgt methodisch das gleiche Ziel: für Arbeitsprozesse Lei- stungsnormen zu definieren, die den Arbeitsprozess unabhängig vom Wissen der betroffenen Sozialarbeiter planbar und kalkulierbar ma- chen. Kenntnisse über die anfallende Arbeitsmenge und die durch- schnittlichen Bearbeitungszeiten ermöglichen die Bestimmung des Per- sonalbedarfs, die Leistungsbeurteilung einzelner Mitarbeiter u.v.m..

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WAS STEHT IM VORDERGRUND

Bei diesen Methoden geht es nicht um die Verbesserung der Arbeits- bedingungen von Sozialarbeit, sondern primär um die Ökonomisierung und Rationalisierung von dosialebeít,

Spätestens hier wird klar, daß die Mitarbeit der Sozialarbeiter miß- braucht wurde , da das von uns gelieferte Material ausschließlich für die Rationalisierungsinteressen der Stadt nutzbar gemacht wird!!! Denn alle bisher gemachten Erfahrungen haben gezeigt, daß eine Mit- arbeit der Sozialarbeiter bei Planungsvorhaben der Verwaltungen ab- zulehnen ist, da sie nur als Alibi für ein demokratisches Verfahren dient, um letztendlich schon vorgegebene Ziele besser durchsetzen

zu können. Dies ist uns allen bekannt aus der Mitarbeit in Kleingrup- pen und dem Einreichen von Verbesserungsvorschlägen für neue Rund- verfügungen.

Und so ist es auch mit der Mitarbeit bei der Planstellenbemessung, auch da soll und wird unsere Mitarbeit wieder für die Durchsetzung der Ziele der Stadt mißbraucht!!!

SCHLUSSBEMERKUNG

Die Stellenplanbemessung der Stadt Frankfurt, wurde auf Veranlassung des Dezernates für Soziales und Jugend und dem Hauptamt in Zusammen- arbeit mit der KGst vor ca. 1 1/2 Jahren eingeleitet.

Die einzelnen Schritte, die von der KGst vorgeschlagen wurden, wur- den bei nur vereinzelten Gegenstimmen praktisch durchgeführt. Nach- dem die Vorbereitungsarbeiten (incl. Info-Markt) abgeschlossen wa- ren, haben wir nach ständiger Diskussion im AKS festgestellt, daß es notwendig war, gegen diese Form von Rationalisierung vorzugehen. Auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen und des vorliegenden Mate- rials den vorstehenden Text als Flugblatt erarbeitet und zur Vorbe- reitung einer ÖTV-Teilmitgliederversammlung der städtischen Sozial- arbeiter auf den einzelnen Sozialstationen verteilt.

Bei der Teilmitgliederversammlung hat uns diese Stellungnahme dahin- gehend genützt, einheitliche und begründete Argumente vorzubringen. Dadurch konnte erreicht werden, daß die Diskussion über die geplante Arbeitsplatzbemessung nochmals analysiert und aufgerollt wurde, ent- gegen dem Interesse von Personalratsmitgliedern sowie vereinzelten Vertrauensleuten und Kollegen, die auf dem Treffen die Planung ei- ner konstruktiven Weiterarbeit vorantreiben wollten.

Jene Gruppe hat mit einer vertrauenserheischenden Taktik zwar darauf hingewiesen, daß schon zu befürchten sei, daß diese Arbeitsplatzbe- bessung sich auch negativ auf uns auswirken könnte, daß aber doch trotzdem vertrauensvoll mitgearbeitet werden solle, um Schlimmeres zu verhüten. Mit Hilfe unseres Flugblattes und unseres Auftretens konnten wir erreichen, daß die ursprünglich geplante forsche Weiter- arbeit verhindert wurde und zusätzliche Kollegen durch unsere Argu- mente nachdenklich geworden sind bzw. von der Richtigkeit unserer Argumente überzeugt wurden, eine weitere Unterstützung des geplan- ten Vorgehens zur Stellenplanneubemessung abzulehen .

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Nicht verhindern konnten wir allerdings, daß wir bei einem Antrag, der den sofortigen Abbruch der Mitarbeit des Personalrats und der Kollegen an der Arbeitsplatzbemessung zum Inhalt hatte, knapp unter- lagen.

Neben der Stärke unserer Argumente für die Ablehnung der geplanten Arbeitsplatzbemessung liegt unsere Schwäche darin, daß wir bisher keine Vorstellungen über eine andere Planstellenbemessung genauso durchdacht und überzeugend vorbringen können. Aus den Diskussionen die bislang nur im kleineren Kollegenkreis geführt wurde, zeichnet sich folgende Tendenz ab:

Bei der Entwicklung von Kriterien für eine Arbeitsplatzbemessung stehen wir vor dem für uns unlösbaren Widerspruch einerseits unse- re Interessen als Arbeitnehmer wahrzunehmen, die natürlich auf die Verbesserung der Arbeitssituation gerichtet sind, auf der anderen Seite unser sogenanntes berufliches Handeln bei sich abzeichnender - Zunahme der staatlichen Kontrolle

- Ausbau der Bürokratisierung

- Verpflichtung auf bestimmtes, methodes Handeln.

Da wir davon ausgehen, daß sich andere Kollegen mit der gleichen

Problematik rumschlagen, erwarten wir Diskussionsbeiträge zu der Gesamtproblematik.

Arbeitsfeldmaterialien zum Sozialbereich

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Heft 2:

Arbeitermädchen n Jugendzentrum Marlene Neske/

(56 Seiten, broschiert, DM 4.—) Gunter v. Juterzenka

Heft 3 ZWISCHENLOSUNG: ARBEITSKOLLEKTIVE cit 3%

Selbsthilfeinitiativen und Jugendarbeitslosigkeit

Knastalltag am Beispiel Mannheim arreen Mar =y - Dokumentation -

(128 Seiten, broschiert, DM 7.--)

Heft 4:

Der institutionalisierte Konflikt

Ex. Untersuchung zur Rolle des Sozia arbeiters in der Klassengesellschaft am Bspl. der Jugend- u.Familienfürsorge (200 Seiten, broschiert, DM 10.—)

Heft 5:

Sozialpädagogik und Arbeiterinteressen Am Beispiel der Jugendarbeit ım Stadtteil Mannheim —Rheinau

(48 Seiten, broschiert, DM 3.—)

Heft 6:

Staatliche Sozialpolitik - Am Beispiel der Entwicklung des

Systems sozialer Sicherheit

(134 Seiten, broschiert, DM 8.—)

Studenten der Fachhochschule f. Sozialarbeit,Westberlin

SOZIALARBEITERGESETZ BERUFSVERBOT AUF UMWEGEN?

Am 28.9.78 befasste sich das Berliner Abgeordnetenhaus in erster Le- sung mit einem Gesetzentwurf des Senators für Familie, Jugend und Sport zur Neuregelung der zweiten Phase der Berufsausbildung (Berufs- praktikum) für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen. Dieser Gesetzes- entwurf, das sog. Sozialarbeitergesetz stößt auf heftige Kritik und Ablehnung aller Betroffenen.

Einig sind sie sich darüber, daß die gegenwärtige Form der theore- tischen Begleitung des Berufspraktikums verbesserungsbedürftig ist. Seit 1970 steht das Berufspraktikum und das abschließende Kolloquium zur staatlichen Anerkennung unter Dienst- und Fachaufsicht des Sena- tors für Wissenschaft und Forschung. Die Durchführung des praxisbe- gleitenden Unterrichts und des Kolloquiums wurde an die Fachhoch- schulen delegiert, die auch die Betreuung der Praktikanten und deren Vertretung im Konfliktfalle mit den jeweiligen Praxisstellen über- nehmen.

Der neue Gesetzesentwurf entzieht den Fachhochschulen durch Übergang der Fach- und Dienstaufsicht auf den Senator für Familie, Jugend und Sport, der gleichzeitig Haupteinstellungsbehörde für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen ist, jegliche Verantwortung und Einflußnahme auf die zweite Phase der Berufsausbildung. DerSenator für Familie, Jugend und Sport richtet ein Sozialpädagogisches Seminar ein, das die Praxis- begleitung durchführt. Der Leiter des Sozialpädagogischen Seminars (SPS) und die Dozenten werden vom Senator für Familie, Jugend und Sport bestimmt. Als Dozenten sind Berufspraktiker und Hochschullehrer beider Fachhochschulen vorgesehen, wobei es den Hochschullehrern wohl kaum möglich sein dürfte, zusätzlich zum Unterricht an der Fachhoch- schule Seminare am SPS zu übernehmen. Folglich erscheint es wahr- scheinlich, daß Berufspraktiker, deren Dienstherr in den meisten Fäl- len der Senator für Familie, Jugend und Sport ist, den größten Teil der Dozenten am SPS stellen. Der Senator für Familie, Jugend und Sport übernimmt im Rahmen des SPS die Auswahl und Vermittlung von Praxis- stellen, legt den zeitlichen Ablauf fest, berät die Berufspraktikan- ten, ermittelt den Bedarf an Praxisstellen und erstellt die Unter- richtspläne, Dadurch, daß die gesamte zweite Phase von unserer zukünf- tigen Einstellungsbehörde durchgeführt wird, sehen wir die Gefahr,

daß das SPS eine einseitige Ausrichtung auf die gängige Praxis der Sozialarbeiter hat. Gleichzeitig dient dem Senator für Familie, Ju- gend und Sport das SPS als Kontroll- und Ausleseinstrument für krj- tische und damit unbequeme Praktikanten.Besonders geeignet ist hier- zu u.a. der $ 2 der Durchführungsbestimmungen zum Sozialarbeiterge- setz. In diesem Paragraphen ist festgelegt, daß fünf entschuldigte Fehltage im SPS "auf die Teilnahme an den Fachseminaren angerechnet werden, wenn hierdurch der Ausbildungszweck nicht gefährdet ist", Theoretisch kann also schon ein Fehltag zur Nichtanerkennung des ge-

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samten Ausbildungsabschnittes führen. Wie solche Paragraphen in der Zwischenzeit gegen kritische und unbequeme Leute gewandt werden, hat

sich wohl allgemein herumgesprochen.

Hat der Praktikant diese Hürde (sprich erste Kontrollinstanz) genom- men, steht er vor einem zweiten Stolperstein: dem Kolloquium. Hier bietet sich dem Senat gleich mehrmals die Möglichkeit, "unliebsame Elemente" auszusortieren. Zum ersten durch die sog. Praxisberichte. Sowohl der Praktikant wie auch dessen Anleiter am Arbeitsplatz haben einen Praxisbericht anzufertigen. Der Praxisbericht des Praktikanten muß von der Kolloquiumskommission für "ausreichend" befunden werden. Der Praxisbericht des Anleiters muß eine Beurteilung des Praktikan- ten beeinhalten, worin dieser zumindest das Prädikat "ausreichend" für seine sozialpraktische Tätigkeit erhalten muß. Ist dies nicht der Fall, muß ein neuer angefertigt, bzw. ein Teil der praktischen Tätigkeit wiederholt werden. Die Möglichkeit einen Praxisteil zu wiederholen hat der Praktikant in der Regel nur einmal. Sollten auch beim zweitenmal seine Leistungen mit "nicht ausreichend" bewertet werden, darf er sich einen anderen Beruf suchen. Was "ausreichend" im konkreten Fall heißt, ist nirgends festgelegt.

Im eigentlichen Kolloquium, das über die staatliche Anerkennung als

Sozialarbeiter/Sozialpädagoge entscheidet, sind folgende Punkte inte-

ressant:

® die Besetzung: Die Kolloquiumskommission besteht aus einem Vorsit- zenden (vom Senator für Familie, Jugend und Sport eingesetzt),einer Lehrkraft des SPS (wahrscheinlich jemand, dessen Dienstherr der Se- nator für Familie, Jugend und Sport ist), ein Hochschullehrer der Fachhochschulen (vom Senator für Familie, Jugend und Sport ernannt), einem von einem Bezirksamt oder einem Verband der freien Wohlfahrts- pflege benannten Mitglied (welches evtl. ebenfalls dem Senator für Familie, Jugend und Sport unterstellt ist oder eng mit diesem zu- sammenarbeitet (Bezirksamt, Wohlfahrtsverband).

@ Das Kolloquium ist im Gegensatz zu bisherigen Regelungen nicht öf- fentlich. Teilnehmen können außer den Kommissionsmitgliedern und dem Praktikanten selber alle "am Berufspraktikum beteiligten Mit- glieder des Senats oder von ihnen beauftragte Mitglieder ihrer Behörden." D.h., daß auch die jeweiligen Praxisanleiter jederzeit am Kolloquium teilnehmen können. Diese unterstehen in den meisten Fällen dem Senator für Familie, Jugend und Sport. Ob weiteren Per- sonen die Teilnahme am Kolloquium gestattet wird, entscheidet der Vorsitzende der Kommission.

® Die Kommission stellt fest, ob der Praktikant das Kolloquium mit Erfolg bestanden hat, eine Voraussetzung für die Erteilung der staatlichen Anerkennung als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge. Da es jedoch keine festgelegten Kriterien gibt, ist es kaum möglich bei nichtbestandenem Kolloquium gerichtlich mit Erfolg dagegen vorzu- gehen. Man hat lediglich die Möglichkeit, ein Vierteljahr später an einem weiteren Kolloquium teilzunehmen. Wird auch dieses mit "nicht bestanden" bewertet, bleibt nur noch der Weg der neuerlichen Berufswahl bei der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes offen.

Das Kolloquium stellt in seiner Gesamtheit die zweite Reglementie- rungs- und Kontrollinstanz dar. Einmal kann schon durch die Zulassung bzw. die zweimalige Nichtzulassung "die Spreu vom Weizen" getrennt

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werden. Zweitens läßt das eigentliche Kolloquiumsgespräch mit seinem Prüfungs-

charakter (bestanden/nicht bestanden) aber ohne Prüfungskriterien (deshalb rechtlich kaum anfechtbar) genügend Möglichkeiten offen, kritischen unangepaßten Studenten die staatliche Anerkennung als

Sozialarbeiter/Sozialpädagoge zu verweigern. Durch die personelle Verflechtung der Kolloquiumskommission mit dem Bereich Familie, Ju-

gend und Sport ist eine kontinuierliche Kommunikation über eventuel-

le unliebsame "Elemente" gewährleistet, durch die mögliche Teilnahme och vervollkommnet und

des Praxisanleiters am Kolloquium wird sie n

die Regelung der Öffentlichkeit gewährleistet, daß ein "Abschluß" nicht durch irgendwelche Zuhörer erschwert wird. Sind diese Hürden umschifft, wird man u.U,. als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge staat-

lich anerkannt.

Zu versagen ist aber die Anerkennung, wie es im $ 9 Art. 1 Sozial- arbeitergesetz heißt, wenn: "Tatsachen festgestellt werden, die

die Unzuverlässigkeit in bezug auf die Berufsausübung oder die Unge- eignetheit wegen körperlicher oder geistiger Mängel dartun." Nicht nur, daß durch diesen Paragraphen die Resozialisierung von Behinder- ten erschwert wird, von der die sozial-liberale Koalition in Bonn in diversen Grundsatzprogrammen immer wieder spricht; es wird erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland das Berufsverbot gi~ rekt in ein Gesetz aufgenommen. Wer verfolgt hat, wie mit den 20 unveräußerlichen Grundrechten des Grundgesetzes jongliert wurde, um den Radikalenerlaß zu legitimieren, der wird kaum Schwierigkeiten haben, sich vorzustellen, in welcher Weise der Begriff "Unzuverlässig” keit in Bezug auf die Berufsausübung" gegebenenfalls interpretiert werden kann. Es drängt sich der Eindruck auf, als wollten bestimmte Kreise, aufgeschreckt durch Aussagen führender SPD-Politiker den Radikalenerlaß betreffend (Brandt: "Ich habe mich geirrt"), sicher- heitshalber das Berufsverbot über die in Frage kommenden Ausbildungs- ordnungen auf eine breitere Plattform stellen. Bleibt abzuwarten, wann ähnliche Formulierungen in anderen Ausbildungsordnungen (z.B.

zweite Phase Lehrerausbildung) auftauchen.

Eine zweite Neuheit bringt der Art. 2 des $ 9 mit sich. Hierin

heißt es u.a.: "Es (das für das Jugendwesen zuständige Mitglied des Senats) hat die staatliche Anerkennung mit Wirkung für die Zukunft P zu widerrufen, wenn nach ihrer Erteilung Versagensgründe eintreten. Hier, bei den bereits in der Praxis stehenden Sozialarbeitern/Sozial- pädagogen, setzt die dritte Kontroll- und Reglementierungsfunktion des Gesetzes ein. Die praktischen Auswirkungen des Gesetzes lassen sich relativ kurz schildern. Um die staatliche Anerkennung ZU erlan- gen und diese auch zu behalten, werden sich die Studenten angepaßt, diszipliniert und nach der gängigen Praxis verhalten, ähnlich cer Wirkung, den der Radikalenerlaß auf breite Teile der Öffentlichkeit hat.

hochschulen wird aufgrund der umsichgrei-

en und Dozenten immer mehr htet werden, und die viel ge- bt nurmehr eine theoretische.

Der Seminarbetrieb der Fach fenden Verunsicherung unter den Student auf das SPS und das Kolloquium ausgeric priesene Freiheit der Wissenschaft blei hen Teils der Ausbildung (Berufs-

Die völlige Loslösung des praktisc ldungsabschnitt (Fachhochschulen)

praktikum) vom theoretischen Ausbi

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wird eine Verschlechterung der Ausbildungssituation und damit der Qualifikation bewirken, denn eine wirksame Zusammenarbeit beider Ausbildungsteile ist nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes kaum

vorstellbar und auch nicht vorgesehen.

Der Sturm der Entrüstung, den die Informationen über diesen Gesetz- entwurf in den Fachhochschulen, unter den Sozialarbeitern, in den Ge- werkschaften, Berufsverbänden und z.T. in den Parteien auslösten, ließ bei den Abgeordneten schließlich Zweifel aufkommen, ob eine Ver- abschiedung dieses Gesetzentwurfs ratsam sei. Anfang Dezember ver- lautete aus der FDP-Fraktion, daß sie der Vorlage nicht zustimmen würde. Da die CDU ohnehin der regierenden SPD mit Blick auf die Wah- len im März 1979 diesen Erfolg nicht gönnen wollte, war damit der Gesetzentwurf gestorben.

Das heißt aber nicht, daß nicht nach den Wahlen mit einem erneuten Vorstoß in die gleiche Richtung zu rechnen wäre. Noch liegt auch

dem nordrheinwestfälischen Landtag ein ähnlicher, wenn auch in eini- gen Punkten abgeschwächter Gesetzentwurf vor. Neuerdings wurde ein Diskussionsentwurf für eine "Anerkennungsordnung" aus Bremen bekannt, der in vielen Punkten vom Berliner Entwurf abgeschrieben zu sein scheint. Hier wird endlich klar, warum der Entwurf im Vorwort u.a. damit, begründet wurde, daß er "vorhandenen Tendenzen in der übrigen Bundesrepublik Rechnung" trage - eine "konzertierte Aktion"!

Es drängt sich die Überlegung auf, daß solche Gesetze im wesentlichen als Disziplinierungsinstrumente gedacht sind, als höhere Weiterent- wicklung der Politik der Radikalenerlasse. Zukünftig wird unliebsa- men Sozialarbeitern von vornherein die Möglichkeit zur Berufsausübung durch Verweigerung der staatlichen Anerkennung entzogen werden, und bereits tätige Sozialpädagogen werden sich mehrmals überlegen, ob

sie sich gegen die gängige Praxis und gegen die Interessen der vor- gesetzten Behörde für die Belange der Betroffenen einsetzen werden, wenn ihnen mit dem Entzug der Zulassung zum Beruf gedroht wird.

Wir suchen

SOZIALARBEITER/ SOZIALARBEITERIN

für fachübergreifende Gemeinschaftspraxis mit psycho- sozialem Bereich (Neurologe/Psychiater, 2 Psychologen,

1 Beschäftigungstherapeutin).

Wir wünschen uns eine(n) praxiserfahrene(n) Kollegin(en), die/der bereit ist mit uns weiter am Konzept zu arbeiten

- Zusammenarbeit mit den organmedizinischen Bereichen - soziale und psychische Betreuung der Patienten

- rechtliche Beratung

GESUNDHEITSZENTRUM e.V. 6086 RIEDSTADT 1 Telf. 06158/l1ool Katharina Sommer

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Josef Bura/Lora Barrelet, Hamburg

EIN LEHRSTÜCK AUS DER GEGENREFORM Die Zerschlagung eines fortschrittlichen Instituts im Bereich Sozialpädagogik/Sozialarbeit an der Universität Hamburg

In den vergangenen Jahren hat es in der BRD auf verschiedenen Ebenen Versuche gegeben, gesellschaftskritische Ansätze von Sozialarbeit zu entwickeln, d.h. eine Sozialarbeit zu machen, die von den Interessen der von ihr Betroffenen ausgeht. Gerade in diesen Tagen wird an der Universität Hamburg ein Institut zerschlagen, an dem eine fortschritt- liche Ausbildung im Bereich Sozialarbeit/Sozialpädagogik betrieben wird. Wer dieses Lehrstück der Gegenreform aufmerksam verfolgt hat, sieht deutlich, daß es bei der Liquidierung des Sozialpädagogischen Zusatzstudiums nicht nur um die weitere Demontage eines sozialpäda- gogischen Ausbildungsganges auf Universitätsebene geht, sondern mehr noch um den Abbau fortschrittlicher Lerninhalte und eines demokra- tischen Studien- und Praxisansatzes. Für unseren Kampf um den Er- halt des Sozialpädagogischen Zusatzstudiums (SPZ) in seiner bisheri- gen Form ist es wichtig, daß eine breite überregionale Öffentlich- keit und Solidarität hergestellt wird. Denn: Wir, Mitarbeiter und

Studenten des SPZ geben nicht auf.

SOZIALPÄDAGOGISCHES ZUSATZSTUDIUM (SPZ) RESULTAT DER FRÜHEN REFORMPHASE

Mitte der sechziger Jahre wurde an der Universität Hamburg das Sozial- pädagogische Zusatzstudium eingerichtet. Es war mithin das erste und lange Zeit das einzige Institut in der BRD, an dem ausschließlich sozialpädagogische Probleme auf Universitätsebene bearbeitet wurden. Das SPZ war als Zusatz- und Kontaktstudium konzipiert: Jeder Student der Universität Hamburg, also Studenten aller Fachrichtungen, konnte hier neben oder nach seinem Hauptstudium eine Zusatzqualifikation im Bereich Sozialpädagogik erwerben. In der Praxis wurden Seminare und Projekte des SPZ aber auch für Interessierte ohne Hochschulqualifika- tion, also z.B. für Arbeiter und Hausfrauen offen gehalten.

Zu Beginn der siebziger Jahre, mit der Hinwendung der Studentenbewe- gung zu "sozialen Randgruppen", bildeten sich die wesentlichen, auch bisher noch gültigen Strukturen des SPZ heraus. Ein zuvor rein auf traditionell sozialarbeiterische Tätigkeitsfelder (Kinder-, Jugend-, Altenarbeit, Sozialarbeit als Fürsorge) orientiertes Lehrangebot wurde aufgegeben zugunsten eines problem- und praxisbezogenen Lehr- und

Lernansatzes. F , Inhaltlich befaßt sich das SPZ vorrangig mit sozial und gesellschaft-

lich benachteiligten Gruppen. Im Unterschied zur Reproduktion grauer

Theorie und zur Anhänfnng von nutzlosem, weil realitätsfernem Wis- sen, wie es sonst im traditionellen Universitätsbetrieb gang und gebe

ist, steht theoretische Reflexion am SPZ in engem Bezug zu praktischer

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Arbeit in den Projektfeldern und zu konkreten Fragestellungen heuti- ger gesellschaftlicher Entwicklungen. Es gab bzw. gibt Praxispro- jekte in verschiedenen Bereichen sozialer Unterprivilegierung und gesellschaftlicher Deklassierung: z.B. im Obdachlosenbereich, Pro- jektarbeit mit aggressiven Jugendlichen, Knastgruppen, Schul- und Vorschulprojekte mit Kindern aus den Betonsilos am Stadtrand, Arbeit mit Drogenabhängigen, Alten- und Ausländerarbeit, ein Frauenhauspro-

jekt und Projekte stadtteilbezogener Gemeinwesenarbeit in Sanierungs- vierteln von Hamburg.

Bezogen auf diese Projekte, in denen Studenten und Lehrbeauftragte des SPZ meist engagiert über längere Zeit arbeiten (mindestens 2 - 4 Semester) werden Seminare angeboten, in denen spezifische Probleme und die Ursachen sozialer Deprivation sowie die Möglichkeiten grund- sätzlicher Veränderungen im Sinne der Betroffenen erarbeitet werden. Diese speziellen Angebote werden vertieft durch Grundlagenveranstal- tungen z.B. zur Geschichte und Funktion von Sozialarbeit/Sozialpäda- gogik, zur Lage der Lohnarbeiter und der Arbeiterfamilien in der BRD, zu den gesellschaftlichen Ursachen von Obdachlosigkeit im Kapi- talismus, zu Stadtentwicklung und Wohnungsbaupolitik in Hamburg, zu Praxis und Methoden von Aktionsforschung usw..

Der Vielschichtigkeit der vorgefundenen gesellschaftlichen Probleme entspricht eine Ausbildung am SPZ, die interdisziplinär ausgerichtet ist. Interdisziplinarität wird dabei nicht verstanden als die ein- fache Addition von Theoremen verschiedener Einzelwissenschaften, son- dern stellt den Versuch dar, soziale und gesellschaftliche Probleme in ihrem komplexen Entstehungs- und Wirkungszusammenhang zu betrach- ten, d.h. die Zersplitterung in Einzelwissenschaften zu überwinden und von der Vielschichtigkeit der behandelten Probleme her ein in- tegrierendes Verständnis zu entwickeln.

Eng verknüpft mit der inhaltlich-praktischen Schwerpunktsetzung des SPZ sind die am SPZ bis jetzt bewahrten demokratischen Entscheidungs- strukturen, die wohl nicht nur für die Hamburger Universität beispiel- haft sind: Nicht nur die internen Belange des Instituts, sondern

auch und vor allem das Lehrangebot und die personelle Besetzung des Lehrkörpers wurden bislang auf Institutsversammlungen unter gleich- berechtigter Mitwirkung aller Institutsangehörigen entschieden.

All diese Momente weisen das SPZ in seiner bisherigen Struktur als ein fortschrittliches Institut aus, an dem die wesentlichen Postulate der Studentenbewegung realisiert werden konnten: demokratische Lehr- und Lernformen, Theorie-Praxis-Bezug in der Ausbildung, Interdiszipli- narität und Berufsorientierung im Interesse der arbeitenden und der unterprivilegierten Bevölkerung.

DIE DEMONTAGE EINES FORTSCHRITTLICHEN INSTITUTS

Seit Ende 1976 und im Zuge der gesamten Bewegung der Gegenreform in der BRD haben sich die Zugriffe auf die bisherige relative Autono- mie des SPZ verschärft. Ihren bisherigen Höhepunkt hat die Kampagne zur Anpassung des SPZ an den zunehmend reglementierten Hochschulbe- trieb im November 1978 gefunden. Gegen den Willen des gesamten Lehr- körpers und der Studentenschaft des Instituts wurden vom höchsten "Selbstverwaltungs"-gremium der Universität Hamburg (vom Akademischen

= O6 ~

Senat), basierend auf der Mehrheit der in ihm versammelten Professo-

ren, Grundzüge für ein "neues Konzept" beschlossen, Danach soll

@ der gesamte Lehrkörper des SPZ in andere Fachbereiche aufgehen. Dies bedeutet für das SPZ, das bisher über einen eigenen Lehrkör- per verfügte, daß künftig institutsfremde Professoren u.ä. gast- weise - für einige Zeit - am Institut lehren sollen. Da diese aber weiterhin dem Fachbereich angehören, der sie entsandt hat, ist bei der Struktur des Ausbildungsbetriebes der Hamburger Uni- versität vorhersehbar, daß es ihr vorrangiges Ziel sein wird, ihre gewohnte Form von praxisferner Ausbildung auch am SPZ zu institutio- nalisieren. Es erscheint somit mehr als fraglich, ob der bisherige fortschrittliche Lehrkörperdes SPZ, in der Mehrzahl leicht kündbare und schlecht bezahlte Lehrbeauftragte, unter diesen Bedingungen weiter am Institut tätig sein kann und will. Mit der personellen wird dann auch die inhaltliche Kontinuität der bisherigen Ausbil- dung am SPZ gefährdet. Das Lehren und Lernen am SPZ wird unter diesen Bedingungen fremdbestimmt und der Praxis- und Projektbezug wird ebenso zerstört werden wie das Prinzip einer integrierten In- terdiziplinarität in der Ausbildung. n

® Als Studenten am SPZ waren bisher alle an der Hamburger Universität Eingeschriebenen offiziell zugelassen. Nach der Vorstellung des Akademischen Senats in Hamburg darf künftig nur noch am SPZ stu- dieren, wer mindestens ein Grundstudium in einem anderen Fach ab- solviert und damit seine Integration in bzw. seine Anpassung an den normalen Wissenschaftsbetrieb bereits bewiesen hat. Studienan- fänger sind also vom Studium am SPZ ausgeschlossen. Mit dem zusätz- lich explizit formulierten Ausschluß aller Studenten der Erziehungs- wissenschaften vom Studium am SPZ werden darüber hinaus die Mög- lichkeiten, eine sozialpädagogische Zusatzqualifikation zu erwer- ben, drastisch und willkürlich eingeschränkt.

® Zudem sollen Leistungsnachweise, die am SPZ erworben und bisher an anderen Fachbereichen anerkannt wurden, dort grundsätzlich nicht mehr anerkannt werden, Damit entfällt,angesichts von Regelstudien- zeiten und der Verschärfung der Leistungsanforderungen in den Haupt- fächern, für viele Studenten nicht nur die Möglichkeit, Veranstaltun- gen des SPZ zu besuchen, sondern zugleich wird damit die dem SPZ eigene Verbindung von Theorie und Praxis faktisch unmöglich gemacht. Studieren am SPZ wird so zu einem "Luxus", den sich kaum ein Student mehr leisten kann. :

® Die bisherige Form der Selbstverwaltung des Sozialpädagogischen Zu satzstudiums, in der Lehrende, Lernende und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter gleichberechtigt über alle Belange des Instituts ent- schieden haben, wird durch eine neue Institutsordnung entsprechend dem Hochschulrahmengesetz ersetzt werden, in der Professoren aus fremden Fachbereichen die Mehrheit haben - und wie anderswo auch entscheidet in allen zentralen Fragen dann die Mehrheit innerhalb dieser (Professoren-)Mehrheit.

Insgesamt bedeutet diese neue Institutsordnung, die dem SPZ aufgezwun- gen wird, daß die relative Autonomie des Instituts abgeschafft wird, daß Studenten willkürlich und vorsätzlich vom Studium am SPZ abgehal- ten werden, daß der praxisbezogene Projektansatz der Ausbildung und die Orientierung von Sozialarbeit/Sozialpädagogik an den Interessen der Betroffenen desavouiert und verhindert werden. Denn in ihren we- sentlichen Änderungspunkten läuft diese neue Institutsordnung darauf

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hinaus, das SPZ personell und inhaltlich so auszuhöhlen, daß ledig- lich eine Hülse übrig bleibt, die allenfalls noch vom Namen her an das jetztige SPZ erinnert.

DAS SPZ WEHRT SICH

Mit dieser Beschreibung eines Beispiels von systematischer Liquidie- rung fortschrittlicher Ansätze in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik könnten wir es bewenden lassen - paßt es doch exakt in die alltäg- liche Erfahrung von Gegenreform und Repression in der BRD der spä- ten siebziger Jahre, Aber: So wichtig es auch sein mag, auch hierüber immer wieder zu berichten, so wichtig und mitteilenswert ist doch auch eine andere Erfahrung, die im Kampf um den Erhalt des SPZ gewon- nen wurde: Obwohl alle, die am SPZ lehren und lernen, gleichzeitig noch in verschiedenen anderen Bereichen engagiert sind, z.B. in den oben erwähnten Projekten, im Studium an ihren Fachbereichen, hat sich eine breite, alle Institutsgruppen umfassende Widerstandsfront gegen die Reglementierungs- und Liquidierungsbestrebungen der Universitäts- verwaltung gebildet,

Natürlich war und ist dies mühsam und kostet noch immer viel Kraft

- und solange wir auf uns allein gestellt sind, besteht immer noch die Möglichkeit, daß wir trotz unseres Einsatzes diese Auseinander- setzung verlieren.

Berücksichtigt man aber, daß gerade angesichts von ökonomischen Krisen in der BRD derzeit die gegenreformerischen Bestrebungen von rechts zunehmen, daß die Repression verschärft wird und daß sich zugleich

in großen Teilen der Linken Resignation breit macht, dann ist es doch ermutigend, hier zu erleben, wie die Erfahrung von demokratischen und wenig entfremdeten Lern- und Arbeitsformen nicht nur die Bereitschaft zum Widerstand wecken und stärken, sondern auch die Fähigkeit, phan- tasievolle Widerstandsformen zu entwickeln. In dem Zusammenhalt aller Institutsmitglieder, in den gemeinsam entwickelten Sketchen und Lie- dern und in der bewußten Entscheidung, sich die Formen der Auseinan- dersetzung nicht von scheinrationalen Bürokraten aufzwingen zu las- sen, steckt für uns ein Stück Hoffnung. Was wir im Kampf um den Er- halt des SPZ in Informationstagen, in Pressekonferenzen und Aktionen erlebt haben, zeigt uns mehr als alle Theorie, daß die Fortschritt- lichkeit des SPZ eben nicht nur in der Ersetzung rechter Theorie durch linke besteht, sondern daß veränderte Lern- und Arbeitserfah- rungen auch ganz konkret qualitativ neue Potenzen freisetzen.

Darum: HÄNDE WEG VOM SPZ !

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Sommerschule 1979

ALTERNATIV ARBEITEN ALTERNATIV LEBEN ?

Kritik der kapitalistischen Arbeitsorganisation und Technologie Alternative Modelle und Projekte

1. UM WAS ES AUF DER SOMMERSCHULE GEHT

Seit einiger Zeit wird in der Linken verstärkt darüber diskutiert, welche Alternativen wir eigentlich der vorherrschenden Entwicklung der Produktivkräfte und der immer umfassenderen Durchdringung aller Le- bensbereiche durch den Kapitalismus entgegenzusetzen haben. Dabei

geht es nicht einfach darum, der gesellschaftlichen Realität von heute die Utopie einer zukünftigen, befreiten Gesellschaft gegenüberzustel- len, sondern unser bisheriges Sozialismusbild kritisch zu überprüfen und Bedingungen und Ansatzpunkte gesellschaftlicher Transformation

aus den heutigen Produktionsverhältnissen zu bestimmen.

Von dieser grundsätzlichen Fragestellung aus ist die Thematik der Sommerschule '79, die vom 2.-4.6./10.6.bei Frankfurt stattfindet,ent- wickelt worden. In Arbeitsgruppen mit Werkstattcharakter sollen, be- zogen auf die eigenen politischen Erfahrungen, Alternativprojekte vorgestellt und diskutiert werden, sowie die in einzelnen Arbeitsfel- dern bereits geführten Diskussionen über Perspektiven und Grenzen al- ternativer Projekte arbeitsfeldübergreifend aufgegriffen werden. Das verstärkte Interesse an alternativen Projekten in den Bereichen der Erziehungs- und Sozialarbeit, des Gesundheitswesens usw. ist als Fluchtbewegung einzelner Frustrierter in seiner Tragweite nur unzu” reichend, wenn überhaupt verstanden. Diese Suche ist objektiv AUS= druck der in den letzten Jahren enger gewordenen Spielräume sozialisti- scher Politik in den staatlichen und quasi-staatlichen Institutionen. In immer stärkerem Maße beginnt sich die innerinstitutionelle ArbALT von Sozialisten in der reinen Defensive zu erschöpfen. Ansätze für of- fensives Vorgehen scheint es kaum mehr zu geben.

Angesichts dieser Situation drängt sich notwendigerweise die Frage nach alternativen Perspektiven auf, Die Frage nach alternativen Mo- dellen und Projekten ist aber auch immer die Frage nach ihren Rückwir- kungen auf die versteinerten Institutionen. Wird jene Frage nicht mehr gestellt, drohen alternative Ansätze zur Suche nach der Idylle und zum Inseldasein zu verkommen. In der Förderung bzw. Mitentwick- lung von sinnvollen Projekten wie in ihrer Vermittlung zur he rkömm- lichen, innerinstitutionellen Schul-, Sozial-, Gesundheitsarbeit usw. liegt eine Aufgabe, die auch auf der Sommerschule angegangen werden soll. vi

Aber die Sommerschule soll sich nicht darauf beschränken, Sie soll sich - in anderen Arbeitsgruppen ~ ausgehend von einer kritischen Uber- prüfung des marxistischen Fortschritts und des theoretischen wie politischen Verhältnisses der Linken zur Technologie mit der Krı- tik der kapitalistischen Technologie und Arbeitsorganisation befas- sen. Dies anhand konkreten, exemplarischen Materials, möglichst auch anhand einbringbarer, lebendiger Erfahrungen.

- 99 =

REIHE ROTER PAUKER

REIHE ROTER PAUKER, HEFT 16 . ° . ° Materialien für die Unterrichtspraxis En Sozialistische Zeitung

bringt monatlich auf etwa 28 Seiten Informationen und Anregun- anke Mas } ainer S gen fur die politische Arbeit, Beiträge zur sozialistischen Theo- Ren asp fuhl/Heiner Studt rıe und Strategie, Berichte aus der Linken international, „links“

SCHÜLEROFFENTLICHKEIT TH EM EN ist ıllusionsios, undogmatisch eine Zeitung für Theorie der

Praxis und lur Praxis dor Thoorie,

Einzelpreis DM 2,—

ł 5 Tr $% A S XK Bezugspreis, jährlich, DM 22,— + DM6.-- Versandkosten

INFO SCHULE GESCHICHTE DER Heft 35 ARBEITERBEWEGUNG | | “UMGANG MIT Heft 3 FASCHISMUS” SOZIALISTISCHE (104 S./DM 7,--) LINKE

fee BIS REIHE -Beiträge

En ROTER PAUKER von Fritz Lamm u.a.- (240 Seiten, DM lo,--) Heft 15 MEDIENPRAXIS -Öffentlichkeit für Schüler u. Lehrlinge- (104 Seiten, DM 7,--

REIHE REIHE BETRIEB UND GEWERKSCHAFT POLITISCHES THEATER EIN BETRIEB MACHT DICHT WERKSSCHLIESSUNG IN KALLETAL

—Betriebsstillegungen-Zentrales Problem gewerkschaft- »Der Freiheit eine Gasse« licher Politik

(96 Seiten, DM 6,--)

Dokumentation zur Zensur Im Theater

ARBEITSFELDMATERIALIEN

ZUM SOZIALBEREICH

SOZIALARBEIT

ZWISCHEN BÜROKRATIE UND KLIENT

Reprint der Sozialpäd.Korrespondenz 1969-1974

(200 Seiten, DM 1o,--)

INTERNATIONALISMUS RUNDBRIEF

Hef t 4 Initiative für die Freiheit der Theaterarbeit

THEMA: “REALER SOZIALISMUS” > (Din A4 , 48 Seiten, DM 4,--)

Bitte, fordern Sie unseren ausführlichen Verlagsprospekt an. Verlag 2000 GmbH des Sozialistischen Büros, Postfach 591, 6050 Offenbach 4

Ebenfalls möglichst auf der Basis konkreter Erfahrungen - notfalls aber auch spekulativ - soll die Frage einer alternativen, nicht- kapitalistischen Rationalität der Technik und der Arbeit geprüft wer- den. Spekulativ wird letzteres insofern notwendigerweise weitgehend sein, als hier vor allem Denkmodelle vorhanden sind. Allerdings gibt es für diese Diskussion auch wichtige Ansatzpunkte: selbstverwaltete Betriebe wie die Arbeiterselbsthilfe (ASH) Frankfurt; erste Diskus- sionen unter den in kapitalistischen Betrieben Beschäftigten hin- sichtlich alternativer Formen der Technik und der Organisation der Arbeit; praktische Versuche zur Durchsetzung alternativer Produktio- nen im Ausland usw.. Die Frage nach der politischen Bedeutung derar- tiger Ansätze stellt sich ebenso wie die Notwendigkeit einer Überprü- fung unseres "traditionellen" Politikverständnisses, ‚so groß auch

die Spanne zweifellos ist zwischen dem sich in der Suche nach dem alter- nativen artikulierenden Anspruch und der erdrückenden kapitalisti- schen Alltagswirklichkeit.

2. AUFGABEN UND ANGEBOTE DER SOMMERSCHULE

Dies ist - in groben Zügen - die für die Sommerschule '79 vorgesehene Thematik. Vorbereitung und Durchführung dieses Experiments liegen nicht in den Händen von "Spezialisten". Sie wird so gut oder so schlecht verlaufen, wie die Teilnehmer selbst die Sommerschule aktiv mitvorbereiten und mittragen und nicht in passiver Konsumentenhal- tung anreisen.

Die Sommerschule soll der politischen Integration der ansonsten in un- terschiedlichen Zusammenhängen aktiven Genossinnen und Genossen die- nen. Durch die Schaffung der - bisher kaum bestehenden Möglichkeit - einmal arbeitsfeldübergreifend und überregional über einen längeren Zeitraum hinweg an einer zentralen politischen Fragestellung gemein- sam theoretisch und praktisch zu arbeiten, soll ein Schritt dahinge- hend gemacht werden, vielfach äußerst disparate und wenig mıteinan- der verbundene Arbeits- und Erklärungsansätze in einen kollektiven Diskussionszusammenhang zu bringen, Die Sommerschule soll jedoch nicht nur dazu dienen, Genossinnen und Genossen aus einzelnen Arbeits- feldern miteinander in Verbindung zu bringen und einen Bogen zwischen den im Sozialisations- und Erziehungsbereich und den im Produktions- sektor Tätigen zu schlagen, sondern auch den Genossinnen und Genos- l sen aus der Provinz, die dort vielfach als Einzelkämpfer oder ın klei- nen Gruppen unter zumeist sehr schwierigen Bedingungen politisch aktiv sind, die Möglichkeit eröffnen, einmal in einem größeren Zusammen- hang zu diskutieren.

Die Sommerschule soll keine Lernfabrik sein. Die Vermittlung von In- formationen soll mit der Vermittlung praktischer Arbeitsansätze ge- koppelt sein. Die Sommerschule darf nicht von Spezialisten dominiert werden, die anreisen, um dort belehrende Vorträge zu halten und aka- demische Diskussionen zu provozieren. Spezialisten sollen sich als l Teilnehmer begreifen, die selbst wieder lernen, auch Lernende zu sein. Die Sommerschule soll Werkstattcharakter haben. Gemeinsam sollen poli- tische Fragestellungen aufgearbeitet und Ansätze zu praktischer Wen- dung entwickelt werden.

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Aber das ist nur das eine Bein, auf dem zukünftig Sommerschulen stehen sollen. Zusätzlich zur inhaltlichen Planung einer politischen Thematik müssen Planungen zu den Bereichen Spiel, Entspannung, Thea- ter usw. treten. Nur so kann eine Sommerschule den verschiedenen Be- dürfnissen gerecht werden:

- gemeinsam lernen und erholen

—- theoretisch aufarbeiten und praktisch erproben,

-~ kollektives Arbeiten von Genossinnen und Genossen aus unterschied- lichen politischen Arbeitszusammenhängen und mit unterschiedlichem Wissens- und Erfahrungshintergrund,

= Ausbrechen aus dem Alltag und, wenn auch zeitlich begrenzt, in soli- darischer Gemeinschaft leben.

Wer Interesse daran hat, die Sommerschule inhaltlich mit vorzuberei- ten und an ihr selbst teilzunehmen, wende sich, um weitere Informa- tıonen zu erhalten, an:

sozlalistisches Büro, Postfach 591, 6050 Offenbach 4

Tel.: 0611 / 83 25 93 ee —_\_“_“ 2

Infos der SB-Arbeitsfelder

Hiermit bieten wir die fortlaufenden Nummern mehrerer Jahrgänge der In- formationsdienste der Arbeitsfelder des SB jeweils zu Sonderpreisen an: Informationsdienst Arbeitsfeld Schu- le, Hefte 25 bis 31, Jahrgänge 1976/ 1977, u.a. zu folgenden Themen ® Thesen zur Situation und Aufgabe sozialistischer Lehrer © Repression/ Schulkonflikte ® Lehrerausbildung ® Gewerkschaft Erziehung und Wissen- schaft ® Lehrerzentren ® Schüler- bewegung ® Schulalltag.

Die einzelnen Info-Broschüren wür- .

den zusammen DM 29,-- kosten, der reduzierte Abgabepreis ist DM 15,--.

Informationsdienst Gesundheitswe- sen, Hefte 2 bis 10, September 1974 bis Jahrgang 1977, u.a. zu folgenden Themen ® Krankenhaus ® Ambulan- te Versorgung ® Politische und ge- werkschaftliche Arbeit am Kranken- haus ® Konzept für kooperative Am- bulanz ®@ Gesundheitswesen und bür- gerlicher Staat ® Gegen Standespo- litik für eine soziale Medizin ® Mediziner-Ausbildung.

Die einzelnen Info-Broschüren wür- den zusammen DM 38,-- kosten, der reduzierte Abgabepreis ist DM 20,--.

Informationsdienst Sozialarbeit, Hefte Il bis 18, Jahrgänge 1976/77, u.a. zu folgenden Themen ® Institutionelle Probleme stadtteilbezogener Sozial- arbeit ® Sozialarbeit und Jugendar- beitslosigkeit ® Alternative Psychia- trie © Studium und Berufspraktikum ® Gewerkschaftsarbeit in der ÖTV @ Kindergartenarbeit ® Heimerziehung | Kritik und Alternativen.

Die einzelnen Info-Broschüren wür- den zusammen DM 39,50 kosten, der reduzierte Abgabepreis ıst DM 20,--.

Es versteht sich, daß jeweils nur jede Serie zusammen zu dem Sonderpreis abgegeben werden kann, d.h. einzelne Hefte werden nach wie vor zum re- gulären Preis verkauft. Alle Informa- tionsdienste sind broschiert und haben einen festen Umschlag.

Die Lieferung der vorstehend zusam- mengestellten Jahrgänge der Arbeits- feld-Infos erfolgt ausschließlich gegen Vorauszahlung und portofrei (der Bestellung also gleich den Gegenwert durch Verrechnungsscheck oder in Bargeld beifügen) über den Verlag 2000 GmbH, Postfach 591, 6050 Offenbach 4.

Materialliste

THEMA: JUGENDPOLIZEI

Seit einigen Jahren versuchen die Innenministerien verschiedener Län- der und die Polizeibehörden den "Jugendpolizisten" als ihren Beitrag zur Bekämpfung der Jugendkriminalität einzuführen.

In allen Städten, in denen die Einführung bekannt wurde, hat sich da- gegen breiter Widerstand insbesondere unter den Jugendverbänden und den Sozialarbeitern entwickelt; mit Erfolg z.B. in Frankfurt (siehe Info Sozialarbeit, Heft 15).

Jüngstes Beispiel: in drei Städten Baden-Württembergs, in Stuttgart, Freiburg und Reutlingen, sind Jugendbeamte der Polizei zur Erprobung eingesetzt. Eine Initiative aus Mitarbeiter verschiedener sozialer Einrichtungen, sowie organisierten und nichtorganisierten Jugendli- chen haben dazu eine sehr ausführliche Stellungnahme erarbeitet, die gegen Voreinsendung von DM 1,50(Briefmarken) über das Sozialistische Zentrum, Neckarstr. 178, 7 Stuttgart 1 zu beziehen ist.

Die Stadt Hannover will sogar noch einen Schritt weitergehen; z.Zt. wird über den modellhaften Einsatz von zunächst zwei Sozialarbeitern in Polizeidienststellen nachgedacht. Wissenschaftlich begleitet wer- den soll dieses Modell durch einen Soziologen und Psychologen. Die- ses Modell hat einen praktizierten Vorläufer in Chikago; mittlerwei- le hat sich dort ein Referent des Justizministeriums eingefunden, um die "Vorzüge" zu studieren.

Hannes Kiebel, Sozilarbeiter aus Bochum hat zu diesem Thema umfang- reiches Material gesammelt, das bei ihm gegen einen Unkostenbeitrag plus Porto angefordert werden kann.

Adresse: Alemannenstr. 8, 4630 Bochum

Material des Innenministers NW und anderer Behörden a

® RdErl. des Innenministers NW vom 3.2.1978 - Bekämpfung der Jugend- kriminalität (1 Seite/DM -,20) ® Gem.RdErl. d. IM, MAGS, JM und KM NW vom 16.8.1979 - Bekämpfung der Jugendkriminalität (5 Seiten/DM 1,--) ® Antwort der Landesregierung "Belämpfung der Jugendkriminalität durch Jugendkommissariate', 3.10.1978 (2 Seiten/DM -,40) ® Antwort der Landesregierung "Jugendkommissariate', 9.1.1979 mit Anhang: Verfiigung des Kölner Polizeipräsidenten vom 6.7.1978 zur Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität (8 S./DM 1,60) ® Unterlagen zur Pressekonferenz des IM NW vom 22.1.1979 zur 'Jugend- kriminalität und Jugendgefährdung im Land NW' (6 Seiten/DM 1,20) Broschüre: Jugendkriminalität in NW IM als HG (kostenlos) Ingrid Gruber, Landeskriminalamt Bad.-Württ.: Neue Wege in der Be- kämpfung der Jugendkriminalität, 23.10.1978 (!) (lo Seiten/DM 2,--)

= O =

® Eduard Vermander, Polizeipräsident in Karlsruhe: Prävention durch Repression? (Ergebnisse einer Analyse der AG 'Jugendkriminalität' in Baden-Württemberg (1977 oder 1978) (14 Seiten/DM 2,80)

Stellungnahmen zum Jugendpolizisten

® Anita Breithaupt: Zur Diskussion um die Einrichtung einer Insti- stution '"Jugendpolizei' in Frankfurt am Main, in: Neue Praxis 74197772, 8. 172 Ef. (4 Seiten DN -,80)

© Joachim Merchel: Zur sozialpädagogischen Kritik an der Institution 'Jugendpolizei', in: Neue Praxis, 8/1978,2, S. 177 ff. (11 Sei- ten/DM 2,20) - mit Literatur-Angaben

® Kiebel, Hannes: Jugendpolizei (zusammengefaßte Bemerkungen), 22.1.1979 (3 Seiten/DM -,60)

® Gerd Brenner: Kinder und staatliche Gewalt: zum neuen bayerischen Polizeiaufgabengesetz, in: deutsche jugend, 26/1978/11/ S. 522 (1 Seite/DM -,20)

® Ausschnitte aus der Radiothek-Sendung des WDR über die Jutendpoli- zei, vom 21.11.1978 (2 Seiten/DM -,40)

® Reinhard Kahl: Kriminogene Öffentlichkeit, in: betrifft: erziehung 12/1979/1, S. 24 (1 Seite/DM -,2o)

© ISS Frankfurt a. Main: Stellungnahme zum Projekt 'Jugendpolizei' des Frankfurter Polizeipräsidiums, 1977 (7 Seiten/DM 1,40)

® Polizei-Arbeitsgruppe Frankfurt a.Main: Rahmenkonzeption zur Be- kämpfung der Jugendkriminalität (Jugendpolizei), 25.11.1976, (7 Seiten/DM 1,40)

Weitere Materialien

® Der Kontaktbereichsbeamte (hg. von der EV. Studentengemeinde in Mainz) 1979, Inhalt: Struktur und Funktion der Kontaktschutzsyste- me in der BRD (6 Seiten/DM 1,20)

® Das Blockwartsystem des Hitlerfaschismus (2 S), Der Abschnittsbe- vollmächtigte in der DDR (7 Seiten/DM 1,40)

® Das Mainzer Kontaktbereichsmodell (8 S), Dokumentenanhang (! = 12 Seiten/DM 2,40)

NEUE LOKALE SOZIALARBEITERZEITUNGEN

RABATZ FRANKFURTER ZEITUNG GEGEN HEIMERZIEHUNG

Die erste Ausgabe enthält einen Bericht über das Kinderheim Eppen- heim und die Kündigung von 12 Erziehern * Eine Dokumentation über die “Kleemannstr. Rödelheim” * Aufruf gegen geschlossene Unterbringung * Bericht vom Heimerziehertreffen in Hannover + Termine der Frankfurter Heiminitiative; Kontakt: Markus Lehnert, Rohrbachstr. 25, 6 Frankfurt Rabatz wird gegen DM 1,50 (Briefmarken) zugeschickt.

“NICHT IM ALLTAG ERSAUFEN” INFORMATIONSRUNDBRIEF FÜR MÜNCHNER Der Informationsrundbrief erscheint monatlich und berichtet über die Sozial- scene in München und vieles andere Wichtige - Termine - Hinweise etc. Bezug: AF Sozialarbeit im SZ München, Heßstr. 80, 8 München 40

MARXISMUS UND NATURBEHERRSCHUNG

Beiträge zu den Ersten Ermst-Bloch-Tagen Tübingen 1978

Verlag 2000

listische Zeitung

bringt monatlich auf etwa 28 Seiten Informationen und Anregun-

gen für die politische Arbeit, Beiträge zur sozialistischen Theo- rie und Strategie, Berichte aus der Linken international. „links“ ist illusionslos, undogmatisch eine Zeitung für Theorie der Praxis und für Praxis der Theorie.

Einzelpreis DM 2,—. | Bezugspreis, jährlich, DM 22,— + DM 6,— Versandkosten

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Zeitung für oziale E Betriebs

Betriebs- U arbeit

Sprachrohr der Kollegen und Genossen, die sozialistische Be-

triebs- und Gewerkschaftsarbeit machen. Informationen über

die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit. Beiträge, die man nicht in den Gewerkschaftszeitungen findet. Einzelpreis DM 1,20.

Bezugspreis, jährlich, DM 14,— + DM6,— Versandkosten Probeexemplare anfordern bzw. Abonnementsbestellung bei Verlag 2000 GmbH, Postfach 591, 605 Offenbach 4.

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