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INFO SOZIALARBEIT

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Fursorgeerzi ehung

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Dieser Info dient der Information ""^"f^l^ zwischen sozialistischen Gruppen und Einzelnen .die im Sozialisationsbereich arbeiten und wendet sich an Sozialarbeiter, SozialpHdagogen, Heimerzieher, Kinder gartnerinnen, Sozial planer, Psychologen, Erziehungsbe ratungsstellen, Kriminologen, Wmr.BmKsMUto- rer, Dozenten und Studenten an ^^J^^ttltZ- etc. Itn Mittelpunkt dieser Ausgabe stent die Furso rge- erziehung mit schwerpunktmaSiger Onenjnerung auf das Thema "Wohngemeinschaft mit Jugendlichen der offentli- chen Erziehung".

Einzelpreis drei Mark

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INFO SOZIALARBEIT Heft 1

I N H A L T

Editorial

Vorbemerkungen zu dieser Ausgabe

Sozialarbeit im Kapitalismus

Der Sozialarbeiter

Soziopsychische Situation der Sozialarbeiter

Schlaglichter zur Herkunft der "Fursorge"jugendlichen

Konkretionen zum Aufbau eines Jugendkollektivs

Verein Soziale Jugendarbeit e.V. Konzeption fiir die Einrichtung einer Wohngemeinschaft rait Minder jahri gen in b'ffentlicher Erziehung

Verdeutli chung der Klassenlage der Sozialarbeiter an Hand der im Kollektiv gemachten Erfahrungen

"DIE KOLLEKTIV-ZEITUNG"

Solidaritat mit dem Georg-von-Rauch-Haus

Zunehmender Druck der Sozialburokratie auf Jugendwohngemeinschaften

BUCHBESPRECHUNGEN

Gefesselte Jugend

Zur Sozialisation proletarischer Kinder

Mater i alien zur Lage

der Arbeiterjugend in Westberlin

Geschichte und Funktion der Sozialarbeit

Nachrichten

Seite

3

Seite

9

Seite

11

Seite

19

Seite

2o

Seite

22

Seite

25

Seite

32

Seite

37

Seite

41

Seite

55

Seite 59

Seite 63 Seite 65

Seite 67 Seite 71

Seite 72

Is^aS

Editorial

Die Wirtschaftskrise 1966/67, das Aufbrechen der Widerspriiche insbe- sondere an den Ausbildungsstatten - Hochschulen und Schulen - haben das gesamte System der BRD in eine gesellschaftliche Krise gefiihrt und den Glauben in den "krisenfesten Kapitalismus" nachhaltig erschuttert.

BeeinfluBt durch die Studentenbevegung und konfrontiert mit ihrer ei- genen mangelhaften Ausbildungssituation an den Hoheren Fachschulen und einer Praxis, die sich auszeichnet durch fehlende Mittel, ungeniigender personeller und materieller Ausstattung etc. stellte sich fur einen iramer groBer werdenden Teil der im Sozialbereich Tatigen (Sozialarbei- ter, Sozialpadagogen, Erzieher, Kindergartnerinnen etc.) die Frage nach den Wider spriichen, durch die ihre Arbeit gepragt vird, der poli- tischen Funktion von Sozialarbeit und der Selbstorganisation in diesem Arbeit sf eld.

Die Funktion von Sozialarbeit mit ihren verschiedenen Bereichen im Re- produktionssektor ist allerdings bisher erst auf einer sehr allgemei- nen Ebene bestimmt: AKS-Papier, Gefesselte Jugend, Erziehung und Klas- senkampf Nr. h/Ti. Sozialarbeit /Sozialpadagogik sind vernachlassigte Bereiche gesellschaftlicher Reproduktion. Sie sind gesellsuhaftlich notwendige Arbeit zur Erhaltung und Qualifizierung der Ware Arbeits- kraft. Da der Kapitalismus auf die reibungslose Verwertung der Ware Arbeitskraft angewiesen ist, beobachten vir im Verlauf der letzten^ Jahrhunderte eine immer starkere Verge se 11 sc haft ung der Sozialarbeit , die als Institutional sierung, Prof essionalisierung und Verstaatlich- ung zum Ausdruck kommt.

Dabei sind die gesellschaftlichen Funktionen der Sozialarbeit zu dif- ferenzieren: zum einen erfiillt sie allgemeine und materielle Aufgaben, •die eine jede Gesellschaft im Hinblick auf die Erhaltung der mensch- lichen Arbeitskraft wahrzunehmen hat (Sozialversorgung, Gesundheits- fiirsorge. Vorschule, Kindergarten), zum anderen erwachsen ihr Aufga- ben die sich als institutionalisierte Reaktion auf Phanomene verste- hen'lassen, die sich direkt oder indirekt aus den spezifischen Wider- spruchen der kapitalistischen Gesellschaft ableiten lassen: so die materielle Unterstiitzung derjenigen, die aus dem ProduktionsprozeB her- ausfallen und nicht voll integriert sind; so die disziplinatorische Integration derjenigen, die vorgangige Erziehungsinstitutionen nicht zu den gevriinschten "normalen" Verhaltensweisen gebracht haben. - Durch den kapitalistischen Widerspruch von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung sind der Sozialarbeit materielle Grenzen gesetzt. Die infrastrukturellen Bereiche werden nur soueit gefordert, vie es die Stabilisierung des Systems erfordert.

tZ'f860'5'" » 4itSP ?°Sen habe° beute erkannt, daB die ^ZT' 8US der si=hP ^fSS+n"ht ^fgehoben sind und die Arbei- HS« LS eeSeUsch^l^hS RH6^^ ^^den Teil rekrutiert,

lnBer « einer s h&r a ^f?" zu reproduzieren und sich ein Der Staat hat .. s D^— eru ng befindet.

^ti^sr^T"::: Au:snoDeYnd MaBnah»- ^^en,

""aaderl!^, aufzufa"gen und nc£^?en der kaPi*alistischen Pro- deren Rech?» ^ dle FinWzierunI. dL Z >? Reforme° nur soveit vor-

uad «wiS^fr"ffc Un^inEb„ !£?£ °*»? sie «r die Reproduktion der Ch.r.Ei!11!^?*!***. fefi^!!!°^fn Slnd- "ie sozialpolitischen

"ierunggl' £e "bernehmea nicT ° ° a*en *aher einen widerspruchliohen

"»lit^ WH f d 5k°nomiS Ur«^ Sle S°Uen auch abienken von ' Vervahrl°sung, Armut etc! V°D 0bda=hl°sigkeit, Kriai-

^^3rt«a^^i^£wi??" - d~ *■* - **-

Eich So^alSrr3*101182^™,^^- ^Srb-lt dur<=nlief verschiedene •*c. i„ a!^1*"-, Sozial.s,!!™66- lQ v^len Stadten nr^nisierten

**" J" ^it« "• So2ialpSdagoSn iQ-Vlelen Stfidten organisierten

I IT?*"1' ^^ITli^*1 W& KindergAnerinnen ' »it PursorBezfi^j.r ?lch ""it Students », BD^^,,r-

etc- ^ StTW- S-iaIpld=r^n-Vielen Stfidt- organist PenPr°jekten"if£PPen' bet^ligtfn riS?1^ W& Kindergartnerinnen PsychiSeh KraSl ^^"Sslingen f S* studenten an Randgrup-

V°a ^^-nat^S:; ^ ^"ten'etgSrr' ?tra^an6enL,P

aoaeUen. n eigene Vereine zur Organisierung

"n erster Vp*

y°^Bsetzun ^^ offen . Wobe. «/T1 gemacht - jedoch ^.^ noch *? ^Bung fich?i ^e* ** So»iSw ? ^^ "nterschiede und

**•»«* una erst diesem Berei<» ^?irzf^reen fur

STkrSLMs 5oc sUnd d6r ^^^pSa'r-51^ &Uf ^^iative des ^ISClia, AKTlos fc^ daa S^f^af°«"c^n KorreSponaenz Berlin

TJZ'^° "**** in £?„!!0aite fQr S Zuk,^Sen- Die Zusanmenarbeit fomullert; ,M Dnd" a^=hlieSendea >" WWwisationsBtirtena

Alt UCkten «w.eniSf lgea Soli^isie^nntutl0n z™ Jugendhilfetag er^:re Und CIS ^^ ■6gXi*^fhU*ea S«6enuber den un-

•l^i:r0&^^s^

jekt^ie*tri0rienti«rten ^U-flnden. Racist "Z1".65 Jetzt' A11' ta«ert!vHertsn Grupnen ^ &>2aal^eiter^ri.a^-SO die kritisch r^io-ii 14ete ^ektl,2U Sa*eW. E^ *f . ^;ieher ia lokalen pro- S10aal" »«— e^"^^ -ird si.n^^f v^"end des Jugendhil^- deit befaaBen... " ^ ^en Mdgiic^i^^^.

Anieige

DAS SOZIALISTISCHE BORO - WORUM GEHT ES?

Clubs, in Basisgruppen an den Hochschu ^ innerhaib der 'offi- Jugendverbande und als kntische Gruppierungen in b ziSllen- Organisation^ Gewer schaft en. K £e . ^ej.^.^^ weit verzweigten Praxis liegt die C w ^, eDi kuss1on praktische Bewegung. Aber: Ergebnisse der theoret schen Diskuss o ^ ^ Erfahrungen. Modelle *?ezifischer und loka P sie infonna.

Auswertung fur die.sozial istische L,nke in sgesaim. .^^ fehu es torisch nur unzureichend venmttelt weraen. u hfc und wenn

an Kooperation. die Uber d,e e, ene a arbeit {^ ^ ^

es darauf ankomnt. in ^"^^^^eich hinausgehende Forderungen spezifischen Gruppen- oder J^eitsbereich nin s Koordination und Selbstorganisation durchzusetzen, dann ist a ^^

meist unzureichend. Das SoZ1al istische Buro w l heite . ^

Ko™>unikation und Kooperation "jnter der sozia ist s c ^ grbSeren

ihren verschiedenen Gruppierungen zu entw «ein beitragen.

Effektivitat und zur Organisierung sozialistischer Rr

Deshalb n^chen wir "iinks". f^V^^J^^dSf &1a Istische gerichtete sozial istische Zeitung. Deshalb aben a Informations

Buro und der Sozialistische Le^^""dt9^bt das Sozialistische Bi,ro dienst fllr progressive Lehrer ^%eb^X^slhe Betriebs- und Ge- Bilt der GFP "express - Zeitung fur ""fl^ziallstlsche Berufs- werkschaftsarbeit" heraus. Weitere Infos fur soz Infonnations-

praxis sind in ihren ersten Ausgaben er «hienen. s URBEIT_ Er.

dienst ARBEITERBILDUNG und der I^0™^1""!^^ 5eines Biicher- & Paper- ganzend fdrdert das Sozialistische Buro Bitwi Schriften fUr

vertriebs die Herstellung und Verbreitung ausge strategisch

die theoretische Arbeit, fur Schulun ft praxis Aktivit3ten

wichtigen Feldern. Uber lo^le.u"dHP^^iistischen BUros ist die Weiterer wichtiger Arbeitsbereich des Sozialistis antiimperiali.

Unterstutzung von Auslandergruppen in der ™u™ punktuellen

stischen Dritte-Welt-Gruppen sowie die Koo« nat on Aktionen im Bundnis mit anderen linken Organisation In-ietzter Zeit kann das Sozialistische Buro eine erhebliche^Auswei tung seiner Aktivitaten und f^^.^^ltlrt vor gut zwei Jahren im- BUro und seine Projekte konnten seit de «» »* , h- g0nS0lidiert sind merhin soweit gebracht werden. daB sie wcnn fullen ksnnEn. Urn

und die zugedachte POl^^fJ^^U™"^ und erweitern zu das Sozialistische Buro und sel"^^0^^alistisches Buro" gegrundet. kSnnen, haben wir den "Fdrdererkre « Sozialistisc ^ ^.^

Mir bitten alle. die sich Uber e;" A^~ich finanziell leisten ^ stische Buro engagieren mochten und «le " pbrderer bestimnen die Hohe kbnnen; dem Fdrdererkreis beizutreten Die^or ^ 5___}

ihres Beitrages selbst (jindestens J^ocn ^n sozialistische

halten regel^aBig. "links" kostenjos zuge sandt^ ^ sozialistiscnen Buro als einziges standig bes?tz;"0Hr^prer! Linken auszubauen. brauchen wir neue Forderer. Sozialistisches BUro. 6o5 Offenbach 4. Postfach 591

Jedoch veder dieser BeschluB noch der anschlieBende Appell und Aufruf in der Sozialpadagogischen Korrespondenz Nr. 1 1/1970 konnten die An- satze auf regionaler Ebene vorantreiben, - der Versueh, die Gruppen auf nationaler Ebene zu organisieren, erfolgte nicht. Die Grunde hier- fur durften einergeits unter der daaals besonders stark vuchernden Fraktionierung innerhalb der Linken, andererseits aber aueh in der Konzentrierung vieler Gruppen auf 6rtlicb.es und projektbezogenes Ar- beiten zu sue hen sein. Ebenso konnte der Anspruch der Oenossen mit der Zeitschrift Erziehung und KLassenkampf "die strategisehen Diskussionen, Schulung, Initiierung und Verscharfung der Massenkampfe und die Ver- einheitlichung des Organisationsprozesses sozialistiseher Erzieher und proletarischer Jugend voranzutreiben" nicht eingelost verden. Sin vesentlicher Grund - sicher nicht der einzige - dafur ist die in vie- len Beitragen deutlich verdende Abhebung von den alltaglichen Erfah- rungen, Konflikten und Problemen der Sozialarbeiter und Sozialpadago- gen aus der Praxis. So notvendig ein theoretisches Organ fur den Er- ziebungssektqr ist, es kann jedoch nicht daruber hinvegtauschen, da6 damit allein der Organisierungsgrad nicht vorangetrieben verden kann.

Im Sozialisationsbereich arbeiten heute eine Vielzahl von kleinen und groBeren Gruppen, Einzelkampfern oft an gleichen Orten, ohne daB sie Verbindung zueinander haben. Sie sind konfrontiert mit Problemen und Konflikten, nit denen andere Gruppen schon ihre Erfahrungen gesammelt haben. Ein Austausch, geschveige denn eine Koordination, findet nicht statt. Informationen fliefien nur fiber informelle Kanale. Auch der poli- tische Anspruch der Gruppen ist zum groSten Teil sehr heterogen. Ge- meinsam ist ihnen alien eine Kritik an den gesellschaftlichen Zustan- den, der Wille an der Ubervindung des Systems zu arbeiten und die Zielsetzung, im Sozialbereich die Interessenvertretung der Betroffenen zu ubernehmen, die Deklassierung von Individuen und Gruppen zu ver- hindern und beizutragen zur Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse.

Pur diese Genossen und Gruppen reicht das bisherige Inforraationsange- bot nicht aus; Publikationen sind entweder auf den studentischen Be- reich bezogen, lassen die praktische Auseinandersetzung vennissen (Erziehung und Klassenkampf ), sie sind nicht hinreicnend auf die gesam- te BED orentiert, urn Ansatze fur Organisationsmoglichkeiten fur Prak- tiker zu bieten (Sozialpadagogische Korrespondenz) oder versuchen, un- ter dem Mantel der Wissensehaftlichkeit und Progressivitat "moderne" .Methoden und In halt e zu vertreiben, ohne sie zu reflektieren, zu ana- lysieren und zu fragen, wem diese dienen (Neue Praxis). Deshalb haben sich einige Gruppen, die im Sozialisationsbereich arbeiten, entschlos- sen, im R&hmen des Sozialistischen Buros diesen Informationsdienst SOZIALARBEIT herauszugeben und zukunftig unter Einbeziehung veiterer interessierter Gruppen zu einem Instrument der Konmunikation, Koordi- nation und Organisierung im Sozialisationsbereich auszubauen. Das Sozialistische Buro organisiert in Zusammenarbeit mit Basisgruppen anderer Bereiche bereits weitere derartige Projekte, z.B. den Informa- tionsdienst des Sozialistischen Lehrerbundes und fur Bildungsarbeiter den Informationsdienst ARBEITERBILDUNG.

Der Informationsdienst SOZIALARBEIT wendet sich an Sozialarbeiter,

6Sozialpadagogen, Heimerzieher , Kindergartnerinnen, Sozialplaner, Psychologen, Erziehungsberatungsstellen, Kriminologen, Pfarrer, Berufs-

schullehrer, Dozenten und Studenten an Fachausbildungsstatten, Studen- ten, die in sozialpolitischen Projekten arbeiten und andere, die be- ruflich im Sozialbereich tatig Bind. Durch den Info soil den Gruppen und arbeitenden Genossen dadurch UnterstOtzung gegeben verden, indeo sie die Moglichkeit erhalten und aufgefordert verden, ihre Erfahrung- en, unmittelbsre Problesae, Konflikte und Bedurfnisse darzustellen und mit anderen Gruppen in einen gemeinsamen Erfahrungsoustausch zu tre- ten.

An der Vorbereitung dieser ersten Ausgabe des Infonnationsdienstes

SOZIALARBEIT varen beteiligt:

+ Verein fur Soziale Jugendarbeit Bochum/Essen

+ Zentrum fur Sozialplanung Essen

+ Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit Frankfurt

+ SPAK Mainz und Freiburg

+ Aktion Kritische Jugendhilfe Mainz

+ Sozialistisches Buro Offenbach.

Es vurden folgende Gesichtspunkte fur die Zielsetzung des Infos und der moglichen Inhalte diskutiert:

1. kontinuierliche Berichterstattung und Diskussionvon Erfahrungen, Strategien und Perspektiven in der Arbeit im Sozialbereich;

2. Wber den Erfahrungsaustausch hinous Koordination und langfristige Zusammenarbeit;

3. Aufhebung der Vereinzelung und Zersplitterung von Individuen und Gruppen; Aufhebung der Trennung zvischen den verschiedenen sozia- len Berufen und Tatigkeitsfeldern;

1». Zusammenarbeit und organisatorische Verbindung mit dea Sozialisti- schen Buro, das die Koordination und den Vertrieb ubernimsit und vomit auch die berufsspezifische Orientierung aufgehoben vird;

5. Hetbodendiskussion, Konf liktanalysen , Hinveise auf regionale Orga- nisationsmoglichkeiten, Arbeitsmodelle, Finanzierungsmoglichkeiten, Personalverschiebebahnhof , Rezensionen, Dokumentationen, Anzeigen u.a.

Es ist beabsichtigt, in den ersten Ausgaben des Inforoationsdienstes SOZIALARBEIT problemorientiert schverpunktmaBig die Arbeit und Erfah- rungen einzelner Gruppen darzustellen. Die Vorbereitungen ubernahmen

Hummer 1 die Gruppen Bochum/Essen, Thema: Fursorgeerzienung

Summer 2 AKS-Frankfurt , Thema: Berufsspezifische Probleme von Sozial-

arbeitern, Sozialpadagogen, Kindergartnerinnen etc. in In-

stitutionen Hummer 3 SPAK Mainz/Freiburg, Thema: Arbeit mit psychisch Kranken.

Die inhaltliche Gestaltung und Ausvahl der Beitrage des Info aollen unter Beteiligung von Vertretern aller interesBierter Gruppen auf Plenar-Redaktionstagungen diskutiert verden. Dabei bietet sich Gele-

heit, die Kooperation der Gruppen durch unaittelbare Kontakte zu vertiefen.

Ua die hier skizzierte.Konzeption des Informationsdienstes SOZIALARBEIT und den zukunftigen Erfahrungsaustausch und die Zuaanmenarbeit zu dia- fcutieren und verbindlich festzulegen. haben vir fur Januar/Februar 1973/

eine Arbeitstagung vorgesehen, an der alle zur Mitarbeit entschlos- senen Genossen und Gruppen teilnehmen sollen. Wir bitten euch, mog- lichst bis zum 1o. Januar 1973 eure Bereitschaft zur Teilnahme an der Arbeitstagung, evtl. auch schon inhaltliche Vorschlage sowie erste Kritik an der vorliegenden Ausgabe des Info an das Sozialistische Biiro, 6o5 Offenbach It, Postfach 591 mitzuteilen. Uber den genauen Ver- anstaltungsort (wahrscheinlich Frankfurt), Termin etc. werden wir euch rechtzeitig informieren.

Vorbemerkungen zu dieser Ausgabe

Im Mittelpunkt dieser ersten Ausgabe des Informationsdienstes SOZIAL- AKBEIT steht das Thema "Wohngemeinschaften mit Jugendlichen der offent- lichen Erziehung". Die Wahl des Themas erfolgte, veil die Vereine "Soziale Jugendarbeit" in Essen und Bochum, die diese Nummer gestaltet haben, selbst Trager von Kollektiven sind. Das entspricht auch dem Charakter dieses Infos, der dure h Praxis-Erfahrungsaustausch die Dis- kussion unter Sozialarbeitern und anderen Praktikern im Sozialbereich fordern soil.

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ANSATZPUNKTE SOZIALISTISCHER POLITIK IN DER BRD THESEN DER ARBEITSGRUPPE SOZIALISTISCHES BORO

Die Thesen sollen einen Beitrag zur Organisierung sozialistischer Arbeit und zur Kooperation von Sozialisten in der Bundesrepublik leisten. Sie sind das Ergebnis tnehrerer der Selbstversta'ndigung dienender Diskussionen innerhalb der Arbeitsgruppe Sozialisti- sches Biiro. Keinerlei Anspruch auf Vollstandigkeit oder Origina- . litat erhebend, sollen die Thesen weder eine konkrete analyti- sche Aufarbeitung der gesellschaftlichen und politischen Situa- tion in der Bundesrepublik, noch detaillierte strategische Kon- zepte fur die sozialistische Arbeit ersetzen. Die Thesen wenden sich nicht vornehmlich an ein nur theoretisch versiertes Publi- kum, sondern an jene zahlreichen aktiven oder heute noch zuriick- haltenden Gruppen und einzelne, denen an Selbstversta'ndigung, Kommunikation und am Aufbau einer sozialistischen Bewegung in der Bundesrepublik mit dem Ziel einer Umgestaltung der Gesell- schaft gelegen ist. Den Thesen liegen keine systematischen, theoretischen Interpretationsansatze gesellschaftlicher Entwick- lung zugrunde, Sie knLipfen vielmehr an die Erscheinungsbilder der heutigen Wirklichkeit an, wie sie sich all jenen darbieten, die durch den Schleier der herrschenden Propaganda hindurch die ta'gliche Ausbeutung, Unterdriickung und politische Manipulation empb'rt watirnehmen. Mangel und Vorzlige dieses Verfahrens ent- sprechen den grundsatzlichen Problemen sozialistischer Theorie und Praxis heute.

36 Seiten, broschiert, DM 2.—

Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591

Zu den einzelnen Beitragen:

Der Artikel "Sozialarbeit im Kapitalismus" erschien uns deshalb not- wendig, veil Sozialarbeit im allgemeinen wie auch s'ozialpadagogische Arbeit in Kollektiven bestinunten Bedingungen unterworfen sind, deren Kenntnis und Einbeziehung in die praktische Arbeit uns unerlaBlieh scheinen. Dieser Artikel ist einer groBeren Arbeit entnommen, die dem- nachst als Ganzes veroffentlicht werden soil.

Der Text "Die Sozialarbeiter" wurde von einer ehemals Obdachlosen, die 15 Jahre in Notunterkiinften gewohnt hat, geschrieben und bestatigt den Beitrag iiber die "Soziopsychische Situation der Sozialarbeiter".

"Zur Herkunft der Fiirsorgejugendlichen" versucht schlaglichtartig ver- schiedene Fakten zu bringen, die klar erkennen lassen, daS Fursorge- abhangigkeit, Kriminalitat , Armut , Obdachlosigkeit etc. vom kapitali- stischen System produziert werden. Die Beitrage im Mittelteil des In- fos, beschaftigen sich mit der Einrichtung "Fursorgekollektiv". Dieje- nigen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Kollektiv aufzubauen, finden in dem Artikel "Konkretionen zum Aufbau eines Jugendwohnkollek- tivs" praktische Hinweise. Es folgt eine Konzeption, die als Beispiel fur Konzepte dienen kann zur Vorlage bei Sozialbehorden. Die "Verdeut- lichung der KLassenlage der Sozialarbeiter ..." soil der Illusion ent- gegentreten, daS der Sozialarbeiter als Kollektivberater im Kollektiv mit den Jugendlichen als Gleicher unter Gleichen leben und arbeiten kann. "Die Kollektivzeitung" wird von den Mitgliedern des Kollektivs in Bochum selbst gemacht und an andere Jugendliche und in Heimen ver- teilt.

Aktuelle Inf ormationen geben Berichte fiber das Georg-von-Rauch-Haus und iiber die SchlieSung des Kollektivs Essen-Steele.

In der Rubrik "Buchbesprechungen" bringen wir wichtige Veroffentlichun- gen zum Thema Fursorgeerziehung sowie eine Inhaltsangabe der Broschiire "Geschichte und Funktion der Sozialarbeit". >.

JM

Die Nachrichtenspalte zum SchluB des Info soil ausgebaut werden. Es sollen dort erscheinen: Offene Stellen, Nachrichten uber existieren- de Gruppen und Arbeitsgemeinschaften, iiberregionale Veranstaltungen u.a.

Sozialarbeit im Kapitalismus

Diese erste Ausgabe des Informationsdienstes SOZIALAHBEIT urde er-

stellt von folgenden Gruppen:

Verein Soziale Jugendarbeit , Essen; Zentrum fur Gruppenstudien und

Gemeinwesenarbeit, Essen; Verein Soziale Jugendarbeit, Bochum; Buro

fur Sozialplanung, Bochum.

Kontaktadresse: Biiro fur Sozialplanung

U63 Bochum/Ruhr-Universitat Lennershofstr. 66 Bar. 8 Telefon 02321 77° 1W5

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INFORMATIONSDIENST FOR LEHRER

Dieser Informationsdienst wird herausgegeben vom Sozialistischen Lehrerbund (SLB) im Sozialistischen Biiro. Der Informationsdienst soil der Kommum'kation unter den sozialistischen Lehrern und deren Organisierung dienen.

Einzelpreis DM 2.5o, Jahresabonnement DM lo.—

INFORMATIONSDIENST ARBEITERBILDUNG

Dieser Informationsdienst ist fiir Sozialisten in der Bildungs- arbeit, in den Gewerkschaften, in den Volkshochschulen, an Bildungsstatten, in Ougendverbanden , Jugendgruppen und politi- schen Gruppen.

Einzelpreis DM 2.5o, Jahresabonnement DM lo.—

Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591

Wie sehr die Sozialarbeit heute reformistisch, individua- listisoh und psychologistisch sich darin ersch6pft,sys- temstabilisierend zu wirken, indem sie "gesellschaftlicbe Widerspriiche und Konflikte nicht unter dem Aspekt von Repression und Befreiung, sondern unter dem Aspekt des Erlernens einer jeweils tragfahigen, der Aktualitat der gesellschaftlichen Verhaltnisse angepassten Eolle" sieht, mag einroal daran deutlich werden, dafl im Mittelpunkt des BSHG der Einzelne steht, der befahigt werden soil, __einen Notstand zu uberwinden, der von ihm aus eigenen Kraften und Mitteln nicht behoben werden kann, daB zum anderen Lehrbiioher der Sozialarbeit massenbaft Methoden disku- tieren und kritisieren, die Ziele der Sozialarbeit aber als unverruckbar gegeben annehmen. Als Eeispiel dafiir kann das Standardbuch der Sozialarbeiterausbildung von Friedlander/Pfaff engelder gelten, deren Definitionen der Ziele und Bereiche der Sozialarbeit exemplarisch fiir die ubrige Literatur stehen konnen.

Ziel der Sozialarbeit ist es danach;

"Individuen, Gruppen und Gemeinden zu helfen, den hochst- moglichen Grad von sozialem, geistigem und leiblichem Wohlbefinden zu erreichen"

"Verbesserung der allgemeinen sozialen Bedingungen durch Anhebung des gesundheitlicben und wirtschaftlichen Standards und durch Beftirwortung besserer Wohn- und Ar- beitsbedingungen und einer konstruktiven sozialen Ge- setzgebung"

"Die Sozialarbeit verliert ihren Klassencharakter. Ihre •Einrichtungen dienen der Verbesserung der Bedingungen fiir alle Klasser. der gesamten Gemeinde"

"Diese Aufgabe wird durch soziale Einrichtungen wie Wohl- fahrtsorganisationen, Schulen, Krankenhauser, Kliniken, Arbeitsamter, Kirchen, Gerichte usw. angegangen " das Wohlbefinden der Einzelnen mit der Wohlfahrt der Gesell- schaft, in der sie leben, in Einklang zu bringen" "... soziale Krafte zu mobilisieren, um die sozialen. und wirtschaftlichen Situationen aufzulosen, die zu Krank- heit, psychischen Leiden, Frustrationen und asozialem Verhalten fiihren"

"... indem sie ihnen (den Hilfsbediirf tigen) , die zu ihrem Woble geschaffenen Hilfsquellen der Gemeinde erklart" "... grundlegende wirtschaftliche Sicherheit aus Leistun- gen der Sozialversicherung Oder Sozialhilfe, aus der Re- 11

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alisierung von Versorgungsanspriichen oder aus freiwil- liger Unterstiitzung durob soziale Einrichtungen zu er- langen"

" Hilfe duroh Hinweis auf Nutzung anderer Einrioh- tungen der Gemeinde (Arbeitsv.ermittlung, Berufsberatung, Gesundheitsdienst, psychatrische Behandlung, kulturelle, berufliche und schulische Fortbildung, Rehabilitation und Moglichkeiten der Erholung und Freizeitgestaltung" "... Einzelnen und Gruppen zu helfen, den besten Weg zu einer befriedigenden Losung zu finden, ohne sie zur Kon- formitat zu zwingen, es sei denn, ihr Verhalten und ihr Handeln beeintrachtigen Wohlergehen und Rechte anderer - asoziales Verhalten und Handeln konnen von der Sozial- arbeit nicht unterstiitzt werden"

"... ein erfiillteres und befriedigenderes Leben aufzu- bauen"

"... alien Biirgern einen angemessenen Lebensstandard, soziale Sicherheit und die Befriedigung des allgemein- menschlichen Bediirfnisses nach Liebe, Akzeptiertwerden, Anerkennung und sozialem Status zu sichern"

Bedarf es noch weiterer Zitate? Ich glaube nicht.

Die Nennung dieser Ziele im Zusammenhang meiner Arbeit enthiillt i die Sozialarbeit von selbst als das was sie ist: als Anpassungs instrument psychisch Geschadigter an die Gesellschaft,|als Hilfe, nicht tief genug internalisierte Normen und Rollenerwartungen zu verstarken, Rollen ein- zuiiben.

Der grundlegende; gesellschaftliche Widerspruch der Tren- nung der Produzenten vom Produkt, die Erniedrigung der Masse zu Lohnsklaven, der verfremdete von auBen aufge- zwungene Leistungsdruck in der Arbeit, die Abschb'pfung des gesellschaftlichen Surplus von einigen Kapitalisten, all das wird nicht angesprochen, auf all diese Punkte werden die Krankheiten, die Mangel in der Bildung, der Ausbildung, die psychischen Zusammenbriiche, die unver- haltnismaBig starke Zunahme von Herzkrankheiten, Ge- f aBerkrankungen , und vieles andere mehr, nicht zuriickge- fuhrt. Es werden Erscheinungsbilder der Leiden angefer- tigt, aber es wird nicht nach dem 'Dahinter1 gefragt. Es werden heute Krankenhauser, Kindergarten, Jugendheime und andere soziale Einrichtungen. errichtet , um Zivilisations- schaden zu beheben. Ihre GroBe hatte vorgestern noch aus- gereicht, fur 'morgen' aber wird nicht geplant. Und schon gar nicht gibt es Forschungs- und Planungszen - tren,|die sich mit den wahren .Ursachen befassen, die die Gesellschaft dariiber aufklaren.

Stattdessenj verhilft die Sozialarbeit zu einem ' ange- messenem' Lebensstandard, wobei zu fragen ware, ob das Kriterium .' angemessen1 hier vielleicht schichtenspezifisch zu verstehen ist, zu einem gesicherten 'sozialen Status1 zu emeu 'klassenlosen' Gesamtwohl, womit die Sozialar- bext exnmal die Tatsache der Klassengesellschaft ;Sxpressis

verbis verleugnet, zum anderen sich als Ideologietrager des Staates erweist, indem sie den Wohlfahrtsstaatsge- danken proklamiert und in ihm auftretende Storungenun- ter den Demokratiegedanken subsumiert. Zwar tritt diese Sozialarbeit dafiir ein ' soziale und wirtschaftliche Situationen aufzulosen, die zu Krankheit, psychischen Leiden, Frustrationen und asozialem Verhalten fuhren , aber nicht dort, wo dieses nur moglich ware, namlich auf der Produktionsebene, sondern dort, wo es Ifiir das GroBkapital, die Oligopole, nicht mehr gefa.hr lich xst, auf der Distributionsebene.

Auf der Distributionsebene, die den Pluralismus^zulaBt, der in der Produktionssphare systemgefahrdend ware, aber feilschen die Sozialbehorden - selbst durch und durch biirokratisiert - mit anderen burokratisxerten Gruppen um entsprechende Teile des Sozialprodukts , wobex fexlschen hier vielleicht 'falsche Hoffnungen erweckt, denn Forde- runKen und Entscheidungen richten sich an den Rentabi- litatskriterien des Profitmechanismus" , an dem Gemexnde- wohl' aus.

So gesehen kann die Sozialarbeit technokratischen Abwehrsystems g in Frage stellende, non-konforme zeichnet werden, demgemaB zielen auf: Ich-Stiitzung, Ich-Starkung, ausuben zu konnen, auf Aus- und serung des sozialen Status, auf Resozialisierung, d.h. Wiedereinj schaftsprozess als Lohnarbeiter

als Instrument eines ;egen systemgefahrdende, Verhaltensweisen be- dann ihre HilfsmaBnahmen um Berufsrollen adaquat Fortbildung, auf Verbes- Rehabilitation und auf jliederung in den Wirt- und Konsument .

Obwohl der Sozialarbeit durch ihre Inter-Disziplmarxtat die wissenschaftlichen Mittel in die Hand gegeben werden konnten, um die psychischen Defekte auf die sie bedmgen- den sozialen Ungleichheiten zuruckfiihren zu konnen und um analytische Systemkritik zu iiben, wird sxe dann doch zum Vollzugsorgan des kapitalistischen Staates und damit der vermachteten Wirtschaft, weil einmal die Praxis der Sozialarbeit durch und durch biirokratisxert xst, die ■Spitzen' der Sozialadministration gleichzeitig politi- "sche Amter innehaben, der Einzelne als praktxzxerender Sozialarbeiter den sich verselbstandigten Apparat nxcht mehr beeinflussen kann, weil zum anderen m den Ausbxl- dungsinstitutionen zwar z.T. facherintegratxv gelehrt wird die Ausbildung sich. aber zumeist auf Methoden und das Erlernen von verwendbaren facts beschrankt, statt em analytisches Denken anzustreben, durch projektorxentierte Ausbildungsinhalte dieses zu iiben und Notwendigkext, Mog- lichkeit, Organisation und Methodik zur Veranderung der Grundbedingungen des Monopolkapitalismus nicht nur resig- nativ anzudiskutieren, sondern sie zu theoretisxerenund durch gleichzeitige Praxis zu verifizieren bzw. falsxfx-

Sozialarbeit im kapitalistischen System, die sich nicht

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als anti-kapitalistische versteht, um als solche haupt- sachlxch die Kntik an der bestehenden Gesellschafts- ordnung als mren Inhalt zu definieren, wobei die Ge- genstande, mit denen die Sozialarbeit - speziell die Emzelfallhilfe - es zu tun hat, namlich die psychischen Verkruppelungen emzelner Menschen exemplarisch als Spiegel des inhumanen unsozialen Systems aufgefaBt und als Ausgangspunkt aufklarerischer sozialer Lernprozesse gesetzt werden, eine Sozialarbeit, die nicht beriicksich- tigt, daB "der kapitalistische' ProduktionsprozeB, im Zu- sammenhang-betrachtet oder als BeproduktionsprozeB, ... also nicht nur Ware, nioht nur Mehrwert, (sondern) ... das KapitalverhSltnis selbst produziert und reproduziert auf der einen Seite den Kapitalisten, auf der anderen ' den Lohnarbeiter" , eine solche Sozialarbeit, die fur sich diese Analyse nieht betrieben und keine Konsequenzen da- raus gezogen hat, muB notwendigerweise zum Stiitzungsorgan zum Anpassungsinstrument fur das immanent Ungleichheiten ' schaffende kapitalistische System herabsinken.

Wo diese Gefahr - bloBes Instrument im Dienste der Herr- schenden zu sein - zwar erkannt word en ist, aber der not- wendige Schritt zur Ideologiekritik des kapitalistischen Systems nicht vollzogen wird, sondern wo die Sozialarbeit xn emeu "ideologiefreien" (Melzer) wertfreien Eaum hin- uber gerettet werden soil, wird iibersehen, daB gerade rationales, wertfreies, wissenschaftliches Arbeiten, das semen Ausgangspunkt nimmt bei der Hationalitat des Systems, ohne dessen irrationalen Kern zu beriihren, sich hat manipulativ in einen dem GroBkapital ungefahrlichen, von ihm gewiinschten technokratischen Eaum drangen lassen. .Damit aber unterstiitzt diese sogenannte 'ideologiefreie1 Sozialarbeit nicht minder die bestehenden Herrschaftsver- haltnisse als eine sie offen unterstiitzende Sozialarbeit es tut.

Diese 'ideologiefreie und wissenschaftsorientierte' (.Melzer) Sozialarbeit, die nicht an den mit ihr konfron- tierten individuellen Versagenserlebnissen exemplarisch ■evlrrationale Teilungjvon Kapital und Arbeit aufzeigt, sich lhre Aufgabe dann auch nur "in der Vermittlung und Gestaltung sozialer Lernprozesse-... die dem Einzelnen, Familien und Gruppen.helfen sollen, in ihrer Gesellschaft m einer Weise zu funktionieren, die sie zum Ertragen und zum Nutzen von Frustrationen und Konflikten befahigt"- Ausgehend von dem Postulat, soziale Schwierigkeiten'seien Oedem Gesellschaftssystem immanent, versucht diese Sozial- arbeit nicht als ihr oberstes Ziel, die Gesellschaft zu andern, sondern beschrankt sich auf situative, d.h. technokratische Veranderung der Konfliktsituationen, um em reibungs loses Funktionieren zu erreichen, um die Frustrationstoleranz zu erhohen.

Dieser funktionalen Auffassung von Sozialarbeit im

allgemeinen entsprechen dann auch viele Definitionen des social casework, von denen ich nur drei zitieren mochte: iSwithuh Bowers sohreibt: "Social casework ist eine Kunst, bei der die Erkenntnis der_Wissenschaften iiber die - menschlichen_Beziehungen und die Geschultheit im Hand- haben von Beziehungen eingesetzt werden, um im Individu- um Pahigkeiten zu mobilisieren und auBerdem in der Ge- meinschaft Hilfsquellen zu erschlieBen, die geeignet sind, eine bessere Anpassung des Klienten an das Ganze oder einen Teil seiner Umgebung herbeizufuhren. " Helen Perlman schreibt: "Social casework ist ein ProzeB, der von bestimmten sozialen Institutionen angewandt wird, um dem individuellen Menschen zu he If en, Schwierigkeiten in seinem sozialen Funktionieren besser entgegentreten zu konnen" .

Und Kamphius selbst, dem auch die beiden anderen Zitate entnommen sind, definiert social casework als "eine be- rufsmaBige' Methode, von Sozialarbeitern angewandt, um einem Menschen zu helfen, der in einem der Sektoren sei- nes sozialen Funktionierens der Hilfe bedarf." Alle drei Definitionen - und die Eeihe lieBe sich noch beliebig fortsetzen - stellen in den Mittelpunkt des social casework den Menschen, der in seinem sozialen Um- feld funktionsuntuchtig geworden ist, und den es nun an- zupassen bzw. besser funktionabel zu machen gilt. Nirgendwo wird aber davon gesprochen, daB die Aufgabe ware, primar auf die soziale Umwelt einzuwirken, die den Einzelnen psychisch uberstrapaziert, wird davon gespro- chen, daB den Individuen Mittel in die Hand gegeben wer- den sollten, um die Gesellschaft, die sie krank macht, zu verandern, wird davon gesprochen, daB social casework die Methode ist, die anhand von individuellen symptoma- tischen Spannungen und Konflikten exemplarisch die sozi- alen Widerspriiche aufdecken soil.

Als funktionaler ProzeB - der undialektisch nur die sicht- baren Folgen von verschleierten Ursachen behandelt - aber dient die soziale Einzelfallhilfe insgesamt der Neutrali- lierung der symptomatischen Folgen ungeloster sozialer Probleme.

So wird dann auch die Beziehung zwischen dem Sozialar- beiter und dem Klienten gesehen als "therapeutische Be- ziehung" (Melzer), in der das "Bediirfnis des Klienten nach Hilfe und Veranderung seiner 'Lage im Mittelpunkt steht", in der der Sozialarbeiter aber gleichzeitig eine "b'ffentliche Rolle" . (Melzer) ausiibt, deren mit ihr ver- bundenen Erwartungen-er ebenfalls erfiillen muB, d.h. in der der Sozialarbeiter funktionalorientiert arbeitet. Nicht aber wird diese Beziehung verstanden als politische aufklarerische, in der. es darauf ankommt, den Arbeiter in seinem dumpfen "UngleichheitsbewuBtsein" zu bestarken, ihn dessen bewuBt zu machen, in der der- "dialektische Zusammenhang zwischen geistigen, psychischen und sozialen Elementen der ' 'condition ouvriere1 " zusammen mit dem Kli- TO

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enten diesem bewuBt gemacht wird.

In der therapeutischen Beziehung stent per definition^m die personliche Problematik des Klienten im Mittelpunkt, d.h. aber, daB hier die personlichen Schwierigkeiten ab- gehoben, abgetrennt von den okonomisqhen und sozialen lebensbedingungen einer ganzen Klasse behandelt werden. Das wird auch nicht vermieden durch scheinbare Offenheit, scheinbare Progressivitat, wenn z.B. das lernen des Kli- enten "nicht gedacht (ist) als eine Anpassung an beste- hende Gesellschaftsformen. Oder als Unterwerfung und be- dingungslose Bejahung sozialer Zustande ... (sondern) als ein Vorgang der Einiibung der distanzierten und kritischen Beeinf lussung" .

Unter der Postulierung der 'Ideologiefreiheit' , mit dem Ziel des Sozialarbeiters, dem Klienten dann doch zu hel- fen "in derartigen Pollen und in sozialen Beziehungen besser zu f unktionieren" , verandert sich so die wertfreie, ideologiefreie Absage an den Zwang zur Anpassung in ein Stuck Zucker mit einem Zyankalikern.

Aus diesen Griinden kann der therapeutischen Beziehung eine systemfreundliche Punktion nachgewieseh werden: erstens tritt der Sozialarbeiter dem Klienten von vorn- herein mit einem von der Individualpsycho'logie ubernom- menen negativen Menschenbild entgegen. Denn die biirger- liche Psychologie bezieht bis heute fast alles, was sie zu sagen hat, aus der Ableitung und Generalisierung des kranken Menschen. (s. Kroner)

In dieses Wissen un -- das Wissen iiber Neurosen, Psychosen, weniger auffallige Ich-Schwachen, Anpassungsschwierig- keiten - wird der Klie.nt integriert.

Der Ausdruck der therapeutischen Oder "helfenden" (Bang) •Beziehung charakterisiert sehr treffend die von vorn- herein angenommene, fehlerhafte, unvollkommene Person des Klienten. Womit beabsichtigt wird, seine Reaktion auf die krankel Gesellschaft ihm anzulasten, seine Reak- tion der- Porderung auf Aufhebung der gesellschaftlichen Ungleichheit Oder seine unref lektierte sich psychisch darstellende Verweigerung der von auflen kommenden Leistungserwartung als a-normal' und die gegebenen ge- sellschaftlichen Bedingungen als normal hinzustellen.

Und so ist es dann auch in der Hauptsache das Ziel, KurzschluBhandlungen, psychische Krankheiten und soziales Versagen auf zuarbeiten, dem Klienten zu einer positiven Einstellung gegemiber der Umwelt zu verhelfen, ihn an das 'Ganze', das 'Gemeinwohl' zu erinnern und zu binderi. Diese primar negative AuSrichtung aber halt die Sozial- arbeit - speziell den Sozialarbeiter in der therapeuti- schen Beziehung - davon ab, die dahinter liegenden sozio- okonomischen Bedingungen zu erfragen - um diese selbst als a-normal .zu entlarven - und diese mit den Klienten zusammen aus dem Weg zu raumen.

Im persbnlichenl Gesprach mit Studenten der Sozialarbeit

und praktizierenden Sozialarbeitern wurde mir oft, wenn ich auf das psychologisch kurzsichtige therapeutische Verhalten hinwies, erwidert: 'aber meine Aufgabe ist es doch, meinem Klienten zu helfen, sich selbst zu verstehen, Ich-Starke zu. entwickeln, Realitatssinn zu erwerben. Ich bin je. auch dafiir, daB die Gesellschaft geandert werden muB, aber erstens muB ich doch zuerst dem kranken Men- schen helfen und zweitens kann ich die Gesellschaft nicht allein verandern und drittens ist das auch nicht mehr meine Aufgabe, sondern die des Klienten1. Kir den es dann meistens zu spat ist, denn in dem ProzeB der sozialarbeiterischen Hilfe, ihm zu einem normalen Funktionieren zu verhelfen, werden ihm alle gesellschaft- lichen Normen und Werte oktroyiert, die ihm bis clato fehlten und die ihm zukiinftig den Einblick in den Klas- sencharakter dieser Gesellschaft verwehren.

Damit bin ich beim zweiten Grund, aus dem die Sozial- arbeit, so wie sie sich heute versteht, zur Anpassung

fiihrt. tit i

Das Problem wird individualisiert, auch wenn der aiicK erweitert wird z.B. auf die Familie (Richter), so wird das Problem dennoch auch dort individualisiert, indem das Individuum mit all seinen Eechten, Interessen und Bedurfnissen gegeniiber der Gesellschaft fiir vorrangig gehalten wird. Auch wenn der Pamilienrahmen mit^einbe- zogen wird in die therapeutische Beziehung, so ist trotzdem auch dort das Individuum die letzte Analyse- einheit, der eigentliche Hilfegegenstand.. DaB psychologische Konzepte wie die der Annahme der Aggressivitat in jedem Menschen (Freud), des standigen Konflikts zwischen Libido und Realitat, der zugunsten der libidokontrolle entschieden werden soil, u.a. dem individualistischen Konzept entgegenkommen, liegt auf der Hand.

Damit will ich nicht sagen, daB die Psychologie un- brauchbar fiir die Sozialarbeit sei, nein, die Sozial- arbeit kann nicht ohne die Hilfswissenschaft der Psychologie arbeiten, nur muB der einzelne Sozialarbei- •ter immer eines gegenwartig sein: daB die Psychologie, wie sie bisher betrieben wird, mit all ihren Tests, ihren lernpsychologischen Gesetzen den Konstruktionen von Es-Ich-Ober-Ich, ihrem Aggressionskonzept u.a. empirisch nicht absehen kann von den Bedingungen der Gesellschaft, in der sie steht, d.h. daB die Sozialarbeit von der Psychologie nur immanente Informationen erhalten wird, daB es aber fur den Sozialarbeiter darauf ankommt, die systemimmanenten Informationen auf dem Hintergrund einer dialektischen - materialistischen Systemanalyse auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen, um nicht technokratisch zu handeln sondern den objektiven Interessen der Mehrheit der Gesellschaft, i.e. die Lohnabhangigen, entsprecbend.

Ein

dritter Grund, der in den beiden ersten schon implizit17

enthalten ist, soil der Deutlichkeit halber noch einmal genannt werden,: es ist das sogenannte Ziel der Sozial- arbeit 'Hilfe zur Selbsthilfe' zu geben. Auf dem Hintergrund des genannten psychologischen An- satzes und der Tatsache, daB die Sozialarbeit sich nicht als klassenbewuBte Ideologiekritik versteht, wird hier nur noch einmal mehr die Ideologie des Monopolkapitalis- mus wiedergegeben, daB namlich Chancengleichheit bestiin- de, daB jeder - bei^ entsprechendem personlichen Einsatz - alles erreichen konne.

Erst einmal wissen wir,daB der Chancengleichheit das die Herrschaftsverhaltnisse widerspiegelnde Klassenbildungs- wesen (Volksschule - Gymnasium) entgegensteht. Im zwei- ten soil der Klient zu einem konformeren Eollenverstand- nis, einem tieferen, Selbstverstandnis und zu besserer Eealitatsbewaltigung gebracht werden. Wie aber soil der Klient das anders verstehen, als daB er - nun fit ge- macht - in den Konsumkreisel hineinspringt, wenn ihm in der Auseinandersetzung mit dem Sozialarbeiter deutlich gemacbt wurde, daB er nicht funktioniert hatte, daB per- sonliche Schwierigkeiten fur sein Versagen verantwort- lich gewesen waren.

Zu diesem individualistischen Ansatz in der Sozialarbeit moge folgendes Zitat stellvertretend gelten: "Ich glaube, daB Erau C. auf dem Wege ist, mit allem fertig zu werden, was auf sie zukommt, sowohl im Falle der Biickkehr ihres Mamies wie seines Verbleibens in der Haft. Ich glaube, daB Erau C. eine Menge persbnlicher Eeserven hat, auf die sie zuriickgreifen kann, urn die Situation zu meistern; ganz offensichtlich ist sie durch ihre Erlebnisse ge-

reift... Eigentlich ist Erau C. in der Lage vieles

aus eigener Kraft zu tun, nachdem sie den Krisenpunkt iiberwunden hat, als sie mit ihren Gefuhlen kampfen muBte und fast bis zur vollkommenen Untatigkeit bedrangt war. Ich glaube, daB Erau C. ... wirkldch erfassen kann, was es fire sie bedeutet, ohne Anstellung zu verbleiben, eben- so gut wie mit den Realitaten fertig zu werden, die aus der Fortsetzung der Trennung von ihrem Ehemann resultie- ren konnen."

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Zusammenfassung in Thesen

1 . Indem die Sozialarbeit in den Mittelpunkt ihres Zieles den Einzelnen stellt, den zugrundeliegenden sozialen Konflikten.also individualisiert, wirkt sie system- stabilisierend.

2. Die Sozialarbeit kritisiert nicht die Produktionsba- sis, sondern hochstens - als biirokratisches System - die Verteilung des Sozialprodukts. Damit aber kann sie die zugrundeliegenden Ungleichheiten nicht aufdecken.

i>. Erne ideologiefreie, w.ertfreie, wissenschaftsorien- tierte Sozialarbeit tragt zur Stabilisierung des

Systems bei, daB sie sich nicht ir.it der Ideologie des jetzt und hier herrschenden Systems auseinander- setzt und iibersieht, daB ihr von den Wissenschaften nur immanente Informationen geliefert werden.

4. Am methodischen Beispiel der sozialen Einzelfallhilf e zeigt sich, daB die Sozialarbeit nur funktional orientiert ist und die symptomatischen Folgen unge- loster sozialer Probleme nur neutralisieren kann.

5. Die therapeutische Beziehung zwischen Sozialarbeiter und Klient ist gepragt durch psychologistisches und individualistisches Arbeiten. In ihr soil dem Klien- ten zu einem besseren Eunktionieren verholfen werden.

Die Sozialarbeiter

Was haben sie fur eine Funktion?

Was haben sie selbst fiir ein Problem?

Eine Sozialarbeiterin hat ein Einkommen und kann sich nicht in der Ob-

dachlosensiedlung zurecht finden. Sozialarbeiter wissen Uberhaupt

nicht, in welcher Stellung sie stehen. Der Druck von oben zerstbrt das

Verhaltnis zwischen Obdachlosen und Fiirsorgerin.

Wo steht der Sozialarbeiter?

Bei der Stadt als Beruhigungsmittel !

Bei den Betroffenen als Stadtverwaltung!

Sie sehen sich selber als hilflose Geschb'pfe.

(VerfaBt von einer ehemals Obdachlosen, die 15 Jahre in Notunterkunf- ten gewohnt hat)

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Soziopsychische Situation der Sozialarbeiter

1. Sozialarbeiter kommen zum groBten Teil aus klein- und mitt elbiirger lichen Schichten.

2. Sie reproduzieren in der Regel kleinburgerliche Werte: Eigentum als hb'chstes Gut, das geschiitzt werden muB; Konkurrenz , besser sein als der Nachbar. Leistungs- denken .

3. "Schuld" wird als Grund fur Obdachlosigkeit, Krimi- nalitat usw. angesehen. Der Wille der Betroffenen, aus ihrer Lage herauszukommen, soil geweckt werden.

4-. Der Sozialarbeiter bilft einzelnen und dadurch der kapitalistischen Struktur. Wenn man einzelnen hilft ("soziales Aspirin"), hilft man der Struktur, weil der Status quo nicht verandert wird.

5. Rehabilitation in burgerliches Wohlverhalten hinein soil dafiir sorgen, daB kleinburgerliche Werte iiber- nommen werden und daB die Betroffenen keine MSglich- keit haben, eigene Fiihrer, eigene Hilfsmittel, eigene Organisationen zu produzieren.

6. Sozialarbeiter lernen meist in der Ausbildung, daB sie den Betroffenen zu helfen haben, d.h. die Motivation zum Beruf ist entweder caritativ Oder wird nicht klar diskutiert.

7- Das fiihrt dazu, daB sie mit ihrer beruflichen Identi- tat Schwierigkeiten haben. Zwar ist "Sozialarbeit" vom offiziellen Berufsbild und von den Tatigkeitsmerk- malen her relativ klar beschrieben. Die Beschreibung wird aber immer von Institutionen geliefert und ist deshalb immer im Sinne der Institution, niemals im Sinne der Betroffenen.

8. Bisher ist die Frage unbeantwortet , welche Rolle die Betroffenen, die in der Regel Proletarier sind, dem Sozialarbeiter zuweisen wiirden, wenn sie die Moglich- keit dazu hatten.

9. Wer sich als kritischer Sozialarbeiter versteht, be- 5(-. fmdet sich in einem permanenten Rollenkonflikt:

^u - Als Vertreter der Institution muB er behordliche

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MaBnahmen durchfiihren.

- Andererseits mochte er sich mit den Betroffenen

solidarisieren.

Bei behordlichen Sozialarbeitern muB die Entscheidung immer zugunsten der Institution ausfallen. In dieser Lage helfen sich manche Sozialarbeiter damit, daB sie versuchen, innerhalb der Behorde zu reformieren. Unver- sehens sind sie dann mit iiber 50 % ihrer Zeit mit Re- formideen, Intrigen und dem entsprechenden Xrger in der Institution- verwickelt. Da sich aber Institutionen im kapitalistischen Staat nicht andern lassen, endet der Reformer als Zyniker, Versager Oder resignierter Techno- krat. Also wird er untauglich zur Arbeit mit dem Prole- tariat. Die einzige Art, in Institutionen zu uberleben, ist die Arbeit in Gruppen von Gleichgesinnten, giinstigen- falls in der Institution, zumindest aber im Stadtteil, sowie Kontakte zu Hochschul- und Fachschulgruppen. Es muB' der weitverbreiteten Vorstellung entgegengewirkt werden, daB ein Sozialarbeiter - wie gut auch immer ge- schult - auf sich gestellt, sozialistische Praxis ver- wirklichen kann.

Ein nicht zu unterschatzendes Handicap fur gute Praxis ist die pseudo'wissenschaftliche Ausbildung an Fachhoch- schulen, die dem Wunsch vieler Sozialarbeiter, zu den Intellektuellen zu zahlen, entgegenkommt, und sich in ihrer Redeweise niederschlagt ; diese unterscheidet sich von der Sprache des Proletariats immer mehr. Auf diese Weise versuchen die Sozialarbeiter ihre Scham iiber ihre oft "niedere Herkunft" zu kompensieren. Die kleinburger- liche Linke an' den Universitaten fordert diesen ProzeB noch. In diesem Zusammenhang kann man von einer ver- schleierten Aufsteigermentalitat sprechen.

Dazu kommt, daB die psycho-sozialen Techniken, die Sozialarbeitern an Fachhochschulen vermittelt werden und die dazu dienen sollen, unangepaBte Verhaltensweisen zu korrigieren, die Tendenz zur Anpassung an die biir- gerliche Mittelschicht haben. Da bisher psycho-soziale Techniken mit sozialistischen Ansatzen kaum vorhanden sind, inussen zur Zeit selbst sozialistische Sozialarbei- ter mit unzulanglichen Oder unbrauchbaren "Werkzeugen" arbeiten. Nur ganz miihsam werden hier und da neue Me- thoden nichtkapitalistischer Sozialarbeit entwickelt.

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Schlaglichter zur Herkunft der "Fiirsorge" jugendlichen

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14 Mil3 . bundesdeutsche Familien verfiigen iibep weniger

als DM 600,00 im Monat.

2,6 Mill, davon iiber weniger als DM 300,00 im Monat.

- Die meisten der kriminell gewordenen Kinder und Jugendlichen stammen aus solchen Haushalten. (konkret Nr. 13, 72)

- Erziehungsheime sind zum groBten Teil mit Kindern aus solchen Familien gefiillt; Kinder aus reichen Fami- lien, die von ihren Eltern nicht erzogen werden konnen, kommen in Internate

- Zufall?

- Trunkenheit, Abhangigkeit von Fiirsorgeeinrichtungen, Mangel an Familienzusammenhalt, priigelnde Eltern, un- systematisches Denken, Unfahigkeit zur Kooperation, uber- wiegend Strafe als Erziehungsmittel, Vernachlassigung der Kinder durch die Eltern, SchulschwSchen u.a. sind erwiesen in Familien von deliquent gewordenen Jugend- lichen und fast durchweg gehoren diese Familien der Un- terschicht an

- und fast durchweg sind die Kinder in diesen Familien

auf sich allein angewiesen, weil entweder die Mutter - wenn sie zu Hause ist - nicht selbstandig erziehen, d.h. ver- antwortlich handeln kann, oder aber die Mutter mitarbei- ten mufi oder die Familien unvollstandig sind (Trennung, Scheidung, Krankheit, Einsitzen, Tod), sodaB dadurch die Chancen,Normen und Eollen zu vermitteln, noch weiter sinken

- die Verwahrlosungserscheinungen werden von der Offent- lichkeit als dissoziale Verhaltensweisen eingestuft. und mit Heimerziehung, Gefangnis beantwortet

- die schichtenspezifische Herkunft der Fiirsorgejugend- lichen wird dann abgetan mit einerr. sarkastischen Salto in die Humanitat: man soil doch bloB nicht das Materiel- le so iiberbewerten

und wahrend man Tausende "zur Besinnung" in die Gefang- nisse sperrt, weil sie das Materiel]e iiberbewertet haben und sich das, was sie durch Arbeit ihr Xeben lang nicht

erreichen konnen, einfach so- nahmen - laBt man Horten, Goergen und Co.laufen

- Zufall?

- daB die (geschatzte) Mehrwertrate in der westd. In- dustrie 1969 387 # betrug (oder der Arbeiter von 8-Std. 6 davon fur den Kapitalisten schuftete)

- Zufall?

- daB der durchschnittliche Bruttostundenlohn 1969 nur 5,29 DM betrug - der Multimillionar und Hauptaktionar der Daimler Benz AG - Herr Friedrich Flick (+) - 1969 allein aus seinem Kapitalanteil bei Daimler einen Ver- dienst von 107 Mill. DM kassiert hat, das ist umgerech- net auf die Stundenzahl eines Arbeiters ein Stundenlohn von 62.390,00 DM

- Zufall?

- daB Arbeiter sich um tlberstunden reiBen und dabei je- der der Konkurrent des anderen ist

- daB von 1966 - 68 die Netto-Profite der 100 groBten AG's um 4-5,7 %, die Netto-lohne und Gehalter im gleichen Zeitraum aber nur um 3,1 % stiegen

- daB den Berufsgenossenschaften jahrlich rund 2,5 Mill. Arbeitsunfalle gemeldet werden

- Schichtarbeit, Stechuhr

- Rationalisierung, Einsparung, zunehmend mehr arbeits- lose Arbeitswillige und -fahige iiber 45 Jahren

- zunehmender Ruin von Kleinbetrieben, des Handwerks

- (Obdachlosenasyle, "Schlichtwohnungen" , Kasernen) - 60 % der Kinder von Obdachlosen in Sonderschulen

- zunehmende Frauenarbeit bei igeringerem lohn bei glei- cher Arbeit wie die Manner (rund 1/3 niedriger)

- Akkordarbeit, Pramiensysteme,

- Notstandsgesetze gegen politische Streiks

- daB weniger als 2 % der Bundesbiirger 35 % des Privat- und 70 % des Produktiwermbgens ihr Eigen nennen - das alles.ist kein Zufall mehr, das hat mit Chancengleich- heit nichts zu tun, da ist die Kennzeichnung besonders auffalliger Gruppen als Unterschicht und Randgruppen nur

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noch fur den methodischen Ansatz zu ihrer Politisierung notig, denn diese Probleme sind dem spatkapitalistischen System inherent und sind Klassenfragen.

lit.:

- Autoren Kollektiv Marx-Arbeitsgrp. Historiker "Schulungstext zur Kritik der P olitischen Okonomie"

- Konkret 15/72

- Karl Marx: "Das Kapital" Bd. 1

Einige Thesen zu den Ausfiihrungen iiber die Herkunft der Piirsorgejugendlichen.

Am krassesten zeigen sioh die Grundwiderspriiche unserer Gesellschaftsordnung in den sog. Randgruppen.

Wohlfahrtsstaatsideologie sowie die Ersatzbefriedigung durch Konaum verschleiern die standig fortschreitende Ausbeutung und Verelendung der Arbeiter.

Dissozial ist, wer sich nicht an den sozialen Normen der Mittelschicht orientiert.

Juristische Normen sind an Kapitalinteressen orientiert.

Chancengleichheit bedeutet: Chancen fur die Reichen, Machtigen, Einf luBreichen, aber keine Chancen fur die Unterprivilegierten.

Nicht nur Gesetze und Zwang, sondern Sprachbarrieren, nur teilweise oder gar nicht gelungene Anpassung an dxe Normen der Mittelschicht, schlechtere Schul- und Berufs- ausbildung u.a. verhindern die Gleichberechtigung der Arbeiter in der Gesellschaft.

Die soziale Diskriminierung der Arbeiter bzw. der Unter- schicht ist bedingt durch ihre Unterprivilegierung auf .der Produktionsebene.

So ist die gesellschaftliche Realitat nur die auBere Er- scheinungsform der zugrundeliegenden bkonomischen ?er- haltnisse: auf der einen Seite diejenigen, die die Ver- fiigungsgewalt iiber das Kapital haben, die Kapitalisten, die sich den gesellschaft lich erzeugten Reichtum aneignen, und auf der anderen Seite diejenigen, die gar nichts be- sitzen auBer ihrer Arbeitskraft, die sie gezwungen sind_ zu verkaufen, die nicht am Mehrwert teilhaben diirfen, die aus ihrer bkonomischen Abhangigkeit heraus nicht die Mog- lichkeit haben, gesellschaftliche Prozesse zu durch- schauen bzw. zu beeinflussen.

Konkretionen zum Aufbau eines Jugendwohnkollektivs

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*<S is

Vorbemerkungen

Dieser Artikel ist fiir den "Praktiker" geschrieben. Ganz konkret geht er auf so wichtige Pragen wie Tragerschaft, Pinanzierung, Mitglieder im Jugendwohnkollektiv, bau- liche und Standortbedingungen und ihre Auswirkungen , Um- weltkontakte, Kollektivberater usw. ein. Allerdings kon- nen hier keine Patentrezepte vermittelt werden. Es wird nur versucht, die Erfahrungen der bisher bestehenden Kollektive zusammenzufassen und zu verallgemeinern. So konnen sich situationsbedingt beim Aufbau eines neuen Kollektivs auch andere Entwicklungen zeigen wenn auch die Entwicklungstendenzen bisher allgemein in die in diesem Artikel aufgezeigte Richtung gehen. Dieser Arti- kel ist allerdings vor der Zerschlagung des Essener Kol- lektivs geschrieben worden (vgl. Dokumentation) , die wohl eine neue Stufe der Eskalation gegen fortschrittli- che Projekte im sozialen Bereich darstellt. AuBerdem ist auch nicht auf die Erfahrungen des Georg-von-Rauch-Hau- ses eingegangen worden. Dieses "Projekt" unterscheidet sich durch die mit einer breiten Massenmobilisierung ver- bundene Initiierung von der "betroffenen Basis" in wesentlichen Punkten von den bisberigen Projekten und sollte in diesem Info an anderer Stelle ausfiihrlich be- handelt werden.

Zur TraRerschaft

. Da in den Anfangen Jugendwohnkollektive im Zuge der Randgruppenstrategie meist von politischen Tragergruppen (APOJ initiiert wurden, ist mit Unterstiitzung der Jugend- wohnkollektive (Jk) nur zu rechnen, wenn sich die Ini- tiatoren als "honorige" Trager ausweisen kb'nnen. So muBte z.B. ein Miinchener Jk erst nachweisen, daB die Mitglie- der keine "verkappten Maoisten" waren.

Aber auch dann bleibt die Unterstiitzung zuerst meist nur ideell. Es empfiehlt sich deshalb, einen eingetragenen Verein zu griinden, der einem Spitzenverband der deutschen Wohlfahrtspf lege - in NRW sind gute Erfahrungen mit dem DPWV gemacht worden - anschlieBt und. der eine relativ groBe Autonomie sichert.

Dieser Verein sollte auBerdem moglichst schnell versu- chen, den Status der Gemeinniitzigkeit zu erreichen.

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Dieser Verein, der als Trager fungiert, hat die ver- antwortliche Leitung und Vertretung der Durchfiihrung der offentlichen Erziehung im Jk nach auBen inne. Er ist zustandig fur . finanzielle Regelungen, Einstellung und Entlassung des Personals.

Der Trager ist - und sollte es auoh sein - zur Haupt- seite juristischer Trager. Gut sind xiir solch einen Verein immer einige. liberals oder progressive Renommier- theologen Oder -intellektuelle. Weiter empfiehlt sich die Berufung eines padagogischen Beirats, in den einige "wissenschaftliche Mitarbeiter" aufgenommen werden soil- ten. Dieser Beirat darf allerdings nur beratende Funktion haben, d.h. in padagogischer und psychologischer Hin- sicht Hilfe leisten.

Ein neues Projekt sollte in der Regel anfangs von einer ziemlich kleinen Kerngruppe geplant werden, die spater dann einige "Pachleute" zur Hilfe Ziehen sollte. (Wir sind gern zu.solchen Hilfestellungen bereit.) Doch soll- te man diese "Fachleute" nicht zu intensiv mit dem Pro- jekt verbinden, da sonst die Gefahr groB ist, daB sich zwischen Trager und padagogischem Personal eine Arbeit- geber-Arbeitnehmerposition mit alien sich daraus erge- benen Konsequenzen entwickelt.

So ist es am besten, wenn zwar offiziell ein Verein als Trager fungiert, der Trager im Grunde genommen aber nur eine Projektgruppe bildet, in die auch das padagogische Personal integriert ist.

Es sind also folgende Gremien notwendig: ein gemein- niitziger Verein mit Vorstand, eine Mitgliederversammlung und ein wissenschaftlioher Beirat.

Zur Finanzierung

Die groBten Finanzierungsschwierigkeiten ergeben sich bei der Erstausstattung und Einrichtung eines Jk, da hier oft umfangreiche Eigenmittel aufgebracht bzw. vorgeschossen werden miissen, da in der Vorbereitungs- und Anlaufzeit eine Kostendeckung durch Pf legesatze nicht erreicht wer- den kann und da durch die noch nicht voll erreichte Aus- baustufe des Kollektivs die Kosten pro Jugendlicher be- sonders hoch sind.

Zwar werden die anfallenden Selbstkosten zu einem groflen Teil nachtraglich vom LJA ersetzt, doch miissen die da- bei entstehenden immensen Verzogerungen - die auch bei der Zahlung der normalen Pf legesatze gang und gabe sind - als bewuBte Repressionen verstanden werden. Es empfiehlt sich zur Vorfinanzierung dringend das An- streben der Gemeinmitzigkeit des Vereins, da dadurch die besten Moglic.hkeiten gegeben sind., durch Spenden an Geld zu gelangen. (Antrag auf Aufnahme in die BuBgeldkartei beim OLG, Spenden von Klassenlotterien, Sparkassen, gros- sen Indus trieunternehmen und Kaufhauskonzernen, Spenden- aufrufe an liberale Organisationen und Personen} Auch

Asten und Fachschaften sind oft bereit, Geld vorzu- strecken! .

Die Pinanzierung sollte sonst grundsatzlich pauschal iiber .Pf legesatze bzw. Tagessatze der Jugendlichen er- folgen: Pur Jugendliche, die der PE oder PEH unterste- hen, durch das LJA, fur andere Jugendliche durch das ortliche JA. Folgende Kosten sollte das LJA iibernehmen: Personal- und Verwaltungskosten, Mietausfall, Versiche- rungen, Honorare fiir Supervision und Einzelfallhilf e, Nachhilfe... Bei der Verhandlung iiber die Hohe der Pf le- gesatze sollte man sich vorher an die bestehenden Kol- lektive wenden, da die LJAter hier ziemlich willkiirlich verfahren und die Pflegesatze bei den einzelnen Jk sehr stark differieren. Es tauchen vor alien Dingen immer wieder Repressionen finanzieller Art auf. Weiter fordert das LJA gewisse Mitsprache bei der Auf- nahme neuer Jugendlicher.

Die Jugendlichen, die arbeiten, miissen einen Anteil ihres Lohns bzw. Lehrgeldes ans LJA abgeben. Die in dieser Hin- sicht bestehenden Bestimmungen bieten kaum einen Anreiz zur Arbeitsaufnahme und fordern so bei einigen Jugend- lichen ein "Rentnerdasein".

Zur Frage der Kollektivmitglieder

Als geeigneter Personenkreis hat sich eine Mitglieder- zahl von ca. 5 Jugendlichen ergeben. Wenn eine groBere Anzahl aufgenommen werden soil, empfiehlt es sich lang- sam aufzubauen, d.h. es muB erst eine Kerngruppe vorhan- den sein, die sich einigermaBen gefestigt hat, bevor das Kollektiv vergroBert wird. Man sollte sich nicht durch die Notsituation einzelner Trebeganger unter Druck setzen las sen.

Die Jugendlichen sollten zwischen 15 und 19 Jahren alt sein, wobei 16 als das ideale Eintrittsalter erscheint. Die meisten Kollektive sind reine Jungenkollektive ; es gibt allerdings auch Madchenkollektive. In Berlin sind Erfahrungen mit einem koedukativen Kollektiv gemacht worden, einer MSglichkeit, die allerdings z.B. von den LJAtern in NRW blockiert wird. In diesem Berliner Kollek- tiv (2 Madchen - 5 Jungen) ergaben sich Probleme weniger im sexuellen Bereich als aus der Schwierigkeit sich von den traditionellen Rollenmustern zu losen; es bestand z.B die Gefahr der Ausnutzung der Madchen fiir hausliche Ar- beiten.

Es hat sich als sinnvoll erwiesen, bestimmte Aufnahme- kriterien zu handhaben. Zwar sind wir der Meinung, daB ca. 2/3 aller Jugendlichen in PE und PEH in Kollektiven untergebracht werden konnen, daB also die Jk eine echte Alternative zur Heimerziehung darstellen; doch da die Jk im Moment noch Modellcharakter haben, sollte heute unter den... Jugendlichen noch eine gewisse Vorauswahl getroffen werden .

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.

1. Die Jugendlichen sollten arbeitsfahig bzw. arbeits- willig sein d.b. zur Schule oder zur Arbeit gehen oder und wenn es moglich ist, in letzter Zeit auch gearbeitet hab en ;

2. sie sollten nicht iiber schwere psychische Storungen und Schaden verfiigen, da wir keine Psychotherapeuten sind und auch der politische Anspruch unserer Arbeit unter solchen Voraussetzungen fragwiirdig ware;

3. die Jugendlichen sollten, falls moglich, keine zu^ lange Heimerfahrung haben, d.h. sie sollten gruppenfahig sein, Verbalisierungs- und Artikulierungsfahigkeit be- sitzen, einen gewissen Toleranzbereich gegeniiber Frustra- tionen und Aggressionen haben, Eigenschaften wie Koope- rationsfahigkeit, Initiativbereitschaft, Rucksichtnahme : auf andere aufweisen und auch bereit sein, an den Aktivi- taten des Kollektivs teilzunehmen;

4. sie sollten aus der Arbeiterklasse stammen;

5. sie sollten selbst den Wunsch haben, in einem Kollek- tiv zu leben;

6. sie sollten nicht drogenabhangig sein.

Diese Kriterien lassen sich alle allerdings in den wenigsten Fallen realisieren. Zudem wird die ganze Pro- blematik der Jugendlichen aus den Kontaktgesprachen kaum und aus den Akten erst recht nicht ersichtlich. Da aus- reichende Informationen iiber den Werdegang und die augen- blickliche Situation fehlen, empfiehlt sich eine vier- wochige Probezeit und eine darauf folgende Aufnahme durch GruppenbeschluB. Es kommen grundsatzlich nur Jugendliche in Frage, die FE, PEH oder anderen offentlichen Erzie- hungsmaBnahmen unter liegen bzw. akut von Heimeinweisung bedroht sind, d.h. dringend eine Unterbringung auBerhalb der Pamilie bediirfen oder auch Jugendliche, die unter Bewahrung stehen. . .

Aufnahmen konnen auf dem Verwaltungswege,Vorschlag des LJA Oder auf Empfeblung des Vereins (entwichene FE-Zog- linge, Trebeganger) erfolgen.

Bauliche Voraussetzungen und StandortbedinKungen

Es ist ziemlich schwierig, geeignete Hauser oder Woh- nungen zu bekommen. Meist sind dazu gute informelle Kon- takte zu politischen Instanzen der Stadt oder zu kirch- lichen Kreisen notwendig. Bei Einschaltung eines Makler- biiros kann man mit Unkosten bis zu 500, DM rechnen. So erscheinen dann manchmal Hausbesetzungen schon langer leer stehender Hauser als ein durchaus angemessenes Mit- tel, die zustandigen Stellen auf die Mangelsituation aufmerksam zu machen.. Wenn Hauser zur. Verfiigung gestellt werden, sind es zumeist Abbruchhauser, die in den nach- sten Jahren im Zuge von SanierungsmaBnahmen abgerissen werden sollen und die von der Stadt schon aufgekauft wor- 28 den sind. Der Zustand dieser Hauser ist deshalb oft sehr

miserabel und zumeist muB mit hohen Investitionskosten gerechnet werden. Wie sollten nun die Wohnungen bzw. Hauser geschaffen sein - wobei betont werden muB, daB grundsatzlich Hauser Wohnungen vorzuziehen sind? Es sollten moglichst mehrere kleine Haume zur Verfiigung stehen, so daB jedes Kollektivmitglied anfangs iiber sein eigenes Zimmer verfiigen kann und auch Wohngelegenheiten fur das padagogische Personal vorhanden sind. AuBerdem sollten ein Arbeits- und ein Gemeinschaftsraum zur Ver- fiigung stehen; dazu Bad, Toilette.

Gut sind auch immer Speicher- oder Kellerraume fiir Tischtennis, zum Basteln und auch ein kleiner Biiroraum. Bei der Ersteinrichtung sollte besonders auf eine gute Einrichtung der Kiiche Wert gelegt werden, um die Kol- lektivmitglieder weitgehend von uberf liissiger Hausar- beit zu entlasten.

Die Einrichtung der meisten Zimmer kann aus Schenkungen und vom Sperrmiill hestritten werden, doch sind meist erhebliche Kosten fiir Eenovierung, Umbau usw. aufzu- bringen.

Die gemeinsame Renovierung und Einrichtung kann in be- grenztem Umfang das Selbstwertgefiihl steigern (nach langem Heimauf enthalt sehr wichtig), bei zu starker Be- anspruchung konnen allerdings durch Uberforderung in organisatorischen Problemen starke Konflikte auftreten.

Da die meisten Jugendlichen aus der Arbeiterklasse stam- men, sind Hauser im gewohnten Milieu - also in reinen Arbeiterwohnbezirken am besten geeignet. AuBerdem sollten giinstige Verkehrsverbindungen zu den gangigen Arbeits- platzen und zu den Kommunikationszentren in der City ge- geben sein.

Sehr wichtig sind die Kontakte zur Umwelt und die Zusam- menarbeit mit den Anwohnern. Anfangs sind die meisten Kollektive Diskriminierungen, abfalligen Blicken, dauern- der Beschwerden beim Vermieter, meist wegen Larms und haufiger Besucher, ausgesetzt.

Diese Konflikte werden meist noch durch das Auftreten von Polizei und Justiz verstarkt, die in jedem Kollektiv ei- nen potentiellen Kriminellenhort sehen. So sind Durch- suchungen der Sitte, des politischen Kommissariats und des Eauschgiftdezernats an der Regel. Wahrend der Biirger- kriegsaktionen gegen die RAP (Bader-Meinhoff-Gruppe) wurden grofie Aktionen und Polizeieinsatze gegen verschie- dene Kollektive vorgenommen. Diese Einsatze bleiben den Anwohnern natiirlich nicht verborgen. und sind den Kontak- ten zur Umwelt nicht gerade f order lich.

Dazu noch ein Beispiel aus Frankfurt: Als vom Jk ein Un- fallwagen gerufen wurde, weil ein Jugendlicher .die Trep- pe herunter gestiirzt war, leitete die Polizei sofort Er- mittlungen wegen Gewalttatigkeit und DrogengenuB ein. In Diisseldorf versuchten Bewohner mit Hilfe der ortlichen CDU-Fraktion , die Errichtung eines Jk in einem klein- 29

biirgerlichen Bezirk zu verhindern, weil "die Sicherheit von Frauen und Kindern gefeihrdet" sei und "der Wert der Eigentumswohnungen sinke" .

Erst durch gezielte Offentlichkeitsarbeit (Presse, Fern- sehen, Rundfunk, Rundbriefe, Hearings) konnte der re- aktionare Charakter dieser Fraktionen entlarvt werden. Man sollte deshalb fiir die Anwohner immer eine Infor- mationsveranstaltung durchfvihren, und iiber die Ziele der- Wohngemeinschaft aufklaren. Auch gegeniiber dem Vermieter muB die padagogische Konzeption erlautert werden.

Zur Frage und Eunktion von Hausordnungen

Zu Anfang erscheint die Erstellung einer Hausordnung bzw. eines Punktionsplanes meist erforderlich. Sie sollte ge- meinsam diskutiert und besohlossen werden und sich be- sonders mit dem Verbot des Handels und Genusses von Rauschmitteln, der Vermeidung ubermaBigen Alkoholgenus- ses, der permanenten ttbernachtung von Gasten und ent- wichenen Zoglingen und auf Gebiete wie Aufraumen, In- standhaltung, Einkaufen und Kochen beziehen. Diese Hausordnung ist nach langerem Zusammenleben im Kollektiv* meist nicht mehr notwendig.

Zum padagogischen Personal

Fiir Jedes Kollektiv sollten 2 padagogische Mitarbeiter (Fachkrafte) eingestellt werden. Am besten ein Sozial- arbeiter und ein Sozialpadagoge. Weiterhin ist ein teil- zeitbeschaftigter Mitarbeiter einzustellen (Kriegsdienst- verweigerer, Jahrespraktikant) . Empfehlenswert ist auch die Einstellung einer Hauswirtschaftlerin oder Kochin fiir 2-3 Stunden taglich, die kooht und sich urn die Kiiche kiimmert. Manchmal erscheint zur Entlastung des Sozialar- beiters auch noch die Halbtagsbeschaftigung einer Sekre- tarin gegeben, die gleichzeitig auch fiir andere Angele- genheiten des Vereins zustandig sein kann. Die Aufgabenteilung zwischen Sozialpadagoge (Kollektiv- beraterj und Sozialarbeiter sollte etwa wie folgt aus- sehen, wobei allerdings echte Team-work Grundvoraus- setzung bleibt: der Kollektivberater iibernimmt zur Haupt- seite die Analyse und Interpretation der Gruppenprozesse, die Realisierung des padagogischen Konzeptes und in.Ein- zelfallen auch therapeutische Aufgaben. Der Sozialarbei- ter kiimmert sich vorrangig um Arbeitsvermittlung, Kon- takte zum Arbeitsplatz, Jugendamt, Eltern, Vormund und um Versorgungsangelegenheiten.

Das padagogische Personal verfiigt iiber die Aufsichts- pflicht, doch wird die Verantwortung z.T. vom Trager iibemommen. 30 Auflerdem sollten Kontakte zu psychologischen und psycho-

m

therapeutischen Fachkraften vorhanden sein. Der padago- eische Beirat sollte nur beratende Funktion haben. Die Supervision der padagogischen Fachkrafte sollte die Projektgruppe bzw. der Trager iibernehmen, d.h. besonders die Besprechung der Probleme der Position des Kollektiv- beraters in der Gruppe und andere Gruppenprobleme. Wenn dies nioht gegeben ist, d. h. der Berater nicht gleichberechtigt in den Tragerverein integriert ist, er- gibt sich sehr leicht die Gefahr eines Arbeitgeber-Ar- beitnehmerverhaltnisses mit den bekannten Konsequenzen.

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REIHE BETRIEB UND GEWERKSCHAFTEN

GEWERKSCHAFTEN HEUTE - ORDNUNGSFAKTOR ODER GEGENMACHT? Funktion und Strategie der Gewerkschaften im Spatkapitalismus.

Autor: Hansgeorg Conert

Ein kritischer Beitrag zur Standortbestimmung der Gewerkschaften in der BRD heute. Ausgangspunkt ist die Erwartungshaltung der Mitqlieder gegeniiber den Gewerkschaften. Es wird verdeutlicnt, daB organisierte wie auch nicht organisierte Lohnabhangige von den Gewerkschaften die Durchsetzung von Anspruchen erwarten, die den engen Rahmen der vom Profitziel diktierten Funktions- bedingungen des Spatkapitalismus sprengen. Da3 nunmehr auch in der BRD die Regierung konsequent daran gent, den Ablaut des kapitalistischen Produktions- und Verwertungsprozesses zu steuern, verbessert keineswegs den gewerkschaftlichen Aktions- raum, sondern verengt ihn zunehmend.

Die Gewerkschaften konnen sich daher der Entscheidung nicht entziehen: integrieren sie sich in das System des organisier- ten Kapitalismus und ordnen sich damit den jeweiligen Beding- unqen privater Profitmaximierung unter Oder begreifen sie lhre Aufgabe als antikapitalistische Gegenmacht und gehen zu einer Strategie der Durchsetzung systemverandernder Reformen uber.' Die notwendigen Konsequenzen fur die konkrete Politik der Ge- werkschaften, fur die innerverbandliche Demokratie, fur die Mitbestimmungskonzeption, fur die Bildungsarbeit sow;e fur die Strategie der Gewerkschaften in der politischen Sphare werden in dieser Broschure umrissen und zur Diskussion gestellt.

88 Seiten, broschiert, DM 3.3o

Verlag Zooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591

-J 31

^a

Verein Soziale Jugendarbeit e.V.

Konzeption fur die Einricbtung einer Wohngemeinschaft mit Minderjahrigen in offentlicher Erziehung.

32

Als Erziehungsziel fur die Jugendlichen wird angestrebt, daB sie durch Selbsterfahrung, Selbsterziehung und Selbstorganisation die Ursache ihres Scheiterns in der Familie und Gesellschaft einsehen ,und lernen, ihre Pro- bleme und Konflikte selbst zu losen.

Dieses Ziel wird nicht in alien Fallen zu erreichen sem. Bei umweltgeschadigten Jugendlicben ist es aber beson- ders wichtig, ihre eigene Stabilitat zu entwickeln. Dazu gebort Entwicklung der Eigentatigkeit und Eigenverant- wortung, die Entwicklung der Verantwortung fiir die Grup- pe und die Fahigkeit, in jenen Umweltkonstellationen stabil zu bleiben, in denen sie friiher zusammengebrochen sind. Besonders wird zu erstreben sein, daB die Jugend- licben kontinuierlich einer Berufsausbildung Oder einer Berufsarbeit nachgehen.

Um das zu erreichen, soil nach den Methoden der Sozialen Gruppenarbeit vorgegangen werden. Diese Methoden beinhal- ten Initiierung und Kontrolle gruppendynamischer Pro- zesse. Die entsprechenden soziometrischen Verfahren_ (So- ziogramm, Autosoziogramm) sind dabei anzuwenden. Weiter- hin gehoren dazu auch Gruppendiskussionen, Soziodramen, Planspiele fiir Konfliktlosungen und dergleichen mehr. Da die Ursache, die zur FE/FEH-Massnahme gefiihrt hat en, im sozialen Umfeld der Jugendlicben zu suchen sind, ge- niigt es jedoch nicht, einen gruppeninternen Entwicklungs- prozeB in Gang zu setzen. Daher wird angestrebt, sta'ndi- gen Kontakt mit der Umwelt .herzustellen, aus der sie^ kommen und in der zu leben sie wieder fahig werden miis- sen. Das soil u.a. ex'reicht werden durch Kommunikation mit den Jugendlicben des betreffenden Stadtteils, ein- zelnen Jugendlichen sowie formellen und informellen Gruppen. Durch Training sollen die Kommunikationspartner lernen, iiber Preizeitkontakte hinaus voneinander zu lernen: die Jugendlichen der Wohngemeinschaft, indem sie erfahren und erfragen, wie die,.. Jugendlichen in der Gegend leben; die Jugendlichen des Stadtteils, indem sie. erfahren, wie man in die offentliche Erziehung kommt und welche Ur- sachen dazu gefiihrt haben.

Der "Verein Soziale Jugendarbeit e.V.", Essen-Steele ist der Trager der Wohngemeinschaft. Dieser Verein ist dem "Deutschen Paritatischen Wohlfahrtsverband" ange- schlossen.

Es ist vorgesehen, in einer Gruppe von 8 Jugendlichen zu arbeiten, da erfahrungsgemaB eine GruppengroBe zwi- schen 6 und 8 Mitgliedern fiir einen dynamischen ProzeB am funktionsfahigsten ist. Diese GruppengroBe hangt aber von den Raumlichkeiten ab. Zu einem gegebenen Zeitpunkt ist beabsichtigt, eine 2. Wohngemeinschaft zu griinden, die aber raumlich von der 1. Wohngemeinschaft getrennt sein soil.

Von der Aufnahme ausgeschlossen werden Jugendliche, fiir die FE oder FEH lediglich beantragt ist, da das landes- jugendamt dafiir keine Kosten iibernimmt. Es sollen nach Moglichkeit nur schulentlassene Jugend- liche aufgenommen werden. Jugendliche mit erheblichen geistigen oder psychischen Mangeln konnen nicht aufge- nommen werden, weil sie eine Therapie benotigen, die die Gruppe nicht ermoglichen kann.

Es sollen nur Jugendliche mannlichen Geschlechts aufge- nommen werden.

Im Hinblick auf die Senkung des VolljShrigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre sollen Jugendliche, die 16 Jahre alt sind, aufgenommen werden. Dieses Alter ist auch aus Griinden der Aufnahme einer lehre bzw. des Besuches einer Schule giinstiger als hohere Altersklassen.

Padagogisches Personal

a) Sozialarbeiter

Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Kommunikation mit den Jugendlichen, Initiierung von Gruppenprozessen, Abwicklung der Verwaltungsaufgaben, Berichte schrei- ben, Kontaktaufnahme nach auBen: Eltern, Behorden, formelle Gruppen, soziales Umfeld, andere Kollektive, Entwicklung von Konzeptionen zur offentlichen Er- ziehung.

b) Kollektivberater

Angestrebt wird, als Kollektivberater ebenfalls einen Sozialarbeiter einzustellen.

Schwerpunkt der Arbeit liegt im besonders engen Kon- takt zum Kollektiv. Er kiimmert sich ausschlieBlich um die Angelegenheiten der Gruppe, z.B.

gruppendynamische Prozesse, Selbsterfahrung, Selbst- organisation.

Er kummert sich um die Arbeitsbeschaffung, halt Kon- takt zu den Arbeitgebern. Von Verwaltungsarbeiten und

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anderen auBeren Aufgaben ist er befreit.

Fur den Sozialarbeiter und den Kollektivberater ist Supervision unerlaBlich. Die Supervision findet regel- maBig statt und wird vom Verein sichergestellt .

Weiteres Personal sind eine SekretUrin und eine stunden- weise beschaftigte Putzfrau bzw. Wirtschafterin, sowie ein Ersatzdienstleistender bzw. ein Praktikant. Der Er- satzdienstleistende arbeitet nach den Grundsatzen fur den Dienst von Ersatzdienstleistenden bei anerkannten Einrichtungen .

Die Sekretarin ist fiir die anfallenden Sohreibarbeiten sowie die Buchfiihrung zustandig und nimmt als Proto- kollfiihrerin an Gesprachen teil.

Padagogiscb.es Konzept

a) Nach einer direkten Phase bei Start mit neuen Jugend- lichen soil diese allmahlich durch Selbstbestimmung und Selbstorganisation der Jugendlichen in Einklang mit dem Kollektivberater und dem Sozialarbeiter ab- gelost werden.

b) Mir die Sauberkeit in ihren Raumen sind die Jugend- lichen selbst verantwortlich.

Das Kochen iibernimmt zumindest in der Anfangsphase eine Kochin - stundenweise. Eventuell kann das Kochen bzw- die Gesamtverpf legung .zu einem spateren Zeit- punkt von der Gruppe selbst iibernommen werden. Ein- kaufen, Ordnungsarbeiten, wie Kiiche und andere Raume sauberhalten und andere gemeinsame Arbeiten, sollen von den Jugendlichen selbst organisiert werden.

c) Bedingung fiir den Aufenthalt in der Wohngemeinschaft ist, daB jeder Jugendliche einer Beschaftigung (Schule, Lehre oder andere Arbeit) nachgeht.

Nach der Aufnahme eines Jugendlichen wird ihm eine Prist von 14 Tagen (im Hochstfall von 4 Wochen) ein- geraumt, innerhalb derer er sich einen Arbeitsplatz, eine lehrstelle oder einen Schulplatz gesucht haben soil.

Ist ein Jugendlicher langer als 14 Tage durch eigenes Verschulden ohne Arbeit (z.B. keine. lust etc.) muB er die Wohngemeinschaft wieder. verlassen.

d) Pur Jugendliche unter 18 Jahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Off entlich- keit .

e) Nach Aufnahme des Minder jahrigen wird nach einem noch 04 zu vereinbarenden Zeitabstand schriftlich iiber seine °^ Entwicklung mitgeteilt und es wird nach dieser Beob-

achtungszeit in Absprache mit dem landesgugendamt entschieden, ob ein weiterer Verbleib in der Wohnge- meinschaft den erzieherischen Bediirfnissen des Ju- gendlichen und der Gruppe entspricht .

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht des landesjugendamtes wird in jedem Einzelfall voll anerkannt.

Es ist nicht daran gedacht, die Wohngemeinschaft als Kontakt- oder Anlaufstelle fiir entwichene oder gefahr- dete Jugendliche zu benutzen.

Es ist vorgesehen, daB in der Wohngemeinschaft anfangs der Ersatzdienstleistende und der Kollektivberater mit den Jugendlichen zusammen wohnen, daB der Sozialarbeiter (der zustandig ist fiir Verwaltung, Offentlichkeitsar- beit etc.) nicht in der Wohngemeinschaft lebt, da er dadurch Gruppenprozesse von "AuBen" besser iibersehen, feststellen, analysieren und-initiieren kann. Zudem soil er, um Spannungen aus der Gruppe herauszunehmen, die Siindenbockrolle ubernehmen, deren Aufarbeitung und Funk- tion fiir die Gruppe dann leichter fallt, als die Siinden- bocksituation in einer in sich geschlossenen Gruppe. Wenn moglich, soil keine Pluktuation in der Gruppe auf- kommen, d.h. es soil versucht werden, nach einer Start- phase, in der gepriift werden soil, ob die dann in der Wohngemeinschaft lebenden Jugendlichen den Anspriichen einer Wohngemeinschaft geniigen, diese Gruppenzusammen- setzung konstant zu halten. Palls das gelingt, sollte es nach gegebener Zeit moglich sein, daB die Gruppe ge- schlossen die Wohngemeinschaft verlassen kann. Falls es nach Absprache mit dem Landes jugendamt moglich ist, in der Endphase die Gruppe sich allein verwalten und organi- sieren zu lassen, so sollten dann der Kollektivberater und der Ersatzdienstleistende nicht mehr in die Gruppe integriert sein und sich so weit als moglich aus der Gruppe zuriickziehen.

Padagogisches Ziel

Es soil angestrebt werden, daB die Jugendlichen sich an regelmafiige Arbeit gewohnen und der .Arbeit schlieBlich auch nachgehen,so daB sie in der Lage sind, ihren Le- bensunterhalt selbst zu verdienen.

Die Jugendlichen sollen zur Selbstandigkeit gefiihrt wer- den, d.h. daB sie alle Dinge, die sie selbst betreffen, selbst regeln (Amterverkehr, Arbeitssuche, etc.)

Die iiberwiegend anzutreffende Planlosigkeit in Bezug auf ihre Zukunft soil ersetzt werden durch selbstandiges, vorausschauendes Planen.

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Kommunikation und Kooperation im Gruppenzusammer_h.ang und "draufien" als Einzelne in ungewohnten Umgebungen sollen gefcrdert werden.

Am Ende des Aufenthaltes in der Wohngemeinschaft (nach individuell angemessener Zeit) soil die Aufhebung der offentlichen Erziehung (IE - EEH) erf ol gen. Die Jugendlichen sollen dann so weit sein, daB sie selbstandig ihr Leben verantwortlich einteilen, planen und wirtschaftlich sichern konnen.

Weis chen

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Zielig-Stp, 89

H^k H 1B««B«4*fc»« J^& "rfnuters Buch 1st eine hervor- WIJllI KjHUBr* JlFSm rag<-nde Analyse des Zusaramen- 1B ^r % « ImT" i ?*v™ hangs von Informationsvermitt-

H7IA AlltA HnMIWinflT ^-unS und Anpassung, wie man WlUVUlV HKHUtUlK eben so fntertanen herstellt,

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ilieineinllODlCUlSlCIll ^, sondern mit den feinen Au j . « - i * Mitteln der Naehrirhtengebung".

uberdasHerstellenvoDUatertanen westd.Rundf. e.so ^/fjt^t.

36

GUMERWABRAfr7££l^ not als Pfllrht"

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Verdeutlichung der Klassenlage der Sozialarbeiter anhand der im Kollektiv gemachten Erfahrungen

Aufgrund der zumeist an burgerlich-mittelstandischen Normen und okonomischen Bedingungen orientierten Be- diirfnissen und Verhaltensweisen der Sozialarbeiter und Sozialpadagogen (1) miissen diese eine den Bediirfnissen der proletarischen Jugendlichen entgegengesetzte Hal- tung einnehmen.

Am deutlichsten sichtbar wird es , wenn Sozialarbeiter mit einer kleinen Gruppe von Arbeiterjugendlichen zu- sammenarbeiten "miissen", und zwar qua "Erziehungsauf- trag" staatlicher Oder kommunaler Behorden. Das gilt insbesondere fiir Heimerzieher und Kollektivberater, da hier permanent Interessenkollisionen als Klassengegen- satze entlarvt werden.

Es kann im folgenden nioht darum gehen, eine detaillierte Analyse, ausgehend vom Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital, zu liefern, sondern es sollen nur einige Widerspruche, die sich im Jugendkollektiv krass zeigen, genannt werden. Diese lassen sich generalisierend auf die derzeitigen Arbeitsf elder der Sozialarbeit iibertra- gen.

Kollektivberater gehen als institutionell bezahlte leute ins Kollektiv, urn dort zu arbeiten und Geld zu verdienen, damit sie leben konnen. Das ergibt sich aus der kapita- listischen Produktionsweise, in der die Subsistenzmittel nur vermittelt iiber das Geld zu erwerben sind. Der Kol- lektivberater erha.lt das Geld aber nur dann, wenn er seine "padagogische" Arbeitskraft verkauft. Selbst diese Arbeit-ist entfremdet, well sie nur ein Mittel ist, urn die Bediirfnisse auBer ihr zu befriedigen. Die "padago- gische Arbeitskraft wird vom Kapital gekauft, damit sie Voraussetzungen fiir die Verwertung proletarischer Ar- beitskraft schafft. Fiir den Kollektivberater bedeutet das Arbeit, fiir die betroffenen Kollektiv-Jugendlichen jedoch bedeutet sie Ereizeit. Das Kollektiv ist fiir die Jugendlichen Wohnung, Lebensbereich, nicht Arbeitsbereich. In diesem Lebensbereich sollen die Voraussetzungen her- gestellt werden, damit er seine Arbeitskraft im Produk- tionsprozeB verwerten lassen kann.

In der Praxis sieht das so aus, daB die Jugendlichen vom Kollektivberater fordern, daB er wie sie zu arbeiten habe 37

8

Oder verschwinden aolle. Der Kollektivberater auBert den Anspruch, Gleicher unter Gleiohen zu sein. Beide Ein- stellungen unterstellen, daB es jetzt und im Kollektiv moglich ist, die gesellschaftlich-bkonomischen Wider- spruche aufzuheben. DaB der Widerspruch im Historisohen, im Klassengegensatz von Kapital und Lohnarbeit liegt, wird nicht erkannt.

Die nicht mehr im Kollektiv behauptete Gleichheit von Jugendlichen und Beratern laBt die objektiv vorhandene unterschiedliche Stellung von Jugendlichen und Berater auBer aoht. Der Kollektivberater wird bezahlt und ar- beitet dort, weil er ganz gewisse "padagogische" Fahig- keiten hat, z.B. Konf liktlosungsmuster anzubieten und sie auch durchzusetzen ( "einzutrainieren") . Die Jugend- lichen sollen ja gerade der gesellschaftlichen Norm ent- sprechend erzogen werden von jemandem, der diese Norm verkorpert - dem Kollektivberater. Also kann er wob.1 kaum Gleicher unter Gleichen sein.

Burgerlich sozialisierte ausgebildete Sozialarbeiter glaubten, daB es sehr gut moglich sei, den Jugendlichen antikapitalistische Praxis und Theorien vermitteln zu konnen. Teils opponierten diese stark gegen die verbale Politisierung, z.T. ubernahmen sie diese Argumentation. Die Folge davon war, daB sie nicht arbeiteten, dafiir aber ihr "Rentnerdasein" pseudo-politisch (wie ubernom- men vom Kollektivberater) rechtf ertigten ("wir werden ja sowieso ausgebeutet") . Das war die logische Folge aus der burgerlich-revolutionaren Verba 1-Haltung der padago- gischen Mitarbeiter , die zumeist keinen Ausweg sehen, echt politisch zu arbeiten, da sie selbst kaum ihre pri- vilegierte Position gefahrden konnen.

Viele Kollektivberater gingen anfangs davon aus, person- liche Verhaltensstbrungen zu heilen und Unterprivile- giertheit zu beheben, um kritische und autonome Ent- scheidungen treffende Kollektivmitglieder zu erziehen. Durch diese sozialintegrative Zielsetzung iibersahen wir, daB proletarischen Jugendlichen Grenzen gesetzt sind, kaum aber den burgerlich erzogenen und ausgebildeten Sozialarbeitern. Dieses Konzept versagte, Frustrationen und Aggressionen hauften. sich. Durch die Vermittlung des Konzepts der "nivellierten Mittelstandsgesellschaft" Schelskys internalisierten wir die These von der po.si- tiven MSglichkeit zur sozialen Mobilitat, gaben sie wei- ter an die proletarischen Jugendlichen, indem wir Bil- dungsangebote machten (Fernsehen, Theater, Kurse).-Die Erfahrungen, die die Jugendlichen im Heim, in der Pamilie, im Betrieb gemacht haben, wurden dazu- benutzt, sie-vor neuerlichem "Abstieg" zu warnen und ihnen wurde dann der mogliche Aufstieg iiber Schule/Iehre nahegelegt. Das biir- gerliche Aufstiegs- und.Konkurrenzverhalten wurde durch die Jugendlichen kopiert- und kam zum Ausdruck: "Ich will

auch Sozialarbeiter werden!"

Wenn von den Kollektivberatern der Anspruch gestellt wird, die Jugendlichen durch das Kollektiv in die Ar- beiterklasse zu reintegrieren, ihnen KlassenbewuBtsein und Klassensolidaritat zu vermitteln, tritt darin das falsche Verstandnis vom Verhaltnis Produktions- und Heproduktionssphare zutage.

Die Reklassierung kann also nur die gemeinsame Aktion der Jugendlichen sein, die lediglich vom Kollektivbe- rater unterstiitzt werden kann. Er stellt seine Kennt- nisse zur Verfiigung, wenn sie in Verhandlungen/Kampfen mit der Sozialburokratie als Vertreter des Kapitals ge- braucht werden. V'eiterhin kann er als "Vermittler" zu politischen Gruppen werden, da er ja die Verhaltnisse am Ort, zumindest anfangs, sehr viel besser kennt als die Jugendlichen.

Andererseits muB der Kollektivberater von den proleta- rischen Jugendlichen lernen. Er muB klar seine privile- gierte Stellung erkennen, d.h. auch erkennen, in wessen Dienst er steht. Das bedeutet, daB er in jeder Konflikt- situation mit den Kollektivjugendlichen reflektieren muB: Verhindere ich durch meine (burgerlich gepragten) Ein- stellungen, Verhaltensweisen und Machtbefugnisse (qua Er^iehungsauf trag! ) eine Sozialisation, die die Einzelnen befahigen kann, sich zunachst in ihrer Klasse zu orien- tieren und in der Folge aktiv an Klassenkampfen teilzu- nehmen?

Um zu dieser Einsicht zu gelangen, kann man freilich nicht mehr langer die biirgerlichen liberalistischen Sozialisationstheorien von Dnterprivilegiertheit aufrccht erhalten. Ein Beispiel: Fursorgejugendlichen wird stan- dig 'vorgehalten, sie seien nicht kooperationsfahig, zur Solidarisierung untereinander untauglich etc. Konnen sie im Heim kooperieren, sich solidarisieren? Nein. Von sei- ten der Institutionen werden die Jugendlichen docb stan- dig gespalten, um Wohlverhalten zu gewahrleisten. Ko- operation, nach Vorstellungen der Institutionen, meint: optimale Integration und Arbeitskraftverwertung in der Produktion. Solidaritat heiBt: im formalen Bereich (Jber- einstimmung erzielen (auswahlen der Ferns ehprogramme ) . Denn sobald z.B. Bewohner der Obdachlosenghettos kollek- tiv gegen diese Verhaltnisse opponieren, versucht die Bourgeoisie, sie mittels ihrer Helfershelfer (Sozialar- beiter, Psychologen, Polizei) zu spalten und zu zerschla- gen. (2)

Man muB konzidieren, daB die wenigsten Sozialpadagogen sich ihrer gesellschaftlichen Funktion, namlich "Klienten" an die biirgerlich-mittelstandischen Normen anzupassen, sie dazu zu motivieren, sich der intensiven Ausbeutung 39

xm Productions- und, was zunehmend wichtiger wird, auch im Reproduktionsbereich willfahrig hinzugeben, nioht be- wuBt sind. Weshalb sie sioh dieser Ablaufe nicht bewuBt sind, soil hier nicht erortert werden (Information da- ruber in "Erziehung und Klassenkampf " Kr. V71).

Die Erzieher, gleich in welchem Bereich sie tatig sind, miissen sich daruber im klaren sein, rait welchen "Klienten' sie arbeiten, zu welcher Klasse sie gehbren, wie sie mit ihnen arbeiten miissen, in- welchem Auftrage und fiir wes- sen Interesse sie arbeiten. Die Widerspriiche zwischen Kapital und Arbeit verscharfen sich zusehends, was fol- gendermaBen zum Ausdruck kommt: Zerschlagung der fort- schrittliohen politischen Projekte, die von jugendlichen Arbeitern getragen werden (Georg-von-Eauch-Haus in Ber- lin, Wohnkollektiv Essen) . ..Genossen, die bisher geglaubt haben, daB es auch langerfristig Arbeitsbereiche mit re- lativ grofiem Freiraum fiir politische Arbeit gibt, wer- den ihre Meinung andern miissen und den verscharften Kampf in ihrem konkreten "sozialen" Arbeitsfeld gegen die Bourgeoisie aufnehmen. miissen. Biindnispartner sind primar diejenigen, die zu neunzig Prozent die "Klienten" sind: die Arbeiter und unteren Angestellten.

(1) Gefesselte Jugend: Piirsorgeerziehung im Kapitalismus . Autorenkollektiv Edition Suhrkamp Ffm. 1971 .

(2) Vgl. Erziehung und Klassenkampf Kr. 7/72 Bericht iiber die Arbeit in der Obdachlosensiedlung BrelohstraBe in Bochum.

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Witten den 19. 4-. 72 Brotokoll der Ereignisse wafcxend ineiaer tfnterbrinj-uug iffi~f:rzie£ungsheim", J fta-usTScEiEerdK?

Etw,-/ Mitte September wuroe ich nach 11/2 monatirer UntersMOhim^s- haf i. in das oa. Brziehungsheim eii;gewie3cr.. Bis sop secohah sat

meiren ^unsch in einem 3rief an den VntfrsDChimgsriohter ,

in lea ich averts, icb sal den Verhaltnissen der tTnlersnehungphaf-t

aeelisch nioht gewachsen.Bei neiner Einlieferrung wurde mir

sofort ein Plate in einem der 8 Hauser und ein Arbeit splat z

zugcteilt. Ich bekam Arbeit skleidung und wurd? beauftragt, mich

unv rzuglich in die Werkhalle zu be^eben.Die Arbeit b«stand darin

ftir die Fa. Hella Autoriieklichter zu nieten. Dieses gesohah in

Akkt-.rtl und wurde nach folgendem Punktesystem jjewertetj

Dea Tagespensum War 125o STCK. Wurde e.e erreicht, bekam man

6 p-nkte= 6o Pfennig. Filx Jede.nicht gescfcafften 5o STCK. wurde

1 Pmkt abgezogen. Sehaffte man also nur 95o STCK! so hatte mars

den lag umsonst gearbeltet.An Tascbengeld konntc man erreichen

6.- die Woche.

Die Ausgangsregelung war folgende:

Die ersten 6-8 Wochen grundsat zlich kein Ausgang.

Dan:, je nach Belieben Dea Erziehers 2-4 Wochen Sonntags

von ^-lS^TJhr.

Hat . e man in dieser Zelt alls Vorschriften eingehaltcn, wurde

der Ausgang Sonntags bis 1S22 bewilllgt.

Samstags und Mittwooha Ausgang nur naoh einera halben Jahr vor-

Bildlioher Ftihrang und einer Aiffien-Arbeltsstelle.

D-Je erste Woche in Heim verlief ohne wesentlieh* Schwierigkeltea, da ich mica grundsatzlich zurtiokhaltend verh.teJt.Diese Passlvit&t mit dsr ich den unwillkurlichen Oder willkttr lichen Provokationfn vcn 3eiten der anderen begegnete, verfehlte ihre Wirkung nicht. Als ich dann noch varsuchte, raeine Leidensgeaossen fur meine Id«<n zu begeistern, lief das Mass iiber. 2wei meiner Zimmer- nochbarci drangen nachts in mein zunmer(Breibettziiimii»r) ein, warden mieh samt neinem Bett aufs Gesicht,unde stellten mir ein voll aufgedrehtes Gasfeuerzeug tmter die Fiiae.IM.nses schiec sie aber doch nicht so ganz zu befriedigen und 30 b!?3Chlo3oea sie mir noch raitRasierklingen die Arme raid Beine anf zuschneiden, was da-nn auch mit unheimlicher Kaltbliitigkeit get an wunle. Danach vsrlie^en sie das Simmer mit der Begrundung, <*s wlirde ftir heute genUgen. Awf meine darauff olgende Strafanzelge hat sich bis Jetzt noch nicht das geriiifrste getan.Kach elniger Zeit ftiichtet ioh aus dem Heim und wohn<? seltdem ia Bochuner Kolektiv.

MBBtSI;

7? BTTilRS FPHRSORSSZSGIiISGS

I eh bin 18 Jahr« alt und nan kann wohl sagfn,bir, auf zwei Lebens- Jahr«t, ««ir. /*anz#s l.»b«n in Hwira. Ton f:.ll«n Vsrwanton kenn* ich rmr

Ins "'ut*-»r,di» i.rank ist.

•Laaur-ntna.1

o:i»r ist,

^ai3 r!»r «i(r*ntlich» Crund fur a-ln ▼urdi Tir nle r^sagt.

Ich k-ian ouf *<7 Jahre Xind»rh«ia zurickblleken. Kin •van£«llsehes

Eaia Obrlffens.In aeiner Orupps warn.-, oa. 85-50 Junr.an.

2-3 >:rzi*hsrinn«n hatt«n uns zu b*aufsichtipen,nit ur.s :;<3hularbei',*n

tj'ii'cjm Oder eb«n ii«T»er bel u^.s zu sein.

B«4 p,oileehten sehuli^ohen Leistun,«;rn,den "ot«n : od-r r .-rir'fs.'i :;ie

zon ??nbusstoek Oder zui. Teprichklopfer.

Sohl; •e,:uchtl?:unp:?n waren an der Tap;esordr.unf,.

Kit '■!- Jahren Y.fin ich in *in J.ehrlingsh-in.Hier war ich 2 Jahre. In d^-.ien Heiu bekan ein 'r- -'.-.hrl.tet 4,-U*.: Taseher.^eld in d»r 'Hoc".-.

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Seine Pa.co'".

Besc' lie U

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Sclvir Ton «

Trots wei

\ st aus bin ich dann "auf und davon" .

oaate war ich unterwe/i;a,ka.Ti nit . Itauschglft in .er^>-runs und

^epackt . rid der U-P'aft habe ich •'Woche . nunkelhaft aiterlebt. nan uinh laufen gelnsi?er: hat, wurde ich in '-ianburr wieder vcn ollaei (diesnal in lausch ) f;eschnappt.

*r Davids-'Tache -rrurde ich von rolizeibeasiten zusaroen^rschla.'en ich daaalire Preunde von rair.die ebenfalls niichtir, waren nicl-t ten wollte.

1 legend landete ich in ;>idelber,i,wo ich !«ifh -ine Zeltlnnr rtmunen aufhielt.

at i«an aich entgultl/; auf^e^rlffen und r.scr: Jortuund ftir 5 r in tlntersuchunsshaft "esteckt.

MeSend war ich wieder ? I.'onpte in eineni Iiehrliri.-shein.ffe«ren •'lnSfligea Arbeitsbesuch und hHufi^ere.-i Trinken kau ich in rziehungsheini.

-!« ich ~*> . onate hier war.bekan ich in der 7,'oche 2 .^tuntten ..u t "onaten erhohte sich sich die stunaensahl .--luf 4- Stunden in oche.

:. bin ich 5 Kinuten zu spat ^ekounen-Kierrauf hat nrnn niir no '■tunden Ausgang fUr 4 "-'oehen pesperrt.

^ei mu5t« ich sosenannte "Sozialarbeit" verrlchten. Unter -tlarbeit" verstand man hier,Plur.2iaaer,Klosetts uew. putzen.

unserer "Arbeitserzieher" hat raich,wie auch schon ar.dere /.oil

einer T-ppalie zusaramen^eschla^en.

FSuste Bchlu^en mir ins Cesicht.sein "nie spUrte ich l.i der ■;rube.^lut spritzte Diir bus Auren und der r'ase.

■.veren bel der Heinileltung hatte wenig Sinn, der Heimleiter lief nicht nit aich Heden.

.-■n neu in diesem Hause.so kann nan ffir Privatfirraen Spielzeu^, oehen und 3i!nerchen herstellen. Schon belra 7 Ta/r hatte nan hier inen in der Mrne,

der vielen ^las-n die nmn bei dier;»r Arbeit bekftm suCts rear. rarbeiten.

;anp.

rt

■Sin Arbeitstait betru* 9,5 ^tunden.von 8.00 bis 17.3o Uhr. Hierzwischen fielen 2 Zi/Tirettenpausen und 1 :;tunde f'itta^.

Alf irir einen nauen SportplAtz beknmen.HuOtfliep. eini^e von uns, 2 ''onnt* l«n£,°,5 Stunden pro Ta^ :.Taulwurfe k,i?uttnnch«n.

Hb'i-vH bin ich wieder in einen Lehrlin^sheiT:

Ira .'vnaen und Interes?a roeiner.noch in den l»ef>inffnlsShnllchen Ge^tos Xj^V-inden Xolle^en.Tle alien in Keiaen lebenden Jurendlichen,

mfa ich die fiff entlichkelt ,speziell die fiir eine b->snere Zukunft kr-'n^fende^. Juieendl4*fce dle?es Landes auf,

uns zu heifer. !

\Aus diesera 1st «r entwichen und i?t nun in eir.-nt Osf«nrnis.

TeMw'WqlekhAeSd^skiQeK I Das Haos fie- Moll detr3«#W»iaucM'

■l

^

der KuchA* welch afa 6WU5

r^ept- M oP rich* dfe Ey-fccs-ale*

Alls. Leyfe ydihem skbr»

Z«n» Beispiel Kauptverhandldnp E*8«n FUrsorgezHglinge "

Dai. die Justiz nicbt neutrsl 1st und kapital 1st lscben Staat

rirht wertfrel urteilon kann , weiB alttlerwelle Jeder.

Dai-' Heiaerziebnng lamer Dl skrlnlnlerucg und Diaziplinierung von

pr: letarisehen Jugendl tchen war und 1st, wird aoeh so langsara

jeoga klar.

Es 1st natUrllofe sobon etvas schvierlger, dabinter zu seben, vie

die Kl»ssenjostiz, die die DicbtbUrgerltoben den blfrgerlicben

An>»eklagt«D gegenliber veitaus diskrlBinlerender behandelt, alt

den Helaleitern und Erziehern geaeinsRise Sacbe maetit . Nlc*t a»-

Bou.it sind Hauptrerbandlungen vor dea Jugendsebbf fengerieht fUr

die dl fentliohkeit -jersperrt. Nleht etwa,.-«le es imaer gesagt wird,

dort personliehe Problene des Jugeudlicben verhandelt werden, sonden

daieit die gam lnfaae Gericbtspraxis bloB nicbt axis Liebt der

Of dentil obke it gelangt.

Dti kano Vie folgt aussehen :

Dif Jogendlicben feoimen in der Hegel nit den Heinle! tern oder Erziehern znr Verhandlung. Eln Rechtsanvalt kann ja auch nicbt vor. den Jugendlicben bezablt werden. Oder aogar doch? Von den briobstens 6,- DM in der Voohe, die sle krlegen? DU- Erzieber dUrfen dann aucb vSbrend der VflThandlnng zar Perron d"ju Jugendlicben etwaa aagen. Das hHrt sicb dann so an:? Er is '- soistens unebrllob", " er niaat es nit der Ehrllchkeit nlcht no »*nan", " er lUgt oft", " er aaoht kleinere Diebereien" usw.usw. Nlobts wird dann gesagt, dafl die Jugendlicben brutal In Heta be- bandelt warden. DaB sie gezwungen werden zu lHgen. DaB sle ge- n(Uigt- sind, zu steblen, da sie voa Arbeitsverd ienst Ja docb

»o gut wi» niobts oenalten dUrfen DaS sie unregelaSOig

arbeiten geben. Soil denn ein Jagendlloher etwa gerne arbeiten geiien, wenn er au* elnem Bauernbof an Tag 12 Stunden aalocben buO and nur elnige luapige Mark bebalten darf ?? in einer Verh-ndlang vor flea RecUinghauser Gerioht sagte

Y^M

writer anderem ein Erzleber, daB der Angaklagte 16-JHhrige 12 Stunden tSglicb arte i ten aiisse. DaB sind 60 Stunden veohentlicb ! Ot.wobl er It. JugBDCJarbeitsschutzgesetz § 10 our hBchstens 44 Std . nrbeiten darf, erzSblt der KrzJeher auoh dies noeh vor den RSchter; 3: 8 zelgt uns doch klar, doB FUrsorgejugendliche Freiwild sitid , die Tur nooh irgendwo, nawlieh In Heinen bzw. in deren angeaohlosseneii '.. sbeutungsbotriefeen ganz legal and brutal ausgebeutet wsrdeij . Die K ; aasenjustlz erkenrst das jver, aber sle 1st ja dafitr da, diese c-.-inzan VorgKnge aueb nooh zo versohleiern bzv dencn einen "drauf- yygeten, die alvh wagon, dagefen anzugehen,

'^er das 1st nlcht alias, was bei einer solchen HauptYerhand long n- a Lloht konat. Zwei veitsre Belspiela :

fc*.ne» 17-jJtbrlgeo Hilf sarbeiter, der in der "He lms tatt"( welch scbtfner frledliober Sane!" Meckinghofen lebt, vorden In eineis- r*ttaluer Batrieb ganz einfach die Haare abgeschnitten . Was £«- Hchlabt daraufhin? NICHTS! Die Erzleber Oder der Helmleiter bielteTi «* nlcbt netig, den Jugendlichen zti raten, zuni Reehtsanwalt zn £-3 ben bzw. sine Anzeige siu erstatten.

A'Jl vessen Selte die Erzleher steheti, , koaat maistens bei eltien soloben Gertobtster»in raus. Da werden die Jugendlioheo in die t'lanne gebauen, wo ea nur gebt. Hier kbnnen die Saoke ganz legal *>« Rabmen des Gesetzea ihre Hacbe Uben . Das nennt sicb dann such roob Erzleber II

Kin welterer Jugendl iober , 18 Jabre alt, wurde daon so beurteilt: - gebt seine VerbreoberlaufDabn" ! ! ! ! Das wurde Ton einen Er- zleber zitiert.Der Origninalaosapruob ataaist von eineo Direktor sinea nordrbeinwestialisehen Erziebangshelmes, der den betrerfenders .'ugeDdllohen aber nooh nieaals gesehen nooh gesprochen hat !!

lob m«ine, dafi alios Gerede am " Ufcirareiorrcen" liberates GesehvKt* 1st. 3p8testens bei der " Beurte ilung" , besser, verurteilung der FUrsorgeJagendliohen erkennt wan genau, was letzten Endes nit ibnen g*«Obeb«n soil: sle sollen total engepaBt warden, sie aollrn kap«ltge«aebt warden, daait sie bloB keine krltisehen, ver- antvr,rtnngabeirnflten Personen werden, die sicb ?>ichtB gefallen lasne-n. Die Parole »uB also lauten: erzfthlt das euren Kollegen i-» ErzJenungabei«! SoblieOt Euoh dort gegen den Terror der Erzleber, die la auob la Auftrage der Bonzen Encb knuten, zu9asBien ! Kampft nioht gegnr.Binander sondern kKapft caltelnander gegen brutale Erzleher ond ieiMleiter !

/^P>

^xso^cziS^Yi^ll

CHULDIG".

AUCH BU KANNST DEN KRIEGSDIENS VERWEIGERNM

verwalg»r« den Kriegsdienst I!

ABOh DtT KanDat den Kriegsdienst verweigorn!

jednr Dentsobe StaatsbUrger bat It. Artikel H.3. des Grundgesetaes

dae :eobt den KRIEGSDIEMST za verwelgem. In den Artikel beiflt es :

« JIIEMAND DARr GEGEN SECT GEVISSEN MIT DER WAFFE ZUM KRIEGSDIENST GEZVtJNGEN WEHDEN !

Das gilt ebenso filr ainen Fursorf-Rzogl Ing vie fur einen Student*!*

ScMiler, Beaaten und Professor, fiureb di« Verh^ndlunj? su kommor! , jst

fi'r J E P E N magllch. Ft!r ein*n Arbfllter 1st es sojznr leiobtox-

durub daa Verfahreo zu komasn ais Mr einen Studenten.

MAf-'i BES ER5TEN BCHH1TT? ! INROKIERE DICH!! SCRRKIB ONS AN 1!

W< r inforaieren und boraten Dleb kostenlos !Mit una sehaffst T)u »»

a!? Kriegsdienstverwolgerer anerVannt 7,u werden.

Ho*- aktadresse :

vy jundeagesohSftsstelle

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35

w- "T>ielmshttbe i

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VK Wuppe

*»63 B o c b » Leaner shot str . 66

HEIMMISERE

" ; le WUrde des Mensoben ist unantaatbar. Die freie Entfaltung der PersBbnllcbkeit wird also It. Grundgesetz garantlert. Booh zv;"Ob«n Tbeorie na<J Praxis klaTft eine rieseogroSe LUoke. In vj ;- i«n Berelehen uiiserer Gesellscbaf t wird gegen diesen Artikel det Cruiidgesetzes, gegen dlese Kensohlicbe SelbstverstHDdllobkeit, ic\i <rnd verstoBen. Ein solober Beret ch, wo die Anlagen and F^blgkeiten junger Menseben rait voller Absiobt abgetStet und z#r- st'i t werden, i»t die Kel»erziebmjg in der B R D !

Tausende gibi es von solcheu Helean !

Ang<-fangen bei den SSugl lngsheiir, ;:n , Kir.rterbeiwen . jugendneiraon libor

die LehrlingsbelBe bis bin zu den ^BfSi-.gnlaKbTi lichen Gattos, den

Erxi ebon gsanstal ten.

fie genannten Einriobtiragen, warden von elneis GroBteil der

"He.imzbglinge" tatsKcbliob durchlaufen.

Es t,eglnnt SSuglingstaela UDd endet im Erzisbungsheim bz*. in

GefHngnls. 1st das GOTTGEWOLLT ! MiiB das so sein, oder «r 1st

dar*n Sebuld??

Es ,?ibt heute Leute, darunter auob Padagogen, die glaoben, n»i»»9-

wohner, zomindest ein GroBteil waren an ihren Sobictsal selbst

Schald . Hierbei lassen sie die Frage der Ursaobe auBer acht.

Cnsfrer Meinoug naoh, kann a**»rB allein von eineo Selostversch-jlden

kelne Rede sein.

Die Kinder kennen ihre Eltern teilweise nicbt, wlssen nicht, oli eie

Gesonwister baben. Sie koraen aus zerrUtteten Faailienverhaltnlssen

Sie komen ans der Arbelterklasse.

Die Ursaobe liegt an unseren unaensoblicben Syoteo.

Vli alls wlasen besten, was dieses System Tag iUr Tag ausriobtet.

Vir alle seben es Tag fUr Tag 1 Die Ursaobe 1st der Kapitalismus .

Ein System, wo der Profit tlber allee geht, selbst Uber Leicben,

Bin Syste», wo eioe kleine Anznhl von Million&ren, Uber die Msssen

d«v Werktatigen berrsobeD kann!!

Ka'-n solob ein System liber bo up t den BefiUrfnissen der BevOlkeroag

g«reobt werden . Tiele der Jagesdlloben.koameD troti unseren

sogenannten " sozialen Reobtsstsat" noob lamer aus azoslaleti

Siedlnngen, die es aucb bente Zeitalter der Atombombe und der

Moaderoberung nocb ismer gibt.

Sie werden Ton der FUrsorge abgebolt ond in die Heiae gesteckt.

" Flirsorge?* Hiervon kann keine Rede sein. Die beutige FUrsorge

ba^iert auf der alten rerstaubten und autoritaren Praktiken d^s

preaSentnms and der Nazizeit.

I.'l* TTnterdrUokoiig der Heinkinder beginnt ■eistens sohon

frUbesten Alter. Meistens werden sie nnqnalifi^ierten Personal

liber lassen.

SchXKge. Einsperrungen gebOren bier tur TagesordDung, nicbt zoletzt

urn die 8 ebon von jebnr bdstebenden Absebreokuagsfunktlonen dlesar

Einricbtungen auirechtzuerbalt«n. Plese ordnnniten lassen sioh oft

sobwe)- TOB K&sernen Ordnungen untersclieideo.

Die vifobigen KnttppelpKdagogen , sind nicbt in der Lsge aul Jedes

Kind ilnzugeben. aicb isit jedeia Kind zu befassen.

Bel »«bulpfllcbtigen Kindera koamt eg nicbt aelten vor, 3eD eln*

Klndvjrpf legerin ait 50 Kindern Scnnlarbeiten aacben aufl.

Es isj so aooh leioht verstandlicb, da8 dar GroBteil dies»r. Kinder

in cer Sob ale znrtloJcbleibt und die Sondersobole, vo gbnliebe Ter-

hKltritsse berraoben,d.b. wo die OnterdrUckung nocbt fortgesetzt virfl ,

frevtf j'-tern.

Id dtsi neiateD Heiaen 1st der Kontakt bzw. der Beaucb Ton Madon*'^

striikt unteraagt. Hier lauft dss sexuelle NlobtaofklHren paralell

aach den Motto. " Die Frau bzv. der Mann das unbckannte Vesen."

Fehiverbalten ( Moistens gegen die kleinbtirgerlioben E^lebunga-

*or->n), die bel jed«a Kind noraal alnfl, werden in den Heitsen

alt <;obl&ge, die an ZUcbtigutigen greozen , geabndet. Vervand werdfn

hlf-^o KleiderbUgel, Han<3feg«r an d Teppiobklopf er .

Die binder warden each auBen bin ureaorgt und gebegt.

Der ,rane All tag dieser Jnngen ond Mttdobea, die wie " Doofies" be-

ha-i(5'!lt nnd so aucb tiiuliert verd<»n, siebt entsciileden andera tins.

Nach dea Anfenthalt in eineis Kindsrbels koanen s ie entweder als

ge'Jc <kte nnd unterdrtiokte , verscbUohterte Jngendliehe, odor nl*

we3-ie, die gegen alles ibrer A? free a iyj tat Ausdruck verleicben.

(Wa. veratandlicb 1st I).

Id 'leaen Lebrlingabeiner Nfrrt der Terror, wenn auoh nicbt lmaer in

der gleicban veise, fortgesetzt. Die roiber berangebildeten Sonder-

scbttler taaben nur aeiBtena die HBglichkeit Hilfsarbeiterberuie zu

befcleiden, in denen es Torio»»eij kann, <3as nan 5 Jabre lang lf-O,-

DM vardlent bat( in dieaea Fall an der Tanks telie) und hiervon nur

ela »inl»ale» Taacbengeld erbKlt. Sollte aan nun auf die Idee konmen

giob gegen dieao MiflstSnde zv wehren, so hat aan alt Drnclc und

Bbilloben MaBnabean zc reobaen . Venn der Jngendlicb, durcb die vorber

verpfuaobte Erziebung Klnderbeia, alch ntobt der Hansordnung be-

dlagongaloa bengt.ao wird er in ein ErziBhungabain abgeacboben. Hlar

v<derfgbrt dea Jogendlloben eineErxiebung ( wenn aan es nocb so nennen

kaan), die allee andere in ibrer BlOdbeit nnd Verdnrsanng, wie in

lbr«T BrntalitKt, Ubertrifft. Die E_zlehnDgBbel»e habnn kleinblirger-

Ucba Erziebnngaaittel nnd - zlele. ErsatzwelseniBat nan auoh

anagawSblte proletariaobe Mittel, z.b, Priigel.

TJaoptzlal In bezng anf den ejnzelen 1st die totale Vereinzelong. Allen

vird getan Orappenbildungen und GruppensolidaritKt zu yerhiudern.

/eolation in den Erziehungsbeiaen der FUraorge bedeutet alao Preaaur.

r.'ia Jngendlioben warden vie zn dreasierende Tiere aus ibrer I,ebes«-

vflt gerlaaen nnd naoh ilmen freaden und ihror vorberigen Erziebung

eri tgegengeaetzten Noraen droasiert.

Die Bewobner von NotuDt*rkUnften , die Jogendlicben in den Heiaen

«t-rd«n teilweiae ala " asorlal" bezeiebnet.

■D'.a trifft niobt zo !

AVOtifl iat das Sjatea ; ea tat der Kapital isaus , der dieae jungen

Menaoben Tag ftir Tag in dieae Ricbtung bringt!

Viel Gerede wnrde biaber im die EUraorgeerziebnng geaacbt, konkrete

Vurbeaaarungen blleben aber ana.

lib aobliefle nit den Vorten dea KoaaiuniBten Max Holz :

Daa Vort kann nicbt rotten Das Vort brlcbt keine Ketten Die Tat allein aaebt frei !

r.....

jm

Enzensberger, Nitsche,

Roehler, Schafhausen (Herausgeber)

Klassenbuch

Ein Lesebuch zu den

Klassenkampfen in Deutschland

1750-1970

Das Klassenbuch ist in drei Bande aufgeteilt. Klassenbuch 1 umfafit den Zeitraum von 1756-1849, Klassenbuch 2 den von 1850-1919, Klassenbuch 3 den von 1920-1971. Je Band ca. 240 Seiten, DM 7.80,- Leinen 1 Band 720 Seiten, DM 64,-

Ein Lesebuch zu den Klassenkampfen in Deutschland, das sich auf Texte deutscher Sprache beschrankt. kann spatestens im Stadium des Imperialismus keine zureichendeDarstellungderKlassenkampfe mehr Ieisten. Audi aus diesem Grund kann. das Klassenbuch das Studium der historischen Ereignisse, der okonomischen Theorie, der Literatur geschichte, der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung und ihrer Organisationen nicht ersetzen. Doch kann ein solches Studium zur Buchstabenklauberei verkommen, wenn ihm die Anschauung fehlt. Ein Feld von historischen Erfahrungen, das die Klassenkampfe in Deutschland sinnlich greirbar und begreiflich macht, versucht das Lesebuch zu eroffnen.

Wir wissen, dag Lesebiicher nicht aus sich selbst heraus Erkenntnis- prozesse bei den Lesern einleiten konnen. Die Wirksamkeit unserer Arbeit hangt davon ab, ob Schiiler, Lehrer, Lehrlinge und andere von einem politischen Interesse aus an die Texte des Lesebuchs herange- hen. Das Klassenbuch soil Hilfsdienste Ieisten, vor allem fiir eine Arbeit im Ausbildungsbereich, sei es im Deutsch-, Geschichts- oder Arbeitslehreunterricht.

Luchterhand

Soli&aritat

mit dem Georg-von-Rauch-Haus!

Am 2. Juli 1971 besetzten Jugendliche und Studenten eine leerstehende Fabrik in einem Kreuzberger Sanierungsge- biet. Im Laufe der folgenden Monate wurde die Fabrik zum Jugendzentrum Kreuzberg ausgebaut. Die Arbeit stellt ei- nen ersten Versuch dar, auBerhalb der bestehenden Par- teien und Organisationen ein Zentrum fiir Schiiler, Lehr- linge und Jungarbeiter zu schaffen. Im November wurde verstarkt die Diskussion iiber die Moglichkeiten der Ein- richtung von Lehrlingswohngemeinschaften gefiihrt.

Am 3.12.71 wurde dann das ehemalige Martha-Maria-Haus auf dem Gelande des Bethanienkrankenhauses von einigen hundert Jugendlichen besetzt.

Spater wurde zwischen dem Eigentiimer der Gebaude, dem Bezirksamt Kreuzberg und dem Projekt (Trager ist das Jugendzentrum Kreuzberg e.V.) ein Nutzungsvertrag, der die legale Fortsetzung des Proj'ekts ermoglichen sollte, fiir eine befristete Zeit abgeschlossen. Seit dieser Zeit wird das Gebaude von etwa 60 Jugendlichen und 15 alteren Personen (Arbeiter, Studenten, Sozialarbeiter, Lehrer etc.) bewohnt und in eigener Regie verwaltet. Bei den Jugendlichen handelt es sich zum iiberwiegenden Teil urn ehemalige Heiminsassen Oder Jugendliche, die von zu Hause entwichen sind und urn eine stabile Gruppe von Lehrlingen und Jungarbeitern. Der groBte Teil der Ju- gendlichen wuchs unter sctweren Lebens- und Erziehungs- bedingungen auf und verbrachte die meisten Jahre in FE- Heimen. Nach ihrer Flucht aus dem Heim Oder dem Zuhause fiihrten sie als Trebeganger ein illegales Dasein, was meistens mit dem. totalen Absinken in die Kriminalitat verbunden ist.

Durch die Aufnahme im Georg-von-Rauch-Haus hatten sie zum ersten Mai Gelegenheit, ihre Lebenssituation kol- lektiv selbst zu gestalten und den Teufelskreis von Ver- wahrlosung und Kriminalitat zu durchbrechen.

Durch die kollektive Selbstorganisation und die soziale Zusammensetzung waren giinstige Voraussetzungen gegeben:

- die Jugendlichen in ihrem Selbstbewufitsein so weit zu starken, daB sie ihre passive Fursorgeempfangerhaltung iiberwinden und ihre Interessen . selbst vertreten

- den Jugendlichen solche Erfahrungen zu vermitteln, daB

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sie bei entsprechend kollektivem Engagement ihre Bage verandern konnen und ein Abgleiten in die Subkultur . der Kriminalitat verhindert wird.

Die bisherigen Erfahrungen im Georg-von-Rauch-Haus zei- gen, daB die kollektive Selbsterziehung zur Personlich- keitsstabilisierung, zur Ausbildung sozialer Fahigkeiten und zur Aufhebung sozialer Isolierung fiihren kann (s. Padagogengutachten in der Dokumentation der Jugendlichen) und auch dazu gefuhrt haben, daB die Jugendlichen trotz auBerer und innerer Schwierigkeiten

- ihren. Auf enthalt legalisiert haben

- sich kollektiv Oder einzeln Arbeits- und Schulplatze gesucht haben und in der Bage waren, ihre Interessen gegeniiber der Behorde wahrzunehmen.

Was dieses Projekt iiber die bisherigen Ansatze der Ju- gendkollektive hinaus interessant und nachahmenswert macht, ist die politische Brisanz, die in Selbstorgani- sation begriindet ist.

Am 19.4.1972 sturmten 800 Polizisten das Georg-von-Rauch- Haus; 250 bewaffnete und behelmte Polizisten, einige Staatsanwalte und ein Richter drangen in die rund 90 Zimmer ein und kehrten das Unterste zu oberst.

Gesucht wurden Beweise fur einen Zusammenhang zwischen den Bewohnern und einem Bombenanschlag auf den briti- ' schen Yachtclub. Gefunden und ohne Quittung beschlag- nahmt wurden ubliche Haushaltsgegenstande, (Benzin, Isolierband, Batterien, Wecker, Unkraut-Ex) ; 28 Jugend- liche wurden festgenommen, von ihnen muBten 23 wieder 01s zum Nachmittag'entlassen werden, weil die Vorwiirfe un- haltbar waren; 2 Jugendliche befanden sich noch am_19: Mai in Haft, 7 Jugendliche haben in der Zwischenzeit ihre Arbeitsstellen verloren.

Bis heute sind die Verdachtsmomente nur Verdachtigungen geblieben; was den Eindruck vermittelt, daB es weniger _ urn die Aufklarung strafrechtlicher Taten ging, als urn die Verunsicherung und Kriminalisierung eines politischen Projekts.

Die wahrend der Durchsuchung durchwiihlten Raume wurden in verwiistetem Zustand zuriickgelassen und so durch die _ Polizei fotografiert. Diese Aktion war der bisherige Hohe- punkt einer Kampagne, mit der versucht wurde, das Georg- von-Rauch-Haus zu kriminalisieren (Kriminalisierung.be- zeichnet den Versuch, durch haufige. und unverhaltnismaBig groBe Polizeieinsatze, durch Falschmeldungen und unge- rechtfertigte Verdachtigungen; "Terrorzentrale" und "Hort von Kriminellen", gegeniiber der-Offentlichkeit-den Ein- druck zu erwecken, dort lebten Verbrecher, Tagediebe, kurz Kriminelle.).

Bereits anlaBlich der Besetzung des Hauses hat ein mas- OD siver Polizeieinsatz gegen demonstrierende Sympathisanten

e~^

stattgefunden. Ein Polizeisturm auf das Eaus selbst war durch den, das Hausrecht ausiibenden Bezirksjugendstadt- rat Beck verhindert worden. Nicht verhindert wurden Falschmeldungen und andauernde Versuche, insbesondere der Springer-Presse, die Bewohner des Hauses zu dis- kriminieren.

Nicht verhindert wurden die mehrfachen uberfalle von Schlagern einiger .'Zuhalterringe; , die sich nicht damit abfinden wollten, daB "ihre MSdchen" nicht mehr fiir sie gewinnbringend "arbeiten".

Von den Bewohnern selbst verhindert wurde der Versuch der Biirokratie,das Haus mit Hilfe eines Stacheldraht- zaunes in ein Ghetto zu verwandeln, urn die Bewohner von ihrer Nachbarschaft zu isolieren.

Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch die Bemiihungen des Bezirksamtes, das Projekt zu einem "sozialpadago- gischen Modellversuch" zu erklaren, als widerspruchlich. Der Versuch, die Bestimmungen der Heimaufsicht auf das Haus anzuwenden, widerspricht der sichtbar wachsenden Fahigkeit des Kollektivs zur Selbstorganisation ihrer lebensprobleme. Auf die Zerschlagung des Kollektivprin- zips richtete sich auch die versuchte Entsendung von Jugendlichen nicht gewiinschter Sosialarbeiter .

Dieses einzige von Arbeiterjugendlichen selbst organi- sierte Wohnkollektiv in"der BRD und Westberlin (z.Zt.50 Mitglieder) wird vom Senat geschlossen, falls das Kol- lektiv nicht die von der Berliner Sozialburokratie in einem Entwurf fiir einen endgiiltigen Nutzungsvertrag ■■ f or- mulierten Bedingungen akzeptiert. Senatsdirektor Kreft drohte, daB das Kollektiv nicht weiter gefuhrt werden konne, wenn er nicht mit dem unterschriebenen Vertrag am Freitag, dem 6.10.72, in einer wichtigen Sitzung im Ab- geordnetenhaus von Berlin erscheinen konne.

"Uber einzelne Formulierungen kann hier noch verhandelt werden, iiber den Inhalt nicht mehr." Diese gescheiterte Verhandlung wurde von den Jugend- lichen als Erpressung bezeichnet.

'Es fallt einem schwer, diese Behauptung der Jugendlichen zu widerlegen, wenn man erfahrt, welche Bedingungen des Senats sie als unzumutbar zurtickweisen: -

- sie sollen den selbstgewahlten Kamen Georg-von-Rauch- Haus nicht verwenden diirfen,

- sie sollen eine Fiille von Daten der Bewohner des Kol- lektivs regelmaBig der Behorde mitteilen,

- sie sollen bedingungslos die Kontrollen und MaBnahmen der Ordnungsverwaltungen (von. der Polizei bis /zum Ge- sundheitsamt) akzeptieren,

- sie sollen ihr bewahrtes kollektives Verhandlungsprin- zj_p _ Wesentliche Voraussetzung fiir ihre gemeinsame Entwicklung und Stabilitat - aufgeben und kleine Kom- missionen bilden, °'

- sie sollen sich zur "Kommunikation und Kooperation" mit der Biirokratie bereiterklaren, die den Jugend-. lichen eine Mile von einengenden Yerpf lichtungen auferlegt, dem

- Senat aber bei Nichteinhaltung von Yertragsbestim- mungen eine fristlose Kvindigung der Yereinbarung ge- stattet, die sowieso - wer kann das verstehen? - auf einen Zeitraum von 6 Monaten begrenzt sein soil und dann mit einer Prist von 3 Monaten kiindbar ist,

- sie sollen sich zu Formen der Zusammenarbeit mit der Biirokratie entschliefien, die dem Prinzip der Selbst- organisation direkt widersprechen und die das Kollek- tiv zu einem Erziehungsheim der offentlichen Erzie- hung machen wiirde.

Wie die Praxis in den Erziehungsheimen aussieht,ist durchi die Heimkampagnen der zuriickliegenden Jahre und vielfache Veroff entlichungen klar aufgezeigt worden: strikte Dis- ziplinierung durch autoritare Erziehung; Erziehung zur Unselbstandigkeit, Passivitat und Unmundigkeit in von der Offentlichkeit isolierter Umgebung. Das Ergebnis: Krimi- nalisierung wahrend und nach der Zeit des Heimaufent- haltes und somit keine Chance zur Wahrnehmung ihrer Rech- te als politischer Staatsburger.

Nicht kritische, mit dem Willen zur positiven, prakti- schen Veranderung der Gesellschaft ausgestattete Men- schen werden gewiinscht, sondern gehorsame und unter- wiirfige Individuen, die nicht in der Lage sind, die Be- dingungen ihrer eigenen Existenz kritisch zu untersuchen.

Die Jugendlichen sagen zu dem Vertragsentwurf des Senats: "Dieser Vertrag ist eindeutig gegen unsere Interessen ge- richtet. Wenn wir ihn annehmen, geben wir uns selbst auf. Wir sind zu weiteren Verhandlungen bereit, aber es ist klar, da£ wir, wenn der Senat bei s einen Forderungen bleibt, und das Georg-von-Rauch-Haus geschlossen wird, .nicht freiwillig unser Kollektiv auflosen werden!"

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(Nachtrag: Dem. Georg-von-Rauch-Haus ist' inzvischeu zum 31. Jaauar 1973 gekundigt warden, nachdem. das Kollektiv die unterzeichnung eines van Berliner Senat angebotenen' "Nutzungsvertrages" ablehhen nmSfce, da dieser eine weitgehehde "Verheimung" und die standige Kon- trolle der Selbstorganisation der Trebeganger und Lehrlinge durch den Senat bedeutet hatte. Das Kollektiv fordert dazu auf, Solidari- tatsadressen fur das Rauch-Haus zu senden an die Senatorin fur Familie, Jugend und Sport, Frau Use Reichelt, 1 Berlin 3o, Am Karlsbad 8 - 1o. Von jeder Solidaritatsadresse bitte einen Durch- schlag an das Kollektiv Georg-von-Rauch-Haus, 1 Berlin 36, Mariannen- platz 1 a. Weitere Informationen iiber' das Kollektiv (u.a. gibt es die Dokumentation "Kampfen, lerhen, leben" fur DM 5. ). Spenden fur die Verteidigung des Georg-von-Rauch-Hauses sind zu uberweisen an K. Friederichs, Postscheckamt Berlin-West Hr. 283Vjrlt.)

Zunehmender Druck der Sozialbiirokratie auf Jugendwolin.gemeinsch.af ten.

Seit gut 2 Jahren arbeiten Jugendwohngemeinschaften als Alternative zur Heimerziehung, die in ihrer padagogi- schen Praxis den gesellschaftlicben Anforderungen nicht mehr gefecht werden konnte.

Die Jugendwohngemeinschaften haben in dieser Zeit ihre padagogische Berechtigung wissenschaftlich und praktisch nachgewiesen, auBerdem arbeiten sie zum groBen Teil ef- fektiver als die Heime.

In der letzten Zeit bestatigt sich immer mehr der Ver- dacht, daB - entgegen alien AuBerungen in der Offent- lichkeit - die Sozialbiirokratie die fortschrittlichen Ansatze ungeschehen machen mochte.

Das einzige von Arbeiterjugendlichen selbst organisierte GroBkollektiv in der BED und in Westberlin, das Georg- von-Rauch-Haus, steht vor der SchlieBung durch den Senat von Berlin. (s.Artikel: "Solidaritat mit dem Georg-von- Rauch-Haus .")

Ein weiteres Indiz fur den allgemeinen Trend der Sozial- burokratie, die Selbstandigkeit der Jugendwohngemein- schaften einzuschranken, sind die Vorfalle im Land- schaftsverband Rheinland in den letzten Monaten.

Dem Jugendwohnkollektiv Erziehung in Essen-Steel Griinden, ohne Vorwarnung satze von der Verwaltung gestrichen, was faktisch gleichkam, da der Trager denen er evtl. Hausmiete tungskosten etc. hatte b

fur Jugendliche der offentlichen

e wurden unter fadenscheinigen ohne Verhandlung, die Pflege- des Landesjugendamtes Rheinland einer SchlieBung des Kollektivs keine Eigenmittel besaB, aus

, Gehalter fiir Personal, Yerwal-

ezahlen konnen.

Zwar betonte der zustandige Referent fiir Sffentliche Er- ziehung im LJA Rheinland, Prof. Dr. Dr. Krauss, immer wieder in der Offentlichkeit, daB Jugendwohngemeinschaf- ten in der offentlichen Erziehung durchaus ihren Platz hatten.

Aber wenn Prof. Krauss von Jugendwohngemeinschaften spricht, dann meint er in Wirklichkeit Mini-Heime, wenn wir aber Kollektiv sagen, dann meinen wir Selbsterfah- rung, Selbsterziehung und Selbstorganisation der Jugend- lichen,

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Wenn Prof. Krauss vom LJA sagt, er wiirde die Jugendwohn— gemeinschaften weiter fordern, dann meint er, die be-- stehenden Kollektive - gleich Erziehungsheinie - in die Sozialbiirokratie zu integrieren, d.h. sie den Kontrollen und Mafinahmen der Ordnungsverwaltungen -von der Heimauf— sicht bis zur Polizei und dem Gesundheitsamt - auszu- liefern.

Wenn wir noch Kollektive unterhalten oder initiieren, dann mit der Absicht, Jugendliche, die ihr ganzes Leben lang unter der Biirokratie gelitten haben, die zu Fallen degradiert worden sind, rauszureifien aus dieser 'Klammer- Biirokratie' , die die Jugendlichen unselbstandig und le- thargisch macht und sie nicht selten kriminalisiert .

Und so sieht die Verhandlungstaktik des LJA Rheinland gegeniiber den Kollektiven in Rheinland aus: In zahfliissigen Verhandlungen und mit behb'rdlichen Tricks, die sich in Kompetenzschwierigkeiten, Urlaubsvertre- tungen, Zahlungsverzogerungen, Sonderauflagen auBern, _ soil die Arbeit der Jugendwohnkollektive und ihrer Tra- ger zerstort und unmoglich gemacht werden.

Ihren deutlichen Hohepunkt hat diese Entwicklung im Landschaftsverband Rheinland am Beispiel des Jugendkol- lektivs vom Verein Soziale Jugendarbeit e.V. Essen. Ent- gegen vorherigen schriftlichen Zusagen und unter Anwen- dung oben angefuhrter Methoden kiindigte die Verwaltung des LJA,ohne Riicksprache mit dem Trager, vbllig iiber- raschend per Postzustellungsurkunde die bestehende Fi- nanzvereinbarung.

Das aber bedeutet automatisch die Auflb'sung des Kollek- tivs. Als formeller AnlaB zur Kiindigung diente die unge- niigende bauliche Verfassung des Hauses, in dem das Kol- lektiv 1 1/2 Jahre hatte wohnen miissen. Seit Marz 1972 aber stand der Trager des Kollektivs standig in Verhandlungen mit der Verwaltung des LJA Rheinland wegen des baulichen Zustandes des Hauses , drang der Trager auf den Erhalt von Zuschiissen vom LJA zur Renovierung des Hauses.

Da eine Renovierung aber sehr hohe Investitionen erfor- dert hatte, weigerte sich das LJA, in dieses Haus noch Gelder zu investieren. Der Trager stimmte zu., jedoch unter dem Vorbehalt, daB dann ein neues Haus fiir das Kollektiv gefunden werden miisse, und daB das LJA sich an der Suche nach einem neuen Haus beteiligen miisse (z.B. Itbernahme evtl. Maklergebiihren) , und daB auBerdem dann das LJA Mittel zur Ersteinrichtung des neuen Hauses zur Verfiigung stellen miiBte.

Wiederholt fragte der Trager die Vertreter vom LJA in den laufenden Verhandlungen, die sichtlich verzogert wurden, ob das LJA.bindend zusagen konne, daB das Kollektiv im neuen Haus auch weiterhin finanziell unterstiitzt wiirde, die Antwort lautete jedesmal eindeutig: ja!

Wie das LJA dann aber wirklich handelte, das sah dann so aus: Anfang Juli, als noch zwei Jugendliche im alten Haus lebten (es sollte eine neue Gruppe aufgebaut wer- den) wurde dem Trager mitgeteilt, daB aus baulichen Griinden von einer weiteren Belegung mit Jugendlichen der offentlichen Erziehung .zunachst abgesehen werde. Gleichzeitig aber wurden die Verhandlungen iiber ein ■neues Haus vom LJA standig verzogert.

Gegen Ende Juli. kam dann die Kiindigung der Pflegesatze mit der Begriindung:

a. der bauliche Zustand sei nicht mehr tragbar

b. es wiirde in dem Kollektiv keine Gruppe mehr betreut.

Diese formalistische Begriindung erweist sich in der Zu- sammenschau der Ereignisse als geradezu lacherlich, wenn man bedenkt, daB seit 4 Monaten Verhandlungen gefiihrt wurden zur Veranderung der Wohnverhaltnisse, daB diese Verhandlungen aber vom LJA standig verschleppt wurden ("wir konnen noch keine endgiiltige Zusage machen, wir brauchen erst noch ein Gutachten von der Bauauf sicht, dann noch eins von der Bauverwaltung im Landschaftsver- band" etc.), desweiteren erweist sich der zweite Teil der Begriindung geradezu als Schlag ins Gesicht der Logik, wenn man sich vor Augen halt, daB Anfang Juli das LJA sich geweigert hatte, neue Jugendliche in das alte Haus einzuweisen, bzw. es untersagt hatte, daB in dem alten Haus noch weitere Jugendliche der offentlichen Erziehung betreut wiirden!

Besonders kennzeichnend fiir die Taktik der Verwaltung des LJA war, daB die Kiindigung der Pflegesatze den Trager erreichte, als der Vorstand des Tragers im Urlaub war, als die wichtigen Kontakte zur Stadt Essen, mit der Ver- handlungen gefiihrt wurden wegen eines neuen Hauses, nicht zu Gesprachen genutzt werden konnten, weil die zu- standigen Sachbearbeiter im Urlaub waren, schlieBlich als der Unterzeichner des Kiindigungsschreibens , Prof. Krauss, ebenfalls in Urlaub war.

Sofortige Gesprache mit dem zustandigen Sachbearbeiter im LJA fiihrten zu nichts , weil dieser sich fiir diese Ver- ' handlung als nicht kompetent erklarte.

Ende August kam Prof. Krauss aus dem Urlaub zuriick, seine erschopfende Auskunft:. er kb'nne nicht verbindlich ver- handeln, da jetzt der. zustandige Sachbearbeiter bis Mitte September im Urlaub sei I

Daraus folgte: erst zwei Monate nach der Kiindigung der Pflegesatze, hatte der Trager die Moglichkeit gehabt, mit der Verwaltung des LJA und den dort zustandigen Herren zu verhandeln. - -

Durch dieses Hin- und Herschieben der Kompetenzen und die zeitliche Verzogerung aber trat dann der vom LJA gewunsch- te Effekt ein: das Personal, das ja sein Gehalt iiber 61

die Pflegesatze erhalten hatte, war gezwungen, sich naoh anderen Arbeitsstellen umzusehen.

Die Moglichkeit, ein derartiges Kollektiv weiter zu be- treiben, ist damit furs erste nicht mehr gegeben.

Wir meinen der 'Fall Essen' ist nicht isoliert zu sehen. So ist dann die Schilderung auch nicht als Situations- beschreibung eines Kollektivs zu sehen, sondern als exem— plarische Darstellung der Strategie der Sozialbiirokratie.

Das was hier dem Essener Kollektiv geschah, kann morgen jedem anderen Kollektiv auch geschehen.

Die Vorgange um das Kollektiv in Essen sind im Zusammen- hang zu sehen mit der lendenz der Sozialbiirokratie, den teilweise erworbenen Freiraum der Kollektive wieder ein- zudammen, die bestehenden Kollektive durch Vereinbarungen einseitigen Charakters an die Sozialbiirokratie zu binden, die Kollektive zu disziplinieren. Auf diesem Wege sollen die Kollektive, die einst als Alternative zur Heimerzie- hung entstanden sind, wieder in die Heimerziehung inte- griert werden.

Wenn notig, d'.h. wenn die Kollektive, die finanziell von der Sozialbiirokratie abhangig sind, sich diesem Zwang widersetzen, dann werden Drohungen ausgestoBen. Nach- druck hinter diese Drohungen aber wird gesetzt durch exemplarisches SchlieBen von Kollektiven nach der Devi- se: "So geht es euch auch, wenn ihr nicht spurt".

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Buchbesprecttung

Autorenkollektiv: Gefesselte Jugend. FUrsorgeerziehung im Kapitalismus . Frankfurt/Main 1971 Ed. Suhrkamp 514.

Das Autorenkollektiv hat es sich zur Aufgabe gesetzt, "die marxistische Theorie fiir die Klarung einiger we- sentlicher Probleme der Sozialarbeit und Sozialpadago- gik wieder nutzbar zu machen" . (10) Untersucht wird .

- in- Form des historischen Abrisses die Funktion der in Heimen betriebenen FUrsorgeerziehung im Kontext der Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland

- die klassenspezifischen Ursachen fiir Verwahrlosung und Kriminalisierung eines Teils der Arbeiterjugend

- die Fiirsorgeerziehung in der BED hinsichtlich Erzie- hungspraxis, Ideologie und Reformtendenzen

- die Geechichte des Kampfes der revolutionaren Arbei- terbewegung gegen die Verwahrlosung und Kriminali- sierung der proletarischen Jugend und den burger lichen Fursorgeapparat

- die heutigen Perspektiven der Organisierung der Sozial- arbeiter und Erzieher. (10)

Das Autorenkollektiv ist fast identisch mit den Verfas- sern der Beitrage in "Erziehung und Klassenkampf " Mr. 4, ebenso entsprechen die beiden zuletzt genannten Themen in den Grundziigen zwei bereits dort veroff entlichten Aufsatzen.

"Gefesselte Jugend" ist kein Beitrag zur akademischen Diskussion um die Funktion der Fiirsorgeerziehung, son- dern soil dem politischen Ziel der Gewinnung forts.chritt- licher Sozialarbeiter und Sozialpadagogen als Biindnis- partner der Arbeiterklasse dienen. Es vermittelt Infor- mationen und gesellschaftsanalytische Erkenntnisse, die den Sozialarbeiter- und Sozialpadagogikstudenten in der Ausbildung weitgehend vorenthalten werden, die aber not- wendig sind, um Strategien einer Sozialarbeit im Dienste der Interessen der Arbeiterklasse. und ihrer Kinder und Jugendlichen zu entwickeln.

Das erste Kapitel (13-65) liefert ein Stiick Sozialge- schichte und verbindet dabei Kenntnisse iiber die Ent- wicklung der Produktivkraft und der Produktionsverhalt- nisse im Kapitalismus mit den entsprechenden Formen

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offentlicher Erziehung. Die Details dieser Schilderung kbnnen auch anderweitig nachgelesen werden, die ab- schlieBende Interpretation jedoch ware es wert, weiter verfolgt zu werden: Die These lautet, Fursorgeerziehung habe darin ihre notwendige Grenze, daB-die '"'Unange- paBtheit1 proletarischer Kinder und Jugendlicher in ihren verschiedenen Ursachen und Formen nicht nur eine Abweichung von der Norm (ist) , die leicht zu korrigieren ware, sondern eine Folge von lebens- und Erziehungsbe- dingungen, die dem Proletariat durch den Kapitalismus aufgedriiekt werden". (61f) Die Fursorgeerziehung kann diese Probleme padagogisch nicht losen, "weil sie die 'Schwierigkeiten' der Kinder und Jugendlichen klassen- spezifisch, d-h. ideologisch deutet und weil sie sich das Paradoxon zum Ziel gesetzt hat, die proletarischen Kinder und Jugendlichen mit denjenigen gesellschaftlichen Verhaltnissen zu versohnen, an denen diese zerbrochen sind".(62)

Eine materialistische Analyse der Ursachen von Verwahr- losung und Kriminalitat als Haupttypen abweichenden Verbaltens proletarischer Jugendlicher gibt das zweite Kapitel (66-150). Dieses Kapitel diirfte wegen des hier erreichten Konkretisierungsgrades als das wichtigste des gesamten Bandes anzusehen sein. Hier ist es gelungen, die in linken Publikationen oft klaffende Lucke zwischen der Darstellung der marxistischen Grundkategorien und der Ubernahme von Detailinformationen aus der biirger- lichen Sozialforschung zu schlieBen und den marxisti- schen Ansatz bis in die Interpretation von Statistiken, Gesetzestexten und lebensbedingungen der Arbeiterklasse - einschlieBlich sozialpsychologischer Phanomene - durch- zuhalten. Das hier zusammengetragene Material diirfte ge- rade fiir die politische Aufklarungsarbeit unter Sozial- arbeiter- und Sozialpadagogikstudenten brauchbar sein.

Kapitel III iiber "Ideologie und Praxis in der Heimerzie- hung" macht m.W. erstmalig den Versuch, die in der Fur- sorgeerziehung herrschende sozialintegrative Ideologie mit der sozialen Situation der Heimerzieher, ihren schlech- ten materiellen Bedingungen, ihrem geringen Sozialpres- tige und ihrem Aufstiegsdenken, in Zusammenhang zu brin- gen (157-164) . Als Zusammenfassung niitzlich sind die Tei- le iiber das Disziplinarsystem und die Rolle der Familien- ideologie in der Heimerziehung. Wichtige Materialien iiber die Tatigkeitsbereiche der Fiirsorgeverbande und das Problem des Subsidiaritatsprinzips bringt das Kapitel IV (193-218). Nicht ausreichend behandelt wird die Holle der Kirchen und anderer freier Trager im Fiirsorgewesen, da hier ausschlieBlich Veroffentlichungen ideologiekritisch untersucht werden, ohne der Frage nach der Sicherung ma- terieller Interessen und politischer EinfluBbereiche durch die freien.Trager nachzugehen.

Kapitel V (219-239) zeigt die Grenzen jeglicher Reform- bemiihungen im Erziehungs- bzw. Fiirsorgesektor auf, die Ohnmacht der zahlreichen Programmentwiirfe fiir eine bessere bffentliche Erziehung, die stets an den vom Kapitalismus diktierten "Sachzwangen" scheitern miissen.

Die letzten beiden Kapitel sind der Frage der Strategie der Arbeiterklasse und ihrer Partei auf dem Fiirsorge- bzw. Sozialsektor gewidmet. (240-285) (286-301) Nach einer Diskussion der Marxschen Theorie iiber das Lumpen- proletariat und der Randgruppentheorie folgt die Aus- wertung von Quellen iiber den Kampf der KPD gegen die biirgerliche Fursorgeerziehung in der Weimarer Zeit. Uber- legungen zur Rolle des Sozialstaats, der Sozialpolitik _ und der Reformen im Kapitalismus gehen ein in Thesen fiir eine Praxis der Sozialarbeit, die im Interesse der Kid - enten, der Arbeiterklasse nand. ihrer Jugendlichen steht und die auch zu einer Solidarisierung der Sozialarbeiter im Kampf urn gemeinsame Interessen fiihrt. (298f) Diese Thesen bleiben jedoch in ihrer Allgemeinheit hinter dem entsprechenden Artikel in "Erziehung und Klassenkampf " zuriick .

Unbeantwortet lassen die Verfasser die Frage, welche organisatorischen Konsequenzen sich fiir Sozialarbeiter und Sozialpadagogen aus ihrer Analyse der Fursorge- erziehung ergeben. Insofern bleibt "Gefesselte Jugend" im Vorfeld politisch-strategischer Oberlegungen.

Jan Raspe: Zur Sozialisation proletarischer Kinder. Frankfurt 1972, Verlag Roter Stern.

Die wachsende Anzahl von Arbeiten iiber den Sozialisa- tionsprozeB des Arbeiterkindes ist fast nicht mehr tiber- schaubar. Auch in den Bereich von Sozialpadagogik und Sozialarbeit, der bis vor wenigen Jahren noch von den idealistischen Vorstellungen der Reformpadagogik gepragt war,dringen immer mehr empirische Einzelergebnisse der biir- gerlichen Sozialforschung, besonders der USA, ein. Wenn bisher auch die Versuche der Erarbeitung einer Soziali- sationstheorie in den Anfangen stecken blieben und es aufgrund mangelnder materieller und historischer Basis auch weiterhin bleiben werden, erscheint die Zielsetzung dieser Theorieansatze in der augenblicklichen Situation des Erstehens von Klassenkampfen klar: Die Bourgeoisie will mit Hilfe der. Ergebnisse der Sozialisationsfor- schung und den sich.daraus entwickelnden Strategien, wie z.B. der kompensatorischen Erziehung, das Postulat der Chancengleichheit in unserer kapitalistischen Gesellschaft proklamieren, mit dem Ziel, die Arbeiterklasse in dieses DO

System zu integrieren, den erhohten Bedarf an Arbeits- kraft, d.h. Ausbeutungsobjekten, zu realisieren und an- hand einiger individueller Aufsteiger, die die kapita- listische Leistungsideologie internalisiert haben und von den Herrschenden protegiert werden, aufzeigen, daB wir eine. klassenlose Gesellschaft haben.

Neben der Arbeit von E. Brechstein, die Sozialisation des Arbeiterkindes in Familie und Schule (Freiburg 1971/ Selbstverlag) und der stellenweise hervorragenden Arbeit des Autorenkollektivs urn Gottschalch (Sozialisations- forschung), gehort die vorliegende kurze Analyse zu den wenigen Arbeiten, die iiber einen reformistischen Charak- ter hinausgehen.

Easpes Ausgangspunkt ist, daB die sozialen Erfahrungen des Arbeiterkindes vom friihesten Alter an Erfahrungen des Klassengegensatzes sind und in ihnen gleichzeitig auf Grund der familialen Situation sich die wesentlichen Lernprozesse abspielen. Die daduroh vermittelte Struk- tur der Lernfahigkeit des Kindes ist dann sowohl an einen bestimmten Inhalt, namlich die allgemeinen sozi- alen Zusammenhange der Klassenlage gebunden als auoh an eine bestimmte Form - das Kind lernt in kollektiven Er- f ahr ungs z us ammenh angen .

Auf dieser Grundlage legt Easpe seiner Arbeit die poli- tische uberzeugung zugrunde, daB sich der widerspriich- liche Charakter der Sozialisation des Arbeiterkindes nur in einer direkten, organisierten, antikapitalistischen Erziehungspraxis - als Teil und Ausdruok des proleta- rischen Klassenkampf es - grundsatzlich aufheben laBt.

Doch hier liegen dann auch die deutlichen Mangel der Arbeit Easpes. Xosgelost von einer proletarischen Organi- sation, ohne Kontakt zu den Anfangen proletarischer Kinderarbeit (Projekt Brehlohstr.) ist seine Arbeit eine Analyse, vollkommen losgelbst von den auf f lammenden Klassenkampfen und so ohne jede praktische und organi- satorische Konsequenzen.

Vielleicht sollte man an diesem Ort auch die Praxis der Obernanme von englischsprachigen Zitaten kritisieren. Soil hierdurch etwa ein Schein von Wissenschaftlichkeit gewahrt werden? Eine ttbersetzung dieser Zitate wiirde den meisten von uns wohl besser niitzen.

Trotz dieser Mangel linden sich bei Easpe einige gute Ansatzpunkte zur Analyse und Interpretation der neueren burgerlichen Untersuchungen des Sozialisationsprozesses , eine gute Zusammenfassung neuerer Ergebnisse der For- schungsliteratur zur Sozialisation des Arbeiterkindes eine vergleichende Betrachtung der Entwicklung des Ar- beiterkindes, unter. "historisch gesellschaftlichen Be- dmgungen offener Klassenkampfe"?

66 Bie Notwendigkeit einer polit-okonomischen Analyse des

Sozialisationsprozesses wird jedoch von Easpe erkannt und auch in Angriff genommen. Hierbei werden Aspekte wie Klassenlage, Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kleinbiirgerlicher Reproduktion in der Familie in Beziehung gesetzt zu Erziehungsverhalten und Wertorientierung der Eltern, familiale Eollenstruktur, Aspekte wie Identifikation, Abhangigkeit, Aggression, Sprache, lernen und Leistungsmotivation. Es findet sich hier auch eine ausgezeichnete Kritik der psychologisierenden Erklarungsversuche der Situation des Pro letarier kindes bei Eiihle.

Aus der verifizierten These, daB proletarische Lebens- verhaltnisse im Kind die Anlage einer widerspriichlichen Personlichkeitsstruktur fordern, die sowohl Elemente eines aktiven kampferischen Klassenhandelns umfaBt als auch die passiv-fatalistischer Anpassung (S. 33) ergibt sich fur Easpe die These, daB nur eine direkte antikapi- talistische Erziehung die Bildung der kollektiven Iden- titat des proletarischen Kindes zu fordern vermag (S.39).

Eichtig erkennt Easpe dann auch, daB eine "derartig ein- seitige Aufhebung von Dysfunktionalitaten" selbst nur mit dem Entstehen neuer Widerspriichlichkeiten einher- gehen kann; d.h. also, daB der Charakter der Wider- spriiche und ihre Losung auch davon abhangt, wie das Proletariat darauf antwortet.

Diese vom Proletariat angefangenen Antworten miissen von alien im sozialen Bereich Tatigen unterstiitzt werden. Zur Erkenntnis dieser Forderung ist Easpes Buch stellen- weise gut geeignet.

Autorenkollektiv: Materialien zur Lage der Arbeiter- ,-juKend in Westberlin. Frankfurt 1972, Verlag Boter Stern.

Die soziologische Jugendforschung, die in der BED jahre- lang stagnierte und sich vorwiegend in idealistischen Ergiissen jugendbewegter Zupfgei genhanserl manif estierte und in denen versucht wurde, kleinbiirgerliche Lebens- und Sozialisationsbedingungen auf die Arbeiter jugend zu iibertragen, konnte nicht dazu beitragen, die soziookono- mische Lage der Arbeiterjugend transparent zu machen.

Erst mit dera von Hubner, Reichelt und Liebel in "Erzie- hung und. Klassenkampf" Heft 1 vercffentlichten Aufsatz "Politokonomische Bestimnung zur Lage der Arbeiterjugend im Kapitalismus und deren Bedeutung fur die Entwicklung des KlassenbewuBtseins" ergaben sich Perspektiven fur eine- soziockonomische Jugendforschung, die den Interessen der Jugend des Proletariats dient. Die ersten Ergebnisse liegen in den "Materialien" vor. 67

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Obwohl in ihren Aussagen auf West-Ber3in beschrankt und wie auoh von den Autoren ausdrucklich festgestellt wird, in ihren Aussagen iiber Klassenlage und Entwicklungsten- denzen der arbeitenden Jugend theoretisch nicbt abge- sichert, weil ein enger Kontakt zu einer proletarischen Jugendorganisation fehlte, tritt dem Leser doch ein re- lativ geschlossenes Bild der lage der Arbeitei-jugend ent- gegen, das vielen in. diesem Bereich arbeitenden Kollegen und Genossen zur Ori entierung diener. kanr; . Richtig erkennen die Autoren, daB ihre Materi alien Stoff fur politische Auseinandersetzungen liefern, die aller- dings nur auf der Grundlage der Praxis einer proleta- rischen Jugendorganisation gefuhrt werden kann . Dies verweist auob inharent auf den groBten Mangel die- ser Arbeit: das vollige Fehlen einer bistorischen Kom- ponente und damit die Gefahr des Soziologismus . Ein kurzer histori scher AbriB zur Lage und zur Organi- sation der Arbeiterjugend hatte sicher mehr zum Ver- standnis beigetragen wie der vorgegebene Anhang, dem wir, d.b. wobl die meisten Sozialarbeiter, vollig hilflos ge- geniiberstehen, da die empirische Sozialforschung erst langsam in den Ausbildungsbereicb Sozialarbeit/Sozial- padagogik eindringt.

Die Autoren verstehen ihr Euch ''als Beitrag zur Klarung der Frage, wie der ProzeB des Heranwacfcsens und der ge- sellschaftlichen Integration von der Klassenstruktur der kapitalistischen Gesellschaft und der jeweiligen Klas- senzugehcrigkeit gepragt wird , und wie der kapitalisti- sche ProduktionsprozeB, die auf ihn bezogene individuel le Qualifikation und die von der Stellung im Produktions- prozeB im wesentlichen abhangigen Reproduktionsbedin- gungen sich auf die cbjektive Stellung und dasEewuBt- sein von Kindern und Jugendlichen Jewells einwirken (S-7).

Von dieser Themenstellung her ergeben sich 4- kiare ae- reiche fiir das Buch :

1. Die Rolle des Schulsystems beim EntstehungsprozeB der Arbeiter jugend;

2. die Situation der arbeitenden Jugend;

•3. die Ausbildungsbedingungen der arbeitenden Jugend; 4-. die Reproduktionsbedingungen der arbeitenden Jugend- lichen.

An dieser Stelle 1st nocbmal die unserer Ansicbt r.ach zu enge Beschrankung auf West-Berlin zu bemangeln. Doch iiberwiegen die positiven Seiten: z.B. wird auf die Fortdauer der sozialen Selektion auf den Gesamtschulen kingewiesen und die Reformideologie im Schulbereich ent- larvt; es wird dargestellt, wie sich das Kapitalinteres- se an der Verwertung der jugendlichen Arbeitskraft un- mittelbar auf das Lobnniveau und auf die Stellung der jugendlichen Arbeiter und Lehrlinge auswirkt. Weiterhin f inden sich Hinweise auf die Unterschiede m- Jn-

Leo Kofler /Andre as Buro:

Van Handelskapitalismus

sum Neo-finperialismus der Gegenwart

Eine Einfuhrung in die Entwiaklung der huvgerlichen Gesellschaft

Diese Schrift gibt eine erste Einfiihrung in die Ent- wicklung der biirgerlichen Gesellschaft und schlieBt eine LLicke in der linken Schulungsliteratur. Allzu oft beginnt das Wissen von jungen Sozialisten Liber die ka- pitalistisch-bsrgerliche Gesellschaft in der Gegen- wart, und das zusammenhanglose geschichtliche Schulwis- sen reduziert sich auf Daten liber Kriege und Thronbe- steigungen. Der rait dieser Broschlire unternommene Ver- such, tausend Jahre Geschichte auf wenigen Seiten dar- zustellen, zwingt dazu, mit groben Strichen zu skiz- zieren, Einzelheiten fortzulassen, die vielfaltigen Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten, die zeit- liche Ungleichheit in der Entwicklung der Gesellschaft beiseite zu schieben und auch, selbst wenn der Blick ab und zu darliber hinausgeht, die europaischen Gesell- schaften in den Mittelpunkt des Blickfeldes zu rlicken. Solche Vergrbberung der Wirklichkeit hat nicht nur Nach- teile. Sie hilft zunachst auch, Oberblick zu gewinnen und die groBe Linie der Entwicklung zu erkennen.

Diese Schrift, daran sei kein Zweifel gelassen, ist parteiisch geschrieben. Sie steht auf der Seite der Un- terdruckten, der Benachteiligten, der Nicht-Gleichbe- rechtigten, denen die Chance zur Entfaltung ihrer Per- sdnlichkeit in dieser Gesellschaft und - in Bezug auf die Volker der armen Welt - von diesen kapitalisti- schen und imperialistischen Gesellschaften verwehrt wird. Diese Schrift ist alien kritischen jungen Leuten, all jenen, die sich in den letzten Jahren politisiert haben, alien Lernenden und Lehrenden zur Lekture zu empfehlen.

96 Seiten, broschiert, DM 5.—

Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591

dustrie ur.d Handwerk, auf die beschissene rechtliche und soziale Situation am Arbeitsplatz , auf die Fiktion von Berufsberatung, eine Kritik des Stufenplans, eine Dar- stellung der Berufsschulsituation und der Reproduktions- bedingungen in der Arbeiterfamilie (Arbeitsverhaltnis , Einkommen, Vermogen, Wohnsituation) .

Kurz wird auch auf die Konsequenzen fur die weiblichen Jugendlichen eingegangen.

Wir sind der Ansicht, da£ die Materialien ihren Zweck erfiillen. Namlich C"ugendlichen, Jugendorganisationen und sozialpadagogisoh arbeitenden Kollegen und Genossen, die die Lage der arbeitenden Jugend grund legend veran-_ dern wollen, einige Programme und padagogische und poli- tische Konzepte bereitzustellen.

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M

Geschichte und Funktion der Sozialarbeit

Ausziige aus Vorwort und Inhaltsverzeichnis

Das vorliegende Papier, der Versuch einer material istischen histori- schen "Analyse" und Funktionsbestimmung der Sozialarbeit ist ein Novum in ihrer Geschichte - zumindest seit der offenbar zur Vergessen- heit gewordenen Auseinandersetzung um eine "Fursorge"-Selbstorganisa- tion der Arbeiter nach dem 1. Weltkrieg. Damals standen sich revolu- tionare Krafte.z.B. Clara Zetkin, die das Konzept der "Roten Arbeiter- hilfe", eine Organisation praktischer Selbsthilfe und Sol idarita't im allta'glichen Klassenkampf , vertraten, und Revisionisten in der SPD um die spatere AWO-Begrunderin Marie Juchacz gegenliber, die aus humani- stischer Gesinnung die schlimmsten Auswirkungen kapital istischer Aus- beutung mit Hilfe einer caritativen Wohlfahrtsorganisation verhindern wollte.

Oas vorliegende Papier zeigt, daB diese historisch zuriickliegende Al- ternative auch heute nicht an Aktualitat eingebiiBt hat; es stellt sich dar als ein Arbeitsergebnis einer immer groBer werdenden Zahl von Sozialarbeitern, die begreifen, daB sie bisher bewuBtlos und ohnmach- tig an den Symptomen eines Ausbeutungssystems, der kapital istischen Gesellschaft, kuriert haben und die begriffen haben, daB die Vernach- lassigung ihres Arbeitsfeldes (die vielfach beklagte Situation fehlen- der Mittel , fehlenden Personals und mangelhafter Ausbildung) strukturell bedingt ist in einem gesellschaft! ichen System, in dem Profit und private Aneignung von Reichtum an erster Stelle und "Kosten" verursachen- de "soziale Fragen" an allerletzter Stelle rangieren.

Aus dem Inhalt: Zur gesellschaftl ichen Situation der Armenpflege in der feudal en Gesellschaft - Sozialarbeit im Umbruch zur kapital isti- schen Gesellschaft - Marx' Analyse der burger! ichen Gesellschaft und ihre Bedeutung fiir eine Analyse der Sozialarbeit - Bismarck'sche Sozialpolitik und Sozialarbeit - Geschichte der Sozialarbeit 1880 - 1930 Sozialarbeit im Faschismus 1933 - 1945 - Geschichte des Jugendhilfe- rechts (das RJWG 1923, Jugendhilfe-Recht im Faschismus, Diskussion um die Novelle 1953, Diskussion um das JWG 1961) - Ausgewa'hlte Literatur zur Sozialarbeit.

Ca. 7o Seiten, vervielfaltigt mit festem Utischlag. DM 3.— Bezug u'ber AKS, c/o Gunter Pabst, 6 Frankfurt, Hamburger All ee 47 Sozialistisches Bliro, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591

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Nachrichten

°PWV, Wupperta? riif ^L ndesar^itsgemeinschaft Wohnkollektive i* WohlfahrtsverbaS tt SI^' ^"-ft: Deutscher Paritatischer

PraktikerseSe f^W^6^ •^hUm' fU'hrt ^gelmaBig eintagifle terbildungwe^anstaituna ^I^563? lm "J^gebiet durch, die als *i" statt am 1. Member 197? an?[kannLsInd- Das na'c^te Seminar findet Verein Soz ale Juaendarh^t ^ ^°hnen im Kapltallamis'1. Auskunft- 023Z1/702576 oder 701465 ** Ur0 fUr &"1«lplanung, Telefon

BA? ^l^bll^^^f^^^en Konektivberate,. Bezahlung nach burgerstr. lo, Telefon 0561/18054. Kaufl*ann, 35 Kassel , WeiBen-

^^^^^l^^.^mse (A..G.SPAK, ver- Vom 12. - 17. Dezember findet in Srh S!mil]are u"d Arbeitstagungen. teilarbeit statt. -Interessenten W„S ?™e Ta9un9 zum Thema Stadt- stelle, 8 MUnchen 2, Kobellstr Y|nd?V]ch a" die SPAK-Bundesgeschaft5

r< 12> Telefon 0811/586119.

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