PROBLEME DES K LASSEN -

KAMPFS * 10

ca. 150Seiten ^^ DM6.°°

Helga Fassbinder:

Redaktionskollektiv Gcwerkschaften:

Manfred Scharrcr/ Dieter Schuttc

beini

973

Preisbildung, Monopol und Spekulatio"

stadtisehen Boden

Neue Momente in der Klassenbewegung

inder Metallindustrie

Die Jiterarischcn Reprasentanten" der i>

Kritik am Projekt Klassenanaly.se

Protokoll der Diskussion in der Redaktio"^

irrer/Scli»tle

Zu den Klassenkampfen in Chile

konferenz zum Aufsatz von Scharrer

ikiimpfen in Chile

Interview mil Urs Miiller-Plantenberg

Initiativgruppe Bad Soden:

Erklarung zur Unterdriiekung von oppoS

nellen Kraften in Peru

Thesen zum Editorial der Redaktionsko'1

ferenz(ProklaNr.6)

itio-

Erhaltlich.in den Buchladen oder direkt beim Verlag: POLITLADEN 852 ERLANGEN POSTFACH 2849

chlmf-

LuftnLlh """ 2 D°PPe'hefte! in DM 27 00 tnklusive Versanti k"s,e'

wffn,2 me"tS 'nura^rhalb MUtele»ropas)DM32 00 Die Lief"""*

anuTmT"- SObaM te'Ato-tetng be,m Verlag efn'ggangen 1st. ****'

r°St- da tonkuberweuungen mi, Gebuhren belasle, werden.

JNFORMATIONSDIENST SOZIALARBEIT

artM^

" .Q-V)I^'1u^''lPft

Schwerpunktthemen:

Jugendhilferecht Und Jugendhilfetag

Aufierdem: 'Genscher-Beform' 5 Palle von Disziplinierung Nachrichten/Termine/Hinweise

6

Offenbach 1m April 1974, Preis

DM 3.

Dieser Informationsdienst Sozialarbeit wird im Sozialistischen Buro von Gruppen, die im Sozialisationsbereich arbeiten, herausgegeben Der Info dient der Kommunikation und Kooperation von Genossen, die rait sozialistischem Anspruch im Feld der sozialen Arbeit tatig sind. Herausgeber: Sozialistisches Buro

6o5 Offenbach 4, Postfach 591 Verleger: Verlag 2ooo GmbH Offenbach Erste Auflage, April 1974, 5ooo Exemplare Alle Rechte bei den Herausgebern

Vertrieb: Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4

Postfach 591, Hohe Str. 28 (Souterrain) Postscheck Frankfurt, Konto Nr. 61041-604 Preis: Einzelexemplar DM 3.—

Bei Abnahme von raindestens lo Exemplaren 2o % Rabatt Weiterverkaufer (Buchladen, Buchhandel) 4o % Rabatt jeweils zuzuglich Versandkosten

Der Info kann auch im Abonnement bezogen werden. Bezugsgebuhren fUr das Jahr 1974 DM lo.— + DM 2.8o Versandkosten. Das Jahresabonnement enthalt vier regulare Ausgaben (Einfachnummern) . Die Einfachnummer kostet DM 3.--, eine Doppelnummer DM 5.--.

Verantwortlich: Redaktionskollektiv Info Sozialarbeit Presserechtlich verantwortlich: Glinter Pabst Offenbach Druck: hbo-druck Bensheim

INFO SOZIALARBEIT, Heft 6

I N H A L T

Vorbemerkungen zu dieser Ausgabe

Kurzinformation zum JHG-Entwurf

Giinter Steinvorth Frankfurt:

Gegen sozial technokratische Tendenzen

im Jugendhilfegesetzentwurf

Aktiv R16 Koln:

Analyse und Forderungskatalog

zur Reform des Jugendhilferechts

Kritische Gruppe Westberlin:

'Genscher-Reform' des dffentlichen Dienstrechtes

Kurt Sprenger Frankfurt: Sozialarbeit und der 5. DJHT

Glinter Pabst Frankfurt:

Die Sozialistische Aktion

auf dem Jugendhilfetag Nlirnberg

Redaktionskol lektiv:

Zusarrmenfassender Bericht der konstituierenden Tagung

der Sozialistischen Aktion Jugendhilfetag Hamburg

Sozialistische Aktion Jugendhilfetag: Brief des Geschaftsfuhrers der AGJ und Offerer Brief an die AGJ

Repressive MaBnahmen im Sozialbereich 5 Kurzberichte

Nachrichten/ Termine

Materialien

Kleinanzeigen

Seite 2

Seite 3

Seite 13

Seite 17

Seite 31

Seite 3 5

Seite 39

Seite 47

Seite 55

Seite 59

Seite 65

Seite 69

Seite 71

VORBEMERKUNGEN ZU DIESER AUSGABE

KURZINFORMATION

ZUM JUGENDHILFEGESETZENTWURF

(Diskussions-Entwurf)

Zwei Schwerpunkte werden in diesem Heft behandelt: Jugendhilferecht und Jugendhilfetag.

In einer Kurzinformation zum JHG versuchen wir, die wesentlichen Pa- ragraphen des Diskussionsentwurfes zusammenzufassen, so daB es dem Le- ser moglich ist, sich einen Oberblick zu verschaffen, ohne gleich die Materialberge von Stel lungnahmen und Erlauterungen durcharbei ten zu mussen. Es fa 1 It nicht schwer, die sozial technokratischen Tendenzen des Jugendhilfegesetzentwurfes aufzuzeigen, sowie die Tatsachen, daB der JHG-Entwurf nichts wesentliches an den Lebensbedingungen der Ju- gendlichen a'ndern wird, fortschrittliche Sozialarbeiter eingeschrankt und Selbsthilfeim'tiativen abgewurgt werden sollen. Beide Analysetex- te sowie der Forderungskatalog zur Reform des Jugendhilferechts blei- ben auf der gesetzesimmanenten Ebene stehen; da sie jedoch die Inter- essen der Jugendlichen und Sozialarbeiter zum Ausgangspunkt der Ana- lyse und Forderungen machen, bieten sie eine Alternative gegenuber den vielen liberalen bis scheindemokratischen Entwlirfen der Ministerial- biirokratie und der Tragerverbande. Ein Vergleich des Forderungskata- logs mi t dem Diskussionsentwurf zeigt, welcher wirkliche Stellenwert

diesem zukommt und wie ernst es dem Staat mit dem Kindes- recht ist.

und Jugend-

DaB die Aufmerksamkei t nicht nur auf das Jugendhilferecht gen'chtet sein sollte, zeigt ein erster Blick in die Vorschlage "fur eine zeit- gema'Be Weiterentwicklung eines modernen bffentlichen Dienstes". Soil ten diese Vorschlage Gesetz werden, werden sie die Praxis der So- zialarbeiter weit mehr bestimmen als das alte oder auch neue Jugend- hilferecht. Deshalb gilt es, schon frlihzeitig den Kampf gegen die "Genscher-Reform" aufzunehmen.

"Sozialarbeiter und der 5. DJHT", "Die Sozial istische Aktion Nlirnberg' und der "Bericht iiber die konsti tuierende Sitzung der Sozial istischen Aktion Jugendhilfetag Hamburg" sind erste Arbei tspapiere fiir das Vor- bereitungstreffen in Hamburg. Auf den Brief des Geschaftsfuhrers der AGJ vom 17.1.1974 haben wir mit einem Offenen Brief an die AGJ (28.2. 74) geantwortet. Wir haben unseren Standpunkt zum Jugendhilfetag dar- gelegt und insbesondere betont, daB wir keinen Sinn darin sehen, mit der AGJ hinter verschlossenen Tiiren zu verhandeln. Auf unsere Forde- rungen hat die AGJ bis heute noch nicht reagiert.

Hittlerweile hat der Geschaftsfiihrer Dieter Greese seinen im Brief an- geklindigten Artikel unter Einbeziehung unserer Kritik in der Deut- schen Jugend Ma'rz 1974 veroffentlicht. Die Sozialistische Aktion wird dazu noch Stel lung nehmen.

Im nachsten Info werden die Arbei tspapiere der Sozial istischen Aktion zum Jugendhilfetag in Hamburg veroffentlicht.

Vorbemerkung

Diese Kurzinformation ist fiir Kollegen der Jugend- und Sozialarbeit geschrieben, die vor dem Papierwust, der zum neuen JGH bisher verof- fentlicht wurde, verzagen, und die auch nicht die Zeit haben, sich selbst durch den ganzen Entwurf "durchzuwlihlen".

Ober eines sollte man sich beim Durcharbei ten allerdings von vorne- herein im Klaren sein, ein neues Jugendhilferecht bedeutet noch keine verbesserte Jugendhilfepraxis.

Abgesehen davon, wie das neue Jugendhilfegesetz formuliert wird, eine Realisierung der gesetzlichen Anspriiche hangt von der finanziellen, personellen und organisatorischen Ausstattung der Jugendhilfetrager gnd -maBnahmen ab, die bisher allerdings in keinster Weise konkreti- siert worden sind:

Fjinanziell: der Bund lehnt bisher jede Finanzilfe ab; damit bleibt "Dugendnilre wie bisher an der Finanzmisere der Lander und insbeson- dere der Kommunen hangen;

persgnell : eine bessere personelle Besetzung ist weder durch entspre- cRende Ausbildungsangebote (Fachhochschulen, Universitaten), noch durch entsprechende Fortbildungsmoglichkeiten abgesichert; organisatorisch: die fiir eine "neue" Jugendhi 1 f e dringend notwendige Umorganisation der Jugendhilfeinstitutionen (Abschaffung der Ent- scheidungshierarchie und unsinniger Kompetenzgrenzen, Lockerung der Abhangigkeit der Jugend- und Sozialarbeiter vom Anstellungstrager, Abschaffung diszipl inierender Vorschriften wie Aussage- und Anzeige- pflicht usw.) kann nicht gesetzlich garantiert werden.weil sie in die Selbstverwaltungskompetenzen der Gemeinden fallt.

Nach den bisherigen Praxiserfahrungen der Sozialarbeiter/Sozialpada- qogen muB sogar mit einer Verscharfung der Arbeitsbedingungen gerech- net werden. Neben dem neuen Jugendhilfegesetz wird die zukunftige Arbeit von der allgemeinen Reform des bffentlichen Dienstrechtes (sog. "Genscher-Refornr) bestimmt werden. Ziel dieser Reform ist es, zum besseren "Vollzug des Staatswillens" alle Bediensteten des bf- fentlichen Dienstes unter die Knute des Beamtenrechts zu bringen und damit gewerkschaftlich und politisch zu entrechten. AuBerdem soil durch ein ausgetiifteltes Leistungsbewertungssystem die kapital istische Leistungshetze und der Konkurrenzdruck auch im bffentlichen Dienst vol! zur Entfaltung gebracht werden. (siehe dazu Seite 31)

3

Schwerpunkte des JHG-Entwurfs

1- Die General klausel des § 1 (allgemeine Zielrichtungen des JHG) § 1 Recht auf Erziehung und Bildung

(1) Jeder junge Mensah hat ein Reoht auf Erziehung und Bildung. Sie sollen ihm ermdglichen, sioh kSrperlich, geistig und seelisoh seinen Antagen und Neigungen gemdS zu entwickeln, seine Personlichkeit zu entfaiten, die Reahte anderer zu aehten und seine Pfliahten gegenuber der Gesellschaft zu erfiillen.

(2) Die Jugendhilfe hat dieses Recht unbeschadet der Reahte und Pfliah- ten der Eltern zu gewanrleisten.

Die Zielsetzung des § 1 ist nicht konsequent von den Grundrechten der Betroffenen her entwickelt worden. Dies ha'tte nahegelegen, nach- dem das BVG in seinem Urteil v. 29.7.68 festgestellt hatte: "Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschenwtlrde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persbnlichkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG" und die Beachtung dieser Grundrechte zur Maxime erziehjrischen Handelns erkla'rt hatte.

§ 1 akzentuiert die integrative Funktion von Erziehung und Bildung, indem er darauf hinweist, daB dem jungen Menschen zu "helfen" ist, "die Rechte anderer zu aehten und seine Pflichten gegenuber der Ge- sellschaft zu erfullen", und deckt damit gleichzeitig die stark ein- greifenden bzw. disziplinierenden MaBnahmen im Rahmen der Erziehungs- hilfen fur "gefa'hrdete" junge Menschen ab.

Im ubrigen wird der Erziehungs- und Bildungsanspruch der Kinder und Jugendlichen vom Elternrecht her zusatzlich eingeschra'nkt (vgl. § 1; 2 und § 2!).

§ 2 Rechte der Erziehungsberechtigten

(1) Eltern und sonetige Erziehungsberechtigte haben ein Reaht darauf, bei der ErfUllung ihrer Erziehung spfliahten durch die Jugendhilfe beraten, unterstiitzt und gefOrdert zu werden.

Sie kdnnen siah zu diesem Zweck jederzeit an einen Trager der Jugend- hilfe wenden.

(2) Die Jugendhilfe hat die Von den Personensorgebereahtigten be- stimmte Grundriahtung der Erziehung zu beaekten, sofern hierdurch das Wohl des jungen Menschen nicht gefdhrdet wird.

2. Neuordnung des Jugendpflegebereichs (Allgemeine Forderung der Jugend): *

Ein eigenstandiger Sozialisationsbereich der Jugendhilfe wlirde er- fordem, daB die allgemeine Jugendhilfe ihre randstandige Position verliert, daB sie ausgebaut, differenziert und gesetzliche Anspriiche konkretisiert wiirden, so daB Jugendhilfe den Charakter der Not-Hil- fe abstreifen kbnnte.

AuBerdem ware dazu erforderlich, allgemeine "Forderung" und speziel- le "Erziehungshilfe" so zu integrieren, daB Jugendhilfe ihren stig- matisierenden Charakter verlieren wiirde.

§ 24 Ziel der allgemeinen Forderung der Jugend

(1) Der Forderung der Jugend dienen alia Hi! fen, die gee-ignet sind, junge Menschen generell zu befahigen, ihre korperlichen, geistigen und seelischen Rralfte zu entfaiten und sich zu selbstbestimmten Per- sSnliahkeiten zu entwickeln, die in der Lage sind, ihre Stellung in FamiUe, Beruf, Staat und Gesellschaft auszuftillen, ihre Interessen und Reahte wahrzunehmen, sich solidariseh zu verhalten und am wirt- scnaftliahen, sozialen und politischen Leben verantwortlich mitzuwir- Tten (Hit fen zur Jugendarbeit) .

(2) Die Trager der Jugendhilfe haben die erforderlichen Hilfen zur Jugendarbeit anzubieten. Zu diesem Zweck haben sie im Rahmen des Be- darfbdie dafiir geeigneten Einrichtungen zu fdrdern oder bereitzustel-

len und geeignete Veranstaltungen zu fordern oder durchzufiihren.

§ 25 Angebote der allgemeine" Forderung der Jugend

(1) Zu den Hilfen zur Jugendarbeit gehoren:

J, die Forderung von AktivitiLten junger Menschen, insbesondere in Jugendclubs, Neigungs- und Initiativgruppen, Jugendverbdnden, Jugendringen und Jugendgemeinschaftsdiensten;

2. die FSrderung der Vorbereitung junger Menschen auf Partnerschaft, Ehe und "amilie; die Rechte und Pflichter, als Burger und das ver- antuortliche Verhalten als Verbraucher;

Z. Angebote in alien Einrichtungen, die der Jugendhilfe dienen, insbe- sondere aber in Informations- und Beratungsstellen, Bildung s- und Begegnungsstatten, Spiel-, Sport- und Erholungsstdtten;

4. Veranstaltungen der politischen, kulturellen , sozialen und sport- liahen Jugendbildung, zur Untersttitzung und Ergdnzur.g der Schul- und Berufsausbildung sowie der internationalen Jugendbegegnung .

(2) Selbstorganisierte Zusammenschliisse und Aktivitdten junger Men- schen sollen vorrangig gefOrdert werden.

fBl Zu den nil fen zur Jugendarbei.t gehort ferner die Fort- und Weiter- bildung- von ehren- und nebenamtlichen Mitarbeitern.

(4) Zu den Hilfen zur Jugendarbeit kennen geeignete wissenschaftliche BegZeitung und Ausweriung gehoren.

(5) Bei alien Hilfen zur Jugendarbeit sind Mitwirkung und Mitbestim- mung der jungen Menschen in einer der jeweiligen Altersstufe entspre- chenden Weise sicherzustellen.

Auf diese Hilfen zur Jugendarbeit besteht aber kein einklagbarer Rechtsanspruch.

Interessant ist auch, daB hier die einzige Stelle im JHG-Entwurf ist, an der selbstorganisierte Jugendinitiativen berlicksichtigt werden. Einschrankend ist allerdings zu sagen, daB diese Initiativen nach § 15 den Status "anerkannter freier Trager" haben miissen, wenn sie gefordert werden wollen . Voraussetzung dafiir ist u.a. die politische Loyalitat gegenuber der herrschenden Gesellschaftsordnung.

3, Neuordnung der Jugendfursorqe:

3.1. Allgemeine Erziehungshilfen

Wichtigstes Angebot ist hier die Garantie des Vorschulkindergarten-

platzes:

5

§ 32 Frtihkindliche Erziehung

Jedem Kind ist fur die Zeit vom vollendeten 3. lebensjo.hr bis zum Beginn der Sahulpflicht Erziehungshilfe in einer Tages- oder Balb- tagseinrichtung zu gew&hren.

Weiterhin za'hlt dazu:

- Beratung und Unterstiitzung 31 )

- Erziehungshilfe in sonstigen Tageseinrichtungen("§ 33)

- Erziehung in Pflege- und Adoptionsfamil ie 34, 35)

- Aufnahme in Kinder- und Wohnheimen 36)

Wohngemeinschaften z.B. werden nicht genannt, an selbstorganisierte Formen allgemeiner Erziehungshilfe ist augenscheinlich nicht gedacht. Wenn man den diskriminierenden Charakter der Jugendfiirsorge abbauen wollte, hatte dieser Bereich unbedingt vorrangig behandelt werden raiissen.

Selbst die offenen und halboffenen Formen von Erziehungshilfe tauchen erst unter den speziellen Hilfen (Erziehungshilfen bei Gefahrdung oder Stbrung der Entwicklung) auf und werden mit dem Weisungsrecht aus dem JGG verkniipft:

§ 48 Offene und halboffenen Erziehungshilfen

(1) Bedarf es zur Verhinderung oder Beseitigung von Entwicklungsstd- rungen Uber die allgemeinen Erziehungshilfen hinaus weiterer offener oder halboffener Erziehungshilfen, sind diese nach den Erfordernis- sen des Einzelfalles unter Einbeziehung dee sozialen Umfeldes zu ge- wShren, insbesondere duroh:

1. sozialpSdagogische Einzel- oder Gruppenarbeit,

2. heilpSdagogisohe Behandlung,

3. Einzel- j Gruppen- oder Familientherapie .

(2) Zur Regelung der Lebensfiihrung sind geeignete Empfehlungen oder erforderliahenfalls Weisungen insbesondere Uber den Aufenthaltsort, das Wohnen in einer Familie, in einem Heim oder in einer Wohngemein- schaft, den Umgang mit bestimmten Personen und den Besueh bestirrmter Einriohtungen zu erteilen.

3.2. Erziehungshilfen bei Gefahrdung oder Storung der Entwicklung

a) Ausbau der Diagnostik

§ 47 Anspruoh auf Erziehungshilfe

(1) Einem jungen Mensahen, dessen Entwicklung aus GrUnden, die in seiner Person, seinen sozialen ."' Beziehungen oder Umweltbedingungen lie- gen, gefOhrdet oder gestOrt ist, ist Erziehungshilfe naoh den folgen- den Vorsohriften zu gew&hren.. Die Erziehungshilfe bezieht mit dem jungen Menschen auch seine Familie und Umwelt in die Hilfe ein.

(2) Zur Entscheidung uber die zu gewahrende Erziehungshilfe ist eine psychoBoziale Diagnose duroh FaahkrSfte zu erstellen. 'Bedarf es zur Feststellung von Art, Ursaahe und Umfang der Erziehungsschvie- rigkeiten weiterer Unter suahungen, ist vor Einleitung der Erziehungs- hilfe fur eine mehrdimeneionale mediziniach-~p8uchologische Begutaah- tung des jungen Mensahen zu sorgen. Evr. solches Gutachten ist erfor- derliah, wenn Erziehungshilfe auBerhalb des Elternhauses gewShrt wer- den soil.

(3) Auf der Grundlage dieser Untersuahungen ist ein Gesamtplan fitr die Gew&hrung der Erziehungshilfe aufzustellen. Bei der Aufstellung

dee Geeamtplanes soil der Trager der Jugendhilfe den jungen Mensahen, die Personensorgebereahtigten und andere mit der Erziehung und Aus- bildung des jungen Mensahen befaSte Personen beteiligen. Der Gesamt- plan ist im Verlauf des Hilfeprosesses den siah verandemden Erzie- hungeerfordernissen anzupassen.

Der hier geplante Ausbau der Diagnostik dlirfte (falls realisierbar) zu einem fUr die Betroffenen undurchschaubaren Spezialistentum fiih- ren. Es besteht auBerdem die Gefahr, dali ein individuelles Krank- heitsbewuBtsein gefbrdert wird, statt daB die Skonomischen und sozia- len Ursachen sogenannter "Erziehungsschwierigkeiten" und "Entwick- lungsstbrungen" aufgedeckt und bekampft werden. Sinnvoller ware die Einschatzung der Gesamtsitjation gemeinsam mit den Betroffenen. (siehe S. ).

b) stigmatisierende Sonderbehandlung und Isolierung der "gefahrde- ten" Kinder und Jugendlichen:

Mit der Definierung von "gefahrdeten" jungen Menschen und der Ent- wicklung eines Katalogs spezieller "Hilfen" flir diese Gruppe wird einerseits deren Deklassierung gefbrdert, andererseits von den "ge- fahrdenden" soziobkonomischen Verhaltnissen abgelenkt. Zwar ist - wie in § 47 - hin und wieder davon die Rede, daS die Er- ziehungshilfe auch die Umwelt des jungen Menschen miteinbeziehen soil- Doch wird dieser gemeinwesenorientierte Ansatz im Gesetz nir- qendwo konkret gefaBt und flir die "geschlossenen" Formen der Er- ziehungshilfe wieder ganz fallen gelassen.

3,3. Sogenannte "Schutz"-MaSnahmen flir "gefahrdete" junge Menschen

a) Trebe-Problematik (Weglaufer)

r sg Vorlitufige Inobhutnahme bei Entfernung

(2) Der Trager der Jugendhilfe ist bereahtigt, einen Minder jahrigen voriibergehend in Obhut zu nehmen, wenn er sich aus der Obhut des Per- eonensorgebereohtigten entfernt hat.

f2) Der Minder jdhrige ist unverzUgliah dem Personensorgeberechtig- ten zuzufuhren, sofern dieser erreiahbar ist und keine in seiner Person und seinem erzieherisohen Verhalten liegenden Grtinde entgegen-

tehen. Andernfalls ist der MinderjShrige unverzUgliah in einer Fa- rn^ilie oder Einrichtung unterzubringen, die fur eine vorl&ufige Inob- hutnahme geeignet ist. In jedem Fall ist dem Personensorgebereohtig- for Aufenthalt des Minderjahrigen unverzUgliah mitzuteilen.

(3) Mit Zustimmung des Personensorgeberechtigten hat der Trager der Jugendhilfe unverzUgliah die geeignete Erziehungshilfe zu ge-

■ahren, urn eine weitere Gefahrdung oder Sch&digung von dem Minder- ■ahrig'en abzuwenden. Ist die Zustimmung nicht zu erlangen oder liegen Ale Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 vor, hat er unverzUgliah eine ^viohtliche Anordnung herbeizufUhren.

14) In den Fallen der AbsHtze 1 und 2 ist der TrSger der Jugendhtlfe % veohtigt, eine Wohnung jederzeit zu betreten. Das Grundrecht der jfverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abe. 1 des Grundgesetzes) ^ird inaoweit eingeschrdnkt.

Sere

its in Berlin und Kbln entwickelte Formen von Anlaufstationen

..

8

(Kontaktzentren) fLir Trebeganger werden hier uberhaupt nicht aufge- nommen, sondern es soil weiterhin die dbrigkeitsstaatliche "R'u'ckfuh- rung" praktiziert werden.

b)Vorbeugema6nahmen

§ 70 Vorlaufige Anordnung bei Verfehlungen

Begeht ein Jugendlicher eine Verfehlung, die rtach den allgemeinen

Vorschriften rrrit Strafe bedroht ist, kann ein Vormundschaftsgericht

vorlaufige Anordnungen zur Erziehung treffen, insbesondere die einst-

aeilige Vnterbringung in einem dafur geeigneten Heim anordnen, wenn

dies geboten ist, urn den Jugendliehen vor weiterer Gefahrdung oder

weiteren Verfehlungen zu bewahren. . .

Dieser Paragraph zeigt, wie nach Auffassung der Autoren des Entwurfs

das Problem der Jugendkriminal itat gelost werden soil: durch poli-

zeiliche MaBnahmen, konkret durch eine Art Vorbeugehaft.

Besonders bedenklich ist, daB das Vormundschaftsgericht in den Fal- len des § 68 und des § 70 ohne Anhorung des Betroffenen entscheiden kann:

§ 121 Sofortige Vollziehung Das Vormundschaftsgericht kann

1. in den Fallen des § 68 Abs. 3 und des § SS auf (Antrag des Trdgers der Jugendhilfe

2. im Falle des § 70 ohne Anhorung entscheiden und die sofortige Vollziehung der Entsaheidung anordnen.

4.0bjektrolle der Betroffenen (Mitwirkung und Mitbestimmung)

Ein allgemeines Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht der Betroffenen gibt es im JHG-Entwurf nur fur den Bereich der allgemeinen Jugend- fbrderung. Im § 25 (5) heiBt es:

(5) Bei alien Hilfen zur Jugendarbeit sind Mitwirkung und Mitbestim- mung der jungen Menschen in einer der deweiligen Altersstufe entspre- ohenden Weise aioherzustellen.

Im Bereich der "Erziehungshilfen" wird dem Jugendliehen nur ein Sol 1 - Recht der Mitwirkung bei der Erstellung des Erziehungs-Gesamtplans eingera'umt 47 JHG-Entw.)- Ansonsten ist der Gesetzentwurf wie das alte JWG weitgehend durch die passive Objekt-Rolle der Betroffenen gekennzeichnet. Allgemein wird kein Wahl-, Vorschlags- oder Antrags- recht der Betroffenen (insbesondere fur den Bereich "Erziehungshilfe") begriindet, Jugendhilfe bleibt weiterhin MaBnahmerecht und kann "ver- ordnet" werden.

Als handelndes Subjekt mit eigner Verantwortung wird der Jugendliche nur negativ zur Rechenschaft gezogen: fur "Verfehlungen" 49 JHG-Entw.), "sozialschadliches Verhalten" 50 JHG-Entw.) oder "schwere und ha'ufig wiederholte, mit Strafe bedrohte Verfehlun- gen" (§ 57 JHG-Entw.). Positive eigene Verantwortung gibt es kaum, der Jugendliche wird weiterhin "verwaltet":

- In den "psychosozialen DiagnoseprozeB" (nach § 47 JHG-Entw.) wird der Betroffene nur als Objekt einbezogen;

- nach § 118 kann ein Jugendlicher bis zu 3 Monaten zur Beobachtung und Untersuchung eingesperrt werden, bevor eine Erziehungshilfe anqeordnet (!) wird;

- nach §68 (1 ) sollen Jugendliche weiterhin von Polizei und Jugend- hilfeinstitutionen eingefangen und "ru'ekgefiihrt" werden, wenn sie weggelaufen sind.

Insbesondere durch Hereinnahme der JGG-Bestimmungen (s.u.) behalt das neue JHG den Zwangscharakter des alten JWG und ist nicht ein eindeu- tig positives Leistungsangebot.

5, Familienideologie

S 52. 1 Erziehungshilfen guBerhalb des Elternhauses Einem jungen Menschen ist Erziehungshilfe auBerhalb des Elternhauses zu gewahren, wenn eine Entwicklungsgefahrdung oder - storung auf an- dere Weise nicht zu beheben ist.

An Institutionen werden angeboten: § 48 Offene und halboffene Erzie- hungshilfen, Erziehungskurse 50) und Bestellung eines Erziehungs- beistandes 51) und

R 34 Erziehung in einer Pflegefamilie

(1) Ist die eigene Familie eines jungen Menschen nicht in der Lage, die notwendige Erziehung zu leisten, ist Erziehung in einer Pflege- familie zu gewahren.

§ 42

(4) Bei der Gewdhrung der Hilfe ist darauf zu achten, dali auch dem behinderten jungen Menschen die Erziehung in der Familie so lange wie mdglich erhalten bleiben muli -

§58 . .

(2) Ein junger Mensch wird in einer Einmchtung betreut, wenn nach

Qewahrung einer Erziehungshilfe nach den §§ B4 ff. zur Wiedereinglie- derung in die familidre und berufliche Vmwelt noch ein voriibergehen- der Auf en thai t auRerhalb des Elternhauses geboten ist.

Das bedeutet: Entwicklungsgestorte Jugendliche zun'a'chst einmal urn je- den Preis in der eigenen Familie zu halten; wenn es gar nicht mehr qeht: Pflegefamilie, und falls das nicht geht: ins Heim (oder eine andere Einrichtung) . Das Ideal der Familie wird hier also auch dann noch hochgehalten, wenn die betroffenen Kinder und Jugendliehen ge- rade an der Familie gescheitert sind, gerade in der Familie ein groBer Teil ihres Dissozial isierungsprozesses abgelaufen ist. Ja, man ver- steigt sich sogar zu der Forderung, Jugendliche, die la'ngst aus der Familie herausgewachsen sind, durch nachgehende Betreuung wieder in ihre familiare Umwelt zu reintegrieren.

6. Fachlichkeit der Jugendhilfe

<? 4 -facnlichkeit der Jugendhilfe

Jugendhilfe ist auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkermtmsse und der anerkannten Methoden der Sozialpadagogik und Sozialarbeit im Zu- sarnmenwirken von Fachkraften zu leisten.

Mit der Festlegung auf "anerkannte" Methoden wird die experimentelle y

A

Weiter- und Neuentwicklung von Methoden der Jugend- und Sozialarbeit behindert. - Die Jugend- und Sozialarbeit wird im wesentlichen auf die Einzelfallhilfe und Gruppentherapie verpflichtet. Dariiber hinaus werden die Mbglichkeiten, im Rahmen der JH flir die betroffenen Kinder und Jugendlkhen solidarische und den Prinzipien einer fortschrittl ichen Sozialpadagogik entsprechende Hilfsangebote zu entwickeln, durch die Beistandspflicht gegenliber der Staatsanwalt- schaft und anderen Behtirden entscheidend eingeschra'nkt:

§ IS Mitverantwortliahe Zusammenarbeit

(1) Die Trdger der Jugendhilfe oder andere BehOrden und Offentliche

Einrichtungen, die mit der Jugendhilfe im Zusammenhang stehende Auf-

gaben wahrnekmen, haben sich untereinander abzustirrmen

Dies gilt insbesondere fiir das Zusammenwirken der Trager der Jugend- hilfe mit den Sozialhilfetragern,Gerichten, Staatsanwaltschaften, Schulen, den Schul-, Gewerbeaufsichts-, Gesundheits- und Polizeibe-

hOrden

§ 128 Aufgaben des Trdger s der Jugendhilfe

Erfdhrt der Trdger der Jugendhilfe von der Verfehlung eines Jugend- liahen und halt er naah § 11 die Anwendung des Jugendgeriahtsgesetzes fur erforderlich, so hat er dies der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Erhd.lt er diese Kenntnis nach § 127 so hat er dem Staatsanwalt seine Entsoheidung mitzuteilen.

1. Abblocken von Basisinitiativen:

10

In § 15 werden Fbrderungsvoraussetzungen definiert, die sich offensicht- lich gegen fortschrittl iche Basisinitiativen richten. Es werden vor- ausgesetzt: "angemessene Eigenleistungen", "entsprechende Einrichtun- gen und Fachkra'fte". AuBerdem mlissen die Initiativgruppen als "freie Trager" anerkannt sein. Das werden sie aber nur, wenn sie "die Gewa'hr fiir eine den Zielen des GG fbrderliche Arbeit bieten" und die wei- teren Bedingungen erfullen, die durch bundeseinheitliche Rechtsverord- nungen (!) festgelegt werden konnen.

Die Bestimmungen uber "Einrichtungen" 97, 98) gewahrleisten da- riiber hinaus auch die Kontrolle und Reglementierung der Arbeit auBer- institutioneller Projektgruppen, die keine b'ffentliche Forderung er- halten.

8. Einbeziehung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG)

Man kann allgemein sagen: Was an der Fursorgeerziehung refonniert wird, kommt aus dem JGG wieder in der alten Form herein: "Auferle- gung besonderer Pflichten", "Jugendarrest" und "Jugendstrafe" soil en kiinftig (teilweise unter anderem Namen) im JHG untergebracht werden. Der positive Anspruch dabei ist, diesen Bereich der Justizverwaltung zu entreiBen, der negative Effekt davon, daB das neue JHG kein posi- tives Leistungsangebot ist, sondern wieder zum MaBnahmerecht mit Strafcharakter degradiert wird.

§ 49 Auferlegung besonderer Pfliahten. (Weisungen)

(1) JugendHchen, denen eindringliah zum BeWuBtsein gebracht werden

muB, daB sie fiir eine von ihnen naah Vollendung des 14. Lebensjahres

begangene Verfehlung einzustehen haben, konnen auf Antrag des Tra- gevs der Jugendhilfe besondere Pflichten auferlegt werden, insbeson- dere

1. einen angeriohteten Sahaden wieder gutzumachen,

2. eine bestimate Arbeitsleistung zu evbringen,

3. ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhdltnis einzugehen,

4. an einem Verkehrsunterrioht teilzunehmen,

5. eine GeldbuBe zugunsten einer gemeinntttzigen Einriohtung zu zah- len.

(2) Die Pflichten konnen nebeneinander auferlegt werden.

(3) ErfUllt ein Jugendlicher die ihm auferlegten Pflichten nicht und sind andere Erziehungshilfen unangebracht, kann auf Antrag des Tra- gers der Jugendhilfe Erzwingung shaft bis zu vier Woahen verhSngt wer- den, wenn der Jugendliche Uber die Folgen schuldhafter Nichterfiillung belehrt worden ist. Sie darf nur in Einrichtungen fur junge Menschen vollzogen werden.

(4) Uber die Auferlegung besonderer Pflichten und die Erzwingung shaft entsoheidet das Vormundschaftsgericht.

§ SO Erziehungskurs e (Jugendarrest)

(1) Ein Jugendlicher hat an einem Erziehungskurs teilzunehmen, wenn iivn eindringliah ein sozialsahadliches Fehlverhalten bewuBt gemacht icnd Hege zur Korrektur seines Verhaltens gezeigt werden mtissen.

(2) Die Teilnahme an einem Erziehungskurs soil mindestens zwei Wo- chen und hSchstens sechs Monate dauern. Die Teilnahme an einem schon begonnenen Kurs oder ein vorzeitiges Aussaheiden Bind nicht zulassig.

(3) Erziehungskurse sind zeitlich befristete Ubungs- und Erfahrungs- kurse, die auf der Grundlage eines therapeutisch-p&dagogischen Kon- zepts eingehende Hilfen zur Konfliktverarbeitung Jugendlicher bieten, wenn eine schwere Fehlentwicklung noch nicht vorliegt.

§ 57 Sozial-therapeutisches Jugendzentrum (Jugendstrafe)

(1) In ein sozial-therapeutisches Jugendzentrum wird ein Jugendli- cher nach Vollendung des 16. Lebensjahres aufgenommen, dessen stark auf- fitllige Verhaltsstb'rungen auf eine weitreichende Fehlentwicklung schlieBen lassen, wenn diese ihren Ausdruck in schweren oder hdufig wiederholten, mit Strafe bedrohten Verfehlungen gefunden haben.

(2) Der Aufenthalt dauert mindestens ein Jahr, hoohstens drei Jahre und wird durch den Eintritt der Volljdhrigkeit nicht beendet.

(3) Nach der Entlassung wird Bewahrungshilfe bis zu einer HOchstdau- er von zwei Jahren gew&hrt.

problematisch ist hier insbesondere, ob die beiden neuen Formen "Erziehungskurs" und "sozialtherapeutisches Jugendzentrum" nur neue Etiketten fiir die alten Schubladen darstellen, oder ob diese Formen auch mit neuen Inhalten gefilllt werden konnen.

Literaturhinweise

1. Bundesminister fur Jugend, Familie und Gesundheit: Diskussionsentwurf eines Jugendhilfegesetzes, Bonn - Bad Godesberg 1973 (vergriffen - Die AG SPAK, 8 MUnchen 15, Postfach, hat den Ent- wurf nachgedruckt. Selbstkostenpreis DM 3.-; Vorauszahlung auf PSCHA MUnchen 20547-808)

11

^

2. Entwurf fiir ein neues Jugendhilfegesetz der Kommission der Victor Gollancz-Stiftung, Frankfurt, Okt. 1973 (kostenlos);

3. Sonderheft der Zeitschrift "Theorie und Praxis der Sozialen Ar- beit" : Vorschlag der Arbeiterwohlfahrt fiir ein Gesetz zur Fbrderunq der Jugend (JFG)

4. jugendpolitischer dienst (jpd): Hearing zum Jugendhilferecht, Bonn 1973

5. R. Laerum: Verwaltung der "Einheit" der Jugendhilfe in: deutsche jugend, 9/73

6. W. Bu'ttner: Zum Diskussionsentwurf fiir ein neues Jugendhilfege- setz in: deutsche jugend, 8/73

7. Sonderheft der Zeitschrift "Neue Praxis" zum Jugendhilfegesetz- entwurf

8. B. Simonsohn: Wieviel Fortschritt? Grundsatzl iche Betrachtungen zum Diskussionsentwurf eines Jugendhilferechts, in: Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 11/73.

WIR SUCHEN FOR SOFORT

eine(n) Sozialarbeiter(in) fiir die Mitarbeit im Falken-Jugendzen- trum Hannover.

Wir arbeiten im Team. Zum Team gehbren Jugendleiter und ehrenamt- 1 iche Mitarbeiter.

Wir erwarten Ideen und Initiativen, Orgam'sationsfahigkeit und Kontaktfreudigkeit.

Wir bieten Bezahlung nach BAT, 13. Monatsgehalt, 4 Wochen Mindest-

urlaub, Bildungsurlaub und Fortbildungsmbgl ichkei ten.

Jugendbildungsreferent

fiir die Organisation, konzeptionel le Planung und Durchfu'hrung von

Lehrgangen mbglichst zum 1.4.1974 gesucht. Ein Schwerpunkt ist

die Ausbildung von Teamern in der Kinderarbeit.

Sozialpa'dagogische Ausbildung und/oder praktische Erfahrung in sozialistischer Kinder- und Jugendarbeit erwunscht.

Bezahlung nach BAT.

Bewerbungen mit den ublichen Unterlagen sind zu richten an:

Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken -

Unterbezirk Hannover, 3 Hannover, Walderseestr. loo Telefon 0511/ 62 82 97/98

GLinter Steinvorth, Frankfurt:

GEGEN SOZIALTECHNOKRATISCHE TENDENZEN IM JUGENDHILFEGESETZENTWURF

Soziale Technokratie ist eine dem kapitalistischen System immanente Herrschaftsform (auf die historische Herleitung des Begriffs "sozia- le Technokratie" aus der Entwicklung der kapitalistischen Produk- tionsweise kann hier nicht eingegangen werden). Soziale Technokratie ist allgemein dadurch gekennzeichnet, daB aus Subjekt-Subjekt-Be- ziehungen Subjekt-Objekt-Beziehungen gemacht werden. Anders ausge- dru'ckt: Menschen und soziale Prozesse werden verdinglicht, man strebt danach, sie zu steuern und zu kontrol lieren und allgemein verfiigbar zu machen, wie man sich durch die Technik die unbelebte Natur unter- warf. Soziale Technokratie dient der Herrschaft von Menschen liber Menschen, bloB ist sie eine entpersonal isierte, technologische Herrschaftsform. Mit Marx kbnnte man sagen, sie ist eine Herrschafts- form, die die Entfremdung des Menschen von sich selbst zum Ausdruck bringt.

Was im alten Jugendwohlfahrtsgesetz noch of fen als Herrschaft erkenn- bar war, dem ist im neuen Jugendhilfegesetz (JHG)-Entwurf seine beiBende Scharfe genommen worden. Herrschaft wurde verschleiert, ver- wissenschaftlicht - aber sie ist im neuen JHG-Entwurf nicht weniger enthalten.

Wir finder sie wieder vor all em in Form der verstarkten Objekt-Rolle der betroffenen Kinder und Jugend"! ichen: sie sollen fr'u'her und besser als bisher erfaBt, beobachtet, begutachtet, sortiert, isoliert und behandelt werden - von Spezial isten, deren Vokabular und Methodik sie noch weniger verstehen werden und gegen die sie sich als mensch- liche Subjekte noch weniger werden wehren kdnnen wie gegen die Pol i - zisten, Sozialarbeiter, Heimerzieher und Richter, mit denen sie es bisher zu tun hatten.

6 118 des JHG-Entwurfs sieht vor, daB Kinder und Jugendliche bis zu 3 Monaten zur Beobachtung und Untersuchung eingesperrt werden kbnnen, bevor eine Erziehungshilfe angeordnet (!) wird. § 47 (im folgenden Tmmer: die §§ des JHG-Entwurfes) sieht vor, daB zur Entscheidung uber die Art der EH eine "psychosozialeDiagnose durch Fachkrafte zu erstellen" ist, falls das nicht ausreicht, soil sogar eine "mehrdimen- sionale medizinisch-psychologische Begutachtung" erfolgen. Aus all dem soil dann ein "Gesamtplan fur die Gewahrung der EH" aufgestellt werden, bei der u.a. auch der Betroffene beteiligt werden soil (!) (nicht muB) .

Beim gesamten DiagnoseprozeB ist der betroffene 'junge Mensch' total in der Objekt-Rolle: Seine eigene Einschatzung von sich selbst und seiner Lage, seine Meinung zu den Urteilen der Fachleute sind nicht qefragt. Die "Fachkrafte" brauchen ihre Gutachten auch weder vor lhm noch vor sonst jemandem zu legitimieren -sie sind eben "Fachkrafte . Niemand scheint sehen zu wollen, was damit dem betroffenen jungen Menschen1 angetan wird, wie hier seine Subjekthaftigkeit, seine

13

14

Existenz als Mensch, als Wesen mit eigenera Willen und Verstand, mi t FLiBen getreten wird. Statt endlich einmal die bisherige Begutachtungs- und Beurteilungspraxis in ihrer Fragwlirdigkei t einer kritischen Revi- sion zu unterziehen, wird sie im Sinne sozial technischer Verfugbar- keit - unter dem Beifall aller sozialen Spezialisten oder derer, die sich dafUr halten - blindlings so wie sie ist, ausgebaut und ver- starkt.

Damit will ich nicht behaupten, daB Diagnostik Liberhaupt unsinnig und liberfllissig ware, aber sie sollte und konnte sinnvollerweise ver- standen werden als eine gemeinsame Einschatzung der individuellen und sozialen Situation ernes geschadigten 'jungen Menschen', die~in einem gemeinsamen VerstandigunqsprozeB von den "Fachkraften" und dem betroffenen 'jungen Menschen' zusammen zu leisten ist, Nur dann, wenn Fachleute es verstehen, ihr Spezialwissen in den Dienst des 'jungen Menschen' zu stellen und sich ihm verstandlich zu machen und der 'junge Mensch' eine Chance hat, einen LernprozeB durchzumachen, der ihm hilft, seine Situation besser einzuschatzen, nur dann hat Diagnostik in meinen Augen einen Sinn und ist nicht entfremdet und nicht repressiv.

Im Rahmen dieser hier kritisierten Tendenz zur Verfligung Liber den 'jungen Menschen' muB auch die Tatsache gesehen werden, daB unter den allgemeinen Erziehungshilfen (§31 - 37) keine einzige Form selbstbe- stimmter Erziehungshilfe, wie z.B. selbstorganisierte Jugendwohnge- meinschaften, selbstorganisierte Schul- und Arbeitshilfen, Sexualhil- fen usw. zu finden sind. Der einzige Ansatz in dieser Richtung, die Beratungsverpfl ichtung nach § 31 bleibt allgemein Anspruch und wird nicht konkretisiert.

Allgemein wird dem 'jungen Menschen1 kein Wahl- oder Vorschlagsrecht fur eine zu gewahrende Erziehungshilfe eingeraumt, weder bei den all- gemeinen Erziehungshilfen noch bei den speziellen. Auch einen Erzie- hungsbeistand darf ein Jugendlicher z.B. nicht selber vorschlagen und nach § 52 (5) sind bei Erziehungshilfen auBerhalb des Eltern- hauses die WLinsche des jungen Menschen nur soweit zu berlicksichtigen, wie der Erziehungszweck nicht gefahrdet wird und ein ausdrucklicher Wille der Personensorgeberechtigten nicht entgegensteht. Der betrof- fene 'junge Mensch' wird als Subjekt also nur soweit ernst genommen, wie er mit Erziehungszweck und Personensorgeberechtigten einig ist, d.h. aber, er wird im Grunde als selbstandiges.von diesen Instanzen unabhangiges Subjekt (eben fLir sich) uberhaupt nicht ernst-genommen.

Als handelndes Subjekt wird der 'junge Mensch' nur im negativen Sinne verantwortlich gemacht: fur "Verfehlunqen" 49), "sozialschadli- ches Fehlverhalten" 50) Oder "schwere oder ha'ufig wiederholte, mit Strafe bedrohte Verfehlungen" 57). Der Zynismus liegt gerade darin, daB man den 'jungen Menschen' sein Symptom als "frei handelndes Subjekt" hervorbringen la'Bt und ihn individuell dafur haftbar macht, ihn unmittelbar danach aber zum reinen Objekt der Jugendhilfeinsti- tutionen und der Justiz degradiert, ihn seiner Freiheit beraubt und als Subjekt nicht mehr gel ten la'Bt. So wird der Pflege- und Erziehungs- vertrag nach § 63 vollig ohne Mitwirkung des betroffenen jungen Men- schen uber seinen Kopf hinweg geschlossen. hr wird zum Objekt bur- gerlicher Vertragsfreiheit. So geben § 55 - 57 Kriterien flir die Zu- ordnung zu bestimmten Erziehungshilfeeinrichtungen an, auf die der

betroffene 'junge Mensch' keinerlei EinfluB hat, er wird begutachtet und zugeordnet. So kann der 'junge Mensch' weiterhin wie Freiwild von Polizei und Jugendhilfeinstitutionen eingefangen und eingesperrt werden, "wenn er sich aus der Obhut des Personensorgeberechtigten entfernt hat" 68 (1)), sein Aufenthalt wird auch gegen seinen Wil- len auf jeden Fall mitgeteilt 68 (2)) und hat der 'junge Mensch' gar noch eine mit Strafe bedrohte "Verfehlung" begangen, so kann er zwangsweise in einem Heim untergebracht werden (§70).

Diese Paragraphen haben den Zwangscharakter des alten JWG recht unge- schminkt beibehalten. DaB das Problem der wegla'ufer, der Tramper und Trebega'nger und sonstigen illegal isierten Jugendlichen auf diese Art und Weise nicht zu ldsen ist, haben die vergangenen 10 Jahre Jugendwohlfahrtsgesetz eigentlich hinreichend demonstriert. Trotz dieser Bedrohung machten ja'hrlich tausende von Kindern und Jugendli- chen "die Flatter", d.h. sie entziehen sich trotz Strafdrohung und GroBfahndung immer wieder dem Druck in Heim und Elternhaus und ver- schwinden im Untergrund der GroBstadte. Ihre Lebensperspektive dort heiBt: Prostitution und Kriminalitat. Der Berliner Senat schatzt die Zahl dieser Kinder und Jugendlichen in Berlin z.Zt. auf etwa 4 000, in Kb'ln rechnet man mit mindestens 2 000, die ohne jede Existenz- grundlage der Willkiir von Zuhaltern, kriminellen Banden, Polizei, Justiz und Jugendburokratie ausgeliefert sind.

Inzwischen selbst von der offiziellen Jugendhilfe in einzelnen Regio- nen akzeptierte und praktizierte Problemlbsungsansatze wie anonyme Anlaufstationen und Kontaktzentren (Berlin und Koln), die den Jugend- lichen zumindest ansatzweise als menschliches Subjekt behandeln und seine Menschenwurde zu wahren versuchen, werden vom JHG-Entwurf nicht beriicksichtigt und in Zukunft sogar wieder verhindert. DaB "Weisungen" 48) und "Auferlegung besonderer Pflichten" 49) mit Bedrohung durch "Erzwingungshaft" - alles Reminiszenzen aus dem Jugendgerichtsgesetz - von dem betroffenen 'jungen Menschen' nur blinden Kadavergehorsam und nicht selbstandiges, selbstbewuBtes und selbstverantwortliches Handel n erwarten und verlangen, braucht wohl nicht erlautert zu werden.

Etwas schwieriger ist es schon mit der Verordnung eines Erziehungs- kurses 50) oder der Einweisung in ein "sozialtherapeutisches Ju- gendzentrum" 57). Zumindest liegt die Vermutung nahe, daB es sich nur urn Jugendarrest und Jugendstrafe in neuem Gewande handeln wird, daB die Padagogisierung dieser MaBnahmen nur Etikett bleibt und sich inhaltlich nichts andert. Oder aber, was beinahe noch schlimmer wa- re, "Erziehungskurs" und "sozialtherapeutisches Jugendzentrum" wer- den im Zuge sozialtechnokratischer Reformen zu subtileren und ver- schleierteren Instrumenten sozialer und psychischer Manipulation bis hin zur "sanften Gehirnwa'sche".

Immerhin lassen die gesetzlichen Formulierungen (insbesondere § 50 (3)) auch zu, die betroffenen 'jungen Menschen' als Subjekte mit eigenen Interessen, Vorstellungen und Einschatzungen zu sehen und zu behandeln und von dieser Ausgangsposition her diese Erziehungshil- fen mit Inhalt zu full en.

15

Zusammenfassend mbchten wir noch einmal betonen, daB wir eine groBe Gefahr in der Tendenz des Gesetzes sehen, die 'jungen Menschen1 noch mehr an soziale Spezialisten auszuliefern, statt sie in Selbstbestim- mung und Selbstverantwortung zu fb'rdern, und im Bereich der Erzie- hungshilfe noch starker als bisher die 'jungen Menschen' nach Symp- tomen zu differenzieren, auszusondern und ihre Symptome spezifischer zu behandeln, statt den Ursachen ihrer "Stbrung" nachzugehen und Jugendhilfe primar in dem Bereich anzusetzen, in dem die "Stbrung" entsteht.

Statt. Jugendhilfe immer spezielleren Institutionen zu uberantworten, die die 'jungen Menschen1 immer starker als Einzelfall isolieren und behandeln, ware die Jugendhilfe eher starker zuruckzuverlagern in die normalen Lebensbereiche der betroffenen Kinder und Jugendli- chen, d.h. ins Wohnviertel, in Schule und Betrieb, und hatte dort mit konkreten, emanzipatorischen Hilfen anzusetzen, die von der kol- lektiven Situation der hier betroffenen 'jungen Menschen1 ausgehen. Erziehungshilfe sol He vor allem von Personen gegeben werden, die den betroffenen Kindern und Jugendlichen nahestehen, denen sie Ver- trauen schenken und rait denen sie in ihrem taglichen Leben sowieso zu tun haben. Weitgehend sollte sie in Selbsthilfe verwandelt werden und ihr Ort miiBte das jeweilige Wohnviertel der betroffenen jungen Menschen sein. In diesem Sinne ware Jugendhilfe zu entspezial isieren und so weit es geht in die Hand derer zu legen,die es unraittelbar betrifft.

OTTO RliHLE

Reimut Reiche

y^Tmimmimm

Leben und Werk i und Gesellschaft

Otto RUhle legt in dieser Marx - Biografie, die 1928 erschien, besonderen Wert darauf, nicht nur die Fakten und Daten aus dem Leben von Karl Marx zu benennen, sondern einen umfassenden Uberblick iiber die ge- samte weltgeschichtliche Epoche zu zeich- nen, deren verschiedene Stromungen ihren NLederschlag in der Entwicklung Karl Marx und seines Werkes fanden.

In der Schiiler- und Studentenbewegung stellte sich regelmSBig heraus, daB alle Versuche, die seelischen Leiden und Verkriippelungcn des Ein- zelnen zu iiberwlnden, auf eine yesellsc.haftliche Schranke stolen, die hbher ist, als dafi der Sn- zelne sie iiberspringen konnte. Einige dieser Schranken - wirtschaftlichc, kulturelle und psy - chische werden hier vorgefiihrt, Sie sind so fesi- gefiigt, dafl sie vielletcht von einer starken r*vo- lutioniiren Bewegung . . . ganz gewiB nicht durch padagogisches Bemiihen eingerissen werden kon-

EDITORA OUEIMADA I I EDITORA QUEIMADA

Aktiv R 16, Kbln:

ANALYSE UND FORDERUNGSKATALOG ZUR REFORM DES JUGENDHILFERECHTS

Vorbemerkung:

Einzelbestellungen an

MAULWURF BUCHVERTRIEB, 1 Berlin 62, Crellestr. 22

Die Bundesregierung hat den Referentenentwurf/Regierungsentwurf zur Reform des Jugendhilferechts (JHR) fur Ende Marz angeklindigt. Vor- aussichtlich Anfang Herbst beginnt die 1. Lesung im Bundestag - An- fang 1975 soil das JH-Gesetz verabschiedet sein. Die Grundzlige der Gesetzesvorlage fiir ein neues JHR sind durch den Diskussionsentwurf der "Kommission fur die Reform des JHR" im Friih- jahr 1973 der Dffentl ichkei t bekanntgegeben worden. Mitglieder dieser vom Bundesminister ftir Jugend, Familie und Gesundheit am 10.7.1970 eingesetzten "Sachverstandigenkommission" sind:

Dipl- Psychologe Dr. Ulrich Beer, Altencelle,

Eheberater, Publizist

Sozialarbeiter grad. Jiirgen BUssow, Dusseldorf (zeitweise)

(Gewerkschafts jugend)

Frau Lt. Regierungsdirektorin Dr. Erdmuthe Falkenberg,

Wiesbaden, Leiterin des Landesjugendamtes Hessen

Landesrat Dr. GUnter Happe, Munster,

Leiter des Landesjugendamtes Westfalen-Lippe

Dipl .-Volkswirt Gerhard Heun, Stuttgart,

Abteilungsleiter im Diakonischen Werk

Dipl .-Volkswirt Hubert us Junge, Freiburg,

Abteilungsleiter flir Jugendhilfe im Caritasverband

Hermann Kumpfmuller, Mlinchen (zeitweise),

President des Bayerischen Jugendrings

Stadt. Direktor Dr. Hans Peter Mehl , Freiburg,

Direktor des Sozial- und Jugendamtes

Amtsgerichtsdirektor Dr. Gunther Restel , Kiel,

Jugend- und Vormundschaftsrichter

Prof. Dr. Friedrich Schaffstein, Gbttingen,

Ordinarius flir Strafrecht und Kriminologie

Dr. Heinz Schneider, (zeitweise), verstorben am 6.2.1971

(AWO) . .

Alfred Thauer, Dusseldorf, Vorsitzender der Jugendrechtskommission des Deutschen Bundesjugendringes Kreisdirektor Dr. Heribert Wesche, Paderborn, Sozial- und Jugendezernent des Kreises Paderborn. Rechtsanwalt Erich Schumann, Bonn, (zeitweise)

Vorsitzender der Kommission ist der Leiter der Jugendabteilung im BMJFG, Ministerialdirektor Otto Fichtner, sein Stel 1 vertreter: Dr. GUnter Happe, LjA, Westfalen.

17

Der von der Kommission vorgelegte DE wurde hauptsachlich durch 2 Vorlagen inhaltlich strukturiert:

- die im Auftrag des BMJFG vom Deutschen Verein (DV) fur offentliche und private Fiirsorge und in dessen Auftrag vom friiheren Leiter des Sozial- und Jugendamtes der Stadt Freiburg, Herrn Dr. Franz Flamm, ausgearbeitete synoptische Gesamtiibersicht, Materialien und Re- formansatze zur Neuordnung des JHR

- den Rohentwurf eines neuen JHR, den das Referat Jugendhilferecht im BMJFG eben anhand der vom DV vorgelegten Thesen ausarbeitete.

Wie zu erwarten war, haben die Jugendbehbrden und etablierten Ver- bande, die diese Kommission stellten, in ihrem Entwurf die emanzi- patorischen Interessen der betroffenen Kinder und Jugendlichen ihren Eigeninteressen untergeordnet.

Die von uns erarbeiteten Texte "Analyse" (der gesellschaftspoliti- schen Funktion des geltenden OUR und des entsprechenden Reformvorha- bens der Bundesregierung und "Forderungen" (zur Reform des Jugend- hilferechts) wurden auf dem Hintergrund konkreter Auseinandersetzun- gen mit der Sozialbiirokratie konzipiert. Da das Aktiv bisher nur mit Jugendlichen - speziell mit Arbeiterjugendlichen - konkret zu tun hat- te.beschranken sich die Aussagen bewuBt auf deren Situation.

Vorab zu kla'ren ist noch, was unter "offentlicher Jugendhilfe", urn deren Reform es hier gent, zu verstehen ist.

Die offentliche oder institutionelle Jugendhilfe (JH) bezeichnet den Komplex der bffentlichen Dienste und Einrichtungen, die das "Wohl" der Kinder und Jugendlichen gewa'hrleisten sollen, zumal dann, wenn andere Sozial isationsinstarzen (Familie, Schule, Betrieb) versagen. Trager der bffentlichen JH sind neben Jugendamtern die anerkannten "freien" Tragerverbande, insbesondere die Kirchen, Gesetzliche Grund- lage der bffentlichen JH ist im wesentlichen das Jugendwohlfahrts- gesetz (JWG).

Der Bereich der bffentlichen JH, der sich auf die Gruppe der Jugend- lichen bezieht - und nur von ihm soil hier die Rede sein -.umfaBt neben den "Hilfen zur allgemeinen Fbrderung der Jugend" (Jugendpfle- ge) den Komplex der spezifischen "Hilfen fiir gefahrdete Jugendli- che" (Jugendf'u'rsorge).

Die allgemeinen jugendpflegerischen Aktivitaten nehmen nun in der Jugendhilfe eine eindeutige Randstellung ein. Sie beschranken sich auf offene Freizeithilfen und richten sich uberwiegend an die Jugend- lichen aus der Mittelschicht, also speziell an die Gruppe der Ober- schuler.

Im Gegensatz dazu fiillt die Jugendflirsorge nahezu den gesamten Be- reich der auf Ougendliche bezogenen Hilfen aus. Ihre "Angebote" ha- ben durchgangig den Charakter eingreifender, obrigkeitsstaatlicher MaBnahmer und beziehen sich faktisch ausschlieBlich auf die Gruppe der Arbeiterjugendlichen. Kernstuck der Jugendflirsorge ist die Heim- erziehung. (85-90 % der Heimzbglinge stammen aus Arbeiterfamilien) .

18

Analyse

Fiir eine Analyse der bffentlichen Jugendhilfe ist von zentraler Be- deutung, daB sie bewuBt nach Arbeiter- und nach Mittelschichten-Ju-

gendlichen differenziert und sich der Arbeiterjugendlichen in einer ganz spezifischen Weise annimmt.

Die Lage der Arbeiterjugendlichen ist gekennzeichnet durch eine weit- gehende Einschrankung ihrer Entfaltungsmbglichkeiten in Familie, Schule und Betrieb. Es fehlen ihnen aufgrund ihrer untergeordneten Stellung im ProduktionsprozeB und unzureichenden Wohnverhaltnisse, Mbgl ichkeiten uneingeschrankter Kommunikation und Entwicklung kollek- tiver Selbstorganisation. Biirgerliche Bildung wird ihnen aufgezwun- gen, die nicht an ihre Klassenlage anknupft und dazu dient, ihre Klassenlage zu verschleiern. Sie sind gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, dem Disziplinierungsdruck in Familie, Schule und Be- trieb kbnnen sie sich nicht entziehen, ohne massiv gegen herrschen- de Normen und Vorstellungen zu verstoBen. lirsache der Einschrankungen ihrer individuellen und sozialen Entfaltung ist das Profitinteresse des Kapitals und dem daraus resultierenden bkonomischen Druck. Statt dem Arbeiterjugendlichen konkrete Emanzipationschancen zu erbffnen, erganzt und verscharft die offentliche Jugendhilfe den Disziplinie- rungsdruck, dem der Arbeiterjungendliche in Familie, Schule und Be- trieb ausgesetzt ist.

Symptomati sch fiir Diszipl inierungsmaBnahmen ist die Heimerziehung, welche mit dem besten Willen nicht als angemessene "Hilfe" fiir sozial benachteiligte Jugendliche angesprochen werden kann. Erziehungsheime arbeiten fast ausschlieBlich auf der Basis gesellschaftlicher Isolie- rung, der nahezu totalen Reglementierung aller Lebensbereiche und des weitgehenden Entzugs von Bildungs- und Berufschancen. Es ist da- her gut zu verstehen, wenn die Erziehungsheime von den Arbeiterjugend- lichen als zusatzliche Bedrohung ihrer sozialen Existenz erlebt wer- den.

."Urn die Heimerziehung zu halten", (aus einem Protokoll des LJA Rhein- land), werden alle Formen der Jugendhilfe, die eine emanzipatorische Alternative zur Heimerziehung darstellen, massiv bekampft: Kontakt- zentren fiir entwichene, im Untergrund lebende Jugendliche werden ri- goros liquidiert und ursprungl ich selbstorganisierte Jugendwohnkol- lektive werden durch Richtlinien, Befriedungsstrategien etc. ihrer politischen Intensionen beraubt und als "Kleinheime" in das offent- liche System von Jugendhilfe integriert.

Die auf die Diszipl inierung der Arbeiterjugendlichen ausgerichtete Praxis der bffentlichen Jugendhilfe wird verstandl ich, sobald man die gesellschaftliche Institution "JH" in den Bezugsrahmen der kapi- talistischen Gesellschaftsordnung der BRD einordnet: Geht man davon aus, daB die derzeitige Gesellschaftsordnung der BRD auf der Grundlage der Unterdriickung und Ausbeutung der Arbeiterklas- se funktioniert, dann ist die Funktion einer systemgerechten Jugend- hilfe, die kollektive Emanzipation der Arbeiterjugendlichen zu ver- hindern. Es ist also nur folgerichtig, wenn die etablierten Trager der Jugendhilfe als Teil des Systems alles daran setzen, "die Heim- erziehung als Disziplinierungsinstrument zu erhalten, indem entspre- chende Voraussetzungen geschaffen werden, die Entwicklung emanzipato- rischer Absichten zu unterbinden. "

Daher kann das kapitalistische System der BRD die Entwicklung einer bffentlichen Jugendhilfe mit emanzipatorischen Absichten nicht gut tolerieren und versucht, sich auf vielfaltige Weise gegen eine sol- che Mbglichkeit abzusichern.

19

20

Mittel hierzu ist das neue Jugendhilferecht: "Auffallig" gewordene Jugendliche werden in soziale Ghettos abgeschoben, da der burger! i - che Staat kein Interesse hat, ihre Probleme aufzufangen und eraanzi- patorisch aufzuarbeiten. Auch das neue JHR andert nichts an:

- der Deklassierung der Arbeiterjugendlichen;

- der 'Knebelung' fortschrittlicher Sozialarbeiter;

- dem Abwiirgen von Selbsthilfeinitiativen.

Die de-facto-Entrechtung der Jugendlichen wird im Jugendhilferecht dadurch abgesichert, daB die "Minderja'hrigen" nicht als Subjekte, sondern als Objekte irgendwelcher erzieherischen MaBnahmen definiert werden:

- sie haben keine einklagbaren Rechtsansprliche auf spezifische Hilfen zur Selbstverwirkli chung;

- "Hilfen"kbnnen ihnen aufgezwungen werden;

- gegen willkiirliche Einschrankungen ihrer Persbnlichkeitsrechte ha- ben sie keinen effektiven rechtlichen Schutz;

- von eigener Interessenvertretung Oder qualifizierter Mitbestimmung im Bereich der JH ist nicht die Rede.

Die 'Knebelung' der Sozialarbeiter wird gewahrleistet

- liber ihre Verpfl ichtung auf ein repressives ' Erziehungskonzept in Form einer Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen , die auf eine ord- nungsdienstliche Kontrolle der Jugendlichen und ihre Bewahrung vor alien mbglichen "erzieherischen Gefahrdungen" hinauslaufen;

- sowie durch die Festschreibung ihrer Abhangigkeit von der Verwal- tung und den meist konfessionellen Tragerorganisationen.

Damit wird praktisch verhindert, daB die Sozialarbeiter eigene pada- gogische Grundvorstellungen und Handlungsstrategien entwickeln,bzw. ihre Arbeit an den kollektiven Interessen der 'Arbeiterjugendlichen' ausrichten kdnnen.

Das Abwiirgen der Selbsthilfeinitiativen schlieBlich wird ermbglicht liber spezifische Organisationsprinzipien und Strukturen der Sffent- lichen Jugendhilfe, die einer kleinen Gruppe konservativer Trageror- ganisationen eine Monopolstellung einra'umen und keinen Raum fur ba- sisdemokratische Initiativen lassen. In diesem Zusammenhang sind besonders zu nennen:

- die Subventionsmechanismen des "Subsidiaritatsprinzips", die prak- tisch nur den etablierten "freien" Tragern die Realisierung ihrer Projekte ermbglichen und

- die besondere Konstruktion der Jugendwohlfahrtsausschusse, die es den etablierten Tragern erlaubt, abgeschirmt gegen bffentliche Kon- trolle ihre Interessenpositionen optimal abzusichern.

DaB sich die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt flir eine Reform des Jugendhilferechts entschlossen hat, liegt ohne Zweifel daran, daB nach 1968 fUr die bffentliche JH eine neue Situation entstanden ist. Diese la'Bt sich etwa so kennzeichnen:

Aufgrund systemkritischer Analysen haben sozialistische Initiativ- gruppen die bffentliche Jugendhilfe und insbesondere ihren Kernbe- reich, die Heimerziehung.als Instrument zur Disziplinierung der Ar- beiterjugend identifiziert und in kampferischer Solidaritat mit den Jugendlichen konkrete Projekte einer an ihrer Klassenlage orientier- ten Jugendhilfe entwickelt. Mit dem Aufbau von Kontaktzentren, Ju-

gendkollektiven und politischen Lehrl ingsgruppen ermbgl ichten sie den Arbeiterjugendlichen, ihren Wohn- und Freizeitbereich als Teil ihrer Lebenspraxis ansatzweise selbst zu organisieren und sich kol- lektiv gegen Unterdrlickung und Disziplinierung zu wehren. Angesichts dieser Initiativen wurden die Sozialarbeiter in ihrer bis- herigen, systemstabil isierenden Praxis verunsichert und flir neue Mbglichkeiten sozialpadagogischen Handelns sensibilisiert. Sie versu- chen, insgesamt ihr Verhaltnis zu ihren Klienten neu zu definieren und kundigen als Konsequenz politischer Lernprozesse vielfach die Loyal i tat zu ihren Arbeitgebern auf.

Diese Vorgange bezeichnen einen ProzeB der Pol itisierung bei Sozial- arbeitern, Jugendlichen und der Offentlichkeit, der auf die Dauer die institutionelle Jugendhilfe als Instrument zur Stabilisierung der kapitalistischen Klassengesellschaft infragestellt. Bei der Auseinandersetzung mit den sozialistischen "Initiativgruppen" konnte die Sozialbiirokratie in Verbindung mit der Polizei durch das Aufgreifen von progressiven Ansatzen und durch die Entwicklung spe- zieller Zerschlagungsstrategien (Hinhaltetaktik, Kriminalisierung, Aufspaltungsstrategien u.a.) gewisse Erfolge buchen .

Wesentlich schwieriger zu Ibsen ist das Problem der Verunsicherung bzw. "Resignation" der Sozialarbeiter flir die traditionellen Jugend- hilfe- Ins titutionen.

Das voile AusmaB der "Resignation" der Sozialarbeiter macht der 4. Jugendhilfetag (Nlirnberg, 1970) sichtbar.

Iii einer Reihe von Resolutionen bekannten sich die auf dem KongreB versammelten Sozialarbeiter zu den Grundsatzen einer antikapitalisti- schen Jugendarbeit.

Der 4. Jugendhilfetag wurde flir die Spitzenfunktionare der offentli- chen Jugendhilfe zu einem Schllisselerlebnis. Er liberzeugte sie von der "Notwendigkeit von Reformen". Aufgrund ihrer Analysen zum Verlauf des Jugendhilfetages konstatierten sie libereinstimmend. . .

- Die "Resignation" und "Beunruhigung" der Sozialarbeiter kann nur durch eine "iiberzeugende Reform der JH" abgefangen werden;

- die Reform des JH-Rechts muB als wichtiger Schritt angesehen wer- den, die JH neu zu legitimieren;

- im Gegensatz zu den Forderungen der Sozialarbeiter mussen die Re- formen insgesamt "stabil isierenden Charakter" haben. (vgl. Horn- stein, Kindheit und Jugend in der Gesellschaft, Dokumentation des 4. Dt. Jugendhilfetages, Juventa Paperback).

Damit ist das Problem umschrieben, das mit der Reform des Jugendhil- ferechts gelbst werden soil: Es geht vorrangig urn die Stabilisierung des kapitalistischen Systems und nicht urn die Emanzipation der Ar- beiterjugend. Die proklamierte Reform soil die in der bffentlichen Jugendhilfe in Gang gekommenen Politisierungsprozesse durch das Auf- zeigen einer scheinbar positiven Perspektive abfangen und ruckgangig

machen. . ,,

Der Diskussionsentwurf der Bundesregierung zeigt dies mit aller Deut- lichkeit: Es wurde keineswegs auf die Positionen des geltenden Ju- qendhilferechts verzichtet, die es den Interessenvertretern des Kapi- tals ermbglichen, die Arbeiterjugendlichen, Sozialarbeiter und basis- demokratischen Initiativgruppen zu reglementieren. Diese werden durch eine vorgespiegelte Progressivitat (sporadisches Aufgreifen und Ver- falschen urspriinglich progressiver Ansatze) nur geschickter als bis-

21

her verschleiert.

Forderung zur Reform des Jugendhilferechts

Der folgende Forderungskatalog zur Reform des Jugendhilferechts ist nicht so zu verstehen, daB wir glauben, durch eine Veranderung des Jugendhilferechts kbnne sich die Situation der Jugendlichen und So- zialarbeiter grundlegend andern. Die von uns aufgestellten Forderun- gen stellen Minimalforderungen an ein "emanzipatorisches Jugendrecht" dar, sie sprengen grundsatzl ich nicht den Rahmen des geltenden Rechts- systems. Mit ihrer Realisierung, womit bei den derzeitigen gesell- schaftlichen Machtverhaltnissen allerdings auch nicht zu rechnen ist, wiirde auch noch kein aktiver Schritt zur Beseitigung der etablier- ten Klassengesellschaft getan. Recht ist Ausdruck der konkreten ge- sellschaftlichen Situation und Machtverhaltnisse. Es kann den Kampf urn eine Verbesserung der Lebensbedingungen nicht ersetzen. Die von uns aus den konkreten Erfahrungen entwickelten Forderungen kb'nnen einmal

- den Widerspruch deutlich machen zwischen dem Anspruch der Bundesre- gierung, ein emanzipatorisches JH-Recht zu schaffen und ihrer kon- kreten gesetzlichen Realisation, und zum anderen implizieren sie eine Aufweichung des

- systemstabilisierenden Charakters der Jugendhilfe, eine Verbesse- rung der Kampfbedingungen fiir die proletarischen Jugendlichen und einige verbesserte Voraussetzungen flir Sozialarbeiter, die eine Praxis im Interesse der von Sozialarbeit Betroffenen entwickeln wollen.

Eine Kurzform der Analyse und der Forderungskatalog wurde am 9.2.74 von der Bundesdelegiertenkonferenz der Jungdemokraten in Bad Honnef verabschiedet:

Generelle Forderungen

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die in Aussicht gestellte Re- form des Jugendhilferechts konsequent an den emanzipatorischen Inter- essen der soziobkonomisch benachteiligten Kinder und Jugendlichen auszurichten; d.h.

1. fur die betroffenen Kinder und Jugendlichen:

eine grundsatzl iche Verbesserung ihrer rechtlichen Situation, ins- besondere eine klare Absicherung ihres Anspruchs auf emanzipato- rische Leistungen;

2. flir die Sozialarbeiter:

die Absicherung ihrer fachlichen Autonomie bzw. ihre Befreiung aus alien Abhangigkeiten, die es ihnen unmbglich machen, konse- quent auf die Probleme der betroffenen Kinder und Jugendlichen einzugehen und ein sol idarisches Verhaltnis zu ihnen zu entwickeln;

3. hinsichtlich der Organisation der Jugendhilfe:

die Gewahrlei stung der Transparenz und Burgernahe der Arbeit der Jugendbehbrden, die Dffnung der Jugendhilfe fur Selbsthilfeinitia- tiven.sowie den Abbau der monopolistischen Stellung der konfes- sionellen Trager im Bereich der Jugendhilfe.

22

Detaill ierte Aufgliederung der Forderungen 1 . Forderungen fur die Kinder und Jugendlichen

1 a) Erweiterung der staatsbu'rgerlichen Rechte der jungen Menschen:

- Die Rechte der jungen Menschen sind im Zuge der Reform des Jugend- hilferechts entschieden zu erweitern. Entsprechendes ist u.a. auch fur die Neufassung des elterlichen Sorgerechts, des Berufsbildungs- und des Jugendarbeitsschutzgesetzes zu fordern.

- Forderungen zur Neuregelung des elterlichen Sorgerechts:

o eigenstandiges Antragsrecht gegenuber dem Vormundschaftsgericht ab 12 Jahren;

o freie Wahl der Ausbildung und des Berufs ab 14 Jahren; Schiedsentscheid des Vormundschaftsgerichts in Fragen der Aus- bildung und des Berufs ab 8 Jahren;

o freier Umgang mit Dritten ab 12 Jahren sowie eigenes Aufenthalts- bestimmungsrecht ab 14 Jahren. (Diese Rechte kbnnen im Fall eines konkreten und nicht unerheblichen Gefahrdungstatbestands vom Vormundschaftsgericht eingeschrankt werden.)

- Forderungen zur Neufassung des Berufsbildungs- und Jugendarbeits- schutzgesetzes:

o Bildungsurlaub von 3 Wochen fiir Lehrlinge und berufstatige jun- ge Menschen: (Urn ihnen zu ermbgl ichen, die Bildungsangebote der Jugendhilfe starker in Anspruch zu nehmen.)

o ersatzlose Streichung des Erziehungsvorbehalts im Jugendarbeits- schutzgesetz: (Es ist nicht einzusehen, warum die Schutzbestim- mungen des JArbSG nicht auch fiir erzieherisch und therapeutisch ausgerichtete Tatigkeiten gel ten soil en.)

1 b) Emanzipatorische Zielbestimmung der Jugendhilfe: . Die Jugendhilfe hat ihre Aufgabe ausschlieBlich darin zu sehen, das Recht der jungen Menschen auf Wahrung ihrer Menschenwlirde und freie Entfaltung ihrer Persbnlichkeit entsprechend den Artikeln 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 des Grundgesetzes einzulbsen.

- Daraus ergeben sich flir sie folgende Gestaltungsgrundsatze:

o konsequente Unterstiitzung der jungen Menschen bei ihrem Bemlihen, sich aus einengenden Abhangigkeitsverhaltnissen zu Ibsen;

o aktives Hinwirken auf eine grundsatzl iche Verbesserung der Sozia- lisations- und Emanzipationschancen jg. Menschen anstelle bloBen Reagierens auf aktuelle Erziehungsnotstande;

o vorrangige Entwicklung aktivierender Fbrderungsangebote fiir die Gruppe der soziobkonomisch benachteiligten jungen Menschen zur Verminderung von Chancenungleichheit;

o voile Gewahrlei stung der Mitwirkung und Mitbestimmung der betrof- fenen jungen Menschen bei alien Leistungen der Jugendhilfe.

1 c) Qberwindunq der Randsta'ndigkeit und Exklusivita't des Bereichs der allgemeinen ^orderung:

. Die Leistungen zur allgemeinen Forderung junger Menschen sind liber die Fixierung qualifizierter Rechtsanspruche und Gewahrleistungs- verpflichtungen zum Kernstiick der Jugendhilfe auszubauen.

- Die'allgemeine Forderung'muB eine generelle Verbesserung der Le- bens- und Arbeitsbedingungen der soziobkonomisch benachteiligten jungen Menschen zum Ziel haben. Gesellschaftliche Initiativen, die diesem Ziel dienen, sind aktiv zu unterstiitzen.

23

24

- Fur soziookonomisch benachteiligte Familien sind besondere, dis- kriminierungsfreie Entlastungs- und Bildungsangebote zu entwickeln, urn die Sozialisationschancen ihrer Kinder zu verbessern:

o Vermittlung angemessenen Wohnraums; finanzielle Entlastung; Er-

mbglichung auBerfamiliarer Kollektiverziehung. o Anregung und Fbrderung von El ternaktiven und El terninitiativen;

Elternbildungsarbeit, insbesondere durch Einbeziehung der El tern

in die sozialpadagogische Arbeit ntit Kindern.

- Die herkbmmlichen Freizeit- und Bildungshilfen sind entsprechend den emanzipatorischen Bediirfnissen der soziookonomisch benachtei- ligten jungen Menschen neu zu konzipieren. Das betrifft insbeson- dere die Angebote der politischen und soziokulturellen Bildung:

o Im Rahmen der politischen Bildung sind flir die jungen Menschen Lernfelder zu schaffen, die es ihnen ermbglichen, die bestehen- den Herrschaftsverhal tnisse kritisch zu hinterfragen, ihre eigene Position in der Gesellschaft zu erkennen und Handlungsstrategien zur solidarischen Durchsetzung ihrer gesellschaftlichen Interes- sen zu entwickeln.

Zu fordern sind u.a. entsprechende Seminare, Diskussionsveranstal - tungen, Publikationen, Aktionen, Projekte.

o Die Angebote der soziokulturellen Bildung mu'ssen darauf gerichtet sein, den jungen Menschen die Entwicklung kollektiver Kreativi- tat und Selbstorganisation zu ermbglichen und sie beim ProzeB der Verselbstandigung solidarisch zu unterstiitzen. In diesem Zusammenhang sind u.a. zu gewahrleisten: Aktivspielplat- ze, selbstverwal tete Jugendzentren, Jugendobjekte im kulturellen und Produktionsbereich, Jugendwohngemeinschaften und Jugendpen- sionen in Verbindung mit spezifischen Bildungsangeboten fiir lohn- abhangige Jugendliche.

- Zur Verminderung von Chancenungleichheit sind soziookonomisch be- nachteiligten jungen Menschen konkrete Ansprliche auf erganzende und stutzende Leistungen einzuraumen:

o im Sauglingsalter: finanzielle Entlastung der Bezugsperson; vom

Kleinkindalter an: sozialpadagogische Arbeit in Kleingruppen;

im Vorschul- und Schulalter: spezifische Fbrderungsprogramme;

in Arbeit und Berufsausbildung: Wohnmbglichkeiten in Jugendpen-

sionen und wohngemeinschaften. o darliber hinaus: besondere Leistungen und materielle Hilfen, urn den

jungen Menschen die Inanspruchnahme der allgemeinen Freizeit- und

Bildungsangebote zu ermbglichen.

1 d) Auflbsung des MaBnahmen- bzw. repressiven Charakters der speziel- 1 en jugendf ursorgeri schen Hi 1 f en :

- Eine Verselbstandigung der Hilfen fiir junge Menschen in besonderen Lebenslagen gegenuber dem Bereich der allgemeinen Fbrderung ist un- bedingt zu vermeiden:

o Aufbau einer integrierten Stadtteilarbeit, deren Ziel es ist, De- klassierungsprozessen aktiv entgegenzuwirken;

o grundsatzlicher Verzicht auf eine Differenzierung zwischen Lei- stungen fur "entwicklungsgefahrdete" und fiir andere ( "normal e") junge Menschen.

- Fiir junge Menschen in besonderen Lebenslagen sind - in Erganzung

der Leistungen der allgemeinen Fbrderung - vorrangig besondere infor- melle und umweltbezogene Sozialisationsangebote ohne Diskriminie- rungscharakter zu entwickeln.

Hier ware etwa an folgende Angebote zu denken: anonyme Jugendbera- tung, ambulante Therapie, soziale Gruppenarbeit unter Einbeziehung von Bezugspersonen Oder -gruppen der jungen Menschen.

- Die Heimerziehung ist weitgehend auszutrocknen und verbindlich auf eine emanzipatorische Zielsetzung zu verpflichten: o Es ist sicherzustellen, daB junge Menschen in Heimerziehung keinem

wie auch immer gearteten Sonderrechtsstatus unterworfen und ihre staatsburgerlichen Rechtevoll gewahrleistet werden (Unzulassig- keit des Einziehens der Personal- und Arbeitspapiere, der heim- internen Postkontrolle u. dgl.). o Die Heimerziehung ist darauf zu verpflichten, den emotionalen, sozialen und gesellschaftlichen Bediirfnissen und Interessen der jungen Menschen voll Rechnung zu tragen (Realisierung des Prin- zips der Koedukation, Institutional isierung von Selbstorganisation bzw. qualifizierter Mitbestimmung, Offnung gegenuber der sozialen und gesellschaftlichen Umwelt, Vermittlung qualifizierter Bil- dung und Ausbildung u. dgl.).

- Die Privilegierung der Erziehung in einer Kleinfamilie gegenuber der Kollektiverziehung ist abzubauen: o Unterstlitzung der Bindung des jungen Menschen an seine eigene Fa-

milie nur, wenn dies seinen Sozialisations- und Emanzipationsin- teressen entspricht;

o Anerkennung von Famil ienkooperativen und Wohngemeinschaften als Pflege- und Adoptivstellen;

o Entwicklung und umfassende Fbrderung selbstorganisierter Jugend- wohngemeinschaften und Ougendpensionen als Alternative zur Fami- lien- und Heimerziehung.

1 e) F-ntDonalisierung der jugendgerichtlichen MaBregeln:

Das "Strafmundigkeits"-alter ist von 14 auf 16 Jahre heraufzusetzen. Gleichzeitig ist fiir die Gruppe der 16-25jahrigen ein Jugendkonfl ikt- recht zu schaffen, das den Sozialisations- und Emanzipationsanspru- chen der jungen Menschen gerecht wird.

Alternativ zur herkbmmlichen Jugendstrafe und zum Ougendarrest sind Sozialisationsangebote ohne Sanktionscharakter, unter anderem For- men offener Therapie, zu entwickeln und auszubauen. Die jungen Menschen sind in besonderer Weise vor dem Zugriff der politischen Justiz zu schiitzen: Go-ins in bffentlichen Einrichtun- qen, Besetzungen leerstehender Hauser und a'hnliche Aktionen diirfen, soweit sie von den jungen Menschen als Mittel zur Durchsetzung ih- rer legitimen Interessen eingesetzt werden, nicht kriminalisiert werden .

■j f\ Fntwicklung von Alternativen zu obrigkeitlichen "Schutz"maBnahmen: Der~'Schutz junger Menschen in- und auBerhalb der eigenen i-amine hat sich ausschlieBlich auf die Gewahrlei stung ihrer Rechte und emanzipatorischen Interessen zu richten.

Auf eine grundsatzliche Erlaubnispflicht fur die Unterbringung jun- aer Menschen auBerhalb der eigenen Familie ist zu verzichten. Die administrative Kontrolle von Pflegeverhaltnissen ist grundsatz-

" i ch zugunsten der Institutional isierung bffentlicher Kommunikation, rilr Vermittlung stutzender Leistungen sowie der Erweiterung und Ab- sicherung der Anrufungsmogl ichkeiten fur die betroffenen jungen

. Sfverfahren'dervorlaufigen Inobhutnahme ist von seinem polizei- 25

lichen Charakter zu befreien:

o Fur entwichene, drogenabha'ngige und andere gefa'hrdete junge Men- schen sind informelle Kontaktstellen einzurichten.

o Zur Gewahrlei stung der Arbeit der Kontaktstellen fur entwichene junge Menschen ist fur die anlaufenden Kinder und Jugendlichen eine mindestens 14-tagige Anonymitatsphase abzusichern: keine Oder nur bedingte Mitteilung des Aufenthal tsorts, Ruhen aller RLickfLihrungsgesuche, Abstimmung aller Schritte mit dem be- troffenen jungen Menschen, Mbglichkeit der Verlangerung der Ano- nymitatsphase auf BeschluB des Vormundschaftsgerichts.

o Die ublichen Unterkunftsauflagen fur nicht seBhafte junge Men- schen unter Androhung von Inhaftierung sind fiir unzulassig zu er- kla'ren.

- Die Bestimmungen zum "Schutz junger Menschen in der Offentl ichkeit" sind zu 1 iberal isieren bzw. weitgehend durch indirekte SchutzmaB- nahmen zu ersetzen.

1 g) Gewahrlei stung einer qual ifizierten Mitbestimmung des jungen

Menschen bei der hntwicklung eines speziellen Sozial isationspro- gramms:

- Ira Rahmen der Entwicklung spezieller Sozial isationsprogramme fiir junge Menschen in besonderen Lebenslagen.ist auf die Anwendung sozial- technokratischer, den Betroffenen isolierender und objektivierender, Diagnose- und Zuweisungsverfahren zu verzichten: *

o Zuna'chst ist geraeinsam mit dem betroffenen jungen Menschen - unter Einbeziehung seiner Eezugspersonen bzw. Bezugsgruppe - eine Ana- lyse seiner soziobkonomischen und psychosozialen Situation zu er- stellen und eine allgemeine Lbsungsperspektive zu entwickeln.

o Zur konkreten Bestimmung der speziellen Erziehungs- und Bildungs- hilfen sind dem jungen Menschen vergleichbare Alternativen (z.B. Heira - oder Wohngemeinschaft) anzubieten und seine daruber hinausgehenden Wunsche zu beriicksichtigen.

o Kbnnen sich das Jugendamt und der junge Mensch trotz Einschaltung eines unabhangigen - vom Jugendbeirat (siehe 1 h) vorzuschlagen- den-Fachgremiums nicht einigen, liegt die Entscheidung beim Vor- mundschaftsgericht.

26

1 h) Fbrderung der Selbstorganisation und Institutional isierung der kollektiyen Mitbestimmung der jungen Menschen ira Bereich der JugendhiTTel

- Selbstorgamsierte ZusammenschlLisse und Projekte junger Menschen sind vorrangig zu fbrdern:

o Dies muB sowohl fiir den Bereich der allgemeinen Fbrderung als auch den der speziellen Erziehungs- und Bildungshilfen gelten.

o Die Jugendinitiativen sind unter Verzicht auf administrative Reg lementie rung zu fbrdern.

o Urn den jungen Menschen die Obernahme auch grbBerer baulicher Kom- plexe - wie etwa Jugendzentren - in Selbstorganisation zu ermbg- lichen, haben die Jugenda'mter mit ihnen entsprechende Nutzungs- vertrage abzuschl ieBen.

- In alien Einrichtungen der Jugendhilfe mlissen die jungen Menschen die Mbglichkeit erhalten, autonome Jugendvertretungen zu wahlen.

- Zur Vertretung der Interessen der Jugend gegenuber dem Jugendamt und anderen Institutionen ist ein kommunaler Jugendbeirat zu kon- sti tuieren:

Er setzt sich zusammen aus mitbestimmung, der studenti und Jungarbeiter in den Bet Einrichtungen der Jugendhil leuten.

Den Jugendvertretungen und ihrer Aufgaben notwendigen o Anspriiche auf angemessene o Anspruch auf Informierung vanten Vorgange und Entwi derte Uffentl ichkeitsarbe O qualifizierte Initiativ Anhbrungs-, Antrags-, Vor te des Jugendbeirats gege entsprechende Initiativre Jugendvertretungen in den

den von den Vertretungen der Schliler- schen Selbstverwaltung, der Lehrlinge rieben und der Jugendvertretungen in fe demokratisch gewahlten Vertrauens-

dem Jugendbeirat sind die zur ErfLillung Rechte und Anspriiche einzuraumen; wie z.B

Mittel und Raume;

liber alle fiir die jungen Menschen rele- cklungen sowie insbesondere auf unbehin- it;

und Mitbestimmungsrechte: schlags- und Beteil igungs-Kontrollrech- nu'ber Jugendamt und Jugendhil feausschuB; chte und paritatische Mitbestimmung der

Einrichtungen der Jugendhilfe.

1 -j) Verstarkung der Garantien zur Gewahrlei stung der Rechte der jun- gen Menschen:

_ Die Stel lung des jungen Menschen 1m vormundschaftsgerichtlichen Ver- fahren ist insbesondere durch folgende Rechte und Anspriiche zu star- ken: o Anhbrung bei alien Entscheidungsfal len des Vormundschaftsgerichts

- ab 8 Jahren;

o eigenstandiges und umfassendes Antragsrecht gegenuber dem Vor- mundschaftsgericht sowie die Befugnis zum Einlegen weiterer Rechts- mittel - ab 12 Jahren;

o Anspruch auf Mitteilung der Begrlindung vormundschaftsgerichtl icher Beschllisse - ab 12 Jahren;

o Anspruch auf einen vom Jugendamt unabhangigen rechtlichen Beistand

- ebenfalls ab 12 Jahren.

- Die Voraussetzungen fur Freiheitseinschrankungen im Bereich der

Jugendhilfe sind wesentlich zu verscharfen:

o Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung nur im Fall einer unmittelbar drohenden erheblichen Gefahr und aufgrund eines vor- mundschaftsgerichtlichen Beschlusses;

o Oberpriifung der Freiheitseinschrankung durch das Vormundschaftsge- richt nach spatestens 3 Wochen; Mbglichkeit der Verlangerung der Freiheitsbeschra'nkung urn jeweils 3 Wochen.

Den jungen Menschen - insbesondere denen in offentl icher Erziehung

- ist es zu ermbglichen, sich effektiv gegen die MiBachtung ihrer

Rechte und Verwal tungswillkur zu wehren:

o Verpflichtung des Jugendamts zur umfassenden Aufklarung der jungen Menschen liber ihre Rechte und Rechtsmogl ichkeiten;

o Recht des jungen Menschen auf Akteneinsicht und vorhenge Kennt- nisnahme aller Berichte, die an andere Stel len weitergeleitet wer-

o Verpflichtung des Jugendamts, auf Bitten und Beschwerden junger Menschen hin unverzuglich tatig zu werden und innerhalb von 14 Taaen zu antworten;

o Mbqlichkeit fur den jungen Menschen, bei Konflikten mit dem Jugend- amt Oder Tragern von Einrichtungen, seine Interessenvertretung ein-

o MbqlichkeU der Anrufung des Vormundschaftsgerichts durch den jun- ^-, gen Menschen in alien Fallen, in denen seine Rechte und Entfal- d.1

tungsmbglichkeiten beeintrachtigt werden. Institutional isierung eines Jugendbeauftragten, an den sich jun- ge Menschen bei Konflikten mit der Verwaltung wenden kdnnen: Der Jugendbeauftragte ist vom Rat auf Vorschlag des Jugendbeirats zu bestimmen. Er hat die Aufgabe, junge Menschen vor Verwaltungs- willkiir zu schutzen. Ihm steht jederzeit das Recht auf Zutritt zum jungen Menschen und auf Akteneinsicht mit Zustimmung des Be- troffenen zu. Auch ist er berechtigt, zur Vertretung der Interes- sen des jungen Menschen vormundschafts- und verwaltungsgerichtl iche Verfahren in Gang zu setzen und zu flihren.

2. Forderungen fur die Sozialarbeiter.

2 a) Ermbgli chung eines einheitl ichen klientenorientierten Wissens- standes:

- Ausrichtung der Ausbildungsinhalte an den emanzipatorischen Inter- essen der betroffenen jungen Menschen;

- Entprivatisierung bzw. Entkonfessional isierung der Ausbildung und Vereinheitlichung der Ausbildungsgange im Rahmen einer kunftigen Gesamthochschule;

- Ermbglichung einer intensiven und regelma'Bigen berufl ichen Fortbil- dung (unter anderem durch Sicherung der Freistellung) .

2 b) Vermeidunq einer Formierung der konkreten inhaltl ichen Arbeit:

- keine Verpf I ichtung auf die "anerkannten", pol itisch-integrativen Methoden der Sozialarbeit;

- weitestgehender Abbau administrativer Reglementierungen, urn die Entwicklung neuer, an den konkreten Bedu'rfnissen der Klienten orien- tierter, konzeptioneller Ansatze und fachlicher Standards zu ermog- lichen.

28

2 c) Abanderung gesetzlicher Bestimmungen, die ein solidarisches Ver- haltnis zu den Klienten ausschlieBen:

- Auflosung der Verpfl ichtung, Verfehlungen von Klienten anzuzeigen und in Strafprozessen gegen sie als Zeuge auszusagen. (Normierung einer Schweigepflicht und eines Aussageverweigerungsrechts fur So- zialarbeiter! )

- Streichung des Kuppeleiparagraphen.

- Lockerung der geltenden Aufsichts- und Haftungsbestimmungen (insbe- sondere bei Liberwiegend von den Betroffenen selbst organisierten Projekten).

2 d) Liberal isierung des Arbeitsrechts im bffentl ichen Dienst:

- Aufhebung des Berufsverbots fiir konsequente Demokraten und Sozia- listen im bffentlichen Dienst.

- Gewahrlei stung des BLirgerrechts der Sozialarbeiter, sich von den Intentionen und MaBnahmen der Verwaltung zu distanzieren und sich mit ihr bffentl ich auseinanderzusetzen (keine Verpfl ichtung zu "partnerschaftl icher Zusammenarbeit" ; Lockerung der Schweigepflicht nach dem BAT!).

- Ablbsung der Fachaufsicht des Verwaltungsleiters zugunsten einer grbBeren fachl ichen Autonomie der Basisteams im Jugendamt und an- deren kommunalen Einrichtungen der Jugendhilfe.

2 e) Erweiterung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums der bei privaten Tragern beschaftigten Sozialarbeiter:

_ offentliche Forderung nur solcher Tragerorganisationen, die den Sozialarbeitern - und betroffenen jungen Menschen - in ihren Ein- richtungen einen angemessenen eigenen Gestal tungsraum bei der Lo- sung der padagogischen, organisatorischen und personellen Fragen zugestehen und sie nicht auf die Beachtung besonderer weltanschau- licher Leitlinien verpflichten, und sofern in ihren Einrichtungen die Einhaltung der Grundrechte gewahrleistet ist

3_ Forderungen hinsichtlich der Organisation der Jugendhilfe.

3 a) Oualifizierung des Jugendamts als biirgernaher Leistungstrager: _ Die""tragerschaft fur alle offentlichen Ougendhi Ifeleistungen ist auf das kommunale Jugendamt zu verlagern. (genauer: auf das brtliche Jugendamt, in dessen Bereich sich der betroffene junge Mensch Liberwiegend aufhalt.)

Eine Reglementierung der Arbeit des kommunalen Jugendamts durch weitreichende Verwaltungsakte (Rechtsverordnungen, Erlasse, Richt- Tinien) Ubergeordneter Instanzen ist auszuschl ieBen.

- Die Beistandspflicht des Jugendamts gegenuber anderen Behbrden darf nur gelten, soweit sie nicht mit den Interessen der betroffenen jungen Menschen kollidiert.

Die innere Organisation des Jugendamts hat sich primar an den In- teressenlagen der betroffenen jungen Menschen zu orientieren: o Die ressortmaSige Trennung der Bereiche der allgemeinen Forderung und der speziellen Erziehungs- und Bildungshilfen ist im Interes- se der Realisierung einer integrierten Stadtteilarbeit aufzugeben. o Die hierarchische behbrdliche Entscheidungsregelung ist zugunsten der Entwicklung kooperativer Arbeits- und Entscheidungsformen - unter effektiver Beteiligung der Betroffenen - abzubauen. Eine starkere Kontrolle der Arbeit des Jugendamts durch die Offent- lichkeit, insbesondere die betroffenen jungen Menschen, ist sicher-

o^Das Jugendamt ist zu verpflichten, alle Planungskonzepte und Be- schluBprotokolle offenzulegen und daruber hinaus regelmaBig of- fentliche Diskussionsforen zu aktuellen Fragen der Jugendhilfe durchzufuhren. . ...

o Das Jugendamt hat die betroffenen jungen Menschen fruhzeitig an der Entwicklung von Planungsvorhaben zu beteiligen und lhnen je- derzeit Rechenschaft uber die Erfullung seiner gesetzlichen Auf- gaben zu geben. 3 b) Abbau der Reprasentation privater Traqerverbande im Jugendhilfe-

- DerTu|eTiHh"ilfeausschuB ist als normaler RatsausschuB zu konstitu-

7Mr6Koordinierung der Initiativen des Jugendamts, der privaten " Tragerorganisationen sowie der Jugend- und Eltemvertrj stungen. d

neben dem JugendhilfeausschuB besondere Arbeitsgemeinschaften der

lunendhilfe zu institutional isieren.

ner JugendhilfeausschuB hat bffentl ich zu tagen und Eingaben pp - ' vater TrSger oder Gruppen von Betroffenen zu Fragen der Jugendhilfe

mit eigener Stellungnahme dem Rat zuzuleiten.

29

3 c)Ablbsung des Prinzips der yorrangigen Forderung der privaten Trager (bzw. des Subsidiaritatspfinzips) :

- Die bffentliche Hand muB eine hinreichende Anzahl von entsprechen- den Einrichtunger, die weltanschaulich neutral und fur jeder zugang- lich sind, zur Verfligung stellen.

- Private Trager sind nur dann zu fbrdern, wenn die von der Einrich- tung Betroffenen eine demokratische Kontrolle ausiiben Oder den Trager selbst stellen.

3 d) Offnung der Juqendhilfe fiir Blirqerinitiativen:

- Die Fbrderungsbedingungen fiir private Trager sind zugunsten der BUrger- und Selbsthilfeinitiativen zu andern:

o Basisnahe Initiativ- oder Projektgruppen sind mit Vorrang und

unbiirokratisch zu fbrdern. o Die Forderung darf nicht void AnschluB an einen Spitzenverband

und der politischen Loyalitat zur etablierten gesellschaftlichen

Ordnung abhangig gemacht werden. o Bei der Forderung ist die Finanzkraft des jeweiligen Tragers ange-

raessen zu berlicksichtigen.

- Auf eine administrative Reglementierung selbstorganisatorischer bzw. emanzipatorischer Projektansatze ist zu verzichten:

o Ins einzelne gehende Normierungen der raumlichen und wirtschaft- lichen Voraussetzungen, der Anzahl und Ausbildung des Fachperso- nals oder der zu praktizierenden Methoden der Sozialarbeit sind zu unterlassen.

o Oberwiegend selbstbestimmte Jugendwohngemeinschaften, -pensionen, -zentren und dgl . ,sowie von Eltern oder Elterngruppen fiir ihre Kinder betriebene Einrichtungen sind von der Heimaufsicht zu be- freien.

o Dem Jugendamt ist es zur Pflicht zu machen, Konflikte mit auBer- institutionellen Projekten oder Model lversuchen grundsatzlich fachlich-argumentativ unter Verzicht auf administrative MaBnahmen aufzuarbeiten.

- FUr Blirger- und Selbsthilfeinitiativen ist ein besonderer Rechts- schutz zu schaffen:

o Sie mussen das Recht auf Anhbrung im JugendhilfeausschuB und Rat

erhalten. o Darliber hinaus ist ihnen - bei Konflikten mit der Verwaltung -

ein Anspruch auf einen kostenlosen rechtlichen Beistand einzurau-

men.

30

3 e) Gewahrlei stung der perspektivischen Weiterentwicklung der Jugend- hilfe:

- Dem Jugendamt ist zur vorrangigen Aufgabe zu machen, die Jugend- hilfepraxis standig von den Bediirfnissen der betroffenen jungen Menschen her zu analysieren und aufgrund dieser Analysen mittel- und langerfristige Programme zur aktiven Verbesserung der Soziali- sations- und Emanzipationschancen.speziell der soziobkonomisch be- nachteiligten jungen Menschen, zu entwickeln und in die Praxis um- zusetzen.

- Das Jugendamt ist besonders darauf zu verpflichten, emanzipatori- sche Modelle und Projektansatze institutionell abzusichern und

zu verallgemeinern.

- Zur materiellen Absicherung der Arbeit des Jugendamts - vor allem im Bereich der allgemeinen Forderung - sind die Ausgaben fiir Bun- deswehr, Bundesgrenzschutz und "innere Sicherheit" entsprechend zu reduzieren und die frei werdenden Finanzen auf die Kommunen umzulegen.

Kritische Gruppe, Westberlin:

'GENSCHERREFORM' DES UFFENTLICHEN DIENSTRECHTES

Just zu einem Zeitpunkt, an dem der Cffentl ichkeit mit einem schein- liberalen neuen Jugendhilfegesetz und mit einem Jugendhilfetag das (kritische) "Maul gestopft" werden soil, werden die Ergebnisse (1) einer Kommission bekannt, die unter der demokratischen Beteiligung von Vertretern der Esso-AG, von IBM und des BDA, Vorschlage zu einer Veranderung des bffentlichen Dienstrechtes ausarbeiten soil ten. Wenn diese Vorschlage einmal Gesetz werden, und der 1. Mann im Kampf um "unsere Demokratie" wird schon dafur sorgen wollen, kann sich jeder im sozialpadagogischen Bereich Ta'tige ausrechnen, was wohl fiir seine Praxis mehr Relevanz haben wird: ein neues Jugendhilfegesetz, "was ja noch soviel positive Mbglichkeiten offen laBt", oder ein neues bffentliches Dienstrecht!

uir kbnnen also nicht die Reform des neuen Jugendhilfegesetzes disku- tieren, ohne gleichzeitig auch die Reform des bffentlichen Dienst- rechtes mitzudiskutieren; im Grunde miiBte gleichzeitig auch das Ju- aendschutzgesetz, das Berufsausbildungsgesetz, die Verscharfung der Sozialarbeiterausbildung, die negative Veranderung der Praktikanten- ausbildung und die Frage des Zeugnisverweigerungsrechtes fur Sozial- arbeiter diskutiert werden. Das kbnnen wir im Augenblick nicht lei- sten und so wollen wir versuchen, im folgenden die StoBrichtung der geplanten Veranderung des bffentlichen Dienstrechtes darzustel len.

nie Kommission sollte Vorschlage fiir eine "zeitgemaBe Weiterentwick-; lima eines modernen bffentlichen Dienstes" erarbeiten. Dabei ging die Kommission davon aus, d'aB der "Stellenwert der rechtsstaatl ichen Ga- rantiefunktion fur die Sicherheit und Freiheit der Burger wachst und die Bedeutung "der bffentlichen Leistungs- und Gestaltungsauf- aaben" zunehme. D.h., die Kommission ging davon aus, daB die politi- schen Integrations- und Unterdruckungsaufgaben des Staates einerseits umehsen und er andererseits gezwungen ist, um kostspielige Rationa- Visierunqen des eigenen Apparates zu umgehen und weil die okonomischen Kompetenzen des Staates wachsen, das kapital istische Prinzip der Lei - ctunqshetze auch in seinen Arbeitsbereichen einzufuhren. Unter ab- ^oluter Ausklammerung anderer notwendiger Reformvorhaben wurden unter Zn qenannten Aspekten ausschl ieBl ich Vorschlage zur Reform des nienstrechtes erarbeitet, Fragestellungen einer Verwaltungsreform oder Gebietsreform wurden nicht behandelt. Die gemachten Vorschlage haben wesentlich zwei Auswirkungen:

i die politische Entrechtung der Beamten wird auf alle Bedienstete hps bffentlichen Dienstes ausgeweitet und damit soil 2 die "Funktionstaugl ichkeit" der Verwaltung gesichert und gestei- □ert werden.

Die

"schutzwurdigen Interessen" der bffentlich Bediensteten, derer Ol

32

sich diese durch "Selbstbindung" weitgehend begeben, sollen durch ein "geregeltes Verfahren der internen Kommunikation zum Zwecke des Interessenaustauschs" zwischen Weisungen gebenden und bekommenden derartig gewahrt bleiben, als das in soTchen Gesprachen den "Entschei- dungstragern wichtige Informationen (!) Liber die Vorstel lungen der von solchen Regel ungen Betroffenen" "vermittelt" werden sollen. Eine derartige Regel ung fbrdere das "Zustandekommen realistischer Kompro- misse" und diene "damit zugleich dem Arbeitsfrieden und erhbhe die Leitungsbereitschaft".

Mit diesen freundlich -demokratischen Ausflihrungen sind die Betrach- tungen zu den Beteil igungsrechten der bffentlich Bediensteten in den Vorschlagen der Kommission beendet!

Im weiteren hat die Kommission zwei Vorschlage zur. Reform des bffent- lichen Dienstrechtes erarbeitet, die von dem Wunsch nach Vereinheit- 1 ichung der augenbl icklich geteilten Rechtssituation (Beamtendienst- recht wird gesetzlich geregelt, das der Angestellten und Arbeiter teils gesetzlich, teils durch tarifvertragliche Regelungen) ausgehen, im Grunde aber beide nur eine Ausdehnung des Beamtenstatus auf alle bffentlich Bediensteten bedeuten. Im ersten "Model!" (Verfechter u.a. Esso, BDA, FDP, CDU, DBB und der Staatssekretar des Bundesinnenmi- nisteriums), dem sogenannten "Gesetz-Model 1 ",ist eine totale Verbe- amtung enthalten, das Dienstrecht wird ausschl ieBl ich durch Gesetze geregelt; denn "nur die Allzustandigkeit des Gesetzgebers kann den bffentlichen Dienst vom Machtbereich gesel lschaftl icher Gruppen fern- halten und eine unparteiische, zuverlassige und vertrauenswiirdige Ver- waltung sichern". Um "il legitime AuBeneinwirkungen" zu verhindern, muB die "Regel ungskompetenz" nicht mehr langer auf Gesetzgeber und Gewerkschaften verteilt sein, das wlirde bedeuten, daB "die Gewerkschaf- ten bestimmenden EinfluB auf das ganze Dienstrecht gewinnen", sondern kann halt nur noch beim Gesetzgeber liegen. Das, zumal der Staat durch die Gewerkschaften "nicht Liber die zur Verfolgung seiner Ver- handlungsziele erforderliche Dispositionsfreiheit" verfugt. Deswegen muB ein gesetzl iches, bffentliches Dienstrecht ohne Streikrecht fur die Bediensteten her, denn: "Der einzelne und die Gesel lschaft sind von der Funktionszuverlassigkeit kollektiver Leistungssysteme so abhangig geworden, daB selbst zeitweilige Storungen (Streiks, d.Verf.) nachhaltige Schaden anrichten kbnnen." So illegale MaBnahmen wie Dienst nach Vorschrift sollen von Anfang an durch eine "konzertier- te Aktion" verunmbgl icht werden.

- Wann verbeamtet Esso seine Arbeitnehmer?! -

Das andere, sogenannte "Gesetz-Tarif-Model 1 " (u.a. IBM, DGB, DAG, SPD) sieht eine Einschrankung der bisher existierenden Tarifautono- mie vor; alle bis dato durch Mantel tarifvertrag geregelten Arbeits- bedingungen werden durch Gesetz geregelt. Das gesamte Bezahlungs- system, Dienstpostenbewertung, Urlaub, Bemessung der regelma'Bigen Arbeitszeit, sonstige finanzielle Leistungen und die Zusatzversor- gung werden durch Gesetz geregelt. Fur diese Bestandteile des Arbeits- verhaltnisses darf gestreikt werden, allerdings mit folgenden Ein- schrankungen fiir bffentlich Bedienstete der folgenden Bereiche:

- Schutz von Leib, Leben und Gesundheit;

- Schutz vor VerstbBen gegen die Strafgesetze;

- Schutz des Staates vor Angriffen von auBen;

- Schutz der verfassungsma'Bigen Ordnung;

- Schutz der obersten Verfassungsorgane in Bund und Landern.

Innerhalb beider Model! e sollen die Arbeitsplatzbedingungen unwahr- scheinlich verscharft werden. Das Dienstpostensystem soil durch ein "Funktionsgruppensystem" ersetzt werden. Dabei ist allerdings nicht an Teamarbeit oder a'hnl iches gedacht, sondern das "Funktionsgruppen- system zeichnet sich gegenuber dem her-kbmml ichen Laufbahngruppen- system des Beamtenrechts durch eine groBere Fahigkeit zur funktions- qerechten Differenzierung aus und ist damit besser geeignet, als Grundlage der Personal steuerung zu dienen. Dadurch kann der Laufbahn- gedanke frei von formal en Begrenzungen verwirklicht werden." Dieser wichtige Gesichtspunkt der Personal steuerung wird dann noch weiter ausgebaut durch ein Ankurbeln der "Leistungsmotivation" der Bediensteten. Diese Leistungsmotivation soil durch ein neues Beurtei- lungssystem, das zwischen Befahigung und Leistung der bffentlich Be- diensteten unterscheidet, geschaffen werden.

Die Befahigung eines Bediensteten soli prinzipiell alle 4 Jahre durch eine "Verwendungsbeurteilung" (und nach einer Probezeit oder einem Funktionswechsel), deren Ergebnis ein "Befahigungsprofil " ist, fest- qestell t werden. .

Die Leistung soil alle 2 Jahre durch eine "Leistungsbewertung" uber- prlift werden. Das Ergebnis ist dann die Grundlage zur Bemessung von Leistungszulagen (vgl . unten Liber Lohn) oder fur Befbrderungen (Z.B. Versetzung in die na'chst hbhere Funktionsgruppe) .

Sowohl bei der Oberprufung der Befahigung als auch der Leistung, steht fur die Kommission fest, daB "auch klinftig von dem Grundsatz einer t-elativ freien Umsetzbarkeit der Bediensteten auszugehen" ist. Wo- hei Befbrderungen nicht mehr nach dem bisher praktizierten System der individuellen Befbrderung mbglich sein sollen, sondern sich an den allgemein anerkannten Qual ifikationsmbglichkeiten ausrichten (Fach- und Hochschulabschlusse). Befbrderungen sind grundsatzlich nur mit Probezeit mbglich (s.o.).

Deqradierungen sind jederzeit mbglich, und zwar bei "orgamsatonschen Umdispositionen" (allerdings bei Fortbezahlung der alten Gehalts- stufe) oder bei zweimalig negativ ausfallender Leistungsbeurteilung. Des weiteren sind zur Fortbildung "auch nur ausgewahlte Bedienstete" zuzulassen, wobei sich aus der erfolgreichen Absolvierung einer der- artiqen Fortbildung kein Anspruch auf Beforderung ergibt denn: "7iel der Fortbildung ist nicht die Vermittlung von Bildung als Selbst- zweck, sondern die Steigerung der Leistungsfahigkeit des bffentlichen Dienstes".

Das neue Bezahlungssystem soil "Funktions- und leistungsorientiert"_ sein die einzelnen Funktionsgruppen werden entsprechend ihrer Schwie- riakeit den Bezahlungsgruppen zugeordnet. AuBer in den Spitzenposi- tionen, wo es ein festes Grundgehalt gibt, kbnnen die Grundgehalter in den niederen und mittleren Positionen bis zu funfmal abgestuft werden. Zu jedem Grundgehalt gibt es zeitlich begrenzte Leistungs- 7,jlaaen. (s.o.) Diese Leistungszulagen, die sich aus der Leistungs- heurteilunq ergeben, sollen allerdings nur max. 15 % der Bedienste- ten erreichen kbnnen und dadurch besonders leistungsmotivierend wir- kPn AuBerdem gelten sie nur fur max. 2 Jahre - bis zur nachsten Leistungsbeurteilung. Ziel:"Die Begrenzung des Empfangerkreises und

33

die Befristung auf zwei Jahre werden verha'ltnisma'Big viele zu iiber- durchschnittl ichen Leistungen anspornen."

Daruberhinaus sol] die Abstufung im Grundgehalt, wobei jeder Bedien- stete in der Regel alle 3 Jahre die nachst hbhere Stufe erkl immen kann, durch "Verzogerung des Aufsteigens im Gehalt" als negative Sank- tion ebenfalls zu hbchster Leistungshetze benutzt werden. Daruberhinaus soil das Parlament mit "UnterstLitzung" eines "Bezah- lungsbeirates" alle Jahre die Fortentwicklung der Einkommer der of- fentlich Bediensteten Liberprlifen und soil die Moglichkeit erhalten, "bei der Fortentwicklung der Einkommen im bffentl ichen Dienst ... von den BezugsgrbBen aus haushalts- jnd konjunkturpol itischen Griinden abzuweichen"! ! D.h., die Regierung soil die Moglichkeit bekommen, die Lbhne der bffentl ich Bediensteten in dem MaBe zu drlicken, wie sie gerade will ! !

Im Bereich der politischen Interessenvertretung der Bediensteten wirkt sich die Verbeamtung nat'Jrlich auch klar aus. Die Beamtenpfl ich- ten sollen fur alle gelten. "Die Angehbrigen des bffentl ichen Dien- stes miissen auch in Zukunft verpflichtet sein, sich durch ihr gesam- tes Verhalten zu der FDGO im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und fiir deren Einhaltung einzutreten. ... Dabei kann auch die Zugehbrig- keit zu einer bestimmten Gruppierung - unabhangig von der Zula'ssig- keit einer Gruppierung als solcher - ein Indiz fiir mangelnde Eignung des einzelnen Bewerbers ergeben."

Die aufgezeigte Reform wurde in ihrer Gesamtheit abgelehnt vom DGB als "verfassungswidrig", von der OTV als "Einschrankung der Grund- rechte" und von der DPG als "Beseitigung der Tarifautonomie". Mit dieser Reform soil die Abspaltung der bffentlich Bediensteten von den ubrigen Lohnabhangigen perfektioniert und die bffentlich Be- diensteten noch eindeutiger unter die Interessen dieses Staates ge- zwungen werden. Deswegen muS in alien Organisationen die Diskussion um diesen Entwurf aufgenommen werden, urn dann den Kampf gegen ein derartiges Gesetz zu flihren.

(1) Bericht der Kommission fiir die Reform des Dienstrechtes, Nemos-Verlag, Baden-Baden, Mai 1973.

Merve Verlag

1 Berlin 15 Poatfach 327

CGIL/CISL

Zur Geschichte und Theorie der italienischen Gewerkschaftsbewegung (Mit einem Nachwort des Redaktionskollektivs Gewerkschaften von "Probleme des Klassenkampfs") 2 Bande je Band DM 7,-

Vertreter der verschiedenen Gewerkschaftsverbande (V. Foa, B. Trentin, P. Carniti, u.a.) setzen sich mit Problemen auseinander wie Verhaltnis der Gewerkschaften zur kapitalistischen Entwicklung, zur staatl ichen Planungspolitik, zu den politischen Parteien, Gesell- schaftskonzeption, Forderungspolitik, Verhandlungs- und Vertragssy- stem, Qualifikation, Prasenz im Betrieb, neue Organisationsformen der Arbeiterautonomie usw. Die Texte sind Ausdruck von Kampferfahrun- gen, die fiir die Arbeit in den Gewerkschaften und die Internationalisie- rung des Klassenkampfs relevant werden.

Bte^

Kurt Sprenger, Frankfurt: SOZIALARBEIT UND DER 5. DJHT

Die APO tanzte, die Reaktion kreischte und der Veranstalter distan- zierte sich. So endete der 4. Jugendhilfetag 1970 in Niirnberg. Die- ses Ende dokumentiert die Ohnmacht der etablierten Jugendhilfe, ihr angstliches Schielen auf die der kapitalistischen Verfassung der BRD verpflichteten Politiker, die Liber weitere Subventionen der Jugend- hilfeverbande zu entscheiden haben. Die Interessen der Verbande waren in Gefahr.

Die Analysen der Sozialistischen Aktion 4. Jugendhilfetag hatten das BLindnis der Verbande mit der herrschenden Klasse aufgedeckt. Sie hat- ten deutlich gemacht, daB die unterprivilegierten Jugendlichen eine konsequente Vertretung ihrer Interessen von denjenigen Institutionen nicht erwarten kbnnen, die unter dem Motto, dem "leiblichen, geisti- aen und seelischen Wohl" der Jugend zu dienen, deren weitere Depra- vierung betreiben. Nicht die MiBachtung der individuellen, arbeitsin- tensiven Bemlihungen von Erziehern, Sozialarbeitern usw. waren Ziel- scheibe der Sozialistischen Aktion, sondern die januskopfige Politik der Trager der Sozialarbeit, die diese Mitarbeiter mit dem Appell an den padagogischen Idealismus zusatzlich ausbeuten. Die von den Ver- tretern der Bundesregierung vorgenommenen Hochrechnungen, mit denen der materielle Utopismus der von der Sozialistischen Aktion erhobenen Forderungen (6-Stunden-Arbeitstag fur alle, 5 Wochen Urlaub, 1-jah- riqe bezahlte Freistellung der Mutter nach der Geburt lhres Kindes, aleicher Lohn fiir Manner und Frauen usw.) bewiesen werden sollte, erwiesen sich als purer Zynismus, als waren jemals der Lage der Ju- gendlichen angemessene Forderungen erfu'llt worden.

Der aus der Konkurrerz der Monopole und Einzelkapitale resultierende Zwang zum Einsatz neuer industrieller Technologien zur gesteigerten Erpressung von Mehrwert hat eine rapide Verscharfung der Arbeits- intensitat zur Folge. "Dequalifizierung und erhbhter VerschleiB Apr Arbeiter finden ihren Niederschlag nicht nur in Arbeitsunfal en fAnstieq: 195Q - 1970 um 24,5 % (1) ), Berufskrankheiten und schlech- terem Gesundhei tszustand, sondern letztlich auch in einer erhohten Invalidenhaufigkeit und dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbs- leben." (2) Die "Rational isierung" der Betriebe fuhrt zu einer stei- aenden Zahl von Freisetzungen und Einsparung von Arbeitsplatzen /allein in der Industrie seit 1960 ca. 3 Millionen freigesetzte Ar- beitskrafte und zusatzlich ca. 4,6 Millionen eingesparte Arbeits- ola'tze) (3). Mit der Konsequenz, daB Tausende von Arbeitern jahrlich prhebliche EinkommenseinbuBen und Arbeitsplatze, an denen lhre be- ruflichen Qualifikationen und Erfahrungen an Bedeutung verlieren, hinnehmen mussen. Unter Beriicksichtigung der gestiegenen Zahl der Lohn- abhangigen hat sich ihr Anteil am Volkseinkommen (1970) auf 38 % net- - to (1950 46 %) verringert, (4) das "Wachstum" der Reallohne betrug OD

36

1973 ca. 1 %. Gleichzeitig wachst als Folge der Oberproduktions- und internationalen Wahrungskrisen die Arbeitslosigkeit.

Fur die Bundesregierung stellen sich diese verscha'rften Ausbeutunqs- bedingungen als Wirtschaftswachstum dar, das Prioritat besitzt vor dem sozialen Fortschritt. Es "vollzieht sich nicht harmonisch so daB soziale Spannungen unvermeidlich sind." (5) Diese "sozialen Spannungen" finden u.a. ihren Ausdruck in der Verscharfung der Klas- senauseinandersetzungen. Urn den Widerstand der Arbeiter zu brechen und zu kontrollieren, werden die UnterdrLickungs- und Diszipl inierungs- instrumente staatlicher Gewalt ausgebaut (AufrUstung des Bundesgrenz- schutzes fur den inneren Emsatz, RadikalenerlaB, Genschers Gesetz- entwurf zur Vereinheitl ichung des Personal rechts im b'ffentl ichen Dienst, Schwarze Listen usw.). Politische Polizei bespitzelt Arbei- ter, die fur menschlichere Arbeitsbedingungen kampfen (wie in Baden Wurtt.), technologisch hoch ausgeriistete und bewaffnete Spezialein- heiten der Polizei werden zur Zerschlagung von ("gegen die verfas- sungsmaBige Ordnung gerichteten") Widerstandsgruppen und politisch gefa'hrlichen Streikbewegungen ausgerlistet.

Einen nicht nur Bild-haften Eindruck von der "Erziehungs"gewalt of- fentlicher Einrichtungen erhalten die ach so erziehungsbediirftigen Jugendl ichen, wenn Hunderte von Polizisten ihre Kollektive belagern und sturmen; wie in Berlin, Hamburg, Frankfurt usw. Die Obdachlosen, denen menschliche Wohnungen nicht zur Verfugung gestellt werden kbn- nen, damit die Profiterwartungen privater Baulbwen nicht beeintrach- tigt, leerstehende Luxuswohnungen nicht falsch belegt werden, kbnnen sich ein Bild von staatlicher Investitionsfreude machen angesichts der burgerknegsma'Big durchgefiihrten Raumung der 'Belgiersiedlung' in Kassel. Staatlich kontrollierte Banken kbnnen Hunderte von Milli- onen fur Samerungen lockermachen, die mehr "Lebensqual itat" fur die Haben-Seite der Baugesellschaften, aber nicht fur die Mieter, bedeu- ten. Urn die Finanzierung dieser "wichtigen Aufgaben" zu ermbglichen, bleiben nur Brosamen fur die Bildungs- und Sozialpol itik, insbeson- dere fur alle Bereiche, die nicht unmittelbar der Produktion und Re- produktion der Ware Arbeitskraft dienen.

Von der Verscharfung der Klassenauseinandersetzungen bleiben die Sozialarbeiter/-padagogen nicht ausgenommen. Spatestens seit sich das sogenannte "Klientel" in Kollektiven, Interessengemeinschaften, Biir- gerimtiativen, Stadtteilgruppen zur Durchsetzung seiner Interessen und Bedurfmsse organisiert und von sozial istischen und liberalen Sozialarbeitern solidarisch unterstlitzt wird, gelten in den Augen der herrschenden Klasse die im Sozialbereich Tatigen nicht mehr nur als gutglaubige padagogische Narren und systemkonforme Ideal isten. Ihre Kritik und ihre Energien des Protestes und Widerstandes gegen die Repressionsfunktion der Sozialarbeit kann nicht mehr allein in frucht- losen Modelldiskussionen kanalisiert werden. Das politische Instru- mentanum zur Unterdruckung aufmiipfiger Sozialarbeiter/Sozialpadago- gen und die Mittel zu ihrer Disziplinierung sind verfeinert worden. Sozialarbeiter, die in Klassenauseinandersetzungen offen fur die In- teressen der Betroffenen ka'mpfen Oder sich in sozial istischen Grup- pen orgamsieren oder aktiv ihre Arbeitnehmerinteressen vertreten, werden ebenso mit Berufsverbot belegt wie fortschrittliche Arbeiter, Jugendsprecher usw.. Die Verfolgung einzelner kritischer Sozialar-

beiter/-padagogen hat das Ziel, die groBe Zahl kritischer Sozialar- beiter zu disziplinieren und insbesondere von einer Organisierung in sozial istischen Gruppen abzuhalten. Meldungen haufen sich, wonach Sozialarbeiter/-padagogen fristlos entlassen werden oder keine an die Probezeit anschlieBenden Arbeitsvertrage erhalten, wenn sie sich mit den von ihnen "Betreuten" zu solidarischen Aktionen zusammen- schlieBen. Urn die von den Ausbildungsstatten ausgehende Gefahr der Pol itisierung der sozialpadagogischen Berufe einzudammen, werden kri- tische, fur eine demokratische Ausbildung kampfende Dozenten diffa- miert und ihre Berufung abgelehnt. Graduierte Sozialarbeiter, die sich im Berufspraktikum fur eine "staatliche Anerkennung" qualifizie- ren raiissen, unterliegen einer starken politischen Kontrolle, sobald sie versuchen, die traditionellen Arbeitsstrukturen zu durchbrechen. Kollektive Arbeitsansatze im Praktikum werden durch Dienstzeitrege- "lungen und Isolierung der Praktikanten durch Einsatz in verschiede- nen Abteilungen unterdriickt. Der Deutsche St'a'dtetag wie der Deut- sche Verein fiir bffentliche und private Flirsorge fordern die Ausglie- derung des Berufspraktikums aus der Kompetenz der Ausbildungsstatten und die Starkung des Einflusses der Anstel lungstrager.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Zeugnisverweigerungs- recht hat Sozialarbeit auf ihren gesellschaftl ichen Nenner gebracht und selbst liberale Sozialarbeiter desil lusioniert. Der Sozialarbei- ter begegne einem "Klienten" "immer zugleich als Reprasentant von Gesellschaft und Staat". Was er von dem "Klienten" erfahrt, unterliegt daher zwangslaufig der Verfugungsbefugnis seines Dienstherrn. Sozial- arbeiter also als Blittel und Spitzel im staatlichen System der Si- cherung der kapital istischen Produktionsbedingungen. Ihre Funktion soil darauf beschrankt werden:

- die Arbeitswilligkeit und Arbeitsfahigkeit des aus dem Produktions- prozesses herausgefallenen "Klientels" zu sichern;

- die Zeugungs- und Erziehungsbereitschaft des "Klientels" zu erhal- ten;

- die Wirkungen der beschleunigten Produktivkraftentwicklung auf den Arbeiter zu mi Idem;

- sie mit den unzureichenden Lebensbedingungen im Wohnbereich auszu- sbhnen;

- durch Vorwegnahme von Burgerinitiativen, Aktivierung und Partizi- pation die Loyal itat der Zielgruppen gegenuber dem System zu si- chern;

- als Fruhwarnsystem (Sozialtechnokraten) zu funktionieren und durch ihre Existenz die "Sozial "-staatlichkeit zu legitimieren.

Der Kampf sozial istischer Sozialarbeiter richtet sich aber genau gegen diese Funktionen. Statt Information uber die "Klienten", In- formation an die "Klienten". Der Kampf fur die Verbesserung der Lage der Arbeiter, der Kampf gegen weitere Verelendung, die Reintegration bereits deklassierter Individuen und Gruppen in die Arbeiterklasse, die Mitarbeit in proletarischen Hilfeorganisationen (6) erfordert die enge Kooperation mit vorhandenen sozial istischen Gruppen und die eigene politische Organisierung.

Das neue Jugendhilferecht andert nichts an dem prinzipiellen Objekt- status der Jugendlichen und ihrer Eltern, der Abbau antiquierter 07 Entscheidungshierarchien ist ebenso wenig zu erwarten wie eine we- O/

sentliche Verbesserung der finanziellen und personellen Situation der Jugendhilfe. Es ist zu erwarten, daB die Veranstalter des 5.Deut- schen Jugendhilfetages dies den erwarteten "ca. 3 000 aus der Theo- rie und Praxis kommenden Teilnehmern" ebenso verschleiern wollen wie die Tatsache, daB die wesentl ichen Entscheidungen fur ein neues Jugendhilferecht bereits gefallen sind. Die Verpflichtung zur Soli- da ri tat mit der Arbeiterklasse verpflichtet deshalb sozial istische Sozialarbeiter, das Forum des 5. DJHT zu benutzen, den systemsichern- den Charakter des geplanten Jugendhilfegesetzes zu entlarven und fur eine Verstarkung jener Arbeits- und Organisationsansa'tze einzutreten, die grb'Bere Mb'gl ichkeiten beruflicher Praxis im Interesse der Arbei- ter und ihrer Familien bieten.

(1) Osterland u.a., Materialien zur Lebens- und Arbeitssituation der Industriearbeiter in der BRD, S. 85, Frankfurt 1973

(2) dito, S. 93 f.

(3) dito, S. 44

(4) Boni u.a., Materialien..., in Sozial istische Politik Nr. 14/15, S. 20, Westberlin 1971

(5) Sozialbericht der Bundesregierung 1970, These 23

(6) Paulsen, Zum Problem der Organisierung von Sozialarbeitern, in Erziehung und Klassenkampf Nr. 4, S. 24 ff, Frankfurt 1971.

REIHE BETRIEB UND GEWERKSCHAFTEN

Spontane Streiks 1973

- Krise der Gewerkschaftspol itik

Die Broschlire informiert umfassend liber Ursachen, Verlauf und die wichtigsten Probleme der spontanen Streiks flir Teuerungszu- lagen im Jahre 1973. Untersucht werden die Skonomische Entwick- lung und die Krise der gewerkschaftl ichen Vertretungspol itik, die zu dieser Streikbewegung geflihrt haben. Forderungen und Kampfformen, die Rolle der Vertrauensleute und Betriebsrate, das Verhalten der Gewerkschaf tsapparate, die Aktivitat der auslan- dischen Arbeiter und die Rolle politischer Gruppen werden ebenso analysiert wie die Polizeieinsatze wahrend der Streiks und die MaSregelungen, denen Streikende im AnschluG an die Aktionen aus- gesetzt waren. In einzelnen detaillierten Berichten werden die wichtigsten Streiks dargestellt und kommentiert. Die Konsequen- zen flir die sozialistische Betriebs- und Gewerkschaf tsarbeit werden auf der Grundlage der Erfahrungen, die in den Streiks ge- macht wurden, erbrtert. Eine Dokumentation von mehr als 2oo be- kannt gewordenen Streiks vervollstandigt diese Broschure. Die Schrift dient der Verarbeitung der Streikerfahrungen des vergan- genen Jahres, der Diskussion der zutage getretenen Schwachen und der Ansatzpunkte flir die weitere sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit.

16o Seiten, broschiert, DM 6.--

Verlag 2ooo GmbH, 5o5 Offenbach 4, Postfach 591

GUnter Pabst, Frankfurt:

DIE SOZIALISTISCHE AKTION AUF DEM JUGENDHILFETAG 1970

Um Ziele und Vorgehensweisen flir eine Sozialistische Aktion zum Ju- gendhilfetag in Hamburg 1974 bestimmen zu kbnnen, sind nicht nur die heutigen gesellschaftl ichen Verhaltnisse, Stand der Klassenausein- andersetzungen, Situation der Sozialarbeit, BewuBtsein (auch Organi- sationsgrad) der Sozialarbeiter und Sozialpadagogen, die inhaltli- chen Vorstellungen der AGJ zu berlicksichtigen, sondern es ist not- wendig, Ziele und Organisation der Sozial istischen Aktion Nlirnberg aufzuarbeiten und miteinzubeziehen.

Ziele

Als Voraussetzung einer sinnvollen Beteiligung am JHT wurden folgen- de Bedingungen formuliert:

- die gesellschaftl ichen Bedingungen, die heute Jugendhilfe bestim- men, mussen ungehemmt analysiert werden,

- Ansatze einer systemkritischen Berufspraxis sind zu entwickeln,

- Wege, um die von der Jugendhilfe "Betroffenen" an alien Entschei- dungen zu beteiligen und ihre Emanzipation zu ermbglichen, sind aufzuzeigen,

- der JHT bietet Geleqenheit, sozialistische Kritik zu ube" 'nd die Kommunikation unter Sozialisten im Berufsfeld Sozialarbeit kann intensiviert werden.

Die Sozialistische Aktion hatte sich zum Ziel gesetzt, den JHT als Forum zu benutzen, um folgende Gesichtspunkte darzustellen:

1. den Ausbeutungs- und Klassencharakter der westdeutschen Gesell- schaft im Hinblick auf die Lage der Arbeiterklasse (insbes. der Ki/Jgdl.)

2. die gesellschaftl ichen Bedingungen und die bisherige systemstabi- lisierende Funktion der Jugendhilfe

3. die Berufssituation der Sozialarbeiter und Wege flir eine system- liberschreitende politische Praxis in und auBerhalb der Institution, sowie die Notwendigkeit der Organisierung.

Dazu wurde zur Vorbereitung der Teilnehmer Arbeits- und Diskussions- papiere zusammengestellt:

- Zusammenhang von Sozial isation und Klassenkampf

- DeklassierungsprozeB proletarischer Kinder und Jugendlicher und ihre Disziplinierung durch das Erziehungsheim

- Klassenspezifische Sozialisation im Betrieb

- Lage der Arbeiterkinder und -. jugendl ichen im Bildungssystem. Diese Papiere sollten die gemeinsame theoretische Grundlage schaf- fen, von der eine gezielte Analyse und Agitation ausgehen konnte.

39

Organisation

Ausgangspunkt fur die Grundung einer Sozialistischen Aktion zum JHT war die Initiative von Genossen aus dera Sozialistischen Biiro, die am 17.3.1970 verschiedene Gruppen und Genossen, die im Sozial isations- bereich arbeiten, zu einem 1. Vorbereitungstreffen einluden. Teil- genonmen haben Genossen aus Bochum, Detmold, Dlisseldorf, Frankfurt, GSttingen, Hamburg, Steinkimmen, Stuttgart und West-Berlin, die als 'Sozial istische Aktion' die Vorbereitungen inhaltlich und organisa- torisch getragen haben.

Wesentliche Momente der iiberregionalen Vorbereitung waren Aufrufe, Plakate, Vorbereitungspapiere, Protokolle und Artikel in der Sozial- padagogischen Korrespondenz und "Links", sowie die Bildung von Dis- kussionskader fur die einzelnen Konfliktbereiche, die dazu fuhrte, daB eine groBe Anzahl von Genossen aus dem Sozial isationsbereich teilrahmen.

Vor Beginn des offiziellen Teils wurden auf einem Einleitungs-Teach-

in an Hand der Papiere folgende Schwerpunkte diskutiert:

1. Klassengesellschaft und Sozial isation - besondere Frage: Was be-

deutet Deklassierung im Kapitalismus, welche Faktoren produzieren

sie? Abhangigkeit des Sozialisationssektors vom Kapitalverwer-

tungsprozess.

Deklassierung, Dissozial itat am Beispiel Heimerziehung.

Orgam'sationsansatze im Rahmen der Stadtteilarbeit zur revolutio-

naren Erziehungsperspektive

Klassenspezifische Sozial isation in Schule und Betrieb

Frage nach der Berufsorganisation der Sozialarbeiter und die taktischen Schritte iiber ein gemeinsames Vorgehen in den aus- gewahlten Arbeitsgruppen (Vorschulerziehung, Heimerziehung, Familie, Schule und Beruf) besprochen.

Fur das Vorgehen in organisierter Form haben ferner dazu beigetragen:

INFORMATIONSDIENST DES SOZIALISTISCHEN LEHRERBUNDES

FOLGENDE INFO-AUSGABEN SIND NOCH ERHALTLICH:

Ausgabe 12 (Doppelnummer) : In dieser Ausgabe sind die wichtigsten

Beitrage aus den bisher erschienenen Infos zusammengestellt.

Ausgabe 13: Schwerpunktthema "Grundschule"

Ausgabe 14: Schwerpunktthema "Gesamtschule"

Ausgabe 15 (Doppelnummer): Schwerpunktthema "Berufsschule"

Ausgabe 16 (Doppelnummer): Schwerpunktthema "Gewerkschaft

Erziehung und Wissenschaft"

Einfachnummer DM 3.--, Doppelnummer DM 5.--

Bezug: Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591

Nl

ein eigenstandiges Informations- und Organisationszentrum (es war wesentlich flir die Aufnahme von Kontakten, Quartierbeschaffung und Informationsweitergabe)

Tagungszentrum (es ermbglichte ein konzentriertes und stbrungsfrei- es Arbeiten, stellte die notwendige Dffentl ichkeit flir die Vorberei- tungsdiskussionen dar, es bildeten sich ad hoc Gruppen, die sich dann flir die Arbeitsgruppen am nachsten Tag vorbereiteten, damit war die Grundlage geschaffen, die Isolierung zwischen den getrennt anreisenden Gruppen aufzuheben und ein Solidarita'tsbewuBtsein zu entwickeln. Das Kommunikationszentrum integrierte nicht nur die Sozialarbeiter und Studenten, die sich der Sozialistischen Aktion verbunden flihlten, sondern wurde auch von Sozialarbeitern aufge- sucht, die nicht an der Sozialistischen Aktion beteiligt waren.)

p0 s jtion der Sozialistischen Aktion am Beispiel des Konfliktfeldes Heimerziehung

Am Beispiel der Heimerziehung sollte der Beitrag herkbmml icher So- zialarbeit und ihrer Institutionen im "Klassenkampf von oben" darge- stellt, ihre traditionelle Ideologie zerstbrt und Perspektiven einer sozialistischen Sozialarbeit aufgezeigt werden.

Nach dem AGJ-Einleitungsreferat von J. Parstorfer, Kb'ln, uber "Heim- erziehung in der Kritik", das zwar bestimmte MiBsta'nde nannte, libe- rals Verbesserungen forderte, aber unpolitisch blieb, schloB man sich dem Vorschlag der Sozialistischen Aktion an, im Plenum unter folgen- den Problemstellungen zu diskutieren:

- Soziale Herkunft und Zusammensetzung der in Heimen befindlichen Kinder/Jugendlichen

_ Zusammenhang von Sozial isations- und Deklassierungsprozessen

- Funktion der Heime, Heimstruktur

- Alternativen zur gegenwa'rtigen Praxis.

Fur den nachsten Tag waren Praktiker-Berichte vorgesehen, denen die Sozial istische Aktion einen klassenanalytischen Bezugsrahmen voraus-

"Deklassierungsprozesse, die zu abweichenden oder dissozialem Ver- halten Jugendl icher fiihren, die zum uberwiegenden Teil aus der Ar- heiterklasse stammen, haben ihren Ursprung in den kapitalistischen Produktionsverhaltnissen unserer Gesellschaft. Sozialarbeit stellte

■ch bisher als Erflil lungs- hi lfe und Disziplinierungsapparat zur Aufrechterhaltung und Durchsetzung der herrschenden Normen und deren Vprtretern dar. Will sie nicht weiterhin nur an Symptomen kuneren und die augenfalligsten "MiBsta'nde" verschTeiern helfen, muB Sie ihre Arbeit unter antikapitalistische Perspektiven ste len. Sie muB sich selbst organisieren und sich organisatorisch mit denen verbin- Aen die sich dieselben Ziele gesetzt haben.

Andererseits gibt es unter den gegebenen gesellschaft! ichen Bedin- aunqen fUr Jugendliche, die den gesellschaftlichen Zwang und die mehr odS? wenlger verschleierte Unterdruckung in der Heimerziehung ohne Mafke manifest erfahren haben, keine annehmbare und praktikable Zu- Snftsperspektive, die nicht die Oberwindung bestehender Herrschafts- verhaltnisse beinhaltet."

41

42

Daraus ergaben sich folgende Fragen an die Praxis von Heimerziehung:

1. Wird an die Sozialisationserfahrungen der Arbeiterjugendlichen an-

gekniipft?

2: In welchem Verhaltnis zueinander stehen therapeutische und politi-

sche Intentionen?

3. Welche Art von (Re-)Integration ist intendiert: bewusstlose Anpas- sung oder klassenbewusste Sol idaritat?

4. Wie geht die Entwicklung von Solidaritat mit dem klassenbewuBten Proletariat in die Projekt-Konzeption ein?

5. Tragt das Projekt in irgendeiner Weise zur politischen Organisa- tion auch der beteiligten Sozialarbeiter und Erzieher bei?

Der erste Referent, R. Werner, liber das Jugendheim Abtshof in Hennef, erwies sich als unfahig, diese Fragen auch nur zu verstehen, geschwei- ge denn zu beantworten. Der zweite, W. Ayass, Liber das Jugendwohn- heim Christophorus-Haus in Kalrsruhe, zeigte immerhin ProblembewuBt- sein und einigen guten Willen, auf die angesprochenen Fragen einzu- gehen. Im Bericht Liber die Lehrlings-Kollektive in Frankfurt versuch- ten wir diese Fragen politisch-padagogisch zu beantworten, wenn wir auch vielleicht der Tendenz zur unpolitischen Rezeption eines inter- essanten pa'dagogischen Versuchs noch nicht entschieden genug entge- gengetreten sind.

Ein Heimerzieher, der selbst 7 Jahre in einem FLirsorge-Erziehungs- Heim gewesen war, stellte an die Versammlung die Frage, warum man iiber den Problemkreis "Heimerziehung" diskutiere, ohne daB die Betrof- fenen, namlich Heimzbgl inge, eingeladen worden seien, urn uber ihre Erfahrungen zu berichten. Seine Beitra'ge scheinen die Mehrzahl der Erzieher ziemlich zu schockieren; als er namlich auf Sexual i tat zu spre- chen kam, verlieBen eirige den Saal, darunter mehrere Nonnen. "Dort wird konsequent die Homosexual i tat gezlichtet. Es werden Minder- wertigkeitsgefiihle erzeugt, das GefLihl der vblligen Ohnmacht vermit- telt und der Wille gebrochen, etwas positiv zu verandern. Versetzt euch nur einmal in unsere Lage! Erst die Repression der Eltern: Wenn Du nicht parierst, kommst Du ins Heim! Aber welches Heim ist nach dem Prinzip aufgebaut, uns zu helfen, damit wir uns selbst hel- fen kbnnen?"

Als sich die Versammlung bemussigte, auf die Vorwurfe einzugehen, wur- de aber vielmehr diskutiert, ob ein Erzieher dasselbe Mittagessen zu sich nehmen konne wie die Heimzbgl inge. Sie schienen ihre eigenen Schlagwbrter Uber demokratisches Verhalten vergessen zu haben, denn von solchen Ideen, wie die Schaffung eines Heimrates, in dem die Zbg- linge ihre Interessen vertreten kbnnen, hatte man noch nichts gehbrt. Insgesamt hatte man den Eindruck, daB es unbequem war, auf die tag- ta'glichen Probleme der Heimerziehung einzugehen; es war namlich viel einfacher, in altbewa'hrter Methode progressive Reden zu halten, urn damit der Realitat auszuweichen.

In derDebatte urn die Praxisberichte wurden bereits Forderungen erho- ben, die unmittelbar zur Diskussion und Verabschiedung einer Resolu- tion u'berleiteten. Zwei Resolutionen wurden vorgelegt, die eine so un- spezifisch und abstrakt, daB sie zu jedem beliebigen Zeitpunkt der letzten 150 Jahre hatte zusammengestellt sein kbnnen; sie konnte kein ernsthafter Diskussionsbeitrag sein. Die zweite, von uns eingebracht, versuchte einen allgemeinen klassentheoretischen Bezugsrahmen mit

einer Reihe von konkreten Forderungen zu verbinden. Bevor sie aber n'chtig diskutiert werden konnte, verlieB die Reaktion (ca. 400 Leu- te) geschlossen den Raum; die ubrigen (ca. 200) Teilnehmer diskutier- ten dann die Resolution auf einer politisch angemessenen Ebene, wo- bei sich Linksliberale (z.B. Mollenhauer) und Linke (die Mehrheit) qegenliberstanden. Nach etwa zweistundiger Debatte wurde die Resolu- tion von der beschriebenen Restgruppe mit 7 Gegenstimmen angenommen.

Forderungen der Sozial istischen Aktion

In alien Arbeitsgruppen wurden aus der Diskussion heraus allgemeine wie auch spezifische Forderungen zu den einzelnen Arbeitsbereichen formuliert. Die wesentlichsten Forderungen wollen wir hier noch ein- mal wiedergeben.

Allgemeine in alien Arbeitskreisen gestellte Forderungen:

Orientierung der pa'dagogischen Arbeit an Sozialisationserfahrungen der Kinder iind Jugendlichen und Vorbereitung auf solidarische Wahr- nehmung ihrer klassenspezifischen Interessen; Zusammenfassung aller pa'dagogischen Berufe im Hochschulbereich;

_ vierwbchiger Bildungsurlaub;

Mindestgehalt von DM 1 500 fur alle Sozialpadagogen etc./ Prakti- kanten DM 1 000. .

Forderungen zum Vorschulbereich:

- Einsetzen eines proletarischen El ternbei rates fur jede Kindertages-

_ 6 Stunden Arbeitstag/6 Wochen Urlaub; _ 250.— DM Kindergeld;

einjahrige Freistellung aller Mutter nach der Geburt ihres Kindes; Z qleicher Lohn flir Manner und Frauen;

la'ngere, bessere, kostenlose und bezahlte Aus- und Fortbildung,

die die Probleme der .Erziehung aller Kinder (insbesondere der Ar-

beiterkinder) in den Mittelpunkt stellt; _ Entkonfessionalisierung; ,„„.■. P ., „** ,

Ausbau aller Vorschuleinrichtungen/ bis zu 10 Kinder pro Fachkraft /

kostenlose Vorschulerziehung fur alle Kinder.

Forderungen zur Heimerziehung:

npmokratisierung der Heimerziehung: Aufhebung der hierarchischen

" Heimstruktur, Selbstverwaltung, Dffentlichkeit, tarifgerechte Fntlohnung, polytechnische Erziehung und Berufsausbildung, Ab- schaffung sexueller Repression, Koedukation, Aufhebung des Ghetto- rharakters der Heime; ,

aitprnativen: Einrichtung von Jugendwohnkollektiven, anonyme Ju-

" Sendberatungsstellen, Einrichtung von Jugendhotels als voruberge- hpnde Wohnmbglichkeit; „..,. UJ.\

PrUitives Kinder- und Jugendrecht Jugendkonfliktrecht).

" Aufenihaltsbestimmungsrecht, freie Berufswahl , Selbstbestimmung - recht in alien institutionellen Zusammenhangen, Aufhebung der Kup- Seleiparagraphen, Anspruch auf Deckung der person! i chen. Unterhalts- kosten, Wohnungs- und Einrichtungskosten.

43

Forderungen zu "Schule und Betrieb":

- Beseitigung des "dualen" Ausbildungssystems (fur ein bffentliches Ausbildungssystem unter ausschl ieBl icher Kontrolle der Lohnabhan- gigen;

- mindestens DM 250.-- Ausbildungsvergiitung flir Schiiler;

- mindestens DM 500.-- Ausbildungsvergiitung fur Lehrlinge;

- selbstgewahlte Industriepraktika fllr alle Schiiler der letzten bei- den Klassen;

- Schaffung selbstandiger Schulerkollektive in alien Schulen;

- UnterstLitzung aller Ansatze von Selbstorganisation von Schlilern und Lehrlingen zur Durchsetzung ihrer Interessen.

44

Probleme/Kritik

1. Die Agitation wurde weitgehend von exponierten Genossen getragen, die auch bei anderen Gelegenheiten in der Lage sind, von einer sozia- listischen Position aus Stellung zu beziehen. Gruppenzusammenhange waren erst in Ansatzen - wenn iiberhaupt - vorhanden, die "linken Massen" waren weitgehend unfahig, auf ideologisch-reaktionare Vor- stellungen statt mit lautstarker Emporung mit sezierender Argumenta- tion und Agitation zu antworten;

2. Kinder/Ougendliche hatter auf dem JHT wenig Gelegenheit, sich und ihre Probleme darzustellen;

3. In den meisten AG bestimmte die Sozialistische Aktion die Diskus- sionen; durch ihre Diskussionsbeitrage konnte sie weitgehend die Ver- treter liberaler und reaktionarer Inhalte aus der Reserve locken, eine Polarisierung herbeiflihren und durch konsequente sozialistische Argumentation ihre Basis verbreitern, was zu Abstimmungserfolgen bei der Verabschiedung von Resolutionen fiihrte. D.h. konsequente sozia- listische Argumentation bedeutet nicht eine Isolierung. Die Frage bleibt aber, inwieweit das Vorgehen der Sozial istischen Aktion nicht nur ein Augenblickserfolg war und welche Relevanz die verabschiede- ten Resolutionen fur die weitere Praxis hatten.

Die individuelle und informelle Diskussion mit Tagungsteilnehmern ha'tte noch intensiver geflihrt werden miissen - die emotional en Schran- ken fur viele Teilnehmer gegeniiber dem Auftreten der Sozial istischen Aktion als Block waren dadurch eher abzubauen und werden es dem Geg- ner erschweren,sich ebenfalls als Block zu formieren;

4. Stellenweise geriet man in der Diskussion zu sehr in eine wissen- schaftlich-irformierende Haltung, die zwar einem Informationsbediirf- nis entsprach, aber auch den entpolitisierenden Tendenzen der Diskus- sion Vorschub leisteten;

5. Die Taktik, die Erzieher aus ihrer Praxis sprechen zu lassen, urn das Material dann agitatorisch zu wenden, beruhte auf einer falschen Einscha'tzung; die Zeit dazu war zu kurz und gab der Reaktion Gelegen- heit zu schrankenloser Rechtfertigung;

5. Ambivalenz von Sozialarbeitern auf linke Argumentationen - ist ein Reflex der ambivalenten Situation der Sozialarbeiter (permanente Konfrontation mit Widerspriichen der Klassengesellschaft, aufstiegs- orientiert, antiproletarisch-ideologisches Selbstverstandnis) und Reflex ihrer psychischen Lage:

das labile Gleichgewicht zwischen der hohen ethisch-idealistischen Selbstanforderung und der resignativer Einsicht in die begrenzten Mbglichkeiten wird durch politische Angriffe empfindlich gestort, so daB oft zwar die Richtigkeit insgeheim zugestanden wird, offiziell

aber aggressiv abgewehrt werden muB;

7. Streckenweise vorherrschender Schlagwortcharakter der Diskussion;

8. Die Erwartung, daB sich aus diesem ersten Ansatz iiberregionaler Zusammenarbeit von Sozialarbeitern im Sozialisationsbereich, eine weitergehende politische Zusammenarbeit entwickelt, die iiberregiona- lenKontakte ausgebaut wlirden und die Erfahrungen von NUrnberg in den Gruppen aufgearbeitet werden, hat sich in der Form nicht erfiillt. Als direktes Ergebnis des Jugendhilfetages ist allein die Grundung der Zeitschrift "Erziehung und Klassenkampf" zu nennen. Ziel der Zeit- schrift: "einen Beitrag zu leisten, in dem sie die ideologischen und politischen Auseinandersetzungen im Bereich von Erziehung und Jugend strategisch fundiert, intensiviert, ausweitet und organisatorisch wendet.

Die politische Organisierung der Sozialarbeiter/Sozialpadagogen war noch nicht so weit entwickelt, daB vom Jugendhilfetag aus eine regi- onal e Organisierung der verstreuten sozial istischen Individuen und Griippchen wenigstens ansatzweise ha'tte vorgenommen werden kbnnen. Allerdings wurde auch auf dem Ougendhilfetag versaumt, die Organisa- tionsansatze zu diskutieren und mit den regionalen Gruppen die Aus- wertung der Sozialistischen Aktion zu betreiben. Erst 1971 wurde an diesen Ansatz wieder angeknu'pft.und Gruppen aus Bochum, Dusseldorf, Freiburg, Frankfurt, Bielefeld, Mainz und Kdln entschlossen sich in Verbindung mit dem Sozialistischen B'uro zur Zusammenarbeit und Herausgabe des Informationsdienstes Sozialarbeit.

Organisatorische SchluBfolgerungen fur eine neue Sozialistische Aktion: Jugendhilfetag 1974

1. Einbeziehung von Jugendlichen und ihrer Situation - zumindest aus dem Raum Hamburg;

2. Fru'hzeitige Vorbereitung und Schulung in den regionalen Gruppen unter Einbeziehung interessierter Sozialarbeiter an Hand der Vor- bereitungspapiere in Verbindung mit den konkreten Praxiserfahrun- gen, so daB die sozialistische Argumentationsfahigkeit auf eine breite Basis gestellt und eine Massenmobil isierung ermSglicht wird. Bildung von iiberregionalen Diskussions- und Vorbereitungsgruppen; genaue taktische Vorbereitung unter Berlicksichtigung der Nlirnber- ger Erfahrungen;

Schaffung eines Informations/Organisations- und Tagungszentrums unter Einbeziehung Hamburger Gruppen und Genossen; breite Information in alien Dienststellen/Schulen etc. durch Auf- rufe, Plakate, Papiere (Zentral/regional) etc.

3.

4.

6.

I iteraturhinweise:

Dokumentation und Auswertung der Sozialistischen Aktion, Offenbach 1970, Sozial padagogische Korrespondenz Nr. 9/10 u. 11. Erziehung und Klassenkampf Nr. 1, Dokumentation zum Jugendhilfetag (AK, Neue Erziehung, Berlin), Hornstein, Kindheit und Jugend, juventa-Verlag.

45

& Kritische *> Tustiz

Heft 4/73: Schwerpunkt Arbeitsrecht

Thomas Blanks

Probleme einer Theorie des Arbeitsrechts

Walther Muller-Jentsch / Rainer KoBler

Spontane Streike In der BRD

Ulrlch Muckenberger

Dockarbeiterstreik, Streikrecht und die Rolle der Arbelterorganlsation in England

Thomas Blanke / Rainer Erd / Helde Erd-Kuchler

LIP-Legalitat und Klassenkampf

Rainer Erd

Streik und Auasperrung. Berlcht von der wlaaenschaftlichen Tagung der

IG-Metall in Munchen

Kontroverae urn daa sozialistieche Patlenten-Kollektiv (SPK) zwischen Peter Bruckner und Erich Wulff

Heft 1/74: Schwerpunkte Jugendrecht, Krimlnologie, Mietrecht, Sozialarbeit

Gunnar Hein8ohn / Rolf Knleper

Erzlehung»recht»reform in der BRD

Fritz Barabaa / Chrlstoph Sachae

Funkllon und Grenzen der Reform des Jugendhllferechts

Andreas Treppenhauer

Krlmlnalitat und Krimlnalisierung

Chrlstoph Kremer

Vermieterjuttiz und Mieteratreik*

AuBerdem: Urteile zum Mieteratreik und zur Kiindlgung von Sozialarbeltern

..KritischeJustiz'' erscheintvierteljahrlicri.

Abonnement: Jahrlich 26,- DM zuziiglich

Zustellgebiihr, fur Studenten 20,- DM,

Einzelheft 7,50 DM.

Bestellung an: Bund-Verlag GmbH, Ver-

trieb „Kritische Justiz", 5 Koln 21, Post-

fadi210140,

E*A

EuropaischeVeriagsanstalt Frankfurt am Main

Redaktionskollektiv:

ZUSAMMENFASSENDER BERICHT ZUR

KONSTITUIERENDEN TAGUNG DER

SOZIALISTISCHEN AKTION JUGENDHILFETAG HAMBURG

Zum 1- Arbeitsseminar des Info-Sozialarbeit flir 1974 - Thema: "Jugendhilfetag Hamburg" - waren ca. 14 Gruppen und einzelne Genossen aus Westberlin, Dusseldorf, Bielefeld, Frankfurt, Bochum, Hamburg, Koln, NeuB, Gbttingen und Wattenscheid erschienen.

Wahrend der Tagung ging es im wesentlichen urn eine Klarung der Fra- ae, welche Artikulationsmbglichkeiten sich auf dem von der AGJ ver- anstalteten 5. DJHT.sozialistisch orientierten Gruppen bieten und welche inhaltlichen und organisatorischen Vorarbeiten zu leisten sind, um auf dem JHT, zu dem immerhin ca. 3 000 Teilnehmer erwartet werden, eine reelle Chance zur Vermittlung sozial istischer Positio- ner! zu haben.

Diskutiert wurde weitgehend auf dem Hintergrund der Erfahrungen des letzten Jugendhilfetages (Nurnberg 1970) und an Hand der uns vorlie- qenden Unterlagen der AGJ zur inhaltlichen und organisatorischen DurchfUhrung des 5. DJHT in Hamburg.

pie Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe veranstaltet mit zwei jahriger Verspatung,als Interessengemeinschaft von ca. 60 bundeszentralen Jugendhilfeorganisationen (Landerjugendminister, LJA, Wohlfahrtsver- bande, die im DBJR organisierten Jugendverbande, Aktion Jugendschutz etc.), den 5. DJHT unter dem Thema "Jugend und Recht". Seit Februar 1972 laufen die Vorbereitungen der AGJ fur den Jugendhilfetag in Hamburg. Nach ihrem eigenen Selbstverstandnis will "die AGJ einen KongreS vorbereiten, dessen Inhalt von den Teilnehmern bestimmt wird", "viele (sollen) die Chance zur Mitgestaltung und Mitwirkung nutzen". Mit alien Interessierten will sie Liber die Planungen diskutieren. DaB aber die grundlegende inhaltliche und organisatorische Struktur schon festgelegt ist, verschweigt die AGJ,bzw. die Information der Kollegen in den Dienststellen und Ausbildungsstatten beschrankt sich bisher auf wenige allgemeine Ankundigungen (wir zitieren daher die AGJ so ausflihrlich).

nas Thema "Jugend und Recht" wurde vom Vorstand der AGJ gewahlt, weil "eine umfangreiche Neukodifizierung des Jugendgesetzgebungsbereiches ,Recnt der elterlichen Sorge, Adoptionsrecht, Jugendhilferecht, Be- rufliche Bildung etc.) anstand". Es soil keine juristische Fachtagung sein, sondern die Teilnehmer sollen prlifen, ob die verschiedenen Juqendrechtsgesetze "den heutigen Bedlirfnissen und der Stellung der luqend in der Gesellschaft entsprechen, Oder ob Anderungen notwendig prscheinen". Jedoch soil in den Arbeitsgruppen darauf geachtet wer-_ Hpn "daB das Jugendhilferecht ausreichend im Blickpunkt bleibt, weil FYae'bnisse des DJHT bei der Diskussion um das neue Jugendhilferecht von den Gesetzgebungskbrperschaften erwartet und zeitlich durchaus hpr'ucksichtigt wlirden". A~7

Zielsetzung des Kongresses ist es ."rechtspol itisch relevante Empfeh- M-/

lungen an den Gesetzgeber zu erarbeiten".

Fur uns ist aber klar, daB damit die Interessen der Klienten und der Sozialarbeiter/Sozialpadagogen auf der Spielwiese Jugendhilfetag kanalisiert werden sollen, wahrend dessen die Entscheidungen iiber den Inhalt des Jugendhilferechts schon langst gefallen sind. Belegt wird dies durch:

- Der von der AGJ fur 1973 geplante Jugendhilfetag wurde auf Inter- vention der Bundesregierung verschoben;

- Im November 1973 hat die AGJ bereits eine Expertentagung mit Spit- zenfunktionaren der ihr angeschlossenen Verbande durchgefuhrt, aufgrund deren Ergebnisse die AGJ ihre eigene Position zum Jugend- hilfegesetzentwurf bestimmt hat;

- Im Ma'rz/April wird der Referenten/Regierungsentwurf vorgelegt und wer die parlamentarischen Gepflogenheiten kennt, weiB, daB wesent- liche Anderungen am Gesetzesinhalt nicht mehr mb'glich sind;

- Eine gemeinsame AbschluBveranstaltung und damit die Mbglichkeit, gemeinsame Interessen und Forderungen zu artikulieren und bffent- lichkeitswirksam darzustellen, ist nicht vorgesehen; "die Auswer- tung des JHT bleibt einer Expertentagung der AGJ im Dezember 1974 vorbehalten".

48

Weiterhin gehen wir davon aus, daB die AGJ als Reaktion auf die Pol i- tisierung des Jugendhilfetages Niirnberg liber eine weitgehende inhalt- liche und organisatorische Vorprogrammierung sowie die Ausklammerung gro'Serer Forumsdiskussionen im vornhinein eine grundsatzl iche politi- sche Auseinandersetzung abblocken will. Auch waren wir uns daruber eim'g, daB die hinter der AGJ stehenden etablierten Verbande und Mi- nisterialblirokratien den Jugendhilfetag offensichtlich dazu benutzen wollen, ihren ohne Beteiligung der Betroffenen ausgeku'ngelten jugend- politischen Gesetzesvorlagen ein plebiszitares Votum zu verschaffen: Der Jugendhilfetag als ein Zustimnungs- und Legitimationsgremium, aber nicht als Artikulationsmbglichkeit der sonst vielbeschworenen Fachbasis.

Aus dieser - hier kurz skizzierten - Einschatzung heraus haben wir uns folgende Aufgaben gestellt:

- Den . acheindemokratischen Charakter des Jugendhilfetages zu ent- larven;

- Die "fachlicher" Fragestel lungen der AGJ in ihrem politischen Zu- sammenhang zu diskutieren;

- Den Jugendhilfetag zu benutzten, urn sozialistische Jugendpolitik darzustellen und den OrganisationsprozeB der im Sozialbereich Ta- tigen voranzutreiben;

- Auf dem Jugendhilfetag den aktuellen Kampf sozial istischer Jugend- licher in Hamburg zu unterstu'tzen.

In einem weiteren Arbeitsschritt wurden die von der AGJ formul ierten Fragestellungen zu den 4 verschiedenen Sozial isationsfeldern konkret daraufhin diskutiert, inwieweit sie Ansa'tze zur Vermittlung sozial i- stischer Positionen und Perspektiven bieten bzw. durch neue Frage- stellungen zu ersetzen sind.

In diesen von der AGJ vorgesehenen.auf Sozial isationsfelder konzen- triertenArbeitsgruppen sollen die Teilnehmer "das Recht unter gesell- schaftspolitischen relevanten Aspekten, namlich unter padagogisch-

psychologischen, soziologischen, wirtschaftl ichen und politischen Aspekten untersuchen und zwar daraufhin, ob es . den jungen Menschen ausreichend Leistungen gewahrt, ihn schiitzt, ob die Forderungen, die es an ihn stellt angemessen sind."

Entsprechend der allgemeinen Uberlegungen haben das vom AGJ-Vorstand beauftragte Vorbereitungskomitee und 4 Unterausschiisse folgende The- men fur die Arbeitsgruppen ausgearbeitet:

"Sozial isationsfeld "Familie"

1) Emanzipation des jungen Menschen in der Familie und ihre stufen- weise rechtliche Verwirklichung

2) Elternrecht - Kindesrecht - Staatliches Wachteramt

3) Anspruch des Kindes auf gleiche Entwicklungschancen in der Familie

4) Familienunterstlitzende und famil ienerganzende Hilfen und ihre rechtliche Ausgestaltung

5) Die rechtliche Stellung des Minderjahrigen in familia'ren Sonder- situationen - Verstarkung der Hilfsmbglichkeiten

6) Integrationshilfen flir Auslanderkinder

7) Die rechtliche Stellung kbrperlich und geistig behinderter Kinder

8) Das Kind in der Pflegefamilie

9) Das Kind in der Adoptivfamil ie

10)Erfordern neue Formen menschl ichen Zusamnenlebens (z.B. GroBfa- milien) besondere rechtliche Regelungen?

^nzialisationsfeld "AuBerfamiliare Erziehung (Erziehungshilfen)"

T) Kindertagesstatten als eigenstandige und als famil ienerganzende sozial padagogische Hilfen

2) Ambulante Beratung und Therapie als erzieherische Hilfe

3) Besondere Formen der Fbrderung und sozialpadagogischer Hilfen flir junge Menschen aus sozialen Brennpunkten

4) Das Heim als therapeutisches Milieu

5) Gewahrlei stung von schulischer und beruflicher Ausbildung im Rah- men von Erziehungshilfen

6) Grundrechte junger Menschen im Heim

7) Wohngemeinschaften als Erziehungshilfe

8) Reaktion auf dissoziales Verhalten: Der Erziehungskurs

9) Reaktion auf delinquentes Verhalten: Das sozialtherapeutische Jugendzentrum

10)Die Funktion der freien Trager in der Erziehungshilfe n)Erfu'llung der Erziehungsbedu'rfnisse Minderjahriger durch Zusam- menwirken von Jugendhilfe und Schule.

Sn7ialisationsfeld "Jugendarbeit und Freizeit"

1) Eigenstandigkeit der Jugendarbeit

?[ Jugendarbeit und Verfassung

3 Notwendigkeit und Absicherung der Vielfalt von Zielen, Inhalten

und Methoden in der Jugendarbeit a) Die rechtliche Situation des Mitarbeiters in der Jugendhilfe 5) Beteiligungsrechte Jugendlicher 6 Unabhangige Jugendzentren 7^ EinfluB der Medien auf die Jugend 8 Sexual straf recht in der Jugendarbeit

49

9) Beibehaltung Oder Abschaffung tier Jugendschutzgesetze? 10)Freizeit - Mbglichkeiten flir die Jugend

Sozialisationsfeld "Ausbildung und Beruf"

1) Sozial isationsergebnisse von Bildungsprozessen und privatwirt- schaftlicher Verantwortung

2) Die Oberwindung der Trennung von beruflicher und allgemeiner Bil- dung

3) Die Rolle der Schule und der Beruf sberatung bei der Vorbereitung der Jugendlichen auf die Arbeitswelt

4) Die Ausbildungsfbrderung und die Bediirfnisse der Jugend

5) Ausbau der Schutzrechte flir Jugendliche im ArbeitsprozeB und in beruflicher Ausbildung

6) Mitverantwortung und Mitbestimmung Jugendlicher in der berufli- chen Bildung"

Nach unserer Einschatzung zielen die vorgesehenen Theraenbereiche auf eine "Verrechtlichung" und "Verfachlichung" der Diskussion und damit auf die Leugnung materiel ler und politischer Interessen der Trager- verbande und die Verharmlosung und Neutral isierung gesellschaftl icher widerspruche. Die Widerspriichlichkeit der Sozialarbeit als Versor- gungs-und Disziplinierungsinstrument staatl icher Politik, die reale Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse greift die AGJ ebensowenig auf wie die aktuellen Kampfe der Arbeiterbewegung und die politischen Konflikte im Sozialbereich.

Wir gehen aus von der diskutierten Aufgabenstellung der Sozialisti- schen Aktion und der Einschatzung, daB die bei vielen Sozialarbeitern/ Sozialpadagogen vorherrschende Meinung - ein besseres Jugendhilfe- recht bringe eine bessere Jugendhilfepraxis - aufgebrochen werden ino'Bte . Daher soil nicht das neue Jugendhilferecht im Hittelpunkt der Diskussion stehen, sondern die derzeitige Jugendhilfepraxis mit all ihren Problemen, Behinderungen und Disziplinierungen, sowie die all- gemeine Situation der Arbeiterjugendl ichen, Fragen des Berufsverbots, politische Justiz, urn nur einige Aspekte zu nennen. Auf folgende thematische Schwerpunkte bereitet sich die Sozialisti- sche Aktion vor und wird sie in die Arbeitsgruppen auf dem Jugend- hilfetag einbringen:

1 . ) Famil ie

50

Familie als Sozialisationsinstanz in der kapitalistischen Gesell- schaft;

Zusammenhang der soziobkonomischen Situation der Arbeiterfamilie und den Sozial isationsbedingungen von Arbeiterkindern unter beson- derer Berlicksichtigung der Familie;

Vergesellschaftsungstendenzen im Erziehungsbereich (Vorschule etc.) Eingriff des Staates in die Erziehungsgewalt der Familie - Schutz und Recht der Kinder im Hinblick auf die Versorgung und ihre Bediirf- nisse im Zusammenhang mit der Arbeitskraft-Qual ifizierung; Sozialtherapeutische Funktion der Familie/Familie als Terrorzusam- menhang (KindesmiBhandlung); Kleinfamilie versus Wohnkollektive flir Kinder und Jugendliche.

2.) AuBerfamiliare Erziehung

- Zusammenhang zwischen der allgemeinen Lage der Arbeiterjugendl ichen und der Deklassierungsproblematik;

- FUrsorgeerziehung/Strafvollzug als Diszipl inierungsinstrumente - Doppelcharakter anderer gesellschaftl icher Erziehungshilfen (Ver- sorgung/Qualifikation - Kontrolle/Disziplinierung);

- Verschleierung der Diszipl inarfunktion von ErziehungsmaBnahmen durch sozial integrative Methoden;

- Gewaltsame Zerschlagung/Kriminalisierung von Selbstorganisationsan- satzen durch Polizei und Justiz;

- Professionelle Alternativen im Interesse der Arbeiterjugendl ichen (keine Trennung zwischen 'dissozialen' und 'normalen' Arbeiterju- gendl ichen).

3.) AuBerschulische Jugendarbeit und Freizeit

- Situation der Arbeiterjugendl ichen im Freizeitbereich;

- Rolle des Staates und der Verbande im Bereich der Jugendpflege;

- Jugendinitiativen als Kritik an der herrschenden Jugendpflege und damit am Staat;

- Politische Perspektive von Sozialarbeitern/Verhaltnis zu selbstver- walteten Jugendzentren;

_ Dokumentation der politischen Diszipl inierung jugendlicher Initia- tivgruppen und Jugendorganisationen.

4.) Ausbildung und Beruf

- Analyse der Lage der lohnabhangigen Jugendlichen im Produktionsbe- reich und Reproduktionsbereich;

- Forderungen an ein neues Arbeitsschutz- und Berufsbildungsgesetz;

- Oberwindung des dualen Systems (Verstaatlichung der Berufsausbil- dung/Interesse des Kapitals an der Berufsausbildung - Reformtenden- zen: Durchsetzung von prozeBunabhangigen Qual ifikationen).

Der organisatorische Ablauf ist von der AGJ unter folgendem Kommu- nikationsschema geplant:

I Erbffnungsteil:

8 September nachmittags: "Finer redet zu alien" "Mbglichst sachlich und ohne groBes Zeremoniell " soil der Jugend- hilfetag erbffnet werden; GruBworte sollen schriftlich vorgelegt werden- Frau Focke - BMJFG - wird nach unseren Informationen das Eroffnungsreferat: "Kind - Recht - Gesellschaft" halten. Eine Diskus- sion ist nicht vorgesehen.

TI Informationsteil:

g September 9-12 Uhr: "Weniae diskutieren st.fl 1 Yfirtretend Fntsprechend der 4 Sozialisationsfelder sind 4 getrennte Podiumsdis- kussionen von maximal 2 Stunden Dauer geplant. Pro Sozialisations- feld wird mit ca. 500 - 800 Teilnehmern gerechnet. "Die Podien sollen mit 6 Personen besetzt sein: 1 General isator (ein Wissenschaftler - r tragt in einem Statement die Fragestellungen vor und ninmt dann an der Diskussion teil); 1 Vermittler zwischen Theorie und Praxis bzw zwischen den verschiedenen Interessen stehend; 3 unterschiedli-

51

52

chen Interessen zuzuordnende Praktiker. Geleitet wird das Podium von einem sachyerstandigen Mitarbeiter der bffentlichen Medien. DieZunorer sollen sich an der Diskussion nicht beteiligen; auch Fragen sind mcht zugelassen."

Ill Diskussionsteil:

9. September 14.30 - 17.30 Uhr:

10. September - 17.30 Uhr.

"Alle diskutieren"

li*tj J611 SOllen ca- 40 50 Einzelthemen behandelt werden. Die tJll I ^uPPen sollen aus nicht mehr als hbchstens 50 Teilnehmern ' ?' ?etreu* ^rden die Gruppen von Sachverstandigen, die fUr die Diskussionen Arbeitspapiere formuliert haben."

IV Ergebnisteil:

11. September 9 - 12 Uhr: "Wenige diskutieren stellvertretend'L

&H»??«S? 5 rechtspolitisch wichtigsten Probleme jedes einzelnen l^lll I lonsfeldes" (getrennt voneinander) in einem Podium disku- llt ,JZ « den;,'S dlesem Podium sind vertreten: Moderator, Generalisa- *Z "nd.Ve[;mlt"er aus dem Informationsteil , sowie 3 Personen aus dZ Mnrili? T zelS-l dl? 1n einem lusti9en Oemokratiespielchen (nach £Lter fcMeniitverwItung} Sewahlt werden: "Jede AG wahlt d e r ,?PTCher: Innerhalb eines Sozialisationsfeldes bilden

wa-hit h™? n|precher J»« Sprecherkonferenz. Die Sprecherkonferenz wahlt drei Personen fur das Podium aus "

gebffnet1werdenE"9ebniSteil ka"n 3UCh fUr Fragen aus dem Publ1kum

di»StraH?tn?nn^wtUHP^n^P des ^gendhi If stages erinnert stark an An der SnliT teudalis^schen Orientierungen der Sozialarbeit: schani^^i^Tn? ' ! " E R " kraft Fischer Weisheit (Herr- I UN fojgt der (wissenschaftliche) K L E R U S und spricht stell" o'h he i?i~ Ka«er "I'll T durch einen Ver^i t er e elzt werden. Ser » d H?a ' Dann darf das 'Baneine Volk' untereinan-

schwktzl wirrf ut T ] r-den- Dam1t dafaei nicht duim.es Zeug ge-

| z ww fiaasr&,sBa,5r,A ,o° "°der,,or'

sich 8 ^SnT^'wi^K^^^ aUS'

AufganbenblreichenPtde°r9,;r S" i^o™«onsfbren zu bestl-te" Erfahrunqslus?ausch IT"1 !e an9eboten werden, die (z.B.) den lichen " dle Selbstdarstellung von Projekten ermbg-

ln diesem Rahmen soil auch ein "Raum zur Verfugung gestellt werden,

H ^ M°9lichkeiten bietet, sowohl Podiumsdiskuss^nen durchzufUh- __ 58ft Ma]s auch Kontakt- und Inforraationsgesprache in kleinen u SeWlnun9 des Vorbereitungskomitees zu dieser Moglichke " gej^torganisation von Interessen und Bedurfnissen war allerdings

"" -LS"teht die Gefahr> daB mn Hiife dieses Forums eine Art "Neben

' {«« llilnehm^dieses DJHT sollen nicht nur Informations- und 01^ ^sionsmbglichkeiten haben, sondern die einnalige Chance g "«zen, durch konkrete Vorschlage auf die ?«etzgebung

. "eues Ougendhilferecht auf breiter Basis einzuwirKen. ^ ^

wenn zahlreiche spontane Arbeitsgruppen entstenen, " AuBer.

!ahr der organisatorischen Oberforderung des Ve«a

- auf 2Urfte *s an ausreichendem ^uml chen Angebot fehlen ^ lu1 den Informationsforen: kbnnten sich Mmderheiten 9 ^ ^lieren und dadurch aggressive Auseinandersetzungen verm

jolcS'Foren bdten die Mbglichkeit, Themen, dl**^^18"™ programn, 2U kurz gekommen sind, doch noch zu behandem.

fje Art und Weise.wie dieser Jugendhilfetag i^altlich und organisa- AGJ H^n "rukturiert werden soil, machen fur uns deutnc , die 2]e A«einandersetzung im J"gendhilfebereich "^erdruc ^

SoLK?nfl1kte und Disziplinierungen sowohl vonn^Sige Aufsplitte-

runa arbeitern nicht 5eh*" wil1- Dien-nahecinns rker ommt zwar dem CV/S °"9endhilfetages in kleine ^^^^"l^hringsaustausch sch"-fnis vieler Kollegen nach "berregionalem Erfahrung die

Art? nbar entgegen, erschwert aber in der vorgesehenen hon Durch_ ^kulation gemeinsamer Interessen und tragt dazu ■-zung zu verhindern.

wie wir auf diese Struktur reagieren ^^'diTpraxiskon- -=..cionen in die Arbeitsgruppen einbnngen^ ngchsten Vorbe- thematisiert werden kbnnen etc. , SOI i ■> L _,__ „„m pfi. . 28.4.

n-tlntent

^■e I,

reit. theraatisiert werden kbnnen etc. , sou ° . rg vom 26. ^^ngstreffen der Sozial istischen Aktion in Hambu g Die Vr°rtert werden. Tu Qnhor(5iche Ubernehmen einzel-

*l* ">haltliche Vorbereitung der 4 Themenbereicne Gruppen auf.

be^!S10na1e Arbeitsgruppen. Ferner sind « ^ l dhilfetag zu

fWert, weitere Vorbereitungsgruppen fUr *fj»$d Ausbildungsstat- KjdW ^nd die Diskussionen in die Dienststellen

D, nineinzutraqen. . mt ein Mberregionaler Koor

da?r9ani"toriLhe Vorbereitung uberni^teinbe^g^^^.^^.

^tionsausschuB, zu dessen Aufgaben bis zum ' VerBff9ehbren: " ^'1ali!

. i ,<;tischen Aktion '"Wfintii chung eines "Aufrufes ^r Soziai f an die

fculierung und Verbffentlichung eines utre

- W « 28 4 1974 in Hamburg-

Vo|-bereitung der Tagung vom 26. - 28.4. ^ ^

S^ktadresse fur die Sozialistische Aktion: Info SOgZia ar

g es°2ial istischen Buro, 605 Offenbach 4. « Effinger, 2 Hamburg

£j Kontaktadresse fiir Hamburg lautet. Heroe

KePsoldstr. 49

53

H I N W E I S E :

1. Die Vorbereitungsmaterialien der AGJ fiir den Jugendhilfetag sind anzufordern bei: AGJ 53 Bonn 1, Haager Weg 44

2. Wir bitten die Gruppen und Genossen, sich fiir das Vorbereitungs- treffen bis spatestens 2o- April anzumelden, damit wir uns orga- nisatorisch darauf einstellen konnen.

3. Folgende Regional gruppen "Jugendhilfetag Hamburg" haben sich bis- her gebildet:

Berlin: c/o AKS, 1 Berlin 41, Wielandstr. 26

Bielefeld: c/o KKS, Friedhelm Peters, 4801 Jbllerbeck, Bielefel-

der Str. 23

Diisseldorf: c/o AKS, Gerd Rieger, 4 Dusseldorf, Oberkasselerstr.7

Frankfurt: c/o AKS, Elisabeth Knb'pp, 6 Frankfurt, Eppsteinerstr.26

Gb'ttingen: c/o Db'rte Uhlendorf, 34 Gottingen, Ruhstrathbhe 7

Hamburg: c/o Herbert Effinger, Hamburg 1, Repsoldstr. 49

Kassel: c/o Peter Bauche, 3501 Fuldabru'ck 1, Neue Str. 3o

Kbln: c/o Michael Fest, 5 Kbln, Siegburgerstr. 28o

Mannheim/

Heidelberg: c/o H.-J.Kreutzer , 59 Heidelberg, Friedr.-Ebert- Anlage 47

MUnchen/ c/o Verband Sozialarbeiter in Bayern, 8 Mu'nchen 8o, Bayern: Burggrafenstr. 4

Wir bitten alle interessierten Sozialarbeiter, Sozialpadagogen etc., sich an die Kontaktadressen zu wenden und sich an den Vorbereitungen zum Jugendhilfetag zu beteiligen.

PROBLEME DES KLASSEN- KAMPFS U/I2

ca. 350 Seiten

*

9,00 DM

Erhaltlich in den Buchladen oder direkt beim Verlag: POLITLADEN ERLANGEN 852 Erlangen Postfach 2849

AbonrMmanM und nur dirakt rain Verlag beitehbar. Abo-Pren Fur 6 Emfachhifte (bzw. 2 EmfaCrv und 2Dopp«lhshil HI DM 27,00 inkluuue Vmandkoilan LuitpotiaQonne- mtnlt Inui j utter hilb Mineleuropii) DM 32,00. Die Lieferung wnd aufganommen, »■ bald der AbD-Betr*g barm Verlafl amrjiBansen Hi. Oabai hi arnunetwri, ib walcnem Hat! die Ztiwndunfl BBwumchi wird, wobai fruhenmogi-cher Abo-Bagmn da! lutein er*eh'«- nene Hah nt.

BfUhiung djrch UWrwauung an Polnliden GmbH. B52 Errangan, Konta Nr. 3234-850 PotttchMkirrH NurnberB <"»«' Konto Nr, 1190 Harlfeiwnkatw Effellr.ch/Oberfrinken. Au»!«ndiub*rwenungen bitte nui per Poit, da B»nt<ub«,^*l«ungan mil Gebuhren be la He i

R abehl/ Spohn.' Wolier

Halbheiten in der Uberwindung des Leninismus, Zur Leninkritik des Projekts Klassenanalyse.

N ! K adntike

Kritik der Sozialfaschismus-Theorie n Olle

Zur Theorie des Staatskapitalismus. Probleme von Theorie und Geschichte

BfuhrW Wolftns/ Koehr

Das Geld im Imperialismus

E . A Iwaier

Vorwort zu den Aufsatzen von Massa- rat und Tahmassebi

M Mitiiui

Energieknse Oder die Krise des Kapita- lismus

Zur Situation der erdolexportierenden Lander des Nahen Ostens

SOZIALISTISCHE AKTION JUGENDHILFETAG

Wakrend der konstituierenden Sitzung der Sozialistisshen Aktion zum Jugendhilfetag Hamburg erreiehte uns der folgende Brief des AGJ- GesahaftsfUhrers Dieter Greese mit einem 10-seitigen Artikel zum 5. DJHT "Die AGJ und die Not der Konzeption". Aus Platzgrunden sind wir nieht in der Lage, diesen Artikel abzudruoken, nehmen aller- dings an, dali er in nachster Zeit in einer "geeigneten Zeitsohrift" verOffentlicht wird. Auf die Integrationsversuche der AGJ, ihre organi- satorische und inhaltliche Planung des Jugendhilfetages haben wir mit einem "Offenen Brief" an die AGJ geantwortet. Im folgenden werden der Brief des AGJ-Gesahaftsfuhrers und der "Offene Brief" an die AGJ abgedruskt:

A B

S C H R I F T

Dieter Greese in Arbeitsgemeinschaft fiir Jugendhilfe

An das

Sozialistische Bu'ro 605 Offenbach 4 Postfach 591

Betr.: 5. Deutscher Jugendhilfetag

5300 Bonn 1 , Haager Weg 44 Telefon (022 21) 28 15 20 Sparkasse Bonn 10.651.081 17.1.1974 gr-ha

Liebe Genossen,

wie ich aus Veroffentlichungen im JW-Dienst und im Verlagsprospekt des "R0TEN STERN" gelesen habe, bereitet Ihr wieder eine sozialisti- sche Aktion fiir den 5. Deutschen Jugendhilfetag vor. Es scheint mir dabei wichtig, daB Ihr einige Hintergrundinformationen beriicksichtigt.

Seit 1970 hat sich in der Geschaftss telle der AGJ einiges verandert. Mit Hilfe der Gewerkschaftsjugend bin ich Mitte 1973 mit knapper Mehrheit zum Geschaftsfu'hrer der AGJ gewahlt worden. In der Geschafts- stelle der AGJ arbeitet ein junges Team mit Referenten, die sich nach Kra'ften urn fortschrittliche Lbsungen der anstehenden Probleme bemuhen. Ich selber habe den Vorsitz im Vorbereitungskomitee fiir den 5. Deut- schen Jugendhilfetag noch zu einer Zeit gefuhrt, als ich noch Gewerk- schaftsjugendsekretar in Rheinland-Pfalz war. Mit einigen anderen Genossen haben wir uns bemiiht, soweit wie mbglich Konzeption, Themen- stellung und personelle Besetzung des Jugendhilfetages zu beeinflus- sen. Wir muBten dabei einerseits Kompromisse eingehen, andererseits ist'es uns aber an vielen Stellen gelungen, unsere Vorstellungen

55

durchzusetzen. Mi t welcher Intention wir an der Gestaltung des Ju- gendhilfetages gearbeitet haben, geht aus dem beiliegenden Papier her- vor, das ich demnachst als Aufsatz in einer geeigneten Zeitschrift verdffentlichen rabchte.

Es mag sein, daB von Euch unsere Arbeit anders bewertet wird. Mbgli- cherweise sind wir auch partiell betriebsblind geworden. Uraso wich- tiger ware es, mbglichst bald in einen Dialog einzutreten, urn zu ver- meiden, daB Ihr gegen Pappkameraden ka'mpft und die Genossen, die im Rahmen der AGJ-Arbeit mitverantwortlich sind, fur den 5. DJHT vor den Kopf gestoBen werden. Darliber hinaus ist es derzeit noch mbglich, personelle und thematische sowie in begrenztem Umfang auch strukturel- le Vorschlage zu berlicksichtigen. Wir bitten Euch deswegen herzlich darura, uns in die Organisierung der Sozialistischen Aktion einzube- ziehen. Wegen der drangenden Zeit bitten wir urn Eure baldige Reaktion.

Mit freundlichen GrliBen gez. (Dieter Greese)

f.d.R. Gu'nter Pabst

Offenbach, 15. Ma'rz 74

OFFENER BRIEF

DER "SOZIALISTISCHEN AKTION"

Offenbach, 28.2.1974

AN DIE "ARBEITSGEMEINSCHAFT FOR JUGENDHILFE (AGJ)" ZUM 5. DEUTSCHEN JUGENDHILFETAG

Die AGO hat namens ihres Geschaftsflihrers Dieter Greese am 17.1.1974 an die mutmaBlichen Initiatoren einer "Sozialistischen Aktion" auf dem bevorstehenden Hamburger Jugendhilfetag einen Brief gerichtet, in dem "herzlich" darum gebeten wird, die AGJ "in die Organisierung der Sozialistischen Aktion einzubeziehen".

Auf einer Versammlung von 14 Sozialarbeitergruppen aus dem Bundesge- biet und Westberlin hat sich am 20.1.1974 in Bielefeld eine "Sozia- listische Aktionsgruppe" fur den kommenden Jugendhilfetag konstitu- iert. Die Versammelten haben einen AUFRUF beschlossen, der in den vergangenen Wochen in verschiedenen Publ ikationsorganen verdffent- licht wurde.

Der Brief der AGO ist auf der Bielefelder Versammlung diskutiert und als Versuch bewertet worden, die auf dem Jugendhilfetag bffentlich zu fiihrende Auseinandersetzung iiber die Situation im Bereich der Ju- gendhilfe in das nicht-bffentliche Vorbereitungsgremium der AGJ vorab zu verlagern und damit auf dem Jugendhilfetag selbst zu ver- hindern. Die weiteren Vorbereitungstreffen der "Sozialistischen Ak- tion" werden im Gegensatz zu den Vorbereitungssitzungen der AGJ bffentlich sein.

56

Die "Sozial istische Aktion" sieht hingegen keinen Sinn darir, mit der AGJ hinter verschlossenen Turen darliber zu verhandeln, ob sie

"personelle und thematische sowie in begrenztem Umfang auch struktu- relle Vorschlage zu berlicksichtigen" geneigt sein mag. Veranstalter des Jugendhilfetages ist die AGJ, nicht die "Sozialistische Aktion", und die AGJ wird den von ihr konzipierten Jugendhilfetag auch selbst zu verantworten haben.

Die AGJ hat bis heute auBer allgemeinen Anklindigungen keine konkreten Angaben liber den vorgesehenen Ablauf des Jugendhilfetages verbffent- licht. Dies macht es interessierten Kollegen im Bereich der Jugend- hilfe, die nicht in dem von oberen Behbrden- und Verbandsvertretern beherrschten Vorbereitungskomitee und den Vorbereitungsausschussen vertreten sind, unmbglich, auf die Planting des Jugendhilfetages Ein- fluS zu nehmen.

Nach aufmerksamem Studium der uns bisher vorliegenden internen Vorla- gen und Protokolle sind wir zu dem SchluB gekommen, daB der diesjah- rige Jugendhilfetag sich in der Art der Fragestellungen und dem vor- gesehenen Ablauf nicht wesentlich von dem Nlirnberger Jugendhilfetag 1970 unterscheidet, lediglich auf das bisher ubliche Zeremoniell von Regierungsansprachen soil verzichtet werden, und flir die Diskussion werden einige methodische Auflockerungen anvisiert: weniger Referate, Einsatz von Medien und ahnliches.

Die vorgesehenen Fragestellungen hingegen zielen mehr noch als dies in Nu'rnberg der Fall war -wo Konfliktsituationen immerhin ausdriick- lich thematisiert wurden - auf eine "Verrechtlichung" und "Verfachli- chung" der Diskussion ab und damit auf die Leugnung materieller und politischer Interessen und die Verharmlosung und Neutral isierung ge- sellschaftl icher Widersprliche. Beispielsweise wird auch von der po- litischen Disziplinierung und den immer zahlreicheren politisch moti- vierten Entlassungen und Berufsverboten im Jugendhilfebereich in kei- ner Weise Notiz genommen, geschweige denn nach ihren gesellschaftli- chen Ursachen gefragt.

Die nahezu vollstandige Aufsplitterung des Jugendhilfetages in kleine Diskussionszirkel kommt zwar dem Bedlirfnis vieler Kollegen nach Uberregionalem Erfahrungsaustausch scheinbar entgegen, erschwert aber in der vorgesehenen Form die Artikulation gemeinsamer Interessen und tra'gt dazu bei, ihre Durchsetzung zu verhindern. Stattdessen sollen die Teilnehmer an parlamentarische Gremien und Gesetzgebungsprozedu- ren fixiert werden. "Aufgabe der Diskussionsleiter ist es, die Dis- kussion in den Arbei tsgruppen in den Grenzen der Thematik (Jugend und Recht) zu halten und auf das Ziel, mbglichst Vorschlage fur die Recht- setzung zu erarbeiten, zu lenken." (1. Konzeption der AGJ v. 14. 3. 73) Die Arbeitsgruppen sollen "sich geordnet nach Sozialisationsfeldern zusammenfinden und ihre Ergebnisse, Wunsche und Forderungen an den Gesetzgeber vortragen." (Vorlage des Vorbereitungskomitees v. 28. 8. 73 an den Vorstand der AGJ)

Die Teilnehmer sollen zwar eintrachtig und in kleinen liberschaubaren Gruppen miteinander diskutieren und sich, wenn nbtig, die Kbpfe heiB reden. Aber: "An eine gemeinsame SchluBveranstal tung aller Arbeits- gruppen ist nicht gedacht." (Vorlage v. 28.8.73) Und: "Beschlusse werden nicht gefaBt." (1. Konzeption v. 14.3.73).

Aus den vorgesehenen Fragestellungen und dem geplanten Ablauf geht

57

hervor, daB auch der 5. Jugendhilfetag der scheindemokratischen Le- gitimation der Jugendpolitik der Regierungen und der Verbandsfuhrun- gen dient und zugleich die Loyalitat der "Fachbasis" gegenuber dem blirgerlichen Staat sicherstellen soil. Er soil die Illusion verbrei- ten und festigen helfen, die Masse der rait Kindern und Jugendlichen beruflich befaBten Sozialarbeiter und Sozialpadagogen kbnne mitreden und raitentscheiden bei der "hohen Jugendpolitik".

Aus den uns vorliegenden Unterlagen konnten wir beim besten Willen nicht entnehmen, welche "fortschrittlichen Losungen der anstehenden Probleme" der "Genosse" Geschaftsflihrer Greese im Auge hatte und die er meint, zusammen rait dem ihm verbundenen "jungen Team" flir den kom- menden Jugendhilfetag "an vielen Stellen" durchgesetzt zu haben. Be- sonders deutlich wird dies am Beispiel der Finanzierung des Jugendhil- fetages. Obwohl die AGJ schon 1970 aufgefordert wurde, die Teilneh- mergebuhren zu streichen, da den Teilnehmern nicht zugemutet werden kann, neben Fahrt- und Unterkunftskosten auch die Tagung der AGJ zu finanzieren, werden wiederum Teilnehmergeblihren zurFinanzierung des 5. DJHT in Hamburg in Hb'he von DM 30.-- erhoben.

Die Kosten des 5. DJHT werden auf DM 250 000 geschatzt, davon tragt das Bundesministerium flir Jugend, Familie und Gesundheit DM 160 000, die Hansestadt Hamburg und die Teilnehmer jeweils DM 45 000. Allein 30 % der anfallenden Kosten sind Reisekosten fiir Vorbereitungsgre- mien, Referenten, Arbeitskreisleiter, Vorstand und Geschaftsstelle und Honorare flir die Referenten und die Teilnehmer der Podiumsdiskus- sionen. Es ist dabei nicht einzusehen, daB Sozialarbeiter, Kinder- gartnerinnen, Erzieher etc. mit ihren Teilnehmergebiihren noch die Honorare und Reisekosten der Verbandsfunktionare bezahlen sollen.

Um eine mdglichst breite Teilnahme am Jugendhilfetag und die effek- tive Artikulation der Interessen und Vorstellungen der Teilnehmer zu gewahrleisten, richtet die "Sozial istische Aktion" an die AGJ folgende Forderungen: -UNVERZOGLICHE INFORMATION DER UFFENTLICHKEIT, DER K0LLEGEN IN DIENSTSTELLEN UND AUSBILDUNGSSTKTTEN DURCH DIE V0R- BEREITUNGSPAPIERE. DER AGJ EINSCHLIESSLICH DER VON ANDEREN GRUPPEN ERARBEITETEN PAPIERE - VERZICHT AUF TEILNEHMERGEBOHREN - DISKUSSI0N AUF DER EROFFNUNGSVERANSTALTUNG - KEIN EROFFNUNGSREDNER, DER P0LI - TISCHE DISZIPLINIERUNGEN UND BERUFSVERBOTE GEGEN FORTSCHRITTLICHE KOLLEGEN MITZUVERANTWORTEN HAT- ERKLARUNG DER AGJ GEGEN DIE BERUFS- VERBOTE, GEGEN DIE KRIMINALISIERUNG VON POLITISCHEN AKTIVITBTEN JUGENDLICHER UND DIE BRUTALE BEHANDLUNG VON GEFANGENEN(INSBESONDERE DER POLITISCHEN GEFANGENEN) IN DER BRD - STELLUNGNAHME ALLER REFERENTEN AUF DEM 5. DJHT ZU DEN BERUFSVERBOTEN UND POLITISCHEN DISZIPLINIERUNGEN IM SOZIALBEREICH - KOSTENLOSE BEREITSTELLUNG VON DRUCKMOGLICHKEITEN FOR ALLE TEILNEHMER UND INITIATIVGRUPPEN AUF DEM JUGENDHILFETAG - BEREITSTELLUNG VON RfflJMEN FOR NICHT IM PROGRAMM VORGESEHENE VERANSTALTUNGEN VON TEILNEHMERN UND INITIATIVGRUPPEN AUF DEM JUGENDHILFETAG - GEMEINSAME ABSCHLUSSVERANSTALTUNG ALLER ARBEITS- GRUPPEN MIT DER MOGLICHKEIT, GEMEINSAME INTERESSEN UND FORDERUNGEN ZU ARTIKULIEREN.

58

Die "Sozialistische Aktion" erwartet von der AGJ, daB sie umgehend zu diesen Forderungen bffentlich Stellung nimmt.

Sozialistische Aktion Jugendhilfetag

REPRESSIVE MASSNAHMEN IM SOZIALBEREICH

Fall 1: RausschmiB der Dip! .-Politologin I. Wawrzyniak

Am 5- Marz 1974 entband die Stadt Wuppertal die Jugendreferentin flir politische Bildung des Deutschen Volkshochschulverbandes Diplom- Politologin Ingrid Wawrzyniak, die an der Volkshochschule Wuppertal ein Jugendprogramm entwickelt hat, von alien stadtischen Diensten. Als Griinde flir diese "Trennung" lieB die Stadt durchsickern, daB die Einstellungsbedingungen der Stadt Wuppertal nicht erflillt seien. Es wurden Meldungen uber ein pol izeiliches Fuhrungszeugnis laut, das Vorstrafen aufweisen soil. Angeblich allein aus diesen Grlinden, 'die in ihrer Person liegen' (Oberstadtdirektor Krurasiek) hat die Stadt Wuppertal der Jugendreferentin gleichzeitig ein Hausverbot fur alle stadtischen Dienstraume, besonders fur das Haus der Erwachsenenbil- dung, erteilt.

Was steckt wirklich dahinter?

Ingrid Wawrzyniak hat ein einwandfreies pol izeiliches Fuhrungszeugnis. Keine Eintragungen bestatigte die Registerbehbrde der zustandigen Staatsanwaltschaft in diesem Fuhrungszeugnis.

Am 2. Marz 1974 fand in der Volkshochschule Wuppertal im Rahmen des Jugendprogramms eine Diskussionsveranstaltung zum Thema 'Selbstver- waltetes Jugendzentrum'. statt, diese Veranstaltung war Teil des Ju- gendprogramms von Ingrid Wawrzyniak und wurde von ihr geleitet. Einge- laden waren alle Jugendorganisationen Wuppertals, von den kirchlichen Jugendverbanden liber die Gewerkschaftsjugend bis zu den Jugendorga- nisationen der Parteien. Eingeladen waren besonders die Eltern der jugendlichen aus der 'Initiative fiir ein selbstverwaltetes Jugend- zentrum' selbst, die seit rund einem Jahr aus 150 - 200 Jugendlichen Wuppertals besteht. Denn urn ihre Forderungen - Verfu'gungstellung eines leerstehenden Hauses und Finanzierung der laufenden Kosten flir ein selbstverwaltetes Jugendzentrum - ging es in dieser Diskussion.

60

sche Drahtzieher im Hintergrund andichten.

In der Woche vor der Veranstaltung, die am 2.3.74 stattfand, wurde Ingrid Wawrzyniak wegen dieser Diskussionsveranstaltung bereits der RausschmiS angedrcht. ("Ihr Kopf liegt auf einem silbernen Tablett, ihr Kopf wackelt" Oberstadtdirektor Krumsiek). Drei Tage nach der Veranstaltung wurde die Drohung wahrgemacht, ohne daB man die wahren Gru'nde nennen wollte. Das Wuppertaler Tageblatt 'NRZ' setzte Lugen Liber das FLihrungszeugnis in die Welt. Damit glaubte man, den Fall erledigt zu haben. Die Stadt empfahl der Jugendreferentin, die Tren- nung 'stillschweigend' hinzunehmen, d.h. nichts anderes als sich einem politischen WillkLirakt ohne Gegenwehr zu beugen.

Im gleichen Atemzug gent man daran, 'der VHS die Flligel zu stutzen' (NRZ), versucht man, ihr einen Maulkorb umzubinden. Die Volkshoch- schule hat kiinftig eine Liste von Veranstaltungen, die hinsichtlich ihrer Wirkung problematisch erscheinen, der Stadt zurEntscheidung vorzulegen. (NRZ)

Diskutiert werden soil offensichtlich nur das, was der Stadt gefallt. Wir protestieren aufs scharfste gegen dieses Vorgehen der Stadtver- waltung Wuppertal und fordern auf, sich dem Protest anzuschlieSen. Wir betrachten dieses Vorgehen der Stadtverwaltung als einen Angriff auf die Informations- und Meinungsfreiheit. Soil in der Stadt Wupper- tal tatsachlich der Zustand herrschen, daB diejenigen, die ein von der Stadtverwaltung 'unerwunschtes ' Thema diskutieren oder eine sol- che Diskussion ermbglichen, keinen Platz in der Jugendarbeit Wupper- tals haben? Soil es so sein, daB Forderungen, die von den Jugendli- chen selbst kommen, nicht einmal mehr diskutiert werden dlirfen. Das kdnnen und dlirfen wir nicht zulassen.

Wir betrachten dieses Vorgehen der Stadtverwaltung weiter als einen Einschlichterungsversuch und eine Drohung gegen alle, die sich ernst- haft mit kritischen Themen auseinandersetzen wollen. Wir fordern auf, sich gegen diesen Angriff auf Informations- und Meinungsfreiheit zu wehren.

FOR DIE SOFORTIGE WEITERBESCHRFTIGUNG DER JUGENDREFERENTIN INGRID WAWRZYNIAK IN WUPPERTAL!

GEGEN DIE EINSCHRANKUNG DER INFORMATIONS- UND MEINUNGSFREIHEIT!

SCHICKT BITTE EURE S0LIDARITA7SADRESSEN an:

- Stadt Wuppertal, OSTDir. Krumsiak und Kulturdezernent Dr. Dr. Revermann, 56 Wuppertal 2, Rathaus, Telf. 531

- Asta der Gesamthochschule Wuppertal 1, Friedrich-Engels-Str. 89

(Aus: Flugblatt des Asta)

Fall 2: Berufsverbote jetzt auch bei der Stadt Munchen

HANS-GEORG FRIESER, 23 Jahre und Sozialarbeiter arbeitete uber ein Jahr als Berufspraktikant beim Stadt jugendamt in einer Mlinchner Obdachlosensiedlung. Das Studium hat er mit der Gesamtnote 1 abge- schlossen, und auch seine Arbeit wurde von den Kollegen und den Vor- gesetzten als ausgezeichnet bestatigt.

Im Jul i 1973 bewarb er sich urn eine feste Anstellung beim Stadtju-

qendamt. Dann horte er einige Monate nichts Man wollte inn

offensichtlich "aushungern". Doch seine Arbeitskollegen, die in eini- qen Briefen seine sofortige Einstellung forderten, beschlossen, ihn bis zu einer endgliltigen Entscheidung in eigener Regie weiterzube- schaftigen und einen Teil des ausfallenden Lohnes aus eigener Tasche zu bezahlen.

Qie von ihm betreuten Menschen in der Obdachlosen-Siedlung sammelten Unterschriften fur seine Einstellung, Dozenten und Studenten der FHS schlossen sich dieser Forderung an, ebenso viele andere Sozialarbei- ter.

Am 26. Oktober 1973 wurde er dann zu einer "Einvernahme" ins Rathaus bestel'lt, zusammen mit einem Rechtsvertreter der QTV. Dort wurde er befragt Liber seine DKP-Mitgliedschaft, iiber sein Verhaltnis zu den deutschen La'ndern - kein Ton Uber seine Vorstellungen zur Arbeit pines Sozialarbeiters.

Dieses Gesprach als auch die Nachforschungen des Verfassungsschutzes erbrachten nichts Nachteiliges, dennoch entschied die SPD-Stadtrats- fraktion, auf Betreiben von OB Kronawitter, mit 34 zu 7 Stimmen aeqen die Einstellung von H.G. Frieser. Am 11. uezember 1974 fallte ^er personal ausschuS di.e endgultige negative Entscheidung: Keine Einstellung!

(Aus: Knast + Randnotizen Nr. 4/74)

Fall 3; Kinderhaus brutal von Polizei gera'umt und zerstbrt

B^r"''-'tes AbriSteam'mit einer von Bezirksstadtrat Schmidt angeord- neten ca. 3oo Mann starken Polizeieinhei t an. Zu dieser Zeit befanden

61

sich etwa 3o Kinder und Jugendliche in tier Mittelbaracke. Die Polizei zerschlug die Fensterscheiben und stiirmte die Mittelbaracke, bedrohte die Kinder nit Gummiknlippeln und ging brutal gegen die weinenden Kin- der vor. Danach wurde auch die Inneneinrichtung von der Polizei zer- trummert und die Jugendliclien auf die StraBe getrieben. Die StraBe und Umgebung wurde von Polizeieinheiten hermetisch abgeriegelt. Dadurch war der Weg fur das AbriBkommando f rei . Der AbriB fand statt, ohne daB das Bezirksamt sich dariiber einig ist, was auf dem Gelande gebaut werden soil .

In der Abendschau teilte der Blirgermeister mit, daB der gesamte Nut- zungsvertrag fitr das Jugendzentrum geklindigt ist; datnit steht die ge- samte Zerstbrung des Ougendzentrums bevor,

Nahere Information: Schbneberger Jungarbeiter- und Schlilerzentrum e.V., 1 Berlin 62, Belziger Str. 4-6.

Am 31.3.74 sollte auch die "Putte" geraumt werden (wir berichteten dariiber im Info 5). Urn dies zu verhindern, wurde von der IG Westber- liner Jugendzentren eine Putte-Aktionswoche veranstal tet, die mit einer Demonstration, an der sich ca. 3ooo Menschen beteiligten, ihren vorlaufigen Hbhepunkt fand.

Fall 4: Jugendliche bei Hausbesetzung verhaftet

62

Die Initiative Selbstverwaltetes Jugendzentrum wurde Anfang Mai 1973 in Wuppertal gegrlindet (siehe Bericht "links" Nr. 49/November 73). Sie hat sich zum Ziel gesetzt, gegen den wilier der Stadtverwaltung ein selbstverwaltetes Jugendzentrum zu erkampfen, in dem die Jugendlichen liber ihre Freizeit ohne Kontrolle wirklich selbst bestimmen kdnnen. Der SPD-Stadtrat und die ganze Stadtverwaltung standen der ISJ von Anfang an feindlich gegenliber. Deshalb waren die Jugendlichen ge- zwungen, zur Selbsthilfe zu greifen:

Am 15.9.73 besetzten die liber loo Jugendlichen eine leerstehende Villa, urn ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Wahrend die etwa 15o Ju- gendlichen vor dem Haus von zwei Hundertschaften brutal weggetrieben wurden, drangen andere Polizisten gewaltsam in das besetzte Haus ein und verhafteten lo6 Jugendliche. Diese lo6 stehen oder standen vor Ge- richt. Die liber 18-jahrigen werden zu Geldstrafen zwischen loo und 4oo DM verurteilt. Die Gesamtstrafe betragt etwa 2o.ooo. DM! Bei einer weiteren (miBlungenen) Hausbesetzung am 16.2.74 nahm die Polizei 9 Jugendliche fest, die sich als "Radelsfuhrer" it. Pressebe- richt zu verantworten haben wegen: Kbrperverletzung , Hausfriedensbruch , Beleidigung, versuchte Gefangenenbefreiung, Widerstand und VerstoB gegen das Versammlungsgesetz. Es ist zu erwarten, daB die Strafen flir diese 9 wesentlich hbher liegen werden!

Genossinnen und Genossen, die Lehrlinge sind nicht in der Lage, von ihrer geringen Lehrlingsbeihilfe die Geldstrafen selbst zu bezahlen, sie benbtigen eure finanzielle Unterstlitzung.

Geldspenden an: Initiative Selbstverwaltetes Jugendzentrum, Wuppertal, Girokonto-Nr. 9316787 Stadtsparkasse Wuppertal , Stichwort "Prozesse".

Fall 5: Jugendwohnheim MarthastraBe/NUrnberg von SchlieBung bedroht

Das Heim dient Lehrlingen, Jungarbei tern und Schlilern als notwendige Wohnmogl ichkeit, da viele von ihnen von auswarts sind oder nicht bei ihren Eltern wohnen kbnnen oder wollen. Weiterhin dient es ihnen als Freizeitstatte und gibt ihnen die Mogl ichkeit, ihre Erfahrungen und Probleme aus Betrieb und Schule gemeinsam zu diskutieren und MaBnah- men gegen die verscharfte Ausbeutung im Betrieb, die Verschlechterung ihrer Ausbildung und die Situation in der Schule zu ergreifen. Solche politischen Diskussionen kbnnen aber nur geflihrt werden, wenn die Jugendlichen das Heim selbstverwalten: das heiBt, ohne Aufsicht von der Stadt bezahlten und ihr "verantwortl ichen" Heimleiter, die diese politischen Veranstal tungen und Diskussionen oft genug verhin- derten.

Der bisherige Trager der "Verein zur Schaffung und Fbrderung von Ju- qendheimen" hat Konkurs gemacht, die Stadt libernimmt dieses Heim und will es anderen Zwecken zufuhren. Der bisherige Heimleiter (Dipl.- Soz.), der wesentlich die Interessen der Jugendlichen nach Selbstver- waltung unterstlitzt und gefbrdert hat, soil entlassen werden. Hinter- qrund flir die SchlieBung ist dabei, die von den Jugendlichen entwickel te Selbstverwaltung. Diese zu sichern ist wesentliches Ziel der Lehr- linge, Jungarbeiter und Schliler aus Nordbayern und Niirnberg. Sie fordern daher von der Stadtverwaltung:

1. Weiterbetrieb des Heimes - ohne personelle Veranderungen.

?' Mietvertrag zwischen der Stadt und dem "Verein Alternative Niirn- berg e.V.". Der Verein, dem Uber 3o der betroffenen Jugendlichen und Erwachsene angehbren, libernimmt die wirtschaftliche und pa'da- gogische Weiterfuhrung des Heimes.

Finanzierung der notwendigen Umbau- und Renovierungsarbeiten. Zinsloses oder zinsbeglinstigts Darlehen flir die Fortsetzung des Wohnheimbetriebes. .

5. Regelma'Biger ZuschuB flir die Freizeiteinrichtungen.

Unterstlitzt die Forderungen der Jugendlichen durch Solidaritatsadres- sen an die Stadt Nurnberg, OB Urschlechter, 85 Nurnberg, Hauptmarkt. Weiter Informationen kbnnen beim AStA Uni Erlangen-NUrnberg, 852 Er- langen, Hindenburgstr. 2 angefordert werden.

fpys: Materialien der Jugendheiminitiativen)

3. 4.

SOZIALISTISCHES BORO + VERLAG 2000 GMBH ALLE LIEFERBAREN TITEL: FRfiHJAHR 1974

Ansatzpunkte sozialistischer Politik in der BRD - Thesen der

Arbeitsgruppe Sozial istisches Biiro, DM 2.-- Kofler/Buro: Vom Handelskapitalismus zum Neo-Imperialismus der

Gegenwart. Eine Einfuhrung in die Entwicklung der biirgerlichen

Gesellschaft, DM 5.-- Conert: Die politischen Grundrichtungen innerhalb der deutschen

Sozialdemokratie vor dem ersten Weltkrieg, DM 5. Schafer: Die Kommum'stische Internationale undtfsr Faschismus, DM 8.-- Evers/Lehmann: Politisch-Okonomisclie Determinanten fur Planung und

Politik in den Kommunen der BRD, DM 10.-- Autorenkollektiv Assistentenpool : Bedingungen und Perspektiven der

Stadtteilarbeit, DM 4.-- Van Spall: Obersicht deutschsprachiger Periodika der unabhangigen

sozialistischen Linken, DM 2.50

REIHE BETRIEB UND GEWERKSCHAFTEN

Redaktionskollektiv "express": Spontane Streiks 1973 - Krise der

Gewerkschaftspol itik, DM6.-- Politisches Ende der EVA? Dokumentation zum Medienverstandnis der

Gewerkschaften, DM 3.— Conert: Gewerkschaften heute - Ordnungsfaktor Oder Gegenmacht? DM 3.3o Kosack/Castles: Auslandische Arbeiter und Klassenkampf , DM 4.— Redaktionskollektiv "express": Gewerkschaftliche Vertrauensleute

fur eine antikapitalistische Betriebsstrategie, DM 2.5o Betriebsratswahl Merck 1972. Eine Dokumentation, DM 4.—

REIHE INTERNATIONALE SOLIDARITAT

Dokumente zur Entwicklung in Chile, DM 5.—

Wenzel/Krippendorff/Agnoli: Klassenkampfe und Repression in Italien.

Am Beispiel Valpreda, DM 5.-- Brasi lien-Report, DM 2.5o

Industrial isierung, Freffldkapital und Zwangsarbeit in Siidafrika, DM 4.— Portugal und die NATO, DM 4.—

REIHE ROTER PAUKER

Unterrichtseinheit (UE) Arbeit, DM 4.—

UE Verhaltenssteuerung - Abweichendes Verhalten, DM 4.—

UE Lehrlingsausbildung in der BRD, DM 3.5o

UE Lateinamerika, DM 4.—

Disziplinierung von Lehrern. Materialien, Analysen, Hinweise zum

Berufsverbot, DM 4.— Materialien zur Arbeitsfeldanalyse des Lehrerberufs, DM 4.— Materialien zur Geschichte der politischen Lehrerbewegung I

(1789 - 1933), DM 2.5o "

Materialien zur Schulbuchproduktion. Analyse, Tendenzen, Alterna-

tiven, DM 4.— UE: Bundeswehr und Riistung in der BRD, DM 5.— PLAKAT-BAUERNVERLAG

Alavi: Theorie der Bauernrevolution, DM 4.--

Rechtziegler: Westdeutsxhe Landwirtschaft im Spatkapital ismus, DM 5.— Bauer was nun? Beitrage zur Agrarfrage in der BRD, DM 4.— Kemper: Marxismus und Landwirtschaft, DM 5.— Bergmann: Agrarpolitik und Agrarwirtschaft sozialistischer Lander,

DM lo.—

Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591

NACHRICHTEN/TERMINE

1. LUneburg: Brutale Obergriffe der Polizei gegen Ougendliche

In der Nacht vom 9. auf 10. Februar 1974 wurden 20 Jungen und Madchen - nachdem sie vorher wegen Auseinandersetzungen in einer Gaststatte in Wiesen/Luhe von der Polizei festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt und dann wieder freigelassen wurden - im Hauptbahnhof Lune- burg von 10 Polizeibeamten mit Schlagstock und Maschinenpistole em- pfangen. Die Jugendlichen, die sich nicht einer erneuten Personalien- feststellung unterziehen wollten, wurden mit Schlagstocken und dem Knauf der Maschinenpistole geschlagen und durch die Stadt gejagt; der Abtransport eines verletzten Jugendlichen durch einen DRK-Kran- kenwagen wurde von der Polizei verhindert. Die Arbeitsgemeinschaft sozialpadagogische SondermaBnahmen LUneburg hat gegen diese Art der Behandlung beim Nieders. Innenministerium Dienstaufsichtsbeschwerde unter Bezugnahme des Art. 19 Abs. 4 GG eingelegt und gleichzeitig Presse und Jugendhilfeinstitutionen (u.a.

auch die AGJ) unterrichtet. ,„,.., c 1+

Nahere Informationen: ASSL c/o Hans v. Hagen, 314 Luneburg, Soltau-

erstr. 5

(Aus: Dienstaufsichtsbeschwerde des ASSL)

2^_ Butzbach: Ein Gefangener im Kafig

Der aus "Sicherheitsgrunden" nach der Bruchsaler Revolte zuerst in die Vollzugsanstalt Stamnheim und erst vor drei Wochen in die JVA Butzbach verlegte Gefangene Siegfried Knutz 1st im Gefangms Butzbach in einem Kafig eingeschlossen. Die Zelle, in der er sich aufhalten muB 1st von Fenster und TLir durch Gitterwande abgetrennt. In einem Brief an uns schrieb K. am 3.2.: "Untergebracht bin ich in einer kafigartigen Zelle. Gehst du in den Zoo und dort zu den Raubtierkafi- aen dann hast Du eine ungefShre Vorstellung. Die JVA Stammheim hat mir'offenbar eine warme Empfehlung mitgegeben. Kann nichts schreiben. Die achten auf jedes Wort. Wenn es ihnen nicht passt, wird bescniag- nahmt. Die Beschwerde kannst du dir schenken. Recht? Das Bind die in iuristisch verbindliche Normen gegossenen wirtschaftlichen Interessen der herrschen Klasse. Und wir? Wenn wir uns zur Wehr setzen, dann wird kriminalisiert - hier und drauBen. Wobei es hier nur noch scnlimmer 1st denn als Gefangener bist du rechtlos. Jede andere Gruppe hat ir- qendeine Vertretung, irgendeinen EinfluB - durch Bestechung oder wie sonst, was haben wir? Nichts.Die Gesetze werden uber unseren Kopfen yprfliat - in Erwagung unserer Schwache."

Der Rechtsanwalt von Knutz hat gegen die Anstaltsleitung Strafanzeige erstattet. Protestbriefe sind zu richten an: Staatsanwaltschaft Frank- RC- furtt GerichtsstraBe, und an die Anstaltsleitung der JVA Butzbach, DD

Postlei tzahl 6308, Kleebergstr. 23. Spender fur Knutz werden auf dem Postscheckkonto Frankfurt, Bezeichnung GR, Nr. 537298-602 entgegen- genommen.

(Aus: Informationsdienst Nr. 25

v. 4.3.741

56

3. Waiblingen: Demonstration urn Jugendhaus

In Waiblingen (Wu'rtt.) fand am 1.3. eine Demonstration statt. Etwa 300 Schuler und Lehrlinge wehrten sich mit dem Verein Jugendzentrum gegen die Kurzung ihres zugesprochenen Geldes von DM 160 000 auf DM 110 000. Nach einer Kundgebung am Rathaus fand 1m DGB-Haus ein teach-in statt. Informationen: Verein Jugendzentrum, 705 Waiblingen

4. Nordrhein-Westfalen: Progressiver Eltern- und Erzieherverband ge-

grlindet

"Fur Sozialisten ist es wichtig mit Familien - besonders mit Arbei- terfamilien - politisch zu arbeiten. Wir kbnnen es nicht zulassen, daB sich biirgerliche, konservative bis reaktionare Kra'fte und Insti- tutionen allein in vielfaltiger Form urn die Familien bemlihen." Der in NRW mit Unterstlitzung der 'SJD Die Falken1 gegrlindete und im Aufbau begriffene sozialistische Familienverband will an folgenden Problembereichen ansetzen: Vorschulerziehung, Schule und Familien- erziehung. Er will an den konkreten Interessen und Bedurfnissen von Arbeiterfamilien ankniipfen und versuchen, zusammen mit Erziehern, Lehrern und Sozialarbeitern sozialistische Erziehungsansatze weiter- zuentwickeln. Adresse: PEV (e.V.) 465 Gelsenkirchen, Bahnhofstr. 74-76 Tel . :62153/54

5. Stuttgart: Intern. Festival auf dem Stuttgarter "Killesberg"

Das Kulturkomitee flir auslandische Arbeitnehmer wird auch in diesem Jahr wieder ein internationales Festival unter dem Motto "Zu Gast bei Gastarbeitern" veranstalten. Das Festival soil auf Stuttgarts "Killesberg" stattfinden; voraussichtl ich Ende Mai. Das Kulturkomi- tee bittet alle Gruppen, die mit Auslandern zusaramenarbeiten bzw. Kontakte haben, urn Erfahrungsaustausch und Adressen, vor allem von kulturellen Gruppen oder Einzelklinstlern, die an so einer Veranstal- tung mitwirken kbnnten. Das Kulturkomitee gibt auf Anfrage detail 1 ier- te Informationen zu dem geplanten Festival. Kulturkomitee fur auslan- dische Arbeitnehmer, 7 Stuttgart 1, Schlosserstr. 36, Tel .: 0711/609009.

6. Hamburg: Vorbereitungstreffen Sozialistische Aktion

Vom 26. - 28. April 1974 findet in Hamburg das Vorbereitungstreffen der Sozialistischen Aktion Jugendhilfetag statt. Anmeldungen bis spa'testens 20. April 1974 an die Kontaktadresse: Info Sozialarbeit

7. Redaktionsmitteilunq: Info Sozialarbeit "Thema: Jugendzentren"

Auf dem Arbeitsseminar in Bielefeld wurde darauf hingewiesen, daB alle interessierten Gruppen und Genossen, die im Bereich "Jugendzen-

tren" arbeiten, mit uns gemeinsam ein Info unter diesem Schwerpunkt vorbereiten kbnnen.

Es ist wichtig zu wissen, welche Probleme flir Sozialarbeiter in der Praxis auftauchen, urn im Info an ihrer Situation anzuknupfen. Ohne diese Mitarbeit kbnnen wir kein Arbeitsseminar vorbereiten und Schwer- punkte setzen. Deshalb sendet uns bitte Fragestellungen und Berichte

zu.

Wegen der Vorbereitung der Sozialistischen Aktion zum Jugendhilfetag

wird das Arbeitsseminar "Jugendzentrum" auf den Herbst 1974 verscho-

ben.

Kontaktadresse flir dieses Thema: Gerd Rieger, 4 Dlisseldorf, Oberkas-

selerstr. 7

8. Das im-Info Nr. 5 anqeklindiqte Treffen der "Knast-Gruppen" findet nun am 20. /21. April 1974 statt. Treffpunkt und Anmeldung:

8 Munchen 80, Burggrafenstr. 4 im SSHK-Buro, 10 Uhr.

9. In Berlin erscheint seit einem Monat der Info "BERLINER UNDOGMATI- sr.HER GRUPPEN". In wbchentlichen Ausgaben wird liber die verschiedenen Aktivitaten der Gruppen berichtet (Jugendzentren, Chile, Abenteuer- spielplatze, Rote Hilfe, Mietkampf etc.).

Zu beziehen gegen DM o.5o in Briefmarken: Info UBG c/o RC, 1 Berlin 21, Stephanstr. 6o.

la. JUGENDZENTREN KONTRA KPD

Offener Brief der Initiativgruppe Westberliner Jugendzentren an die KPD, den KJV, den KOV, den KSV, die Liga gegen den Imperial ismus und die diversen Kampfkomitees.

Mitglieder eurer Organisationen haben wiederholt in verschiedenen Westberliner Jugendzentren und -heimen unter dem Vorwand solidarischer Unterstlitzung das Vertrauen der dort arbeitenden Jugendlichen miB- braucht und Vereinbarungen gebrochen. Zum Beispiel wurde in euren Flugbla'ttern liber die Putte durch die Aufmachung der Eindruck er- weckt, die Putte sei eine Untergruppierung des KJV. Ein Flugblatt der Liga wurde unter anderem mit "Prisma-Kollektiv" unterzeichnet, obwohl es dieses Kollektiv gar nicht gibt und kein Menschen im Prisma von dem Flugblatt wuSte. Obwohl dieses Vorgehen wiederholt von uns kriti- siert wurde, erschien vor kurzem wieder ein Flugblatt des KJV, in dem falschlicherweise behauptet wird, daB Mitglieder des KJV in der Putte und im Georg von Rauch-Haus mitarbeiten. Zusagen, ku'nftige Flugblatter vor Erscheinen gemeinsam zu besprechen, wurden wiederholt nicht ein- gehalten. Mitglieder eurer Organisationen erscheinen immer nur dann bei uns, wenn es was zu bequatschen gibt und nie, wenn handfeste Ar- beit ansteht. Bei Diskussionen unterdruckt ihr meistens die Bedlirf- nisse der Jugendlichen, indem ihr laufend liber abgehobene Dinge (z.B. Ziele und Politik eurer Partei bzw. Organisation) redet und die Leute damit vergrault. Das Rauch-Haus hat seine Stellungnahme in einem Brief an den KJV schon klargemacht. Wir sind ebenfalls der Meinung, daB euer Verhalten nicht mit "technischen Pannen" oder "individuellen Fehlern" zu erklaren ist, sondern, daB sich darin eure grundsatzli- che politische Linie zeigt.

67

Ihr yersucht, euch Imtiativen, die ihr nicht angeleiert habt, unter den Nagel zu reiBen; nicht urn die Jugendlichen zu unterstiitzen, son- de™ urn Eigenwerbung zu betreiben. Und das alles unter dem Deckman- tel der Solidarita't.

Die Jugendzentren und Jugendzentrumsinitiativen, die durch euch in inrer Arbeit behindert werden, haben beschlossen, euch Hausverbot zu erteilen, wenn sich euer Verhalten uns gegeniiber nicht grundlegend andert. Dieses Hausverbot tritt sofort in Kraft, wenn dieser offene Brief nicht ungekiirzt in der jeweils nachsten Nummer der "Roten Fahne', der "Ka'mpfenden Jugend", der "Schulkampf " der "Dem Volke die- nen" und der "International Solidarita't" sowie die Stel lungnahme des Rauch-Hauses in der nachsten KJ abgedruckt wird.

Initiativgruppe Westberliner Jugendzentren: Putte, Jugendzentrum Pris- ma, Georg von Rauch-Haus, JZI HeerstraBe Nord, Tommy Weissbecker-Haus Jugendclub TomasiusstraBe, Drugstore, Schbneberger Jugendarbeiter- und Schu'lerzentrum.

MATERIALIEN

INFORMATIOlNSDIENST ARBEITERBILDUNG

Heft 6, Doppel nummer, Dezember 1973, DM 5.

Heft 7, Einfachnummer, Ma'rz 1974, DM 3.—

SCHWERPUNKTTHEMA -

BILDUNGSARBEIT IM DFFENTLICHEN DIENST

Die Hefte 6 und 7 des Info ARBEITERBILDUNG bringen fur die Bil- dungsarbeit im Bereich des bffentlichen Dienstes wichtige Mate- rialien. Im Teil I des Schwerpunktthemas "Bildungsarbei t im bffentlichen Dienst" (Info 6) werden die Entwu'rfe fur neue Leit- sa'tze fur Vertrauensleute der Gewerkschaft DTV behandelt und der Entwurf einer Bildungskonzeption der Gewerkschaft DTV wiederge- geben. Im Teil II (Info 7) erscheinen im einzelnen folgende Bei- tra'ge bzw. Erfahrungsberichte: 1) Zum Beamtenstreikrecht; 2) Ein Beispiel gewerkschaftlicher Erwachsenenbildung rait Postkol legen; 3) Erfahrungsbericht einer Postler-Gruppe; 4) Die "subjektive Seite" (Arbeitserfahrungen und Lehrgangserfahrungen aus Wochen- lehrgangen mit Teilnehmern aus dem bffentlichen Dienst); 5) Die OTV-Gesamtorganisation.

Flir 1974 sind noch folgende Hefte vorgesehen:

- ein Heft mit Beitragen Uber Arbeiterbildung und Volkshochschule

- ein Heft, in dem vor allem die Arbeit des Berufsfortbildungs- werks untersucht wird

- ein Heft iiber Bildungsarbeit mit ausla'ndischen Arbeitern

Einfachnummer DM 3.--, Doppelnummer DM 5.--, Jahresabo DM 12. 8o Bezug: Verlag 2ooo GmbH, 6o5 Offenbach 4, Postfach 591.

1-)

2.) 3.)

4.)

5.) 6.)

7.)

8.) 9-)

10

11

Leitsatze fur die Regelung der zweiten Phase der Ausbildung von Sozialarbei tern/Sozialpadagogen: Entwurf und Kritik - zu erhal- ten bei: Praktikanteninitiative Bezirksamt Tiergarten, 1 Berlin 21, Turmstr. 35

Zur Lage des Abenteuerspielplatzes (M'a'rkisches Viertel, Berlin) gegen DM -.30 + Porto in Briefmarken zu erhalten bei: Abenteuer- spielplatz 1 Berlin 26, Senftenberger Ring 25 FORUM - Zeitschrift flir Theorie u. Praxis Transnational Pol i - tik, DM I.— bei: Junge Europaische Fbrderalisten, 53 Bonn, Markt 4

Heimerzieherzeitschrift Nr. 16: Demonstration f. Jugendzentren, Arbeitsentlohnung und Taschengeld im Heim, Streik im bffentli- chen Dienst u.a. Bezug: HEZ - 1 Berlin 61, Urbanstr. 126 Flur SPAK-Materialien: M 17 - Material ien zur Obdachlosigkeit II Bezug: SPAK 8 Munchen 2, Kobellstr. 12

Nachrichtendienst der Gefanqenenrate Nr.2 mit umfangreichen Nach- richten aus dem In- und Ausland ist erschi enen . Bezug: Gefangenenrat Frankfurt c/o Bu'ro Goller, 6 Frankfurt, Glauburgstr. 75 a; Einzelpreis DM 2. /Abonnement DM 6.— Die Arbeitsgemeinschaft Sozialpol itischer Arbeitskreise in der BRD (AG SPAK) hat den Diskussionsentwurf zum Jugendhilfegesetz vom BMJFG nachgedruckt. Der Umfang betragt ca. 300 Seiten (Dis- kussionsentwurf mit offiziellem Kommentar) Selbstkostenpreis DM 3. ; AG SPAK 8. Munchen 15, Postfach; Vorauszahlung auf das PSCHA Munchen 20 547 - 808

Dokumentation zur Politischen Praxis des Hess. Diakonievereins am Beispiel des Studentenwohnheims; zu beziehen uber den ASTA Ev. FHS, 61 Darmstadt, Moosbergstr. 2 KASCHOTT - Nachrichten von Drinnen fur DrauBen - Sent 1972 wird "KASCHOTT" von einer Gruppe Gefangener der JVA Wolfenbiittel in eigener Verantwortung hergestellt. Die Zeitung erscheint alle 2 Monate in einer Auflage von 750 Stuck. Sie wird aus freiwilligen Beitragen der Abonnenten finanziert. Die Herausgeber wunschen sich eine weitere Verbreitung von "Kaschott". Sie suchen den brieflichen Gedankenaustausch mit in- teressierten Lesern, urn durch Kritik, Zustimmung und Anregungen immer wieder den Mut zum Weitermachen zu finden. Bisher sind 9 Hefte erschienen: Redaktion Kaschott, 334 Wolfenbiittel, Ziegenmarkt 10

)ARCH + Heft Nr. 21 "Themenbereich: Stadtteilarbeit" iTa- Diskussion uber Burger i n i t i ati ven , Gemei nwesenarbei t als Ideologle und soziale Kontrolle: Sozialarbeit im Stadtteilbereich Bezug: VSA-Verlag, 1 Berlin 36, Erkelenzdamm 7, Preis DM 8.50

)Der Bund Deutscher Pfadfinder gibt "Material ien" zur Theorie und £,q Praxis demokratischer Jugendarbeit" heraus. Die Material ien kon- UC7

70

im Abonnement und als Einzelhefte bezogen werden. Abonnementpreis flir 6 Hefte DM 15.-- incl. Porto/ Einzelpreis je nach Seitenzahl von DM 2.-- (16 Seiten) bis DM 3.50 (iiber 94 Seiten). Folgende Hefte liegen u.a. vor:

- Jugendzentren - Texte zur Jugendsoziologie - Emanzipation durch politische Bildung - Politische Bildung rait Hauptschu'lern. Bestellungen an: Bund Demokratischer Jugend 6 Ffm. 90, Hamburger Allee 47, Tel.: 0611/77 70 10 - Postscheckkonto Ffm. 256949-601

12. )Broschure zum Bochumer StudentenprozeB des J.C. Papalekas.

Reihe Bochumer Texte zur politischen Repression. Titel: Der ge- wbhrliche Faschismus an einer westdeutschen Universitat. Mit Beitra'gen von J. Agnoli, Ch. Sigrist u.a. DM 5. . Bezug Liber den linken Buchhandel bzw. Bochumer Texte, 463 Bochum, Lennershof- str. 66/8.

13. )Drogenberatunq wo? Obersicht Liber institutionelle und auSerinsti- tutionelle Einrichtungen; zu erhalten bei der Bundeszentrale fur Gesundheitliche Aufklarung, 5 Koln 91, Postfach 930 103 (kosten- los).

14.)Gese11schaftliche Paten der BRD 1973; statistisches Material zu folgenden Bereichen: Bevblkerung, Gesundheit, Bildung, Arbeit, Einkommen, Soziale Umwelt etc.. Kostenlos zu erhalten beim Pres- se- und Informationsamt der Bundesregierung, 53 Bonn 1, Postfach.

15.)Die Sozialistische Jugend Deutschlands veranstaltete in Verbin- dung mit dem PEV ein Forum zu zentralen Erziehungsproblemen, das von Liber 350 Erwachsenen und ca. 450 Kindern besucht wurde. Die Protokolle der Arbeitsgruppen (Vorschulerziehung, Wohnen, Tagesmutter, Schule und Spielplatze) kbnnen angefordert werden beim: PEV, 465 Gelsenkirchen, Bahnhofstr. 74-76.

16.)AKID Febr. 1974 Heftthema: Funktionen kirchlicher Sozialarbeit

u.a. Vom Almosen zur Sozialarbeit, Reform des JHR, Disziplimerung in bkumenischer Eintracht, kirchliche Fachhochschulen etc. Preis: DM 1,50 bei AKID, 5 Kbln 51, Vorgebirgsstr. 115.

17.)Zeltlager der Westberliner Bezirksamter (eine Untersuchung, ca. 40 Seiten) Preis: DM 2,— (+ -,50 Porto ) . Informationszei tun u.a. Berichte, Anal Preis: DM 1.-- (+ -,50 Porto)

gegen Voreinsendung in Briefmarken an Rainer Steffen, 1 Berlin 65, Martin-Opitz-Str. 5.

18.)Broschuren "Zur Kritik und Theorie der Kirche in der Gesellschaft" Nr. 1 u.a. Zur Kritik kirchlicher Konzepte, antiimperialistischer

Kampf und christlicher Glaube; Preis -.50 DM + Porto Nr. 2 u.a. Zur Soziologie des Urchristentums, Reformation und

Bauernkrieg, kann es eine klassen-neutrale Theologie geben? Preis DM 1.-- + Porto ESG Bochum, 463 Bochum, Lennershofstr. 66 B 8

19QKNAST Heft Nr. 4 u.a. Gerichtshilfe was ist das? Berufsverbot fur Sozialarbeiter in Miinchen, Homosexuelle Aktion Munchen, Knastbe- richte. Preis: DM 1.50, Bestellungen an: "Knast+Randnotizen" c/o SSHK e.V., 8 Munchen 80, Burggrafenstr. 4

2Q.)Berliner Heimerzieherzeitschrift Nr. 3/Marz 1974

u.a. 07V-Streik - Einschatzung, Kollegen aus dem KH.Bethanien gefeuert, Jugendarbeit in Neukblln, Zur Situation an Berliner Erzieherausbildungsstatten, Padagogische WohlstandsmLillverwer- tung. Preis DM 1,50, Bestellungen an HEZ, 1 Berlin 61, Urbanstr. 126.

KLEINANZEIGEN

una der BLirgerinitiative Wedding e.V. nalysen Liber Kinder- und Jugendarbeit;

Sozial padagogin, Examen SS 1974, Schwerpunkt Straffalligenpadagogik,

'Erfahrung in der Arbeit mit Jugendl ichen, die nach dem JWG als

"Verwahrloste" definiert werden sowie mit strafentlassenen Ougend-

lichen, Kenntnisse in kl ientenzentrierter Beratung und Gruppenar-

beit, sucht bis Herbs t/Wi_nter 1974 eine Stelle in einer mittleren

Oder GroBstadt Wurttembergs. Das Arbeitsfeld soil prophylaktisch

Oder therapeutisch ausgerichtet sein und sozialpolitische Perspek-

tiven ermbglichen. Angebote an Info Sozialarbeit im Sozialistischen

BLiro, 605 Offenbach 4, Postfach 591.

FRSATZDIENSTSTELLE gesucht: in einem Jugend- oder Freizeitheim oder

iTner a'hnlichen tinrichtung, vorzugsweise in Hessen. Bisher habe ich

in der gewerkschaftlichen Jugendbildung gearbeitet und mbchte meinen

Ersatzdienst in einer entsprechenden Weise weiterfuhren.

Ulrich Trostowitsch,7417 Pfullingen, Achalmstr. 75

Wir brauchen dringend fur unseren ABENTEUERSPIELPLATZ in Pinneberg

ERTTIHER/SOZlALPfiDAGOGE ;

Robinsohnspielplatz c/o Lydia Ewers, 208 Pinneberg, Rethwiese 26

Tel •: 64108-74388 (abends)

Wir suchen Material: PRODUKTIONSSPIELE fur eine Kindergruppe SJD-

nTe Falken, bib Duren, Girbelsratherstr. 15

TLirkei-Komitee sucht Kontakte zu Gruppen und Einzelpersonen mit Moti-

•vlftion fur eine Turkei-Arbeit (antiimperial istische und Emigrations-

arbeit). Turkei-Komitee, Postfach 299, CH-8035 Zurich.

.lunendfreizeit- und Bildungszentrum 333 Helmstedt, Stepl ingerode 25/26

iTjEFt Folklore-, Blues, Jazz-, Skiff legruppen, politisches Kabarett,

Theatergruppen usw. Besonders interessiert sind wir an Gruppen, die

was mit fortschrittlichen deutschenTexten machen.

Material gesucht zum Thema "Ausbildung von Sozialarbeitern und Sozial-

padTgogen", auch Literaturhinweise etc: Hans-GLinter Ritz, 64 Fulda,

Von-Stauffenberg-Str. 10.

Das fiemeinschaftszentrum Horstmarer Landweg, Trager Cartas Verband

PRTnTter/Westtalen sucht sofort 1 Sozialpadagoge(in)/1 Sozialarbei-

?pr fin) zum Ausbau der Schulkinderarbeit Arbeitsfeld Wohnsiedlung

mit sozial benachteil igten Familien, tlternarbeit, Gemeinwesenarbeit,

Teamarbeit. Bewerbungen: Gemeinschaftszentrum Toppheide, 44 Munster,

ToDPheideweg 71a, Telefon 0251/46875.

A ^nzialarbeiter/Sozialpadagogen suchen zum Herbst 1974 fur inr

^TTrfgprakt.ikum Stel len in der Jugendarbeit (Jugendzentren, Jugend-

wlFnlollektive u.a.: Hans-Diebold Maurer, /8 Freiburg. Heinnch-von

^z?alwissenschaftler fur grbBeres, mehrjahriges Universitatsprojekt frEiflewerkschaftspolitische Fragen (in Zusammenarbeit mit Praktikern) n0<;ucht. Mbglichkeiten zur Lehre im Fachbereich. Eilt: Forma ler AusschreibungsschluBtermin 28.2.74! Kontaktadresse wird vermittelt jber Sozial istisches BLiro .

71